Hannes Schellhorn
Effizienzeffekte der Einkommensteuer bei Steuervermeidung
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Hannes Schellhorn
Effizienzeffekte der Einkommensteuer bei Steuervermeidung
Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Wolfgang Wiegard
Deutscher Universitats-Verlag
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet iiber <http://dnb.ddb.de> abrufbar.
Dissertation Universitat Regensburg, 2004
1. Auflage September 2005
Aile Rechte vorbehalten © Deutscher Universitats-Verlag/GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2005
Lektorat: Ute Wrasmann I Dr. Tatjana Rollnik-Manke
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Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipl.-Designerin, Frankfurt/Main
Gedruckt auf saurefreiem und chlarfrei gebleichtem Papier
ISBN-13: 978-3-8244-0793-4 e-ISBN-13: 978-3-322-81169-1 001: 10.1007/978-3-322-81169-1
Geleitwort
An Reformvorschliigen zur Einkommensteuer besteht in Deutschland kein Mangel. Der Einschriinkung oder Beseitigung bislang gewiihrter Steuervergiinstigungen kommt in den meisten Vorschliigen eine bedeutsame Rolle zu. In der Tat lassen sich fiir eine solche Verbreiterung der steuerrechtlichen Bemessungsgrundlage vor allem unter dem Aspekt der
Steuervereinfachung gute Griinde anfiihren. Unter okonomischen Gesichtspunkten kommt es bei der Beurteilung eines Steuersystems aber vor allem auf dessen allokative Eigenschaften an. Den unbefangenen Beobachter mag deshalb verwundern, daB iiber die mit der Inanspruchnahme von bestehenden Steuervergiinstigungen hierzulande verbundenen Wohlfahrtsverluste bislang nur wenig bekannt war. Unter dem Titel "Effizienzeffekte der Einkommensteuer bei Steuervermeidung" leistet vorliegende Arbeit einen wichtigen Bei
trag, diese Liicke zu schlieBen.
Die Arbeit zeichnet sich aus durch eine besonders gelungene Verkniipfung von theoreti
scher Analyse einerseits und angewandter Finanzwissenschaft andererseits. Sie erweitert zuniichst das theoretische Modell zur Ermittlung der Effizienzeffekte der Einkommensbesteuerung um Steuervermeidungsaktivitiiten der besteuerten Haushalte. Dies bildet die Grundlage fUr die nachfolgende empirische Untersuchung des Steuervermeidungsverhaltens und insbesondere fUr die - im Hinblick auf vorliegende deutsche Forschungsarbeiten methodisch innovative - Schiitzung der (kompensierten und unkompensierten) Elastizitiit des zu versteuernden Einkommens deutscher Steuerpflichtiger im quasi-natiirlichen Experiment der Steuerreform 1990. Fiir die Effizienzanalyse ist dieser Verhaltenspara
meter zentral, und in der Folge ist der Verfasser in der Lage, fUr die Bundesrepublik erstmals empirisch fundierte Schiitzungen der Zusatzlasten der Einkommensbesteuerung unter Beriicksichtigung von Steuervermeidung vorzulegen.
Die Ergebnisse haben erhebliche Konsequenzen fUr die aktuelle und fUr zukiinftige Steuerreformdiskussionen. Wiihrend bislang davon auszugehen war, daB die sich auf das stundenmiiBige Arbeitsangebot beziehenden relevanten Elastizitiiten vergleichsweise gering ausfallen, ergiht sich nun vor allem (aher nicht nur) hei einkommensstarken Haushalten ein vollig anderes Bild: Die durchschnittlichen und inshesondere die marginalen Zusatzlasten
der Einkommensbesteuerung nehmen niimlich eine GroBenordnung an, die die Relevanz von Effizienzeffekten gegeniiber Verteilungsaspekten in der Steuerreformdebatte in einem
neuen Licht erscheinen liiBt. In methodiseher Hinsicht erweist sieh, daB weit verhreite
te Steuerwirkungsanalysen mithilfe von Simulationsmodellen ohne Beriieksichtigung von Verhaltensreaktionen zu einseitigen SehluBfolgerungen gelangen konnen. Gerade eine auf
die Erzielung von Waehstumsimpulsen ausgeriehtete Steuerpolitik darf die Effizienzwir
kungen von Steuerreformen nieht auBer Aeht lassen. Nach den Ergebnissen vorliegender
Arbeit kann daran kein Zweifel bestehen. Prof. Dr. Wolfgang Wiegard
Vorwort
Vorliegende Arbeit wurde Ende des Jahres 2003 an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultat der Universitat Regensburg als Dissertation eingereicht. Eine Reihe von Menschen hat, jeder auf seine Weise, Anteil an ihrem Entstehen, und es ist mir ein Anliegen, ihnen an dieser Stelle zu danken.
Danken mochte ich zuvorderst dem Betreuer der Arbeit, Herrn Prof. Dr. Wolfgang Wiegard, der meine Art, iiber finanzwissenschaftliche Fragen nachzudenken, in wahrscheinlich schwer zu iiberschatzendem MaB beeinfluBt und mein Vergniigen an solcherart Beschiiftigung recht eigentlich erst begriindet hat. Dies galt bereits flir den ersten Besuch einer seiner Vorlesungen - "Probleme der Staatsverschuldung" im Sommersemester 1995 an der Universitat Tiibingen -, und erstreckte sich schlieBlich auf die gesamte Zeit meiner Tatigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an seinem Lehrstuhl flir Volkswirtschaftslehre an der Universitat Regensburg. Ich danke auch dem Zweitgutachter der Arbeit, Herrn Prof. Dr. Wolfgang Buchholz, flir eine Vielzahl an Gespriichen iiber finanzwissenschaftliche Fragen, die mir eine wichtige Begleitung bei der Erstellung meiner eigenen Arbeit waren.
Teile der vorliegenden Arbeit entstanden im Rahmen eines von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefiirderten Projekts, an dem ich gemeinsam mit Herrn PD Dr. Peter Gottfried beteiligt war. Ohne die Forderung der DFG und ohne die Zusammenarbeit und das sowohl fachlich fruchtbare als auch personlich vertrauensvolle Verhiiltnis zu Peter Gottfried waren zentrale Vorhaben dieser Arbeit - vor allem die Erstellung des Mikrosimulationsmodells SIMST sowie die okonometrischen Schiitzungen und deren Interpretation -ohne Zweifel weit weniger gut gegliickt. Danken mochte ich auch dem Institut flir Angewandte Wirtschaftsforschung (Tiibingen) und dessen vormaligem Leiter, Herrn Prof. Dr. Gerd Ronning. Das lAW hat nicht nur die in dieser Arbeit verwendeten Daten zur Verfligung gestellt, sondern mich bei meinen zahlreichen Aufenthalten in Ttibingen auch sehr nett und hilfsbereit aufgenommen.
In der ganzen Zeit meiner Tiitigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an den Universitaten Tiibingen und Regensburg hatte ich das Gliick, auf tolle Kolleginnen und Kollegen zu treffen. Das betrifft in einem ersten Abschnitt Prof. Dr. Hans Fehr, Dr. Nouhoum Ganaba, PD Dr. Peter Gottfried und Dr. Anna Ruocco. Auf dem abschlieBenden Teil des Wegs begleiteten mich Dr. Andrea Schrage, mit der ich die theoretischen Aspekte der Steuervermeidung diskutiert habe (und die netterweise die gesamte vorliegende Arbeit kritisch gelesen hat), und Michael Hartwein, der mir auch im Hinblick auf die praktischen Aspekte der Steuervermeidung ein unersetzlicher Gespriichspartner war. SchlieBlich haben mich Oliver Abeltshauser, Oliver Platzen, Maya Popova und Sabine Schmalhofer als studentische Hilfskrafte bei meiner Arbeit tatkraftig unterstiitzt.
Ergebnisse der vorliegenden Arbeit wurden im Rahmen von Forschungsseminaren an den Universitaten Regensburg, Wiirzburg und Ziirich, am CESifo in Miinchen sowie - mit
VIII Vorwort
Peter Gottfried als Ko-Autor - auf der Jahrestagung des Vereins fUr Socialpolitik 2002 in Innsbruck vorgetragen. AIle, die sich bei dieser Gelegenheit auf anregende Weise mit der Arbeit auseinandergesetzt haben, haben zu deren Gelingen beigetragen.
In die Zeit, in der ich mich mit dieser Arbeit beschaftigt habe, fiel eine schwere Zeit in meinem Leben. Es ist mir ein ganz besonderes Bedurfnis, denjenigen Menschen zu danken, die mir in dieser Zeit beiseite standen - meinen Freunden Adrian Mattke, Ingo Pitterle, Nouhoum Ganaba, Ruth GroBe, Gitte Halder, Makarie und Nicol Matt, Christian Munch, Nils Schmid, Axel Stuhmer und Martin Summer. AuBerdem habe ich eine Gruppe ziemlich mutiger Menschen kennengelernt, an die ich mich mit groBer Freude erinnere, besonders an Christijan Sekely und an Christiane Texdorf.
Am meisten freue ich mich daruber, demjenigen Menschen zu danken, der mir am liebsten ist, namlich meiner Frau Juliane Volz-Schellhorn. Ohne sie hiitte ich diese Arbeit vermutlich so oder so iihnlich geschrieben - aber es hiitte mir, wie alles andere auch, mit Sicherheit weniger Freude gemacht. Wem sonst als ihr sollte diese Arbeit also gewidmet sein?
Hannes Schellhorn
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Theorie der Steuervermeidung
2.1 Die okonomische Bedeutung der Steuervermeidung
2.1.1 Zum Begriff der Steuervermeidung ....
2.1.2 Steuergestaltung und Steuerhinterziehung
2.1.3 Zusammenfassung .....
2.2 Ein Modell der Steuervermeidung
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2.2.1 Grundlagen........ 20
2.2.2 Die SLUTSKY-Gleichung fUr das zu versteuernde Einkommen 23
2.2.3 Steuervermeidung und Steuergestaltung ....... 34
2.3 Effizienzeffekte der Einkommensteuer bei Steuervermeidung
2.3.1 Vorbemerkung .....
2.3.2 Absolute Zusatzlasten
2.3.3 Marginale Zusatzlasten .
2.4 Liillt sich die steuerliche Begiinstigung bestimmter Konsumgiiter rechtfer-tigen? ........................... .
2.5 Die Marginal Cost of Public Funds bei Steuervermeidung
2.6 Zusammenfassung.
2.7 Anhang ..... .
2.7.1 Anhang zu Abschnitt 2.2.3 .
2.7.2 Anhang zu Abschnitt 2.3.1
3 Steuervermeidung in Deutschland
3.1 Das IAW-Einkommensteuerpanel
3.1.1 Art und Umfang der Stichprobe
3.1.2 Charakterisierung der enthaltenen Angaben
3.1.3 Das Mikrosimulationsmodell SIMST ....
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x
3.1.4 Zur Repriisentativitiit des Datensatzes
3.1.5 Zusammenfassung ..... .
3.2 Deskription der Steuervermeidung .
3.2.1 Vorbemerkung ....... .
3.2.2 Steuervermeidung im Bereich der Einkiinfte
3.2.3 Steuervermeidung im Bereich der Abziige .
3.2.4 Zusammenfassung und SchluBfolgerungen .
3.2.5 Anhang zu Abschnitt 3.2.3 . . . . . . . . .
4 Elastizitiit des zu versteuernden Einkommens: Literatur
4.1 Vorbemerkung ......... .
4.2 "Traditionelle" Untersuchungen
4.3 Die New Tax Responsiveness-Literatur
Inhaltsverzeichnis
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4.3.1 US-amerikanische Untersuchungen. 131
4.3.2 Empirie der Steuervermeidung im internationalen Vergleich . 138
4.4 Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . .
5 Elastizitiit des zu versteuernden Einkommens: DiJJ-in-DiJJ-Berechnung
5.1 Die Steuerreform 1990
5.1.1 Vorbemerkung.
5.1.2 Das Steuerreformgesetz 1990 .
5.1.3 Weitere Steueriinderungen der Jahre 1988 bis 1991
5.2 Empirische Strategie . . . . . . .
5.3 Wahl des Beobachtungszeitraums
5.4 Bildung eines Subpanels . . . . .
5.4.1 Einfiihrung einer Altersgrenze von 64 Jahren .
5.4.2 Eliminierung weiterer Steuerfiille aus dem Panel
5.5 Fortschreibung der Veranlagungsdaten
5.5.1 Vorbemerkung ......... .
140
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170
173
175
175
Inhaltsverzeichnis
5.5.2 Fortschreibung von Einkiinften und Abziigen .
5.5.3 Fortschreibung der Kapitaleinkiinfte .....
5.5.4 Beriicksichtigung weiterer exogener Anderungen
5.5.5 Zusammenfassung .....
5.6 Konstruktion der Schatzvariablen
5.6.1 Exogene Anderung der Residualrate .
5.6.2 Endogene Anderung des zu versteuernden Einkommens
5.6.3 Zusammenfassung.
5.7 Ergebnisse.........
5.7.1 Deskriptive Statistik
5.7.2 Schatzergebnisse .
5.8 Diskussion der Ergebnisse
5.8.1 Vorbemerkung...
5.8.2 Reversion-to-the-Mean-Effekte
5.8.3 Exogene Trends in der Einkommensverteilung
5.8.4 Interpretation des geschatzten Verhaltensparameters
5.8.5 Weitere methodische Einwande
5.9 Zusammenfassung ........... .
6 Elastizitat des zu versteuernden Einkommens: Fixed Effects-Modell
6.1 Vorbemerkung ...
6.2 Empirische Strategie
6.2.1 Spezifikation.
6.2.2 Reversion-to-the-Mean-Effekte
6.2.3 Substitutions- und Einkommenseffekte
6.2.4 Verwendung einer logarithmierten Spezifikation
6.2.5 Berucksichtigung sozio-okonomischer Charakteristika der
XI
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242
Steuerpfiichtigen ............................ 243
XII
6.3 Schiitzergebnisse ...... .
6.3.1 Aile Steuerpflichtigen .
6.3.2 Die Elastizitiit des zu versteuernden Einkommens in unterschiedlichen Einkommensklassen
6.4 Interpretation der Ergebnisse
Inhaltsverzeichnis
245
245
249
253
6.4.1 Vorbemerkung..... 253
6.4.2 Vergleich mit den Ergebnissen verwandter Studien . 256
6.4.3 Interpretation nach dem Einkommen differenzierter Elastizitiiten. 260
6.4.4 Einkommenseffekte......... 267
6.4.5 Repriisentativitiit der Schiitzwerte . 272
6.5 Effizienzeffekte der deutschen Einkommensteuer
6.5.1 Vorbemerkung .............. .
6.5.2 Zusatzlast der deutschen Einkommensteuer .
6.5.3 Effizienzeffekte der Steuerreform 1990 ..
6.5.4 Effizienzeffekte des Solidaritiitszuschlags
6.5.5 SchluBfolgerungen.
6.6 Zusammenfassung.
7 Zusammenfassung
Literatur
278
278
279
281
284
288
292
297
305
Abbildungsverzeichnis
1
2
3
4
5
6
7
Absolute Zusatzlast der Steuervermeidung
Zusatzlast der Steuergestaltung ..... .
Marginale Zusatzlast der Steuervermeidung .
Vergleich der Tarife T1988 und T1990. . .
Uberblick tiber das methodische Vorgehen
Anderung der Residualrate infolge der Steuerreform 1990
Verteilung der Variablen dt/(T - t) im Datensatz ....
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. 241
Tabellenverzeichnis
1 Repriisentativitat des konsolidierten IAW-Steuerpanels
2 Durchschnittliche Hohe der Einktinfte . . . . . . . . . .
3 Uberwiegende Einkunftsart und Gesamtbetrag der Einkiinfte .
4 Ermittlung des Einkommens . . . . . . . . . . . . . . .
5 Spenden und Kirchensteuerzahlung als Sonderausgaben
6 Anderungsrate der Einktinfte im Untersuchungszeitraum
7 Deskriptive Statistik der Schatzvariablen . . . . . . . . .
8 Anderung von Residualrate und zu versteuerndem Einkommen .
9 DifJ-in-difJ-Schatzung I: Aile Steuerpfiichtigen . . . . . . . .
10 DifJ-in-difJ-Schatzung II: Grundtabelle und Splittingtabelle .
11 DifJ-in-dijJSchiitzung III: Unterschiedliche Einkunftsarten .
12 DifJ-in-difJ-Schatzung IV: Negative Einktinfte .
13 DifJ-in-difJ-Schiitzung V: Reversion-to-the-Mean
14 Fixed efJects-Schatzung I: Aile Steuerpfiichtigen
15 Fixed effects-Schatzung II: Einkommensklassen .
16 Fixed efJects-Schatzung III: Gewichtete Werte .
17 Fixed efJects-Schatzung IV: Einkommensanderung
18 Fixed efJects-Schatzung V: Einkommensgrenzen .
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