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Heft 02, 2013

Date post: 26-Mar-2016
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Magazin der Jesuitenmission Österreich
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MENSCHEN FÜR ANDERE Nr. 2 | 2013 Das Magazin der Jesuitenmission Afrika im Aufbruch
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MENSCHEN FÜR ANDEREN

r. 2

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Das Magazin der Jesuitenmission

Afrika im Aufbruch

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Liebe Freundinnen und Freunde unserer Missionare und Partner weltweit!

Ein Papst vom Ende der Welt. Franziskus hat selbst darauf angespielt, dass seine Wahl bei ihm Staunen ausgelöst hat. Aber seine Person rückt die Ausgegrenz-ten, die Marginalisierten und die Armen der Welt in den Mittelpunkt. Ganz jesuanisch wird mit seiner Wahl die übersehene, an den Rand gedrängte, un-bekannte Not der Mehrheit der Menschen ins Zentrum gestellt. „Ich bin zur Überzeugung gekommen: Die Wirklichkeit dieser Welt ist die Wirklichkeit der Armen“, sagt Jon Sobrino SJ.

Afrika mag für viele ein vergessener Kontinent sein. Aber die Wirtschaft hat die Kapazitäten und Chancen seiner Vielfalt schon lange erkannt. Es kommt wohl darauf an, ob wir uns die Reichtümer der afrikanischen Völker noch einmal - oder weiterhin - gewaltsam aneignen; oder ob wir einen gerech-ten Umgang mit den Menschen in Afrika finden. Andererseits liegt auch ein wichtiger Ansatzpunkt darin, ob wir in Afrika nur das dreckige Elend sehen, die Hungerkatastrophen, die Misswirtschaft und die falsche Politik; oder ob wir auch bereit sind, die positiven Aufbrüche zu sehen und zu fördern.

Um die Aufbrüche geht es uns in diesem Heft. Die ersten Schritte zu machen, um aus den ärmsten Verhältnissen rauszukommen. Sie sind nicht der viel ge-schmähte Tropfen auf den heißen Stein. Sie sind der Beginn eines Weges in eine bessere Zukunft.

Danke für Ihre Begleitung und Hilfe auf diesem Weg.

Hans Tschiggerl SJ MENSCHEN FÜR ANDERE

EDITORIAL

ImpressumJESUITENMISSION - MENSCHEN FÜR ANDERE, 2013 - Heft 2Medieninhaber und Herausgeber: Missionsprokur der Gesellschaft Jesu in Österreich, Mag. Johann Tschiggerl SJ, Dr. Ignaz Seipel Platz 1, A-1010 Wien, Tel +43 01 5125232-56, [email protected], www.jesuitenmission.at, Redak-tion und Gestaltung: Hans Tschiggerl, Anna Schenk, Katrin Morales, Magdalena Weber, Druck: LDD Communication, Ziel der Publikation: Information der Spender über die aktuellen Entwicklungen in den Hilfsprojekten. Bildnachweis: Jesuitenmission

Österreichische Post AG / Sponsoring.Post, 13Z039521S. ZVR Zahl 530615772, SO 1345 MENSCHEN FÜR ANDERE

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Er ist einer der jüngsten Staaten der Erde: Nach einem Referendum im Januar 2011 erlangte der Südsudan am 9. Juli 2011 die Unabhängigkeit vom Sudan. Mit diesem Schritt wurde der Südsudan als eigener Staat besiegelt – nach jahrzehntelangen Unruhen und kriegerischen Auseinandersetzungen. Aber wie wird aus einer autonomen Provinz, die der Südsudan von 1972 bis 1983 und dann wieder von 2005 bis 2011 war, ein wirklich eigenstän-diger Staat? Wie gelingt es, die vom Krieg zerstörte Infrastruktur wieder-aufzubauen und die Grundlagen für eine stabile wirtschaftliche und sozi-ale Entwicklung zu legen?

Bildung – Grundlage für eine positive Entwicklung

Aufgrund der politischen Situati-on war im Südsudan 20 Jahre lang kein normales Leben möglich. Eine Schulbildung für viele unerreichbar. Kein Wunder, dass fast Dreiviertel al-ler Erwachsenen Analphabeten sind. Viele Menschen waren geflohen oder vertrieben worden. Erst langsam keh-ren sie in ihre Städte und Dörfer zu-rück. Welche Schritte auf dem Weg in eine gute Zukunft gegangen werden können, zeigt die Loyola Secondary School in Wau, die 2006 wiederer-öffnet wurde, 2008 den eigentlichen

Die Unabhängigkeit besitzt der Südsudan bereits. Um wirklich ein eigenständiger Staat zu werden und sich wirtschaftlich, sozial und kulturell gut weiterzuentwickeln, ist es noch ein mühsamer Weg, auf dem er weiterhin Unterstützung benötigt – zum Bei-spiel durch die Förderung der Loyola Secondary School in Wau.

Aufbruch in die Eigenständigkeit

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Schulbetrieb wiederaufnahm und in der inzwischen 450 Schülerinnen und Schüler unterrichtet werden. Aber das ist längst nicht genug.

Das Engagement der Jesuiten

Die Ursprünge der Loyola Seconda-ry School in Wau reichen in das Jahr 1982 zurück. Damals gründeten die Jesuiten auf Bitte von Bischof Joseph Nyakindi in Wau eine weiterbilden-de Schule für die Buben der Regi-on. 1984 wurden die ersten 50 Schü-ler aufgenommen. Die Stadt Wau war zuvor durch den Bürgerkrieg verwüstet und ihre Infrastruktur stark beeinträchtigt worden. Mit der Gründung der Schule hofften die Jesuiten, die Menschen vor Ort zu befähigen und ihren Lebensstan-dard zu verbessern, damit sie so ihren Beitrag zu einer stabilen Entwicklung leisten können.Allerdings führten weitere Kämpfe und Unruhen dazu, dass die Schule nur zwei Jahre lang betrieben werden konnte, bis sie aus Sicherheitsgrün-

den geschlossen werden muss-te. Aufgrund des Krieges blieb die Schule 20 Jah-re lang geschlos-sen. Erst im Jänner 2005 eb-nete das umfas-sende Friedens- abkommen zwi-schen der Re-gierung des Su-dan und der sudanes i schen Volksbefreiungs-bewegung den

Weg für die Wiedereröffnung der Schule im September 2006.

Neuanfang nach 20 Jahren

Während des Bürgerkrieges hatten Regierungstruppen aus dem Nor-den den strategisch günstig gelegenen Hügel besetzt und sich in den Schul-gebäuden einquartiert. „Als wir die Schule nach dem Krieg zurückbeka-men, haben wir als erstes die Gräben zugeschüttet, in denen sie ihre Ma-schinengewehre aufgestellt hatten. Dann mussten wir das Gelände nach Landminen absuchen lassen“, erzählt P. Richard D’Souza SJ. „Sonst war an der Gebäudesubstanz glücklicherwei-se nicht viel beschädigt – nur aufge-brochene Türen, kaputte Dächer, zer-schlagene Scheiben, verschwundenes Mobiliar und viele Einschusslöcher.“Heute wird die Loyola Secondary School in Wau wieder als eine ge-mischte Schule mit 450 Buben und Mädchen betrieben. Fünf Jesuiten und 29 Laienmitarbeiter unterrichten an der Schule. Zu den Unterrichts-fächern zählen unter anderem Eng-lisch, Physik, Arabisch, Geschichte, Mathematik, Religion und Ingeni-eurwesen. Neben der fachlichen Bil-dung zielt die Schule darauf ab, das menschliche wie geistige Wachstum der Schülerinnen und Schüler zu för-dern und sie fit für eine eigenständige und friedliche Zukunft zu machen, wobei großer Wert auf Gerechtigkeit und Frieden gelegt wird.

Kinder und Erwachsene

„Vor dem Krieg waren wir eine rei-ne Bubenschule, jetzt haben wir auch Schülerinnen“, sagt Pater D’Souza.

SÜDSUDAN

Darfur

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Männer und Frauen, Erwach-sene und Kinder gehen zur Schule

Eine Moder-nisierung der Klassenräume ist notwendig

Das ist in einer Region, in der, laut Schätzungen von Hilfswerken, 90 Prozent der Frauen nicht lesen oder schreiben können, durchaus bemer-kenswert. Es verändert auch die Ein-stellung der Buben. Aber nicht nur der vergleichsweise hohe Anteil an Mädchen, sondern auch das Durch-schnittsalter der Schüler macht die Loyola Secondary School zu etwas Besonderem: „Wir haben eine gan-ze Reihe von Erwachsenen unter unseren Schülern.“ Die Schule gibt ihnen die Chance, das nachzuholen, was sie durch den jahrzehntelangen Bürgerkrieg versäumt haben.

Bauen für die Zukunft

Der Bedarf an Bildung ist groß. So hat sich die Loyola Secondary School in den letzten Jahren enorm weiter-entwickelt. Jedes Jahr wurde die ma-ximale Anzahl an Schülerinnen und Schülern aufgenommen, dennoch

musste die Schule etliche Interessen-ten abweisen. Erst im letzten Sommer wurden sechs neue Klassenräume in Betrieb genommen. Doch damit sind die Bauprojekte noch lange nicht am

SÜDSUDAN

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SÜDSUDAN

Ende. Mit dem nächsten Bau-abschnitt wer-den zwei Ziele verfolgt: Ei-nerseits soll die Kapazität der Schule erhöht werden, sodass zukünftig 800 Kinder unter-richtet werden können. An-dererseits soll die Ausstattung der Schule ver-bessert wer-den. Hierfür sind unter an-derem der Bau und die Ein-richtung eines Schullabors so-

wie eines Computerraumes vorgese-hen. Auch der Schutz des Anwesens und der Bau von Zäunen hat auf-grund der instabilen Situation eine hohe Priorität. Schließlich ist die Er-weiterung der Solaranlage geplant, um mehr Energie gewinnen zu kön-nen.Die Herausforderungen sind groß, die Projekte ehrgeizig. Die Jesuiten und ihre Mitarbeiterinnen und Mit-arbeiter haben in den vergangenen Jahren unermüdlich dafür gearbeitet, um den Herausforderungen gerecht zu werden und eine ganzheitliche Bildung anzubieten. Dadurch wurde die Loyola Secondary School in Wau zu einem Hoffnungszeichen für eine friedliche und nachhaltige Entwick-lung des Südsudan.

Agbonkhianmeghe E. Orobator SJ, Provinzial

„Ich heiße Margret Emilio Baku. Ich gehöre zum Stamm der Balanda und bin 32 Jahre alt. Ich habe sieben Kinder, für die ich allein sorge. Ich verdiene Geld, indem ich Brot ba-cke und es in der Nachbarschaft ver-kaufe. Diese Arbeit mache ich nach der Schule. Oft reicht das Geld nicht aus, das ich verdiene. Manchmal wird eines der Kinder krank und dann muss ich Geld von Nachbarn leihen. Ich habe mich entschieden, noch ein-mal zur Schule zu gehen, um das Wis-sen zu erwerben, das ich für eine gute Zukunft meiner Kinder brauche. Ich habe schon immer Leute bewundert, die gebildet sind – vor allem die das als Frauen wie ich geschafft haben. Sie verdienen jeden Monat ein festes

Gehalt und ihre Kinder sehen ge-sund und hübsch aus. Ich glaube, dass all das ein Ergebnis von guter Aus-bildung und guter Haushaltsführung ist. Hoffentlich werde ich diese Fä-higkeiten jetzt auch erlernen. Wäh-rend des Krieges hatten wir oft nichts zu essen. Leute sind an Hunger ge-storben. Viele junge Frauen wurden vergewaltigt und ich habe mich die ganze Zeit versteckt. Ich habe so viel Schlimmes gesehen, dass ich manch-mal nicht glauben konnte, selbst noch am Leben zu sein. Ich träume da-von, Ärztin zu werden. Aber wenn ich auf mein Alter schaue, verliere ich die Hoffnung. Aber dann bete ich zu Gott. Denn mit Gott ist alles möglich.“

Ich habe mich entschieden,

noch einmal zur Schule zu gehen

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SÜDSUDAN

„Ich heiße Mathew Deng Ka-chuol. Ich bin 20 Jahre alt, gehöre zum Stamm der Dinka und komme aus der Gegend von Rumbek. Wir sind zu Hause zwölf Geschwister und meine Eltern sind Viehzüchter. Ich helfe dabei, die Rinder zu hüten und sie vor Viehdieben zu bewachen. Wir wohnen zehn Kilometer von der Schule entfernt und ich laufe diese Strecke täglich zu Fuß. Ich gehe gern zur Loyola Secondary School. Sie gibt mir den Mut, etwas lernen und vo-rankommen zu wollen. Ich habe im-mer das Gefühl, dass sich dort jemand um mich kümmert. Außerdem gefällt mir, dass der Unterricht auf Englisch ist und wir nicht nur Arabisch spre-chen. Ich würde gerne Verteidigungs-minister meines Landes werden. Die Leute leiden unter dem Mangel an Sicherheit. Viehherden werden jeden Tag von bewaffneten Personen über-fallen und Rinder gestohlen – das ist

ein Zeichen, dass die Verteidigungs-kräfte nicht gut organisiert sind. Eine Ursache für die Kriege in unserem Land mag darin liegen, dass es keine disziplinierte Armee gibt. Während des Krieges habe ich viele nahe Ver-wandte verloren und wir mussten vor den Rebellen in eine Gegend fliehen, wo es nicht ge-nug Wasser und auch nicht ge-nug zu essen gab. Ich glau-be, dass Frie-den alle guten Dinge bein-haltet, auf die man nur hoffen kann. Frieden ist Entwick-lung, Gesund-heit und Frei-heit.“

„Ich heiße Jovensia John Roma-no. Ich bin 17 Jahre alt und gehöre zum Stamm der Balanda. Ich habe zwei Brüder und zwei Schwestern. Meine Mutter ist Lehrerin und mein Vater ist beim Arbeitsministerium an-gestellt. Zu Hause helfe ich meinen Eltern bei ganz verschiedenen Din-gen: waschen und bügeln, kochen, putzen und fegen. Seit zwei Jah-ren gehe ich zur Loyola Secondary School. Es ist hier in der Gegend bis jetzt eine der ganz wenigen Schulen, die gut organisiert sind. Es gibt gute Lehrer und Sport und eine Beteili-gung der Schüler. Das Fach, das ich am meisten mag, ist Mathematik. Ich würde gerne Rechtsanwältin werden

und die Kor-ruption in un-serem Land b e k ä m p f e n . Während des Krieges habe ich in der Hauptstadt Khartum gelebt. Als wir nach Wau zurückgekehrt sind, konn-te man überall noch die zerstörten Gebäude und die Spuren des Krieges sehen. Eine Auswirkung des Krieges ist, dass die meisten Lebensmittel in Wau sehr teuer und die Schulen und Krankenhäuser sehr schlecht gewor-den sind. Krieg wird niemals die Lö-sung für Probleme sein, sondern ver-stärkt sie. Wir brauchen Frieden im Sudan. Erziehung und Bildung wer-den uns zum Frieden führen.“

Den Herausforde-rungen gerecht werden

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Otto Friedrich: Eine Ihrer zentralen The-sen lautet: „Extra pauperes nulla salus – Außerhalb der Armen gibt es kein Heil.“ Warum sind die Armen so im theolo-gischen Blick?

Jon Sobrino: Weil ich glaube, dass dies die Wahrheit ist. Für mich verbindet sich damit eine Geschichte, eine Er-fahrung. Man kann Erfahrungen ma-chen, indem man ein Buch liest. Und einige unserer Heiligen hatten my-stische Erfahrungen. Aber meine Er-

fahrung ist, dass die Armen in die Wirklichkeit eingebrochen sind. Das ist für mich real geworden.

Friedrich: Was heißt denn Armut in dieser Perspektive?

Sobrino: Die Armen bilden weltweit die Mehrheit der Menschen, also rein quantitativ sind sie die Wirklich-keit der Welt. Und dann gibt es auch die qualitative Betrachtung: Die Ar-men setzen das Leben nicht voraus. Hier in Europa setzt man voraus, et-was zum Leben, zum Essen zu haben. Man setzt auch die Gesundheit vo-raus. Natürlich kann man krank wer-den oder sterben; trotzdem setze ich voraus, gesund sein zu können – es gibt Ärzte, Krankenhäuser usw. Ana-loges gilt für die Bildung. Wenn jetzt in Europa so viel von Krise geredet

Er war Berater von Märtyrer-bischof Oscar Romero († 1980) und entging in El Salvador 1989 selbst einem Anschlag. Für P. Jon Sobrino SJ führt an den Ar-men kein Weg vorbei. Für „Die Furche“ führte Otto Friedrich folgendes Interview:

Das Heil der Armen

P. Jon Sobrino SJ

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INTERVIEW

wird, so setzt das voraus, dass man ohne Krise leben kann. Aber bei den Armen kann all das nicht vorausge-setzt werden – Lebensunterhalt, Es-sen, Gesundheit, Bildung. Also quan-titativ sind die Armen die Mehrheit und qualitativ ist es ein Werturteil, dass sie eben nichts voraussetzen kön-nen.

Friedrich: Und wie müsste man sich im Angesicht dieser Armut verhalten?

Sobrino: Man muss einmal sehen: Diese Leute – ob in El Salvador, in Lateinamerika oder anderswo – ha-ben Feinde, ich möchte sagen: fast alle Mächte dieser Welt sind das. Die Verein-ten Nationen setzen sich nicht für diese Men-schen ein. Auch die internationale Finanzwirtschaft nicht. Die Kirchen, so hoffe ich, we-nigstens ein bisschen. Es gibt einige Leute in der Kirche, die glauben, dass die Armen die Bevorzugten Gottes sind. Das sind vielleicht fromme Ge-danken, denn in Lateinamerika sind die Armee oder die Banken Feinde der Armen. Und in gewisser Weise auch die Medien. Medien sind nicht per se Feinde der Armen. Aber sie ha-ben ihre eigenen Interessen und sind von anderen abhängig. All das führt dazu, dass ich zur Überzeugung ge-kommen bin: Die Wirklichkeit dieser Welt ist die Wirklichkeit der Armen.

Friedrich: Was hat dieser Befund mit Gott und dem Glauben zu tun?

Sobrino: Ich weiß nicht genau, was die Armen rettet oder was sie mei-nen, was ihr Heil, ihre Rettung ist. Ich kann nicht für sie sprechen. Aber für mich sind es die Armen, die uns die Wahrheit dieser Welt zeigen. Sie haben mir am besten die Wahrheit Gottes gezeigt. Ich glaube, ich habe im Kontakt mit den Armen dieser Welt ein wenig besser verstanden, was Gott ist. Das Wichtigste und das Tiefste in der Wirklichkeit habe ich in den Armen entdeckt. Ich schäme mich nicht, Mensch zu sein, wenn es mir gelingt, auf irgendeine Weise mit den Armen zu leben. Und an den

konkreten armen Men-schen, denen ich etwa in El Salvador begegne, sehe ich, dass sie etwas Gutes an sich haben.

Friedrich: Verklären Sie die Armen da nicht auch?

Sobrino: Natürlich findet sich unter den Armen auch Schlechtes – Ego-ismus, Kriminalität … Aber die Güte, die ihnen eigen ist, ist etwas Wun-derbares. Ich denke an die Köchin in meinem Haus – die wird nie heilig-gesprochen werden, sie hat kein Geld, aber in ihr begegnet mir etwas, was mich fasziniert. Vor kurzem hat sie mir einmal gesagt: „Padre, Sie sehen sehr müde aus. Sie arbeiten viel zu viel. Machen Sie Ferien!“ Und ich habe sie gefragt – sie ist Mitte Fünf-zig: „Wann sind Sie zum letzten Mal auf Urlaub gewesen?“ Sie hat geant-wortet: „Noch nie.“ Solch einfache Menschenfreundlichkeit, solche Qualität des Lebens findet man an-derswo nicht.

„Ich bin zur Über- zeugung gekommen:

Die Wirklichkeit dieser Welt ist die Wirklich-

keit der Armen.“

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Unser internationales Jugend-musikprojekt „Weltweite Klän-ge“ hat mehr als 30 junge Leu-te aus Kolumbien, Paraguay, Uganda, Indien und Deutsch-land zusammengebracht. Wie erleben Jugendliche diese Zeit? Die 18-jährige Gloria Akello aus Uganda hat für uns Tagebuch geführt.

Mein Gott, heute war ein wunder-voller Tag! Alles ist so schön und neu hier. Wir waren in einem riesigen Kaufhaus, in dem es auch Musikin-strumente gab. Zum ersten Mal habe ich erlebt, wie freundlich Weiße sind. In Europa ist vieles so ganz anders als in meiner Heimat Uganda. Die Leu-te belästigen einander nicht, sondern muntern sich gegenseitig auf.

Undenkbar: Essen im StehenEine Sache hat mich wirklich über-rascht. Die Leute hier essen sogar im Stehen. Einem erwachsenen Acholi – das ist mein Stamm – wäre so et-was niemals gestattet. Was mich auch sehr erstaunt hat: Alle begegnen sich mit dem gleichen Respekt, ganz egal wie alt jemand ist. In Uganda erwar-

ten die Älteren immer den höchsten Respekt, während die meisten von ihnen niemals auf die Idee kämen, gegenüber Jüngeren den gleichen Respekt zu zeigen.

Über mich selbstIch komme aus Gulu in Uganda. Mein Dorf heißt Oding. Ich gehe auf das Ocer Campion Jesuit College in Unyama. Vor sechs Jahren habe ich angefangen, im Chor zu singen. In unserer Familie sind wir zu zehnt. Es war nicht immer leicht. Wir hatten einen furchtbaren Krieg, sodass meine Familie gezwungen war, in ein Lager zu fliehen, das von Re-gierungssoldaten beschützt wurde. Dort gab es keine Schulen und auch nicht genug zu essen. Der Krieg dauerte 22 Jahre. Deshalb bin ich in einer armen Familie ohne Verwandte aufgewachsen.

LampenfieberÜben, üben, üben war die Hauptauf-gabe des Tages, um unser Konzert in Brixen vorzubereiten. Alle sind sehr aufgeregt. Es war großartig. Ich habe tatsächlich das Benedictus gesungen! Überhaupt war es fantastisch, dass

Gloria singt

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der Chor auch in fremden Sprachen singen konnte. Nach dem Konzert haben uns viele Leute gelobt und uns wurden viele Fragen gestellt.

Der letzte TagDie Sonne scheint und ich fühle mich ein wenig wie in Uganda. Vor der Reise habe ich befürchtet, dass wir unter der Kälte leiden werden. Der letzte Tag in Europa und das letzte Konzert, bevor es morgen für

uns alle wieder zurück in die Heimat geht. Ich bin sehr berührt, mit wel-cher Herzlichkeit wir überall emp-fangen wurden. In diesen zwei Wo-chen habe ich unglaublich viele Erfahrungen gemacht und die Kon-zerte sehr genossen. Dafür sage ich von ganzem Herzen: „Danke allen, die daran beteiligt waren. Diese Zeit wird in uns allen noch lange weiter-wirken!“

Gloria Akello

Du hast 35 junge Amateure so trainiert, dass sie viel Jubel geerntet haben. Was hast du selbst gelernt?Zum Beispiel, dass andere Kul-turen viel mehr lachen. Wie man als Mitteleuropäer an Musik herangeht, unterscheidet sich doch sehr von anderen. Die Ugander oder Ko-lumbianer machen Musik viel mehr mit dem Herzen; sie ist bei ihnen an keinem Tag gleich. Bei uns muss immer alles überlegt, formuliert und reflektiert werden.

Die Jesuitenmission hofft, mit dem Projekt zur Völkerverständigung beizu-tragen. Zu Recht?Ja, es gab ganz viele solche Erleb-nisse. Das fing beim Aufwärmen an und hörte beim Schlittenfahren auf. Es waren alles junge Menschen, die

den ande-ren gern und ohne Vorur teile aufnahmen. Mir fiel aber auch auf, dass es durch die Globalisierung und Medi-en wie Facebook schon wesent-lich mehr Berührungspunkte gibt, als wir denken. Für manche Teilnehmer war es ein Projekt unter vielen, für andere der Höhe-punkt in ihrem Leben, für ande-re entstehen Freundschaften daraus. Manche sind beim Musizieren über sich hinausgewachsen.

Interview: Isabel Lauer

WELTWEITE KLÄNGE

Das Jugendorchester der Jesuitenmission kam aus vier Kontinenten und sprach sie-ben Sprachen. Der Musiklehrer Max Röber aus Dresden war künstlerischer Leiter der Weltweiten Klänge 2013.

Weltweite Klänge für zu HauseAuch dieses Mal produzieren wir wieder eine Musik-CD „Weltweite Klänge 2013“, die wir Ihnen ab Mai gerne zuschicken.Bestellungen bitte unter [email protected] oder 01/512 52 32-56

Dirigent Max Röber

Niemand kann einem anderen die Tränen trocknen,ohne sich selbst die Hände nass zu machen.

Afrikanisches Sprichwort

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Das hat mir geholfen

Ich wurde 1979 in Rute-gama geboren. Im Jahr 2004 ließ ich mich te-sten und erfuhr, dass ich HIV-positiv bin. Ich hätte mich umgebracht, wenn ich nicht schon vor dem Test Ratschläge erhal-ten hätte. Ich habe an den Aufklärungsstunden über Wege zur Prävention ei-ner Übertragung von der Mutter auf ihr Kind teil-genommen. Das hat mir geholfen zu verstehen,

dass meine Kinder nicht HIV positiv sein müssen, nur weil ich es bin. Ab-gesehen von unserem letzten Kind, das sechs Monate alt ist und von dem wir den HIV-Status noch nicht ken-nen, sind unsere anderen fünf Kinder gesund. Ich freue mich sehr darüber.

Offen gesagt, fühle ich mich gut und gehe weiterhin meinen täglichen Ak-tivitäten nach, wie jeder andere auch, obwohl ich mit HIV lebe. Allerdings muss ich sagen, dass es in der ersten Zeit nicht einfach war. Wiederholte Male war ich Opfer von Stigmatisie-rungen innerhalb der Familie. Es gab nicht nur verleumderische Worte von

HIV - Trotzdem Leben

Seit 2008 engagiert sich der SERVICE YEZU MWIZA (SYM), eine soziale Einrichtung der Jesuiten in Burundi, in der psychosozi-alen, medizinischen und wirtschaftlichen Unterstützung der von HIV betroffenen Menschen in der Region. YEZU MWIZA gehört zu AJAN (African Jesuit AIDS Network), versteht sich aber auch als Partner der öffentlichen Einrichtungen und Teil der staatlichen Bemühungen um eine wirksame Bekämpfung der Ausbreitung des Virus sowie der Unterstützung aller Betroffenen. Hier sind zwei Zeugnisse von Menschen, die der SERVICE YEZU MWIZA un-terstützt hat – Zeichen der Hoffnung.

Unsere Kinder sind HIV-negativ

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BURUNDI

einigen Familienmitgliedern und der Umwelt, sondern man verweiger-te mir auch, bestimmte Gegenstän-de wie Tassen und Löffel zu berüh-ren. Ich erinnere mich auch an einige Male, bei denen bestimmte Personen Angst hatten, mit mir das Essen vom gleichen Teller zu teilen. Über ein Jahr ging das so, aber allmählich ha-ben die anderen gelernt, mich zu ver-stehen, und jetzt ist das Zusammen-leben gut.

Meinen Gesundheitszustand annehmen

Ich stamme aus Magara. Ich bin 35 Jahre alt, verheiratet und Vater von sieben Kindern. Momentan wohne ich in Magara. Ich lebe seit vier Jah-ren gut mit meinem positiven HIV-Status. Der Anfang war überhaupt nicht einfach. Ich schien einen Alp-traum zu leben. Zunächst hatte ich es kategorisch abgelehnt, mich testen zu lassen. Im Laufe der Zeit verstand ich, dass ich zunächst meinen Gesund-heitszustand annehmen und mich te-sten lassen musste, um gut zu leben. Ich erinnere mich genau an die Situ-ation gerade mal drei Monaten nach der Geburt meiner Zwillinge. Meine Frau glaubte, dass sie infiziert wor-den war, weil sie vor der Geburt der Zwillinge zwei Mal hintereinander eine Fehlgeburt hatte. Sie hat sich te-sten lassen und war wirklich HIV-po-sitiv. Sie riet mir, den Test zu machen. Ich weigerte mich, weil ich den Tod vor mir sah. Aber die Kinder wurden getestet und ihr HIV-Status war ne-gativ, außer bei einem der Zwillinge.

In dieser Zeit wurde ich krank. Als mein Zustand andauerte, sagte mir

meine Frau, dass ich eine ärztliche Untersuchung machen müsste. Lei-der hatte ich nicht den Mut, dies zu tun, weil ich bereits den HIV-Status meiner Frau kannte. Sie hat darauf bestanden, aber ich habe ihre Äu-ßerungen nicht akzeptiert, sondern wandte mich dem Gebet zu. Ich hat-te große Hoffnung, dass ich durch das Gebet geheilt werden würde. 2009 verschlimmerte sich die Krankheit noch mehr. Der Leiter des Gesund-heitszentrums von Kabezi riet mir, mich testen zu lassen und er begleite-te mich zum SYM. Das Ergebnis der Untersuchung war positiv.

Der SMY unterstützt mich bis heu-te medizinisch, psychologisch und moralisch. Das Betreuungsteam ist immer ansprechbar, um mir zuzu- hören und die benötigte medizi-nische Versorgung sicherzustellen. Damals wurde ich ins Krankenhaus in Kinama transportiert. Der Arzt be-schloss, mir antiretrovirale Medika-mente zu geben, weil ich mich schon im letzten Stadium der HIV-Erkran-kung befand. Seither wacht mei-ne Frau über die Einnahme meiner Medikamente. Bis heute bin ich bei guter Gesundheit.

Yezu Mwiza unterstützt medizinisch, psychologisch und moralisch

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Der mittelamerikanische Staat ist vor allem eines: vielfältig. Über 20 Sprachen, Kulturen und fast genau-so viele Klimazonen bergen reichhal-

tige Schätze jeder Art. Die verlassenen Ruinen der Mayastädte zeugen von der einstigen Hochkultur. Doch ein großer Teil der Bevölkerung lebt in bitte-rer Armut, das fruchtbare Land ist ungerecht ver-teilt. Der Alltag wird vie-lerorts von Gewalt und einem starken Einfluss von Banden (maras) geprägt. Drei Jahrzehnte Bürger-krieg (bis 1996), brutale

Unterdrückung, Genozid an der in-digenen Bevölkerung und Apartheid haben Wunden in der Bevölkerung hinterlassen: Traumatisierung, Zerstö-rung zwischenmenschlicher Bezie-hungen, Zerschlagung gesellschaft-licher Strukturen. Der Drogen- und Waffenhandel zwischen Nord- und Südamerika sowie das rasante Bevöl-kerungswachstum tun ein Übriges, um die Spirale der Gewalt anzutrei-ben. Eine demokratische Entwick-lung und ein gerechteres System scheiterten bisher an der Uneinigkeit und Unterschiedlichkeit der indi-genen Völker, die immerhin 75 % der 14 Millionen Einwohner Guatemalas ausmachen. Knapp die Hälfte davon

Dr. Richard Fischer aus Vorarlberg ermöglicht den Bau einer Be-rufsschule. Aufgrund seiner guten Erfahrungen mit Fe y Alegria in einem ähnlichen Projekt in Bolivien, hat er sich für ein wei-teres Projekt entschieden. Gemeinsam mit MENSCHEN FÜR AN-DERE und seinem Bruder P. Georg Fischer SJ, hat er dieses Projekt ausgewählt. Wie bisher übernimmt er die gesamten Baukosten und auch die technische Ausrüstung der Schule.

Eine Schule für das Leben

GUATEMALA

Danke Dr. Richard Fischer

Miguel Cortes SJ unser Projekt-partner und die Präsidentin des Elternvereins der Schule El Limon

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GUATEMALA

Moderne Unterrichts-methoden

Die ersten Schüler- innen der Kochschule

sind Analphabeten, viele beherrschen die Amtssprache „ Spanisch“ kaum, wodurch sie Probleme beim Zugang zum formellen Arbeitsmarkt oder bei behördlichen Anliegen haben.

Bildung ist der Schlüssel

Der Schlüssel, um diese Menschen zu unterstützen, liegt in der Bildung. Die lateinamerikanische Jesuitenor-ganisation „Fe y Alegria“ betreibt in Zusammenarbeit mit der Regierung 50 Bildungszentren in Guatemala. Das sind keine Privatschulen der Kir-che, sondern öffentliche Schulen, de-ren Lehrer vom Staat bezahlt werden. Die übrigen Kosten, etwa 200 Euro pro Schüler jährlich, werden von „Fe y Alegria“ aufgebracht, mit Hilfe der Elterngemeinschaft und durch Förde-rungen aus Übersee. Derzeit werden etwa 15.000 Kinder und Jugendliche in „Fe y Alegria“-Bildungszentren unterrichtet.

Mit Richard Fischer eine Schule bauen

Wir besuchen zwei Zentren in El Limòn in der Zona 18, eines der ge-fährlichsten Gebiete in Guatema-la Stadt. Mit starker Militärpräsenz wird versucht, die Banden im Zaum zu halten. Hier leben 250.000 Men-schen, nicht einmal die Hälfte der Kinder besucht eine Schule. Kinder-arbeit und Jugendkriminalität sind allgegenwärtig. In der gesamten Zona 18 gibt es keine einzige öffentliche Schule, die bis zur Matura führt. Hier baut Fe y Alegria mit der Finanz-hilfe von Richard Fischer eine Be-rufsschule. Bei unserem Besuch sind wir Gast bei der Eröffnungszeremo-

nie der Räumlich-keiten für Informa-tik-, Schlosserei- und Kochunterricht. Es ist die erste öffentliche berufsbildende Schule in Zona 18. Hier und auch bei der Einwei-hung einer Sportplatz-überdachung wird die enge Zusammenarbeit mit den Eltern und der örtlichen Ge-meinde sehr deutlich. Zwei weitere Schulen außerhalb der Stadt errei-chen wir über steile Schotterstraßen. Auch wenn die Schüler jeweils vor und nach dem Unterricht lange Fuß-wege zurücklegen müssen, sie sind sehr glücklich über die Möglichkeit in die Schule gehen zu können. Die nächsten Schulen befinden sich näm-lich in der Hauptstadt, circa 3 Fahr-stunden entfernt und aufgrund der hohen Fahrtkosten kaum finanzier-bar für die Eltern.

Gesunde Ernährung

Extreme Armut und damit Hunger herrscht in den Departments Chi-quimula und Totonicapán. Die Kin-der leiden an Unter- und Mange-lernährung und sind so nur bedingt aufnahmefähig. In den „Fe y Alegria“ Schulzentren werden deshalb spezi-elle Ernährungsprogramme umge-setzt. Es geht um Bewusstseinsbildung in Richtung gesunde Ernährung und Hygiene. In der Folge tragen die Ju-gendlichen dieses Wissen als Men-toren in ihre Familien und Dorf-gemeinschaften. Wir werden dieses Projekt mit der Finanzierung „ge-sunder Lebensmittel“ unterstützen.

Lukas und Jakob Erber

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SYRIEN

Es war mein Traum, einmal nach Sy-rien zu reisen. Im Studium habe ich mich intensiv mit dem Nahen Osten beschäftigt. Dieses Land steht für eine lange und reiche Kulturgeschichte: Ugarit als Wiege des ersten Alpha-bets, Damaskus als eine der ältesten ununterbrochen bewohnten Städte der Welt, das christliche Dorf Maa-lula, wo heute noch die Mutterspra-che Jesu gesprochen wird. Ich drängte auf eine Reise im Herbst 2010, da ich kurz danach in einen Orden eintrat. Ich ahnte nicht, dass die Reise we-nige Monate später in dieser Form nicht mehr möglich gewesen wäre. Seit Beginn der Aufstände im März 2011 hat sich das Gesicht Syriens

gravierend verändert.

Pluralistische Gesellschaft

Früher waren die Syrer nicht nur stolz auf ihre Geschichte, sie haben auch gerne darauf hingewiesen, dass Muslime und Christen unterschied-lichster Couleur in ihrem Land fried-lich zusammenleben. Das multireligi-öse und multikulturelle Miteinander gehörte zum Selbstverständnis dieser Gesellschaft – gleichzeitig stand sie unter einem autoritären Regime.

Dieses Syrien gibt es nicht mehr. Was als Aufstand gegen die Machtha-

Das Syrien, das ich kannte, gibt es nicht mehr. Über zwei Jahre Bürgerkrieg – das hin-terlässt tiefe Spuren in den Lebensgeschich-ten so vieler Menschen, aber auch in der Prägung eines Landes. Ohnmachtsgefühle verleiten dazu wegzuschauen, aber die Menschen brauchen unsere Solidarität.

Syriens Gesicht verändert sich

Aktivitäten mit Kindern in Homs

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ber begann und von der Regierung mit brutaler Gewalt bekämpft wurde, hat sich zu einem Bürgerkrieg zwi-schen dem Regime und den Oppo-sitionellen ausgewachsen. Im Kern geht es um die Macht: um Machter-halt bzw. Machtergreifung – jeweils mit Gewalt. Anfangs waren nur we-nige Kämpfer religiös motiviert. Aber das veränderte sich zunehmend. Bei-de Seiten nutzen die religiöse Zuge-hörigkeit zur Mobilisierung von An-hängern. Assad brachte Alawiten dazu, Massaker an der sunnitischen Mehr-heit zu begehen. Auch Syrer aus an-deren Sekten wurden dazu gebracht, Assad zu unterstützen. So wur-den Jihadisten auf den Plan gerufen. Dazu kommt die Einmischung aus-ländischer Parteien, die gewisse Op-positionsgruppen unterstützen. Die Rebellen sind Verbündete, aber auch Rivalen. Beide Seiten müssen sich vor Racheakten fürchten. Viele Christen wandern aus. Inzwischen ist das sy-rische Volk tief gespalten. Eine Rück-kehr zu einer pluralistischen Gesell-schaft ist kaum vorstellbar.

Leid auf allen Seiten

Hinter den einzelnen Gruppen ver-bergen sich handfeste, einander wi-derstreitende Interessen innerhalb des Landes wie auch anderer Länder. Für so viele Menschen bringt dieser Krieg schlicht Leid von unerhörtem Ausmaß – Tod, körperliche und psy-chische Verletzungen, Flucht, Hunger. Viele Gebäude wurden zerstört. Ge-naue Opferzahlen gibt es nicht. So viele Menschen sind von der Gewalt betroffen. Politische Lösungen schei-nen in weite Ferne gerückt bis un-möglich – wegen der unterschied-

lichen Interessen, aber auch aus Furcht vor Rache.Ich kann verstehen, wenn Menschen in Europa nichts mehr von diesem Konflikt hören wollen. Ich selbst ver-spüre Ohnmacht. Wie leicht ist es da, die Augen zu verschließen und sich der Resignation hinzugeben. Ich muss mir meine eigene Ratlosig-keit eingestehen. Sicher ist, dass der Weg der Versöhnung ein langer und schwieriger sein wird, dass Syrien auch nach dem Ende der bewaff-neten Konflikte noch lange unsere Solidarität brauchen wird.

Unsere Solidarität

Klar ist aber auch: Wir dürfen die Menschen in Syrien nicht allein las-sen. Die Jesuiten und ihre vielen Hel-ferinnen und Helfer sind vor Ort und versuchen den Menschen – un-abhängig von ihrer Religion oder Gesinnung – beizustehen, so gut es möglich ist. Sie im Rahmen unserer Möglichkeiten zu unterstützen, kann nur sinnvoll sein. Die Worte von P. Nawras Sammour SJ, der die Hilfen vor Ort koordiniert, berühren mich sehr: „Wir haben kein Recht zu sa-gen, wir können nicht mehr.“ Wenn dies für die Helfer vor Ort gilt, gilt es erst recht für mich.

Sr. Anna Schenck

Straßenkinder in Aleppo

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JESUIT VOLUNTEERS

Ein Tag in Jesu AshramMein Tag beginnt in Jesu Ashram um 6 Uhr, wenn der Wecker läutet. Um 6.30 ist Messe in der Kapelle, danach frühstücke ich gemeinsam mit den Jesuiten und den Ordensschwestern. Wir besprechen die anstehenden Dinge und dann geht jeder an sei-ne Arbeit. Mich beschäftigen zuerst „meine “ zwei behinderten Frauen, Moti und Sephali. Nach der Begrü-ßung suche ich mit ihnen gemeinsam Wäsche aus dem Kasten neben ih-rem Bett. Das kann eine halbe Stunde oder auch länger dauern. Die beiden haben recht eigenwillige Wünsche und Vorstellungen was sie anziehen möchten. Beide leiden an Epilepsie. Moti kann nicht sprechen, ist aber sehr clever und versteht alles. Sepha-li ist viel fragiler und stürzt leicht. Sie hat eine eigene Sprache entwickelt, die aus ein paar Silben besteht, die sie in unterschiedlichsten Tonlagen und

mit unterschiedlicher Intensität von sich gibt. Damit kann sie sich blen-dend verständlich machen! Die bei-den sind ein unzertrennliches Paar.

Inzwischen habe ich erreicht, dass Moti Sephali alleine wäscht. Ich muss nur dabei zusehen, sie loben, und hie und da helfen. Wenn Sephali gewa-schen und angezogen ist, beginne ich mit Moti, die das selbst problem-los tun kann, aber dabei auch meine Anleitung und Anerkennung braucht. Beide sind glücklich über die mit ih-nen verbrachte Zeit. Ich habe mir nicht vorstellen können, dass mir zwei doch ziemlich stark behinderte Menschen so ans Herz wachsen kön-nen. Ich freue mich wirklich jeden Tag auf sie!

Anschließend gehe ich in das Lager der Apotheke, das ich gerade umsied-le. Ich habe versucht, die Medika-

Andrea in Indien

Nach 30 Jahren Berufsleben in der Apotheke wollte Andrea Gru-ber etwas Neues wagen. Für ein Jahr lebt und arbeitet sie in Jesu Ashram, einem Gesundheitszentrum und Zufluchtsort für arme und schwerkranke Menschen im Nordosten Indiens.

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JESUIT VOLUNTEERS

mente, die im Haus verwendet wer-den, im PC zu erfassen. Jetzt werden sie in neue Boxen umgeräumt und neu beschriftet. Die Zeit fliegt dahin. Abends wird wieder gemeinsam ge-gessen und auch noch anschließend geplaudert. Ab 21 Uhr ist es völlig ruhig im Haus.

Von der Familie verstoßenInzwischen gilt Lepra als offiziell überwunden. Leprakranke werden daher in öffentlichen Spitälern nicht mehr behandelt (weil es die Krank-heit ja nicht mehr gibt). So landen hier bei uns immer wieder Men-schen, die von ihren Familien regel-recht abgegeben werden, weil in den Köpfen der Menschen Lepra oder auch Tbc immer noch einen Makel darstellt. Was das für einen Menschen bedeutet, der monatelang hierblei-ben muss, ist nur schwer vorstellbar. In einer fremden Umgebung, mit ganz fremden Menschen und nicht wissend, ob die Therapie auch wirk-lich zu einer Ausheilung der Krank-heit führen wird. Meist sind es Frauen oder junge Mädchen. Oft haben sie wochenlang ihre Wunde versteckt, aus Angst, von der Familie verstoßen zu werden. Die Frauen sind oft zum ersten Mal in ihrem Leben getrennt von ihrer Familie und sind entspre-chend verängstigt, verschüchtert und deprimiert. Alle sind froh und dank-bar für jede freundliche Geste, die sie ein bisschen aufmuntert oder stärkt.

SangenaSangena wurde von ihren Eltern nach einem Hausbrand nach Jesu Ashram gebracht. Sie hatte schlimme Verbren-nungen im Gesicht, am Brustkorb und am rechten Arm erlitten. Mehr

als zwei Jahre verbrachte sie in Jesu Ashram und musste zweimal in einer Klinik operiert werden. Ihre Mut-ter hat sie während dieser Zeit nur einmal besucht. Sie hat in Delhi ein neues Leben begonnen. Zurückgeb-lieben ist ein Mädchen, das nicht nur Verbrennungen erlitten hat, sondern auch sozusagen zur Waise geworden war. Kurz vor Weihnachten erlaubte ihr Fr. Julius zu ihrer älteren Schwe-ster zu fahren. Der Abschied fiel allen schwer. Wir blieben mit der bangen Frage zurück, was weiter mit ihr ge-schehen werde.

Vor zwei Wochen haben wir erfahren, dass sie jetzt bei anderen Verwandten lebt. Es war für uns alle eine große Erleichterung. Sie hat ein neues Zu-hause gefunden, sie ist gewachsen und hat zugenommen und sie fühlt sich sichtlich wohl. Weitere Operati-onen werden in einigen Jahren nö-tig sein. Jesu Ashram hat sehr viel für diesen kleinen Zwerg getan. Es bleibt die Hoffnung, dass die nächste Zeit für sie etwas ruhiger verlaufen wird!

Andrea GruberIn der Lepra Klinik

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HERZLICHE EINLADUNG

Die Österreichische Provinz der Jesuiten feiert ihre Errichtung vor 450 Jahren. Gefährten Jesu für die Menschen. 450 Jahre Österreichische Jesuiten:

Workshops, bunt und vielfältig – Jesuitenwerke stellen sich vorZeit: 8. Juni 2013, 9.00 – 18:30 UhrOrt: Kardinal König Haus, Kardinal-König-Platz 3, 1130 Wien

Weltcafé der JesuitenmissionZeit: 8. Juni 2013, 9.00 – 18:30 UhrOrt: Cafeteria im Kardinal König HausWeltcafé mit Begegnungsmöglichkeiten mit Freiwilligen und Projektpartnern.

Workshop FreiwilligeZeit: 9.00 – 10:15 UhrOrt: Weltcafé – Cafeteria im Kardinal König Haus„Was sollen wir tun? – Was lässt sich da machen?“ Volunteers und engagierte Men-schen, die in unseren Projekten mitwirken, berichten von Möglichkeiten wie Sie hel-fen können!

Workshop ChinaZeit: 13:30 – 14:45 UhrOrt: Raum „Ignatius“ im Kardinal König Haus Wie tickt die Kirche in China: Begegnung mit Emanuel Lim SJ, Dr. Johannes Chen Binshan, Luis Gutheinz SJ, Josef Zhang

Fremdes Wien – Orte der NotZeit: 8. Juni 2013, 9.15 Uhr bis ca. 12.00 UhrTreffpunkt: U6 Station Philadelphiabrücke, Ausgang Meidlinger HauptstraßeWien ist eine der beliebtesten Städte Europas. Es gibt aber auch das andere, fremde Wien. Die Schattenseiten der Stadt bleiben für die meisten verborgen. Außer den be-troffenen Menschen kennen nur wenige Leute Orte der Not. Im Rahmen der Sozi-alaktion gestalten wir eine Bedenk-Wanderung, die zur Besinnung und zum Nach-denken einlädt. Leitung: P. Markus Inama SJ

Kultureller Abend Zeit: 8. Juni 2013, 20.00 Uhr Ort: Konzilsgedächtniskirche Lainz-Speising, Kardinal-König-Platz 1, 1130 WienEin Abend mit Lesungen aus Briefen und Dokumenten zur Geschichte der Jesuiten, einem Schattenspiel und musikalischen Partien aus dem Jesuitendrama „Mulier for-tis“ (von Joh. B. Staudt/ 17. Jahrhundert), für alle unsere Freunde

Festmesse mit P. General Adolfo Nicolás SJZeit: 9. Juni 2013, 10.15 UhrOrt: Stephansdom Die Festmesse zum Jubiläum werden wir gemeinsam mit unserem Generaloberen P. Adolfo Nicolás SJ als Hauptzelebranten im Stephansdom feiern. Im Anschluss an den Gottesdienst sind alle Mitfeiernden zu einem kleinen Empfang im Arkadenhof des Erzbischöflichen Palais eingeladen.

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Liebe Leserin, lieber Leser!

Margret, Mathew und Jovensia gehen in die Loyola Secondary School in Wau. Ihre Erfahrungen, die sie für uns aufgeschrieben haben, bewegen mich sehr. Und eines klingt bei allen durch: „Diese Schule ist unsere Chance.“

Mit der Erweiterung der Schule können 350 zusätzliche Schülerinnen und Schüler aufgenommen werden. Der Bau eines Schullabors und Computerraums ermöglicht eine fundierte Ausbildung. Helfen Sie mit, damit der Aufbruch des Südsudan in eine friedliche Zukunft führen kann!

Herzlichen Dank für Ihre Hilfe!

Hans Tschiggerl SJMissionsprokurator

UNSERE BITTE: Den Aufbruch ermöglichen

Ihre Spende ist gemäß § 4a Z. 3 und 4 EstG absetzbar! ZVR-Zahl 530615772 / SO 1345

Spendenkonto: PSK 7086 326 / BLZ: 6000MENSCHEN FÜR ANDERE Projektname: Schule in Wau

H T hi l SJ

JESUITENMISSIONMENSCHEN FÜR ANDEREDr. Ignaz Seipel Platz 1A-1010 WienTel.: +43 01 5125232 - 56 [email protected]

SpendenkontoPSK 7086 326BLZ: 60000BIC: OPSKATWWIBAN: AT52 6000 0000 0708 6326MENSCHEN FÜR ANDERE

Die Jesuitenmission ist Ihr Netzwerkfür Informationen über Schicksal und Anliegen der Armenfür Austausch, Begegnung und Freiwilligeneinsätze weltweitfür die Weitergabe von Spenden an unsere Hilfsprojekte

Mein Beitrag für eine lebenswerte Zukunft


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