Willick und Mitarbeiter publizierten die Epidemiologie der Verletzungen während der Paralympischen Spiele in London 2012. Es wurden 633 Verletzungen bei 539 von insgesamt 4.176 akkreditierten Ath
leten aus 164 Delegationen dokumentiert. Berechnet man die Häufigkeit der Belastungen pro Tag ergeben sich insgesamt 49.910 Athletentage. Eine Verletzungsrate von 12,7 Verletzungen pro 1.000 Athletentage wird von den Autoren als gering eingeschätzt. Es ergab sich kein Unterschied in der Häufigkeit zwischen Männern und Frauen. Allerdings waren ältere Athleten mit 22,4 Verletzungen pro 1.000 Athletentage häufiger betroffen. Gut die Hälfte (51,5 %)
aller Verletzungen waren traumatischen Ursprungs. Die am meisten betroffene Region war die Schulter mit 17,7 %, gefolgt von Handgelenk und Hand mit 11,4 % sowie Ellenbogen (8,8 %) und Knie (7,9 %). Die erstmals während der Sommerspiele erhobene systematische Verletzungsanalyse ergab somit eine geringe Verletzungshäufigkeit mit einer Betonung bei älteren Athleten.
Häufigkeit von Sportverletzungen bei den Paralympics 2012
Neuromuskuläres Training reduziert Kreuzbandrupturen
Studiendesign: Wingfield untersuchte die Effektivität eines neuromuskulär orientierten Aufwärmprogrammes zur Prävention von Knieverletzungen bei weiblichen Nachwuchsfußballerinnen. In der Clusterrandomisierten kontrollierten Untersuchung wurden insgesamt 8.118 Spielerinnen aus unterschiedlichen Clubs des schwedischen Fußballverbandes während der Saison 2009 eingeschlossen. Die 12–17 Jahre alten Spielerinnen absolvierten mindestens zwei Trainingseinheiten pro Woche. Das neuromuskulär orientierte Training der Interventionsgruppe
bestand aus insgesamt sechs Übungen, die auf die Rumpf und Kniegelenksstabilität fokussierten (u. a. Sprung und Landeübungen, Kniebeugen). Die Übungen wurden zweimal wöchentlich mit einer Dauer von jeweils 15 min durchgeführt und konnten über insgesamt vier Schwierigkeitsgrade gesteigert werden. Die Kontrolle der Beschwerden erfolgte durch den Trainer. Als Hauptzielkriterium fungierte die Rate der vorderen Kreuzbandrupturen verifiziert über eine klinische Untersuchung sowie ein MRT. Als sekundäre Zielkriterien dienten die Raten der gesamten Knieverletzungen sowie schwerer Knieverletzungen (definiert über eine Trainingspause von mehr als vier Wochen). Ergebnisse: Während rund 280.000 Spielstunden traten 96 Knieverletzungen bei 92 Spie
lerinnen auf. Die Inzidenz in der Interventionsgruppe betrug 48 Verletzungen und in der Kontrollgruppe 44 Verletzungen. In der Interventionsgruppe ereigneten sich sieben Kreuzbandverletzungen, in der Kontrollgruppe 14 ACLRupturen (p = 0,02). Die Anzahl aller schweren Knieverletzungen unterschied sich nicht zwischen den Gruppen. Spielerinnen mit häufiger Beschwerdeangabe zeigten eine geringere Verletzungsrate durch die Intervention. Schlussfolgerungen: Ein neuromuskulär orientiertes Training führt auch bei eher geringem Zeitaufwand im Rahmen eines Aufwärmprogrammes zu einer nachweisbaren Reduktion der vorderen Kreuzbandrupturen. Sinnvoll ist die Dokumentation von subjektiven Kniebeschwerden auch bei gesunden Athletinnen.
Originalpublikation
Willick SE, Webborn N, Emery C et al (2013) The epidemiology of injuries at the London 2012 Paralympic Games. Br J Sports Med 47:426–432
Originalpublikation
Wingfield K (2013) Neuromu-scular training to prevent knee injuries in adolescent female soccer players. Clin J Sport Med 23:407–408
Update Orthopädie • Sportmedizin
858 | Der Orthopäde 9 · 2014
Abb. 8 Die Verletzungshäufigkeit war bei den Paralympics 2012 ge-ring. (Copyright: Peter Endig/dpa)
Korrespondenzadresse
F. MayerUniversität Potsdam HochschulambulanzAm Neuen Palais 10 Haus 12, 14469 [email protected]
Die Beiträge stammen aus dem Handbuch Orthopädie/Unfallchi-rurgie 2014 und entsprechen den Seminarunterlagen des 6. Ortho Trauma Update 2014 der med up-date GmbH
Orthopäde 2014 · 43:858–859DOI 10.1007/s00132-014-3009-4
© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014
Interventionsprogramme: Wie steht es um die Compliance?
Hintergrund: Die Effizienz sensomotorisch orientierter Trainingsprogramme zur Prävention vorderer Kreuzbandrupturen bei weiblichen Athletinnen im Nachwuchsbereich scheint weitgehend belegt. Eine Reihe von Untersuchungen weist allerdings darauf hin, dass trotz evidenter und wirksamer Programme letztlich die Rate an Kreuzbandverletzungen nur dann zu senken ist, wenn eine hohe Compliance der Spielerinnen erreicht wird. Im Mittelpunkt des Interesses verschiedener (aktueller) Untersuchungen steht daher weniger die Entwicklung neuer Übungen als vielmehr die Frage, wie die Athletinnen angehalten werden können, das Trainingsprogramm auch tatsächlich in entsprechender Intensität und entsprechendem Umfang durchzuführen.
Studiendesign: Hägglund et al. publizierten zu diesem Thema eine Arbeit mit dem Ziel, den Zusammenhang einer Verbesserung der Compliance und der Rate an akuten Knieverletzungen herzustellen. In ihrer prospektiven Kohortenstudie an weiblichen Nachwuchsfußballspielerinnen (2.471 Spielerinnen in 184 Interventionsteams und 2.085 Spielerinnen in 157 Kontrollteams) wurde die Compliance auf verschiedenen Ebenen (Team, Spielerinnen, Trainer) kontrolliert. Die Intervention bestand aus einer Instruktion für einen Spieler und einen Trainer aus jedem Team. Die Trainer erhielten zusätzlich eine CDRom und ein Handout der Übungen und wurden angehalten das Training mindestens 2 ×/Woche in das Aufwärmprogramm zu integrieren. Für jede Trainingssession sollte dokumentiert werden, ob das Programm durchgeführt wurde. Dies wiederum wurde durch spontane Besuche durch einen Studientherapeuten kontrolliert. Hauptzielkriterium war die Rate der vorderen Kreuzbandverletzungen. Zusätzlich erfolgte anhand der Anzahl der durchgeführten Interventionseinheiten
eine Kategorisierung der Spielerinnen in Terzile (hoch compliant, mäßig compliant, niedrig compliant).Ergebnisse: Bei der Teamcompliance wurde bei 5.244 (79 %) von 6.632 Trainingseinheiten ein neuromuskuläres Training durchgeführt wurde. Bezogen auf die individuelle Spielerinnenebene wurden 21 neuromuskuläre Trainingseinheiten pro Saison entsprechend einer Trainingseinheit pro Woche dokumentiert. Es war eine Abnahme der Häufigkeit über die Saison zu beobachten. Betrachtet man die Compliance, die durch den Studientherapeuten dokumentiert wurde, wurde in 90 % der visitierten Einheiten das Training auch durchgeführt. Auf Teamebene wurde keine statistisch signifikante Reduktion der ACLVerletzungen festgestellt, wohingegen Spielerinnen mit hoher Compliance gegenüber Spielerinnen mit niedriger Compliance eine Reduktion der ACLVerletzungen um 88 % zeigten.Schlussfolgerungen: Eine Erhöhung der Compliance für präventive Interventionsprogramme ist zwingend notwendig. Bei hoher Compliance der einzelnen Spielerinnen lässt sich eine Wirksamkeit der Programme im Sinne einer Reduktion schwerer Knieverletzungen evident nachweisen.
7 Exzentrisches Training: sind geringe Wiederholungszahlen effektiv?
Eine interessante Untersuchung von Stevens et al. überprüfte die Effekti-vität eines exzentrischen Trainings-programmes mit geringen Wieder-holungszahlen im Vergleich zur klas-sischen Therapie nach Alfredson. Be-schrieben wird, dass im Rahmen des klassischen Trainingsprotokolls nach Alfredson etwa 180 exzentrische Wie-derholungen des Rückfußes pro Tag erfolgen. Im Unterschied dazu über-prüfte die Autorin an 28 Patienten mit einer Tendinopathie der Achillessehne (15 Probanden der Standardgruppe, 13 Probanden in der Interventionsgrup-pe) den Erfolg einer sechswöchigen exzentrischen Trainingstherapie in einer Häufigkeit so wie es die Patien-ten individuell tolerierten und durch-führten. Der therapeutische Erfolg wurde mit dem VISA-A-Score evalu-iert; zusätzlich wurde die Schmerzin-tensität mit einer visuellen Analogska-la gemessen. Beide Messinstrumente wurden zu Beginn, drei und sechs Wo-chen nach Beginn der Behandlung an-gewandt. Die Ergebnisse zeigen einen statis-tisch signifikanten Interventionsef-fekt in beiden Gruppen sowohl für den VISA-A-Score als auch die visuelle Analogskala nach sechs Wochen. Der Vergleich der Gruppen ergab keinen Unterschied bzgl. der Reduktion der Hauptzielgrößen. Nebeneffekte wur-den in keiner der beiden Gruppen do-kumentiert. Die Autoren folgern konsequenter-weise, dass ein exzentrisches Trai-ning unter individueller Dosierung durch den Patienten durchaus auch in der Behandlung einer Tendinopat-hie der Achillessehne eingesetzt wer-den kann.
Originalpublikation
Hägglund M, Atroshi I, Wagner P, Waldén M (2013) Superior com-pliance with a neuromuscular training programme is asso-ciated with fewer ACL injuries and fewer acute knee injuries in female adolescent football players: secondary analysis of an RCT. Br J Sports Med 47:974–979
Ticker
D Veranstaltungshinweis
Mainz, 27.–28.02.2015Ortho Trauma Update 20157. Orthopädie-Unfallchirurgie-Update-Seminar – Unter der Schirm-herrschaft der DGOU/DGSP
859Der Orthopäde 9 · 2014 |
Abb. 9 Vordere Kreuzbandruptur (Pfeil) nach Rota-tionstrauma [aus Radiologe (2010) 50:427–434]
Stevens M, Tan CW (2014) J Orthop Sports Phys Ther
44:59–67