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Herausforderung ästhetische Bildung · 2017-04-28 · fotografien seines Mitarbeiters Karl...

Date post: 15-Jul-2020
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Kai Buchholz / Elisabeth Mollenhauer-Klüber / Justus einert (Hg.) Herausforderung ästhetische Bildung AISTHESIS VERLAG Bielefeld 2017 Leseprobe
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  • Kai Buchholz / Elisabeth Mollenhauer-Klüber / Justus Theinert (Hg.)

    Herausforderung ästhetische Bildung

    AISTHESIS VERLAG

    Bielefeld 2017

    Leseprobe

  • Inhalt

    Elisabeth Mollenhauer-KlüberZum Geleit 7

    Ulf KilianVorwort 11

    Kai Buchholz / Elisabeth Mollenhauer-Klüber / Justus TheinertEinführung 15

    Matthias BurchardtEin Schatz, den es zu heben gilt. Ästhetische Bildung in Zeiten des Ökonomismus 33

    I. Historische Perspektiven

    Gerda BreuerJohn Ruskins Konzept ästhetischer Bildung und die Arts-and-Crafts-Bewegung 53

    Renate FlagmeierDer Deutsche Werkbund zwischen Bildungsauftrag und Erziehungsarbeit 73

  • Kai BuchholzSinnesschulung am Bauhaus und in Loheland 93

    II. Aktuelle Perspektiven

    Andreas Mayer-BrennenstuhlPädagogische Intentionen eines erweiterten Kunstbegriffs 135

    Justus TheinertEinfälle nicht dem Zufall überlassen. Künstlerische Intuition in der Gestaltungsdidaktik 157

    Andrew BrewertonMaking Learning. Eine kunstpädagogische Fallstudie 177

    Glossar altgriechischer Ausdrücke 203Bildnachweis 207Impressum 208

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    EinführungKai Buchholz / Elisabeth Mollenhauer-Klüber / Justus Theinert

    Die alltagssprachliche Verwendung des Ausdrucks ›ästhetisch‹ impliziert meist zwei Aspekte, die bei genauerem Hinsehen fragwürdig erscheinen: Sie geht erstens davon aus, dass ästhetisch eine Eigenschaft von Dingen sei, und sie verknüpft diese Eigenschaft zweitens mit der Wertung, ›ästhetische Dinge‹ seien per se schön. Das altgriechische Ursprungswort ›αἴσϑησις‹1 bedeutet demgegenüber zunächst nur ›Sinneseindruck‹ beziehungsweise ›Empfindung‹.

    Die so umrissenen unterschiedlichen Wortbedeutungen schlagen sich auch in der philosophischen Ästhetik nieder – derjenigen Disziplin, die ästhetische Phä-nomene vorranging behandelt: Einerseits versteht sich Ästhetik in der Tradition von Baumgartens Aesthetica (1750/58) bis zu Gernot Böhmes Aisthetik (2001) als ›allgemeine Wahrnehmungslehre‹. Andererseits wird sie als ›Kunstphilosophie‹ aufgefasst, so etwa in Hegels Vorlesungen über die Ästhetik (1820-29) oder in Arthur C. Dantos The Transfiguration of the Commonplace (1981). Eine Zwischenstellung nehmen unter anderem die ästhetischen Schriften von Edmund Burke oder Imma-nuel Kant ein.

    Entscheidend ist: Ästhetik als Wahrnehmungslehre macht darauf aufmerk-sam, dass die theoretische wie auch die praktische Beschäftigung mit ästhetischen Fragen die tätige Beziehung zwischen wahrgenommenem Objekt und wahrneh-mender Person berücksichtigen muss. Diese Perspektive ist gerade für jede Form ästhetischer Bildung unausweichlich, geht es hier doch immer darum, Menschen dabei zu unterstützen, sich im Bereich ästhetischer Erfahrungen und ästhetischer Gestaltung mit Feingefühl zu orientieren. Natürlich hat sich ästhetische Bildung dann auch damit zu befassen, wie sich ein Urteilsvermögen für ästhetische Qualität

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    ausbilden lässt. Diese Kompetenz ist keinesfalls von vornherein gegeben, wie es die populistische Formel ›Schönheit liegt im Auge des Betrachters‹ suggeriert. Sie wird geradezu durch gesellschaftliche Vorurteile und Moden verschüttet.2

    Der Gedankengang zeigt: Ästhetische Bildung erweist sich trotz ihrer langen kul-turgeschichtlichen Tradition immer noch als widerständig und herausfordernd. Das ist an sich nicht verwunderlich. Es gehört jedoch zu den typisch modernen Fehleinschätzungen, dass sich Geschichte immer vorwärts bewegen würde, etwa in einem linear fortschreitenden Zivilisationsprozess.

    Dass dies gerade für die ästhetische Bildung nicht zutrifft, wird bereits deutlich, wenn man sich vor Augen führt, wie die klassische griechische Kultur menschliches Empfinden, Handeln und Denken in Beziehung zueinander setzt: Schönes (καλόν), Gutes (ἀγαϑόν) und Wahres (ἀλήϑεια) werden hier als untrennbare Einheit begrif-fen, was sich nicht zuletzt im Ausdruck καλοκἀγαϑία sprachlich niederschlägt. Wie Kai Buchholz in seinem Beitrag für diesen Band zeigt, zählt die griechische Pädagogik aus diesem Grund auch zu den positiven Anknüpfungspunkten der Loheland-Gymnastik. Allerdings, das ist hinzuzufügen, trägt bereits Aristoteles zur Geringschätzung ästhetischer Phänomene bei, wenn er Wahrnehmung (αἴσϑησις), Erfahrung (ἐμπειρία) und Kunst (τέχνη) als der Wissenschaft erkenntnistheoretisch untergeordnet einstuft.3 Erst die Neue Phänomenologie von Hermann Schmitz hat aufgedeckt, dass die rational geprägte abendländische Kultur sich nur noch mit den ›objektiven Tatsachen‹ beschäftigt und die ›subjektiven Tatsachen‹, die sich durch individuelles affektives Betroffensein auszeichnen, fast völlig ausblendet.4 Der gesamte Bereich des leiblichen Spürens – Hunger, Schmerzen, Frische, Müdig-keit usw. – ist damit, so Schmitz, weitgehend aus dem menschlichen Blickfeld gera-ten. ›Leib‹ ist an dieser Stelle keine vornehme Bezeichnung für ›Körper‹, sondern meint das, was wir »unmittelbar, ohne Sinneswerkzeuge zu gebrauchen«5, in der Gegend unseres Körpers von uns spüren. Dabei interessiert die Neue Phänomeno-logie nicht nur das innerleibliche Spüren, sondern auch die leibliche Kommuni-kation, die sie als Dialog leiblicher Engungs- und Weitungstendenzen in der Aus-einandersetzung mit der menschlichen Umwelt (mit Mitmenschen und anderen Lebewesen, mit Dingen und Halbdingen) auffasst und die für ästhetische Belange als grundlegend anzusehen ist.6 Das mit der Loheland-Gymnastik verknüpfte Bil-dungskonzept und die phänomenologische Leibphilosophie teilen wichtige syste-matische Grundauffassungen.7

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    Wesentliche Impulse für die moderne ästhetische Bildung liefert die Wei-marer Klassik. Namentlich Goethes Konzept der ›anschauenden Urteilskraft‹ und Schillers Ideen zur ästhetischen Erziehung des Menschen spielen hier eine wegweisende Rolle. Die Aufsätze von Matthias Burchardt, Andreas Mayer-Brennenstuhl und Kai Buchholz zeichnen dazu Entwicklungslinien nach, die von den Loheländerinnen über Beuys bis in die Gegenwart hinein verlaufen. Wenn wahrnehmendes und begriffliches Erkennen im Sinne Goethes zusammenfallen müssen und dies der Nährboden ist, aus dem heraus Menschen ihre Fähigkeiten entfalten können, was bedeutet das für die Lehre? Wie müssen Umgebungen beschaffen sein, die erkundendes Entdecken aktiv ermöglichen? Und wie sind die Wechselwirkungen zwischen Mensch und gestalteten Dingen auf diesem Hinter-grund zu verstehen?

    Am 19. Februar 1880 hält William Morris, der Begründer der englischen Arts-and-Crafts-Bewegung, vor der Birmingham Society of Arts and School of Design eine Brandrede. Der Titel: The beauty of life (Die Schönheit des Lebens). Morris kritisiert die Lebensverhältnisse seiner Zeit scharf. Er ist davon überzeugt, dass die damalige Zivilisation auf dem Weg sei, »alle Schönheit des Lebens nie-derzutreten und uns zu Geringerem als Menschen zu machen«8. Die Gegenwarts-beschreibung, die Morris liefert, und die Argumente, die er vorträgt, erscheinen erschreckend aktuell. Der heutige Leser muss sogar den Eindruck gewinnen, dass sich die ästhetischen Zustände seit damals nicht verbessert, sondern noch drastisch verschlechtert haben. Morris beklagt, dass sich Freiheit, Gleichheit und Brüder-lichkeit – die Werte der Französischen Revolution – nicht wirklich durchgesetzt hätten. Stattdessen breite sich einseitig ein entfesselter Wirtschaftsliberalismus aus, der die arbeitenden Menschen einer schlimmeren Sklaverei aussetze, als es sie je gegeben habe. Diese Menschen würden das Leben von Maschinen führen; sie würden Arbeiten verrichten, die nicht geeignet seien, ihre körperliche und geis-tige Entwicklung zu fördern, und die ihnen keine Gelegenheit böten, selbstständig nachzudenken. Aus diesem Grund bezeichnet Morris das 19. Jahrhundert als das ›Jahrhundert des Handels‹ und träumt davon, dass das 20. Jahrhundert ein ›Jahr-hundert der Erziehung‹ werde. Dabei hat er vor allem die ästhetische Bildung im Blick: »Sie können die Menschen nicht erziehen, Sie können die Menschen nicht bilden, wenn Sie ihnen nicht Anteil an der Kunst verschaffen.«9 Allerdings geht es ihm nicht um die ›freien Künste‹, sondern um das allgemeine ästhetische Gespür, das alle vorangegangenen Kulturen hervorgebracht hätten. Morris kritisiert, dass

  • 19

    die Parks vor lauter achtlos weggeworfenem Müll aussähen, als hätte es schmutziges Papier geschneit, und dass hässliche Plakate die Städte verschandelten. Er attackiert die Industriellen, die schöne Landschaftsbilder kauften und mit ihren Fabriken zugleich die wirkliche Landschaft durch Rauch verpesteten. Das 19. Jahrhundert habe zur ausschließlichen Orientierung an materiellen und finanziellen Werten geführt und so den ›Mord der Kunst‹ bewirkt, der sich an der ›schmutzigen‹ Umgebung der unteren Klasse sowie an der ›Geistlosigkeit und Gemeinheit‹ der Umgebung der mittleren und oberen Klassen ablesen lasse. Gerda Breuer legt in ihrem Beitrag detailliert dar, von welchen pädagogischen Leitbildern und Zielset-zungen die ästhetischen Bildungsauffassungen von John Ruskin, William Morris und Charles Robert Ashbee geprägt sind. Sie schält vor allem den gesellschaftlich emanzipatorischen Kern ästhetischer Bildung heraus, den sie als ›störende kultu-relle Potenz‹ charakterisiert.

    Bereits bei Morris klingt an, dass ästhetische Bildung im Zeitalter der naturwis-senschaftlich-technisch geprägten Moderne häufig auf die Natur als ästhetisches Gegen- und Vorbild zurückgreift. So fordert beispielsweise der Lebensreformer Heinrich Pudor: »An der Natur soll sich der Schönheitssinn des Kindes ent-wickeln, der Sinn für das Leben, für die Kraft, Fruchtbarkeit, Anmut, Schönheit des Lebens.«10 Der Architekt und Heimatschützer Paul Schultze-Naumburg drückt es so aus:

    Wir können vielleicht den Begriff des Schönen nicht ganz genau festlegen […], aber es bleibt stets bestehen, daß [die Menschen] immer wieder zu der Natur da draußen zurückkehren müssen, dem rauschenden Bache, dem flüs-ternden Walde, zu dem gestirnten Himmel, dessen Weite und Erhabenheit uns aus kleinlichen Alltagsgedanken erlöst und uns den Zusammenhang mit dem Ewigen wieder neu zu fühlen gibt. Ja, je mehr die Zeit den Menschen ihre Wohnplätze in der Großstadt angewiesen hat, um so stärker ist die Sehn-sucht nach der Tröstung durch die freie Natur geworden.11

    In seiner Häuslichen Kunstpflege empfiehlt Schultze-Naumburg zum Zwecke ästhe-tischer Bildung zudem den Besuch zoologischer Gärten.12 Diesem Anliegen korre-spondieren die damaligen tierästhetischen Untersuchungen von Karl Möbius, Karl Brunner von Wattenwyl oder Ernst Haeckel.13 Ernst Bloch schreibt später auch den Loheländerinnen zu, sich an der Naturschönheit zu orientieren:

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    Als eine von vielen sei die Loheland-Schule erinnert, und zwar deshalb, weil sie die natürliche sein wollte. Sie sah auf die schönen Tiere mit dem in sich gut eingehängten, kerngesunden Gang. Sie ging darauf aus, die zweckhaft verborgene oder eingefrorene Haltung, die das Herr-Knecht-Verhältnis mit sich brachte, von oben herab aufzulösen. Die Glieder wurden in Kursen, die nichts mehr mit Anstandslehre, nicht einmal etwas mit den ritterlichen Hal-tungen gemeinhaben wollten, zu unverkrampfter Bewegung angehalten, »um die Leibmitte spielend«.14

    Blochs Darstellung beruht aller Wahrscheinlichkeit nach auf dem Buch Das Wesen der neuen Tanzkunst (1921) des Schriftstellers Ernst Blass – eines Studienfreundes von Bloch, der um 1920 die Loheländerin Irma Hirschberg heiratet.15 Den Bezug zu den ›schönen Tieren‹ stellt Blass über eine Interpretation von Rilkes Gedicht Der Panther her. Was tierästhetische Erwägungen in Loheland selbst angeht, ist vor allem auf die Doggenzucht hinzuweisen, die Hedwig von Rohden dort von 1927/28 bis 1937 betreibt und die zahlreiche preisgekrönte Loheland-Doggen hervorbringt.16

    Die ästhetische Verwahrlosung der Lebenswelt, die kapitalistisches Wirtschafts-verständnis und zügellose industrielle Produktion anrichten (rasante Zerstörung organisch gewachsener Umgebungen durch Fabriken, Eisenbahntrassen, Städte-wachstum usw.), provoziert um 1900 die Entstehung einer breit aufgestellten Kunstgewerbe- und Kunsterziehungsbewegung. Die aufkeimende Stilkunst von Henry van de Velde über Emile Gallé und Frank Lloyd Wright bis zu Peter Beh-rens fordert eine Erneuerung des Lebens in Schönheit.17 Im pädagogischen Bereich formieren sich Kräfte, die nicht nur ästhetische Erziehungskonzepte entwickeln, sondern – unter anderem von Julius Langbehns Rembrandt als Erzieher (1890) inspiriert – ästhetische Bildung als wichtigste Grundlage von Bildung überhaupt begreifen.18 Zu diesem Kreis zählt auch Alfred Lichtwark, der damalige Direktor der Hamburger Kunsthalle, der in seinem Museum Übungen in der Betrachtung von Kunstwerken für Schüler durchführt, die er 1897 in einem Buch dokumentiert.19 An diese Praxis knüpfen später Max Imdahl und Michael Bockemühl an – Imdahl mit seinen Seminaren zu Werken von Seurat, Mondrian, Picasso und anderen für Mitarbeiter der Bayer AG, Bockemühl mit seiner ›anschauenden Ästhetik‹, die in unternehmerischen Zusammenhängen Anwendung findet.20 Wichtige Höhe-punkte erreicht die Kunsterziehungsbewegung mit den drei Kunsterziehungstagen

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    in Dresden (1901), Weimar (1903) und Hamburg (1905).21 Zu den Hauptorgani-satoren dieser Kongresse gehören neben Lichtwark unter anderem Leopold Graf von Kalckreuth, Georg Kerschensteiner, Konrad Lange, Ludwig Pallat22 und Paul Schultze-Naumburg.

    Im Rahmen von Kunsterziehungs- und Kunstgewerbebewegung erfolgt auch eine Reform der Kunstgewerbeschulen. Anstatt historische Ornamente abzuzeich-nen, orientieren sich die Studierenden jetzt am Naturvorbild, um zu einem zeit-gemäßen Ausdruck zu gelangen. Vorreiter sind hier Moritz Meurer, der für seine Lehre an der Unterrichtsanstalt des Kunstgewerbemuseums in Berlin auf Pflanzen-fotografien seines Mitarbeiters Karl Blossfeld zurückgreift, und Alfred Roller, der an der Wiener Kunstgewerbeschule ab 1901 einen ersten Grundlagenunterricht entwickelt.23 1902 gründen Hermann Obrist und Wilhelm von Debschitz24 in München ihre Lehr- und Versuch-Ateliers für angewandte und freie Kunst. Wie die im selben Jahr unter der Leitung von Bernhard Pankok entstehende Kunstgewerb-liche Lehr- und Versuchswerkstätte der Kunstgewerbeschule in Stuttgart legt ihre Schule besonders großen Wert auf praktischen Werkstattunterricht.25 Wichtige Impulse kommen auch von van de Veldes Kunstgewerblichem Seminar in Weimar, das 1907 in eine eigene Kunstgewerbeschule mündet – den direkten Vorläufer des späteren Bauhauses. Für die Reform der preußischen Kunstgewerbeschulen ist ab 1904 der Architekt Hermann Muthesius zuständig, der eine Stelle als Geheimrat am preußischen Handelsministerium bekleidet, nachdem er knapp zehn Jahre als technischer Attaché für Architektur an der deutschen Botschaft in London tätig gewesen war. Besonders deutlich formuliert er seine Ansichten in dem Vortrag Die neuere Entwicklung und der heutige Stand des kunstgewerblichen Schulwesens in Preußen, den er 1906 anlässlich der 3. Deutschen Kunstgewerbe-Ausstellung in Dresden hält. Muthesius warnt dort davor, die Ausbildung einseitig am Mode-geschmack und an den vordergründigen Bedürfnissen der Industrie auszurichten:

    So verständlich das Verlangen der Industrie ist, aus der Schule Hilfskräfte zu erhalten, die ihr von unmittelbarem Nutzen sein können, so anfechtbar muß auf der anderen Seite der Wunsch sein, die Schule in den Dienst der Launen des wechselnden Tagesgeschmacks zu stellen. Für die Schule kann stets nur das eine Ziel vorhanden sein: zu erziehen. Durch gehörige Betonung der technischen Seite des Berufs und durch eine allgemeine (nicht auf gerade herrschende Mode gemünzte) Kunsterziehung wird sie diese Ziele auch in

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    einem Maße erreichen, das der Kunstindustrie zum Vorteile gereicht. Diese erhält dann gründlich vorgebildete Leute, die ihre Fertigkeiten jeder auftre-tenden Forderung anpassen können.26

    Diese Aussagen rufen bei einigen Unternehmern heftige Proteste hervor und füh-ren 1907 zur Gründung des Deutschen Werkbunds, in dem sich bedeutende Archi-tekten und Entwerfer mit an gestalterischer Qualität interessierten Produzenten27 und Händlern zusammenschließen. Renate Flagmeier zeigt in ihrem Buchbeitrag, dass der Bund wichtige Initiativen zur ästhetischen Volksbildung startet, aber immer wieder in Widersprüche zwischen seinen ökonomischen und seinen kul-turellen Zielsetzungen gerät. Diesen Widersprüchen sind auch die Bestrebungen von Muthesius ausgesetzt, der eine zentrale Rolle im Werkbund einnimmt. Immer-hin beklagt er (was bis heute nichts an Aktualität eingebüßt hat), dass diejenigen menschlichen Kräfte, die sich nicht auf eine mathematische Formel bringen ließen, seit den naturwissenschaftlich-technischen Fortschritten des 18. und 19. Jahrhun-derts mit katastrophalen Folgen in den Hintergrund gedrängt worden seien. Erst ab 1890 hätten sich Gegenkräfte zu dieser gefährlichen Tendenz entwickelt:

    Das erste deutlich hervortretende literarische Anzeichen der beginnenden neuen Geistesrichtung war jenes krause Buch »Rembrandt als Erzieher«, das den Deutschen die Wichtigkeit der künstlerischen im Gegensatz zu der wissenschaftlichen Kultur ins Gedächtnis rief. Auf Lagarde und Nietzsche fußend, suchte der Verfasser jenen alten Wahrheiten wieder zum Rechte zu verhelfen, daß die Verstandestätigkeit allein den Menschen weder befriedigen noch die letzte Erfüllung seines Sehnens sein könne, daß keinerlei menschliche Tätigkeit ohne den Einschlag der Empfindungswerte ihr Endziel erreiche. Er wies auf die bekannte Tatsache hin, daß selbst alle großen wissenschaftlichen Forscher und Entdecker mehr durch Intuition als durch Empirik zu ihrem Ziele gelangt seien, und er kam zu dem Schluß, daß nur, wenn Deutschland aus dem letzten wissenschaftlichen nunmehr in ein künstlerisches Zeitalter trete, die Mängel unserer Zeit ausgeglichen werden könnten.28

    Anknüpfend an reformpädagogische Grundsätze, entwickelt sich an den Kunstge-werbeschulen ab 1900 auch ein Unterricht, der die freie Entfaltung der Schülerper-sönlichkeiten in den Mittelpunkt rückt. Für das Bauhaus betont Oskar Schlemmer

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    dann 1921, »daß das Bauhaus nach ganz anderer Seite hin ›baut‹, als erwartet wird, nämlich: den Menschen.«29 Er fährt fort:

    Gropius scheint das sehr bewußt, und er erkennt darin das Manko der Aka-demien, die die Menschenbildung außer acht lassen. Er wolle, sagt er, daß ein Künstler auch ein Charakter sei, und erst dies, nachher das andere.30

    Johannes Itten gehört damals zu denjenigen, die am Bauhaus besonders intensiv an der Menschenbildung der Studierenden arbeiten. Kai Buchholz rekonstru-iert Ittens Unterrichtsmethoden in seinem Beitrag detailliert und vergleicht das zugrunde liegende Menschenbild mit demjenigen der Lohelandpädagogik.

    Konsequente ästhetische Bildung führt nicht nur zu gesteigerter Sensibilität und verfeinertem Einfühlungsvermögen – sie ist auch ein geeigneter Weg, die Subjekt-Objekt-Spaltung zu überwinden. Eine umfassende Sinnesschulung belässt den Wahrnehmenden nämlich in unmittelbarer Resonanz mit dem Wahrgenomme-nen. Diese ganzheitliche Form des Weltbezugs verbindet alle Bereiche menschli-cher Erfahrung und überwindet die alltagsübliche Fragmentierung in fünf unab-hängige Sinne, die jeweils isoliert für sich betrachtet werden.31 Auch die verbreitete Tendenz, einzelne Teilbereiche der Erfahrung – wie etwa das Denken – vom Erfahrungsganzen abzutrennen, birgt große Gefahren. Der Philosoph und Wis-senschaftstheoretiker Jürgen Mittelstraß befürchtet, dass dadurch ein groteskes Weltverständnis, das die Einzelphänomene über das Ganze stellt, noch weiter um sich greift:

    Die moderne Welt ist eine Expertenwelt; in ihr herrscht nicht ein Leibniz’scher Verstand, in dem sich einmal ein Universum spiegelte, sondern der Spezialist, in dem sich fast nichts mehr oder nur noch […] eine geteilte Erde spiegelt. Wer wie der Spezialist immer mehr von immer weniger weiß, ist auf die Rück-seite der Universalität geraten; er sucht sie im Detail, das für ihn nun das Ganze ist.32

    Wenn die daraus resultierende Verarmung des Lebens schon tragisch genug ist, gehen die negativen Auswirkungen dieser Entwicklung noch sehr viel weiter: Der Mensch entledigt sich seiner Fähigkeit zu intuitiver Kreativität und damit der

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    Möglichkeit, Problemen innovativ und produktiv gestaltend zu begegnen. Er hat verlernt, sich in der Welt mittels intuitiv-kreativer Verfahren einzurichten, und setzt stattdessen auf Planung und Konstruktion. Welche gesamtgesellschaftlichen Potenziale dagegen ein breites Verständnis von künstlerischer Tätigkeit eröffnet, belegen die Ausführungen von Andreas Mayer-Brennenstuhl in diesem Band, die den erweiterten Kunstbegriff von Joseph Beuys und darauf aufbauende aktuelle Projekte beleuchten.

    Der Quantenphysiker Hans Peter Dürr plädiert sogar dafür, einen Zustand völ-liger Orientierungslosigkeit zu schaffen, in dem es nicht mehr darum gehe, etwas anzustreben, sondern in dem es gelte, die Instabilität als Moment höchster Sensi-bilität zu nutzen.33 Georg Friedrich Schulz charakterisiert eine solche Situation als einen Ausnahmezustand, der das ›Kontinuum unserer Trivialität‹ durchbreche.34 Damit die intuitiven Erkenntnisse, die sich unter solchen Gegebenheiten einstel-len, fruchtbar werden können, sind sie mit der Trivialität des Alltags zu vermitteln. Das so entstehende Wechselspiel zwischen absoluter Entgrenzung und konkretem Lebensbezug auszutarieren, ist die Kernaufgabe zeitgemäßer Gestaltungsaus-bildung. Justus Theinert schildert in seinem Beitrag Versuche, den mächtigen Spannungen zwischen intuitiver und rationaler Problembewältigung dadurch zu entfliehen, dass man sich dogmatisch auf eine der beiden Seiten schlägt. Dabei wird deutlich, dass diese Strategie immer zum Stillstand führen muss. An konkreten Bei-spielen aus der eigenen Unterrichtspraxis führt Theinert vor, wie sich beide Pole derart miteinander verbinden lassen, dass das Krisenerlebnis, das sich angesichts radikaler Ungewissheit einstellt, in produktives Handeln mündet.

    Hier ergeben sich interessante Parallelen zur Gymnastik (γυμναστικὴ τέχνη), die während der Weimarer Republik – nicht nur in Loheland, sondern auch an anderen Körperbildungseinrichtungen – nackt (γυμνός) praktiziert wird: Der Kör-per, mit dem man arbeitet und den man in seiner lebendigen Eigenart zu begreifen sucht, muss sicht- und beobachtbar sein. Das Bild des nackten Menschen ist aber noch in anderer Weise vielschichtig bedeutsam. Wenn Hedwig von Rohden, eine der beiden Gründerinnen Lohelands, Schritte auf ihrem Körperbildungsweg als ein ›Entkleiden‹ und ›Hinabsteigen‹ beschreibt,35 klingen uralte Mysterienbilder von Sterben und Neugeborenwerden an. Das Alte muss abgelegt werden, bevor etwas Neues entstehen kann. Lerntheoretisch formuliert: Lernen, das über ein Anschlusslernen hinausgeht, erfordert den Schritt des Verlernens (bei dem bishe-rige, teils tief sedimentierte Wissensbestände aufgelöst werden).36 Erst dann lassen

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    sich neue Wege erkennen und beschreiten. Dieses Verlernen wird mehr oder weni-ger krisenhaft erlebt, dient jedoch letztlich dazu, Sinne und Verstand zu schärfen, um der lebendigen Wirklichkeit umsichtig handelnd zu begegnen.

    In guter angelsächsischer Tradition stellt der Textbeitrag von Andrew Brewerton am Schluss dieses Bandes ein Projekt ästhetischer Bildung vor, in dessen Zentrum handeln und machen stehen. Brewerton berichtet von der erfolgreichen Gründung einer allgemeinbildenden Schule in Plymouth, die im zupackend-pragmatischen und gesellschaftlich engagierten Geist eines John Dewey alle Themen aus der Per-spektive gestalterischen Produzierens angeht. Eine zentrale Kategorie in diesem Konzept ist der Horizont, der die Herkunft und situative Gebundenheit der han-delnden Schüler genauso berücksichtigt wie die abenteuerliche Entdeckung neuer Lebens- und Erfahrungsbereiche.

    Warum spielt ästhetische Bildung auf dem Weg zu einem ›Charakter‹ (Gropius) oder zum ›ganzen Menschen‹ (Schiller) eine so wichtige Rolle? Zum einen eröff-net ästhetisches Handeln explorative Räume der Welterschließung, die frei von zweckrationalen Erwägungen sind.37 Hier drängen sich Vorurteile, Gewohnheiten und Routinen nicht mit der gleichen Macht in den Vordergrund, wie es im All-tagshandeln geschieht. Zum anderen schult die phänomenale Dichte ästhetischer Anschauung und gestaltender Praxis das Vermögen, sich in fruchtbarer Weise in der konkreten, lebendigen Wirklichkeit verstehend und verändernd einzubringen. Nur durch ästhetischen Feinsinn (Blaise Pascal spricht hier vom esprit de finesse) lassen sich komplexe Ganzheiten erfassen. Darin liegt der Erkenntnisvorsprung reifer ästhetischer Erfahrung gegenüber einer abstrahierenden, am Allgemeinen orientierten Wissenschaft.38 Wie es Matthias Burchardt in seinem Aufsatz treffend schildert, marginalisiert die gegenwärtige radikale Ökonomisierung aller Lebens-bereiche diese Art ästhetischer Kompetenz jedoch immer weiter, obwohl es unter menschlichen Gesichtspunkten gerade geboten wäre, sie in gesellschaftlicher Breite angemessen zu kultivieren.

    Herausfordernd ist ästhetische Bildung mindestens auf folgenden Themenfeldern:

    � bezüglich eines tragfähigen Bildungsbegriffs, dem immer (oft implizit) ein Menschenbild zugrunde liegt,

    � im Rahmen einer disziplinären Bestimmung der Ästhetik,

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    � für die ästhetische ›Welterschließung‹ als einem Erkenntnis- und Bildungsweg, der die leibliche Verbundenheit des Menschen mit seiner Umgebung sensibel zu berücksichtigen hat,

    � hinsichtlich der ästhetischen und damit humanitären Qualität unseres sprachli-chen und nicht-sprachlichen Handelns39.

    Das vorliegende Buch bietet hierzu Werkstücke an. Leitend ist in allen Fällen die ästhetische Grundfrage: »Wie wollen wir als Menschen […] leben, wie wollen wir unsere Kultur(en) gestalten und welche Aufgabe kommt dem einzelnen Subjekt dabei zu?«40

    Anmerkungen

    1 Zur Transliteration und begrifflichen Er- läuterung altgriechischer Ausdrücke vgl. das Glossar am Ende dieses Buches.2 Vgl. dazu unter anderem Kai Buchholz (Hg.). Good Bad Taste. Ein Versuch über guten und schlechten Geschmack. Darmstadt: Fach-bereich Gestaltung – Hochschule Darmstadt 2015.3 Vgl. Met. Α 980a-982a.4 Vgl. Hermann Schmitz. Kurze Einführung in die Neue Phänomenologie. Freiburg/Mün-chen: Alber 2009. S. 30-33.5 Hermann Schmitz. Der Leib (= System der Philosophie II, 1). Bonn: Bouvier 2005. S. 5.6 Vgl. Hermann Schmitz. Der unerschöpfli-che Gegenstand. Grundzüge der Philosophie. Bonn: Bouvier 32007. S.  135-153. Zu den Halbdingen wie Wind, Rauch, Stimme oder Lachen vgl. ebd., S. 215-222.7 Vgl. dazu den Text von Matthias Burchardt im vorliegenden Band.8 William Morris. Die Schönheit des Lebens. Leipzig: Seemann Nachfolger 1902. S. 6.9 Ebd., S. 24.10 Heinrich Pudor. »Kunst im Leben des Kin-des?«. Pädagogisches Archiv 48 (1906). S. 647.

    11 Paul Schultze-Naumburg. Die Gestaltung der Landschaft durch den Menschen. Bd.  1. München: Callwey 31928. S. 10f.12 Vgl. auch Paul Schultze-Naumburg. Häus-liche Kunstpflege. Leipzig: Diederichs 51903. S.  123: »Ich hielt mir einmal – es ist schon lange her – eine zahme Eule, die ich in einem grossen Zimmer frei umherfliegen liess und die mich genau kannte. Was für Genüsse künstlerischer Art ich durch diese intime Be- obachtung gehabt habe, ist schwer zu begrei-fen, wenn man nicht selbst einmal sich so ein Tier gehalten hat.«13 Vgl. z. B. Karl Möbius. Ästhetik der Tier-welt. Jena: Fischer 1908; Karl Brunner von Wattenwyl. Die Färbung der Insecten. Wien: Selbstverlag des Vereines zur Verbreitung na- turwissenschaftlicher Kenntnisse 1899; Ernst Haeckel. Kunstformen der Natur. Leipzig: Ver-lag des Bibliographischen Instituts 1899.14 Ernst Bloch. Das Prinzip Hoffnung. Frank-furt a. M.: Suhrkamp 102016. S. 457f.15 Vgl. Eckhardt Köhn. »Expressionistischer Tanz und neuer Frauentypus. Loheland im Kontext von Ernst Blochs ›Prinzip Hoff- nung‹«. Bloch-Almanach 31 (2012). S. 76-84.

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    16 Vgl. Imme Heiner. »Erinnerungen an das Seminar für klassische Gymnastik und Alt-Loheland«. Drei Frauen – drei Geschichten. Perspektiven auf die frühe Siedlungsgemeinschaft Loheland. Herta Dettmar-Kohl, Imme Heiner und Elisabeth Hertling erzählen. Hg. Lohe-land-Stiftung. Künzell-Loheland: Loheland-Stiftung 2012. S. 125-127; Louise Langgaard/Hedwig von Rohden. »Über Bewegung«. Gymnastik 1 (1926). S. 9: »Wir haben also auf der einen Seite die unreine Bewegung, auf der andern die bewußt ergriffene richtige Bewe-gung und dazwischen die unbewußt richtige Bewegung der Kinder und Tiere«.17 Vgl. z. B. Henry van de Velde. »Allgemeine Bemerkungen zu einer Synthese der Kunst«. Pan 5 (1899). S.  270; Emile Gallé. »Toast prononcé au banquet des artistes lorrains le 16 février 1901«. Ders. Ecrits pour l’art. Paris: Renouard/Laurens 1908. S. 279; Frank Lloyd Wright. »The architect and the machine«. Ders. Collected Writings. Bd.  1. New York: Rizzoli 1992 [1894]. S. 24-26; Peter Behrens. »Ernst Ludwig dem Großherzog von Hessen und bei Rhein«. Ein Dokument deutscher Kunst. Die Ausstellung der Künstler-Kolonie in Darmstadt 1901. Festschrift. München: Bruckmann 1901. S.  10f. Zu Theater, Tanz, Kabarett, Musik und Literatur vgl. an dieser Stelle Kai Buchholz. Im Rhythmus des Lebens. Jugendstil und Bühnenkunst. Stuttgart: Ar- noldsche 2007; Kai Buchholz/Johannes Hoyer. »›Zu stillen Akkorden bezwungen‹. Musik-zimmer im Jugendstil«. Neues Musikwissen-schaftliches Jahrbuch 17 (2010). S.  201-249; Thorsten Carstensen/Marcel Schmid (Hg.). Die Literatur der Lebensreform. Kulturkritik und Aufbruchstimmung um 1900. Bielefeld: transcript 2016.18 Vgl. z. B. »›Es gab sogar das so genannte Diktatzeichnen‹. Interview mit Diethart Kerbs«. K. Buchholz/J. Theinert. Designleh-ren. Wege deutscher Gestaltungsausbildung.

    Bd.  1. Stuttgart: Arnoldsche 2007. S.  35f.; Diethart Kerbs. »Kunsterziehungsbewe-gung«. Handbuch der deutschen Reformbe-wegungen 1880-1933. Hg. Diethart Kerbs/Jürgen Reulecke. Wuppertal: Hammer 1998. S. 369-378.19 Vgl. Alfred Lichtwark. Übungen in der Betrachtung von Kunstwerken. Nach Ver-suchen mit einer Schulclasse. Hamburg: Lüt-cke 1897.20 Vgl. Max Imdahl (Hg.). Arbeiter diskutie-ren moderne Kunst. Seminare im Bayernwerk Leverkusen. Berlin: Rembrandt-Verlag 1982; Michael Bockemühl/Thomas K. Scheffold. Das Wie am Was: Beratung und Kunst. Das Kunstkonzept von Droege & Comp. Frank-furt a. M.: F. A. Z.-Institut für Management-, Markt- und Medieninformationen 2007.21 Vgl. Kunsterziehung. Ergebnisse und Anre-gungen des Kunsterziehungstages in Dresden am 28. und 29. September 1901. Leipzig: Voigtländer 1902; Kunsterziehung. Ergebnisse und Anregungen des zweiten Kunsterziehungs-tages in Weimar, am 9., 10., 11. Oktober 1903. Deutsche Sprache und Dichtung. Leipzig: Voigtländer 1904; Kunsterziehung. Ergebnisse und Anregungen des dritten Kunsterziehungs-tages in Hamburg am 13., 14., 15. Oktober 1905. Musik und Gymnastik. Leipzig: Voigt-länder 1906.22 Als Leiter des Zentralinstituts für Erzie-hung und Unterricht in Berlin veranstaltet Pallat zusammen mit dem Reformpädago-gen Franz Hilker 1922 auch den Kongress Künstlerische Körperschulung in Berlin, auf dem unter anderem die Loheländerinnen ihr Bildungskonzept vorstellen (vgl. Louise Langgaard. »Loheland«. Künstlerische Kör-perschulung. Hg. Franz Hilker/Ludwig Pallat. Breslau: Hirt 1923. S. 49-54).23 Vgl. Kai Buchholz/Justus Theinert. Design-lehren. Wege deutscher Gestaltungsausbildung. Bd. 1. Stuttgart: Arnoldsche 2007. S. 27.

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    24 Von Debschitz gehört 1920 übrigens zu den Förderern der Loheland-Schule von Hed-wig von Rohden und Louise Langgaard, vgl. Loheland. Schule für Körperbildung, Landbau und Handwerk. Jena: Diederichs 1920. S.  3. Dies überrascht insofern nicht, als Lang gaard schon während ihrer künstlerischen Ausbil-dung in Dresden die Entwicklung der Kunst-erziehungs- und Kunstgewerbebewegung auf merksam verfolgt. Ihre Erfahrungen fließen später in das Konzept der Loheland-Schule ein, vgl. Elisabeth Mollenhauer-Klüber/Elisabeth Heil. »Auf dem Weg zu einer ›Art Künst-lerfrauentypus‹. Louise Langgaards künstle-rische Biografie zwischen wilhelminischem Kaiserreich und Moderne, 1883-1912.« Su- che nach dem neuen Künstlerfrauentypus. Lou-ise Langgaards künstlerisches Frühwerk 1899-1911. Hg. Elisabeth Mollenhauer-Klüber/Elisabeth Heil. Künzell: Loheland-Stiftung 2012. S. 7-26.25 Vgl. Buchholz/Theinert. Designlehren (wie Anm. 23). S. 28-30.26 Hermann Muthesius. »Die neuere Ent-wicklung und der heutige Stand des kunst-gewerblichen Schulwesens in Preußen«. Das deutsche Kunstgewerbe 1906. III. Deutsche Kunstgewerbe-Ausstellung Dresden 1906. Hg. Direktorium der Ausstellung. München: Bruckmann 1906. S. 47f.27 In der betrieblichen Ausbildung entstehen in den 1980er Jahren Modellversuche, die technisch-instrumentelles Können durch eine künstlerische Handlungskompetenz er- gänzen wollen und die ebenfalls auf der Zusammenarbeit mit ästhetisch sensiblen Unternehmen beruhen. Vgl. z. B. Michael Brater/Ute Büchele/Mechthild Reuter. Fach-übergreifende Qualifizierung durch künstle-rische Übungen. Bericht über einen Ausbil-dungsversuch im Jugendförderprogramm der FORD-Werke AG, Köln. München: Hampp 1985; Michael Brater/Ute Büchele/Erhard

    Fucke/Gerhard Herz. Künstlerisch handeln. Die Förderung beruflicher Handlungsfähigkeit durch künstlerische Prozesse. Stuttgart: Freies Geistesleben 1989.28 Hermann Muthesius. »Wo stehen wir?«. Die Durchgeistigung der deutschen Arbeit. Jahrbuch des Deutschen Werkbundes 1912. Jena: Diederichs 1912. S. 14f.29 Oskar Schlemmer. »Brief an O. M., Cann-statt, 3. Februar 1921«. Ders. Briefe und Tagebücher. München: Langen Müller 1958. S. 105.30 Ebd.31 Während sich die Volksweisheit an die- ser Stelle beharrlich an überkommene Vor- stellungen klammert, gilt das Konzept der fünf ›aristotelischen‹ Sinne innerhalb der Wissenschaften schon lange als überholt und wurde dort vielfältig erweitert, vgl. Hans Jürgen Scheurle. Die Gesamtsinnes-organisation. Überwindung der Subjekt-Ob- jekt-Spaltung in der Sinneslehre. Stuttgart: Thieme 21984. S. 46ff.32 Jürgen Mittelstraß. »Bildung und ethische Maße«. Die Zukunft der Bildung. Hg. Nelson Killius/Jürgen Kluge/Linda Reisch. Frank-furt a. M.: Suhrkamp 2002. S. 153.33 Vgl. Hans Peter Dürr. Es gibt keine Mate-rie. Amerang: Crotona 2013. S. 68.34 Vgl. Georg Friedrich Schulz. »Der zeitlose Augenblick. Die Intuition als Mittelpunkt der wissenschaftlichen und künstlerischen Initiative«. Zur Universalität des Schöpferi-schen. Hg. Jürgen Faust/Fritz Marburg. Müns-ter/Hamburg: LIT 1994. S.  42. An diesem Punkt besteht übrigens eine intime Nähe zur Bedingungslosigkeit genuin philosophischen Fragens, das keinerlei vorgebliche Selbstver-ständlichkeiten anerkennt.35 Vgl. Elisabeth Mollenhauer-Klüber. »Ent-wicklung Raum geben. Bauelemente Lohe-lands«. Die Frauensiedlung Loheland in der Rhön und das Erbe der europäischen Lebens-

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    reform. Hg. Landesamt für Denkmalpflege Hessen. Darmstadt: Theiss 2016. S.  56. Zur Thematik vgl. auch Elisabeth Mollenhauer-Klüber. »Forschen im Lebendigen. Loheland-Gym nastik als Bildungsweg. Ein historisch begründeter Feieranlass und die Frage nach seiner Aktualität«. Bildungswerkstatt Be- wegung und Lernen. Tagungsdokumentation 18.-20.09.2009. Hg. Elisabeth Mollenhauer-Klüber/Anja Christinck. Künzell: Loheland-Stiftung 2009. S. 22ff.36 Claus Otto Scharmer von der MIT Sloan School of Management bezeichnet die radi-kale Öffnung des Denkens, des Fühlens und des Willens für das Neue als ›schöpferisches Hinhören‹, das Vergangenes hinter sich lässt und den intuitiven Raum der Gegenwart als einen aus der Zukunft hereinragenden Mög-lichkeitsraum erfasst, vgl. Claus Otto Schar-mer. Theorie U. Von der Zukunft her führen. Heidelberg: Auer 2009. S. 71ff., S. 168ff.37 Vgl. Dietfried Gerhardus. »Ästhetisches Handeln. Skizze in konstruktiver Absicht«. Konstruktionen versus Positionen. Beiträge zur Diskussion um die Konstruktive Wissenschafts-theorie. Bd. 2. Hg. Kuno Lorenz. Berlin/New York: de Gruyter 1979. S. 146-183.38 Vgl. dazu auch Gottfried Gabriel. Logik und Rhetorik der Erkenntnis. Zum Verhältnis

    von wissenschaftlicher und ästhetischer Welt-auffassung. Paderborn: Schöningh 1997.39 Vgl. van de Velde. Allgemeine Bemerkun-gen (wie Anm. 17). S. 265f.: »Die Kunst ist der wundersame Schmuck des Lebens. Sie kann nichts anderes sein, weil das Wesen aller Künste darin besteht: zu schmücken. Musik und Poesie sind der Schmuck der Sprache, der Tanz ist der Schmuck des Ganges, Malerei und Bildhauerkunst hinwieder der Schmuck der Gedanken – auf leere Wände übertra-gen. Man kann am Ende auch ohne Sprache leben, ohne Gang, ohne Gedanken, und ohne sein Haus in diesem Sinne zu schmücken, aber wer so lebt, giebt den besten Teil seines Lebens preis und ist verantwortlich für das heilige Pfand, das einem jeden von uns, damit zu wuchern, anvertraut ist. Ein Leben ohne Schmuck ist ebenso wenig wahres Leben, als das man in Klöstern führt, in denen Männer oder Frauen in steter Negation ihrer natürli-chen Bestimmung dahinleben.«40 Vanessa-Isabelle Reinwand-Weiss. »Künst-lerische Bildung – Ästhetische Bildung – Kul turelle Bildung«. Handbuch Kulturelle Bildung. Hg. Hildegard Bockhorst/Vanessa-Isabelle Reinwand-Weiss/Wolfgang Zacharias. München: kopaed 2012. S. 114.

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