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Humane 3D-in vitro-Testsysteme für die präklinische Forschung

Date post: 25-Jan-2017
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404 WISSENSCHAFT · SPECIAL: ZELLBIOLOGIE ANGELA ROSSI, DAVID FECHER, SEBASTIAN EGNER, MATTHIAS SCHWEINLIN, MARIA STEINKE LEHRSTUHL FÜR TISSUE ENGINEERING UND REGENERATIVE MEDIZIN, UNIVERSITÄTS- KLINIKUM WÜRZBURG In vitro test systems have to be optimized to reduce preclinical failure rates. Therefore, we have introduced a new innovative system which mim- ics physiological conditions and enables vascularisation in bioreactors. Thus, we have developed test systems for intestinal uptake studies, for airway infections and for different tumour entities, e. g. lung cancer. A further approach presents the ex vivo cornea test system for irritation studies. DOI: 10.1007/s12268-014-0457-7 © Springer-Verlag 2014 3D-in vitro-Testsysteme ó Der Großteil unserer 3D-in vitro-Testsys- teme basiert auf einer biologischen vaskula- risierten Trägerstruktur (BioVaSc®), die aus einem ca. zwölf Zentimeter langen Segment des Schweineleerdarms (Abb. 1A) gewonnen wird. Präparierte Segmente (Abb. 1B) wer- den über dessen arteriellen Zufluss und venö- sen Abfluss in einem Bioreaktorsystem mittels einer Natriumdesoxycholat-Lösung azellularisiert und anschließend gammaster- ilisiert. Durch dieses standardisierte Verfah- ren entsteht BioVaSc, eine dreidimensionale Trägerstruktur mit erhaltenem vaskulärem Gerüst (Abb. 1C), die bereits erfolgreich an das Blutgefäßsystem eines Patienten ange- schlossen werden konnte [1]. Unsere auf der BioVaSc basierenden in vitro-Testsysteme wer- den unter statischen Standard-Zellkulturbe- dingungen kultiviert. Hierzu werden ca. 1,5 Quadratzentimeter große Bereiche der Trä- gerstruktur zwischen zwei Metallzylindern (Zellkronen, Abb. 1D) eingespannt, die als dreidimensionale Besiedlungsfläche dienen. Um den physiologischen Bedingungen im menschlichen Organismus noch näherzu- kommen, kultivieren wir unsere Testsysteme dynamisch in speziell angefertigten, compu- tergesteuerten Bioreaktorsystemen (Abb. 1E). Trachea-Testsystem Unserer Arbeitsgruppe ist es gelungen, mit Methoden des Tissue Engineering ein 3D- in vitro-Testsystem für die menschliche Atem- wegschleimhaut herzustellen, das der in vivo- Situation sehr ähnlich ist (Abb. 2A, B, [2]). Als Trägerstruktur verwenden wir kleine Bereiche von BioVaSc (Abb. 1C), die bereits erfolgreich als Implantat zur tracheobronchi- alen Rekonstruktion beim Menschen einge- setzt wurden [3] und daher ideale Voraus- setzungen zum Aufbau dieses Testsystems bie- ten. Durch histologische Analysen lassen sich wichtige physiologische Parameter, wie bei- spielsweise Schleimproduktion (Abb. 2A), nachweisen. Untersuchungen auf ultrastruk- tureller Ebene bestätigen die Anwesenheit schleimproduzierender Becherzellen (BZ) sowie die Ausbildung von Kinocilien an der Epitheloberfläche, die in vivo die Selbstreini- gungsfunktion der Atemwege ermöglichen (Abb. 2B). Weiterhin umfasst das Testsystem Basalzellen, die als Vorläuferzellen der ande- ren epithelialen Zelltypen angesehen werden, sowie Fibroblasten, die das unter dem Epithel liegende Bindegewebe funktionell erhalten und vermutlich über interzelluläre Kommunika- tion mit den Epithelzellen auch in vitro an der Ausbildung einer Basalmembran beteiligt sind. Unser 3D-Testsystem für die humane Atem- wegschleimhaut soll zukünftig zur Aufklä- rung der Virulenzmechanismen verschiede- ner obligater Humanpathogene beitragen und zur Risikoabschätzung inhalativer Nanopar- tikel eingesetzt werden. Darm-Testsystem Die derzeit etablierten Darm-Testsysteme basieren auf Darmkrebszelllinien, die auf Bioassays Humane 3D-in vitro -Testsysteme für die präklinische Forschung BIOspektrum | 04.14 | 20. Jahrgang ¯ Abb. 1: Unsere 3D-Testsysteme basieren auf einer biologischen vaskularisierten Träger- struktur (BioVaSc ® , B), die aus Segmenten des Schweineleerdarms gewonnen wird (A). Jedes azellularisierte, γ-sterilisierte Segment verfügt über vaskuläre Strukturen mit einem arteriel- len Zufluss (a) und einem venösen Abfluss (v) (C). Auf BioVaSc basierende Testsysteme kön- nen entweder unter statischen (D) oder dyna- mischen Bedingungen (E) kultiviert werden. A B C D E
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Page 1: Humane 3D-in vitro-Testsysteme für die präklinische Forschung

404 WISSENSCHAFT · SPECIAL: ZELLBIOLOGIE

ANGELA ROSSI, DAVID FECHER, SEBASTIAN EGNER, MATTHIAS SCHWEINLIN,

MARIA STEINKE

LEHRSTUHL FÜR TISSUE ENGINEERING UND REGENERATIVE MEDIZIN, UNIVERSITÄTS-

KLINIKUM WÜRZBURG

In vitro test systems have to be optimized to reduce preclinical failurerates. Therefore, we have introduced a new innovative system which mim-ics physiological conditions and enables vascularisation in bioreactors.Thus, we have developed test systems for intestinal uptake studies, forairway infections and for different tumour entities, e. g. lung cancer.A further approach presents the ex vivo cornea test system for irritation studies.

DOI: 10.1007/s12268-014-0457-7© Springer-Verlag 2014

3D-in vitro-Testsystemeó Der Großteil unserer 3D-in vitro-Testsys-teme basiert auf einer biologischen vaskula-

risierten Trägerstruktur (BioVaSc®), die auseinem ca. zwölf Zentimeter langen Segmentdes Schweineleerdarms (Abb. 1A) gewonnenwird. Präparierte Segmente (Abb. 1B) wer-den über dessen arteriellen Zufluss und venö-sen Abfluss in einem Bioreaktorsystemmittels einer Natriumdesoxycholat-Lösungazellularisiert und anschließend gammaster-ilisiert. Durch dieses standardisierte Verfah-ren entsteht BioVaSc, eine dreidimensionaleTrägerstruktur mit erhaltenem vaskuläremGerüst (Abb. 1C), die bereits erfolgreich andas Blutgefäßsystem eines Patienten ange-schlossen werden konnte [1]. Unsere auf derBioVaSc basierenden in vitro-Testsysteme wer-den unter statischen Standard-Zellkulturbe-dingungen kultiviert. Hierzu werden ca.1,5 Quadratzentimeter große Bereiche der Trä-gerstruktur zwischen zwei Metallzylindern

(Zellkronen, Abb. 1D) eingespannt, die alsdreidimensionale Besiedlungsfläche dienen.Um den physiologischen Bedingungen immenschlichen Organismus noch näherzu-kommen, kultivieren wir unsere Testsystemedynamisch in speziell angefertigten, compu-tergesteuerten Bioreaktorsystemen (Abb. 1E).

Trachea-TestsystemUnserer Arbeitsgruppe ist es gelungen, mitMethoden des Tissue Engineering ein 3D-in vitro-Testsystem für die menschliche Atem-wegschleimhaut herzustellen, das der in vivo-Situation sehr ähnlich ist (Abb. 2A, B, [2]).Als Trägerstruktur verwenden wir kleineBereiche von BioVaSc (Abb. 1C), die bereitserfolgreich als Implantat zur tracheobronchi-alen Rekonstruktion beim Menschen einge-setzt wurden [3] und daher ideale Voraus -setzungen zum Aufbau dieses Testsystems bie-ten.

Durch histologische Analysen lassen sichwichtige physiologische Parameter, wie bei-spielsweise Schleimproduktion (Abb. 2A),nachweisen. Untersuchungen auf ultrastruk-tureller Ebene bestätigen die Anwesenheitschleimproduzierender Becherzellen (BZ)sowie die Ausbildung von Kinocilien an derEpitheloberfläche, die in vivo die Selbstreini-gungsfunktion der Atemwege ermöglichen(Abb. 2B). Weiterhin umfasst das TestsystemBasalzellen, die als Vorläuferzellen der ande-ren epithelialen Zelltypen angesehen werden,sowie Fibroblasten, die das unter dem Epithelliegende Bindegewebe funktionell erhalten undvermutlich über interzelluläre Kommunika-tion mit den Epithelzellen auch in vitro an derAusbildung einer Basalmembran beteiligt sind.

Unser 3D-Testsystem für die humane Atem-wegschleimhaut soll zukünftig zur Aufklä-rung der Virulenzmechanismen verschiede-ner obligater Humanpathogene beitragen undzur Risikoabschätzung inhalativer Nanopar-tikel eingesetzt werden.

Darm-TestsystemDie derzeit etablierten Darm-Testsystemebasieren auf Darmkrebszelllinien, die auf

Bioassays

Humane 3D-in vitro -Testsysteme fürdie präklinische Forschung

BIOspektrum | 04.14 | 20. Jahrgang

¯ Abb. 1: Unsere 3D-Testsysteme basierenauf einer biologischen vaskularisierten Träger-struktur (BioVaSc®, B), die aus Segmenten desSchweineleerdarms gewonnen wird (A). Jedesazellularisierte, γ-sterilisierte Segment verfügtüber vaskuläre Strukturen mit einem arteriel-len Zufluss (a) und einem venösen Abfluss (v)(C). Auf BioVaSc basierende Testsysteme kön-nen entweder unter statischen (D) oder dyna-mischen Bedingungen (E) kultiviert werden.

A

B

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D E

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einer künstlichen Polyethylenterephtha-lat(PET)-Insertmembran kultiviert werden.Diese stoßen in Resorptionsstudien und beider Aufklärung neuer Mechanismen jedochan ihre Grenzen, da die Zusammensetzungder Zelltypen des Darmgewebes, die Zell-Zell-Kontakte und die Ausbildung eines funktio-nalen Zellverbands der in vivo-Situation nichtgerecht werden. Am Lehrstuhl haben wirdaher Darmgewebemodelle entwickelt, dieauf primären Zellen und der BioVaSc- Technologie basieren [4]. Mittlerweile ste -hen sowohl organoide Gewebekulturen alsauch einschichtige, intestinale Barrieremo-delle aus Mensch und Maus zur Verfügung(Abb. 2C, D). In beiden Systemen sind sowohlStamm- und Progenitorzellen als auch diffe-renzierte Zelltypen des Darms, z. B. absorp-tive Ente rozyten, sekretorische Schleim- oderente roendokrine Zellen, vertreten. Die Zellenbilden einen polarisierten Phänotyp sowieeine physiologische Barriere aus, die unterdynamischen Flussbedingungen im Bioreak-tor weiter verbessert werden (Abb. 2D). Unse-re Darmmodelle stellen einen weiteren wich-tigen Baustein für präklinische Screeningsdar und könnten helfen, Kosten und Tierver-suche zu reduzieren. Im Rahmen des Projektsbesteht eine enge Kooperation mit der uni-versitären Allgemeinchirurgie, die die erfor-derlichen Darmbiopsien bereitstellt. In zweiBMBF-geförderten Projekten (PeTrA, Lipo-Trans) werden bereits die humanen und muri-nen Darm-Testsysteme eingesetzt, um nano-materialbasierte Formulierungen zum ver-besserten peroralen Transport von Wirkstof-fen (z. B. Anästhetika, Tumorvakzine) zu ent-wickeln.

Tumor-TestsystemMit dem oben beschriebenen Ansatz könnenwir auch Modelle von erkranktem Gewebeerzeugen. Verschiedene 3D-Tumor-Testsyste-me wurden mit Tumorzelllinien und primärenZellen auf der azellulären Schweinedarmma-trix aufgebaut, die auf die BioVaSc-Strukturzurückgeht. Hierzu gehören Modelle für dasKolon-, Lungen- und Mammakarzinom sowiefür Neurofibrome und maligne periphere Ner-venscheidentumoren.

Derartige Modelle ermöglichen die detail-lierte mechanistische Analyse der Wirkungvon Testsubstanzen. Neben der Teilungsrateund Apoptose der Tumorzellen können Akti-vierungen von Signalkaskaden nach Behand-lung mit einer Testsubstanz gemessen wer-den. Die Tumorzellen in diesen Modellen wei-sen zumeist eine wesentlich geringere Tei-

lungsrate auf als in herkömmlichen 2D-Zell-kultursystemen, was der realen Situation inTumoren eher entspricht. Dies könnte dazubeitragen, die hohe Fehlerrate in der Präkli-nik zu reduzieren. Die Ko-Kultur von Tumor-zellen mit Zellen aus der Tumorumgebung,dem Tumorstroma, ermöglicht Untersuchun-gen, wie diese Umgebung die Wirkung vonMedikamenten beeinflusst.

Weiterhin kann in unserem Modell dieInvasion der Zellen ins Gewebe einschließ-lich einer EMT (epithelial-mesenchymaleTransition) durch Zugabe von 5 ng/ml TGF-β1(transforming growth factor beta 1) währendder ganzen Kultivierungsperiode ausgelöstwerden. Die dynamische Kultivierung im Bio-reaktor führt zu einem verbesserten Zell-wachstum, und der Prozess der EMT wird imVergleich zur statischen Kultivierung im Brut-schrank noch weiter verstärkt (Abb. 2E, F).Während der EMT werden mesenchymaleMarker wie Vimentin heraufreguliert(Abb. 2E, F) und epitheliale Marker wie Pan-Zytokeratin (Abb. 2E, F) herunterreguliert.Durch die Stimulation mit TGF-β1 wanderndie Tumorzellen außerdem in tiefere Schich-ten der Gewebematrix ein. Die Überwindungder Basalmembranstruktur, die auf der Matrixauch nach der Dezellularisierung noch erhal-ten bleibt, ist ein wichtiger Schritt im Prozessder Metastasierung, welcher in den meistenTumormodellen nicht darstellbar ist. Ein der-artiges Modell ermöglicht daher die Austes-tung von Medikamenten auch in einem fort-geschrittenen Tumorstadium [5].

Für Vorhersagen über Wirkungen von ziel-gerichteten Substanzen wurde parallel ein

bioinformatisches in silico-Tumormodell ent-wickelt, das wichtige Signalwege und ihreVernetzung beinhaltet. Nach Blockierungbestimmter Signalwege berechnet dieses Boole’sche Modell die Antwort der Tumor-zelle in Bezug auf Teilungsrate, Apoptose undInvasion (Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Thomas Dandekar, Lehrstuhl für Bioinforma-tik, Universität Würzburg). Eine in der Kli-nik angewandte Biomarker-geleitete Thera-pie gegen den EGFR (epidermal growth factorreceptor) konnte mithilfe dieses kombinier-ten in silico/in vitro-Lungentumormodellsschon erfolgreich simuliert werden [5].

Die Tumor-Testsysteme eignen sich somitfür vielfältige Anwendungen, wie für dieBestimmung neuer Wirkstoffziele und Bio-markerprofile, die Austestung von Kombina-tionstherapien sowie für Testungen zur Über-windung der Resistenzentwicklung.

Haut-TestsystemMit unseren universitären und industriellenPartnern entwickeln wir in vitro-Haut-Test-systeme unterschiedlicher Komplexität, diefür die Grundlagenforschung oder in präkli-nischen Studien eingesetzt werden. Hierzuzählen Validierungsstudien zur Untersuchungder Penetration, Irritation und Korrosion, aberauch Testungen neuer Medikamente an chro-nischen Wund- oder Hautkrebsmodellen.Während einer dreiwöchigen Kultur werdenKeratinozyten ausdifferenziert, die eine mehr-schichtige Epidermis, einschließlich einerHornschicht ausbilden. Die Hornschicht über-nimmt eine wichtige Barrierefunktion für diePenetration von Substanzen. Zwischen den

˚ Abb. 2: Vergleich des Trachea-Testsystems mit der in vivo-Situation (kleines Bild). Pfeile:Schleim (A) bzw. Kinocilien (B); BZ: Becherzelle. Vergleich der humanen Darmmodelle unter stati-schen (C) und dynamischen Kulturbedingungen (D) mit der in vivo-Situation (kleines Bild). E, F,TGF-β induziert im dynamisch kultivierten Lungentumormodell Vimentin (rot), nicht Pan-Zyto -keratin (grün). Maßbalken (A, C–F): 100 μm, (B): 3 μm.

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dermalen und epidermalen Anteilen des Haut-modells entsteht außerdem eine funktions-tüchtige Basalmembran aus Matrixproteinen.Ausgehend von diesem 3D-Hautäquivalentwurde auf der vaskularisierten Trägerstruk-tur (BioVaSc) ein Vollhautmodell (SkinVaSc®),bestehend aus einem Blutgefäßsystem, derUnterhaut (Dermis) und der Oberhaut (Epi-dermis), mittels primären humanen Endo -thelzellen, Fibroblasten und Keratinozytenentwickelt. Diese künstliche Haut ist das erstestandardisierte in vitro-Testsystem, das wiekomplexes menschliches Gewebe organisiertist. Solche komplexen künstlichen Hautäqui-valente spielen als in vitro-Testsystem zumErsatz von Tierexperimenten zunehmend einebedeutende Rolle. Einen entscheidendenAnteil hieran hatte die siebte Änderung derEG-Kosmetikrichtlinie (76/768/EWG), welcheseit 2009 ein Verkaufsverbot für an Tierengetestete Kosmetikprodukte und -rohstoffevorschreibt. Zu nennen ist außerdem dieREACH-Verordnung der Europäischen Union,die zum Schutz der menschlichen Gesund-heit und der Umwelt vor Risiken, die durchChemikalien entstehen können, erlassen wur-de (2007).

Cornea-TestsystemSowohl pharmazeutische und toxikologischeProdukte als auch Chemikalien müssen nachderzeitiger Gesetzeslage und zum Schutz desAnwenders am Auge im Tiermodell getestetund klassifiziert werden (Draize-Test). Dabeiwird die Testsubstanz in den Lidsack einesKaninchens appliziert und die Augenreaktionbeobachtet. Dieser Test ist nicht nur mit Tier-leiden verbunden, sondern zudem sehr auf-

wendig, kostenintensiv und fehleranfällig. Dieex vivo-Kultivierung von Hornhäuten hinge-gen ist eine vielversprechende, alternativeMethode, die solche Versuche am lebendenTier entbehrlich machen könnte. Dabei wer-den die Hornhäute kurz nach der Schlach-tung von Schweinen entnommen, präpariertund in einem speziell adaptierten Kulturme-dium vital gehalten. Die Kultivierung kannstatisch oder dynamisch erfolgen (Abb. 3A,B). Nach Applikation der Testsubstanz kön-nen akute Veränderungen, aber auch späterauftretende Schäden und eventuelle Regene-rationsprozesse des Gewebes kenntlichgemacht werden, da die Hornhäute nach derTestung der Substanz noch längere Zeit inKultur bleiben. Das Cornea-Modell ermöglichtes auch, Substanzen mehrfach zu applizie-ren, wie es im Alltag häufig der Fall ist, unddie Folgen zu untersuchen. Veränderungender Gewebeoberfläche und der tiefen Hornhaut werden durch Fluoreszenzfär -

bungen mit Natriumfluoreszein kenntlichgemacht (Abb. 3C, D), histologisch aufberei-tet (Abb. 3E, F), aber auch durch komplexereUntersuchungsmethoden, wie die optischeKohärenztomografie, analysiert.

DanksagungWir danken Frau Dr. Rose Liebert für das Redi-gieren des Artikels. ó

Literatur[1] Mertsching H, Schanz J, Steger V et al. (2009) Generationand transplantation of an autologous vascularized bioartificialhuman tissue. Transplantation 88:203–210[2] Steinke M et al. (2014) An engineered 3D human airwaymucosa model based on an SIS scaffold. Biomat, doi: 10.1016/j.biomaterials.2014.05.031[3] Walles T, Biancosino C, Zardo P et al. (2005) Tissue remo-deling in a bioartificial fibromuscular patch following trans-plantation in a human. Transplantation 80:284–285[4] Pusch J, Votteler M, Göhler S et al. (2011) The physiologi-cal performance of a three-dimensional model that mimics themicroenvironment of the small intestine.Biomaterials 32:7469–7478[5] Stratmann AT, Fecher D, Wangorsch G et al. (2014)Establishment of a human 3D lung cancer model based on abiological tissue matrix combined with a Boolean in silicomodel. Mol Oncol 8:351–365

Korrespondenzadresse:Prof. Dr. Heike WallesUniversitätsklinikum WürzburgLehrstuhl für Tissue Engineering und Regenerative MedizinFraunhofer-Projektgruppe „Regenerative Technologien in der Onkologie“Röntgenring 11D-97070 WürzburgTel.: 0931-31-88828Fax: 0931-31-81068heike.walles@uni-würzburg.de

˚ Abb. 3: Statische Kultur (A) und dynamische Kultur von Hornhäuten (B). Natriumfluoreszein-Färbung einer gesunden (C) und einer geschädigten Hornhaut (D). Histologische Darstellung(Hämatoxilin-Eosin-Färbung) einer gesunden (E) und einer geschädigten Hornhaut (F). Maßstabs-balken: 100 μm.

406 WISSENSCHAFT · SPECIAL: ZELLBIOLOGIE

BIOspektrum | 04.14 | 20. Jahrgang

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AUTOREN

Angela Rossi, David Fecher, Sebastian Egner, Matthias Schweinlin und Maria Steinke (v. l. n. r.)

Am Lehrstuhl für Tissue Engineering und Regenerative Medizin des Universitätsklinikums Würzburg undin der Fraunhofer-Projektgruppe „Regenerative Technologien in der Onkologie“ (Leitung: Prof. Dr. HeikeWalles) werden 3D-in vitro-Testsysteme für eine Vielzahl von Anwendungen entwickelt. Hierzu gehörendie AG Darm-Testsysteme, die AG Trachea/Lunge, die AG Haut/Cornea und die AG Tumor-Testsysteme.


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