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Hardebusch,Sturmwelten 31.01.2008 10:46 Uhr Seite 1...19. Sollte eine Person in der Flotte, oder die...

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Das BuchSeit erstmals Schiffe den gewaltigen Ozean überquerten, sprichtganz Corbane von der Sturmwelt: Ein Reich inmitten der Weltmeere,dessen Schätze, Magie und Gefahren einzigartig sind. Als der jungeAdelige Jaquento auf einem Schiff anheuert, um die alte Welt hin-ter sich zu lassen, kennt er deshalb nur ein Ziel: Er will das legen-däre Inselreich entdecken. Doch kaum dort angekommen, gerät Jaquento auf das Piratenschiff Todsünde, dessen charismatischer Kapitän Deguay ihn in eine ebenso faszinierende wie undurchsich-tige Welt entführt.Zur gleichen Zeit nimmt auch das Kriegsschiff Mantikor Kurs aufSturmwelt-Gewässer. Für die junge Roxane ist es ihr erster Einsatzals Offizierin. Doch schon bald wird die Fahrt von den düsteren Lau-nen des Kapitäns überschattet, der alles daransetzt, ein mysteriösesschwarzes Schiff zu kapern.Als schließlich sowohl die Freibeuter als auch die Marine vor derKüste der Sklaveninsel Hequia auf ihre Beute treffen, muss Jaquentoeine Entscheidung treffen, von der nicht nur das Schicksal der Inselnabhängt …

»Sturmwelten« ist der furiose Auftakt zur neuen atemberaubendenFantasy-Trilogie von Bestsellerautor Christoph Hardebusch.

Der AuorChristoph Hardebusch, geboren 1974 in Lüdenscheid, studierteAnglistik und Medienwissenschaft und arbeitete anschließend alsTexter bei einer Werbeagentur. Sein Interesse an Fantasy und Ge-schichte führte ihn schließlich zum Schreiben. Seit dem großen Er-folg seiner Romane Die Trolle – ausgezeichnet mit dem deutschenPhantastik-Preis 2007 für das beste deutschsprachige Roman-Debüt – und Die Schlacht der Trolle ist er als freischaffender Autortätig. Er lebt und arbeitet in Heidelberg.

Mehr zu Autor und Werk unter:www.hardebusch.net

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CHRISTOPH HARDEBUSCH

STURMWELTEN

Roman

Originalausgabe

WILHELM HEYNE VERLAGMÜNCHEN

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Verlagsgruppe Random House FSC-DEU-0100Das für dieses Buch verwendete

FSC-zertifizierte Papier München Superliefert Mochenwangen Papier.

Originalausgabe 04/2008Redaktion: Uta Dahnke

Copyright © 2008 by Christoph HardebuschCopyright © 2008 dieser Ausgabe

by Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH

Printed in Germany 2008Umschlagillustration: Thomas von Kummant

Umschlaggestaltung: Nele Schütz Design, MünchenKarten: Andreas Hancock

Satz: Leingärtner, NabburgDruck und Bindung: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN: 978-3-453-52385-2

www.heyne.de

SGS-COC-1940

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Für meine Liebe, die jeden Ort zu meinem Heimathafen macht.

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»19. Sollte eine Person in der Flotte, oder die der Flotte zugehörigist, eine Versammlung zum Zweck der Meuterei aus egal welchemVorwand abhalten oder anstreben, wird jede Person, die einen Ver-stoß dieser Art begeht, und die vom Kriegsgericht für jenes verur-teilt wird, dem Tode überantwortet werden.«

Die Kriegsartikel der Thaynrischen Marine

»1. Jede Person hat eine Stimme in allen Abstimmungen; hat glei-ches Recht auf einen Anteil der frischen Vorräte oder starkenSchnäpse, sowie sie erbeutet werden, und darf diese nach Wunschnutzen, ausgenommen dass eine Knappheit es für das Wohl allernötig macht, über eine Einschränkung abzustimmen.«

Der Kodex der Piraten

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DRAMATIS PERSONAE

Personen in CorbaneCidoq TheaterkritikerEsterge HauptmannFranigo Hiscadischer DichterGasparde, Mäzen

Princiess von GuremanGenaro DichterHeberd, Junger Adliger und

Sohn des Vichess von Paduny OffizierImerol Alazraqui i Urnera Hiscadischer

GlücksritterMarschall Bouflon Marschall von GéronayMorwey Königin von ThaynricSugérand XV. König von GéronayTareisa MaestraUrzangín Hiscadischer AdligerYuone Schauspielerin

Personen in der SturmweltAdmiral Holt Kommandeur der

Sturmwelt-FlotteAmredo WirtAymero SklaveBara Sklave

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Bebe SklaveBrizula SklavinDagüey SklaveHayuya SklaveJaquento HiscadiKalan SklaveLoress Kapitän der WyrdemMajagua SklaveSerelle HureSinao SklavinTangye AufseherWicfred Cann Kapitän der Korvette Luchs

Besatzung der MantikorAella Hugham Leutnant, Zweite OffizierinCearl Frewelling Leutnant, Erster OffizierCoenrad Groferton MaestreGalfrid Sellisher Caserdote, SchiffskaplanHeric Cudden Leutnant der MarinesoldatenHoare MatroseImrin FähnrichMathel MatroseOric Harfell KapitänPead SchiffsjungeRoxane Hedyn Leutnant, Dritte OffizierinSaefled Tabard SchiffsärztinTola Levman Fähnrich

Besatzung der TodsündeAyvon MaestreBihrâd Maureske, ArztEaga MatrosinErry Matrose

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Hilrica NavigatorinJani SchiffsjungeManoel, gennat Mano MaestreNeria SchiffszimmererOvero MatrosePertiz OffizierQuibon OffizierRahel OffizierinRénand Deguay KapitänScet MatroseThryd Matrose

Historische PersonenCorban ProphetEndemus Philosoph von CarlesLeofwyn Königin von ThaynricPastridge Admiral und AutorPertiz Sucrof Legendärer Korsar aus Maillot

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PROLOG

Ein einzelner Schrei, lang gezogen und so vonEinsamkeit erfüllt, dass die Frau unwillkürlicherzitterte, erfüllte die laue Nacht. Für einen Mo-ment verstummte das Konzert der Vögel, erst

als der Schrei verklang, ertönte wieder ihr ewiges Lied vomStreben gegen das Vergehen.

Sie konnte nur hoffen, dass keine neugierigen Augen ihrZaudern bemerkt hatten, und so schritt sie selbstbewusstund forsch weiter, vorbei an umgestürzten Säulen, kopflosenStatuen, deren Farben längst verblichen waren, und über-wachsenen Brunnen, die schon lange kein Wasser mehrführten. Einst mochte dies ein prächtiger Garten gewesensein, dessen Schönheit die Menschen innehalten ließ, dochdieser vergangene Glanz ließ sich nur noch erahnen. Jetztwar die Anlage wenig mehr als ein Mahnmal der Vergäng-lichkeit. Irgendwer hatte einige der Büsten wieder aufge-stellt, dort, wo sie nicht von Pflanzen überwuchert wurden.Bleiche Imperatoren, Kaiser, deren Wort einst ganze Völkerbewegt hatte, starrten mit leeren Marmoraugen auf die Be-sucherin.

Sie jedoch beachtete ihre Umgebung nicht, sondern folgtedem einzigen Weg, dessen Steinpflaster noch erhalten war,zum Zentrum der Anlage. Das Mausoleum, einst ein Gebäu-de von filigraner Schönheit, war halb eingestürzt, seine ver-

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zierten Bögen unter dem eigenen Gewicht zerborsten, als dieMagie aus ihnen schwand.

Die Frau folgte nun unbeirrt dem Pfad, schritt über einigeTrümmer hinweg und durch den Türsturz und trat hinter denSarkophag, dessen einst lebensechtes Abbild der Toten nununter zentnerschweren Blöcken begraben war.

Eine Treppe führte in die Dunkelheit hinab. Einen Momentlang sammelte die Frau sich, öffnete die Pforte in ihrer See-le, konzentrierte sich auf die machtvollen Energien um sichherum. Die Veränderung war gering; immer noch war esdunkel, doch die Schatten boten ihren Augen nun keinen Wi-derstand mehr. Sicheren Schrittes stieg sie hinab und er-reichte bald das Portal aus schwarzem Eisen. Ihre Finger glit-ten über die Runen, entließen winzige Spuren Vigoris in dervorgesehenen Reihenfolge, bis die schwere Tür sich öffnete,mit einem Geräusch, das wie eine flüsternde Totenklageklang.

Der Gang hinter dem Portal stand in absolutem Gegensatzzu dem Verfall über ihr. Magische Lichter, genährt von derEnergie der Vigoris, spendeten ein warmes, beinahe anhei-melndes Licht. Uralte Mosaike zeigten die wechselvolle Ge-schichte des Imperiums, den Aufstieg der Nigromantenkai-ser, die Eroberung der gesamten bekannten Welt.

Doch auch für diese Wunder hatte die Frau keinen Blickübrig. Sie schritt über kunstvoll verzierte Bodenplatten, igno-rierte die schwebenden Lichter und den angenehmen Geruchnach frischem Flieder. Ihre Stiefel hallten auf dem Steinbo-den, als sie sicher ihren Weg fand, an Abzweigungen vorbei,über Kreuzungen hinweg, Treppe um Treppe tiefer stieg. Siesah schon lange nicht mehr die Schönheit und Mysterien die-ses Ortes, die andere ihres Atems beraubt hätten.

Schließlich öffnete sich vor ihr eine Halle, deren Wände,Boden und Decke mit Lichtern bedeckt waren, die hell wie die

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Sonne strahlten. Ruhig ging sie weiter, bis sich in dem Lich-termeer vor ihr eine dunkle Pforte öffnete.

Der Raum war klein und seine Wände kahl. Nach der unbe-greiflichen Pracht der großen Kaverne wirkte er geradezu gro-tesk natürlich. Den größten Teil des Bodens nahm ein Beckenein, das mit brackigem, stinkendem Wasser gefüllt war. Inmit-ten des Beckens trieb eine Gestalt, deren Anblick selbst die Frauerstaunte, deren Augen schon so viel Absonderliches erblickthatten. Ein dünner, geschlechtsloser Körper, überzogen miteiner weißen, durchscheinenden Haut, unter der man blau dieVenen sehen konnte, lag halb versunken im Wasser. Langes,weißes Haar trieb träge in dem Bassin, und das Gesicht desWesens war gerade so menschenähnlich, dass es dadurch um-so grauenhafter wirkte. Die Haut der Lider war durchscheinend,sodass die dunklen Augäpfel, die ruhelos umherzuckten, da-runter zu sehen waren, obwohl die Augen geschlossen waren.

Es wehte ein leichter Luftzug, der durch ein schmales Lochin der Decke hinabzog und kühl über die Haut der Frau strich.Ihr Frösteln war indes nicht dem Hauch geschuldet, sonderndem verabscheuungswürdigen und bemitleidenswerten We-sen vor ihr, das einst ein Mensch gewesen sein mochte, jetztjedoch nur noch ein namenloses Geschöpf war.

Unvermittelt öffnete es die Augen, die durch Fels und Steinhindurchblickten und nichts in der Welt wahrnahmen, die sieumgab.

»Sie zerreißen ihren Leib! Sie reißen den Schatz heraus, siezerstören, hacken, töten!«, schrie es und öffnete seinen zahn-losen Mund zu einem Seufzen, dessen Schmerz die Frau wieein Mantel einhüllte. Das Wesen erbebte wie unter Krämp-fen, und kleine Wellen brachen sich am Rand des Beckensim Rhythmus seiner Bewegungen.

»Sprich«, befahl die Besucherin leise, die merkte, wie sicheine Woge von Übelkeit in ihr ausbreitete.

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»Wo die Sonne sich über das Rund erhebt. SchmutzigeHände stehlen ihren Schatz. Blutige Hände.«

»Mehr!«Doch die Kreatur schwieg. Es war sinnlos, zu befehlen, und

die Frau wusste das. Schon schloss das Geschöpf die Augen,und der Leib versank weiter im Wasser.

Die Frau wandte sich schließlich ab und versuchte augen-blicklich, den beunruhigenden Anblick in die hintersten Win-kel ihres Geistes zu verbannen. Die Worte waren rätselhaftgewesen wie stets, denn das Wesen hatte Visionen, die esselbst weder steuern noch kontrollieren konnte. Doch der al-te Mann würde sie deuten können.

Die Schreie und das Seufzen hatten die Frau aufgeschreckt;für gewöhnlich flüsterte das Wesen nur. Einen Moment nochfragte sie sich, was dies zu bedeuten habe, doch dann verließsie die Kammer und kehrte zurück in das unmögliche Lichtder Kaverne. Vielleicht war dies der Moment, auf den der al-te Mann so lange gewartet hatte.

Der Schatten der Besucherin blieb zurück, denn in der Ka-verne konnte es keine Schatten geben, und er schien ihreFurcht bei sich behalten zu haben. In dem Bassin öffnete dasWesen erneut die Augen. Tanára. Das war mein Name. Einst.Ihr irrender Blick fiel auf den Schatten, und das Echo eineshohlen Lachens füllte die Kammer.

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JAQUENTO

Die Hitze lag noch über dem kleinen Städtchen,obwohl die Sonne schon lange untergegangenwar. In den Gassen stand die schwüle Luft undtrieb Jaquento den Schweiß auf die Haut. Auf

See hatte es einen stetigen, kühlenden Wind gegeben, nur anLand schien dieser unvermittelt abzuflauen, selbst in einerKüstenstadt wie Portosa.

Einer der häufigen Regenschauer hatte die festgetreteneErde der Wege aufgeweicht und überall auf dem Boden klei-ne Bäche entstehen lassen; in den Rinnsalen schwamm al-lerlei Unrat mit, der sich in den Gassen angesammelt hatte.Die Frische des Schauers war längst verschwunden, dafürhing der süße Duft der vielen Blüten in der Luft, in dem eineNote von Verfall und Fäulnis mitschwang.

Hier und da lagen menschliche Gestalten auf dem Boden,manche unter schmalen Vordächern, andere einfach zwischenden geduckt wirkenden Holzhäusern. Kaum ein Gebäude hat-te mehr als ein Stockwerk, überall blätterte die bunte Farbe ab,und das darunterliegende Holz quoll durch die ewige Feuch-tigkeit auf. So wirkte das Städtchen wie eine in die Jahre ge-kommene Schauspielerin, deren Schminke längst verlaufen warund die dennoch im Abglanz besserer Zeiten schwelgte.

Am Hafen zeugten noch einige alte Prachtbauten vom ver-gangenen Ruhm der Stadt, doch auch diese waren mittler-

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weile schutzlos der Witterung ausgesetzt und moderten vorsich hin. Was hier eine Hauptstadt genannt wurde, wäre inJaquentos Heimat nicht mehr gewesen als ein kaum beach-tetes Fischerdorf. Um diese späte Stunde waren die Stra-ßen – oder das, wann man hierzulande dafür hielt – nahezuverwaist. Lediglich einige einheimische Nachtschwärmer undMatrosen auf Landgang kreuzten seinen Weg.

Vorsichtig ging Jaquento weiter, sorgsam darauf bedacht,dem gröbsten Schmutz auszuweichen. Sein Blick wanderteumher, suchte in der ungewohnten Gegend nach Vertrautem.Ein nagendes Gefühl der Unsicherheit begleitete ihn, seit erPortosa betreten hatte. Er schob es auf das fehlende Schau-keln des Bodens; an Bord hatte er sich an die stetige Bewe-gung der See gewöhnt. Doch das Schiff war ohnehin nur kurzHeimstatt gewesen, nicht Ziel, sondern Übergang, und nunmusste er sich fragen, wohin sein weiterer Weg ihn bringensollte.

Endlich erreichte er ein niedriges Haus mit breiter Front,hinter dessen milchigen Fensterscheiben noch Lichter brann-ten. Gemurmel drang aus dem Gebäude, übertönte fast dieGeräusche des nahen Urwalds, in dem zu dieser nächtlichenStunde allerlei fremdartiges Getier rief, schrie und kreischte.Ein Schrei war noch durchdringender als der Rest des Kon-zertes, hielt lange an und ließ Jaquento aufblicken. Er fragtesich unwillkürlich, ob die Geschichten über Feuerechsen undfliegende Schlangen, die man ihm auf der Reise erzählt hat-te und die er stets lediglich als geschickt gesponnenes Garnabgetan hatte, doch wahr sein mochten, bevor er sich wiederdem Gebäude zuwandte. Ein grobes Holzschild mit zwei da-raufgenagelten Affenpfoten hing über der Eingangstür, derenalte Bretter schief und verzogen waren.

Auf dem Boden neben der Tür lag ein verendetes Tier, vonRegen und Aasfressern dermaßen zugerichtet, dass man

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nicht mehr erkennen konnte, von welcher Art es wohl gewe-sen sein mochte. Zwei große, schwarze Vögel balgten sichum den Kadaver; Raben, wie Jaquento mit Verwunderungfeststellte. Haben die Schiffe sie mitgebracht, oder waren sie schonimmer hier heimisch? Als die Tiere ihn bemerkten, stoben sieflügelschlagend auf und ließen sich auf den umliegendenDächern nieder. Misstrauisch legten sie die Köpfe schief undbeobachteten den Mann, der kurz zögerte, bevor er mit ent-schlossenen Schritten die Taverne betrat, wobei er sichducken musste, da der Türsturz offenkundig nicht für einenMann von seiner Größe gedacht war. Hinter ihm glitten dieRaben lautlos zu ihrer Beute zurück.

Im Inneren des Gasthauses erschien es ihm noch heißer zusein, sofern dies überhaupt möglich war. Die stickige Luftschlug Jaquento entgegen und ließ ihn blinzeln. In einigen Ni-schen standen Talglampen, deren rußiger Rauch sich unterder Decke in dicken Schwaden sammelte. Es roch nachSchweiß, nach gebratenem Fleisch, nach scharfem Alkoholund nach Urin, eine Mischung, die Jaquento an die Zeit erin-nerte, die er während der Überfahrt gezwungenermaßen un-ter Deck verbracht hatte. Inzwischen hatte seine Nase sichan diese Ausdünstungen menschlicher Existenz auf engstemRaum gewöhnt. Die Wände waren mit allerlei Strandgut ge-schmückt, kleineren Wrackteilen von Schiffen, löchrigen Fi-schernetzen, einigen handtellergroßen Schildkrötenschup-pen, alles Fundstücke, die die Wellen hier angespült habenmochten. Treibgut, das es in diese Kaschemme am Ende derWelt verschlagen hatte, ebenso wie Jaquento. Die Winde ha-ben mich hierhergeweht, dachte der junge Mann, aber er woll-te den Gedanken nicht weiter denken, wollte sich nicht ein-gestehen, was ein Teil von ihm längst wusste: Er hatte allesverloren – seine Heimat, seine Freunde, ja sogar seinen Na-

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men, ohne die Möglichkeit, zu seinem früheren Leben je wie-der zurückzukehren. Und ohne Wurzeln kann man dem Windnichts entgegensetzen.

Sein Eintreten blieb fast unbemerkt. Hier und da mustertenihn Augenpaare, doch die Mienen blieben unbeteiligt. Fremdewaren kein seltener Anblick. Einheimische mit goldbraunerHautfarbe und rot verbrannte Seeleute saßen Seite an Seite,tranken, lachten und spielten. Eine Frau mit langem schwar-zem Haar und einem auffälligen Goldschmuck, der Ohr undNase verband, tanzte zu den Trommelschlägen eines kräfti-gen Mannes, dessen unbewegtes Gesicht mit den schräg ste-henden Augen und den hohen Wangenknochen eher einergoldenen Maske glich.

Die Taverne »Zwei Hände« war Jaquento vor allem als billigempfohlen worden, und auch die anderen Gäste schienenvorrangig diese Qualität zu schätzen. Zu dieser Stunde warennur noch Halsabschneider und sonstiges lichtscheues Gesin-del unterwegs; dazu die Matrosen, die jeden Augenblick anLand so gut wie möglich auszukosten versuchten.

Unbewusst ballte Jaquento die Fäuste, während seine Zü-ge keine Regung verrieten. Betont lässig schritt er zu der The-ke, die lediglich aus zwei Bohlen bestand, die man auf dreiFässer genagelt hatte. Der Wirt, offenbar ein Mischling bei-der Welten, blickte nicht einmal auf, bis Jaquento sich räus-perte und ihn ansprach: »Wein. Roten, Mesér, wenn es be-liebt.«

Der alte Mann hob eine Augenbraue, drehte sich wortlosum und stellte einen Tonkrug auf den Tresen.

»Ein Silber.« Die Stimme des Mannes war hell, ein seltsa-mer Widerspruch zu seinem gegerbten Gesicht und den Nar-ben, die seinen kahlen Schädel zierten. Ohne zu feilschen,griff Jaquento in die speckige Koppeltasche, in der seine Fin-ger seinen deprimierend mageren Geldbeutel fanden. Er leg-

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te einen Silberlunar auf die Theke, hielt jedoch die Hand da-rauf, als der Wirt gierig danach griff.

»Ich suche eine Unterkunft, Mesér. Man hat mir gesagt,dass Euer Etablissement auch Zimmer bietet.«

Einen Moment lang musterte der Alte sein Gegenüber ab-schätzig. Sein Gesichtsausdruck machte deutlich, dass ihmnicht gefiel, was er sah; dennoch wies er mit dem Kopf hin-ter sich.

»Zwei Silber jeden Tag. Im Voraus. Kein Essen, kein Wasser.«Wieder feilschte Jaquento nicht, obwohl der Rest seiner

Reisekasse ihn nicht mehr lange ernähren würde. Er nicktedem Wirt zu und legte zwei weitere Münzen auf den Tresen,bevor er seinen Krug nahm und sich auf den Weg zu einemfreien Platz machte. Gerade wollte er die Sitzenden fragen,ob er sich zu ihnen gesellen dürfe, da stieß ihm jemand kräf-tig in den Rücken. Wein schwappte aus dem Tonkrug, als Ja-quento sich am Tisch festhielt, um nicht zu stürzen. Der Krugentglitt seinen Fingern und zerschellte am Boden. Fluchendsprangen alle auf, während sich Jaquento aufrichtete. SeineStiefel, die schon vorher schmutzig gewesen waren, färbtensich vom Wein dunkel. Rasch drehte er sich um und sah einengroßen, bärtigen Mann, der ihn frech angrinste. Die Zahnrei-hen des Mannes wiesen Lücken auf, und seine dunklen Haa-re waren wild und ungekämmt.

»Ihr schuldet mir Abbitte, Mesér«, erklärte Jaquento ruhig,aber mit lauter Stimme. »Und einen Krug Wein.«

Unvermittelt wurde es still in der Taverne, als sich alleAugen auf das Geschehen richteten. Ohne Hast ließ Jaquen-to seinen Blick wandern und versuchte, den Fremden einzu-schätzen. Obwohl der Mann von beachtlicher Leibesfülle war,bewegte er sich weder unbeholfen noch langsam. An seinemWaffengürtel hing ein schwerer Säbel, dessen HandschutzScharten und Kratzer aufwies; eine Waffe, deren Träger si-

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cherlich im Umgang mit ihr geübt war. Noch immer hatte derBärtige nicht geantwortet, also trat Jaquento einen Schritt vor.Locker ließ er seine Hand auf den Knauf seiner eigenen Klin-ge fallen, eines einfachen Degens bar jeden Schmucks. Fra-gend legte er den Kopf zur Seite.

»Es tut mir leid«, antwortete der Fremde langsam, nur umdann noch breiter zu grinsen. »Es tut mir leid, dass du so’nUngeschickter bist. Jetzt lass mich in Ruhe, sonst schneid’ ichdein’ Wanst auf un’ Amredo muss mehr als nur Wein vomBoden wischen!«

»Ihr weigert Euch also, mir den Verlust zu ersetzen, Mesér?Geschweige denn, Euch für Euer rüpelhaftes Verhalten zuentschuldigen?«

»Biste taub, Bursche? Und was red’ste für’ne gestelzte Sülze?«

Der Mann lachte laut auf, und viele stimmten ein. Auchwenn sich Jaquento nicht davon beirren ließ, sah er die Hän-de, die hier und dort zu den Waffen glitten. Der Bärtige woll-te sich abwenden, aber mit einem Schritt war Jaquento beiihm und packte ihn mit der Linken an der Schulter, währender sich bereit machte, seine Waffe zu ziehen.

»Dann werden wir uns wohl schlagen müssen«, erläuterteer mit einem Seufzen. »Wollen wir dazu hinausgehen?«

Einen Herzschlag lang standen beide Männer still, danndrehte der Fremde sich mit einem Ruck aus dem Griff. BevorJaquento seinen Degen auch nur halb gezogen hatte, blickteer in die Mündung einer kleinen, bösartigen Pistole, die derBärtige aus seinem Wams gezogen hatte. Mit einer fließendenBewegung spannte der Fremde den Hahn. Betont langsamließ Jaquento den Degen zurück in die Scheide gleiten undhob die Hand. Eine geladene Waffe bei sich zu tragen zeug-te entweder von Tollkühnheit oder Dummheit; wahrschein-lich war es eine Mischung von beidem.

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»Ich denk’ nich’, dass wir uns schlagen müssen, Bursche«,zischte sein Gegenüber. Im Schloss der Pistole konnte Ja-quento das Zündhütchen sehen; die Waffe war zweifellos ge-laden und schussbereit.

»Du kleiner Bastard woll’st dich echt mit mir anlegen, was?Dacht’st wohl, dass ich so’n dummer Inselaffe bin? Wassag’ste jetzt, hm?«

»Mesér, es handelt sich um einen Ehrenhandel. Die Klingesollte dies entscheiden.« Auch wenn Jaquentos Stimme kurzstockte, waren seine Worte deutlich und klar.

»Darauf scheiß’ ich!«»Offensichtlich.«»Du bist so’n Bursche ausser Alten Welt, was? Ehre, pah!«,

ereiferte sich der Bärtige und spie auf den Boden. Die Bedro-hung ließ vor Jaquentos Augen alles klar und deutlich werden:Der Rauch in der Luft lichtete sich, und die Details seiner Um-gebung traten geradezu schmerzhaft deutlich hervor. DieKratzer im Metall der Pistole, die dichten Bartstoppeln desMannes, der Tropfen Schweiß, der seine Schläfe hinablief. Die Gesichter der anderen Gäste, in Erwartung des Blutver-gießens auf das Paar gerichtet. Jaquento hatte das Gefühl,durch die Augen der anderen direkt in ihren Geist blicken zukönnen. Er sah Freude, Belustigung, Mitgefühl und Desinte-resse; er sah jegliche menschliche Regung, alles versammeltin diesem kleinen Raum. In diesem Raum, in dem er sterbenwürde, wie die gnadenlosen Augen des Bärtigen ihm ver-sprachen. Das Herz in Jaquentos Brust verlangsamte seinenSchlag, das Kribbeln der Angst in Händen und Füßen ver-schwand. Wer hätte gedacht, dass ich so enden würde?, fragtesich der junge Mann kalt, fast so, als ob es gar nicht er selbstsei, über dessen Tod er nachdachte. Aber wer kann sich dasschon aussuchen?

»Mach deinen Frieden«, zischte der Bärtige, eine Aufforde-

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Page 24: Hardebusch,Sturmwelten 31.01.2008 10:46 Uhr Seite 1...19. Sollte eine Person in der Flotte, oder die der Flotte zugehörig ist, eine Versammlung zum Zweck der Meuterei aus egal welchem

UNVERKÄUFLICHE LESEPROBE

Christoph Hardebusch

SturmweltenRoman

ORIGINALAUSGABE

Paperback, Broschur, 720 Seiten, 13,5 x 20,6 cmISBN: 978-3-453-52385-2

Heyne

Erscheinungstermin: März 2008

Sturmwelten – der neue Christoph Hardebusch! Ein Reich inmitten der Weltmeere, besiedelt von riesigen Meeresschildkröten, feuerspeiendenDrachen und schillernden Wassermagiern. Stürmische Ozeane, gepeitscht von Wind undWellen, befahren von kaiserlichen Armeen, blutrünstigen Piraten und geheimnisvollenZauberern. Als wie aus dem Nichts ein legendäres Kolonialschiff mit einer magischen Ladungauftaucht, schlägt die Stunde des Freibeuters Jaquento – und es beginnt ein Wettlauf mit derZeit. Mit seiner grandiosen epischen Fantasy-Saga vor nautischem Hintergrund prägt der jungeErfolgsautor die neue Generation der Fantasy.


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