Shannon HaleDas Buch der Tausend Tage

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DIE AUTORIN

Shannon Hale begann bereits mit zehn Jah-ren Bücher zu schreiben. Sie erwarb einenMFA für Kreatives Schreiben und gewann denNewbery Honor Award sowie zahlreicheweitere Auszeichnungen für ihre Jugend-bücher. Sie hat ebenfalls zwei Romane für Erwachsene veröffentlicht. Für »Das Buchder Tausend Tage« erhielt sie den CYBILSAward. Die Autorin lebt mit ihrem Mann,ihren zwei Kindern und einem Haustier –einem Plastik-Schwein – in der Nähe von SaltLake City, Utah.

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Shannon Hale

Das Buch der Tausend Tage

Aus dem amerikanischen Englisch von Anne Brauner

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cbj ist der Kinder- und Jugendbuchverlagin der Verlagsgruppe Random House

1. AuflageErstmals als cbj Taschenbuch Dezember 2010Gesetzt nach den Regeln der Rechtschreibreform© 2007 der Originalausgabe by Shannon HaleDie Originalausgabe erschien erstmals 2007 unter demTitel »Book of a Thousand Days« bei BloomsburyUSA. Children’s Books, New York.© 2010 der deutschsprachigen Ausgabe bei cbj Verlag,Münchenin der Verlagsgruppe Random House GmbHÜbersetzung: Anne BraunerInnenillustrationen/Karte: © James Noel SmithUmschlagbilder: Plainpicture/Fancy/Fritz Cohen(Mädchen); Geviert (Hintergrund und Blumen) Umschlaggestaltung: Geviert – Büro für Kommuni -kationsdesign, München, Conny Heptingjb · Herstellung: CZSatz: KompetenzCenter, MönchengladbachDruck und Bindung: GGP Media GmbH, PößneckISBN 978-3-570-40039-5Printed in Germany

www.cbj-verlag.de

MixProduktgruppe aus vorbildlich bewirtschaftetenWäldern und anderen kontrollierten Herkünftenwww.fsc.org Zert.-Nr. SGS-COC-001940© 1996 Forest Stewardship Council

Verlagsgruppe Random House FSC-DEU-0100Das für dieses Buch verwendete FSC-zertifizierte Papier München Super Extraliefert Arctic Paper Mochenwangen GmbH.

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Für VictoriaZu meiner Gänsemagd sagten neune: Nein!

Doch Du schenktest mir Tee und ein trautes Heim.Am Bloomsbury Place hast Du ein Häuschen mir erricht’

Mit Kissen auf Sesseln, im Gesicht nur Sonnenlicht.Für unser fünftes Buch umarme ich dichMögen noch viele folgen – das hoffe ich!

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Ein Buch voller Gedanken von Dashti,einer Aratin und Dienerin einer Lady,

Erzählt von sieben Jahren in einem Turmund den Abenteuern der Zeit danach.

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ERSTER TEIL

Der Turm

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Tag 1

Meine Herrin und ich werden für sieben Jahre in einenTurm gesperrt.

Lady Saren sitzt auf dem Boden, starrt die Mauer an undhat sich seit einer Stunde nicht mal gekratzt. Die Ärmste.Schade, dass ich keinen frischen Yak-Fladen oder etwas an-deres streng Riechendes habe. Ich möchte sie erschrecken,damit sie ihr Elend vergisst.

Die Männer mauern die Tür zu. Ich höre, wie sie mur-meln und kratzend den Zement verteilen. Oben klafft nurnoch ein kleines, nicht zugemauertes Viereck aus Himmelund Licht. Ich lächele gegen sein gemeines Grinsen an, umzu zeigen, dass ich mich nicht fürchte. Das ist doch schonmal was, dass sie sich unseretwegen so viel Mühe geben.Ich fühle mich wie ein Edelstein in einer Schmuckschatulle,obwohl ja meine Herrin der…

Auf einmal erwachte meine Herrin aus ihrer Lähmung undwarf sich gegen die Tür, krallte sich in die Steine und ver-suchte, sich mit aller Kraft in die Freiheit zu schieben. Diehat vielleicht geschrien! Wie ein wütendes Ferkel.

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»Bleibst du wohl drin!« Wir hörten ihren ehrenwertenVater sprechen. Anscheinend stand er in der Nähe der Öff-nung. »Du bleibst da drin, bis dein Herz weich wird wieKartoffeln, die zu lang gekocht wurden. Und wenn du ver-suchst auszubrechen, wisse, dass ich den Wachen befohlenhabe, dich augenblicklich zu töten. Ich gebe dir sieben Jahre,dir deinen Ungehorsam auszutreiben. Ehe du nicht lamm-fromm wirst vor Reue, kann ich deinen Anblick nicht er-tragen.«

Ich hätte ihn beinahe gewarnt, dass solche Worte Un-glück bringen und sein Herz vergiften. Den Ahnen seiDank, dass der Anfall meiner Herrin mich davon abhielt,ungefragt zu sprechen. Als ich sie zurückzog, hatte sie sichdie Hände am Stein blutig geschlagen und mit nassem Zement beschmiert. An so einem Morgen ist einem nichtzum Feiern zumute, trotzdem nützt es nichts, um sich zuschlagen.

»Ganz ruhig, Mylady«, sagte ich wie zu einem wider-spenstigen Bock. Es fiel mir nicht schwer, meine Herrinfestzuhalten, und wenn sie sich noch so wehrte. Ich binfünfzehn Jahre alt, aber obwohl ich so mager bin wie eingehäuteter Hase, bin ich stark wie ein Yak – das hat jeden-falls meine Mama immer gesagt. Ich sang das Trostlied. Esgeht so: »Oh, Motte im Wind, oh, Blatt im Bach« und ver-leitet den Zuhörer zum Träumen. Ich hatte Angst, dassmeine Herrin zu wütend wäre, um auf den Gesang zu ach-ten, aber sie suchte offenbar den Schlaf, denn nun liegt sieschnarchend auf meinem Schoß. Zum Glück sind Pinselund Tinte zur Hand und ich kann weiterschreiben. Wenn

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man sich nicht bewegen kann, bleibt einem nichts weiterzu tun, als zu grübeln, und gerade jetzt möchte ich nichtdenken.

Meine Herrin wird im Schlaf von schwerem Schluchzengeschüttelt. Mir fallen beinahe die Augen zu. Vielleichtmacht die Dunkelheit uns so schläfrig. Goda, Göttin desSchlafs, gib uns Halt in der Nacht.

Tag 2

Es ist so still und dunkel wie in der Nacht, nur eine zittern-de Kerze leuchtet uns. Die Tür ist fest vermauert. Hin undwieder höre ich Stimmen, wahrscheinlich von den Wachendort draußen.

Da Goda gestern Nacht mein Gebet erhört hat, konntenwir bis zum Morgen schlafen. Dass Morgen ist, weiß ich,weil ich durch die Latrinenöffnung gelugt habe. Das ist eine

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kleine Eisenklappe, die gerade so weit aufgeht, dass manden Nachttopf und das Waschwasser ausleeren kann. Sosieht sie aus.

Wenn ich sie öffne, versperrt mir ein Vorsprung der Ziegelmauer den Blick, aber ich kann fünf große Spannenunter mir den Boden sehen. Wie umsichtig von ihrem ehrenwerten Vater, unser Gefängnis so zu gestalten, dasswir unsere Notdurft nach draußen kippen können und nichtsieben Jahre lang verdorbene Luft atmen müssen.

Früher war unser Turm ein Aussichtsturm, strategischgünstig an der Grenze zwischen Titors Garten, dem Land ihres ehrenwerten Vaters, und Gedanken von Unter, dem Königreich gen Osten. Das obere Stockwerk war der Aus-guck, aber jetzt sind die Fenster blind vor Steinen. Vondort hätte man leicht fliehen können, denke ich, oder LadySarens ehrenwerter Vater hofft, ihren Willen durch Dun-kelheit zu brechen. Im oberen Stockwerk liegt das Gemachmeiner Herrin. Dort ist die Luft am besten, weil die klei-nen Spalten in den Steinen Frische durchlassen. Wenn ichdas Gesicht an einen bestimmten Spalt drücke, glaube ich,das Blau des Himmels zu sehen. Doch vielleicht sehe ichauch nur Schatten.

Im mittleren Geschoss liegt unsere Küche mit einerKochstelle, Töpfen, einem Tisch und einem Stuhl. An denWänden stapeln sich die Holzscheite und meine Stroh -matratze leistet dem Boden Gesellschaft. Eine Leiter führtin den Keller. Das Ganze sieht ungefähr so aus.

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Aber was mich wirklich vor Entzücken erbeben lässt – inunserem Keller ist ein wahrer Berg von Lebensmitteln un-tergebracht! Fässer und Säcke und Kisten, alle bis oben voll!Außerdem haben wir einen schönen Brunnen direkt imKellerboden. Meine Herrin macht in ihrem Zimmer einSchläfchen, deshalb bin ich hinuntergestiegen, um mir allesanzusehen. Genug zu essen für sieben Jahre. So etwas hätteich mir niemals vorstellen können. Selbst wenn ich denHimmel nicht sehen kann, fällt es mir schwer, nicht zu tan-zen, weil feststeht, dass ich in den nächsten sieben Jahrennicht verhungern werde. Für ein Aratenmädchen wie michsieht so das Paradies aus. Mama würde sich kaputtlachen.

Tag 6

In den letzten Tagen war ich sehr damit beschäftigt, mirden Turm genau anzusehen, die Mehl- und Reissäcke so-

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wie die Fässer mit getrocknetem und gesalzenem Ham-melfleisch zu zählen. Ich wollte ausrechnen, wie viel wirjeden Tag essen dürfen, damit es für sieben Jahre reicht. Eskommt mir gelegen, dass ich mit Buchstaben und Zahlenumgehen kann, denn so kann ich meine Rechnungen auf-schreiben. Wir haben mehrere Kisten mit Kerzen undeinen Haufen Pergament. Das reicht sicherlich für siebenJahre.

Diese Mahlzeiten habe ich in den letzten Tagen zube -reitet:

Zum Frühstück: mit Zucker erwärmte Milch zu flachenGerstenkuchen. Jeden Morgen klopfen die Wachen an dieEisenklappe und reichen ein Horn mit frischer Stutenmilchherauf. Zunächst verspritze ich mit dem Gesicht zum Hei-ligen Berg einen Tropfen in die nördliche Ecke und sagemeine Gebete auf. Eigentlich sollte ich die Milch auf die Erde tröpfeln und nicht auf Stein, aber anders geht es nicht,weil die Metallklappe im Süden liegt.

Zum Mittagessen: Mistkuchen. So nennen wir Aratensie, obwohl ich dieses grobe Wort in Gegenwart meinerHerrin nicht benutze. Sie bestehen aus gesalzenem Fleisch(das lange köchelte, um weich zu werden) und Zwiebeln.Beides wird in Teig gewickelt und auf Kohlen gegart. So haben wir sie mit Mama gegessen, nur dass ich hier auchGewürze dazutun kann, nämlich Zimt und Pfefferkörner!Vor dem Turm habe ich zweimal etwas Gewürztes geges-sen, aber noch nie durfte ich meine Hand in ein Fass tauchen und die rohen Pulver und Samen anfassen. EinesTages, wenn dieses Leben zu Ende ist und meine Seele den

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Heiligen Berg erklimmt, werden die Ahnen wohl zu schönund strahlend sein, um sie anzusehen, aber ihre Haut undihr Atem wird nach Pfefferkörnern und Zimt riechen, nachAnis, Kardamom und Fenchel. Himmlisch!

Zum Abendessen gab es Reis und Dörrerbsen, mit Milchund Rosinen gekocht und einer Prise Zucker gesüßt. Köst-lich. Meine Herrin sagt, sie sei es gewohnt, die Hauptmahl-zeit am Abend statt am Mittag zu essen, aber das leuchtetmir nicht ein. Da sie mich nicht angewiesen hat, die Rei-henfolge zu ändern, bleibt es dabei.

Diese vergangenen Mahlzeiten waren die reichhaltigstenin meinem Leben, und wenn das Dienerinnendasein es mitsich bringt, dass ich dasselbe esse wie meine Herrin – nochdazu gewürzt! –, wird keine Klage mehr über meine Lippenkommen.

Um meiner Herrin über den langen Tag zu helfen, ge-be ich ihr manchmal Trockenfrüchte oder ein Stück Käse.Dennoch schwört sie Stein und Bein, sie wäre am Ver-hungern. Die Augen sind größer als der Mund, hat meineMama immer gesagt. Meine Herrin kann nicht wirklichhungrig sein – ich glaube, eigentlich ist sie traurig, soweit fort von ihrem Geliebten gefangen zu sein. Sie hofft,das Essen würde die Leere füllen, während ihr Herzbricht.

Aber so viel zu essen! Wir essen dreimal täglich, undwenn ich abends meine Matratze ausrolle, lache ich in mei-nen Arm und bete zu meiner Mama, damit sie erfährt, wiegut es mir geht.

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Tag 11

Ich glaube, ich sollte langsam erklären, warum wir hier ein-gesperrt sind. Und da wir bereits zu Mittag gegessen habenund alles geputzt und gewaschen ist und meine Herrinruht, kann ich im Augenblick ohnehin nichts anderes tun,als in die Flamme der Kerze zu starren. Sie zuckt und rucktwie ein Frühlingsfohlen, und manchmal starre ich so langehinein, dass ich noch eine Stunde später nichts anderes vorAugen sehe. Doch jetzt will ich schreiben.

Ich bin erst vor einem Jahr in die Stadt von Titors Gartengekommen. Meine Mutter, die Ahnen mögen sie segnen,starb am Schlammfieber, dem im Sommer viele Menschenerliegen. Ich blieb allein zurück, denn mein Vater starb, alsich noch ein Baby war, und meine Brüder gingen in dieWelt hinaus, als ich ein achtjähriges Mädchen war, dasnoch zwei Zöpfe trug. Jetzt trage ich nur noch einen Zopf,der lang über meinen Rücken hängt. Meine Herrin trägtdas Haar hochgesteckt, obwohl sie nicht verheiratet undnur ein Jahr älter ist als ich. Wahrscheinlich darf sie mitihren Haaren tun, was sie möchte, adlig wie sie ist.

Wie auch immer. Da nun meine Mutter im Reich derAhnen war, machte ich mich auf den weiten Weg von denSommerweiden in die Stadt, um dort Arbeit zu finden. Fürmeinen Geschmack waren viel zu viele Menschen in derStadt. Wo schliefen sie nur alle? Wie ernährte man so vieleKörper? Mir tat der Kopf weh, so sehr versuchte ich, das

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alles zu verstehen. Nach kurzer Zeit hatte ich das Haus derHäuptlinge gefunden und mit meinem letzten Tier eine Beschäftigung erkauft. Ich musste mich vor einer magerenFrau, die mit »Meisterin« angeredet wurde, aufstellen undmeine Kenntnisse aufzählen, bis sie schließlich beschloss,ich wäre am besten im Stall aufgehoben. Als sie aufstand,um mir den Weg zu zeigen, zuckte sie zusammen und riebsich den Rücken.

»Tut es weh, Meisterin?«, fragte ich.Sie gab mir keine Antwort. Vielleicht trat ich ihr mit mei-

ner Neugier zu nahe, aber ich wollte ihr helfen, und warumsoll man still herumsitzen, wenn man von Nutzen seinkann? »Ich könnte Euren Schmerz möglicherweise lindern,Meisterin, wenn Ihr es erlaubt«, sagte ich deshalb.

Als sie keine Einwände erhob, legte ich eine Hand aufihren Rücken und begann mit dem Lied gegen körperlicheSchmerzen. Diese langsam gleitende Melodie fängt an mit»Sag mir noch mal, wie geht das?« und rankt sich allmählichin die trällernde Weise für begrabene Schmerzen »Beerenim Sommer, rot, violett, grün«.

Als ich fertig war, streckte sie sich. »Du bist also eineAratin? Ich habe von den Heilgesängen gehört, aber nieviel davon gehalten.« Sie musterte mich nachdenklich,ehe sie eine Menge seltsamer Fragen auf mich abfeuerte.»Was ist die richtige Medizin für eine Dame mit Wein-krämpfen?«

»Man gebe ihr warme Milch zu trinken und reibe ihrenRücken.« Das war einfach.

»Zeig mir eine gerade Naht.«

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Und ich nähte eine Linie, die gerader war als der Fingervon Ris, dem Gott der Städte und Straßen.

»Zeig mir deine Hände«, sagte sie und untersuchte sieauf Schwielen. »Mmm-hmm. Und deine Aratenmutter hatdir all diese Heilgesänge beigebracht?«

»Ich glaube nicht, dass einer allein sie alle kennen kann,aber ich kenne die nützlichen Lieder, zum Beispiel um einerStute beim Fohlen zu helfen, oder das Lied, mit dem man eine Yak-Kuh dazu bringt, beim Melken stillzustehen…«

»Nein, nein, mit Pferden und Yaks habe ich nichts zuschaffen. Es geht um die Lieder für Schmerzen in Rücken,Bauch und Kopf. Wie das, das du eben für mich gesungenhast.«

»Davon kenne ich Dutzende, würde ich sagen.«»Dann mache ich eine Dienerin aus dir, im ehrenwertes -

ten Haus in Titors Garten. Die zweite Tochter unseresHerrn, Lady Saren, wird eine frische Magd brauchen, wennihre Erziehung beendet ist. Sie verlangt ständig nach neuenMädchen.«

Die Meisterin schickte mich zu einem alten Mann na-mens Qadan, der neben dem Haus der Häuptlinge wohn-te. Ich kochte und putzte für ihn, und am Nachmittagkam eine Gruppe eifriger Schreiber ins Haus, um lesen zulernen.

»Als Lady Sarens Dienerin musst du dich aufs Schreibenverstehen«, hatte die Meisterin gesagt. Damals wusste ichnicht, warum, aber jetzt verstehe ich – denn im Gegensatzzu den meisten Adligen kann Lady Saren nicht schreiben.

Was für eine seltsame und erstaunliche Zeit war das! Ich

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bekam zwei große Mahlzeiten am Tag, schlief an einemFeuer, das niemals erlosch, und lernte die Geheimspracheder Tintenstriche. Wenn ich einmal früh mit meinen Auf-gaben und Besorgungen fertig war, brachte Qadan mir dasZeichnen bei. Ich hatte so viel zu tun und mein Bauch warso voll, dass ich auf der Stelle einschlief.

Doch in manchen Nächten, wenn ich mich auf der Ma-tratze wälzte und wach ins Nichts starrte, überfiel mich dieTraurigkeit. In der Stille von Qadans dunklem Haus fühltesich mein Kummer wie ein Fluss an, in dem ich versankund von der kalten Strömung fortgetragen wurde. Das trifftes am ehesten, und ich will damit sagen, ich vermisste meine Mama.

Qadan warf auch schon mal Kerzenleuchter nach uns,wenn ihn sein Rücken plagte, aber im Großen und Ganzenwar er ein guter Lehrer. Seiner Meinung nach übte mandas Schreiben am besten, wenn man sich ein Gedanken-buch zulegte. Mein erstes blieb zurück, als wir in aller Eilein dieses Gefängnis verfrachtet wurden. Als ich ein leeresBuch mit gehefteten Seiten bei dem Pergament und derTinte fand, fragte ich meine Lady, ob ich es behalten dürf-te. Sie konnte nichts damit anfangen.

Jetzt klingt es ein wenig lächerlich, dass ich nach dieserlangen Lehrzeit nun in einem Turm sitze, wo sich keineGelegenheit bietet, Liebesbriefe für meine Herrin zu schrei-ben oder ihre Bücher zu führen. Stattdessen halte ich dieDetails unserer Gefangenschaft fest. Es könnte ja sein, dassdie Männer des Herrn nach sieben Jahren an die Mauernschlagen und die zarte Lady und ihre demütige Dienerin

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UNVERKÄUFLICHE LESEPROBE

Shannon Hale

Das Buch der Tausend Tage

DEUTSCHE ERSTAUSGABE

Taschenbuch, Broschur, 320 Seiten, 12,5 x 18,3 cm40 s/w AbbildungenISBN: 978-3-570-40039-5

cbj

Erscheinungstermin: November 2010

Eine unvergessliche Heldin, die mit ihren magischen Heilkräften das Schicksal der Weltverändert Dashti ist fünfzehn als sie mit Lady Saren in einen Turm eingesperrt wird. Lady Saren hat einemgrausamen Verehrer die Ehe verweigert und muss dafür büßen. Jetzt liegt es in Dashtis Händen,für sich und ihre Herrin zu sorgen. Doch da erscheinen gleich zwei Anwärter um Lady SarensHand – einer willkommen, der andere eine dunkle Bedrohung. Sie bringen Hoffnung und Gefahr,nicht zuletzt für Dashti, die sich in einem gewagten Spiel als Lady Saren ausgibt …