Herstellung, Funktionalisierung und charakterisierung von Referenzpartikelkollektiven
Dr. rer. nat. W. Hintz, Prof. Dr.-Ing. habil. J. Tomas
Lehrstuhl für Mechanische Verfahrenstechnik, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg
Auswahl der Referenzpartikelsysteme mit typischem mikromechanischem Verhaltensmuster: 1. vergleichsweise steife (amorphe) Glaspartikel, deren Haft- und Kontakteigenschaften sich einfach durch Silanisierung chemisch modifi-
zieren lassen,
2. Titan(IV)-oxid-Partikel, die sehr stark haften und agglomerieren aufgrund ihrer großen Hamaker-Konstante, ihres weichen Kontaktverhal-
tens verbunden mit einer großen Kontaktabplattung und ihres großen Haftkraftanstieges unter Einwirkung einer verfestigenden Normal-
kraft und
3. monodisperse organische Latexpartikel mit bekannten Hafteigenschaften, die für ein weiches mechanisches Partikelverhalten mit unbe-
kanntem Reibungsverhalten stehen.
Herausforderungen des Projektes: 1. ist einerseits die Herstellung von sehr eng verteilten (monodispersen) kugelförmigen Referenzpartikeln geringer Menge (ca. 10 g) mit ei-
ner sehr glatten Oberfläche u.a. zur physikalischen Charakterisierung der mechanischen Eigenschaften (z.B. Messung der Haftkräfte mit-
tels Atomkraftmikroskopie AFM),
2. andererseits die Herstellung größerer Mengen (> 1 kg) möglichst eng verteilter Partikelsysteme aus einer Grundgesamtheit, die reprä-
sentativ zum technischen Produkt sind.
Vernetzung und Kooperationen
Projektziele AP1 Spezifikation der benötigten Partikelsysteme und deren Charakteristika Referenzmaterialien: a) nichtmodifizierte bzw. modifizierte kommerzielle Glaspartikel Spheriglass 5000 CP 00
(Partikelgröße 3,5 μm bis 8 μm) - ersatzweise SiO2-Partikel
b) monodisperse, poröse (agglomerierte) bzw. nichtporöse (nicht agglomerierte) TiO2-Partikel
c) Polystyrol-Partikel mit einem Partikeldurchmesser von 50 nm und 5 µm
Ziel: Festlegung der Quantitäten und Qualitäten der Produkte (z.B. Modifikationen, Dispersitätszustand) in
Kooperation der am SPP 1486 „Partikel im Kontakt - Mikromechanik, Mikroprozessdynamik und Partikelkollek-
tive“ beteiligten Teilnehmern
Arbeitsprogramm und Methoden
AP2 Chemische Oberflächenmodifizierung (Hydrophobierung) der Glaspartikel a) Reinigung und chemische Vorbereitung der Glasoberfläche (Spheriglass 5000 CP 00)
Freiheit der Oberfläche von Fremdstoffen (Reinigung mittels wässriger Tensidlösung, Behandlung mit Caroscher
Säure und Ultraschall, Spülung mit ionenausgetauschtem Wasser)
Ziel: Glasoberfläche enthält nur reaktive SiO2-Gruppen
b) Hydrophobierung der Glaspartikel
Anwendung ausgewählter chemischer Silanisierungschemikalien, wie z.B. das häufig zur Funktionalisierung ver
wendete 3-Methacryloxypropyl-trimethoxysilan, Glycidoxypropyl-trimethoxysilan, 3-Aminopropyl-triethoxysilan oder
Trimethyl-ethoxysilan N.D. Hedge, H. Hirashima, A. Venkateswara Rao: „Two step sol-gel processing of TEOS based hydrophobic silica aerogels using trimethyl-
ethoxysilane as a co-precursor“, J. Porous Mater. 14 (2007) 165-171
Ziel: Variation der Oberfläche zwischen hydrophilen und hydrophoben Eigenschaften
AP3 Herstellung monodisperser Partikel aus Titan(IV)-oxid a) Herstellung monodisperser, poröser (agglomerierter) TiO2-Partikel
mit einer Partikelgröße von 50 nm und 5 μm durch schnelle Fällungsreaktion von Tetraisopropyl-orthotitanat in Was-
ser und nachfolgendem chemisch bzw. mechanisch unterstützten Desintegrationsprozess des polydispersen Parti-
kelsystems im sauren (HNO3) bzw. basischen (NaOH) wässrigen System unter Zusatz von Elektrolyten
Variation der Prozessparameter (Temperatur, Konzentration, pH-Wert 1,0 bis 12,0, Elektrolytkonzentration) und
Zusatz von chemischen Modifizierungsstoffen (Tenside, z.B. Marlinat, Lutensol, Brij, Hydroxypropylcellulose)
b) Herstellung monodisperser, nichtporöser (nicht agglomerierter) TiO2-Partikel
in Form von Primärpartikeln mit einem Partikeldurchmesser von 50 nm und 5 µm in Analogie zum Stöber-Prozess
(Herstellung monodisperser Siliziumdioxid-Partikel) durch Umsetzung von Tetraisopropyl-orthotitanat in einer Mi-
schung mit wasserfreiem Alkohol (Ethanol bzw. Isopropanol) mit Wasser / Ammoniak bzw. Salzsäure in einem La-
borfällungsreaktor Variation der der Prozessparameter (Temperatur, pH-Wert, Konzentration der Edukte - Tetraisopropyl-orthotitanat,
Alkohol, Wasser, Ammoniak/Salzsäure, Elektrolyte) und Zusatz von chemischen Modifizierungsstoffen (Stabilisa-
toren/Tenside - Marlinat, Lutensol, Brij, Hydroxypropylcellulose)
AP4 Herstellung monodisperser Polystyrol-Latexpartikel mit Hilfe der Emulsionspolymerisation durch Umsetzung von Styrol mit Hilfe eines Initiators (Kaliumperoxodisulfat) im
wässrigen System aus Emulgator (Natrium-dodecylsulfat SDS) und Puffer (Borax) zu Polystyrol
Variation der Ladungsdichte / der Menge der geladenen funktionellen Gruppen (Sulfonat-Gruppen) an der Ober
fläche der Partikel durch Co-Polymerisation mit Natrium- bzw. Kalium-Styrolsulfonat bzw. durch Veränderung der
Initiatorkonzentration
AP5 Physikalisch-chemische Charakterisierung der granulometrischen und mechani-schen Eigenschaften der Partikel und Partikelkollektive
Ermittlung der granulometrischen Eigenschaften: Feststoffdichte (Heliumpyknometrie), Partikelgröße und
Partikelgrößenverteilung (Photonenkorrelationsspektroskopie, Laserbeugung, Messung des ESA-Signalspektrums),
spezifische Oberfläche, Porosität und Porengrößenverteilung (Gasadsorptionsmessungen (Stickstoff, Argon), BET-
Methode (Brunauer, Emmett, Teller), BJH-Methode (Barrett, Joyner, Halenda), Oberflächenstruktur und Morphologie
der Partikelsysteme (Rasterelektronenmikroskopie (REM), Transmissionselektronenmikroskopie (TEM) - Sichtbar-
machung sehr kleiner Nanostrukturen < 100 nm und Porositäten (Agglomeratstrukturen - TiO2),
Ermittlung der Stabilität der Partikel (Bestimmung des Zeta-Potentials),
Ermittlung der Kontakt- und Haftkräfte (Anwendung der Rasterkraftmikroskopie AFM - vgl. Kooperationen im SPP) Ermittlung der kontinuumsmechanischen Eigenschaften: Charakterisierung des Fließverhaltens der kohäsiven Pul-
ver an Translations- und Rotationsscherapparaturen (Bestimmung der Fließkennwerte - σ1 größte Hauptspannung beim
Verfestigen (stationäres Fließen), σ2 kleinste Hauptspannung beim Verfestigen (stationäres Fließen), τc Kohäsion, σC
einaxiale Druckfestigkeit, σ0 dreiaxiale Zugfestigkeit, ϕst stationärer Reibungswinkel, ϕe effektiver Reibungswinkel, ϕi
innerer Reibungswinkel, ffc Fließfunktion, ϕW Wandreibungswinkel (Fließen in bezug zum Wandmaterial) und ρb Schütt-
gutdichte).
Zeitplan der Arbeitspakete
Nr. Arbeitspakete Projektjahr 1 Projektjahr 2
AP 1 Spezifikation der benötigten Partikelsysteme und deren Charakteristika AP 2
Chemische Oberflächenmodifizierung (Hydrophobierung) der Glaspartikel (a) Reinigung und chemische Vorbereitung der Glasoberfläche Chemische Oberflächenmodifizierung (Hydrophobierung) der Glaspartikel (b) Hydrophobierung der Glaspartikel
AP 3 Herstellung monodisperser Partikel aus Titan(IV)-oxid (a) Herstellung monodisperser, poröser (agglomerierter) TiO2-Partikel Herstellung monodisperser Partikel aus Titan(IV)-oxid (b) Herstellung monodisperser, nichtporöser (nicht agglomerierter) TiO2-Partikel
AP 4 Herstellung monodisperser Polystyrol-Latexpartikel AP 5 Physikalisch-chemische Charakterisierung der granulometrischen und mechanischen Eigenschaften der
Partikel und Partikelkollektive
Ausblick für die zweite Förderperiode
Laborgeräte und Messtechnik
Ziel des Projektes: (a) die Herstellung von ausgewählten Partikelsystemen als Referenzpartikelkollektive, (b) die Oberflächenmodifizierung und Funktionalisierung dieser Partikel und (c) die physikalisch-chemische Charakterisierung der granulometrischen Eigenschaften der Partikel und der mechanischen Eigenschaften der Partikelkollektive. Es erfolgt eine Fokussierung auf preiswerte, engverteilte kugelförmige Partikel mit bequem bestimmbaren granulometrischen Daten, die typisch für bestimmte mikromechanische Verhaltensmuster sind.
Eigene Vorarbeiten Erzeugung nanoskaliger Partikel durch Fällungs- (BaSO4, TiO2) und Sol-Gel-Prozesse
(SiO2, Stöber-Partikel), chemische & mechanische Desintegration von Agglomeraten (TiO2), mechanische Beanspruchung grobdisperser Systeme
Edukte
Agglomerate
Primärpartikel
Keime
Nan
opar
tikel
Keimbildung
Wachstum
Agglomeration
Deagglomeration
kritische Übersättigung Vermischung, Temperatur u.a.
Transportmechanismen diffusions- oder strömungskontrolliert Partikelwechselwirkungen van-der-Waals-Anziehung elektrostatische / sterische Abstoßung Agglomeratstruktur euklidische Geometrie, Fraktale
einbau- und diffusionslimitiertes Partikelwachstum
Stabilisierung der Nanopartikel gegen Agglomeration !
REM-Aufnahmen der Agglomerate aus Bariumsulfat (Konzentration der Edukte: 0,5 mol/l, R= 1, Sc = 25.000, 80 ml/min, ohne Dispergiermittel)
REM-Aufnahmen der Siliziumdioxid-Partikel (d50,0 = 188 nm)
REM-Aufnahme von Nanopartikel aus Titan (IV)-oxid, links hergestellt in einer 0,1 M HNO3 - Suspension (ca. 10 nm- 30
nm), rechts Modell der Agglomeratstruktur
• Herstellung monodisperser Siliziumdioxid-Partikel (Stöber-Partikel) im Durchmesser 50 nm bis 5 μm: kommerzielle, kugelförmige, chemisch unbehandelte, nicht beschichtete Glaspartikel sind in der Regel nur
als polydisperse Systeme erhältlich (z.B. Spheriglass 5000 CP00 mit Partikeldurchmesser zwischen 3,5 µm
und 8 µm,
Vergleich mit den Ergebnissen aus der ersten Förderperiode bei Verwendung von Spheriglass 5000 CP00
• Oberflächenmodifizierung und Funktionalisierung der Stöber-Partikel: Gestaltung der Partikeloberfläche in Form von Gast-Träger-Partikelsystemen (z.B. TiO2-Partikel auf SiO2-
Partikel, die Beschichtung der Träger-Partikel mit noch kleineren Nanopartikeln, sog. Gast-Partikel, führt zu
Universität Magdeburg (Dr. Aman): Die Untersuchung der Radiowellenemission bei der Partikelbeanspru-chung, Nutzung der hergestellten Partikel, Messung Kraft-Weg-Fkt.
Universität Siegen (Prof. Staedler, Prof. Xin Jiang): Kontaktkraftmessung mittels Atomkraftmikroskopie AFM
Universität Magdeburg (Prof. Tomas): Modellierung des Kontaktverhaltens feiner adhäsiver Partikel, Nut-zung der hergestellten Partikel
Partikelformulierung
Produktabtrennung
Partikelerzeugung
Redispergierung der nanoskaligen Partikel
Prozesskette “Miniplant zur Herstellung und Online-Analyse von Nanopartikeln“
Fest-Flüssig-Fällungsreaktor- system - Partikelformulierung
On-Line-Prozess-Messtechnik
Geräte zur Produktabtrennung
Messtechnik zur Produktcharakterisierung
Modul 1: Fällungs-Rührreaktor mit Gestell MRS-Modul
Modul 2: PhotonenkorrelationsspektrometerZetasizer Nano ZS
Modul 5: Hochleistungs-Kühlzentrifuge Modell Avanti J-30i
Modul 6: Membranfiltrationsanlage Tripple System Model F
Modul 7: Trockendispergiereinheit Scirocco 2000
Modul 8: Digital-Stereo-Mikroskop Typ VHX
Modul 3: Optisches Online-Lasermess-System für die Photolumineszenz-
Modul 4: Optisches Trübungsmessgerät Fa. Mettler-Toledo GmbH
Miniplant zur Herstellung und On-Line-Analyse von Nanopartikel*
integrales, modular aufgebautes System:
dient der messtechnischen und prozess-dynamischen Erfassung der Eigenschaftender Nanopartikel (Partikelanzahl, Partikel-größenverteilungen, Oberflächenladungs-verteilungen u.a.) im Verlauf der Herstellung
* beantragt bei der DFG nach Art. 91 b GG
Partikelcharakterisierung
Photonenkorrelationsspektrometer Zetasizer Nano ZS
Partikelabtrennung
Schnellaufende Röhrenzentrifuge- analytische Ultrazentrifuge
Schwerpunktprogramm SPP 1486 Partikel im Kontakt - Mikromechanik,
Mikroprozessdynamik und Partikelkollektive
Universität Paderborn (Prof. Grundmeier, Prof. Schmidt): Kontaktkraftmessung mittels AFM, Austausch über Eigen-schaften des TiO2, Nutzung der hergestellten Partikel
Max-Planck-Institut für Polymer-forschung (Prof. Butt, Dr. Kappl): Messung von Kontaktkräften (Adhäsion, Reibung)