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HARTMANN 8 egeDi enst Das HARTMANN-Magazin für die ambulante und stationäre Pflege Heft 3/2007 Die Pflege bei Venenerkrankungen Titelthema Venenleiden im Alter: keine harmlose Sache Pflegewissen Das Warum und Wie der Kompressionstherapie Krankheitslehre Krebs— wenn Zellen entarten
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HARTMANN

8

egeDi enst Das HARTMANN-Magazin für die ambulante und stationäre Pflege

Heft 3/2007

Die Pflege bei Venenerkrankungen

Titelthema

Venenleiden im Alter: keine harmlose Sache

Pflegewissen

Das Warum und Wie der Kompressionstherapie Krankheitslehre

Krebs— wenn Zellen entarten

Venenleiden im Alter: keine harmlose Sache Mit Ausnahme der Emboliegefahr durch eine tiefe Beinvenenthrom-bose sind Venenleiden zwar nicht lebensbedrohlich. Sie sind jedoch oft mit großen Behinderungen für den älteren Menschen verbunden

und führen nicht selten zum Verlust der Eigenständigkeit.

Damit bei der aufrechten

Haltung des Menschen das

Blut gegen die Schwerkraft

zum Herzen zurückfließen

kann, verfügen die Venen

über „Venenklappen", die

wie Ventile funktionieren

und dafür sorgen, dass das

Blut nur in eine Richtung,

nämlich herzwärts fließen

kann. (A1 Vene, [BI offene

Venenklappe, [C] geschlos-

sene Venenklappe

Titelthema 1

Der Kummer mit den Beinen ist weitverbreitet Schät-zungen zufolge weisen etwa 80 % der Deutschen mehr oder weniger starke Veränderungen an den Venen auf, rund 10 Millionen leiden bereits an einer Venenerkran-kung und etwa 2 Millionen Bundesbürger sind mit einem venös bedingten Unterschenkelgeschwür geplagt.

Venenveränderungen zeigen sich meist früh — bei Frauen etwa zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr,

bei Männern zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr —, nehmen jedoch im Alter nochmals an Häufigkeit zu, wie die Bonner Venenstudie 2002/2003 zeigt. Venenerkran-kungen bis hin zum „offenen Bein" betreffen somit vor allem den geriatrischen Patienten, bei dem oft gleich-zeitig mehrere alterstypische Erkrankungen bestehen. Häufig sind z. B. Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems, mit denen immer eine verminderte Elastizität

der Blutgefäße verbunden ist, oder Diabetes mit seinen Spätkomplikationen. Nun stellen für den geriatrischen Patienten Venenerkrankungen allein bereits eine große Belastung dar. Zusammen mit den Auswirkungen ande-rer Erkrankungen kann sich seine Situation weiter erheb-lich verschlechtern. Wichtig ist deshalb, den Venen-kranken ganzheitlich zu sehen und Pflegekonzepte zu erstellen, die möglichst viele der Probleme erfassen.

Erscheinungsbilder von Venenerkrankungen

Etwas Basiswissen hilft, Venenleiden und ihre Aus-wirkungen besser zu verstehen, denn das Krankheitsge-schehen ist äußerst vielschichtig.

Dicke, geschwollene Beine sind das erste Zeichen dafür, dass das Venensystem nicht mehr so funktioniert,

wie es sollte. Mit der Zeit sammelt sich vor allem in den Unterschenkeln Wasser im Gewebe. Es entstehen Ödeme, hinter denen sich bereits eine erhebliche Stö-rung im venösen Transportsystem verbirgt.

Die kleinsten direkt sichtbaren Veränderungen an den Venen sind die Besenreiser. Auch wenn diese bläulich-rot erweiterten Venen eigentlich noch gar keine richtige Krankheit sind, können sie doch ein frühes Anzeichen für Störungen sein.

Bei den Krampfadern oder Varizen handelt es sich bereits um ein manifestes Venenleiden. Entsteht dabei

ein Krampfaderleiden im oberflächlichen System, wird dies als „primäre Varikosis" bezeichnet. „Sekundäre Varizen" zeigen sich zwar auch an der Oberfläche, ent-stehen aber durch einen thrombotischen Prozess im tiefen Venensystem. Primäre Varizen werden des Wei-teren danach bezeichnet, weichen Venenabschnitt sie betreffen. Eine Varize der Rosenkranzader wird z. B. als Stammvarikose bezeichnet, Seitenastvarizen treten in den Nebenarmen der Hauptvenen auf.

Sind erst einmal Varizen vorhanden, können hier äußerst unangenehme Komplikationen wie eine Krampf-aderblutung oder Krampfaderentzündung (Varikophle-bitis) auftreten.

Riskant und bedrohlich wird es, wenn sich im tiefen Venensystem ein Blutgerinnsel (Thrombus) bildet, das dann den Blutstrom blockiert. Eine solche tiefe

Venenthrombose (Phlebothrombose) ist die schwerste Venenerkrankung überhaupt und kann zu einer tödlich verlaufenden Lungenembolie führen. Wird eine Throm-bose nicht rechtzeitig behandelt kann es außerdem zu dauerhaften und schwerwiegenden Schäden kommen, die unter dem Begriff „postthrombotisches Syndrom" (PTS) zusammengefasst werden. Dazu zählen sekundäre Varizen, schwere Ödeme, verschiedene Hautverände-

rungen, juckende Ekzeme und im schlimmsten Fall das „offene Bein", das Ulcus cruris venosum.

Die klinischen Erscheinungsbilder dieser unheilvollen Entwicklung werden auch unter dem Begriff der „chro-nischen venösen Insuffizienz" (CVI) zusammengefasst.

Das „dicke Bein"

Hinter Ödemen kann sich mehr als eine Ursache

verbergen. Venöse Ödeme entstehen vor allem links und rechts von der Achillessehne (Bisgaard'sche Kulisse) sowie in der Fesselregion. Sie zeigen sich zunächst als weiche Schwellungen, die sich über Nacht noch zurückbilden. Mit fortschreitender CVI reicht die nächtliche Bettruhe jedoch zur Rückbildung nicht mehr aus. Ein über Jahre bestehendes venöses Ödem kann sich dann zu einem sekundären Lymphödem ent-wickeln.

Aber auch Nieren- und Herzerkrankungen können Ödeme verursachen. Zur Unterscheidung vom venösen Ödem, das oft nur an einem Bein auftritt zeigt sich das kardiale Ödem immer an beiden Beinen.

Das Ödem wird vom alten Menschen oft als bedroh-liches Krankheitszeichen empfunden, das mit Schwere-

4 PflegeDienst 3/2007

1 Titelthema 1

gefühl in den Beinen sowie Schmerzen und Hautschäden an der betroffenen Extremität verbunden ist. Es ist dem Patienten unmöglich, Schuhe anzuziehen, sodass er in seiner Beweglichkeit eingeschränkt und seine Mobilität schwer gefährdet ist.

Das „offene Bein"

Ein venöses Ulkus, das nicht selten viele Jahre besteht oder immer wieder aufbricht, ist für den Betroffenen eine wirklich leidvolle Erfahrung: Allein der tägliche Anblick des Geschwürs kann den alten Menschen deprimieren.

Oft wird die Körperhygiene vernachlässigt weil man mit der offenen Wunde nicht duschen will. Der notwendige Kompressionsverband beeinträchtigt die Gehfähigkeit, weil die Schuhe nicht mehr passen. Vor allem ist es auch die Langwierigkeit einer Ulkusbehandlung, die für den Patienten schwer zu ertragen ist.

Gerade beim „offenen Bein" aber kann durch eine konsequent durchgeführte Behandlung unter Anwen-dung moderner Wundversorgungsprodukte das schwere Los Betroffener erleichtert werden (siehe auch Seiten 6/7). So ist beispielsweise mit wasserfesten Wundauf-lagen ein Duschen möglich. Ein Kompressionsverband kann nach der Ödementstauung durch das kaum auftra-gende Strumpfsystem Saphenamed ucv ersetzt werden. Wichtig ist auch, den Patienten bzw. seine Angehörigen immer wieder zur Mitarbeit zu motivieren.

Das „schmerzende Bein"

Ulzerationen bei primärer Varikosis verursachen zumeist wesentlich geringere Beschwerden — auch ist hier das Ödem weniger ausgeprägt — als jene, die sich infolge einer postthrombotisch bedingten CVI entwi-ckeln. Insbesondere die kleinen, im Bereich einer Capil-laritis alba auftretenden Ulzera können dem Patienten

erhebliche Schwierigkeiten und Schmerzen bereiten. All-

gemein ist der Venenschmerz meist ein „Ruheschmerz", der beim Gehen und Beinhochlegen verschwindet. Stets sind beim Alterspatienten aber auch arterielle, neuro-gene und athrogene Schmerzen mitzuberücksichtigen, weil sehr oft durch die Begleiterkrankungen wie pAVK,

Diabetes mellitus oder Rheuma ein regelrechtes Mixtum an Schmerzen besteht. Eine ausreichende Schmerzthe-rapie, die vom Arzt erarbeitet wird, ist für den Patienten von größter Bedeutung für seine Lebensqualität und den Erhalt seiner Eigenständigkeit. Starke Schmerzen sind im Alter ein häufiger Grund für Depressionen.

Das generell „gefährdete Bein"

Besteht erst einmal seit Jahren ein Venenleiden, wird das Bein immer anfälliger für weitere Erkrankungen: Beispielsweise begünstigt die chronisch venöse Stauung degenerative Gelenkerkrankungen oder Spitzfußbildung. Eine hohe Gefährdung besteht durch Hauterkrankungen wie Pilzerkrankungen der Nägel oder übergreifend auf den gesamten Unterschenkel, Infektionen durch Strepto-kokken (Erysipel und Ekthyma) sowie eine zunehmende

Allergiebereitschaft auf alle möglichen Substanzen.

Lt d Abb.1 /2: Das Lymphödem als erster sicht- Abb. 3: Krampfadern sind keineswegs nur ein barer Hinweis auf eine Veneninsuffizienz zeigt „Schönheitsfehler". Gefäßerweiterung und Klap-

sich durch eine eindrückbare Schwellung mit peninsuffizienz können über die Perforansvenen Umfangsvermehrung. Im Anfangsstadium bildet auf die tiefen Venen übergreifen und zur CVI mit

es sich nachts noch zurück. Ausbildung eines Ulkus führen.

Die Aufgaben der Venen

Innerhalb des Blutkreislaufes

haben die Venen zwei wichtige Aufgaben zu erfüllen: Sie trans-

portieren das sauerstoffarme und mit Stoffwechselprodukten

beladene Blut nach dem Stoff-

austausch in den kapillaren Endstrombereichen zum Herzen

zurück. Über die „Umwälzpumpe Herz" gelangt das venöse Blut in

die Lunge, wo es mit frischem Sauerstoff aus der Atemluft angereichert und über die linke

Herzkammer wieder in den arte-riellen Blutkreislauf gepumpt

wird (Abb. 4). Gleichzeitig dienen die Venen

auch als Blutreservoir des Kör-pers, damit bei plötzlichen

Belastungen, zum Beispiel beim Aufstehen aus einer liegenden

Position, immer genug Nach-schub für das Herz vorhanden ist. Rund 63 % der gesamten

Blutmenge des Körpers ist in den Venen jederzeit als Reserve

abrufbar. Dies ist möglich,

weil die Venen als „Kapazitäts-

gefäße" ihr Fassungsvermögen erheblich verändern können

(siehe Abb. 5 mit Schnitt durch eine Arterie [A] und eine Vene

[81). Die elastischen Venen-wände dehnen sich aus — etwa

wenn wir aufstehen und dabei

ein halber Liter Blut in die Beine absackt — ziehen sich aber dank

ihrer eigenen Spannung, dem Venenton us, auch wieder schnell

zusam men. Nach anatomischen Kriterien wird das Beinvenensystem in

die Bereiche des oberflächlichen oder suprafaszialen (dunkel)

und des tiefen oder subfaszialen Venensystems (hell) unterteilt.

Beide Bereiche bilden durch die so genannten Verbindungs-

venen (Venae perforantes) eine funktionelle Einheit. Die supra-faszialen Venen stellen sich als

ausgedehnte Venengeflechte dar, die das Oberflächenblut in

die subfaszialen Venen drainie-ren, diese transportieren dann

das Blut zum Herzen zurück.

PflegeDienst 3/2007 5

Titelthema 1

Kein Grund zur Resignation: Tipps zur Ulkusabheilung Die lokale Ulkusbehandlung ist zumeist eine langwierige Angele-

genheit, die Patient, Arzt und Pflegefachkraft große Geduld abver-langt und eine gute Zusammenarbeit erfordert. Eine sachgerechte Therapie bietet aber auch dem Alterspatienten reelle Chancen zur

Ulkusabheilung in akzeptablen Zeiten.

Das venöse Ulkus ist das am häufigsten vorkom-mende Beingeschwür und betrifft vor allem ältere Men-schen. Dies kann für die Behandlung bedeuten, dass die in der Regel beim geriatrischen Patienten vorliegende Multimorbidität mit reduziertem Allgemeinzustand chi-rurgischen Kausal- und Lokaltherapien enge Grenzen setzt. Umso größeres Gewicht hat die konservative, d. h. nicht chirurgische Lokaltherapie, die zwei grundlegende Maßnahmen umfasst: die Kompression des Beines und die feuchte Wundbehandlung. Letztere soll sich sinn-

vollerweise an den einzelnen Wundheilungsphasen — Reinigung sowie Granulations- und Epithelbildung — orientieren. Die Prinzipien der Kompressionsbehandlung sowie hierfür geeignetes Kompressionsmaterial werden auf den Seiten 8-11 vorgestellt

Ohne Diagnose geht es nicht

Wichtigste Voraussetzung für eine erfolgreiche

Ulkusabheilung ist die exakte Diagnose durch einen erfahrenen Arzt. Denn auch wenn mindestens 70 % aller Beingeschwüre ihre Ursache in einer chronischen venösen Insuffizienz haben, bringt eine differenzial-diagnostische Abklärung gerade beim Alterspatienten die erforderliche Therapiesicherheit. Gerade bei den häufigsten Komorbiditäten älterer Menschen — arte-riellen Gefäßerkrankungen und Diabetes mellitus, die

zu gemischt arteriell-venösen oder diabetischen Ulzera führen können —, sind differenzierte Therapiekonzepte

erforderlich; vor allem darf eine Kompressionsbehand-lung nur unter bestimmten Voraussetzungen erfolgen (siehe Seite 9). Bei besonders hartnäckigen Ulzera, die sich jeder Therapie widersetzen, ist zudem eine Probe-exzision anzuraten, um eventuelle Krebserkrankungen als Geschwürsursache auszuschließen.

Eine exakte Diagnose beugt auch dem Fall vor, dass ein Beingeschwür über Monate hinweg mit allen mög-

lichen Präparaten behandelt wird, was nicht nur teuer ist, sondern dem Betroffenen auch schwere Kontakt-allergien bescheren kann.

Lokale Wundbehandlung optimieren Das Ulcus cruris venosum wird bis auf wenige Aus-

nahmefälle, die eine stationäre Behandlung erfordern, ambulant durchgeführt. Dies bedeutet, dass der geri-atrische Patient mit offenen Beinen entweder zu Hause von Angehörigen und/oder Pflegefachkräften ambu-lanter Pflegedienste oder im Alten- und Pflegeheim versorgt wird. In jedem Fall ist der behandelnde Arzt in besonderer Weise auf die Unterstützung und Mitarbeit von Angehörigen und Pflegefachkräften angewiesen. Denn bei den üblicherweise langen Behandlungszeiten werden sie es sein, die die Wundversorgung durch-

Stadieneinteilung der chronischen venösen Insuffizienz (CVI)

Einteilung nach Widmer

alpel

I 7 (ilambi4Igegi

Grad 1

Grad 11 Grad 111 Corona phlebectatica

Trophische Hautverände- Ulcus cruris venosum

paraplantaris, Ödem

rungen, Dermatoliposklerose a) abgeheilt / b) floride

International anerkannte CEAP-Klassifikation der CVI

CO Keine sichtbaren Zeichen einer Venenerkrankung Cl Besenreiser/Teleangiektasien oder retikuläre Venen

C2 Varikose ohne Zeichen einer CVI

C3 Varikose mit Ödem C4 Varikose mit trophischen Hautveränderungen

C4a Varikose mit Pigmentierung, Ekzem

C4b Varikose mit Dermatoliposklerose, Atrophie blanche C5 Varikose mit abgeheilten Ulzerationen

C6 Varikose mit floridem Ulkus Das Ulcus cruris venosum stellt die schwerste Komplikation einer

CVI dar und entspricht Grad III nach Widmer und in der Klassifika- tion von chronischen Venenerkrankungen (CEAP) dem Stadium C6.

6 PflegeDienst 3/2007

Hydrotüll ist eine hydroak-tive Salbenkompresse, in die zusätzlich Hydrokolloid-Par-

tikel eingelagert sind. Damit

erzeugt Hydrotüll ein physio-logisch feuchtes Wundklima,

das die Wundheilung in allen Phasen unterstützt, wovon vor

allem lang bestehende Ulzera profitieren.

Atrauman Ag ist eine silber-haltige Salbenkompresse mit

sicherer, lang anhaltender anitbakterieller Wirkung zur

Behandlung infizierter Ulzera. Das metallische Silber ist fest

an das Trägermaterial gebun-den, was eine sehr gute Ver-

träglichkeit mit nur geringer Zytotoxität ergibt.

1 Titelthema 1

führen, den Kompressionsverband anlegen und den Patienten zum Durchhalten ermutigen. Um diese Auf-gaben zu erleichtern, werden hier ein paar Praxistipps

gegeben, wie man am besten an die Wundversorgung herangeht.

Wunde gründlich reinigen

Der erste und wichtigste Schritt ist eigentlich ganz einfach nachzuvollziehen: In einem schmierigen, nekro-tischen Ulkus mit gequollenem Wundgrund und ekze-matös veränderten Wundrändern kann sich kein neues

Gewebe bilden. Deshalb muss die Wunde gründlich gereinigt werden, bevor überhaupt an eine Abheilung gedacht werden kann.

Diese erste Phase braucht erfahrungsgemäß viel Geduld und wird umso mehr Zeit in Anspruch nehmen, je länger das Ulkus schon besteht. Wenn es die indi-viduelle Situation beim Patienten erlaubt, ist deshalb mithilfe eines chirurgischen Debridements (vom Arzt

durchgeführt!) eine möglichst komplette Abtragung nekrotischen bzw. unzureichend durchbluteten Gewe-bes anzustreben. Ein solches Vorgehen kann lange Behandlungszeiten erheblich verkürzen. In manchen Fällen kann das Ulkus nach der Nekrosenabtragung und entsprechender Wundkonditionierung sogar durch eine Spalthauttransplantation oder eine Reverdinplastik gedeckt werden. Ist ein chirurgisches Debridement nicht

durchführbar, bietet sich eine Wundreinigung durch die feuchte Wundbehandlung an. Die feuchte Wundbe-handlung mithilfe hydroaktiver Wundauflagen und ggf. mit Wundspülungen (am besten mit Ringerlösung) ist eine sehr effiziente Methode zum Aufweichen und Ablö-sen von nekrotischem Gewebe und fibrinösen Belägen.

Es gibt aber auch noch andere Gründe, warum die Feuchttherapie zu Recht als Meilenstein im Wund-

management betrachtet wird: Sie bewirkt in der Wunde ein physiologisches Mikroklima, vor allem wenn Rin-gerlösung mit im Spiel ist, schont heilungsfördernde Substanzen und Zellen auf der Ulkusfläche, begünstigt die Bildung von Gewebe- und Epithelzellen und wirkt stark schmerzlindernd. Und sie ist unter ambulanten wie stationären Bedingungen problemlos durchzuführen. Letzterer Vorteil ist vor allem den verschiedenen hydro-

aktiven Wundauflagensystemen zu verdanken, die heute den Praktikern zur Verfügung stehen und eine gezielte Beeinflussung der individuell vorliegenden Wundver-hältnisse ermöglichen.

Geschädigte Wundränder mitbehandeln Häufig ist das Ulcus cruris venosum von einem

Ekzem begleitet. Ursachen für das Ekzem können eine Besiedelung der geschädigten Haut mit Bakterien und Pilzen (mikrobielles Ekzem) oder eine Kontaktallergie auf topisch gegebene Substanzen sein. Auch wenn die Versuche verständlich sind, die Abheilung eines Ulkus durch Salben, Puder, Desinfektionsmittel oder gar lokale Antibiotika zu forcieren, schaden alle diese Substanzen mehr als sie nützen: Sie können den Prozess der Wund-

‚111W-4,44■J TenderWet 24 active ist ein gebrauchsfertig mit Ringerlö-

sung aktiviertes Wundkissen, das über eine einzigartige

Saug-Spülwirkung verfügt. Es löst Beläge rasch ab und ist

besonders geeignet für infi-zierte, eitrige und schmierige,

aber auch nekrotisch verkrus-tete und trockene Ulzera.

PermaFoam ist ein Schaum-

Hydrosorb Gel ist ein klares,

verband, der über eine hohe

visköses und steriles Gel mit Kapillarwirkung verfügt. Damit

Ringerlösung und Glycerin für

wird Exsudat rasch in die Tiefe

gering sezernierende tiefe,

des Saugkörpers geleitet und

zerklüftete Wunden. Nekro- dort sicher gebunden. Selbst

tische Beläge werden aufge-

unter Kompressionseinwir- weicht und abgelöst, die in kung drückt Wundsekret nicht

der Ringerlösung enthaltenen

zurück, was auch die Wund-

Elektrolyte tragen zudem zur ränder schont. Zellproliferation bei.

heilung empfindlich stören und erhöhen drastisch das Risiko einer lokalen oder sogar systemischen Allergie.

Die Behandlung geschädigter Wundränder und einer ekzematösen Wundumgebung richtet sich nach den all-gemeinen Grundsätzen der Ekzemtherapie: das akute, nässende Ekzem wird feucht behandelt. Hydroaktive Wundauflagen leisten auch hier gute Dienste. Das sub-akute oder chronische Ekzem ist einer differenzierten Behandlung zu unterziehen, wobei ausschließlich aller-genneutrale Salbengrundlagen zur Anwendung kommen

dürfen. Bewährt hat sich dazu beispielsweise Pasta Zinci und Unguentum leniens zu gleichen Teilen.

Granulation und Epithel dosiert feucht halten

Ist der Wundgrund sauber, wird sich Granulations-gewebe zur Defektauffüllung ausbilden und vom Ulkus-rand aus wird die Epithelisierung in Gang kommen — immer vorausgesetzt, dass die Rückflussstörung durch eine Kompressionstherapie so gut wie möglich kompen-siert wird. Wichtig ist auch in diesen Phasen, dass die Wunde nicht austrocknet und ihr störende Substanzen zur angeblichen Granulations- und Epithelförderung erspart bleiben. Die feuchte Wundbehandlung ist bis zur vollständigen Überhäutung des Ulkus mit einem belast-baren Epithel die Therapie der Wahl.

Für jeden Ulkuszustand die richtige Wundauflage

Hydrosorb ist ein transpa-

rentes Gel mit einem hohen Wasseranteil von ca. 60 %. Es versorgt die Wunde zuver-

lässig mit Feuchtigkeit, schützt sie vor dem Austrocknen

und verhindert eine Schorf-bildung. Hydrosorb ist ideal

zum Feuchthalten von neuem Gewebe.

eteH Detaillierte Informationen

zum Thema Ulcus cruris

venosum finden Sie auch in

der HARTMANN medical edi-

tion, die auf CD-ROM kosten-

los bei der Kundenbetreuung

der PAUL HARTMANN AG,

Postfach 1420, 895504 Hei-

denheim, E-Mail customer.

[email protected]

erhältlich ist.

PflegeDienst 3/2007 7

Das Warum und Wie der Kompressionstherapie Die Kompression des Beines mithilfe von Kompressionsverbänden ist bei allen Stadien der CVI bzw. bei einem floriden Ulcus cruris venosum eine aktuelle und unverzichtbare Therapieoption.

0,9

1 Pflegewissen 1

Die Abbildungen 1-8 zeigen

die Abheilung eines venösen

Ulkus innerhalb von sieben

Monaten mit TenderWet und

kontinuierlicher Kompressi-

onstherapie. Die Patientin

war 70 Jahre alt, das Ulkus

bestand seit 1992. Nach

raschen Wundreinigungser-

folgen durch TenderWet sta-

gnierte die Heilung (Abb. 4).

Als Blockade der Heilung

wurde eine Insuffizienz der

Perforansvenen festgestellt.

Deshalb wurde der Druck

im Knöchelbereich durch

Auflegen einer Pelotte ver-

stärkt (Abb. 516), was zur

vollständigen Abheilung

führte (Abb. 8).

Auch wenn es viele Patienten nicht wahrhaben wollen: Ohne eine Kompressionstherapie geht nichts bei der Behandlung von Venenleiden. Denn obwohl Korn-pressionsverbände nicht gerade attraktiv aussehen und sicherlich auch etwas lästig sind — sie sind die beste Methode, um direkt eine der wesentlichsten Ursachen der Krankheit zu beseitigen: den Blutrückstau in den Venen oder die venöse Stase, wie der Mediziner dies

bezeichnet.

Was bewirkt die Kompression des Beines? Das Geheimnis der Kompressionstherapie ist der

von außen auf die Venen wirkende Druck, der der individuellen körperlichen Beschaffenheit des Beines exakt angepasst ist. Er engt nicht nur die erweiterten

Gefäße ein, sodass die Venenklappen wieder annähernd funktionieren können, sondern gibt auch der schlaffen Beinmuskulatur ein festes Widerlager. Die Muskulatur kann sich nicht mehr nach außen ausdehnen und übt statt dessen einen größeren Druck auf die Venen und das Gewebe aus. Die Wadenmuskelpumpe, die bei der Rückführung des venösen Blutes zum Herzen eine wich-tige Rolle spielt, kann wieder in Aktion treten und der venöse Rückstrom wird wieder in Gang gesetzt. Alles zusammen ermöglicht eine aktive Entstauung durch die eigene Muskelkraft.

Gleichzeitig bewirkt der Kompressionsdruck, dass die Flüssigkeit, die sich im umliegenden Gewebe angesam-melt hat, wieder abstransportiert wird. Die Ödeme ver-schwinden, „versumpftes" Gewebe wird trockengelegt. Zudem verhindert der Druck von außen, dass erneut Wasser ins Gewebe einsickern kann. Auch Stoffwechsel-endprodukte werden mit dem Abtransport der Flüssig-keit entsorgt.

Verschiedene Methoden führen zum Erfolg Je nach Ausprägung der venösen Stase und der sons-

tigen klinischen Erscheinungsbilder werden in der Kom-pressionstherapie verschiedene Methoden angewandt, um das Therapieziel der Entstauung zu erreichen.

Der phlebologische Kompressionsverband (PKV) ist erforderlich bei allen akuten Venenerkrankungen wie

Thrombosen, Entzündungen oder schweren Stadien der CVI mit floridem Ulkus. Er kann als Dauerverband aus unelastischen Binden (Zinkleimbinden) oder als Wech-selverband mit elastischen Binden (Kurzzugbinden) angelegt werden. Im akuten Stadium wird der phlebo-logische Kompressionsverband von einem geübten Arzt angelegt. Zur weiteren Behandlung kann das Anlegen eines Wechselverbandes von geschulten Pflegefachkräf-

ten, Angehörigen oder noch vorn Patienten selbst über-nommen werden. Alternativ kann nach der Entstauung des Beines mit Wechselverbänden das Strumpfsystem Saphenamed ucv zur Anwendung kommen, das pro-blemlos ohne komplizierte Techniken anzulegen ist.

Der medizinische Kompressionsstrumpf (MKS) dient dann der so genannten Erhaltungstherapie. Denn alles

8 PflegeDienst 3/2007

Stellung wäre der angelegte Verband beim Gehen zu eng.

• Der Druck muss von distal nach proximal abnehmen [4], d. h. er ist im Fesselbereich am höchsten und nimmt zum

Knie hin kontinuierlich ab (siehe auch oben).

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würde wieder von vorn beginnen, wenn nicht durch die fortgesetzte Kompression des Beines die Ausbildung neuer Stauungen verhindert wird. Der MKS übt auf das Bein einen gleichmäßigen Druck aus und kann so die verminderte oder nicht mehr vorhandene Elastizität des Gewebes zumindest teilweise ersetzen.

Wie sich die zur Verfügung stehenden Materialien in ihrem Druckverhalten definieren und differenzieren, ist auf den Seiten 10/11 anhand des HARTMANN-Sorti-ments an Kompressionsmaterialien dargestellt.

Eine weitere Methode der Kompressionstherapie

ist die apparative intermittierende Kompression (AIK) mithilfe pneumatischer Wechseldruckmanschetten. Ihr Einsatzgebiet sind venöse und lymphatische Erkrankun-gen, Anwendung und Therapieverlauf müssen ärztlich überwacht werden.

Nach dem Laplace-Gesetz ist der Kompressions-

druck proportional zur Zugkraft der Binde und umgekehrt proportional zum Radius des Beines:

Zugkraft der Binde Kompression —

Radius des Beines

Beim zunehmenden Radius des Beines vom Knöchel [A] Richtung Knie [8] nimmt damit der

Kompressionsdruck automatisch ab, wenn die

Binde mit gleichmäßigem Zug abgerollt wird. Ist der Radius am Knie z. B. 1,5mal so groß wie am Knöchel, fällt die Kompression auf 2/3 ab.

- i Jr

A = Knöchel 8 = Knie

Pflegewissen

Die zweite Folgerung aus dem Laplace-Gesetz

betrifft plane oder sogar eingezogene Flächen wie z. B. am Knöchel KI. Die Krümmung der

Oberfläche ist hier sehr gering, was einem extrem großen Radius entspricht. Dies bedeutet,

dass nur eine sehr geringe Kompression erreicht werden kann (rote Pfeile). Erst durch das Abpol-stern WI der planen Fläche ergibt sich wieder eine stärkere Rundung und damit ein kleinerer Radius, so dass jetzt der benötigte Kompressi-onsdruck erreicht wird.

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Das Laplace-Gesetz und seine Auswirkungen

Bei der Druckverteilung ist Physik im Spiel

Die Kompression ist therapeutisch nur dann erfolg-reich, wenn der Druck richtig dosiert und von distal nach proximal stetig abnimmt. Dies ist allgemein bekannt und so wird oft versucht, den Druck im Fesselbereich (distal) durch stärkeren Zug an der Binde zu erhöhen und ihn proximal zum Knie hin durch geringeren Zug abfallen zu lassen. Diese Vorgehensweise ist nicht ganz ungefähr-lich, weil allzu leicht Abschnürungen entstehen, die die venöse Stase eher verstärken als bekämpfen. Sicherer

ist, vor allem auch für Ungeübte, die Binde mit einem gleichmäßig starken bzw. festen Zug anzulegen und dabei auf das Laplace-Gesetz zu vertrauen.

Nach dem Laplace-Gesetz ist der Druck der Binde auf die Oberfläche des Beines proportional zur Zugkraft an der Binde und umgekehrt proportional zum Radius des umspannten Körpers. Daraus ergibt sich zunächst, dass eine gleichmäßige Druckverteilung nur auf einem

gleichmäßig zylindrischen Körper erfolgen kann. Ein Bein ist jedoch so gut wie nie gleichmäßig zylindrisch, sondern weist viele unterschiedliche Radien auf. Des-halb muss auf der Erkenntnis des Laplace-Gesetzes eine möglichst zylindrische Beinform angestrebt werden. Dies ist möglich durch Polsterungen, für die sich folgendes Vorgehen bewährt hat: Plane oder eingezogene Flächen müssen bis zur deutlichen Vorwölbung aufgepolstert

werden, damit der Verband einen Druck ausüben kann. Vorsprünge müssen in der Regel vor relativ zu starkem Druck geschützt werden, was durch eine Aufpolsterung neben den Vorsprüngen erreicht werden kann.

Kontraindikationen der Kompression beachten

Vorsicht ist vor allem bei älteren Venen- und Ulkuspatienten mit Begleiterkankungen wie Herz-Kreis-laufkrankheiten oder Diabetes mellitus geboten. Der Grund hierfür: Die Kompressionstherapie wirkt nicht nur auf die Venen, sondern auch auf die Arterien und das umgebende Gewebe. Zudem kann es durch die mitunter erhebliche Ödemausschwemmung zu Reak-tionen im gesamten Kreislauf kommen, was zum einen die hohe Wirksamkeit der Kompressionstherapie belegt,

zum anderen aber auch Komplikationen mit sich brin-gen kann. So besteht eine absolute Kontraindikation bei pAVK im Stadium 111-IV nach Fontaine oder einem Knö-chelarteriendruck unter 80 mm Hg. Weitere absolute Kontraindikationen sind eine dekompensierte Herzin-suffizienz, septische Phlebitis und Phlegmasia coerulea dolens. Ein besonderes Risiko tragen auch Diabetes-Patienten mit einer Mediasklerose, da hier sonogra-

phische Druckmessungen keine Aussagekraft haben» Eine relative Kontraindikation stellt des Weiteren eine fortgeschrittene periphere Neuropathie dar, weil bei unsachgemäßer Kompression durch Druck verursachte Ulzerationen auftreten können.

In der Literatur findet sich eine Vielzahl individueller Verband-

• Die Binde beim Anlegen unmittelbar auf der Haut

techniken, bei denen genaue abrollen [2] und beide Kan- Vorschriften zum Anlegen ten gleichmäßig in der Ablauf-

des Kompressionsverbandes richtung anziehen. Die Binde gemacht werden. Aber unab-

hängig davon, welcher Verband-

niemals vom Bein wegziehen,

weil damit die Führung verlo- technik der Vorzug gegeben ren geht und strangulierende

wird, sind einige grundsätzliche Schnürfurchen entstehen kön- Prinzipien beim Anlegen zu beachten:

nen.

• Die Binde wird so in die Hand genommen, dass der aufge-

rollte Teil der Binde oben liegt und nach außen zeigt (1]. Nur

so lässt sich die Binde am Bein abrollen.

richtig I 00 • Zum Anlegen ist das

gelenk re

Sprung-

chtwinkelig zu stel- len [3]. Nur so kann der grö-

ßere Umfang im Bereich des je Sprunggelenkes — etwa 1,5 falsch cm — berücksichtigt werden.

Beim Anlegen in gestreckter

Prinzipien zum Anlegen eines Kompressionsverbandes

PflegeDienst 3/2007 9

Zur Kompression des kran-

ken Beines wurden im Laufe

der Zeit die verschiedensten

Methoden entwickelt — wie

das Schnürstrumpfmodell

aus dem Jahre 1849, das von

Patienten bevorzugt wurde,

die ihre Verbände nicht

selbst anlegen konnten.

(Aus „Phlebologie" 1993)

Kraft-Dehnungsverhalten von Kurzzugbinden

Kraft

K2 L

AK ;

K1 -7

AD Dehnung cYo

Schematische Darstellung des Kraft-Dehnungsverhaltens von Kurzzugbinden bei aktiver Muskeltätigkeit: K1

bezeichnet den Anlegedruck der Binde an der unbewegten Extremität (Ruhedruck), K2 die Kraft, die der Verband der

Ausdehnung der Muskulatur bei der Muskelkontraktion entgegensetzt (Arbeitsdruck).

Die Kraftdifferenz AK ist bei Kurzzugbinden durch den steilen Anstieg der Kurve bei gegebener Deh-

nungsdifferenz AD gekennzeichnet. Die ausgeprägte Amplitude ist typisch für eine Kurzzugbinde mit ihrem hohen Arbeits- und niedrigen Ruhedruck.

Kraft

Produktfocus

Mit richtiger Kompression zum Therapieerfolg Welche Art und Stärke der Kompression im Einzelfall erforderlich ist, hängt von der Aus-prägung des Krankheitsbildes ab. Es muss deshalb Kompressionsmaterial mit unterschied-lichem Druckverhalten zur Verfügung stehen, um zu einer exakten, der jeweiligen Indikation entsprechenden Druckdosierung zu kommen.

Grundsätzlich wird das Druckverhalten der unter-schiedlichen Binden- und Strumpfmaterialien über die Druckgradienten Arbeitsdruck und Ruhedruck definiert.

Mit Arbeitsdruck wird der Widerstand bezeichnet den der Bindenverband oder auch der Kompressions-strumpf der Muskulatur bei Bewegung entgegensetzen kann. Je unnachgiebiger das zur Anwendung kom-mende Kompressionsmaterial ist, umso höher wird der Arbeitsdruck sein, der nach innen auf die Venen wirkt. Der Arbeitsdruck wird also immer an der bewegten Extremität gemessen.

Unter Ruhedruck ist der Druck zu verstehen, den ein Kompressionsverband oder -strumpf auch dann noch auf das Hautgewebe ausübt, wenn die Muskulatur nicht bewegt wird. Je elastischer eine Binde ist, umso höher

wird der Ruhedruck sein, weil das hochelastische Mate-rial das Bestreben hat, sich bei Entlastung im Ruhezu-stand zusammenzuziehen. Dies wird als Rückstellvermö-gen oder Rückstellkraft bezeichnet. Der Ruhedruck wird an der unbewegten Extremität gemessen.

Die Eignung eines Kompressionsmaterials für eine bestimmte Indikation ist somit davon anbhängig, welches Verhältnis von Arbeitsdruck zu Ruhedruck sich

durch den Verband erzielen lässt. Material, das einen hohen Arbeitsdruck und einen niedrigen Ruhedruck erzeugt, unterstützt am besten den Mechanismus der Muskelvenenpumpe. Durch den rhythmischen Wechsel

von sehr hohem und niedrigem Kompressionsdruck (siehe Grafik) wirken die Druckspitzen bei Muskelkon-traktionen bis in die Tiefe, während bei Muskelrela-xation die Gefäßbereiche der Endstrombahn entlastet werden.

Dagegen stehen die Blutgefäße bei Verbänden mit relativ niedrigem Arbeits- und hohem Ruhedruck unter

einem konstanten Dauerdruck, dessen Wirkung auf die Oberfläche beschränkt bleibt. Der Lüftungseffekt, der beim Wechsel von hohem Arbeits- und niedrigem Ruhe-druck entsteht, geht verloren.

Komprimierende Maßnahmen werden daher unter Ruhebedingungen umso besser vertragen, je niedriger der Ruhedruck ist. Bei zu hohem Ruhedruck muss die Kompressionstherapie unter körperlicher Ruhe und

insbesondere in der Nacht unterbrochen werden. Bei Abnahme eines Verbandes mit zu hohem Ruhedruck

ergießt sich zudem das Blut in die entlasteten Gefäße, und es entsteht ein starker Juckreiz, der nicht nur unan-genehm, sondern im Hinblick auf die Ekzemneigung des Betroffenen auch unerwünscht ist. Diese Problematik ergibt sich insbesondere bei der Anwendung von Lang-zugbinden, die deshalb für die Kompressionstherapie

bei Venenleiden absolut nicht geeignet sind. Nach den beschriebenen Kriterien können die für die

Kompressionstherapie zur Verfügung stehenden Materi-alien eingeteilt werden • in unnachgiebige Verbände aus Zinkleimbinden mit

dem höchsten Arbeitsdruck und Ruhedruck, 111 in wenig dehnbare Verbände aus Kurzzugbinden mit

hohem Arbeitsdruck und niedrigem Ruhedruck, • in zweiteilige Strumpfsysteme (siehe Saphenamed

ucv), die durch ihre Kompressionswirkung mit realtiv hohem Arbeitsdruck und niedrigem Ruhedruck für die Akutbehandlung konzipiert sind,

• in medizinische Kompressionsstrümpfe mit verschie-denen Kompressionsklassen, die hauptsächlich in der Nachsorge zum Einsatz kommen.

Unabhängig von der Indikation und vom verwendeten Material gilt, dass ein Kompressionsverband seine volle Wirksamkeit erst in Verbindung mit Bewegung erreicht. Dies ist beim geriatrischen Patienten allerdings nicht immer einfach umzusetzen. Aber selbst ein Herumgehen in der Wohnung oder ein Auf- und Abgehen mit dem Rollator auf Pflegeheimfluren ist ein kleiner Zugewinn an Mobilität.

10 PflegeDienst 3/2007


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