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Iwan Turgenjew Die besten Geschichten Aus dem Russischen von Friedrich von Bodenstedt und Alexander Eliasberg Anaconda
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Iwan Turgenjew

Die besten Geschichten

Aus dem Russischen von Friedrich von Bodenstedt

und Alexander Eliasberg

Anaconda

Turgenjew Geschichten 30.07.2018 17:05 Seite 3

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Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikationin der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografischeDaten sind im Internet unter http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2018 Anaconda Verlag GmbH, KölnAlle Rechte vorbehalten.Umschlagmotiv: George Henry Boughton (1833–1905), »The Lady of the Snows« (1896), Walker Art Gallery, National Museums Liverpool / Bridgeman ImagesUmschlaggestaltung: www.katjaholst.deSatz und Layout: www.paque.dePrinted in Czech Republic 2018ISBN [email protected]

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Inhalt

Der Duellant . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

Chorj und Kalinytsch . . . . . . . . . . . . 88

Mumu . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111

Faust . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163

Die Uhr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236

Quellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . 317

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Der DuellantNovelle

1.

Das …sche Kürassierregiment lag im Jahr 1829 imKirchdorf Kirillowo im K…schen Gouvernementim Quartier. Dieses Kirchdorf erschien mit seinenBauernhütten und Getreideschobern, seinen grünenHanffeldern und dünnen Silberweiden aus der Fer-ne wie eine Insel im unübersehbaren Meer der ge-pflügten schwarzen Äcker. In der Mitte des Dorfeslag ein kleiner, immer mit Gänsegefieder bedeckterWeiher mit schmutzigen, an vielen Stellen aufge-wühlten Ufern; hundert Schritte hinter dem Weiher,jenseits der Straße, erhob sich das hölzerne Herren-haus, das seit Langem unbewohnt war und sich trau-rig auf eine Seite geneigt hatte; hinter dem Haus zogsich der verwilderte Garten hin; im Garten wuchsenalte, unfruchtbare Apfelbäume und hohe Birken vol-ler Krähennester; am Ende der Hauptallee wohntein einem kleinen Häuschen (der ehemaligen herr-schaftlichen Badestube) der altersschwache Haus-

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hofmeister, der sich jeden Morgen aus alter Ge-wohnheit keuchend und hustend durch den Gartenin die herrschaftlichen Gemächer schleppte, in de-nen es nichts zu bewachen gab außer einem Dut-zend weißer, mit verschossenem Stoff überzogenerSessel, zwei bauchigen Kommoden auf geschwun-genen Füßen mit Messingbeschlägen, vier alten Bil-dern und einem alten Mohr aus Alabaster mit abge-schlagener Nase. Der Besitzer dieses Hauses, einsorglos in den Tag lebender junger Mann, wohntebald in Petersburg und bald im Ausland und hattesein Gut gänzlich vergessen. Er hatte es vor etwaacht Jahren von einem uralten Onkel geerbt, dereinst im ganzen Kreis wegen seiner Fruchtschnäpseberühmt gewesen war. Die leeren dunkelgrünenFlaschen lagen noch immer in den Vorratskammernzusammen mit allerlei Gerümpel, engbeschriebenenHeften in bunten Umschlägen, altertümlichen Glas-lüstern, einer alten Adelsuniform aus den Tagen derKaiserin Katharina, einem verrosteten Degen mitstählernem Korb usw. In einem der Flügel diesesHauses wohnte nun der Oberst, ein verheirateter,großgewachsener, wortkarger, düsterer und immerverschlafener Mann. Im anderen Flügel hatte sichder Regimentsadjutant einquartiert, ein empfindsa-mer und parfümierter Offizier, großer Liebhabervon Blumen und Schmetterlingen. Die Gesellschaftder Herren Offiziere des …schen Regiments unter-schied sich durch nichts von jeder anderen Offi-

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ziersgesellschaft. Unter ihnen gab es gute undschlechte, kluge und hohle Menschen … Ein gewis-ser Stabs-Rittmeister Awdej Iwanowitsch Lutsch-kow galt als Kampfhahn. Lutschkow war kleinge-wachsen und ziemlich unansehnlich; er hatte einkleines, trockenes Gesicht von gelber Hautfarbe,spärliche schwarze Haare, gewöhnliche Züge unddunkle kleine Augen. Er hatte seine Eltern früh ver-loren und war in Not und unter schlechter Behand-lung aufgewachsen. Wochenlang verhielt er sich ru-hig … plötzlich aber begann er, als wäre ein Teufelin ihn gefahren, alle zu belästigen, anzuöden und al-len frech in die Augen zu blicken; mit einem Wort –er provozierte Streit. Awdej Iwanowitsch mied übri-gens seine Kameraden nicht, war aber nur mit demparfümierten Adjutanten befreundet. Er spielte keineKarten und trank auch nicht.

Im Mai 1829, kurz vor Beginn der Übungen,kam ins Regiment der junge Kornett Fjodor Fjo-dorowitsch Kister, ein russischer Edelmann deut-scher Abstammung, blond, sehr bescheiden, gebil-det und belesen. Bis zu seinem zwanzigstenLebensjahr hatte er im Elternhaus unter den Fitti-chen seiner Mutter, Großmutter und zweier Tantengelebt; in den Militärdienst war er aber einzig aufWunsch seiner Großmutter getreten, die selbst imAlter keinen weißen Federbusch ohne Erregungsehen konnte … Er diente ohne besondere Lust,tat aber seine Pflicht eifrig, pünktlich und gewis-

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senhaft; er kleidete sich nicht stutzerhaft, doch sau-ber und vorschriftsmäßig. Gleich am ersten Tagnach seiner Ankunft meldete er sich bei den Vorge-setzten; dann machte er sich an die Einrichtungseiner Wohnung. Er hatte billige Tapeten, einigekleine Teppiche, Etageren usw. mitgebracht, tape-zierte alle Wände und Türen, brachte einige Bret-terverschläge an, ließ den Hof reinigen, Stall undKüche umbauen und bestimmte sogar einen eige-nen Platz für eine Badewanne … Eine ganze Wo-che arbeitete er daran; dafür war es später ein Ver-gnügen, ihn zu besuchen. Vor den Fenstern standein sauberer Tisch mit allerlei Sächelchen; in einerEcke befand sich eine Etagere mit Büchern undden Büsten von Schiller und Goethe; an den Wän-den hingen Landkarten, vier Köpfchen nach Gré-vedon und ein Jagdgewehr; neben dem Tisch er-hob sich eine schlanke Reihe langer Pfeifen mitsauber gehaltenen Mundstücken; im Vorzimmer lagein Fußteppich; alle Türen schlossen; an den Fens-tern hingen Gardinen. Im Zimmer Fjodor Fjodo-rowitschs atmete alles Ordnung und Sauberkeit.Wie anders war es bei den anderen Kameraden!Zu manchem kann man nur mit Mühe durch ei-nen schmutzigen Hof gelangen; im Vorzimmerschnarcht hinter einer zerfetzten, mit Sackleinwandüberzogenen spanischen Wand der Bursche; aufdem Fußboden liegt faules Stroh, auf dem Herdein Paar Stiefel und ein Scherben mit Wichse; im

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Wohnzimmer selbst steht ein mit Kreide beschrie-bener, defekter L’Hombre-Tisch; auf dem Tisch zurHälfte mit kaltem dunkelbraunem Tee gefüllte Glä-ser; an der Wand ein schmieriger, durchgedrückterDiwan; auf den Fensterbrettern Pfeifenasche … Ineinem plumpen Polstersessel thront der Hausherrselbst, mit einem grasgrünen Schlafrock mit him-beerroten Plüschaufschlägen angetan, ein gesticktesKäppchen asiatischer Herkunft auf dem Kopf; ne-ben dem Hausherrn schnarcht abscheulich ein di-cker, ganz unbrauchbarer Köter mit stinkendemMessinghalsband.

Alle Türen stehen immer weit offen.Fjodor Fjodorowitsch gefiel seinen neuen Ka-

meraden. Sie hatten ihn wegen seiner Gutmütig-keit, Bescheidenheit, Herzenswärme und herzli-chen Neigung für »alles Schöne« liebgewonnen,mit einem Wort für Eigenschaften, die sie bei ei-nem anderen Menschen vielleicht als unpassendempfunden hätten. Man nannte Kister »jungesMädchen« und behandelte ihn zärtlich und sanft.Nur Awdej Iwanowitsch allein sah ihn scheel an.Eines Tages nach dem Exerzieren ging Lutschkowmit leicht zusammengepressten Lippen und ge-blähten Nüstern auf ihn zu.

»Guten Tag, Herr Knaster!«Kister sah ihn erstaunt an.»Meine Hochachtung, Herr Knaster!«, wieder-

holte Lutschkow.

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»Ich heiße Kister, mein Herr.«»So, Herr Knaster?!«Fjodor Fjodorowitsch wandte ihm den Rücken

zu und ging nach Hause. Lutschkow blickte ihmmit spöttischem Lächeln nach.

Am nächsten Tag ging er gleich nach dem Exer-zieren wieder auf Kister zu.

»Nun, wie geht es, Herr Kinderbalsam?«Kister fuhr auf und blickte ihm gerade ins Ge-

sicht. In den kleinen, galligen Augen Awdej Iwano-witschs leuchtete boshafte Freude.

»Ich meine Sie, Herr Kinderbalsam!«»Mein Herr«, antwortete ihm Fjodor Fjodoro-

witsch, »ich finde Ihren Scherz dumm und deplat-ziert – hören Sie es? Dumm und deplatziert.«

»Wann schlagen wir uns?«, entgegnete Lutsch-kow ruhig.

»Wann Sie wollen, von mir aus morgen.«Am andern Morgen schlugen sie sich. Lutsch-

kow brachte Kister eine leichte Verwundung bei,ging darauf zum größten Erstaunen der Sekundan-ten auf den Verwundeten zu, drückte ihm dieHand und bat ihn um Verzeihung. Kister musstezwei Wochen zu Hause sitzen; Awdej Iwanowitschbesuchte ihn einige Mal und freundete sich ihm,als Fjodor Fjodorowitsch genesen war, an. Ob ihmdie Entschlossenheit des jungen Offiziers gefallenhatte oder ob in seinem Herzen ein der Reue ähn-liches Gefühl erwacht war, ist schwer zu entschei-

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den, doch vom Tag des Duells an trennte sich Aw-dej Iwanowitsch fast nie von Kister und nannte ihnerst Fjodor und dann auch Fedja. In seiner Gegen-wart war er immer wie verändert, doch – seltsa-merweise – nicht zu seinem Vorteil. Milde undSanftheit standen ihm nicht zu Gesicht. Sympathiekonnte er ja doch sowieso in niemand wecken; sowar einmal sein Schicksal! Er gehörte zu den Men-schen, denen gleichsam das Recht, über die ande-ren zu herrschen, gegeben ist; doch die Natur ver-sagte ihm jede Begabung – die notwendigeRechtfertigung eines solchen Rechts. Da er wedereine Bildung genossen hatte, noch klug war, durfteer sich eigentlich nie demaskieren; vielleicht be-ruhte seine Erbitterung auch auf der Erkenntnisder Mängel seiner Erziehung und auf dem Wunsch,alles unter einer unveränderlichen Larve zu verber-gen. Awdej Iwanowitsch hatte sich anfangs ge-zwungen, die Menschen zu verachten; und als ermerkte, dass es gar nicht so schwer ist, sie einzu-schüchtern, fing er an, sie tatsächlich zu verachten.Lutschkow machte es Vergnügen, durch sein bloßesErscheinen jedes nicht ganz banale Gespräch zuunterbrechen. Ich weiß nichts, ich habe nichts ge-lernt und habe auch für nichts Begabung – dachteer sich –, also dürft auch ihr in meiner Anwesen-heit nichts wissen und keine Begabung zeigen …Kister hatte ihn vielleicht dadurch gezwungen, ausseiner Rolle zu fallen, weil der Kampfhahn, bevor

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