Date post: | 28-Mar-2016 |
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Wissen Exklusiv in
Hinter den Kulissen
Alle Wege führen nach Rom. Aber kei-ner in den Vatikan. Das elfte Gebot des Heiligen Vaters lautet: Diskreti-on. Leichter gelangt ein Kamel durch
ein Nadelöhr als ein Journalist ins Innerste seines Imperiums. Nicht einmal für Filme über das Leben von Papst Benedikt XVI., der am 16. April 82 Jahre alt wird und am 19. April seit vier Jahren Oberhaupt der römisch- katholischen Kirche ist, gab es Drehgenehmi-gungen vom Heiligen Stuhl. Kein Wunder, dass sich immer mehr Mythen um den kleins ten eigenständigen Staat der Welt ranken, der Wohnsitz des Papstes und Kraftzentrum der Katholiken ist.
Mit Engelszungen wimmelt Schwester Maria, das „Fräulein vom Amt“ in der Tele-fonzentrale, offizielle Besucheranfragen ab. Bei Bedarf sogar vielsprachig. Aber wie lebt der Heilige Vater wirklich? HÖRZU hat in der „Verbotenen Stadt“ spioniert. Unser Ziel: die „Geheimakte Vatikan“ zu öffnen. Haben Bestsellerautoren wie Dan Brown recht mit ihren Theorien vom dunklen Kirchenfürsten?
Zumindest äußerlich macht der Mini-Staat den Eindruck, als habe er etwas zu verber-gen: Hermetisch abgeriegelt wird er von zehn Meter hohen Außenmauern, für deren Um-wanderung wir geschlagene 40 Minuten brau-chen. Mit 44 Hektar ist er nicht größer als ein mittlerer Bauernhof – wird aber bewacht von 100 Schweizergardisten mit Beretta- Pistolen unter der Uniform. Ein Wunder:
Wer den Männern in den rot-gelb-blauen Kostümen die richtigen Worte zuflüs-tert, darf das Tor passieren. Wir wagen es – und sind mitten im Vatikan. Eingetreten in eine selt-
same Welt, in der Benzin zehn bis 20 Prozent billiger ist als in Rom und die Geldautoma-ten Anleitungen auf Latein geben. Mitten in einem Zwergenstaat, dessen 932 Bewohner keine Steuern zahlen, aber eigene Pässe und Brief marken haben, ja sogar eine eigene Tages zeitung namens „L’Osservatore Ro-mano“ („Der Römische Beobachter“). Der Papst liest sie täglich – genau wie seine Lieb-lingsgazette, die „Mittelbayerische Zeitung“. Seine Kundennummer dort: 3001061323.
Kurz nach Ostern wird der Papst 82. ein exklusiv-Report führt hinter die kulissen des vatikan. HÖRZU durfte eine verschlossene Welt betreten
Geburtstag: Am 16.4. wird Papst Benedikt XVI.
82 Jahre alt
Wundermittel: Im Vatikan gibt es eine eigene Apotheke
Schweizergardisten bewachen die Tore des Kirchenstaates
Hohe Mauern des Schweigens umgeben den Vatikan. HÖRZU erhielt dennoch das Privileg, sich umzusehen. Fazit: Der MiniStaat ist vollkommen autark. Das Einzige, was ihn mit der Außenwelt verbindet: die Stromleitung.
„Auch im Vatikan gibt es Sünder, etwa Verkehrssünder“Benedikt Steinschulte, Päpstlicher Medienrat
Vatik anGeheimakte
Im Inneren des Imperiums
PäPStlichr SegenBenedikt XVI. spricht am Fenster seines privaten Arbeitszimmers das sonntägliche Angelusgebet
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Wissen
Die Restaurierung der Kunstschätze ist
eine große Aufgabe
Seit 1506 steht die Schweizergarde für
den Papst stramm
Für Sicherheit sorgt eine dreißigköpfige Feuerwehrtruppe
Weltenbürger: Auch bei Gottes Dienern
klingeln unablässig die Mobiltelefone
Am dritten Besuchstag durfte HÖRZU-Autor Mike Powelz den Staat per Rad erkunden
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Sein Territorium ist winzig, sein Einfluss riesig: Der Vatikan ist der kleinste von der Uno anerkannte Staat der Welt. Staatsoberhaupt ist der Heilige Stuhl, also der amtierende Papst mit der Römischen Kurie. Von 932 Einwohnern haben rund 550 die Staats bürgerschaft (darunter etwa 100 Schweizergardisten und 50 weitere Laien). Amtssprachen: Italienisch, Latein. Es gibt eigene EuroMünzen (o.) und Briefmarken (r. mit einem Bild Papst Pauls VI.). Öffentlich zugänglich sind: Petersdom und platz, Sixtinische Kapelle, Vatikanische Museen und Gärten.
Der Vatikan in FaktenWas ist wo im Vatikan?Das Erste, was wir sehen, ist ein Autostau vor dem Eingang. Schließlich ist es Punkt 14 Uhr – Feierabend für den Großteil der gut 3000 Angestellten im Vatikan, die im Supermarkt, bei der Feuerwehr, in den Gärten oder im Ge-richt arbeiten. Beim Papst ist man von Mon-tag bis Samstag für einen Durchschnittslohn von 1300 Euro fleißig. Und wie jeden Tag stöhnen die Angestellten auch heute in ihren Autos (Kennzeichen „V“) über die Rushhour auf der Piazza Santa Marta. Bis um 14.15 Uhr Ruhe einkehrt. Fast jedenfalls: Als eine Non-ne an uns vorbeischreitet, läutet ihr Handy. Ihr himmlischer Klingelton: die Nationalhym-ne des Vatikan, „Inno e Marcia Pontificale“.
„Im Vatikan gibt es nichts, was es nicht auch draußen gibt“, verrät uns Benedikt Steinschulte, Mitglied des Päpstlichen Medienrates – und unser Gastgeber. „Sogar Verkehrssünder! Dabei herrscht bei uns
Tempo 30.“ Mitunter ein Fall fürs Vatikan- Gericht, das sich auch mit Renten-Strei-tigkeiten und Falschparkern beschäftigt. „Theoretisch darf der Papst hier sogar als Richter auftreten“, so Steinschulte. „Aber er hat natürlich Wichtigeres zu tun.“
Wir fragen Steinschulte, ob Bestseller- Autoren wie Dan Brown richtig liegen mit ihren Verschwörungstheorien im Vatikan – und ernten ein lautes Lachen. „Am 4. Mai 1998 geschah mal ein Mord im Vatikan – damals wurde der Oberst Alois Estermann, Komman-dant der Schweizergarde, ermordet. Aber das war ein Racheakt. Ansonsten gibt es hier nur dieselben Sünder wie draußen!“ Nicht mal das sagenumwobene Geheimarchiv des Va-tikan ist laut Steinschulte rätselhaft. Lieber führt er uns in den Teil des Kirchenstaates, der tatsächlich „geheim“ ist: die Shopping-Meile. Ob Sportgeschäft oder Supermarkt:
1 Petersdom2 Petersplatz3 Vatikanische Museen4 Päpstliche Wohnung5 Sixtinische Kapelle6 St.-Anna-Tor7 TV Vatikan8 Vatikanische Bibliothek9 Audienzhalle10 Müllabfuhr11 Gerichtsgebäude12 Bahnhof13 Helikopter-Landeplatz14 Kino15 Geldautomat der Bank16 Radio-Vatikan-Direktion17 Vatikanische Gärten18 Gärtnerhaus
19 Supermarkt20 Vatikanische Druckerei21 Hauptpostamt22 Apotheke23 Hof der Schweizergarde24 Zeitung25 Vatikanische Feuerwehr26 Vatikanische Polizei27 Teutonischer Friedhof
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Es gibt im Vatikan alles, was man im täglichen Leben braucht. So wird der Supermarkt mit Eiern von 400 glück-lichen Hühnern versorgt. Und die Vatikan-Apotheke darf nur betreten, wer ein italienisches Rezept vorweist.
Als wir zurückgehen, schlendert ei-ne weiß gekleidete Gestalt durch die Gärten. Der Papst? „Gut möglich“, sagt Steinschulte. „Er geht gern spazieren, bevor er in seine Wohnung im Aposto-lischen Palast zurückkehrt.“ Von dort schaut der Papst über ganz Rom. Nur ihm blickt niemand in die Gemächer. Es sei denn, man wohnt
im „Hotel Vatikan“ (Residenza Paolo VI). Aus zwei Ex-Klosterzellen schaut man direkt in Benedikts Arbeitszim-mer. Noch um Mitternacht brennt dort Licht. Ob der Papst im Internet surft? „Nein“, hat Steinschulte uns verraten. „Das ist eine Frage des Alters.“ Um 2.25 Uhr erlischt das Licht. Der Vatikan schläft. Nur schwarze Katzen balzen noch im Garten. Andere dunkle Ge-stalten? Fehlanzeige! MIke Powelz
Die Osterhasen hoppeln jetzt wieder durch die Gärten und bringen
bunte Ostereier. Was aber haben diese possierlichen Tierchen eigentlich mit der Auferstehung Christi zu tun? Ist das Osterfest nicht seit fast 2000 Jahren die Feier der Auferstehung jenes Mannes, der drei Tage zuvor am Kreuz gestorben war? Wie kommt der Auferstandene zum Hasen? Und gar zu Eiern? Gottlob gibt es auch heute noch Christen, die an Ostern ein Osterlamm mit einer Os-terfahne auf den Esstisch stellen: einen mit weißem Zuckerguss über zogenen Kuchen, der nach Ostern geschlachtet wird. Ich habe in Lexika viele Gründe dafür gefunden, warum der Hase uns zu Ostern Eier bringt. Doch eigentlich weiß es niemand so genau. SyMBol Der Schwäche? Im Jahr 1682 hat ein Arzt erstmals über Osterhasen und -eier geschrieben: Zu viele Eier seien schädlich. Gescheite Theologen meinen, der heilige Ambro-sius von Mailand habe im Hasen ein Symbol der Auferstehung gesehen. In der Antike sahen die Christen im Hasen eher ein Symbol des schwachen Men-schen, der auf den Felsen Christus flieht. Wie dem auch sei. Genießen Sie die Ostereier, aber vergessen Sie nicht, aufzustehen, wenn die Auferstehungs-glocken läuten. Was wären die Hasen schon ohne Menschen, die richtig die Auferstehung Christi feiern?
Auf ein Wort
Die große Osterfrage: Lamm oder Hase?
MeIne KolUMne
In mit Pater Eberhard
von Gemmingen
Pater eberHard Von GeMMInGen ist Leiter der deutschsprachigen Redaktion von Radio Vatikan.
Herzlichst, Ihr
oSTeRn In RoM Messe und Segen auf dem Petersplatz mit Papst Benedikt XVI.
S0 12.4. ARD 10.25 UhR
Wissen
Die insignien des Papstesbei liturgischen anlässen wie etwa der ostermesse trägt Papst Benedikt XVI. bestimmte Pontifikalien. HÖRZU erklärt den ornat des oberhirten:
Die typische sakrale Kopfbedeckung (griech.: Stirnbinde). Bei besonderen Anlässen trägt der Papst eine „Mitra pretiosa“ (kostbare Mitra), verziert mit Goldfäden und Edelsteinen.
1 Mitra
Bischöfe haben Krummstäbe (Hirten-stäbe) – nur der Papst den Kreuzstab, die sogenannte „Ferula“. Seit Palmsonn-tag 2008 benutzt Papst Benedikt XVI. eine goldene Ferula ohne Darstellung des gekreuzigten Jesus (siehe links).
2 Kreuzstab
Seit dem 14. Jahrhundert Amts- und Siegelring der Päpste. Er zeigt den Namen des jeweiligen Pontifex und den Apostel Petrus mit Fischernetz. Nach dem Tod des Papstes wird er mit einem Silberhammer zerschlagen.
3 Fischerring
Die bis zu 15 Zentimeter breite, natur-weiße Stola aus Lamm- und Schafwolle endet über der linken Schulter des Papstes und soll symbolisieren, dass er sich als „guter Hirte“ die Lasten seiner Schäfchen auflädt.
4 Pallium
Anders als die niederen Ränge des Vatikan trägt Papst Benedikt XVI. rotbraune Kalbslederschuhe, die der Schuhmacher Adriano Stefanelli her-stellt. Des Papstes Tageskleidung produ-ziert Schneider-Familie Gammarelli.
5 Schuhe
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