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Handel Im Fruhen Alten Orient- Potts

Date post: 10-Oct-2015
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orient
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Handel ist ein Tausch, sei es Güter für Güter, Güter für Geldoder gar Güter für einen zukünftigen Gewinn, eventuell sogar mit Zinsen. Diese grundlegenden Prinzipien treffen nicht nur bei hoch entwickel- ten, sogenannten ‚komplexen‘ Gesellschaften mit Banken undBörsen zu, sondern gelten auch bei einembreiten Spektrumvon Sozialformen unterschiedlichsterArt.AusderfrühenAntikegibt esbemerkensw erte Beispiele von Gütern, sowohl fertige Produkte alsauch Rohstoffe, die überTausend evonKil ometerngehandeltword ensind. Abetwa800 0 v. Chr. wur de vulkanische s Glas, sog. Obsidian, von Zentralanatolien  bz w . A rm en ien bisSüd w es tiran (Eb en e v on De h Lu ra n) g eh an de lt, undum etw a 5500 v . Chr. gela ngte Obsid ian bis nach Süd ostiran. 1 Zur selben Zeit findet man Lapislazuli aus der Prov inz Badakhsh an im Nordosten Afghanistans überall, vom Mittel meer bis zur arabi- schen Halbinsel, in Mesopotamien und im iranischen Hochland (Abb. 43.2). In den meisten Fällen ist essehr w ahrscheinlich, dassdie- se Ma terialien als Rohstoffe transportiert undam Ankunftsort verar-  be itet wurde n. 2 Diese Schlussfolgerungli egt nahe, wenn ma n den Stil der Objekte, sei es von Steinwerkz eugen, Rollsiegeln oder kleinen Fi- gürchen betrachtet. Normalerweise wurd e im lokalen Stil, d. h. von lokalen Handw erkern gearbe itet und eben nicht ein Ferti gproduk t ei- nes anderen Kulturkreises verhand elt. Was für Austauschmechanismen gab es in den frühesten Perioden des A lten Ori ents? Viel ist hierzu schon geschrieben worden, Kon- kretes nachzuwe isen blei bt aber nach wie vor sehr schwierig solange es sich um die vorschriftlichen Phasen in der Region handelt. Aus- tausch von Gemeinschaft zu Gemeinschaft oder von Dorf zu Dorf  ist eine Möglichkeit (sogennate ‚down-the-line trade‘). In der Früh- zeit echte Handelskarawanen anzunehmen ist sehr unwahrschein- lich, insbesondere vor der Domestikation der Hauptlasttiere wie z. B. des Esels (5. Jahrtausend v. Chr.) und des Dromedars (ca. 1100/1000 v. Chr.). Der systematische Handel, beispielsweise mit Karawanen oder Handelsexpeditionen zur See, hätte die adminis- trative Fähigkeit verlangt, solche Unternehmen zu organisieren – ei- ne Fähigkeit, die es unserer Kenntnis nach in der Frühzeit noch nicht gab. Im Laufe der Geschichte gab es immer wieder Fälle, in denen alles was man zum Leben brauchte, vom Handel abhängigwar. Ein Bei- spiel ist dasHandelsemporium undKönigtum auf der Insel Hormuz (Südiran), wo im 14. und 15. Jahrhundert v. Chr. sämtliche Nah- rungsmittel und auch Trinkwasser importiert werden musste. Für die meisten Gesellschaften d es Alten Orients jedoch nimmt man a n, dass Lebensmittel und Kleidung sowie Arbeitsgeräte in der Nähe der Gemeinschaft erhältlich waren. Agrargemeinschaften hätten sich also meistens von Lokalprodukten – Weizen, Gerste, evtl. Obst und Gemüse – und Tieren – Schaf, Ziegen und deren Milchprodukte – ernährt, Häuser ausl okalen Holzbeständen, Stein oder Lehm erbaut, Leder-, Leinen- und Woll- (später auch Baumw oll-)Kleidung von lokalen Vieh- und Pflanzenbeständen hergestellt und getragen und Werkzeuge aus lokal vorhandenen Gesteinen, Holz, Horn usw. ver- arbeitet. So konnte man gut leben. Dennoch sind schon in sehr frü- hen Perioden ‚exotische‘ Güter wie Obsidian oder Lapislazuli nach- gewiesen, seien es solche mit praktischem (Obsidianklingen z. B. 171 HANDEL IM FRÜHEN ALTEN ORIENT Daniel T. Potts Abb. 43.1 Mit Booten wurden Waren über weite Strecken verhandelt. Terrakottamodell eines Boots und moderne Rekonstruktion der ur- sprünglichen Bestückung des Bootsmodell. Uruk, neubabylonische Zeit, 8.6. Jh. v. Chr. Universität Heidelberg, Uruk-Warka-Sammlung des DAI, W 20556.
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  • Handel ist ein Tausch, sei es Gter fr Gter, Gter fr Geld odergar Gter fr einen zuknftigen Gewinn, eventuell sogar mit Zinsen.Diese grundlegenden Prinzipien treffen nicht nur bei hoch entwickel-ten, sogenannten komplexen Gesellschaften mit Banken und Brsenzu, sondern gelten auch bei einem breiten Spektrum von Sozialformenunterschiedlichster Art. Aus der frhen Antike gibt es bemerkenswerteBeispiele von Gtern, sowohl fertige Produkte als auch Rohstoffe, dieber Tausende von Kilometern gehandelt worden sind. Ab etwa 8000v. Chr. wurde vulkanisches Glas, sog. Obsidian, von Zentralanatolienbzw. Armenien bis Sdwestiran (Ebene von Deh Luran) gehandelt,und um etwa 5500 v. Chr. gelangte Obsidian bis nach Sdostiran.1

    Zur selben Zeit findet man Lapislazuli aus der Provinz Badakhshanim Nordosten Afghanistans berall, vom Mittelmeer bis zur arabi-schen Halbinsel, in Mesopotamien und im iranischen Hochland(Abb. 43.2). In den meisten Fllen ist es sehr wahrscheinlich, dass die-se Materialien als Rohstoffe transportiert und am Ankunftsort verar-beitet wurden.2 Diese Schlussfolgerung liegt nahe, wenn man den Stilder Objekte, sei es von Steinwerkzeugen, Rollsiegeln oder kleinen Fi-grchen betrachtet. Normalerweise wurde im lokalen Stil, d. h. vonlokalen Handwerkern gearbeitet und eben nicht ein Fertigprodukt ei-nes anderen Kulturkreises verhandelt. Was fr Austauschmechanismen gab es in den frhesten Periodendes Alten Orients? Viel ist hierzu schon geschrieben worden, Kon-

    kretes nachzuweisen bleibt aber nach wie vor sehr schwierig solangees sich um die vorschriftlichen Phasen in der Region handelt. Aus-tausch von Gemeinschaft zu Gemeinschaft oder von Dorf zu Dorfist eine Mglichkeit (sogennate down-the-line trade). In der Frh-zeit echte Handelskarawanen anzunehmen ist sehr unwahrschein-lich, insbesondere vor der Domestikation der Hauptlasttiere wiez. B. des Esels (5. Jahrtausend v. Chr.) und des Dromedars (ca.1100/1000 v. Chr.). Der systematische Handel, beispielsweise mitKarawanen oder Handelsexpeditionen zur See, htte die adminis-trative Fhigkeit verlangt, solche Unternehmen zu organisieren ei-ne Fhigkeit, die es unserer Kenntnis nach in der Frhzeit nochnicht gab.Im Laufe der Geschichte gab es immer wieder Flle, in denen alleswas man zum Leben brauchte, vom Handel abhngig war. Ein Bei-spiel ist das Handelsemporium und Knigtum auf der Insel Hormuz(Sdiran), wo im 14. und 15. Jahrhundert v. Chr. smtliche Nah-rungsmittel und auch Trinkwasser importiert werden musste. Frdie meisten Gesellschaften des Alten Orients jedoch nimmt man an,dass Lebensmittel und Kleidung sowie Arbeitsgerte in der Nheder Gemeinschaft erhltlich waren. Agrargemeinschaften htten sichalso meistens von Lokalprodukten Weizen, Gerste, evtl. Obst undGemse und Tieren Schaf, Ziegen und deren Milchprodukte ernhrt, Huser aus lokalen Holzbestnden, Stein oder Lehm erbaut,Leder-, Leinen- und Woll- (spter auch Baumwoll-)Kleidung vonlokalen Vieh- und Pflanzenbestnden hergestellt und getragen undWerkzeuge aus lokal vorhandenen Gesteinen, Holz, Horn usw. ver-arbeitet. So konnte man gut leben. Dennoch sind schon in sehr fr-hen Perioden exotische Gter wie Obsidian oder Lapislazuli nach-gewiesen, seien es solche mit praktischem (Obsidianklingen z. B.

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    HANDEL IM FRHEN ALTEN ORIENT

    Daniel T. Potts

    Abb. 43.1 Mit Booten wurden Waren ber weite Strecken verhandelt.Terrakottamodell eines Boots und moderne Rekonstruktion der ur-sprnglichen Bestckung des Bootsmodell. Uruk, neubabylonischeZeit, 8.6. Jh. v. Chr. Universitt Heidelberg, Uruk-Warka-Sammlungdes DAI, W 20556.

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    sind uerst scharf; Abb. 25.2b) oder ideologischem/symbolischemWert. Auslndische Halbedelsteine wie Lapislazuli, Karneol, Achat,Bergkristall u. a. oder organische Materialien wie Schildplatt, Elfen-bein und Ebenholz erhalten einen besonderen sozialen Wert, selbstwenn oder gerade weil man ohne Fremdgter gut existieren kann(Abb. 43.3). Sogenannte Prestigegter wandeln sich so sehr schnellin Gter fr bestimmte Sozialschichten oder Personen, die diese un-bedingt vorweisen mussten, wenn sie wichtige soziale, politischeoder religise Rollen ausbten. In den Augen von halbfreien Feld-arbeitern werden sie immer Luxusgter geblieben sein. Fr die Leitereiner Institution, wie des Palastes oder des Tempelkomplexes einerStadtgottheit, sind sie hingegen ein Bedrfnis.Ab der Mitte des 4. Jahrtausends v. Chr. sind in Mesopotamien, Sy-rien, Westiran und Teilen Sd- und Ostanatoliens eine Reihe vonGesellschaften nachweisbar, die mehr und mehr organisiert, strati-fiziert und hierarchisiert waren.3. Einige der ltesten schriftlichenZeugnisse, die wir aus Periode IV in Uruk kennen, zeigen eine fort-geschrittene, d. h. stark differenzierte Arbeitsteilung. Soziale Hie-rarchien scheinen sehr ausgeprgt gewesen zu sein. Je strker dieseinneren Differenzierungen waren, desto mehr brauchte man kon-krete Merkmale, um Individuen der hheren Klassen kennzeichnenzu knnen. Metalle, Halbedelsteine, Elfenbeingter, Objekte (z. B.Rollsiegel) aus exotischen Muscheln sind einige der Produkte, mitdenen soziale Schichten differenziert wurden (Abb. 43.4). Wie erhlt man solche Gter? Vom Mittelmeer bis zum iranischenHochland und von Anatolien bis zur arabischen Wste sind Roh-stoffvorkommen recht unterschiedlich verteilt (Abb. 43.5). MancheGesellschaften hatten daher guten Zugang zu Kupfer-, Zinn-, Sil-ber- oder Goldvorkommen, whrend andere berhaupt keinen hat-ten. Einige Gter, besonders Halbedelsteine wie Karneol und Acha-te, kamen meistens aus Indien, ebenso Elfenbein; Schildplatt undPerlmutt kamen besonders aus dem Persischen Golf; Lapislazuli, wieschon bemerkt, aus Afghanistan.4. Hartgesteine zur Herstellung vonKult- und Herrscherstatuen, wie Diorit, wurden aus Sdostiran bzw.Oman importiert. In manchen Fllen erreichten diese Rohstoffe dieTempel und Palste des Alten Orients als Kriegsbeute. Krieg jedochist episodisch und als Rohstoffquelle hchst unzuverlssig. Zudemwaren nicht viele Stdte und Stadtstaaten in der Lage, groe Gelndezu erobern, zu verwalten und auf Dauer zu behalten, die solche Pro-dukte regelmig htten liefern knnen. Zur regelmigen Herstel-lung von Prestigegtern war also eine andere Art der Versorgung n-tig und Handel besonders geeignet.Um mit einer anderen Gesellschaft Handel treiben zu knnen, sindTauschgter notwendig. In Frage kommen beispielsweise Agrarpro-dukte wie getrocknete Datteln, Wein, Textilien verschiedener Mus-

    ter, Farbe oder Qualitt, Metallerz, oder besser, das schon geschmol-zene, d. h. raffinierte Metall in Form von Barren zur Weiterverar-beitung sowie jede Menge exotischer Materialien wie Elfenbeinzh-ne, Perlmutt, Achat usw. Im echten internationalen Handel des 3.Jahrtausend v. Chr. gibt es wenig Hinweise auf Wertangaben, d. h.Preise. quivalenzen jedoch sind erkennbar, da Wirtschaftstexte ausMesopotamien wichtige Informationen darber liefern, wievieleTextilien in die Stadt oder das Land X geschickt worden sind, umso und soviel Kupfer anzukaufen.5. Manche Produkte, besondersGetreide, waren fr lange Reisen nicht gut geeignet. Wegen desVolumens waren die Transportkosten zu hoch und die Gefahr desVerderbens gro. Andere Gter, Textilien etwa, wurden in man-chen Fllen exportiert, z. B. um Kupfer in Oman fr die Stadt Ureinzukaufen. Bemerkenswert ist aber, dass nur Textilien ziemlichniedriger Qualitt aus Mesopotamien exportiert wurden. Umge-kehrt war importiertes Kupfer bereits raffiniert, da es viel zu teuergewesen wre, Roherz von Oman oder von Zypern aus zunchstber das Meer, dann ber Land nach Mesopotamien zu transpor-tieren (Abb. 43.1). Zur Zeit der sog. III. Dynastie von Ur (ca.21002000 v. Chr.) gab es in Ur bestimmte Seehndler, die vomNanna-Ningal Tempel oder vom Palast finanziert wurden, indemsie eine bestimmte Menge Waren (wie z. B. Textilien) als Kapitalerhielten, mit denen sie in den Oman reisten, um dafr dort Kup-fer oder Elfenbein zu erwerben. Die Ausgabe des Tempels oder Pa-lastes wurde in einem kurzen Wirtschaftstext gebucht, spter dannauch der Erhalt der erworbenen Produkte, manchmal verbundenmit der Weihung einer kleinen Menge derselben als Zehnt an dieGottheit der Stadt, die die heile Rckkehr des Handelsunterneh-mens sichergestellt hatte. Sowohl der Bedarf an Transportmitteln(Karawanen, Lasttiere, Schiffe) als auch das Handelsgut und dasRisiko der ganzen Unternehmung machten deren Durchfhrungfr Individuen schwer, wenn nicht unmglich. Als Initiator undEigner erscheint deswegen oftmals eine Institution (Tempel, Palastoder kniglicher Haushalt) und/oder ein fhrendes Individuum(Knig, Knigin).Privatgeschfte sind durchaus auch bekannt und im 2. Jahrtausendv. Chr. wuchs die Anzahl von Privatunternehmern stark. Die Bedin-gungen solcher Expeditionen sind noch nicht immer klar, offenbarverfgte der Hndler manchmal ber Kapital einer kleinen Gruppevon Investoren, um etwa Kupfer im Ausland einzukaufen. Risikound Profit spielten, wie heute, eine wichtige Rolle. Im 1. Jahrtausendv. Chr. waren ganze Familien an solchen Geschften beteiligt, wiez. B. in der Stadt Nippur, wo die Familie Muraschu ttig war, oderBabylon, wo die Familie Egibi eine hervorragende wirtschaftlicheRolle spielte. Die Geschfte dieser Familien sind ber mehrere Ge-

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    Abb.43. 4 Gegenstnde werden auch durch besonders qualittvolle Bearbeitung und hervorragende Materialwahl wertvoll und eignen sich zurDemonstration von Hierarchien. Schale aus Dolomit. Uruk, spte Uruk-Zeit, 35003300 v. Chr., Berlin, Vorderasiatisches Museum VA 14896.

    Abb. 43.2 Zierstck aus Lapislazuli. Uruk, aus den parthi-schen Einbauten des Eschgal. 1. Jh. v. Chr. 1. Jh. n. Chr.Berlin, Vorderasiatisches Museum VA 13100

    Abb. 43.3 Ketten aus Perlen, deren Steine ber weite Distanzen importiert wer-den muten, dienten als Prestigeobjekt und zur Kennzeichnung des sozialenStatus. Uruk. Berlin, Vorderasiatisches Museum VA 16729

  • Zypern und anderswo. Handel wurde jedoch nicht nur mit der Be-vlkerung des Herkunftsbereiches, wie etwa den bei den Kupferber-gen in Oman wohnenden Menschen getrieben, es gab auch sehr vie-le Zwischenhndler. Im Falle von Lapislazuli beispielsweise ist es sehrunwahrscheinlich, dass Karawanen direkt von Mesopotamien bisAfghanistan reisten oder umgekehrt. Vielmehr waren wahrscheinlichmehrere Hndler ber krzere Strecken beteiligt. Im Falle des oma-nischen Kupfers wiederum ist ziemlich deutlich, dass am Ende des3. Jahrtausends v. Chr. Kupferbarren direkt von Oman nach Meso-potamien importiert wurden. Im frhen 2. Jahrtausend v. Chr. hin-gegen kommt das aus dem Sden stammende Kupfer nicht aus Ma-gan (Oman), sondern, so heit es in den Texten, aus Dilmun (Bah-rain).6. Aus verschiedenen Quellen ist bekannt, dass Dilmun der an-tike Name Bahrains war, jedoch gibt oder gab es dort keine Kupfer-vorkommen. Die Erklrung liegt in der uerst geschickten Ver-marktungsstrategie der Kupferhndler Dilmuns, die anscheinenddas absolute Monopol ber den Kupferhandel mit Sdmesopota-mien hielten. Kupfer, so nimmt man an, gelangte von den Produ-zenten in Oman nach Bahrain und wurde dort an die mesopotami-schen Hndler weiterverkauft. Zugang zu den Produzenten und

    damit eventuell niedrigere Preise war nicht mglich, zumindestnicht fr die seefahrenden Hndler von Ur (sog. alik Tilmun).Gleichzeitig ist mglich, dass Geschfte mit den Zwischenhndlernauf Bahrain auch im Interesse der mesopotamischen Hndler waren.Die alik Tilmun konnten so die viel lngere Reise nach Oman ver-meiden, d. h. Transportkosten und Transportrisiko verringern, selbstwenn die Kupferpreise in Dilmun hher waren als in Magan. Beimanchen Geschften gab es aber auch ein gewisses Risiko von Be-trug. In einem altbabylonischen Text aus Ur7 aus dem spten 19.Jhahrhundert. v. Chr., den Kaufmann Ea-nasir betreffend, schimpftder Schreiber Nanni ber Ea-nasirs Angebot von schlechten Kup-ferbarren. Verschiedene Erklrungen des Sachverhalts sind mglich.Unwillkrlich denkt man an die Qualitt des Kupfers und anschlecht raffiniertes Kupfer mit einem unakzeptablen Anteil vonBeimischung. Eine weitere Erklrung legt aber der folgende Fundnahe. Vor einigen Jahren entdeckte man in Oman einen Hortfundvon Kupferbarren, die anscheinend beabsichtigte Flschungen wa-ren. Sie bestehen aus einem Kern von Schlacke dem Abfallproduktdes Schmelzens mit einem berzug aus echtem Kupfer. Htte einKupferschmied solche Kupferbarren zum Gieen erhitzt, htte es

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    nerationen verfolgbar. Ihre Investitionen waren weit gestreut undihr Besitz umfasste auch Immobilien im In- und Ausland.Wenn man sich das Spektrum der Gegenstnde aus vielen archo-logischen Ausgrabungen im Alten Orient anschaut, erkennt mansofort, auch an kleinen, relativ bescheidenen Orten, dass Metalle Kupfer, Bronze (eine Legierung von Kupfer und Zinn) sowie Eisenfr Werkzeuge und Waffen und Halbedelsteine Bergkristall,Achat, Karneol, Chalcedon, Lapislazuli eine ungeheuere Verbrei-tung hatten. Diese Rohstoffe waren, je nach historischer Periode,nicht ausschlielich fr die Eliten der altvorderasiatischen Gesell-schaften bestimmt. Man findet Objekte (z. B. Perlen, Schmuckst-cke, Waffen) aus derartigen Materialien auch in Privatgrbern vongewiss nicht-kniglichen Frauen, Mnnern und Kindern. Obwohlin manchen Perioden der Palast oder die Tempel an der Einfuhr sol-cher Produkte beteiligt waren und sogar eine fhrende Rolle bei de-ren Import spielten, scheint es Mechanismen gegeben zu haben, diedie breite Verteilung diese Gter innerhalb der Gesellschaft sicher-stellten.

    In manchen Fllen, wie z. B. bei der Herstellung von Rollsiegeln,waren Materialien von geringerem Wert Kalkstein, gebrannter Ton neben solchen von hherem Wert Halbedelsteine, Muschel, so-gar Metall in Gebrauch. Handel (oder Krieg) war unabdingbareVoraussetzung fr den Zugang zu vielen dieser Materialien. Wie je-doch Achat oder Karneol in die Hnde der Handwerker oder Sie-gelschneider kam, wissen wir nicht. Dass jedoch hhere Kosten im-pliziert waren, wenn es um Lapislazuli statt um Kalkstein ging,scheint klar zu sein. Die Einsatzbereiche verschiedener Edelsteine sind je nach Periodeunterschiedlich. Die Grnde hierfr sind bislang nicht bekannt, vor-stellbar sind beispielsweise Verschiebungen des Angebots aufgrundinnen- und auenhandelspolitischer Faktoren, die Unterbrechungvon Handelsrouten durch Krieg und Eroberungen oder ein wech-selnder Geschmack der Klientel.In der Bronzezeit (3. und 2. Jahrtausend v. Chr.) war das Bedrfnisan Kupferbarren wie auch an Zinn erheblich. Rohstoffquellen gabes im Iran, in Oman, Anatolien, im Kaukasus, auf dem Sinai, auf

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    Abb. 43.6 Dromedare transportierten in Karawanen Gter durch die Wste. Uruk, neubabylonische Zeit, 8.6. Jh. v. Chr. Universitt Heidel-berg, Uruk-Warka-Sammlung des DAI, W 21389.

    Abb. 43.5 Herkunftsgebiete wichtiger Rohstoffe, die im ganzen Alten Orient verhandelt wurden.

  • zum Mittelmeer und in den Alten Orient.9 Kamelkarawanen be-wegten sich von Sdarabien aus ber mehrere Routen nach Nor-den. Eine Route, diejenige durch Zentral- und Nordostarabien,verlief bis Babylonien. Eine andere Route nahm ihren Weg durchWestarabien nach Norden und verzweigte sich dann ber Zentral-arabien in Richtung mittlerem Euphrat und in das Gebiet von Ma-ri und Sukhu (nahe des modernen Ana im Irak). Ihr Hauptzweigjedoch lief ber Tayma und al-Ula (dem biblischen Dedan, beidein Saudi-Arabien) nach Gaza (Palstina). Im 4. Jahrhundert v. Chr.etablierten die Miner aus Sdarabien eine Handelskolonie in De-dan, und im 1. Jahrhundert waren es die Nabater in Madain Salih(Saudi-Arabien) und Petra (Jordanien), die als Zwischenhndlersdarabischer Rucherprodukte im Norden erscheinen (Abb.43.7).

    Sicherheit auf Handelsrouten war auch in der Antike ein Anliegen.Piraten auf dem Meer und Ruber auf dem Land bedrohten Han-delswege und manche Handelskarawane. Auch natrliche Un-glcksflle sind bekannt und der Transport von Gtern per Schiffim Mittelmeer, Schwarzen Meer, Persischen Golf oder IndischenOzean war mit vielerlei Gefahren behaftet. Eine beredte Sprachefr solch gefhrliche Situationen sprechen Wrackfunde wie dasUluburun-Schiff (Ende 14. Jahrhundert v. Chr.) vor der trkischenKste.10 Whrend ein solches Ereignis fr die antiken Hndler si-cherlich eine finanzielle Katastrophe war, ist es fr moderne Ar-chologen ein unverhoffter Glcksfall. So ist man in der Lage, Artund Menge der Rohstoffe und Fertigprodukte auf dem Weg vomHersteller zum Markt zu studieren und erhlt so einen kleinenEinblick in die inneren Arbeitsweisen des antiken Handels.

    1 Potts 2007.2 Moorey 1994.3 Bauer Englund Krebernik 1998; Postgate 1994; Roux Renger 2005,

    4352.4 Klengel 1979, 2272. 5 Sallaberger Westenholz 1999.

    6 Franke-Vogt 1995.7 Figulla Martin 1953, 81. 8 Brisch Bartl 1995, in: Bartl Bernbeck Heinz 1995, 134147. Sind

    das zwei Einzelverweise oder gehren die zusammen?9 Franke 2012, 72 -85. 10 Yalin Pulak Slotta 2005.

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    wohl ein bses Erwachen gegeben. Ob Ea-nasir mit Absicht solcheKupferbarren vermittelte oder selbst betrogen wurde, wissen wir lei-der nicht.Man muss sich aber auch klarmachen, dass ber die Einfuhr vielerauslndischer Gter und Rohstoffe keine schriftlichen Aufzeich-nungen existieren. Wenn man z. B. die groe Anzahl von Werk-zeugen und Waffen aus Kupfer, Bronze und eventuell Eisen be-denkt, die berall im Alten Orient verbreitet waren, dann wirdklar, dass wir fr den Groteil nicht wissen, wie diese Metallbe-stnde beschafft wurden und wer auerhalb der Geschfte des Pa-lastes oder Tempels dafr zustndig war. Oft sind weder Namennoch Herkunft eindeutig. Die Bezeichnungen fr manche Waffendeuten auf eine fremde Herkunft oder zumindest einen fremdenUrsprung hin. Es kann z. B nicht ausgeschlossen werden, dass so-genannte . skythische Pfeilspitzen keineswegs nur aus ihrer ur-sprnglichen Heimat stammten, sondern nach kurzer Zeit ber-all hergestellt oder von einer bestimmten Sozialgruppe benutztwurden. Bgen elamischer Art kommen nicht notwendigerweiseaus Elam (Sdwestiran). Sie wurden auch im assyrischen Heer ge-nutzt und wahrscheinlich auch in Assyrien hergestellt. Weder dasHolz noch die Bogensehne muss auslndisch sein. Man kann

    also nur von aus dem Ausland stammender Produktion sprechen,wenn entsprechende naturwissenschaftliche Analysen des Materialszur Verfgung stehen. Denkt man andererseits an Rollsiegel ausAchat in ausgeprgt babylonischem Stil, ist wiederum klar, dassder Rohstoff in jedem Fall aus dem Ausland stammen muss, selbstwenn der genaue Ursprungsort nicht zu identifizieren ist dennlokale Vorkommen von Achat gibt es nicht in Mesopotamien. Ausder Vielzahl an mesopotamischen Objekte, d. h. Objekten, die inmesopotamischem Stil oder mit mesopotamischer Ikonographie,aber aus Rohstoffen fremder Herkunft hergestellt wurden, wirdsehr deutlich, dass Handwerker ber eine regelmig Rohstoffver-sorgung verfgten.Fernhandel im mittelalterlichen Orient ist unweigerlich mit demGedanken an Karawanen verbunden. In der Tat gab es auch schonim Alten Orient Karawanen. Vom Anfang des 2. Jt. v. Chr. ist eineKette von assyrischen Handelskolonien (Assyrisch karum, oderKai) in Anatolien bekannt, wo Assyrer, zum Teil mit einheimi-schen anatolischen Frauen verheiratet, ber mehrere Generationenwohnten und arbeiteten.8. Die Assyrer exportierten Zinn aus demOsten (Iran und vielleicht Zentralasien) und assyrische Textiliennach Anatolien und kehrten mit groen Mengen von Silber zu-rck. Diese Geschfte wurden ausschlielich mit Esels- oder Maul-tierkarawanen unternommen, die fr die Topographie von Anato-lien und Nordmesopotamien bestens geeignet waren.Die traditionellen Karawanen des Nahen Ostens sind aber si-cherlich die Kamelkarawanen. Diese konnten erst nach der Do-mestikation des Dromedars, etwa um 1100/1000 v. Chr., eine Rol-le spielen wohingegen die baktrischen Kamele mit zwei Hckernin der Mongolei und Innerasien viel frher domestiziert wordenwaren. Die Domestikation des Dromedars erfolgte in Arabien. Derfrheste osteologische Nachweis stammt aus Tell Abraq und Mu-weilah (beide in den Vereinigten Arabischen Emiraten). Viele Jahr-tausende lang hatte man in Arabien wilde Kamele gejagt, derenKnochenreste auch bekannt und untersucht worden sind. Um1100 v. Chr. ist pltzlich eine Verkleinerung der Tiere zu erkennen,was auf deren Domestikation hindeutet. Kurze Zeit spter findetman Tonfiguren von Kamelen (Abb. 43.6; 48.4) in Palstina undArabien and schlielich schriftliche Zeugnisse von Kamelzuchtund Kamelkarawanen. In der Bibel werden die Midianiter inNordwestarabien besonders fr ihre Kamelbestnde gerhmt. Ka-rawanen waren in der Entwicklung der Hochkulturen Sdarabiensuerst wichtig. Die Knigreiche von Saba, Main, Qataban undHimyar (im Jemen und Saudi-Arabien) leiteten ihren Reichtumvom Handel ab, und zwar vom Fernhandel und von ihrer fast mo-nopolartigen Kontrolle ber den Weihrauch- und Myrrhehandel

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    Abb. 43.7 Rucherkstchen finden sich in Uruk erstmals in der neu-babylonischen Zeit, 8.6. Jh. v. Chr. Berlin, Vorderasiatisches Muse-um, VA 10832.


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