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Harmonisation

Date post: 05-Dec-2014
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jazz
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Harmonisation und Reharmonisation 1 Harmonisation und Reharmonisation J etzt, da wir wissen, nach welchen harmonischen Grundprinzipien ein Jazzstandard funktioniert, möchte ich auf ein Thema eingehen, das besonders im Umgang mit dem Standardrepertoire eine wichtige Rolle spielt: Reharmonisation. So wenig verpflichtend die schematisierte Notation eines Leadsheets aus melodischer Sicht ist, so flexibel kann auch das harmonische Gerüst eines Themas gehandhabt werden. Da die Melodie eines Stücks den stärksten Wiedererkennungswert hat, ist es möglich, die Harmonik weitgehend zu verändern, ohne dass der Bezug zum Original verloren geht. Man unterscheidet drei grundsätzliche Reharmonisationsmöglichkeiten: das Ersetzen der ursprünglichen Akkordverbindung durch neue Changes (teilweise oder ganz); das Einfügen zusätzlicher Klangfarben in die bestehende Akkordfolge; das Entfernen von Akkorden. All diese Möglichkeiten verändern die Changes, aber nicht die Melodie. Die Melodie ist die Konstante, die alles zusammenhält. Die Frage, ob eine bestimmte Reharmonisation möglich ist, hängt also immer davon ab, ob sie zu den Melodietönen passt. Reharmonisiert wird üblicherweise nur das Thema. Die Improvisationen laufen dagegen wieder weitgehend über die Originalchanges. Während eines Solos wird allerdings häufig spontan reharmo- nisiert. Dies sind aber meistens nur punktuelle Veränderungen, die nicht konsequent in jedem Chorus gespielt werden. Reharmonisation dient der Färbung, Bereicherung, Verfremdung, Verzierung eines Themas. Sie kann eine Passage komplexer, schärfer, kantiger, dissonanter, aggressiver, aber auch einfacher, weicher, runder und konsonanter machen – je nachdem, welchen Effekt man erzielen will, welche Reharmonisationstechnik verwendet wird und wie weit man sich vom Original entfernt. Sie wird aber auch eingesetzt, um besonders flüssige oder ungewöhnliche Stimmführungen und Bassbewegungen zu erzielen. Durch Reharmonisation lässt sich darüber hinaus der harmonische Rhythmus beeinflus- sen. So kann man bei Balladen durch Hinzufügen von Akkorden den harmonischen Puls beschleunigen oder die Akkordfolge bei einem hohen Tempo oder häufigen Akkordwechseln durch das Entfernen einzelner Changes vereinfachen und glätten. Gerade bei Themen mit einer komplexen Harmonik ist es üblich, für die Solochorusse eine eigene Akkordfolge zu entwerfen, die einerseits den Charakter des Themas trifft und andererseits einfach genug ist, um relaxed improvisieren zu können. Reharmonisationen lassen sich besonders wirkungsvoll einsetzen, wenn eine Melodie sehr tonal ist. Wird eine diatonische Melodie nur mit diatonischen Changes harmonisiert, wirkt das schnell langweilig. Verwendet man dagegen Sounds, die zwar eine gewisse Beziehung zur Tonalität haben, die aber immer wieder chromatisch gegen das Tonalitätsgefühl drücken, dann erhält man ein viel spannenderes Klangbild. Der tonale Charakter der Melodie wird auch eine ungewöhnliche Akkordfolge zusammenhalten.
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Harmonisation und Reharmonisation

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Harmonisation und Reharmonisation

Jetzt, da wir wissen, nach welchen harmonischen Grundprinzipien ein Jazz standard funktioniert, möchte ich auf ein Thema eingehen, das besonders im Umgang mit dem Standardrepertoire eine wichtige Rolle spielt: Reharmonisation. So wenig ver pfl ichtend

die schematisierte Nota tion eines Leadsheets aus melodischer Sicht ist, so fl exibel kann auch das harmonische Gerüst eines Themas gehandhabt werden. Da die Melo die eines Stücks den stärksten Wiedererkennungswert hat, ist es möglich, die Har monik weit gehend zu verändern, ohne dass der Bezug zum Original verloren geht.

Man unterscheidet drei grundsätzliche Reharmonisationsmöglichkeiten:

• das Ersetzen der ursprünglichen Akkordverbindung durch neue Changes (teilweise oder ganz);

• das Einfügen zusätzlicher Klangfarben in die bestehende Akkordfolge;

• das Entfernen von Akkorden.

All diese Möglichkeiten verändern die Changes, aber nicht die Melodie. Die Melodie ist die Konstante, die alles zusammenhält. Die Frage, ob eine bestimmte Reharmonisation möglich ist, hängt also immer davon ab, ob sie zu den Melodietönen passt. Reharmonisiert wird üblicherweise nur das Thema. Die Improvisationen laufen dagegen wieder weit ge hend über die Originalchanges. Während eines Solos wird allerdings häufi g spontan rehar mo-ni siert. Dies sind aber meistens nur punktuelle Veränderungen, die nicht konsequent in jedem Chorus gespielt werden.

Reharmonisation dient der Färbung, Bereicherung, Verfremdung, Verzierung eines Themas. Sie kann eine Passage komplexer, schärfer, kantiger, dissonanter, aggressiver, aber auch einfacher, weicher, runder und konsonanter machen – je nachdem, welchen Effekt man erzie len will, welche Reharmonisationstechnik verwendet wird und wie weit man sich vom Ori ginal entfernt. Sie wird aber auch eingesetzt, um besonders fl üssige oder ungewöhnliche Stimm führungen und Bassbewegungen zu erzielen.

Durch Reharmonisation lässt sich darüber hinaus der harmonische Rhythmus beein fl us-sen. So kann man bei Balladen durch Hinzufügen von Akkorden den harmonischen Puls beschleu nigen oder die Akkordfolge bei einem hohen Tempo oder häufi gen Akkordwechseln durch das Ent fernen einzelner Changes vereinfachen und glätten. Gerade bei Themen mit einer kom plexen Harmonik ist es üblich, für die Solochorusse eine eigene Akkordfolge zu ent werfen, die einerseits den Charakter des Themas trifft und andererseits einfach genug ist, um relaxed improvisieren zu können.

Reharmonisationen lassen sich besonders wirkungsvoll einsetzen, wenn eine Melodie sehr tonal ist. Wird eine diatonische Melodie nur mit diatonischen Changes harmonisiert, wirkt das schnell langweilig. Verwendet man dagegen Sounds, die zwar eine gewisse Beziehung zur Tonalität haben, die aber immer wieder chromatisch gegen das Tonalitätsgefühl drücken, dann erhält man ein viel spannenderes Klangbild. Der tonale Charakter der Melodie wird auch eine ungewöhnliche Akkordfolge zusammenhalten.

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Die neue Jazzharmonielehre

Reharmonisation kann den Charakter und die Wirkung eines Themas extrem verändern. Und das ist letztlich auch Sinn der Sache – etwas Bekanntes neu zu gestalten. Natürlich wird eine Rehar monisation nur dann als solche erkennbar sein, wenn es eine Originalversion gibt, die dem Hörer geläufi g ist. Reharmonisation wird daher in erster Linie dazu verwendet, um das Standardrepertoire aufzufrischen. Hier wird das Ohr eine Reharmonisation als Abwei-chung von der Klangerwartung und damit als Überraschungsmoment registrieren.

Melodie und Changes

Reharmonisationen orientieren sich an den Originalchanges – und die wiederum orientieren sich an der Melodie und ihrer harmonischen Grundsubstanz. Bevor man also rehar mo nisiert, muss man grundsätzlich ein Gefühl für die harmonische Bedeutung einer Melodie haben. Man kann schließlich nicht einfach blind Akkorde ein fügen oder ersetzen. Unser Ohr spürt aus Gewohnheit hinter jeder Melodielinie eine har mo ni sche Bewegung, die man nicht ignorieren sollte. Eine Melodie kann daher auch als „Linearisierung“ einer Akkordfolge angesehen werden. Lasst uns also einen Schritt zurückgehen und uns zuerst mit den wichtigsten Aspekten der Melodieharmonisierung befassen.

Untersucht man die Grundskalen Dur (Ionisch) und Moll (Äolisch bzw. Harmonisch Moll), dann hat jeder Skalenton neben seiner melodischen auch eine harmonische Bedeu-tung. Beschränkt man sich vorerst auf die Elementarfunktionen I, IV, V7 bzw. I-, IV-, V7, so las sen sich die verschiedenen Skalentöne folgendermaßen interpretieren (siehe dazu auch die Gehörbildungsübungen auf S. 400ff):

Wenden wir die obigen Überlegungen auf ein konkretes Beispiel an – ein Bal la den thema in Bb-Dur. Es ist die Melodie von „In The Wee Small Hours Of The Morning“ von David Mann und Bob Hilliard:

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Versucht nicht jeden Ton harmonisch zu deuten. Das führt nur zu chaotischen Akkord-folgen. Orientiert euch zuerst an den wichtigen Tönen (Taktanfänge, lange Notenwerte etc.) – sie werden harmonisiert, während Durchgänge kein eigenes Akkordsymbol erhalten. Denkt auch an den harmonischen Rhythmus – er wird immer eine gewisse Kontinuität haben (regelmäßiger Puls) und/oder einer Entwicklung folgen: z. B. gemächliche Akkord-wechsel am Anfang und Beschleunigung gegen Ende eines Formabschnitts. Auch der Span-nungsverlauf pendelt meistens zwischen „schwer“ und „leicht“ hin und her.

Wenn man die zentralen Melodietöne nur mit I, IV oder V harmonisiert, dann sind die folgenden Überlegungen gut nachvollziehbar: Am Anfang bewegt sich in der Melodie fast nichts. Sie kreist um die beiden Haupttöne Bb und D, die harmonisch als Tonika interpretiert werden. Erst in Takt 4 muss sich die Farbe ändern. Das C erzeugt ein Dominantgefühl und wird daher mit F7 harmonisiert. In Takt 5 wird das G als Subdominante Ebmaj7 gedeutet, die in Takt 6 wieder zurück nach Bbmaj7 läuft (F und D auf dem Beat).

In Takt 7 ist das Tonmaterial nicht mehr diatonisch. Da die chromatischen Abweichungen am Taktanfang bzw. auf dem Beat liegen, sind sie harmonisch von Bedeutung. Die bestmögliche Harmonisierung ist A7 – das D ist ein Durchgang, alle anderen Töne gehören zum Akkord. Da das Thema ab Takt 9 wiederholt wird und damit nach Bbmaj7 zurückkehrt, muss das F in Takt 8 als Dominante F7 gedeutet werden. Seid euch jetzt schon des Problems bewusst, das wir an dieser Stelle lösen müssen. Wir landen von A7 kommend auf F7 – eine relativ seltsame Akkordverbindung. Das ist eine Stelle, die reharmonisiert werden muss, um eine schlüssigere harmonische Bewegung zu erzielen.

In Takt 11 ändert sich das Thema im Vergleich zur ersten Zeile. Die Töne F und C deuten auf F7. Da aber die Melodie in Takt 12 auf dem G (= Ebmaj7) landet, dürfte schon jetzt klar sein, dass wir stattdessen Bb7 als vorbereitende Zwischendominante (V7/IV) einfügen wer den, um die Bewegung nach Ebmaj7 zu verstärken. In Takt 13 bleibt Ebmaj7 stehen (beach tet das G auf der Drei). Erst im nächsten Takt kadenziert die Akkordfolge zurück zur Tonika. Hier wird Bb6 anstelle von Bbmaj7 verwendet, um der Kollision mit dem Bb in der Melo die aus dem Weg zu gehen. Am Schluss hören wir eine halbtaktige Schlusskadenz (IV-V-I). Das Ergebnis:

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Die neue Jazzharmonielehre

Damit ist das harmonische Grundgerüst des Themas defi niert. Reharmonisationen res-pek tieren üblicherweise diese harmonischen Rahmenbedingungen.

Manchmal muss man in noch größeren Bögen denken. Ein gutes, wenn auch unge-wöhnliches Beispiel ist die Melodie von „Bye Bye Blackbird“ von Ray Henderson:

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Versucht die Funktionsanalyse nachzuvollziehen. Kommen wir zuerst zu den Vorhalten. Unter einem Vorhalt versteht man eine auf einem betonten Taktschlag (z. B. auf der Eins) lie gende Nebennote, die sich auf einem unbetonten Taktschlag (z. B. auf der Zwei) in den Haupt ton aufl öst. Da es bei der melodischen Analyse in erster Linie auf die Haupttöne ankommt, können Vorhalte ignoriert werden. Die ersten fünf Takte sind also ganz klar T-T-D-T-T.

Interessant ist Takt 6. Er müsste eigentlich als Dominante interpretiert werden. Die Takte 7 und 8 sind aber ebenfalls ganz klar dominantisch. Das E deutet auf C7. Das F ist ein Vor-halt, der als G-7 und somit als vorgeschalteter II-7 empfunden wird, wenn man über die ele men ta ren Funktionen I, IV und V hinausgeht. Es wäre daher musikalisch nicht logisch, die Domi nante schon in Takt 6 vorwegzunehmen. Schlussfolgerung: Takt 6 muss wei ter hin als Tonika aufgefasst werden oder ein Durchgangsakkord sein, der sich in Takt 7 ent weder in die Dominante oder den Vorhalt II-7 aufl öst.

Damit wird ein übergeordneter harmonischer Bogen erkennbar, der sich nicht nur an ein zelnen Melodietönen oder Takten, sondern an der formalen Struktur der gesam ten 16-taktigen Phrase orientiert. Da die Dominante in Takt 3 nur als Durchgang gehört wird (bedingt durch die motivische Gestalt der Melodie), kann man die ersten acht Takte zusam-men gefasst in sechs Takte Tonika und zwei Takte Dominante unterteilen (I-V). In den Takten 9–16 dreht sich aus denselben Gründen die grundlegende Funktionsverteilung um. Wir hören sechs Takte lang Dominante und zwei Takte lang Tonika (V-I). Jede Har mo ni sie-rung muss sich in ihrer Grundlage auf dieses grobe Raster stützen.

Aufgabe

Harmonisiert nach diesem Muster die beiden folgenden Melodien: „Stille Nacht“ (Joseph Mohr, 1818)

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„Ich hab‘ die Nacht geträumt“ (um 1777)

Reharmonisation durch Ersetzen der Grundchanges (Substitution)

Schauen wir uns die wichtigsten Substitutionsmöglichkeiten in der Übersicht an:

• Veränderung des Tonmaterials (Skala)• Variation der Akkordstruktur (Voicing)• Verwendung eines anderen Akkordtyps bei gleichem Grundton• Diatonische Substitution• Dominantsubstitution• Vertretung durch Modal Interchange• Färben des Melodietons

Veränderung des TonmaterialsDie elementarste Form der Reharmonisation ist die Veränderung des Akkord klangs durch eine Variation der Tensions. Das bedeutet das Ersetzen von vor gegebenen Tensions

• durch andere Tensions aus derselben Skala;• durch Verwendung einer anderen Skala.

Während die erste Möglichkeit relativ subtil wirkt, weil die Grundskala des Akkords erhal-ten bleibt, kann die Wahl eines anderen Skalentyps zu einer dramatischen Farbänderung füh ren. So wird das Ersetzen von Cmaj7 durch C6/9 oder von F7(b9) durch F7(#9/b13) noch nicht sehr auffällig sein. Einen ionischen Maj7-Akkord durch Maj7(#11)/Lydisch oder Maj7(#5)/Lydisch(#5) zu substituieren, ist dagegen schon ein größerer Schritt hin zu einem unge wöhn licheren Klangbild. Schauen wir uns die verschiedenen Substitutionsmög lich kei-ten an:

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Maj7 (Ionisch): durch Lydisch oder Lydisch(#5)Moll7 (Äolisch): durch Dorisch, MM oder HM7(Mixolydisch): durch HM5/Alteriert oder HTGTMoll7(b5) (Lokrisch): durch Lokrisch(9)Sus4 (Mixolydisch): durch HM5

Variation der AkkordstrukturEine weitere Variante ist die Veränderung der Akkordstruktur. Durch ein Akkordsymbol wird kein konkreter Aufbau vorgegeben. In der Regel wird daher automatisch eine Terz-schichtung (oder eine ihrer Umkehrungen) gespielt. Sehr unterschiedliche Klangbilder las sen sich aber erzielen, wenn man eine ungewöhnlichere Intervallschichtung wählt: Umkehrung, Quartvoicing, Cluster, Upper Structure, Slash Chord und so weiter.

Diese Form der Reharmonisation wird in erster Linie spontan während einer Improvisation ein gesetzt. Pianisten und Gitarristen färben mit diesem Mittel ganz selbstverständlich die Chan ges. Eine Systematik gibt es nicht. Man jongliert einfach mit den Voicingvarianten, die man in den Fingern hat. Ich erwähne diese Form der Reharmonisation trotzdem, weil ihr bei einer Transkription (siehe S. 427 ff) immer darauf gefasst sein müsst, dass eine her-kömmliche Akkord folge plötzlich seltsam wirkt – nicht etwa weil, ein anderer Akkordtyp verwendet wird, son dern weil es sich um ein unge wöhnlich klingendes Voicing handelt.

Veränderung des AkkordtypsAuch das ist eine gängige Substitutionsmöglichkeit, sofern es die Melodie zulässt – die Ver-wen dung eines anderen Akkordtyps bei gleichem Grundton. Im folgenden Beispiel seht ihr die Schlusspassage von „There Will Never Be Another You“ – oben stehen die üblichen Changes, unten einige der möglichen Substitutionen; sie können fast beliebig miteinander kom biniert werden):

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FunktionsvertretungIn einem weiteren Schritt kann ein Akkord durch einen anderen Akkord gleicher oder ähnlicher Funktion ersetzt werden. Die Möglichkeiten in der Übersicht:

• Diatonische Vertretung• Ersetzen von V7 durch SubV oder verminderte Akkorde• Ersetzen von herkömmlichen Kadenzklängen durch Modal-Interchange-Funktionen

Wir haben im Kapitel „Diatonik“ alle diatonischen Akkorde einer Durtonleiter in Toni ka-, Subdominant- und Dominantfunktionen unterteilt und dabei festgestellt, dass die Mit glieder einer Funktionsgruppe untereinander austauschbar sind, weil sie dieselbe Span-nungs charakteristik haben. So können Imaj7 durch III-7 oder VI-7, IVmaj7 durch II-7 und V7 durch VII-7(b5) ersetzt werden (und umgekehrt). Die Funktion V7(sus4) kann sowohl als (relativ konsonante) Dominantfunktion wie auch als Subdominantfunktion aufgefasst wer den, da ihr der Tritonus der Dominante fehlt.

Des Weiteren lässt sich jede Dominante durch ihren Tritonusvertreter oder eine ver min-derte Funktion substituieren. Man kann es auch allgemeiner formulieren: Jeder Kadenz-akkord kann durch eine andere Kadenzfunktion ersetzt werden. Das folgende Bei spiel zeigt, wie mit ein paar gedanklichen Zwischenschritten aus einer einfachen V-I-V-I-Verbindung ein vergleichsweise komplexer Kadenzverlauf entstehen kann (in F-Dur):

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Färben der MelodieEin wichtiger Aspekt bei der Reharmonisation ist das Verhältnis zwischen Melodieton und Akkord und damit die Ausstrahlung des Themas. Seid euch bewusst, dass zum Beispiel ein Grund ton platt wirkt, eine Terz nur wenig, eine #9 dagegen sehr viel Energie hat, dass man mit einer Quinte weniger, mit einer #11 mehr Spannung erzeugt. Je nachdem, wo ihr euch im Stück befi n det, lohnt es sich, darüber nachzudenken, ob die Stelle nach einer span-nungs reichen, aus drucks star ken Farbe verlangt (Tension), oder ob sie eher eine ruhige, unauf dringliche Wir kung haben soll (Akkordton). Jeder „langweilige“ Melodieton kann also durch eine Rehar mo nisation span nen der gemacht werden, ohne dass ein funktionaler Zusam menhang beste hen muss.

Schauen wir uns an, wie ein einzelner Melodieton mit den wichtigsten Akkordgrundtypen har monisiert werden kann und welche Intervallbeziehungen dabei entstehen:

Um sich die Reharmonisationsmöglichkeiten für einen bestimmten Ton merken zu kön-nen, gibt es einen Trick: Bei Maj7-Akkorden ergeben die Grundtöne eine absteigende phry-gische Skala, bei Sus4-Akkorden erhalten wir Äolisch.

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Aufgabe

Stellt dieselben Überlegungen zu Moll7- und Moll7(b5)-Akkorden an.

Ab diesem Punkt sind die Reharmonisationsmöglichkeiten schier unendlich und nur schwer systematisierbar. Alles ist denkbar. Ich möchte euch daher mit der Reharmonisation von Imaj7 nur ein kleines Beispiel für diese Denkweise geben. Besonders am Ende eines Themas trifft man häufi g auf den Grundton in der Melodie und die Tonika in der Akkordbegleitung – ein sehr spannungsloser und endgültiger Sound. Der Tonikaklang wird daher häufi g ver-än dert, um den Schlusston interessanter zu gestalten. Hier sind mehrere Substitutionen für die Schlusspassage von „There Will Never Be Another You“. Am häufi gsten fi ndet man bIImaj7 als Tonikaersatz (der Melodieton wird zur maj7) – die anderen Varianten sind denk-bar aber weniger gebräuchlich:

Da die meisten Standards mit der Tonika beginnen und enden, verhindert man mit der Sub stitution von Imaj7 zudem ein Stagnieren der Akkordfolge am Übergang von einem Chorus zum nächsten.

Reharmonisation durch Erweiterung der Grundchanges

Ein beliebtes Spiel ist das Einfügen von Farben in eine bestehende Akkordfolge. Wenn wir zusätz lich zu den diatonischen Funktionen auf deren Zwischendominanten, ihre Tri-to nusvertreter, auf verminderte Akkorde, Modal Interchange, Umkehrungen, Bass durch-gänge etc. zurückgreifen, dann verfügen wir über einen recht großen Klang katalog, mit dem sich die Grundchanges erweitern lassen.

Wichtigstes Mittel, um ein aktives Klangbild zu erhalten, ist der Einschub von Zwi schen-do mi nan ten oder deren Tri to nus ver tre tern. Nehmen wir einen viertaktigen, dia to ni schen Turn around in G-Dur als Beispiel:

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Häufi g werden die zu den Dominanten gehörigen II-7-Akkorde vorgeschaltet – V7 wird zu II-V und SubV zu Sub(II-V) erweitert. So z.B. in den ersten vier Takten von „All The Things You Are“:

Eine ähnliche Wendung fi ndet man häufi g im vierten Takt des traditionellen Blues-Schemas:

Diesen Einschub fi ndet man zum Beispiel im „West Coast Blues“ von Wes Montgomery sogar als Teil des Themas. Normalerweise wird diese Reharmonisation aber während einer Improvisation vom Solisten verwendet, um mit einer ungewöhnlich klingenden Linie gegen die Grund changes zu spielen.

Häufi g werden chromatische II-V-Verbindungen eingeschoben, die als Vorhalte wirken und den Bewegungsdrang der Akkordfolge verstärken. Ein gutes Beispiel fi ndet ihr auf Seite 247 in der Transkription von Wes Montgomerys Solo über „Tune Up“:

Dass es keine spontane, sondern eine abgesprochene Reharmonisation ist, erkennt man daran, dass sie nicht nur vom Solisten, sondern auch von der Rhythmusgruppe gespielt wird.

Eine häufi g zu hörende Reharmonisation ist die folgende Variante des letzten A-Teils von „Stella By Starlight“:

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Durch die eingefügten II-V-Patterns werden die ursprünglichen Changes komprimiert. Der halbtaktige harmonische Rhythmus bewirkt zusammen mit der jetzt chromatisch fallen-den Bassbewegung einen Beschleunigungseffekt, der die Schlusswirkung verstärkt und die Akkord folge noch zwingender in die Tonika hineinkadenzieren lässt. In der Aufnahme von Stan Getz (siehe pdf-L) ist allerdings nur der zweite Teil dieser Reharmonisation zu hören (Db-7/Gb7 – was durch die Melodie bestätigt wird; sie enthält an dieser Stelle einen Gb-Durdreiklang).

Besonders das letzte Beispiel verdeutlicht ein Grundprinzip der Reharmonisation: Jede har monische Veränderung sollte eine stimmige Verbindung mit der Komposition eingehen. Damit ist nicht nur das Verhältnis zwischen Melodie und jeweiligem Akkord gemeint; auch der harmonische Fluss muss gewahrt bleiben. Die besprochenen Reharmonisationen von „Stella By Starlight“ erfüllen beide Kriterien, denn sie fügen sich nahtlos in die ursprüngliche Akkord folge ein und stellen zudem einen sinnvollen Bezug zum Thema her (siehe dazu die Intervallanalyse in der vorausgegangenen Notendarstellung).

Reharmonisationen werden häufi g eingesetzt, um eine konsequentere oder interessantere Bass bewegung zu erzielen. Besonders das Prinzip der Gegenbewegung spielt hierbei eine Rolle: Die Melodielinie läuft nach oben, die Basslinie gleichzeitig nach unten – oder umge-kehrt. Bei den folgenden zwei Varianten von „Here’s That Rainy Day“ sieht man, wie der har mo nische Grundgedanke (Modal Interchange) in beiden Fällen derselbe ist, obwohl sich die Akkordfolgen auf den ersten Blick deutlich voneinander unterscheiden. Im einen Fall überwiegt G-Dur, im anderen G-Moll; die erste ist recht einfach, die zweite dagegen – auch wegen der vielen Umkehrungen und Bassdurchgänge – relativ komplex. Entscheidend ist aber die absteigende Basslinie, die einen schönen Gegensatz zur aufsteigenden Melodielinie erzeugt:

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Solche Veränderungen entstehen zum Teil spontan während einer Improvisation, sind also nicht mehr als momentane Farbtupfer. Manche Reharmonisationen – besonders wenn sie von bekannten Musikern stammen – entwickeln ein Eigenleben und werden im Laufe der Zeit zu einem festen Bestandteil des Standardrepertoires. Es ist durchaus möglich, dass es für ein und dasselbe Thema mehrere gleichberechtigte Akkordfolgen gibt. So haben sich beide Varianten von „Here’s That Rainy Day“ durchgesetzt; man sollte sich daher vor dem Ein zählen darauf einigen, welche Version man spielen will.

Sehr beliebt ist das Färben von langen Melodietönen durch wechselnde Sounds. Dadurch wird zusätzliche harmonische Bewegung erzeugt, während die Melodie ruht. Am Beispiel von „Girl From Ipanema“ möchte ich euch zeigen, wie die Originalchanges punk tuell in einem Arrangement vom großen Meister Jobim selbst verändert worden sind. Es handelt sich um die Schlusstakte des ersten A-Teils:

Ihr seht: Regeln gibt es beim Reharmonisieren eigentlich keine. Grundsätzlich versucht man jedoch, den Charakter der ursprünglichen Akkordfolge zumindest im Ansatz zu bewahren.

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In The Wee Small Hours Of The Morning

Kehren wir zu unserem Beispiel „In The Wee Small Hours Of The Morning“ zurück. Wir werden das Akkordschema jetzt im Sinne der weiter oben vorgegebenen Grund har mo ni-sie rung erweitern. Da die Harmonik im Jazz üblicherweise einem regelmäßigen Puls folgt, sollte man auch bei der Reharmonisation eine gewisse Konsequenz suchen. Seid euch aber der Tempoproblematik bewusst. Je schneller das Stück, desto weniger kann eingefügt wer-den – das Ergebnis würde zu hektisch und überladen wirken. Hier geht es aber um eine Bal lade – damit haben wir erheblich mehr Bewegungsspielraum. Die Changes kön nen halb- oder sogar vierteltaktig verlaufen.

Das erste Problem ist die statische Harmonik am Anfang des Themas. Da die Melodie in zwei taktigen motivischen Bögen verläuft, werden wir aus Gründen der Wiederholung in Takt 3 wieder Bbmaj7 hören wollen. Es geht also darum, einen harmonischen Kreislauf zu fi nden, der Bewegung erzeugt und nach zwei Takten wieder auf der Tonika landet. Die ein fachste Lösung ist ein Turnaround mit halbtaktigen Akkordwechseln. Da die Melodie in Takt 2 das Bb enthält, muss man F7 durch F7(sus4) ersetzen. Auch in den Takten 3 und 4 passt der Turnaround. In Takt 5 steht die Subdominante. Hier wiederhole ich die II-V-Ver bindung (C-7/F7) – einerseits, weil C-7 (II-7) auch eine Subdominantfunktion ist, und ande rer seits, weil der harmonische Puls damit halbtaktig bleibt.

Wir machen nun einen Sprung in Takt 8. Ihr werdet gleich erkennen, warum das notwendig ist. Macht euch klar, dass wir uns am Ende des ersten Formteils befi nden. Hier wird man einen starken Bewegungsdrang erwarten, der zum Anfang des nächsten Abschnitts führt. Melo disch passiert allerdings kaum etwas – der Ton F liegt relativ statisch in der Landschaft und trägt nur durch seine Intervallfunktion in der Tonart (5) zu dem an dieser Stelle nöti-gen Aufl ösungsgefühl bei. Formal ist das durchaus in Ordnung – schließlich markiert das F den Abschluss des ersten großen Melodiebogens. Das bedeutet aber, dass diese Stelle nach harmonischer Aktivität verlangt. Am besten lässt sich das mit einem Turnaround (III-VI-II-V) bewerkstelligen, bei dem die Akkorde vierteltaktig wechseln und der innerhalb sehr kur zer Zeit wieder zur Tonika zurückkehrt. Dadurch schlagen wir zwei Fliegen mit einer Klappe: Zum einen erzeugen wir die erwünschte harmonische Bewegung, zum anderen lösen wir auch noch ein weiteres Problem, nämlich den Anschluss von A7. Jetzt erscheint nicht F7 sondern der erwartete D-7.

Takt 7 muss jetzt ebenfalls verändert werden. Mit halbtaktigen Akkordwechseln vorher und vierteltaktiger Bewegung nachher wäre es musikalisch unsinnig, einen ganzen Takt lang auf A7 stehen zu bleiben (noch dazu, weil es sich um eine Dominante handelt, die eigent-lich Aufl ösungstendenz haben sollte). Um die Changes zumindest halbtaktig zu machen, schal ten wir vor die Dominante die dazugehörige II. Stufe. Das sollte aus tonalen Gründen ein E-7(b5) sein, was auch melodisch gut funktioniert (das C# ist hier ein chromatischer Wech selton).

In Takt 6 steht Bbmaj7. Nun heißt es, eine gute Verbindung zum nachfolgenden E-7(b5) zu schaf fen. Das geht am besten mit einer diatonisch absteigenden Basslinie (Bb-A-G-F-E), die über Bbmaj7/A, G-7 und G-7/F schlüssig im E landet. Auch wenn die Changes eigent lich halb-tak tig sind (Bbmaj7 - G-7), so wird durch die Basslinie doch eine gewisse Vier teltaktigkeit sug geriert. Das ist insofern sinnvoll, als damit die schnelle har monische Bewe gung in Takt 8 schon vorher angedeutet wird, und dort nicht mehr so unvermittelt erscheint.

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Was diese Diskussion zeigen soll: Wir haben uns rückwärts in die Changes hineingedacht. Wir haben zuerst die harmonischen Ziele defi niert und uns danach überlegt, auf wel chem Weg diese Ziele zu erreichen sind. Wir sind zu Takt 9 gesprungen und haben uns zu Takt 6 zurückgearbeitet. Dadurch können wir sicher sein, dass die Changes auch wirk lich schlüssig und klanglich logisch in Takt 9 landen.

In der zweiten Hälfte beginnen wir natürlich so wie in der ersten Zeile. Ab Takt 11 ändert sich aber das Geschehen. Ich hatte ja schon angedeutet, dass wir den Ebmaj7 in Takt 12 mit einem Bb7 vorbereiten, um die Aufl ösungsbewegung zu verstärken. Auch hier müssen wir allerdings an die Halbtaktigkeit der Changes denken. Die beste Lösung ist natürlich, dem Bb7 die dazugehörige II. Stufe F-7 vorzuschalten (das passt auch melodisch bestens).

Das nächste Problem, das es zu lösen gilt, ist der Ebmaj7 in den Takten 12 und 13 – zum einen, weil er zwei Takte lang stehen bleibt (während der harmonische Puls bisher viel schneller war), zum anderen, weil er in den letzten Viertakter weiterklingt (von leicht nach schwer). Um Ebmaj7 (Subdominante) zu halten, aber dennoch einen neuen Sound einzuführen, fällt die Wahl logischerweise auf C-7 – ebenfalls eine Subdominantfunktion. D-7 wird als Durchgang dazwischengeschaltet, um Bewegung zu schaffen.

Kommen wir zur Schlusskadenz. Wenn ihr den vorletzten Takt betrachtet, dann ist das C auf der Zählzeit Drei ganz klar als F7 zu harmonisieren. Wir befi nden uns kurz vor der Schluss aufl ösung, was eigentlich nach einer starken Spannung verlangt. Die 5 hat aber sehr wenig Span nung. Obwohl das D (=13) auf der Zählzeit Vier folgt, gilt bei halbtaktigen harmonischen Wech seln die Zählzeit Drei als Schwerpunkt. Das Einschieben von Gb7 ist also eine gute Wahl. Damit wird das C zu einer #11, deren Spannung sich in die 13 des nachfolgenden F7 weiter hält. Zugleich entsteht ein kleines Beschleunigungsmoment, das den Aufl ösungsdruck in die nachfolgende Tonika verstärkt.

Hier ist die reharmonisierte Version:

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Die neue Jazzharmonielehre

Im Prinzip hat sich im Vergleich zur Grundharmonisierung nicht viel geändert. Das har- mo nische Geschehen ist jetzt zwar dichter, die Kadenzverläufe sind durch Zwischenakkorde erwei tert, aber eigentlich entspricht das Ergebnis immer noch der Elementarversion – und was wir erhalten, ist mehr oder weniger das, was in den meisten Real Books als Changes für „In The Wee Small Hours Of The Morning“ zu fi nden ist.

Es gibt natürlich eine Fülle von Varianten. Hier ist eine Alternative für die ersten acht Takte. Macht euch Gedanken zu den Unterschieden und analysiert die Akkordfolge:

Interessant sind die ersten beiden Takte. Hier gilt es, Bewegung zu erzeugen, obwohl sich die Grundharmonik nicht ändert. Im vorausgehenden Beispiel wird die Bewe gung durch ein Line Cliché in der Mittelstimme erzeugt: A-Ab-G-Gb-F-F#-G. Nach fol gend seht ihr einige weitere Möglichkeiten, die ich auf Aufnahmen und in ver schie de nen Real Books gefunden habe:

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Harmonisation und Reharmonisation

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Natürlich kann man noch viel weiter gehen und den traditionellen Charakter der Chan-ges gänzlich aufbrechen. Allerdings gilt: Akkorde x-beliebig zu ersetzen oder ein zu fü gen kann schnell unorganisch und aufgesetzt wirken. In dem weit verbreiteten Wahn, unbe-dingt originell und modern klingen zu wollen, wird häufi g rücksichtslos an der har mo-nischen Grundsubstanz eines Standards herumgebastelt. Mir stellt sich in solchen Fällen immer die Frage, ob derart drastische Reharmonisationen im Sinne der Kom position sind, oder ob sie an deren Stil und Stimmung vorbeizielen. Es ist bezeichnend, dass gute und stil bewusste Jazzmusiker eher behutsam mit dem traditionellen Repertoire umgehen, nur punk tuelle harmonische Veränderungen vornehmen und dadurch ein Gleichgewicht zwi-schen der ursprünglichen Absicht des Kom po nisten und dem eigenen Klangempfi nden her-stellen. Nichts gegen Experimente – wenn man aber schon Anleihen bei anderen Musikern macht, dann bitte mit einem gewissen Respekt (weshalb sonst spielt man die Stücke?). Wer wirklich auf der Suche nach neuen Klangfarben ist, der soll gefälligst eigene Kompositionen schreiben!

Trotz dieser Einschränkung dürfte klar sein, dass jedes Stück eine Fülle von Möglichkeiten zur Reharmonisation bietet. Sie systematisieren zu wollen ist ein Ding der Unmöglichkeit. Letzt lich hängt jede Reharmonisation vom persönlichen Geschmack ab. Gewöhnt euch an den Gedanken, dass jedes Leadsheet nicht mehr als ein Leitfaden ist, und dass es neben der Originalversion einer Komposition unzählige harmonische Varianten zu entdecken gibt.

Aufgaben

1. Harmonisiert die Melodie von „Der Mond ist aufgegangen“ (J. A. P. Schulz, 1747–1800) zunächst nur mit Grundfunktionen (I, IV, V). Ihr werdet feststellen, dass fast jeder Melo-die ton nach einer eigenen Harmonie verlangt. Ein Problem dieses Beispiels ist also der har-monische Rhythmus (Akkordhäufi gkeit, Wechsel von „schwer“ und „leicht“). Anschließend ent wickelt ihr drei Reharmonisationen mit jazz-typischen Klangfarben:

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Die neue Jazzharmonielehre

• nur mit diatonischen Funktionen (Funktionsvertretungen)• mit Zwischen- und Substitutdominanten• mit Modal Interchange

2. Entwickelt mehrere Reharmonisationen für den Jazzstandard „Bye Bye Blackbird“ (siehe Seite 4 dieses Kapitels) .


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