+ All Categories
Home > Documents > Health Care News - Building a better working world - … · 2017-11-15 · Standardisierung und...

Health Care News - Building a better working world - … · 2017-11-15 · Standardisierung und...

Date post: 18-Sep-2018
Category:
Upload: duongdung
View: 213 times
Download: 0 times
Share this document with a friend
40
Beratung Beschleunigung der Digitalisierung in der Kranken- versicherung durch roboter- gesteuerte Prozessautoma- tisierung (RPA) Steuerberatung Digitalisierung der Steuer- erklärung im Health-Care-Sektor Rechtsberatung Streit über (strukturelle) Abrechnungsvoraussetzungen Schwerpunktthema: Cyber Security Cyberrisiken – warum Unter- nehmen des Gesundheits- wesens die „Kehrseite“ der Digitalisierung als Chance verstehen sollten Interview mit Henning Schneider: Cyber Security – akute Sicherheitsbedrohungen und Lösungsmöglichkeiten im Krankenhausumfeld Health Care News Aktuelles aus dem Gesundheitswesen Ausgabe 2 — November 2017
Transcript
Page 1: Health Care News - Building a better working world - … · 2017-11-15 · Standardisierung und Automatisierung von Geschäftsprozessen, und zwar aus unterschiedlichen Perspektiven:

BeratungBeschleunigung der Digitalisierung in der Kranken­ver sicherung durch roboter­gesteuerte Prozessautoma­tisierung (RPA)Steuerberatung Digitalisierung der Steuer­ er klärung im Health­Care­SektorRechtsberatungStreit über (strukturelle) Abrechnungsvoraussetzungen

Schwerpunktthema: Cyber SecurityCyberrisiken – warum Unter­nehmen des Gesundheits­wesens die „Kehrseite“ der Digitalisierung als Chance verstehen sollten

Interview mit Henning Schneider: Cyber Security – akute Sicherheitsbedrohungen und Lösungsmöglichkeiten im Krankenhausumfeld

Health Care NewsAktuelles aus dem Gesundheitswesen

Ausgabe 2 — November 2017

Page 2: Health Care News - Building a better working world - … · 2017-11-15 · Standardisierung und Automatisierung von Geschäftsprozessen, und zwar aus unterschiedlichen Perspektiven:

IT-Sicherheit, Datenschutz, Cyber Security – das Thema Datensicherheit ist in aller Munde. Dabei hat jüngst die weltweite Cyberattacke WannaCry bewiesen, dass nicht mehr nur allein der Verlust von Daten droht. Und dennoch sind es gerade Unterneh-men im Gesundheitswesen, die mit sensiblen Daten umgehen und ihre digitalen Abwehrmechanismen daher auf- und nachrüsten sollten. Wie Sie das Thema seriös angehen und welche Aufgaben auf Unternehmen aus dem Gesundheitssektor war-ten, beantworten wir in unserem Themenschwerpunkt „Cyber Security“. Neben einer thematischen Einführung erwartet Sie auch in dieser Ausgabe wieder ein Experten- interview. Dieses Mal steht Henning Schneider – CIO Asklepios Kliniken – Rede und Antwort. Unter anderem dazu, welche Verteidigungsstrategien er für Unternehmen vorschlägt, die mit sensiblen Patientendaten arbeiten.

Neben der Praxisexpertise beleuchten wir auch Veränderungen auf der rechtlichen Ebene: die neue Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) ist das Regelwerk für das Gesundheitswesen im digitalen Zeitalter. Welche Veränderungen die DSGVO mit sich bringt und ob Sie gut darauf vorbereitet sind, lesen Sie hier in den Health Care News.

Zusätzlich zu Cyber Security ist robotergesteuerte Prozessautomatisierung (RPA) eines der Schlagworte der Stunde. Daher widmen wir uns in dieser Ausgabe auch der Standardisierung und Automatisierung von Geschäftsprozessen, und zwar aus unterschied lichen Perspektiven: Im Hinblick auf die Digitalisierung der Steuerer- klärung im Health-Sektor stellt sich die Frage: Wie versetzt uns intelligente Datenauf- bereitung (IDA) in die Lage, manuelle Prozesse abzulösen und digitale anzubieten? Für Krankenversicherer wiederum ist die Frage interessant: Für welche Geschäftspro-zesse ist RPA sinnvoll und wie sehr beschleunigt sie die Digitalisierung in der Kran-kenversicherung? Nicht zu kurz kommt dabei der übergeordnete methodische Ansatz und wie Machine-Learning-Systeme bei der Entscheidungsfindung Unterstützung leisten, indem sie menschlich subjektive Verhaltensweisen ausmerzen.

Ergänzend widmen wir uns in der zweiten Ausgabe der Health Care News 2017 dem „gesunden Altern“. Was bedeutet dies für eine rapide überalternde Gesellschaft und welche Auswirkungen hat es auf die Immobilienbranche?

Freuen Sie sich darüber hinaus auf die bewährte Rubrik: Aktuelles aus der Steuer- beratung.

Ich wünsche Ihnen eine spannende und inspirierende Lektüre und freue mich auf Ihre Rückmeldung.

Mit besten Grüßen

Christian EgleLeiter Gesundheitswesen

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

2 | Health Care News November 2017

Page 3: Health Care News - Building a better working world - … · 2017-11-15 · Standardisierung und Automatisierung von Geschäftsprozessen, und zwar aus unterschiedlichen Perspektiven:

3Health Care News |

Schwerpunktthema: Cyber Security4 Cyberrisiken – warum Unternehmen des Gesundheitswesens die „Kehrseite“ der Digitalisierung als Chance verstehen sollten

8 Interview mit Henning Schneider: Cyber Security – akute Sicherheitsbe­drohungen und Lösungsmöglichkeiten im Krankenhausumfeld

Beratung10 Beschleunigung der Digitalisierung in der Krankenversicherung durch robo­tergesteuerte Prozessautomatisierung (RPA)

15 Die Datenschutz­Grundverordnung (DSGVO) im Gesundheitswesen – das Regelwerk für das digitale Zeitalter

18 Herausforderung NUB – Sachgerechte Entgeltvereinbarung und Integration in den Fallpauschalenkatalog bei fehlenden Ist­Kostendaten?

22 Herausforderung „gesundes Altern”

24 Geschäftsoptimierung durch die I2I@EY4RPA­Methodik

Immobilienberatung26 Gesundheitsimmobilie – Basisinnova­tion als Treiber für die Zukunft?

Steuerberatung28 Digitalisierung der Steuererklärung im Health­Care­Sektor

32 Aktuelles aus der Steuerberatung

Rechtsberatung34 Streit über (strukturelle) Abrechnungs­voraussetzungen

37 Umsatzbesteuerung von Zytostatika – aktueller Sachstand und Handlungs­ optionen

Ansprechpartner39

4

10

28 26

34 RedaktionSophie Charlott Krause-Hassenstein | EYTelefon +49 160 939 [email protected]

Inhalt

Page 4: Health Care News - Building a better working world - … · 2017-11-15 · Standardisierung und Automatisierung von Geschäftsprozessen, und zwar aus unterschiedlichen Perspektiven:

Schwerpunktthema: Cyber Security

Cyberrisiken – warum Unternehmen des Gesundheitswesens die „Kehrseite“ der Digitalisierung als Chance verstehen sollten

Page 5: Health Care News - Building a better working world - … · 2017-11-15 · Standardisierung und Automatisierung von Geschäftsprozessen, und zwar aus unterschiedlichen Perspektiven:

5Health Care News |

Schwerpunktthema: Cyber Security

Digitalisierung und die Disruption der Lebens- und ArbeitsweltenDigitalisierung, Transformation und Disruption sind wohl die Schlagworte der Zeit, in der wir heute leben und arbeiten. Bei manchen lösen diese Begriffe ange-sichts der großartigen Entwicklungen, die wir schon jetzt erleben, Begeisterung aus. Andere sind pessimistisch und erwar-ten nach vollzogener Digitalisierung und Transformation eine kalte Roboterzu-kunft, in der Maschinen menschliche Tätigkeiten und Interaktionen überneh-men. Eine dritte Gruppe möchte das Thema Digitalisierung einfach ignorieren und hofft, dass sich unser Leben und die Geschäftswelt weniger stark oder gar nicht verändern. Die vierte und zahlen-mäßig größte Gruppe ist verunsichert, was die Digitalisierung und die damit einhergehende Transformation für uns bedeuten werden.

Dabei ist das Phänomen der Digitalisie-rung im Sinne der Umwandlung analoger Daten in digitale per se nicht neu. Was be-reits um die Jahrtausendwende den An-schein einer digitalen Revolution hatte, vollzieht sich heute vielmehr als digitale Evolution, die mit hoher Geschwindigkeit stetig voranschreitet. Big Data, Smart Data und Internet of Things sind schon längst keine Fremdwörter mehr. Aufgrund der zunehmenden, intelligenten Vernet-zung, der agilen Autonomisierung und weiterer technologischer Möglichkeiten stehen Unternehmen aller Branchen vor der Aufgabe, ihre bestehenden Wert-schöpfungsmodelle grundlegend zu mo-dernisieren und anzupassen, um die ei-gene Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten und nicht durch disruptiv aufstrebende Unternehmen verdrängt zu werden. Zu-sammen mit gesellschaftlichen Mega- trends wie Urbanisierung, Sharing Eco-nomy, Mobility und dem demografischen Wandel entstehen vollständig neue Ge-schäfts- und Wertschöpfungsmodelle.

Ein neuer Blick auf die Datensicherheit im medizinischen Behandlungsprozess ist notwendigAuch das Gesundheitswesen ist von die-ser rasanten Weiterentwicklung erfasst worden. Die Vernetzung zwischen Patien-ten, Leistungserbringern, Kostenträgern und Wellnessanbietern sowie dem soge-nannten zweiten Gesundheitsmarkt wird eine neue Ära der Gesundheitsversor-gung einleiten. Weltweit soll es bereits jetzt 50 Milliarden „Smart Objects“ ge-ben, etwa Sensoren oder Maschinen oder sonstige Endgeräte, die in großem Stil Daten produzieren und miteinander aus-tauschen. Dabei dürfen Fragen rund um Datenschutz, Datensicherheit und Daten-hoheit nicht zu kurz kommen, denn auch die neue Masse der Daten gilt es zu si-chern und zu schützen.

Gerade Unternehmen im Gesundheits-wesen, die mit sensiblen Patientendaten umgehen, gehen daher eine Verpflich-tung ein, mit dem Evolutionstempo Schritt zu halten und die digitalen Ab-wehrmechanismen entsprechend auf- und nachzurüsten. Jüngst haben welt- und europaweite Cyberattacken wie WannaCry bewiesen, dass nun nicht mehr allein der Verlust von Daten droht. Durch den vernetzten, durch Internet-technologien gesteuerten Betrieb kriti-scher medizintechnischer Anwendungen und Anlagen und durch die Vernetzung verschiedener Informationssysteme mit Medizintechnik und mobilen Endgeräten über unterschiedliche Leistungserbrin-ger hinweg öffnen sich Angriffsflächen, durch die der medizinische Behandlungs-prozess und ganze Versorgungsnetze Cyberattacken zum Opfer fallen können – und somit die Sicherheit von Leib und Le-ben der Patienten in Gefahr gerät.

Cyber Security im Krankenhaus bekommt endlich die Aufmerksamkeit, die sie verdient und benötigtPositiv anzumerken ist, dass gerade inner-halb Deutschlands und der EU Fragen rund um Cybersicherheit schon immer im Fokus der Digitalisierungsdebatten stan-den. In den meisten Krankenhäusern ist nicht nur aufgrund der jüngsten Negativ-ereignisse die Sensibilisierung für die Be-drohungslage angekommen. Jedoch fehlt es den Kliniken oft an notwendigem Know-how in den IT-Abteilungen und an ausrei-chend zielgerichteten finanziellen Mitteln, um die von Haus zu Haus individuell unter-schiedlichen Sicherheitslücken zu schlie-ßen. Die Ergebnisse der 19. globalen EY-Umfrage zum Thema „Informationssi-cherheit im Gesundheitswesen“ zeigen dabei bemerkenswerte Entwicklungen auf.

So hat der Gesundheitssektor insgesamt im vergangenen Jahr seine Budgets für die Bereiche IT-Sicherheit und Daten-schutz um durchschnittlich 25 Prozent erhöht und auch für die Zukunft höhere Budgets für Cybersicherheit eingeplant.

Auch sind die Investitionen in Versiche-rungen gegen Datenklau und operative Risiken durch Cyberattacken im Gesund-heitswesen stärker gestiegen als in ande-ren Branchen. Das kann einerseits auf den „Nachholbedarf“ der Gesundheitsbran-che, andererseits aber auch auf das ge-stiegene Risikobewusstsein durch die fort-schreitende Digitalisierung zurückgeführt werden.

Informationssicherheitsfunktionen im Ge-sundheitswesen fokussieren sich jedoch derzeit hauptsächlich auf die Ad-hoc-Be-richterstattung über relevante Angriffe und tatsächliche Vorfälle und weniger auf den primären Schutz der Informationen und Daten vor einer Attacke.

Page 6: Health Care News - Building a better working world - … · 2017-11-15 · Standardisierung und Automatisierung von Geschäftsprozessen, und zwar aus unterschiedlichen Perspektiven:

6 | Health Care News November 2017

Schwerpunktthema: Cyber Security

Somit bedarf es noch einiger Anstrengun-gen für Einrichtungen im Gesundheitswe-sen, um zu „cyberresistenten Organisatio-nen“ zu werden, die auch für die Zukunft gerüstet sind. Das Gesundheitswesen muss von anderen, fortgeschritteneren Branchen wie beispielsweise der Finanz-industrie lernen, um Cyberangriffe effek-tiv zu vereiteln.

Was sind die Merkmale einer cyber-resistenten Organisation im Gesund-heitswesen?Strategisches DenkenZwar identifizieren bereits viele Ein-richtungen Cybersicherheit als Thema höchster Priorität, jedoch gehen sie die damit verbundenen Herausforderungen häufig rein taktisch bzw. reaktiv an. Cyberresistenz erfordert ein umfassen-des Verständnis von internen und exter-nen Treibern des digitalen Wandels im gesamten operativen und technischen Betrieb – und die Einbettung der Digitali-sierungs- und somit auch der Cyberstra-tegie in die Geschäftsstrategie.

ProzessorientierungFür den Gesundheitssektor ist die unun-terbrochene Aufrechterhaltung der Pati-entenversorgung unternehmenskritisch. Die zunehmend komplexen Risiken der Digitalisierung erfordern eine robuste Sicherheitsstruktur im kompletten Be-handlungsprozess unter Absicherung von technischer Infrastruktur, Daten-schutz und Privatsphäre entlang des gesamten Prozesses.

Branchenübergreifende Zusammen­arbeitDie Zusammenarbeit mit Vertretern der IT-Industrie, anderen Branchen und den Behörden erhöht das Verständnis für potenzielle und bereits vorhandene Bedrohungen und liefert praktikable Ansätze zur Risikominderung und Prio-risierung der Cyberaktivitäten. Eine

Ausgewählte Ergebnisse der EY-Umfrage zum Thema „Datensicherheit im Gesundheitswesen“

1. Die Mehrheit der Organisationen hat keine Sicherheitsleitstelle (Security Operations Center; SOC)

2. Die Mehrheit der Organisationen hat keine Strategie für eine stabile Informationssicherheit

3. Die Organisationen sehen die Notwendigkeit für eine verbesserte Informationssicherheit

4. Das Internet der Dinge (IoT) wird häufig verwendet, Roboterge- steuerte Prozessautomatisierung (RPA) und Blockchain sind zumeist noch nicht auf der Agenda

der Befragten gaben an, dass sie kein SOC haben. Die Gründung eines SOC besitzt eine der höchsten Prioritäten.

der informationellen Sicher-heitsvorfälle wurden durch ein SOC entdeckt.

der Befragten gaben an, dass sie kein Programm ge-gen intelligente Bedrohungen haben, 35 % haben ein in-formelles Programm gegen intelligente Bedrohungen.

der Befragten gaben an, dass sie kein Programm zur Identifi-kation der Verletzbarkeit haben, 38 % haben ein informelles Pro-gramm zur Identifikation der Verletzbarkeit.

der Befragten glauben, dass die Ausgaben ihres Unternehmens für Informationssicherheit er-höht werden müssten, um für ausreichend Schutz zu sorgen.

der Befragten sagten, dass ihre Unternehmen weniger als 1 Mio. US-Dollar für Informa-tionssicherheit ausgeben; 65 % glauben, dass das Budget die nächsten 12 Monate um 5 % bis 25 % erhöht wird.

der Befragten betrachten als größte Herausforderung die umfassende Einführung des IoT; andere Hindernisse sind die fehlende Qualifikation der Mit-arbeiter (48 %) und Bedenken hinsichtlich der Privatsphäre (31 %).

der Befragten haben keine RPA-Kompetenzen und -Ambi-tionen; weitere Technologien wie Blockchain werden nicht vollständig verstanden, 41 % der Befragten wissen nicht über die Funktionen Bescheid.

53 % 18 %

37 % 22 %

74 % 55 %

61 % 80 %

Page 7: Health Care News - Building a better working world - … · 2017-11-15 · Standardisierung und Automatisierung von Geschäftsprozessen, und zwar aus unterschiedlichen Perspektiven:

Verfasser Kai Ullrich | EYTelefon +49 911 3958 [email protected]

Schwerpunktthema: Cyber Security

7Health Care News |

branchenübergreifende Zusammenar-beit und das Lernen von anderen Bran-chen ermöglichen Organisationen im Gesundheitswesen, ihre eigene Sicher-heitslage besser zu verstehen, Sicher-heitslücken schnell zu schließen und an den neuesten technischen, aber auch regulatorischen Entwicklungen mitzu- wirken und davon zu profitieren.

Einbindung des TopmanagementsKlare Kommunikation, Zielvorgaben und Führung des Topmanagements sind not-wendig, um das Bewusstsein in der Orga-nisation für die Herausforderungen im Bereich Cybersicherheit im Gesundheits-wesen zu schärfen. Alle Mitarbeiter müs-sen Anteil an den Anstrengungen für einen sensiblen Umgang haben, angefan-gen und vorgelebt von der Geschäftsfüh-rung. Mitarbeiter sollen dadurch ermu-tigt werden, Auffälligkeiten im Sinne von Datenschutz- und Sicherheitsverlet-zungen aufzudecken und zu stoppen, angefangen bei ungewöhnlichem Ver-halten am Arbeitsplatz bis hin zum Be-trieb von nicht genehmigten Geräten im Firmennetzwerk.

Welche konkreten Schritte müssen nun angestrebt werden?Es bedarf eines umfassenden Rahmen-konzepts, damit clevere und durchdachte Entscheidungen getroffen werden kön-nen, wie den Herausforderungen der Cybersicherheit begegnet werden kann. Ohne eine Differenzierung der Risiken und der Dringlichkeiten im Sinne einer abgestimmten Unternehmensstrategie flössen die Investitionen der Cybersicher-heit in Maßnahmen, die wenig Einfluss auf die direkte Umsetzung der Ge-schäftsstrategie hätten.

1. DefinierenDie potenziellen Cyberrisiken müssen de-finiert, Risikoprofile erstellt und in unter-schiedliche Szenarien überführt werden. Dadurch entsteht eine umfassende und mehrperspektivische Sammlung von Aktivitäten, intern wie auch extern, die eine Bedrohung des Unternehmens dar-stellen können.

2. AnalysierenDie kritischsten Assets (Anwendungen, Systeme, Medizingeräte, Prozesse etc.) werden auf der Basis der Szenarien iden-tifiziert und auf ihre Fähigkeit hin analy-siert, Cyberrisiken standzuhalten. Fokus-bereiche sind Schwachstellenanalysen, präventive und reaktive Sicherheitsmaß-nahmen, Richtlinien und Prozesse, Rollen und Verantwortlichkeiten.

3. EntwerfenAuf der Basis der Analysen und abgelei-tet von der übergeordneten Geschäfts-strategie wird die IT-Sicherheitsstrategie entworfen. Weiterhin entworfen werden Maßnahmen (samt Validierung) und der Business Case.

4. AnpassenDie organisatorischen und prozessualen Strukturen sowie die Managementpro-zesse zur Erfüllung der IT-Sicherheits-strategie werden angepasst, Governance und Geschäftsordnungen werden weiter-entwickelt.

5. PlanenDer Plan und die konkrete Roadmap für die Implementierung verabschiedeter Lö sungen werden entworfen und fortge-schrieben, es werden kontinuierliche Anpassungen und Verbesserungen der IT-Sicherheitsstrategie erarbeitet, Review-Zyklen geplant und Messgrößen etabliert.

Um als Wirtschaftsunternehmen – und dabei sind Unternehmen des Gesund-heitswesens explizit eingeschlossen – im digitalen Zeitalter langfristig erfolgreich zu sein, ist ein Kulturwandel des gesam-ten Unternehmens erforderlich. Dies be-trifft sowohl die strategische Ausrichtung durch das Topmanagement als auch die Struktur der einzelnen Fach- und IT-Ab-teilungen sowie die Aufrüstung digitaler Abwehrmechanismen. Dabei gilt es, die IT besser mit anderen Fachbereichen des Unternehmens zu verknüpfen und einen gemeinsamen Austausch herbeizufüh-ren, um potenzielle Schwachstellen und Risiken im Unternehmen erkennen und rechtzeitig beheben zu können, bevor ein bleibender Schaden am Unternehmen oder gar am Menschen entsteht. Ein agiles Cybersicherheitskonzept, das Per-sonen, Anlagen, Geräte und Daten glei-chermaßen wirksam gegen digitale Bedrohungen schützt, kann so zu einem echten Wettbewerbsvorteil werden.

Page 8: Health Care News - Building a better working world - … · 2017-11-15 · Standardisierung und Automatisierung von Geschäftsprozessen, und zwar aus unterschiedlichen Perspektiven:

8 | Health Care News November 2017

Schwerpunktthema: Cyber Security

Interview mit Henning Schneider:

Cyber Security – akute Sicherheits­bedrohungen und Lösungsmöglichkeiten im Krankenhausumfeld

Cybercrime, Darknet, Hackerangriffe – illegale Angriffe auf Unternehmens-netzwerke haben eine verheerende Wirkung, sie richten enormen Schaden an. Die Unsicherheit, aber auch Un-wissenheit bezüglich des Themas Cyber Security ist groß. Was genau verbirgt sich aus Ihrer Sicht, Herr Schneider, hinter dem Buzzword „Cy-ber Security“? Wie eng oder wie weit sollte dieser Begriff gefasst werden?

„Cyber Security“ ist aus meiner Sicht ein Begriff, der sehr in die Irre führt. Ich würde viel lieber bei dem klassischen Begriff der Informationssicherheit blei-ben. Denn der macht deutlich, dass es nicht nur um Computer und IT geht, sondern vielmehr um eine grundsätzli-che Betrachtung, wie man im Unterneh-men mit Informationen umgeht. Dabei müssen sowohl die Infrastruktur als auch organisatorische Regeln und Abläufe betrachtet werden. Schließlich muss die Einstellung aller Mitarbeiter im Unter-nehmen verändert werden; sie müssen entsprechend geschult und ihre Sensibili-tät im Umgang mit Informationen perma-nent geschärft werden.

Attacken können jedes Unternehmen treffen. Besteht aus Ihrer Sicht die Möglichkeit, proaktiv zu handeln, statt nach einem Angriff nur zu reagieren und den entstandenen Schaden zu beheben?

Definitiv ist das Warten auf Angriffe die falsche Taktik. Ich kenne Unternehmen, die sich nur auf das schnelle Wiederan-laufen der IT nach einem Angriff konzen-trieren, da sie glauben, einen kompletten Schutz von außen könne es nicht geben. Dies kann und darf aber nicht unser An-spruch sein.

Mitarbeiter zu sensibilisieren und die eigenen Maßnahmen ständig zu hinter-fragen, weiterzuentwickeln und an neue Bedrohungen anzupassen gehört für mich zu den permanenten Sicherheits-vorkehrungen, die Unternehmen in der heutigen Zeit leisten müssen. Ergänzend hilft es, sich mit anderen Unternehmen zu Sicherheitsmaßnahmen auszutau-schen und regelmäßig Penetration-Tests durchzuführen.

Welche Sicherheitsbedrohungen sind im Krankenhausumfeld besonders akut?

In Krankenhäusern mit sehr vielen Benutzern aus unterschiedlichen Fach-gruppen, die überdies oft nicht sehr technikaffin sind, gehören sicherlich Ransom-Attacken per E-Mail oder Web-site zu den größten Sicherheitsbedro-hungen. Beispiele haben bereits gezeigt, dass Krankenhäuser hier verwundbar sind. Leider darf man aber auch nicht den Diebstahl medizinischer Informatio-nen und künftig den Angriff auf medizini-

Henning Schneider Henning Schneider ist seit 2016 Chief Information Officer (CIO) bei Asklepios. In seiner Funktion treibt der studierte Informatiker die Digitalisierung der Klinikengruppe voran und zeichnet dafür verantwortlich, Strukturen und klinische Abläufe zu verbessern. Im Jahr 2015 wurde Henning Schneider mit dem Preis „CIO of the Year“ in der Kategorie

„Innovation“ vom CIO-Magazin und der Computerwoche ausgezeichnet.

Page 9: Health Care News - Building a better working world - … · 2017-11-15 · Standardisierung und Automatisierung von Geschäftsprozessen, und zwar aus unterschiedlichen Perspektiven:

9Health Care News |

Article headingSchwerpunktthema: Cyber Security

sche Geräte oder die Manipulation von Daten bei Sicherheitsbetrachtungen außer Acht lassen.

Was sollte aus Ihrer Sicht im Sicher-heitsfokus für Krankenhäuser stehen?

Das wichtigste Element bleibt der An-wender selbst. Alle Krankenhausmitar-beiter regelmäßig für Sicherheitsregeln und Bedrohungen zu sensibilisieren, das muss an erster Stelle stehen. Danach folgen aus meiner Sicht die Absicherung der Systeme und Geräte. Kommunika- tionssysteme wie E-Mail etc. sollten von Systemen und Geräten mit Patienten- daten getrennt gehalten werden, auch wenn die Erfüllung dieses Anspruchs im Zeitalter der immer weiter fortschrei-tenden Vernetzung medizinischer Leis-tungen immer aufwendiger wird.

Welche Lösungen zur Datensicherheit sind am effizientesten? Gibt es über-haupt die eine Lösung, um sich Cyber-kriminalität entgegenzustellen? Oder ist es eine Zusammenstellung aus un-terschiedlichen Aktivitäten?

Informationssicherheit ist immer ein Paket aus Maßnahmen, die sowohl orga-nisatorische als auch technische Ele-mente beinhalten. Dabei wird kein Unter-nehmen alleine in der Lage sein, sie vollständig umzusetzen. Der Blick von außen, z. B. durch regelmäßige Audits,

Penetration-Tests und Vergleiche mit an-deren Unternehmen, gehört eng in die-ses Paket mit hinein.

Wenn die für das eigene Unternehmen relevanten Verteidigungsstrategien er-arbeitet wurden, wie sieht der zeitliche Horizont für die Implementierung einer Cyber-Security-Strategie aus?

Informationssicherheit ist eine dauerhaft laufende Beschäftigung. Ähnlich wie der Datenschutz ist sie eher als ein sich ständig verbessernder Kreislauf zu se-hen, der immer mehr Einzug in alle Ab-läufe des Unternehmens hält. Ein Ende oder einen Horizont festzulegen, den man irgendwann erreicht, halte ich für die falsche Erwartung.

Neben Strategie und Zeit für die Implementierung ist der Faktor Bud-get wichtig: Wie hoch schätzen Sie die Kosten ein, die auf ein Unterneh-men aus der Healthcare-Branche bei der Implementierung einer Cyber- Security-Strategie zukommen?

Dies ist eine sehr schwierige Frage. Klini-ken in Deutschland geben heute nur ca. 2 Prozent ihres Umsatzes für Informa- tionstechnologie aus. Damit liegen sie im europäischen Vergleich fast ganz unten auf einer Skala, die bis zu einer Umsatz-quote von 10 Prozent reicht. Ich gehe davon aus, dass ca. 1 bis 2 Prozent vom

Umsatz zusätzlich als Budget nötig sein werden, um eine entsprechende Infor-mationssicherheit zu ermöglichen. Wich-tig ist aber, dass es dabei nicht nur um Kosten für Technik geht; solche für Au-dits, Dokumentation, Schulungen und Beratung sind ebenfalls enthalten.

WannaCry, NotPeya oder CEO-Fraud – zahlreiche aktuelle Beispiele zeigen, welches Schadenpotenzial in Cyber- attacken steckt. Dabei rücken abge-wehrte Attacken oft ins Hintertreffen. Können Sie uns eine Best Practice aus der Branche nennen, wie effiziente Cyber Security aussieht?

Wenn es darum geht, sich Impulse zu ho-len oder auch zu hinterfragen, wie man an bestimmten Stellen aufgestellt ist, kann man sich aus meiner Sicht sehr gut an den Vorgaben des BSI und insbeson-dere an den BSI-Grundschutz-Vorgaben orientieren. Diesen Katalog umzusetzen und mit einem vollständigen Informations- sicherheitsmanagement zu verknüpfen, das jährlich auditiert wird, ist eine große Aufgabe, die aber bei Erfolg den Um-gang mit aktuellen Sicherheitsanforde-rungen und Bedrohungen deutlich vereinfacht.

Herr Schneider, herzlichen Dank für das Gespräch.

Page 10: Health Care News - Building a better working world - … · 2017-11-15 · Standardisierung und Automatisierung von Geschäftsprozessen, und zwar aus unterschiedlichen Perspektiven:

Beratung

Beschleunigung der Digitalisierung in der Krankenversicherung durch robotergesteuerte Prozessautomatisierung (RPA) Erfolgsfaktor Automatisierung in der Krankenversicherung

Page 11: Health Care News - Building a better working world - … · 2017-11-15 · Standardisierung und Automatisierung von Geschäftsprozessen, und zwar aus unterschiedlichen Perspektiven:

4

3

2

1

Vollständige Vernetzung von Kunde, Vermittler und Betrieb • Der Versicherer ist ein datenbasiertes Unternehmen • Möglichkeit, in Echtzeit auf veränderte Kundenbedürfnisse zu reagieren (z. B. Produktinnovationen, Anpassung von Tarifen)

Smart Analytics und digitale Agilität• Fähigkeit der Datensammlung, -interpretation und -nutzung für ausgewählte Entscheidungsprozesse (z. B. Betrugserkennung) • Notwendigkeit von agilen und digitalisierten Prozessen/IT

Automatisierung• Digitalisierung von manuellen Prozessen (Erhöhung der Dunkelverarbeitungsquote, Robotics, BPM)• Anwendungsübergreifende Automatisierung der Ende-zu-Ende-Prozesse

Elektrifizierung• Umstellung von manuellem Arbeiten auf papierlose Verarbeitung in ausgewählten Prozessen • Erhöhung der Anzahl der digitalen Schnittstellen

Die meisten Versicherungs-unternehmen beschäftigen sich derzeit mit den Stufen eins und zwei

„Neue Welt“

Künstliche Intelligenz

Predictive Analytics

Automatisierung via Robotics

Dunkel-verarbeitung

Digitalisierung Input/Output

• Digitalisierung erfordert eine differenzierte Definition• Zur vollständigen Digitalisierung eines Versicherers sind umfassende und aufwendige Maßnahmen erforderlich

>>

11Health Care News |

Beratung

Krankenversicherer besitzen strategi-schen Vorteil, stehen aber auch vor einer großen Herausforderung Die Digitalisierung ist unbestreitbar einer der Megatrends im Finanzsektor. Auch die Versicherungswirtschaft treibt die Digitalisierung ihrer Prozesse mit zuneh-mendem Engagement voran. Dabei lässt sich klar feststellen, dass im Vergleich aller Sparten der Assekuranz die Rele-vanz der Digitalisierung für die Kranken-versicherung mit am größten ist. Dies liegt im Wesentlichen an der deutlich höheren Interaktionsrate zwischen Kun-den, Versicherer(n) und Dienstleistern/Leistungserbringern und gilt sowohl für die private als auch für die gesetzliche Krankenversicherung. Denn unverkenn-bar sind die Wahrscheinlichkeit und die Frequenz von Erkrankungen und Vor-sorgeterminen deutlich höher als bei-spielsweise diejenigen des Eintritts eines Hausratschadens oder des Leistungsfalls

der Lebensversicherung. Dadurch ergibt sich beim Kunden eine stärkere Präsenz und damit einhergehend eine intensivere Wahrnehmung. Somit besitzen Kranken-versicherer von vornherein ein Wunsch- szenario, das in anderen Branchen, aber auch in der Allsparten-Assekuranz erst durch Digitalisierungsprogramme mit großem Engagement erzielt werden soll. Die Besetzung der sogenannten Custo-mer Touch Points wird dabei als wesent- licher Erfolgsfaktor im Zeitalter digitaler Geschäftsmodelle angesehen. Die hohe Interaktionsrate bringt jedoch eine große Herausforderung mit sich: Wie schaffe ich es, dem Kunden in allen Interaktio-nen, z. B. beim Abschluss/Wechsel der Versicherung oder der (Teil-)Zahlung von Leistungen, einen bequemen, möglichst digitalen Service zu bieten, der – analog Smartphone, Banking App, Onlineshop-ping usw. – den Alltag spürbar erleich-tert? Die wesentlichen Anforderungen

sind dabei Bequemlichkeit für den Kun-den, Einfachheit in der Bedienung/Hand-habung und Schnelligkeit in der Abwick-lung. Nicht zuletzt dadurch wird es zwingend erforderlich, die Masse der Transaktionen zur Kommunikation und Erbringung/Abwicklung der Leistungsfälle digital und möglichst automatisiert zu verarbeiten. Auch beachtlich: Diese Be-dürfnisse sind Leistungserbringern und Mitarbeitern ebenfalls ein Anliegen.

Automatisierung wesentlicher Be-stand teil und Grundlage der Digitali-sierung Die Automatisierung ist nach der Elektrifi-zierung (papierloses Arbeiten, Schaffung digitaler Schnittstellen) die zweite Stufe im EY-Innovalue-Reifegradmodell Digitali-sierung und Grundvoraussetzung für weitere digitale Services des Krankenver-sicherers.

Abbildung 1: EY-Innovalue-Reifegradmodell Digitalisierung

Page 12: Health Care News - Building a better working world - … · 2017-11-15 · Standardisierung und Automatisierung von Geschäftsprozessen, und zwar aus unterschiedlichen Perspektiven:

12 | Health Care News November 2017

Beratung

Gleichzeitig werden durch den Wegfall einfacher Aufgaben Freiräume für wert-schöpfende Tätigkeiten zum Nutzen des Kunden geschaffen, aber auch durch die Hebung von großen Kostenvorteilen (20 bis 30 Prozent) weitere Investitio-nen, z. B. in die Digitalisierung, ermög-licht. Klar ist dabei auch, dass die Stufe der Automatisierung bereits seit Ende der 1980er-Jahre angegangen wird. Dennoch ist dieser Entwicklungsschritt im Jahr 2017 noch bei keinem Versiche-rer abgeschlossen. Das liegt unter ande-rem daran, dass die zunächst auf simple Prozesse fokussierte klassische Dunkel-verarbeitung als etablierte Form der Automatisierung an ihre Grenzen der Umsetzung stößt. So erfordern komplexe IT-Architekturen mit multiplen Anwen-dungssystemen einen hohen Aufwand für die Schaffung automatisierter Schnittstellen. Die hierzu notwendigen IT-Fachkräfte sind zudem häufig chro-nisch überlastet, sodass die Umsetzung der verbleibenden Automatisierungsvor-haben langwierig ist und wie eine riesige Bugwelle vor dem Projektportfolio her-

geschoben wird. Die zunehmende Dyna-mik sich stetig verändernder Fachanfor-derungen verstärkt den Bedarf nach Alternativen.

RPA oder auch kurz Robotics stellt eine Alternative/Ergänzung zur Dunkelver-arbeitung dar Die Front-End-Automatisierung durch Robotics zeichnet sich als eine nichtinva-sive Technologiealternative bzw. -ergän-zung aus.

Im Vergleich zur Dunkelverarbeitung erfolgt die Automatisierung nicht durch programmierte Back-End-Schnittstellen, sondern durch die Nachahmung der Sachbearbeitertätigkeit auf den Oberflä-chen der verschiedenen Anwendungen. Hierzu wird der „Roboter“ mit dem not-wendigen Wissen – federführend durch den Fachbereich – „trainiert“ bzw. „ange-lernt“. Hier verbirgt sich auch ein großer Vorteil, da der Engpass eines jeden Projektportfolios – die IT-Kapazitäten – umgangen wird. Zudem können Automa-tisierungen für kleinere Geschäftsvorfall-

Geringe Implementierungsdauer und -kosten, kein Eingriff in bestehende Infrastruktur

Geringere techn. Konformität der IT-Architektur, Schulungsbedarf bei Anpassungen

• Robotics ist der Oberbegriff für den Einsatz nichtinvasiver Technologien zur Übernahme manueller Prozesse

• Robotics-Technologie setzt am Front-End an und greift nicht direkt in Kernsysteme ein

• Von Dunkelverarbeitung spricht man bei einem Geschäftsprozess, der vollständig automatisiert, ohne manuelles Eingreifen abläuft

• Im Gegensatz zur Robotics-Technologie werden Daten(sätze) via Schnittstellen und/oder im Back-End verarbeitet

Höhere techn. Konformität der IT-Architektur

Lange Implementierungsdauer, ggf. komplexerer Eingriff in Infrastruktur, kostenintensiv

12

Abbildung 2: Abgrenzung/Vergleich Dunkelverarbeitung vs. Robotics

Page 13: Health Care News - Building a better working world - … · 2017-11-15 · Standardisierung und Automatisierung von Geschäftsprozessen, und zwar aus unterschiedlichen Perspektiven:

13Health Care News |

Beratung

Mehrzahl der Branche befindet sich inEntwicklungsstufe 1 oder 2

Robotics der nächsten Generation inkl. KI(sog. Smart Robotics)

1

2

3

4

5

Unterstützende Robotics

• Optimierung bestehen- der manueller/fragmen- tierter Bearbeitungs- prozesse

• Reduzierung der ma- nuellen Bearbeitung

• Sachbearbeitereinsatz weiterhin erforderlich

Unbetreute Robotics

• Beendet die Notwen- digkeit der Eingabe durch Sachbearbeiter

• Texterkennung reduziert/beseitigt manuelles Eingreifen

• Steigerung der Produk- tivität, Senkung von Betriebskosten

Self-Services und Automation

• Self-Services und automatische Verar- beitung durch mobile Endgeräte, Internet, Sprachdialogsysteme etc.

• Ohne Eingreifen der Sachbearbeiter

• Inkl. Process-Tracking

Prüf- und Entschei- dungsautomat

• Verbindung von Robotik mit Analytik und Entscheidungs- mechanismen

• Fügt ein Ermessens- element hinzu (bspw. Klassifizierung)

Kognitive Robotics

• Verbindung von Robotik mit Analytik und künstlicher Intelligenz

• Kontinuierliche Optimierung durch maschinelles Lernen oder stochastische Modelle

mengen oder als Übergangslösung bis zur Einführung neuer Kernanwendungen in kurzer Zeit (wenige Monate) und un-ter schneller Amortisation (teilweise un-ter 12 Monate) umgesetzt werden. Innerhalb der Robotics lassen sich nach EY Innovalue fünf unterschiedliche Ent-wicklungsstufen identifizieren, bei denen der digitale Reifegrad mit jeder Genera-tion wächst. Makro-Unterstützungen re-präsentieren die einfachste Form von Robotics und dienen der Optimierung bestehender manueller bzw. fragmen-tierter Bearbeitungsprozesse. Kognitive Systeme stellen hingegen die höchste Ausbaustufe dar und verbinden analyti-sche Robotik mit künstlicher Intelligenz, sodass selbstlernende Systeme entste-hen. Technisch reifere Robotics (Stufe 3), z. B. selbstlernende Chatbots in Kombi-nation mit mobilen App-Lösungen, können hingegen in der Kundenbetreu-ung sinnvoll eingesetzt werden.

Vielseitige Einsatzgebiete für RPA in der KrankenversicherungDie generellen Einsatzgebiete für Ro-botics sind dabei primär datenintensive, regelbasierte, stark repetitive Prozesse mit hohem manuellen Arbeitsaufwand und vielen Medienbrüchen. Sind die ge-eigneten Prozesse aufgrund individueller Prozessabläufe und IT-Architekturen spezifisch je Versicherer zu identifizie- ren, lassen sich jedoch aus diversen Rbotics-Projekten „Hot Spots“ speziell für die Krankenversicherung erkennen.

Am Beispiel der gesetzlichen Kranken-versicherung wird anhand der Prozess-landkarte deutlich, dass der Fokusbe-reich für Robotics vor allem in der Leistungsbearbeitung der Kranken- und Pflegeversicherung (Abrechnung mit Leistungserbringern) liegt. Hier existieren heute noch viele manuelle, medienübergreifende, nicht standardi-sierte Verfahren, die sehr viel Kapazität von Fachkräften aufseiten der Versiche-rer binden. Darüber hinaus lassen sich aber auch vermehrt Potenziale in der

Abbildung 3: Fünf Stufen der RPA

Quelle: EY Innovalue

Page 14: Health Care News - Building a better working world - … · 2017-11-15 · Standardisierung und Automatisierung von Geschäftsprozessen, und zwar aus unterschiedlichen Perspektiven:

14 | Health Care News November 2017

Beratung

Verwaltung der Leistungsangebote (u. a. Vertragsarbeit mit Ärzten und Kranken-häusern) erkennen. Zusätzlich bilden branchenneutrale Supportprozesse wie das Finanzmanagement (u. a. Buchhal-tung), das Unternehmenscontrolling (u. a. Berichtswesen) und die IT-Services (u. a. Self-Services für Pflege von Be-rechtigungen) potenzielle und gefragte Einsatzgebiete von Robotics. Hierbei wird ersichtlich, dass sowohl Prozesse mit externen als auch solche mit internen Schnittstellen bei der Identifizierung von Einsatzgebieten zu berücksichtigen sind.

Zusammenspiel mit intelligentem Input-/Outputmanagement verstärkt die Automatisierungseffekte Man kann nicht behaupten, dass Robotics ein Allheilmittel für die Digitalisierung sei. Sehr wohl lässt sich jedoch festhal-ten, dass RPA eine sehr gute Technolo-giealternative bzw. ergänzung ist. Zu-sätzlich werden bei dieser Alternative IT-Kapazitäten geschont und durch die

Effekte der Automatisierung Kapazitäten und Freiräume für wertschöpfende Tätig-keiten zum Nutzen des Kunden geschaffen.

Change-Management für Akzeptanz des Roboters als „Kollegen“ notwendig Zu guter Letzt ist zu beachten, dass die Veränderung der Belegschaft mit Robotern als „Kollegen“ ein begleitendes Kommunikations- und Change-Konzept für beteiligte Führungskräfte und Mitar-beiter erfordert. Die Möglichkeiten der Digitalisierung sollten von allen Beteilig-ten als Chance u. a. zur persönlichen Weiterentwicklung in neue Rollen und nicht als Gefahr verstanden werden. Hierfür ist jedoch eine Einbindung der betroffenen Mitarbeiter notwendig, die einerseits Sinnhaftigkeit und Akzeptanz als Fundament der Veränderung schafft und andererseits Kulturwandel und die Entwicklung einer digitalen Denkweise als Schlüsselfaktoren herausstellt.

Verfasser Nils Heise | EY Innovalue Telefon +49 172 519 3148 [email protected]

Quelle: EY Innovalue

Management- und Supportprozesse

Beratung & Service Marketing/Kommunikation Vertrieb Betrieb & Leistung Leistungsangebot

KV/PV

Vertragsarbeit Ärzte RegionaleProduktvarianten Vertriebsstrategie Beratungsprozesse Leistungen der KV

bearbeiten

Leistungen der PVbearbeiten

VertragsarbeitZahnärzte

Versicherungs-verhältnisse/Beiträge

Leistungen mit Drittenabrechnen

Unternehmens-strategie

Unternehmens-steuerung

Unternehmens-planung

Unternehmens-controlling

Finanzmanagement

IT-Services

Personalmanagement

Organisations-management

Beschwerde-management

VertragsarbeitKrankenhäuser

Sonstige Vertragsarbeit

Qualitätsmanagement

Marktbeobachtung

Wettbewerbs- undPotenzialanalysen

Werbemaßnahmen undPressearbeit

Vertriebsmaßnahmenund -informationen

Kundenakquise undBestandskundenpflege

Haltearbeit undKontaktpflege

Qualifikation

Prozess-beteiligte Kernprozesse der GKV

Endkunden/Interessenten

Vertrags-partner undDienstleister

Mitarbeiter

Legende:

Prozessgruppemit RPA Fokus

Fehlerreduzierung,Verbesserung derQualität

Reduzierung derProzesszeit

Reduzierung derman. Aufwände

ZieleProzessoptimierung

Steigerungder Kunden-zufriedenheit

Inpu

tman

agem

ent

Abbildung 4: Einsatzgebiete für RPA

Quelle: EY Innovalue

Page 15: Health Care News - Building a better working world - … · 2017-11-15 · Standardisierung und Automatisierung von Geschäftsprozessen, und zwar aus unterschiedlichen Perspektiven:

15Health Care News |

Beratung

Dabei ist der Schutz personenbezogener Daten (das sind alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifi-zierbare natürliche Person beziehen) ein wichtiges Persönlichkeitsrecht jedes Ein-zelnen. Dieses Recht zu gewährleisten stellt Unternehmen vor enorme Heraus-forderungen. Die Knackpunkte – beson-ders im Gesundheitssektor – sind viel-schichtig, denn bei jedem Aufenthalt in einer Gesundheitseinrichtung entstehen sensible Daten.

Der Schutz dieser sensiblen Daten ist das Ziel der EU-Datenschutz-Grundver-ordnung (DSGVO). Die neuen Gesetze und Regelungen sollen helfen, beim Umgang mit sensiblen Daten Missbrauch zu vermeiden, sodass die Daten aus-schließlich dem Zweck dienen können, für den sie erhoben wurden: der Gesund-heit der Patienten.

Aber überall dort, wo von Recht gespro-chen wird, ist die entsprechende Pflicht nicht weit. Den notwendigen Daten-schutz können Unternehmen nur durch ein strukturiertes und ganzheitliches Datenschutz-Management-System (DSMS) gewährleisten. Die DSGVO ist das neue Regelwerk für eine völlig ver-änderte Welt. Durch die Verordnung wer-den in Zukunft in allen EU-Staaten die gleichen Standards hinsichtlich des Da-

tenschutzes erfüllt, die Eigenverantwor-tung der Gesundheitsbetriebe wird er-höht und eine Nichteinhaltung wird mit hohen Strafen sanktioniert.

Rahmenbedingungen und Anwen-dungsbereiche Am 14.04.2016 wurde die DSGVO durch die EU verabschiedet; die mit ihr ver-bundenen Anforderungen werden am 25.05.2018 in allen Mitgliedstaaten der EU in Kraft treten. Die EU-DSGVO verein-heitlicht also das Datenschutzrecht in-nerhalb Europas, um internationale Tä-tigkeiten im europäischen Binnenmarkt zu erleichtern. Lange wurde der Daten-schutz stiefmütterlich und heterogen behandelt; durch die neue, europaweite Verordnung gelten in allen EU-Staaten zukünftig die gleichen (hohen) Stan-dards hinsichtlich des Datenschutzes, die verpflichtend zu erfüllen sind.

Herausforderungen und Handlungs-felder im Gesundheitswesen So vielschichtig der Gesundheitssektor ist, so weit verzweigt sind die Herausfor-derungen bei der Umsetzung der EU- DSGVO im Gesundheitswesen. Fünf typi-sche Besonderheiten sollen an dieser Stelle exemplarisch vorgestellt werden:

Die Datenschutz­Grundverordnung (DSGVO) im Gesundheitswesen – das Regelwerk für das digitale Zeitalter

„Patienten fürchten Datenmissbrauch im Gesundheitswesen“, „Hacker haben in deutschen Kliniken leichtes Spiel“ oder „Datenmanipulation: Hacker können aus einem Gesunden einen Kranken machen“ – Beispiele aus der jüngeren Vergan­genheit zeigen, dass Datenmissbrauch keine fiktive Bedrohung im Gesundheitswesen mehr ist.

Einwilligungsmanagement Ein gefestigtes Einwilligungsmanage-ment ist im Gesundheitssektor essenziell. So geht es beispielsweise bei der Patien-tenaufnahme (etwa im Krankenhaus) manchmal hektisch zu. Daher können sich hier leicht datenschutzrechtliche He-rausforderungen ergeben, die später ggf. unentdeckt bleiben und umso schwerer wiegen können.

Besondere Kategorien personen- be zogener Daten Im Gesundheitssektor werden in einem großen Ausmaß besondere personenbe-zogene Daten i. S. d. Art. 9 DSGVO ver-arbeitet. Hierunter fallen beispielsweise sensible Gesundheitsdaten. Das sind per-sonenbezogenen Daten, die sich auf die körperliche oder geistige Gesundheit einer natürlichen Person beziehen, wie etwa Blutdruck, Herzfrequenz etc. Com-pliance-Verstöße in diesem Bereich wir-ken sich besonders schwer aus.

BerechtigungsmanagementDie Implementierung eines Berechtigungs- managementsystems kann vor unbefug-tem Zugriff auf Daten schützen.

Typische Probleme in diesem Zusammen-hang: • Wer darf welche Daten, beispielsweise

Patientenakten, einsehen? • Gibt es unterschiedliche Rollenkon-

zepte und werden diese eingehalten? • An wen dürfen (Kranken-)Akten wei-

tergegeben werden? • Wie und mit welchen Zugriffsrechten

werden physische und elektronische Akten aufbewahrt und gelöscht?

All diese Fragen müssen geklärt sein.

Page 16: Health Care News - Building a better working world - … · 2017-11-15 · Standardisierung und Automatisierung von Geschäftsprozessen, und zwar aus unterschiedlichen Perspektiven:

16 | Health Care News November 2017

Beratung

Datenschutzbeauftragter Aufgrund der schwerpunktmäßigen Ver-arbeitung von Gesundheitsdaten i. S. d. Art. 9 DSGVO muss zwingend ein Daten-schutzbeauftragter nach Art. 37 DSGVO bestellt werden.

Datenschutz-Folgenabschätzungen (DSFAs), technische und organisatori-sche Maßnahmen (TOMs)Anhand eines risikobasierten Ansatzes müssen Datenschutz-Folgenabschätzun-gen (DSFAs) gemäß Art. 35 DSGVO durchgeführt und nach Art. 24 und 32 DSGVO technische und organisatorische Maßnahmen aus Gründen der Daten- sicherheit implementiert werden. Da im Gesundheitssektor typischerweise be-sonders sensible Daten verarbeitet werden, sind entsprechend mehr DSFAs und stärkere TOMs als üblich notwendig.

Diagnose und Therapie Mit der EU-DSGVO stehen nicht nur viele Neuregelungen bevor, bei Verstößen dro-hen ab 2018 auch drastische Bußgelder: Die Obergrenze bei einem Vergehen liegt bei 20 Millionen Euro oder 4 Prozent des weltweiten Jahresumsatzes – je nachdem, was höher ist. Bei der Strafbemessung werden technische und organisatorische

Maßnahmen zur Prävention von Verstö-ßen sowie die Einhaltung früherer Daten-schutzbestimmungen berücksichtigt.

Damit es aber gar nicht erst zu teuren Bußgeldzahlungen kommt, sollten Sie einen „Quick Check“ durchführen, ob Sie Ihrer Verantwortung mit angemessenen Maßnahmen nachkommen:• Sind Ihnen alle gesetzlichen Anforde-

rungen und Verpflichtungen im Hinblick auf den Datenschutz bewusst?

• Ist Ihnen bewusst, welche Prozesse personenbezogene Daten erheben/verarbeiten?

• Sind geeignete Maßnahmen vorhan-den, um personenbezogene Daten angemessen zu schützen?

• Existiert eine Datenschutzrichtlinie, die allen Mitarbeitern bekannt ist?

• Lassen sich Ihre Daten im Falle eines Datenverlusts innerhalb einer ange-messenen Zeit wiederherstellen?

Wenn Sie auch nur eine dieser Fragen mit Nein beantwortet haben, sollte das Thema Datenschutzmanagement bespro-chen werden, um unangenehme Überra-schungen zu vermeiden. Wir unterstüt-zen Sie gerne mit einer maßgeschneider-ten Lösung.

Verfasser Stefan Dür | EYTelefon +43 1 21170 [email protected]

Thomas Breuss | EY LawTelefon +43 1 26095 [email protected]

Fazit• Die neue EU-Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) wird am

25.05.2018 in allen Mitgliedstaaten der EU in Kraft treten. • Sie ist ein neues Regelwerk für eine völlig veränderte Welt.• In Zukunft gelten durch die Verordnung in allen EU-Mitgliedstaaten

die gleichen (hohen) Standards hinsichtlich des Datenschutzes, die verpflichtend zu erfüllen sind.

• Fehlende Prozesse und unklar definierte Verantwortlichkeiten führen zu enorm erhöhten Risiken.

• Die DSGVO stärkt die Eigenverantwortung der Gesundheits-dienstleister, erhöht allerdings den technischen und organisatori-schen Aufwand.

• Bei Verstößen gegen die EU-DSGVO drohen drastische Bußgelder.

Page 17: Health Care News - Building a better working world - … · 2017-11-15 · Standardisierung und Automatisierung von Geschäftsprozessen, und zwar aus unterschiedlichen Perspektiven:

17Health Care News |

Beratung

Page 18: Health Care News - Building a better working world - … · 2017-11-15 · Standardisierung und Automatisierung von Geschäftsprozessen, und zwar aus unterschiedlichen Perspektiven:

18 | Health Care News November 2017

Beratung

Um eine daraus resultierende Finanzie-rungslücke zu schließen und die Innova- tionskraft der Krankenhäuser zu erhal-ten, hat der Gesetzgeber mit der Einfüh-rung der gesonderten Zusatzentgelte eine Gesetzesnorm geschaffen, die eine Vergütung für neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (NUB) er-möglicht. Somit sollen für NUB unter bestimmten Voraussetzungen nach § 6 Abs. 2 KHEntgG gesonderte Zusat-zentgelte vereinbart werden, um den Zeitraum bis zur Eingliederung der Inno-vation ins Vergütungssystem zu über- brücken.

Eine der Voraussetzungen ist der Antrag bei den Vertragsparteien auf Bundes- ebene zum 31. Oktober eines jeden Jah-res. Dieser stößt eine Prüfung der NUB auf sachgerechte Vergütung mit den be-reits vereinbarten Fallpauschalen und Zusatzentgelten an. Nur bei bisher nicht gegebener sachgerechter Vergütung kann eine Vereinbarung für ein geson-dertes Zusatzentgelt stattfinden. Die Vertragsparteien auf Bundesebene ha-ben diese Aufgabe an das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK)

Herausforderung NUB –Sachgerechte Entgeltvereinbarung und Integration in den Fallpauschalenkatalog bei fehlenden Ist­Kostendaten?

Seit der Einführung der German Diagnosis Related Groups (G­DRG) 2004 in Deutschland wird der stationäre Leistungs­sektor durch ein durchgängiges, leistungsorientiertes und pau­schalierendes Vergütungssystem charakterisiert. Die stationä­re und teilstationäre allgemeine Krankenhausleistung wird über die in den Fallpauschalenkatalog aufgenommenen Fallpauscha­len und Zusatzentgelte nach § 7 Satz 1 Nr. 1 und 2 KHEntgG vergütet. Die dem DRG­System zugrunde liegenden Ist­Kosten können jedoch keine erhöhten Kosten für innovative Kranken­hausleistungen abbilden. Deren Neuartigkeit verhindert eine sachgerechte Abbildung im Vergütungssystem.

delegiert. Als weitere Voraussetzung darf die NUB, um die es geht, nicht ge-mäß § 137c SGB V durch den Gemeinsa-men Bundesausschuss (G-BA) von der Finanzierung durch die Sozialleistungs-träger ausgeschlossen worden sein. Die NUB werden vom G-BA nach § 137c SGB V auf Antrag „auf eine ausrei-chende, zweckmäßige und wirtschaftli-che Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemein aner-kannten Standes der medizinischen Er-kenntnisse“ geprüft. Können weder ein hinreichend belegter Nutzen noch ein Potenzial der neuen Methode für eine er-forderliche Behandlungsalternative iden-tifiziert werden, wird diese durch Richt-linien des G-BA von der Finanzierung zulasten der Sozialleistungsträger aus-geschlossen. Solange die NUB nicht aus-geschlossen wurde, kann sie zulasten der Krankenkassen erbracht werden. Es handelt sich damit um eine Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt.

Sind beide Voraussetzungen erfüllt, kann das Krankenhaus die Sozialleis-tungsträger zu einer Entgeltverhandlung auffordern. Die Entgelte sollen gemäß

Page 19: Health Care News - Building a better working world - … · 2017-11-15 · Standardisierung und Automatisierung von Geschäftsprozessen, und zwar aus unterschiedlichen Perspektiven:

19Health Care News |

Beratung

§ 6 Abs. 2 KHEntgG sachgerecht verein-bart werden. Es stellt sich allerdings die Frage, wie bei fehlenden Ist-Kostendaten ein sachgerechtes Entgelt vereinbart werden soll. Hier stehen die Krankenhäu-ser vor einer Herausforderung. Denn sie müssen sich im Vorfeld zwingend mit den durch die NUB anfallenden Kosten auseinandersetzen und diese kalkulieren. Nur bei sachgerecht kalkulierten Kosten kann über ein sachgerechtes Entgelt ver-handelt werden. Da aufgrund der Neuar-tigkeit keine Ist-Kostendaten zu den NUB bekannt sind, ergeben sich die NUB-Kos-ten für Medizinprodukte oder Arzneimit-tel aus der Zusammenarbeit mit dem Einkauf oder der Apotheke. Die Kosten

sind dabei beim Hersteller bekannt und fix. Bei neuen Verfahren werden die Kosten von den medizinischen Fachab-teilungen generiert. Diese müssen die Mehrkosten aufgrund von verlängerten Schnitt-Naht-Zeiten oder eines höheren Personalbedarfs bei der neuen Methode einschätzen. Wenn die NUB-Kosten durch die Zusammenarbeit mit den ver-schiedenen Abteilungen erstmals be-kannt sind, ist auf deren Basis eine Diffe-renzkostenbetrachtung durchzuführen, die in Abbildung 1 veranschaulicht wird.

Um eine Differenzkostenbetrachtung durchzuführen, muss zunächst die Art der Leistung bekannt sein. Dabei stellt

sich die Frage, ob es sich um ein neues Verfahren oder um ein Medizinprodukt bzw. ein Arzneimittel handelt. Weiterhin muss ermittelt werden, welche DRG von der NUB, die immer in Verbindung mit ihnen zu sehen ist, betroffen sind. Die DRG können bereits Kosten oder Teil-kosten der NUB enthalten. Dies kann an-hand der InEK-Kostenmatrix analysiert werden. Das InEK sammelt jährlich Leis-tungs- und Kostendaten der DRG von den Krankenhäusern. Diese bilden die Grundlage für die Erstellung einer Kos-tenmatrix, die die Kosten einer DRG auf-geteilt nach Kostenarten darstellt. Da-durch wird erkennbar, wie sich die Kosten zusammensetzen und wo sie anfallen.

NeuesVerfahren

Medizinprodukt/Arzneimittel

Art der Leistung?

altesVerfahren

altesVerfahren

zusätzlich MP/AM MP/AM

ergänzend

DRG inkl.neuem

Produkt

DRG ohneneues

Produkt

DRG inkl.altem

Produkt

DRG inkl.neuem

Produkt

Fall-kosten

Fall-kosten

Fall-kosten

Fall-kosten

Fall-kosten

Fall-kosten

Differenz-kosten

Differenz-kosten

ersetzend

Abbildung 1: Differenzkostenbetrachtung

Page 20: Health Care News - Building a better working world - … · 2017-11-15 · Standardisierung und Automatisierung von Geschäftsprozessen, und zwar aus unterschiedlichen Perspektiven:

20 | Health Care News November 2017

Beratung

2018 Integration

NUB-Entgelt

2017 Datenüber-mittlung & Auswertung

Daten-sammlung2016 Markt-

zugang2015

Abbildung 2: Zeitrahmen der Integration der NUB in den Fallpauschalenkatalog

Sollte es sich beispielsweise bei einem neuen Medizinprodukt um ein Implantat handeln, ist die fünfte Spalte der Kosten-matrix essenziell. Hier wird ersichtlich, ob die betroffene DRG bereits Kosten für ein Implantat enthält. Ist dies der Fall, müssen diese Kosten von den zu kalkulie-renden Kosten des neuen Medizinpro-dukts, das aufgrund von verbesserten Eigenschaften teurer ist, abgegrenzt werden. Es sollen nur die resultierenden Differenzkosten in die Kostenkalkulation einfließen und als gesondertes Zusatz- entgelt von den Krankenkassen gefor-dert werden. Sind in der DRG keinerlei Kosten der NUB enthalten, können die vollen Kosten gefordert werden.

Auch bei Arzneimitteln wird die Kosten-matrix angewandt. Sollten sich in der Ma-trix bereits Kosten für ein in der Anwen-dung ähnliches Arzneimittel befinden, sind diese von dem neuen Arzneimittel, das das bisherige ersetzt, abzugrenzen.

Bei Betrachtung von neuen Medizinpro-dukten oder Arzneimitteln ist allerdings zunächst eine Unterscheidung zwischen ergänzenden und ersetzenden Produk-ten notwendig.

• Ersetzende Produkte führen zu einer Differenzkostenbetrachtung. Die be-troffenen DRG werden, wie bereits dargelegt, bezüglich der Kostenanteile analysiert. Enthalten sie bereits Kosten, die auch für das neue Produkt anfallen, sind diese davon abzugrenzen.

• Ergänzende Produkte stellen jedoch eine zusätzlich erbrachte Leistung dar. Daher können hier die vollen Kosten angesetzt werden, da diese noch nicht von der DRG abgedeckt werden.

Bei neuen Verfahren muss zwingend eine Gegenüberstellung erfolgen. Auch hier ergibt sich aufgrund der NUB eine Kostendifferenz zwischen beiden Ver-fahren. Nur die sich aus der Gegenüber-stellung ergebenen Mehr- oder auch Differenzkosten können als Zusatzent-gelt gefordert werden. Durch die Anwen-dung der Differenzkostenbetrachtung wird eine Doppelfinanzierung von in der DRG bereits enthaltenen Teilkosten verhindert und die Forderung nach sachgerechten Entgelten erfüllt.

Die kalkulierten Differenzkosten der NUB bilden eine Grundlage für die Entgeltver-handlung, die unabhängig und neben der

Page 21: Health Care News - Building a better working world - … · 2017-11-15 · Standardisierung und Automatisierung von Geschäftsprozessen, und zwar aus unterschiedlichen Perspektiven:

21Health Care News |

Budgetverhandlung stattfindet. Da die Entgelte für NUB zeitlich befristet verein-bart werden, muss die Verhandlung jähr-lich wiederholt werden, solange die NUB nicht in den Fallpauschalenkatalog inte- griert ist. Eine Vereinbarung gelingt jedoch nicht immer. Es hat sich gezeigt, dass die Krankenkassen bereits vor den Entgeltverhandlungen den Medizinischen Dienst der Krankenkassen hinzuziehen, der die NUB auf Nutzen und Risiken über-prüft. Sollte sich bei der Prüfung ein Risi-kopotenzial ergeben, können die Kran-kenkassen eine Entgeltvereinbarung mit Verweis auf eine fehlende Evidenzbasie-rung ablehnen.

Für die Krankenhäuser ergibt sich oft-mals ein großer Aufwand durch die Vor-bereitung auf die Entgeltverhandlung, das gesamte Antragsverfahren und durch die Aufbereitung der Differenz-kosten für eine oder mehrere betroffene DRG. Bei einer Ablehnung durch die Krankenkassen verbleibt dem Kranken-haus nur noch der Gang zur Schieds-stelle. Für Krankenhäuser ist daher eine möglichst transparente Dokumentation der NUB von hoher Qualität sehr wichtig, um mit einer erfolgreichen Entgeltverein-barung eine entsprechende Vergütung für einerseits den Mehraufwand durch Anwendung der NUB und andererseits den Aufwand aus dem Aufbereitungspro-zess gegenüber dem InEK und den Kran-kenkassen zu erhalten.

Der Antrag auf Prüfung auf eine sachge-rechte Vergütung mit den bereits beste-henden Fallpauschalen der NUB muss jährlich neu gestellt und die Entgelte neu vereinbart werden, solange die NUB nicht in den Fallpauschalenkatalog inte- griert ist. Ob eine Innovation in das System integriert wird, liegt in der Ent-scheidungsmacht des InEK. Die Selbst-verwaltungspartner nach § 17b KHG ha-ben das InEK mit der Weiterentwicklung

des DRG-Systems beauftragt. Alle Sta-tus-1-Anträge werden durch das InEK systematisch nach der Möglichkeit und Notwendigkeit der Integration in den Fall-pauschalenkatalog geprüft. Bis dahin kann eine NUB nach § 6 Abs. 2 KHEntgG über gesonderte und zeitlich befristete Zusatzentgelte vergütet werden.

Die Integration in den Katalog kann allerdings rund zwei bis drei Jahre in Anspruch nehmen. Denn um eine NUB in das System zu integrieren, müssen die Ist-Kosten der neuen Methode bekannt sein. Diese ergeben sich aus einer Stich-probe von Kostendaten der Kalkulations-krankenhäuser und Leistungsdaten aller Krankenhäuser, die dem InEK zum 31. März eines jeden Jahres übermittelt werden. Das InEK kann die Daten folglich erst im Jahr nach der Einführung der neuen Methode auswerten und den Fall-pauschalenkatalog anpassen. Kommt eine neue Methode im Jahr 2015 auf den Markt und wird sie erst im Jahr 2016 von den Krankenhäusern erbracht, findet eine Auswertung der Daten im Jahr 2017 statt; somit steht sie erst für das Jahr 2018 zur Verfügung (siehe Abbildung 2).

Verfasser Marius Trabert | EYTelefon +49 711 9881 [email protected]

Jan Zehetner | EYTelefon +49 711 9881 [email protected]

Beratung

Page 22: Health Care News - Building a better working world - … · 2017-11-15 · Standardisierung und Automatisierung von Geschäftsprozessen, und zwar aus unterschiedlichen Perspektiven:

22 | Health Care News November 2017

Beratung

Dabei steigt zudem die Lebenserwartung sowohl in den Entwicklungsländern als auch in den Industrienationen stark an – vor allem aufgrund einer verbesserten Versorgung im Krankheitsfall und der zahlreichen medizinischen Innovationen. Doch ein längeres Leben bedeutet nicht zwangsläufig auch ein besseres Leben, denn mit zunehmendem Alter steigt das Erkrankungsrisiko stark an.

Durch die rapide Überalterung der Ge-sellschaft werden im Worst-Case-Szena-rio die Krankheitskosten exorbitant an-steigen und unser Gesundheitswesen aufgrund finanzieller Unterdeckung im-plodieren. Branchenübergreifend stehen

Herausforderung „gesundes Altern“

Der demografische Wandel unserer Gesellschaft ist ein allge­genwärtiger Prozess, der sich weit über die Grenzen unseres Landes und rund um den Globus vollzieht. Bis 2030 wird global eine Verdreifachung der Zahl der Menschen, die das 65. Lebensjahr überschritten haben, prognostiziert.

Um diese Herausforderung bewältigen zu können, bedarf es eines Umbruchs im Denken und Handeln sowie in der Zusammenarbeit aller Akteure und Indi-viduen und des gezielten Einsatzes effizienter und digitaler Technologien.

Disruption des AlternsDie biologische Alterung kann nicht auf-gehalten werden, wir können jedoch das Wie maßgeblich beeinflussen. Um gesun-des Altern auch finanzieren zu können, müssen Einzelpersonen überzeugt wer-den, bereits jetzt langfristig in ihre Ge-sundheit zu investieren.

Dazu ist ein fundamentaler Wandel ge-sundheitsbezogener Grundsätze notwen-dig. Zunächst muss Gesundheit als Ver-mögensgegenstand verstanden werden, der lebenslanger Investitionen würdig ist. Zweitens müssen Einzelpersonen befä-higt werden, sich proaktiv und präventiv zu engagieren. Es reicht nicht mehr aus, die Alterskrankheiten nach deren Auftre-ten zu behandeln und gesundes Altern mit der Abwesenheit von Krankheiten zu assoziieren. Statt auf physische und kog-nitive Schwächen zu reagieren, gilt es, integrative Konzepte zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit und der sozialen Bindungen der betroffenen Personen zu etablieren.

Diesen Konzepten liegen natürlich ent-sprechende neue Technologien zugrun-de (z. B. fahrerlose Autos, unsichtbare Sensoren und „Mobile Apps“), die durch gesundheitsbezogene Dienstleistungen (z. B. Wohlfühlprogramme, mobile Pfle-gedienste) ergänzt werden. Auch die Schaffung materieller Anreize für ein ge-sundheitsbewusstes Verhalten, die Ge-staltung öffentlicher Plätze zur Förde-rung eines generationenübergreifenden Austauschs sowie eine vereinfachte Kom-munikation und KI-gestützte Vorher-sagemodelle sollten Bestandteil der Kon-zepte zum gesunden Altern sein.

Unternehmen aus den Bereichen Ge-sundheit, Biowissenschaften, Technolo-gie, Mobilität und Versicherungen sowie die Politik heute vor der großen Aufgabe, der alternden Bevölkerung ein „gesun-des“ Altern zu ermöglichen. Die digitale Transformation eröffnet völlig neue Mög-lichkeiten, damit das Altern zukünftig nicht mehr von Isolation und Einschrän-kungen gekennzeichnet ist. Für alle Be-teiligten – Regierungen, Krankenkassen, (forschende) Kliniken und nicht zuletzt die Pharmaindustrie – ergibt sich daraus eine vorrangige Aufgabe: die Zahl der Jahre zu minimieren, in denen Menschen mit einer oder mehreren Krankheiten leben müssen.

Page 23: Health Care News - Building a better working world - … · 2017-11-15 · Standardisierung und Automatisierung von Geschäftsprozessen, und zwar aus unterschiedlichen Perspektiven:

23Health Care News |

Beratung

Insbesondere für Dienstleistungen im Zusammenhang mit altersbedingten Krankheiten eröffnet die demografische Entwicklung neue Möglichkeiten. Die meisten davon haben etwas mit Digitali-sierung zu tun, oft mit der Aufbereitung und Rückkopplung von Daten, vornehm-lich von Patientendaten. Für die Messung der Therapieerfolge und die Bemessung der Vergütungen wird dieser Service in den nächsten Jahren an Gewicht gewin-nen. Diese Serviceformen können der Pharmabranche selbst ebenso wie dem einzelnen Patienten zugutekommen. So gibt es bereits Anbieter, die fortlaufend individuelle Gesundheitsparameter er-fassen, um daraus – im Abgleich mit all-gemeinen wissenschaftlichen Daten –

Verhaltens- und Entscheidungsempfeh-lungen für den einzelnen Patienten ab-zuleiten. In einer späteren Phase könnte die Branche – mit Partnern – vollends ins Dienstleistungsgeschäft einsteigen. In-novative Medizingeräte sowie neue For-men der In-vitro-Diagnostik und der Tele-medizin eröffnen der häuslichen Pflege völlig neue Perspektiven. Nach for-schungsfundierten Erkenntnissen bedür-fen viele Ältere nur minimaler Unterstüt-zung, um eigenständig weiterleben zu können. Altersadäquate Apps, Tablets und Cloud-Services sollen die Lebens-qualität älterer Patienten verbessern, indem sie an Arzttermine oder die Medi-kamenteneinnahme erinnern, zu Fit- nessübungen ermuntern, den Speiseplan

aktualisieren oder auf Aktivitäten im lokalen Umfeld aufmerksam machen.

Es liegt auch in der Verantwortung der Politik, solche innovativen Konzepte zu fördern. Schließlich ist das Zusam-menspiel der globalen Gemeinschaft der Schlüssel zu einer Zukunft, in der nachhaltig gesundes Altern tatsächlich gelebt wird.

Verfasser Konrad Fenderich | EYTelefon +49 6196 996 [email protected]

NeuesVerfahren

Medizinprodukt/Arzneimittel

Art der Leistung?

altesVerfahren

altesVerfahren

zusätzlich MP/AM MP/AM

ergänzend

DRG inkl.neuemProdukt

DRG ohneneues

Produkt

DRG inkl.altem

Produkt

DRG inkl.neuemProdukt

Fall-kosten

Fall-kosten

Fall-kosten

Fall-kosten

Fall-kosten

Fall-kosten

Differenz-kosten

Differenz-kosten

ersetzend

Entwicklung der Altersstruktur und Pflegebedürftigkeit

Pflegebedarf2015

Pflegebedarf2030

Zuwachsrate2015–2030

Zuwachsrate2015–2030

DE 2.755.000 3.472.000 + 26,0 %

Altenquotient 1

2015Altenquotient

1

2030

DE 35 49 + 40,0 %

1 Verhältnis aus Personen im Alter 65+ zu 20 bis unter 65-Jährigen

Demografische Entwicklung Krankheitsbilder

858178 898683

206020302015

+6 Jahre

FrauenMänner

Entwicklung der Lebenserwartung 2

War 2005 ein Anteil von 33 % der Pflegebedürftigen 85 Jahre und älter, so werden es 2020 bereits 40 % sein. Für 2030 wird einweiterer Anstieg auf 48 % erwartet.

Krebserkrankungen, psychische Krankheitsbilder und Herz-Kreis-lauferkrankungen werden die medizinisch-pflegerische Zukunft bestimmen.

Die Häufigkeit von Demenzerkrankungen nimmt im Alter stark zu: von weniger als 2 % Betroffener im Alter unter 65 Jahren auf über 30 % bei den 90-Jährigen und älter.

Die Entwicklung wird im Wesentlichen von Zu- und Abwanderung, Geburtenrate und Sterblichkeit geprägt.

Der Altersdurchschnitt steigt kontinuierlich, sodass davon auszu-gehen ist, dass im Jahr 2030 jeder dritte Bundesbürger mindestens 65 Jahre alt sein wird.

Mit steigendem Altersdurchschnitt steigt auch die Anzahl der Pflege-bedürftigen. In Deutschland wird für 2030 ein Plus von insgesamt 3.472 Tsd. (+26 % von 2015) Pflegebedürftigen prognostiziert.

2 Lebenserwartung bei Geburt in Deutschland nach Geschlecht

Abbildung: Anpassung der Betreuungsangebote aufgrund überproportionalen Anstiegs pflegebedürftiger Menschen

Quellen: Barmer GEK Pflegereport 2016;Bertelsmann Stiftung, Statistisches Bundesamt

Page 24: Health Care News - Building a better working world - … · 2017-11-15 · Standardisierung und Automatisierung von Geschäftsprozessen, und zwar aus unterschiedlichen Perspektiven:

24 | Health Care News November 2017

Beratung

Andreea Popescu: Frau Klebôn, um Ent-scheidungsprozesse intelligent mithilfe von RPA und Machine Learning zu ver-bessern, haben Sie einen völlig neuen Ansatz gewählt. Können Sie uns die ini-tiale Problemstellung und die Herausfor-derung des Kunden kurz darstellen?

Franziska­Juliette Klebôn: Gerne. Unser Kunde, ein globales Biopharma-Unter-nehmen, erfährt derzeit besonders im Bereich Forschung und Entwicklung zwei Herausforderungen: zum einen For-schungs- und Entwicklungsteams den Zugriff und die Nutzung der sowohl im Unternehmen als auch öffentlich vorhan-denen Daten zu ermöglichen, zum ande-ren dabei gleichzeitig den regulatori-schen und rechtlichen Anforderungen des Datenzugriffs – speziell auf Patien-tendossiers – Genüge zu leisten. Dazu wurde mit großem Aufwand ein Prozess definiert, um über Berechtigungen für Datenzugriff, Datenverteilung (Ergebnis- verteilung) und damit verbundene Datenauswertung zu entscheiden.

Andreea Popescu: Wie sieht dieser Pro-zess der Entscheidungsfindung aus?

Franziska­Juliette Klebôn: Natürlicher-weise spielt in dieser Entscheidungsfin-dung die menschliche Komponente eine entscheidende Rolle, die oft subjektiv ist: Wenn beispielsweise der Abteilungsleiter fragt, bekommt er uneingeschränkten Datenzugriff; dem neuen Praktikanten – einem exzellenten Data Scientist Resear-cher – hingegen wird der Zugriff vom Data Owner erst einmal pauschal verwei-gert. Einer Maschine, die diesen Ent-scheidungsprozess auf der Basis der all-gemein anerkannten Regeln treffen soll, wäre die Position bzw. die Kompetenz des Antragstellers egal. RPA könnte einen gerechten und damit objektiveren Zugriff auf Daten ermöglichen und durch eine regelbasierte Analyse des Verhal-tens der Zugriffsberechtigten zu jedem Zeitpunkt ein geringstmögliches Risiko einer Fehlentscheidung gewährleisten.

Andreea Popescu: Klingt interessant. RPA bietet viele Möglichkeiten zur Effi-zienzverbesserung. Wie haben Sie diesen Ansatz auf die erwähnte – und eine für RPA eher ungewöhnliche – Lösung der verbesserten Entscheidungsfindung adaptiert?

Geschäftsoptimierung durch die I2I@EY4RPA­Methodik

Franziska­Juliette Klebôn: Unser An satz ist, ein regelbasiertes und automatisier-tes, mit Machine Learning angereicher-tes System zu entwickeln, das die menschlichen Aspekte, teilweise Fehlent-scheidungen und die damit verbundenen Verzögerungen vermeidet. Dabei führte unsere I2I@EY-Methodik innerhalb kür-zester Zeit dazu, diese Idee konzeptionell greifbar zu machen, sie zu iterieren und zu testen und dadurch den vielverspre-chendsten Lösungsansatz zu identifizie-ren und zu definieren.

Andreea Popescu: Wie sieht dieser Lösungsansatz konkret aus?

Franziska­Juliette Klebôn: Wir haben hierfür unter anderem den Design- Thinking-Ansatz (DT@EY) für unsere Problemstellung adaptiert und mit agilen Workshop-Konzepten und individuellen Drehbüchern zur Kollaboration kombi-niert. Dazu haben wir Chief Evangelists und Vertreter von Wettbewerbern hinzu-gezogen, um ein Leading Edge Bench- marking zu gewährleisten. Grundvoraus-setzung für das Projektgelingen ist unser ONE-EY-Team, bestehend aus fünf Natio-nalitäten, Projektmitgliedern, die sechs Kompetenzfelder abdecken und drei Ser-vice Lines angehören, und dazu einem innovationsgetriebenen Projektleiter.

Andreea Popescu: Bei vielen RPA-Er-fahrungen ist ja oft das Problem, dass initiale Konzepte eigentlich offensichtlich sind, jedoch die größten Hürden in der Umsetzung der Automatisierung beste-hen. Wie sind Sie von dieser Konzeption der Idee auf eine für die Organisation wertbringende Umsetzung gekommen?

Franziska­Juliette Klebôn: In der mo-mentan laufenden Inkubationsphase wird anhand der zur Verfügung gestell-ten Omics-Daten in einem unstrukturier-

Robotergesteuerte Prozessautomatisierung (RPA), also die Automatisierung von Routineaufgaben, die die Fokussierung auf Kernkompetenzen ermöglicht, ist das Schlagwort der Stunde. Dass die Automatisierung von Standardprozessen in klassischen Unternehmensumgebungen zur Geschäftsop­timierung beitragen kann, liegt auf der Hand. Wie mit der I2I@EY­Methodik Schwachstellen menschlicher Prozessent­scheidungen beinahe ganz vermieden werden können, darum geht es im Interview. Andreea Popescu (Managerin EY Schweiz und RPA­Expertin) und Franziska­Juliette Klebôn (Managerin EY Schweiz und Expertin für Disruptive Innovation & Incuba­tion) im Gespräch über Machine Learning, Effizienzverbesse­rung und Entscheidungsfindung.

Page 25: Health Care News - Building a better working world - … · 2017-11-15 · Standardisierung und Automatisierung von Geschäftsprozessen, und zwar aus unterschiedlichen Perspektiven:

25Health Care News |

Beratung

ten „Data Lake“ die automatisierte Data Governance bzw. das damit verbundene Zugriffskonzept für alle Mitarbeiter der Forschungs- und Entwicklungsabteilung verifiziert. Zuvor war die Organisation an einer scheinbar unüberwindbaren He-rausforderung für die Bestimmung der Zugriffsrechte auf solche Daten geschei-tert: sowohl die offenen Zugriffsanforde-rungen für Forscher als auch die streng regulierten Aspekte der Genehmigungen der Datenanalyse-Ergebnisse klinischer Studien in der späten Entwicklungsphase für die Zulassung von Therapien.

Andreea Popescu: Ich verstehe. Bei die-ser riesigen Datenmenge (bis zu einem Terabyte pro Patient) gibt es aus techni-scher und organisatorischer Sicht sehr kom plexe Herausforderungen, aber ich denke, auch unerforschte Möglichkeiten. Bei diesem wichtigen Thema für die For-schungsabteilung scheint es sinnvoll zu sein, die Grundlagen des Datenzugriffs erst einmal zu objektivieren. Wie wollen Sie die Anforderungen und Herausfor- derungen für den Zugriff auf solche „Big Data“- oder hier wohl eher „Big Biology“- Umgebungen nachhaltig gewährleisten?

Franziska­Juliette Klebôn: In Zukunft ist geplant, diese automatisierte und regelbasierte Plattform zur kontinuierli-chen und „Near-realtime“-Zuweisung der Zugriffsrechte auf alle R&D-Daten zu er-weitern. Nachdem die Regeln und Poli-cies definiert wurden, werden die stän-dig wachsenden Anfragen und Anforde-rungen an die R&D-Datenlandschaft bzw. die Analyseverfahren solcher Daten von einem Chatbot („robotisierte“ Data Stewards) angenommen und über ein künstliches Intelligenzsystem (Machine Learning) neue Entscheidungskriterien und veränderte regulatorische bzw. rechtliche Anforderungen fair organisiert und zugeteilt.

Andreea Popescu: Wie hat der Kunde auf diese Lösung reagiert?

Franziska­Juliette Klebôn: Die R&D-Di-rektoren und Forscher sind sehr zufrie-den mit den Projektergebnissen, weil sie dem leidigen Thema des Datenzugriffs und der damit verbundenen Unsicherhei-ten der Verantwortlichkeiten und der Verzögerungen endlich ein Ende gesetzt haben und sich auf die wichtigen Daten-analyseergebnisse ihrer Forschungsar-beit konzentrieren können. Durch den kollaborativen I2I@EY-Ansatz haben wir ein vertrauensvolles Kundenverhältnis geschaffen, das uns tiefe Einblicke in das Unternehmen ermöglicht. Unser EY-Pro-jektteam hat das notwendige Vertrauen aufgebaut, um eine derartige Initiative erfolgreich umzusetzen. Wir sind über-zeugt, dass sich dieser methodische An-satz auch bei anderen Kunden anderer Sektoren als dienlich erweist.

Andreea Popescu: Liebe Frau Klebôn, vielen Dank für das Gespräch.

Verfasser Andreea Popescu | EY SchweizTelefon +41 582 868 [email protected]

Franziska-Juliette Klebôn | EY SchweizTelefon +41 582 868 [email protected]

Robert Hirt | EY SchweizTelefon +41 582 868 [email protected]

Page 26: Health Care News - Building a better working world - … · 2017-11-15 · Standardisierung und Automatisierung von Geschäftsprozessen, und zwar aus unterschiedlichen Perspektiven:

Gesundheitsimmobilie – Basisinnovation als Treiber für die Zukunft?

Immobilienberatung

Es ist kein Geheimnis: Alle Immobilienarten in Deutschland boomen. Dies betrifft auch nahezu alle ehemaligen Nischen vom Hotel über das Studentenapartment bis zur Gesundheits­immobilie. Während der Aufschwung vieler Nischen (zumindest teilweise) preis­ und ange­botsgetrieben ist, gibt es bei der Gesundheits­immobilie eine mögliche weitere Erklärung: Das Gesundheitswesen könnte die zentrale Leitindustrie der Zukunft sein.

Page 27: Health Care News - Building a better working world - … · 2017-11-15 · Standardisierung und Automatisierung von Geschäftsprozessen, und zwar aus unterschiedlichen Perspektiven:

27Health Care News |

Immobilienberatung

Theorie der langen WellenSo zumindest lautet eine Überlegung, die an der sogenannten Theorie der langen Wellen ansetzt. Der Theorie zufolge gibt es immer wieder maßgebliche Innovatio-nen – auch Basisinnovationen genannt –, die nachweislich Ursache und Träger von längeren Phasen oder eben Wellen der Prosperität sind. Solche Phasen können ein halbes Jahrhundert anhalten. Zuletzt war es die Informationsindustrie mit all ihren Begleiterscheinungen bis hin zur digitalen Transformation der Gesell-schaft, die eine Leitfunktion für die Ge-samtwirtschaft entfaltet hat.

Schnittmengen zur DigitalisierungVon der Gesundheitsindustrie könnten ähnliche Effekte ausgehen – zumal es in vielen Fällen Schnittmengen gibt, beispielsweise in der Biotechnologie in-klusive biologischer Informationsverar-beitung. Pharmaindustrie und Medizin-technik sind in hohem Maße digitalisiert. Je nach Fall werden Zahnspangen, um ein einfaches Beispiel zu nennen, im 3D-Druck hergestellt. Daneben umfasst das Gesundheitswesen – wenig überra-schend – auch die gängigen Dienstleister vom Arzt über den Heilpraktiker oder den Orthopäden bis hin zum Apotheker. Auch die jeweiligen Einrichtungen sind zu nennen, vom Krankenhaus über die Krankenkassen und Krankenversicherun-gen bis hin zur Pflegeeinrichtung, zum Kurbetrieb und zum Fitnessstudio. Das Thema würde in seiner Gesamtheit zum Treiber der Volkswirtschaft.

Implikationen für die ImmobilienwirtschaftWas bedeutet eine derartige Leitfunktion für die Immobilienwirtschaft? Die Antwort ist profan: Sie bedeutet eine gewisse Flä-chennachfrage, und zwar eine Nachfrage durch stabile Mieter, die durch die anhal-tende Bereitschaft der öffentlichen Hand und auch der privaten Haushalte, weiter-

hin in Gesundheit zu investieren, getra-gen wird. Aus der Stabilität resultieren vergleichsweise sichere Cashflows für die Eigentümer. Entsprechend dürfte auch das Interesse der Investoren an den jeweiligen Objekten anhalten – an der reinen Gesund heits immobilie wie Pflege-heim oder Krankenhaus und am gemischt genutzten Gebäude, beispielsweise mit Ärzten, Physiotherapeuten, Beauty- oder Yoga-Einrichtung in den unteren Geschossen sowie Büros und Wohnun-gen darüber.

Weltweiter EffektDie entsprechenden Immobilien wären nicht nur in Deutschland Profiteure einer Gesundheitswirtschaft im Sinne der Theorie. Vielmehr entwickeln sich dem Modell zufolge all jene Länder volkswirt-schaftlich positiv, die sich die jeweilige Basisinnovation besonders zunutze ma-chen. Dies betrifft ausdrücklich nicht nur Länder, bei denen dies aufgrund des demografischen Wandels auf der Hand liegt. Schon heute zeigt sich in vielen Ländern ein Zusammenhang zwischen positiven Beschäftigungswirkungen (niedrige Arbeitslosenquote) und Inves-titionen in den Gesundheitssektor.

Verfasserin Katrin Thies | EYTelefon: +49 711 [email protected]

FazitDas Gesundheitswesen könnte eine Leitfunktion für die weltweite Wirtschaft haben. Die Effekte ließen sich in ihrer Tragweite mit der In-formationstechnologie oder der modernen Mobilität vergleichen. Folgen dürften sich auch an den Immobilienmärkten zeigen – in Form einer erhöhten Flächennachfrage und einer entsprechenden Stabilität der Mieter. Anleger scheinen dies bereits seit einiger Zeit zu antizipieren: Der Gesundheitssektor macht bei den Nutzungsarten abseits von Büro, Wohnen, Handel und Logistik mittlerweile den größten Anteil in der Immobilienallokation vieler institutioneller Investoren aus.

Page 28: Health Care News - Building a better working world - … · 2017-11-15 · Standardisierung und Automatisierung von Geschäftsprozessen, und zwar aus unterschiedlichen Perspektiven:

Digitalisierung der Steuererklärung im Health­Care­Sektor

Steuerberatung

Wenn von Digitalisierung die Rede ist, sind damit häufig Big-Data-Analysen und allerhand Apps für verschiedenste sinnvolle und weniger sinn­volle Zwecke gemeint. Der folgende Beitrag zeigt, dass die Digitalisierung konkrete Erleichterungen und Effizienzsteigerungen im Arbeitsalltag von Unternehmen im Health­Care­Sektor brin­gen kann.

Page 29: Health Care News - Building a better working world - … · 2017-11-15 · Standardisierung und Automatisierung von Geschäftsprozessen, und zwar aus unterschiedlichen Perspektiven:

29Health Care News |

Steuerberatung

Status quo: manuelle BerechnungenDas Klischee in Bezug auf die Steuer-pflicht gemeinnütziger oder lediglich ge-werbesteuerbefreiter Einrichtungen ist immer noch weit verbreitet und lautet sinngemäß: „Steuern sind meist ohnehin nicht zu bezahlen und der kleine steuer-pflichtige Rest ist schnell erledigt.“ Diese Aussage träfe vielleicht zu, wenn ein Heer von Health-Care-Experten in der Buchhaltung jeden Geschäftsvorfall in steuerfreie und steuerpflichtige Teile zerlegen und diese direkt lückenlos und korrekt in entsprechenden Konten, Kos-tenstellen oder Buchungskreisen erfas-sen würde, ja wenn man gar parallel je eine steuerpflichtige und eine steuerfreie Bilanz und GuV führte. Diese Vorstellung geht jedoch weit an der Realität in den meisten Krankenhäusern und Pflegeein-richtungen vorbei. Die Teilsteuerbefrei-ung scheint sich vielmehr bei der jährlich

anstehenden Erstellung der Steuererklä-rung zu rächen. Da es in der Praxis eben vielfach nicht möglich ist, die Erlöse und vor allem die Aufwendungen lückenlos direkt dem steuerpflichtigen oder steuer-freien Teil der Einrichtung zuzuordnen, muss dies im Rahmen der Vorbereitung für die Steuererklärung erfolgen. Die für Steuern – und meist auch noch für einige andere Themen – zuständigen Mitarbei-ter stehen alljährlich vor der mühevollen Aufgabe, diverse Erlöskonten aufzutei-len, zuzuordnen und diesen die jeweili-gen Aufwandspositionen zuzuweisen – eine unerlässliche, aber zeitintensive Arbeit, die häufig über umfangreiche Excel-Rechenwerke erfolgt. Oft muss je-der einzelne wirtschaftliche Geschäfts- betrieb, von denen es in der Regel gleich mehrere Dutzend gibt, separat berech-net und auf Plausibilität überprüft werden. Die relevanten Daten werden

Steuererklärungs-erstellung

Dokumente

ManuelleRevision

Dashboards

Daten/Dokumente

Quellen

IntelligenteDaten-

aufbereitung

ietaD- lecxE

Excel Excel Excel

Excel Excel

Excel

Automatisierungsgrad

Derzeitiger Prozess Unterstützter Prozess Digitalisierter Prozess

IDA

IDA

IDA

Steuererklärungs-erstellung

Steuererklärungs-erstellung

ERP Dokumente ERP Dokumente ERP

Legende

Händische Arbeit

Automatisierung

Händische Arbeit

Automatisierung

Händische Arbeit

Automatisierung

jährlich in mühevoller Kleinarbeit zusam-mengestellt und durch Gemeinkosten- und Umlageberechnungen ergänzt. So entstehen umfangreiche Rechenwerke, die jedes Jahr aufs Neue unter Zeitdruck befüllt werden müssen – eine Arbeit, die im digitalen Zeitalter eigentlich nicht mehr von Hand ausgeführt werde müsste oder gar sollte.

Was wäre, wenn …Was wäre, wenn ein Programm die Be-rechnungen der steuerpflichtigen Berei-che übernähme? Was wäre, wenn sich die Mitarbeiter – entlastet vom Excel-K(r)ampf – produktiven Dingen des Ar-beitsalltags widmen könnten? Was wäre, wenn die Unterlagen als Datengrundlage zur Steuererklärung automatisiert er-stellt werden könnten?

Abbildung: Entwicklungsstufen im Automatisierungsgrad von Steuererklärungen im Health-Care-Sektor

Page 30: Health Care News - Building a better working world - … · 2017-11-15 · Standardisierung und Automatisierung von Geschäftsprozessen, und zwar aus unterschiedlichen Perspektiven:

30 | Health Care News November 2017

Steuerberatung

Zugegebenermaßen sind wir von der vollständigen Automatisierung oder gar der Steuererklärung auf Knopfdruck im Healthcare-Sektor noch weit entfernt. Dennoch können auch heute schon große Teile der Vorbereitungen der Da-tengrundlage für die Steuererklärung automatisiert erfolgen.

Unsere Tax-Technology-Abteilung bietet hierzu durch das Wissen und die Zu-sammenarbeit von Informatikern, Wirt-schaftsingenieuren und Steuerberatern die beste Grundlage. Durch die enge Kooperation und unsere umfangreiche Erfahrung wissen wir genau, wo die Hür-den in der Datenaufbereitung für die Erstellung der Steuerklärung zu finden und – noch viel wichtiger – wie diese zu nehmen sind. Mit der sogenannten in-telligenten Datenaufbereitung (IDA) sind wir in der Lage, manuelle Prozesse abzu-lösen und digitale Lösungen anzubieten. Je nach bestehendem Standardisierungs- grad in der Datenaufbereitung sind ver-schiedene Wege zur Ablösung eines Excel-Workflows durch IDA denkbar. Die Möglichkeiten zur Digitalisierung sind vielfältig und hängen stark von der vor-handenen Struktur in der Ermittlung steuerpflichtiger Bereiche ab. Je nach Ausgangssituation kann IDA einen Beitrag zur Ermittlung der steuerlich relevanten Daten liefern oder – bei ent-sprechender Vorbereitung – eine weitge-hende Automatisierung der Datenermitt-lung ermöglichen. Grundsätzlich sind die steuerlich relevanten Daten meist direkt in den Enterprise-Resource-Plan-ning-Systemen (ERP-Systemen) vorhan-den. Momentan werden diese häufig manuell extrahiert. Unser IDA-Ansatz löst genau diesen Vorgang ab. Durch eine intelligente Extraktion bestimmter ERP-Massendaten, z. B. der Summen- und Saldenliste, inklusive Plausibilitäts-prüfungen wird so bereits ein großer Teil der Datengrundlage intelligent aufberei-tet und muss nicht länger händisch er-

mittelt werden. In einem nächsten Schritt können sich die Mitarbeiter auf noch ausstehende Informationen und die manuelle Revision konzentrieren.

Die Schritte zur UmsetzungDie Grundlage für den ersten Schritt zur Digitalisierung der Steuerklärungser-stellung wird regelmäßig in einem Work-shop geschaffen. Hier werden gemein-sam Daten und Prozesse gesichtet, um den Standardisierungs- bzw. Reifegrad der Steuerklärungserstellung einzuschät-zen und eine realistische Ausgestaltung von IDA zu planen. Teilweise ist in diesem Stadium eine durch uns begleitete Anpassung und Standardisierung der Gewinnermittlungen notwendig. Im nächsten Schritt werden die so standar-disierten Berechnungen in eine individu-ell ausgestaltete digitale Lösung über-führt. Über kurz oder lang ist das Ziel, die händische Datenaufbereitung oder -berechnung von einem Computer erle-digen zu lassen, der gleichzeitig auch Plausibilitätsprüfungen durchführt. Im letzten Schritt erfolgt schließlich eine Überprüfung der Ergebnisse und An-sätze durch den Steuerberater und den Mandanten selbst. Die verschiedenen Ausbaustufen der intelligenten Datenauf-bereitung mit zunehmendem Automati-sierungsgrad sind schematisch in der Grafik auf Seite 29 dargestellt.

Die VorteileDie Vorteile einer Automatisierung der für die Erstellung der Steuererklärung notwendigen Berechnungen über eine IDA-Lösung liegen auf der Hand: Der interne Aufwand zur Vorbereitung der Steuererklärung verringert sich erheb-lich und die Mitarbeiter können sich produktiven Dingen widmen. Des Weite-ren ist die Überarbeitung der rechneri-schen Grundlagen deutlich einfacher, da nicht in verschiedenen Dokumentenver-sionen gesucht werden muss. Durch au-tomatisierte und intelligente Datenaufbe-

Page 31: Health Care News - Building a better working world - … · 2017-11-15 · Standardisierung und Automatisierung von Geschäftsprozessen, und zwar aus unterschiedlichen Perspektiven:

31Health Care News |

Steuerberatung

Verfasser Peter Dörrfuß | EYTelefon +49 711 9881 [email protected]

Dr. Dirk Tassilo Wassen | EYTelefon +49 711 9881 [email protected]

Matthias Zembrod | EYTelefon +49 711 9881 [email protected]

reitung können auch GoBD-Vorschriften leichter erfüllt werden. Die Vorlaufzeit für die Steuererklärung verkürzt sich, was im Hinblick auf künftige, strengere Regelungen zur Fristverlängerung für die Abgabe der Steuererklärungen beim Finanzamt (§ 109 AO) den Zeitdruck auf Mitarbeiter und Berater etwas mildert. Schließlich ist nicht zu verleugnen, dass sich bei Menschen ab und zu das „Fehler-teufelchen“ einschleicht. Eine Teilautomatisierung bringt Sicherheit und schützt vor bösen Überraschungen in der nächsten Betriebsprüfung. Nicht zuletzt kann die Digitalisierung der Steu-ererklärung auch einen großen Beitrag zur Implementierung eines steuerlichen Kontrollsystems leisten und so die per-sönlichen Haftungsrisiken von Vorstän-den und Geschäftsführern vermeiden.

Darüber hinaus bietet Tax Technology ungeahnte Einsichten in Ihre ERP-Daten und Prozesse. Beispielsweise sind wir durch eine intelligente Massendaten-analye der ERP-Daten in der Lage, be-stimmte Sachverhalte, Auffälligkeiten in Konten oder Buchungsmustern sowie definierte Schlagworte zu identifizieren und für Sie maßgeschneidert aufzuberei-ten. Mit derartigen Analysen können umsatzsteuerrelevante Leistungsbezie-hungen identifiziert oder ein steuerliches Kontrollsystem ergänzt werden. Gerne informieren wir Sie in unserem Digital Showroom Tax im Stuttgarter EY-Büro oder bei Ihnen vor Ort über unsere neu-esten Lösungen und Möglichkeiten in Tax Technology & Analytics.

Page 32: Health Care News - Building a better working world - … · 2017-11-15 · Standardisierung und Automatisierung von Geschäftsprozessen, und zwar aus unterschiedlichen Perspektiven:

32 | Health Care News November 2017

Steuerberatung

Aktuelles aus der Steuerberatung

Finanzverwaltung ver­schärft ihre Auffassung zur USt­Organschaft

Die für die umsatzsteuerliche Organ-schaft notwendige Voraussetzung der organisatorischen Eingliederung lag nach bisheriger Finanzverwaltungsauf-fassung bereits dann vor, wenn der Or- ganträger eine von seinem Willen ab- weichende Willensdurchsetzung bei der Organgesellschaft verhindern kann.

Obwohl der BFH bereits mit Urteil vom 08.08.2013 (Az. V R 18/13, BStBl. II 2017, S. 543) entschieden hatte, dass für das Vorliegen der organisatorischen Eingliederung gewährleistet werden muss, dass der Organträger in der Lage ist, seinen Willen in der Organgesell-schaft tatsächlich durchzusetzen, hielt die Finanzverwaltung weiter an ihrer großzügigeren Auffassung fest.

Das BMF teilt jedoch nun die Ansicht des BFH und änderte mit Schreiben vom 26.05.2017 den Umsatzsteuer-Anwen-dungserlass. Diese verschärfte Auffas-sung ist jedoch erst auf nach dem 31.12.2018 ausgeführte Umsätze an-zuwenden; eine frühere Anwendung dieser Regelung wird von der Finanz- verwaltung nicht beanstandet.

Es empfiehlt sich daher, bestehende Organschaftsstrukturen aufgrund der

Keine Gewerbesteuerbe­ freiung für DialysezentrenDer I. Senat des Bundesfinanzhofs hat mit seinem Urteil vom 25.01.2017 ent-schieden, dass ein Dialysezentrum, in dem die Dialysepatienten ambulant be-handelt werden, weder ein Krankenhaus noch eine Pflegeeinrichtung i. S. d. § 3 Nr. 20 GewStG ist und damit nicht in den Genuss dieser Gewerbesteuerbefreiung kommen kann.

Im Urteilsfall betrieb die Klägerin zwei Dialysezentren in der Rechtsform einer GmbH. Die vor Ort im Rahmen der Dia-lyse behandelten Patienten wurden wäh-rend der Behandlungszeit medizinisch betreut und verpflegt. Bei Bedarf wurden Leistungen der Grundpflege, die insbe-sondere von ambulantem Pflegepersonal durchgeführt wurden, erbracht.

Die Münchner Richter sind der Auffas-sung, dass es sich bei einem Dialysezen- trum nicht um ein Krankenhaus i. S. d. § 67 AO handelt. Sie stellten in ihrer Ur-teilsbegründung auf die Krankenhaus- definitionen des § 2 Nr. 1 KHG und des

§ 107 Abs. 1 SGB V ab. Danach ist ein Krankenhaus eine Einrichtung, in der Patienten fachlich-medizinisch unterge-bracht und versorgt werden können. Nach Auffassung des BFH fehlt es bei dem Dialysezentrum an der zwingenden Voraussetzung der Möglichkeit einer Vollverpflegung. Damit könne ein Dialyse- zentrum nicht unter den im Sozialrecht definierten Krankenhausbegriff fallen.Hinsichtlich der Frage, ob ein Dialysezen-trum unter den Begriff einer Pflegeein-richtung i. S. d. § 3 Nr. 20 GewStG fallen kann, sehen die Münchner Richter eben-falls keine positive Antwortmöglichkeit. Die Voraussetzung der gezielten Auf-nahme des Patienten in die Einrichtung zum Zweck der Erbringung pflegerischer Leistungen sei bei Dialysebehandlungen nicht gegeben. Ebenso wenig könne das Dialysezentrum als ambulante Pfle-geeinrichtung angesehen werden, da es sich um keine Einrichtung handle, in der unter ständiger Verantwortung einer ausgebildeten Pflegefachkraft Pflegebe-dürftige in ihrer Wohnung gepflegt und hauswirtschaftlich versorgt werden.

Zu dieser Auffassung des BFH ist in-zwischen eine Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht an-hängig (Az. 1 BvR 1211/17). Ob es zu einer positiven Wendung für das Dialyse-zentrum kommt, bleibt mit Spannung abzuwarten.

geänderten Finanzverwaltungsauffas-sung zu überprüfen und rechtzeitig even-tuell erforderliche Anpassungen vorzu-nehmen.

Page 33: Health Care News - Building a better working world - … · 2017-11-15 · Standardisierung und Automatisierung von Geschäftsprozessen, und zwar aus unterschiedlichen Perspektiven:

33Health Care News |

Steuerberatung

Medizinische Laborleistungen können von der Umsatzsteuer befreit sein

Medizinische Analysen, die von einem in privatrechtlicher Form organisierten Labor außerhalb des Praxisräume des Arztes, der die medizinischen Labor-leistungen angeordnet hat, durchgeführt werden, können nach Auffassung der höchsten Finanzrichter (Urteil vom 24.08.2017, V R 25/16) nach § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG von der Umsatz-steuer befreit sein.

Dem Urteilsfall liegt folgender Sach-verhalt zugrunde: Die Klägerin betrieb ein medizinisches Labor in der Rechts-form einer GmbH. Dort wurde das von Ärzten und Heilpraktikern zugesandte biologische Probenmaterial (Blutproben und Serum) untersucht, die Befundung der Laborergebnisse erfolgte durch ei-nen promovierten Biologen und einen promovierten Chemiker. Das Labor stand unter der Leitung eines Allgemeinmedi-ziners. Die Laboraufträge erhielt die Klägerin von ihren jeweiligen Patienten, denen gegenüber sie ihre Leistungen auch abrechnete.

Krankenhausbehandlungen und ärztliche Heilbehandlungen einschließlich der Diagnostik, Befunderhebung, Vorsorge, Rehabilitation, Geburtshilfe und Hospiz-leistungen sowie damit eng verbundene

Umsätze können in der Regel gem. § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG von der Umsatz-steuer befreit sein. Diese Norm beruht unionsrechtlich auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL, die nach Auf-fassung des EuGH auch für die außerhalb von Praxisräumen durchgeführten me dizinischen Laborleistungen Anwen-dung findet, da derartige Labore als Ein richtung „gleicher Art“ wie „Kranken-anstalten“ und „Zentren für ärztliche Heilbehandlung und Diagnostik“ anzuse-hen sind.

Die Münchner Richter übernahmen diese Auffassung des EuGH dahin ge-hend, dass solche medizinischen Leistun-gen außerhalb der Praxisräume aus-schließlich unter die Norm des § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG fallen können. Eine Steu-erbefreiung für Heilbehandlungen im Be-reich der Humanmedizin durch Ärzte und ähnliche heilberufliche Tätigkeiten i. S. d. § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG soll hingegen nicht möglich sein. Im Urteilsfall kam es zur Zurückverweisung an das Finanzge-richt zur Klärung der weiteren Voraus-setzungen des § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 Doppelbuchstabe bb UStG.

Verfasser Sven Riedel | EYTelefon +49 773 [email protected]

Page 34: Health Care News - Building a better working world - … · 2017-11-15 · Standardisierung und Automatisierung von Geschäftsprozessen, und zwar aus unterschiedlichen Perspektiven:

Bundesverwaltungsgericht zum Gestaltungsspielraum der Schiedsstellen nach § 18a KHG bei Streit über (strukturelle) Abrechnungsvoraussetzungen

Rechtsberatung

Mit Urteil vom 04.05.2017 (3 C 17.15) hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entschie­den, unter welchen Voraussetzungen es in den Gestaltungsspielraum der Schiedsstellen nach § 18a KHG fällt, Fallpauschalen, deren Abrechen­barkeit zwischen den Pflegesatzparteien streitig ist, bei der Festsetzung des Erlösbudgets zu berücksichtigen.

Page 35: Health Care News - Building a better working world - … · 2017-11-15 · Standardisierung und Automatisierung von Geschäftsprozessen, und zwar aus unterschiedlichen Perspektiven:

35Health Care News |

Rechtsberatung

Dem Urteil liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die in dem verwaltungsge-richtlichen Verfahren beigeladene Kran-kenhausträgerin hatte im Rahmen der vorausgegangenen Entgeltverhandlun-gen für den Vereinbarungszeitraum 2007 mit den Kostenträgern keine Eini-gung darüber erzielen können, ob in dem Erlösbudget des Krankenhauses die DRG-Fallpauschalen A09E und A13E für die intensivmedizinische Komplexbe-handlung zu berücksichtigen sind. Nach Auffassung der Kostenträger sollen in dem fraglichen Zeitraum u. a. die Ab-rechnungsvoraussetzungen des OPS-Codes 8-980 (ständige ärztliche Anwe-senheit) in dem Krankenhaus nicht erfüllt gewesen sein. Die daraufhin ange-rufene Schiedsstelle nach § 18a KHG hatte das Erlösbudget und die Summe der effektiven Bewertungsrelationen ent-sprechend dem Antrag der Krankenhaus-trägerin unter Einbeziehung der streiti-gen DRGs festgesetzt. Die zuständige Landesbehörde genehmigte den Schieds-spruch. Gegen diese Genehmigung ha-ben die klagenden Krankenkassen im Jahr 2012 Klage vor dem Verwaltungs-gericht erhoben.

Während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens wurden die Voraussetzungen des OPS-Codes 8-980 durch das Ur -teil des Bundessozialgerichts vom 18.07.2013 (B 3 KR 25/12 R) auf Ab-rechnungsebene grundsätzlich im Sinne der Rechtsauffassung der Krankenkas-sen geklärt. Dennoch hat das BVerwG nun mit o. g. Urteil die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Genehmigungsbe-scheids mit folgender Begründung bestätigt:

Das Krankenhausentgeltgesetz, so das BVerwG, trenne systematisch zwischen der prognostischen Aufstellung des Er-lösbudgets und der nachfolgenden Ab-rechnung der im Vereinbarungszeitraum tatsächlich erbrachten Krankenhausleis-tungen. Für die Rechtmäßigkeit des

grundsätzlich prospektiv zu vereinbaren-den oder festzusetzenden Erlösbudgets sei es daher allgemein ohne Bedeutung, ob später im konkreten Behandlungsfall alle Abrechnungsvoraussetzungen vor-lägen und ob die im Nachhinein erbrach-ten Krankenhausleistungen mit der dem Budget zugrunde gelegten Fallpauschale abgerechnet werden können.

Etwas anderes soll sich nach Auffassung des BVerwG auch nicht daraus ergeben, dass der Abrechnungsstreit im konkreten Fall eine strukturelle Abrechnungsvor-aussetzung betraf. Für die Schiedsstelle habe im Zeitpunkt ihrer Entscheidung nicht festgestanden, dass die Abrech-nungsvoraussetzungen für den OPS-Code 8-980 im Krankenhaus der Beigela-denen nicht erfüllt gewesen seien. Sie habe in diesem Zusammenhang berück-sichtigen dürfen, dass das Schiedsstel-lenverfahren per Gesetz zügig durchzu-führen sei. Es entspreche dem Zweck der Verfahrensbeschleunigung, die Ermitt-lung des Erlösbudgets nicht mit der Klä-rung komplexer Abrechnungsfragen zu befrachten. Rechtsprechung zu den Ab-rechnungsvoraussetzungen des OPS-Codes 8-980 habe es zum Zeitpunkt der Entscheidung der Schiedsstelle noch nicht gegeben. Es sei für die Schieds-stelle daher nicht zu überblicken ge-wesen, ob im Krankenhaus der Beige-ladenen ein alle Abrechnungsfälle übergreifender struktureller Mangel vorgelegen habe. Zutreffend habe die Schiedsstelle daher einen evidenten Ab-rechnungsmangel verneint. Bei dieser Sachlage habe sie die streitigen DRGs in das Erlösbudget einstellen und die Vertragsparteien hinsichtlich des Streits über das Vorliegen der Abrechnungsvor-aussetzungen des OPS-Codes auf die Klärung im sozialgerichtlichen Verfahren verweisen dürfen. Die Schiedsstelle ver-füge insoweit über die gleichen Gestal-tungsmöglichkeiten wie die Vertragspar-teien, die eine solche Regelung ebenfalls hätten vereinbaren können.

Page 36: Health Care News - Building a better working world - … · 2017-11-15 · Standardisierung und Automatisierung von Geschäftsprozessen, und zwar aus unterschiedlichen Perspektiven:

36 | Health Care News November 2017

Rechtsberatung

rechtlich unsicher, unterfalle es dem Verhandlungsspielraum der Vertragspar-teien bzw. dem Gestaltungsspielraum der Schiedsstelle, ob die streitige Fall-pauschale in das Erlösbudget eingestellt werde. Die Schiedsstelle unterliege inso-weit keinen weiter gehenden rechtlichen Bindungen als bei prospektiver Ermitt-lung des Erlösbudgets.

Für die Rechtmäßigkeit des Schieds-spruchs, so das BVerwG abschließend, sei es ohne Bedeutung, dass der Ab-rechnungsstreit nachfolgend durch die

Verfasser Dr. Christian Bosse | EYTelefon +49 711 9881 [email protected]

Carmen Rösch-Mock | EYTelefon +49 621 4208 [email protected]

FazitMit diesem Urteil hat das BVerwG wesentliche Grundsätze im Zu-sammenhang mit der Ermittlung des Erlösbudgets im Rahmen von gleichermaßen prospektiven und retrospektiven Pflegesatz- und Schiedsstellenverfahren aufgestellt.

Insbesondere wurde klargestellt, dass umstrittene Krankenhausleis-tungen in das Erlösbudget einbezogen werden dürfen, wenn der von den Krankenkassen behauptete Abrechnungsmangel zum Zeitpunkt der Entscheidung der Schiedsstelle nicht offensichtlich feststeht.

Eine Evidenz ist nach alledem nicht gegeben, wenn die Kostenträger unter Bezugnahme auf sogenannte Strukturprüfungen die Abrechen-barkeit bestimmter Leistungen verneinen, ohne dass das behauptete Fehlen struktureller Voraussetzungen im Rahmen eines sozialgericht-lichen Verfahrens bestätigt worden ist. In diesem Zusammenhang trennt das BVerwG deutlich zwischen Budget- und Abrechnungsebene sowie zwischen verwaltungs- und sozialgerichtlichen Zuständigkeiten und betont den Verhandlungs- und Gestaltungsspielraum der Parteien und der Schiedsstelle.

Für den Fall, dass die Sozialgerichte die Abrechnungsfähigkeit einer in ein Erlösbudget eingestellten DRG im Nachhinein verneinen, stellt das BVerwG klar, dass dadurch weder der Schiedsspruch noch der Genehmigungsbescheid nachträglich rechtswidrig werden und folglich auch nicht rückwirkend zu korrigieren sind.

Rechtsprechung der Sozialgerichte im Sinne der Rechtsauffassung der Kläger geklärt worden sei. Für die Beurteilung sei auf den Zeitpunkt der Entscheidung der Schiedsstelle abzustellen. Danach komme es auch für die Rechtmäßigkeit des Genehmigungsbescheids nicht auf die nachträgliche Klärung der Abrech-nungsvoraussetzungen an.

Abweichendes ergebe sich schließlich auch nicht daraus, dass das Erlösbudget im konkreten Fall retrospektiv ermittelt worden sei. Nach Auffassung des BVerwG soll eine bestimmte Fallpau-schale im Erlösbudget nur dann nicht be-rücksichtigt werden dürfen, wenn im Zeitpunkt der retrospektiven Ermittlung bereits feststeht, dass ein Krankenhaus eine erbrachte Leistung mit dieser Fall-pauschale nicht abrechnen kann, weil eine dafür erforderliche strukturelle Ab-rechnungsvoraussetzung nicht erfüllt ist. Sei die Abrechnungsfähigkeit hingegen

Page 37: Health Care News - Building a better working world - … · 2017-11-15 · Standardisierung und Automatisierung von Geschäftsprozessen, und zwar aus unterschiedlichen Perspektiven:

37Health Care News |

w

zichtbaren Anspruch gegenüber der Finanzverwaltung auf Umsatzsteuer-rückerstattung eingeräumt.

Als Reaktion auf das BFH-Urteil fordern Krankenkassen vermehrt die in der Ver-gangenheit auf Arzneimittelzubereitun-gen gezahlte Umsatzsteuer von den Krankenhäusern zurück. Im Rahmen der rechtshängigen Klageverfahren haben sich die Gerichte u. a. mit der Frage zu beschäftigen, wie sich die Vorgaben des BMF auf das Verhältnis zwischen Kran-kenhäusern und Kostenträgern auswir-ken. Seitens der Sozialgerichte wurde bislang keine Verpflichtung der Kranken-häuser dahin gehend angenommen, das ihnen eingeräumte Wahlrecht zugunsten der Steuerfreiheit der Arzneimittelabga-ben und damit zugunsten eines Rücker-stattungsanspruchs der Krankenkassen auszuüben. In diesem Sinne hat zuletzt das Sozialgericht Reutlingen mit Urteil vom 14.06.2017 (S 1 KR 3399/14) die Klage einer Krankenkasse abgewiesen. Mit teils weiteren Argumenten hatten zuvor das Sozialgericht Nürnberg (Urteil vom 22.10.2015, S 7 KR 601/14), das Sozialgericht Karlsruhe (Urteile vom 09. und 15.11.2016, S 16 KR 680/15, S 16 KR 1697/15, S 14 KR 4266/14, S 14 KR 4267/14 und S 14 KR 4380/14) und das Sozialgericht Heilbronn (Urteil vom 21.03.2017, S 2 KR 4318/15) den jeweils von gesetzlichen Krankenkassen geltend gemachten Rückerstattungsan-spruch abgelehnt. Für den PKV-Bereich hat das Landgericht Bochum (Urteil vom 08.02.2017, 4 O 392/16) entsprechend entschieden und darüber hinaus in dem Sachverhalt, der dem Urteil zugrunde liegt, (wie später das Amtsgericht Gie-ßen, Urteil vom 10.04.2017, 41C 509/16 und das Amtsgericht Köln, Urteil vom 23.05.2017, 146 C 101/16) das Vorlie-gen einer Bruttopreisvereinbarung als

Umsatzbesteuerung von Zytostatika – aktueller Sachstand und Handlungsoptionen

Seit der Positionierung des BMF zur Umsatzbesteuerung von Zytostatikaab-gaben sind mehrere Urteile zu den von den Krankenkassen geltend gemachten Umsatzsteuerrückforderungen ergan-gen. Bis zu einer endgültigen Entschei-dung kommt der Abschluss von Ver-jährungsverzichtsvereinbarungen in Betracht.

Mit seinem Urteil vom 24.09.2014 (V R 19/11) hatte der BFH entschieden, dass die Abgabe von Zytostatika, die in einer Krankenhausapotheke für einen

vor Ort ambulant behandelten Patienten in dividuell hergestellt wurden, einen mit der ärztlichen Heilbehandlung eng verbundenen Umsatz darstellt und damit umsatzsteuerfrei ist. Mit seinem Schrei-ben vom 28.09.2016 hatte sich das BMF zur Frage der Anwendbarkeit dieser Grundsätze positioniert und sie als allge-meingültig erachtet. Für Umsätze, die vor dem 01.04.2017 erzielt wurden, hat das BMF für die Krankenhäuser aller-dings durch eine Nichtbeanstandungs- regelung ein Wahlrecht geschaffen und ihnen für alle offenen Fälle einen ver-

Page 38: Health Care News - Building a better working world - … · 2017-11-15 · Standardisierung und Automatisierung von Geschäftsprozessen, und zwar aus unterschiedlichen Perspektiven:

38 | Health Care News November 2017

Rechtsberatung

Verfasser Dr. Christian Bosse | EYTelefon +49 711 9881 [email protected]

Peter Dörrfuß | EYTelefon +49 711 9881 15276 [email protected]

Carmen Rösch-Mock | EYTelefon +49 621 4208 [email protected]

Matthias Zembrod | EYTelefon +49 7731 9970 39 [email protected]

Rechtsgrund für die geleistete Umsatz-steuer angesehen. Anders hat dies ins-gesamt das Amtsgericht Köln in seinem Urteil vom 07.08.2017 (123 C 103/17) bewertet und der Klage einer privaten Krankenversicherung stattgegeben.

Für die Beurteilung, ob sich die Aus-übung des Wahlrechts zugunsten der Beibehaltung der ursprünglichen Besteu-erung der Arzneimittelabgaben als vor-zugswürdig darstellt, dürfte die weitere Entwicklung der sozial- und zivilgerichtli-chen Rechtsprechung von hoher Bedeu-tung sein. Da einige Finanzämter inzwi-schen mit Blick auf das nun vorliegende BMF-Schreiben darauf drängen, die offe-nen Fälle abzuschließen, könnte es sich empfehlen, für ein weiteres Abwarten Kontakt mit dem jeweils zuständigen Finanzamt aufzunehmen.

Die betroffenen Krankenhäuser werden zum Jahresende voraussichtlich erneut von Krankenkassen aufgefordert werden, in Bezug auf potenzielle Umsatzsteuer-rückerstattungsansprüche auf die Ein-rede der Verjährung zu verzichten. Die von den Krankenkassen vorgelegten (ein-seitigen) Verzichtserklärungen berück-sichtigen die Interessen der Krankenhäu-ser allerdings oftmals nicht ausreichend und sollten insbesondere mit Blick auf den aktuellen Sachstand einer Prüfung unterzogen und ggf. angepasst werden.

Gerne unterstützen wir Sie bei der Prü-fung Ihrer Handlungsoptionen gegen-über den zuständigen Finanzämtern und Kostenträgern sowie im Rahmen von Verhandlungen oder etwaigen gericht- lichen Auseinandersetzungen.

Page 39: Health Care News - Building a better working world - … · 2017-11-15 · Standardisierung und Automatisierung von Geschäftsprozessen, und zwar aus unterschiedlichen Perspektiven:

Ans

prec

hpar

tner

Deutschland

BeratungChristian [email protected] +49 6196 996 21226

ImmobilienberatungFabian [email protected] +49 711 9881 21975

RechtsberatungDr. Christian [email protected] +49 711 9881 25772

SteuerberatungPeter Dörrfuß[email protected] +49 711 9881 15276

TransaktionsberatungHans [email protected] +49 621 4208 14205

WirtschaftsprüfungDr. Frank [email protected] +49 711 9881 19517

Österreich

Erich [email protected] +43 732 790790 1152

Schweiz

Andreas [email protected] +41 58 286 4193

Weitere Informationen:

Besuchen Sie unsere Homepage und erfahren Sie, wie wir unser Branchen-Know-how und unser Netzwerk im Bereich Healthcare für Sie in vollem Umfang einsetzen können.

Sie finden uns unter www.de.ey.com/healthcare

Page 40: Health Care News - Building a better working world - … · 2017-11-15 · Standardisierung und Automatisierung von Geschäftsprozessen, und zwar aus unterschiedlichen Perspektiven:

EY | Assurance | Tax | Transactions | Advisory

Die globale EY­Organisation im ÜberblickDie globale EY-Organisation ist einer der Marktführer in der Wirtschafts-prüfung, Steuerberatung, Transaktionsberatung und Managementberatung. Mit unserer Erfahrung, unserem Wissen und unseren Leistungen stärken wir weltweit das Vertrauen in die Wirtschaft und die Finanzmärkte. Dafür sind wir bestens gerüstet: mit hervorragend ausgebildeten Mitarbeitern, starken Teams, exzellenten Leistungen und einem sprichwörtlichen Kundenservice. Unser Ziel ist es, Dinge voranzubringen und entscheidend besser zu machen – für unsere Mitarbeiter, unsere Mandanten und die Gesellschaft, in der wir leben. Dafür steht unser weltweiter Anspruch „Building a better working world“.

Die globale EY-Organisation besteht aus den Mitgliedsunternehmen von Ernst & Young Global Limited (EYG). Jedes EYG-Mitgliedsunternehmen ist rechtlich selbstständig und unabhängig und haftet nicht für das Handeln und Unterlassen der jeweils anderen Mitgliedsunternehmen. Ernst & Young Global Limited ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach englischem Recht und erbringt keine Leistungen für Mandanten. Weitere Informationen finden Sie unter www.ey.com.

In Deutschland ist EY an 21 Standorten präsent. „EY“ und „wir“ beziehen sich in dieser Publikation auf alle deutschen Mitgliedsunternehmen von Ernst & Young Global Limited.

© 2017 Ernst & Young GmbH WirtschaftsprüfungsgesellschaftAll Rights Reserved.

GSA AgencyHFI 1711-476ED None

Diese Publikation ist lediglich als allgemeine, unverbindliche Information gedacht und kann daher nicht als Ersatz für eine detaillierte Recherche oder eine fachkundige Beratung oder Auskunft dienen. Obwohl sie mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt wurde, besteht kein Anspruch auf sachliche Richtigkeit, Voll-ständigkeit und/oder Aktualität; insbesondere kann diese Publikation nicht den besonderen Umständen des Einzelfalls Rechnung tragen. Eine Verwendung liegt damit in der eigenen Verantwortung des Lesers. Jegliche Haftung seitens der Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und/oder anderer Mitgliedsunternehmen der globalen EY-Organisation wird ausgeschlossen. Bei jedem spezi-fischen Anliegen sollte ein geeigneter Berater zurate gezogen werden.

www.de.ey.com


Recommended