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Gutenberg

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OTTO ZIERER

BILD DER JAHRHUNDERTEEINE WELTGESCHICHTE IN 18 EINZEL- UND 13 DOPPELBÄNDEN

HERREN DER WELTUnter diesem Titel ist der Doppelband 39/40 der neuen Weltgeschichteerschienen. Der Doppelband behandelt den 3. Teil des 19. Jahrhunderts.

Während den Mächtigen in aller Welt Reichtümer, Mono­pole, Kolonien, Markte und Rohstoffgebiete zufallen unddie europäischen Großmächte die Erdkugel beherrschen,wächst das Aufbegehren der Ausgebeuteten gegen diebürgerliche Gesellschaft. Erfindungen, Entdeckungen, Er­kenntnisse scheinen die letzten Geheimnisse des Daseins zuerschließen; da führt der Übermut in den Abgrund und ent­fesselt jenen ersten Weltkrieg, der den Abstieg Europaseinleitet Europa ist nicht mehr Mitte sondern Randteil derWelt.

Auch dieser Doppelband ist in sich vollkommen abgeschlossen und enthältwiederausgezeichneteKunstdrucktafeln und zuverlässige historische Karten.Er kostet in der herrlichen Ganzleinenausgabe mit Rot- und Goldprägung undfarbigem Schutzumschlag DM6.60. Mit dem Bezug des Gesamtwerkes kannin bequemen Monatslieferungen jederzeit begonnen werden. Auf Wunschwerden auch die bereits erschienenen Bücher geschlossen oder in einzelnen

Bänden nachgeliefert. (Einzelbände 1—18 je DM 3.60.)

Prospekt kostenlos vom

VERLAG SEBASTIAN LUX • MURNAU • MÜNCHEN • INNSBRUCK

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K L E I N E B I B L I O T H E K D E S W I S S E N S

LUX-LESEBOGENN AT U R - U N D K U L T U R K U N D LI C H E H E F T E

OTTO ZIERER

Von der Keilschrift

bis zur Setzmaschine

VERLAG SEBASTIAN LUXM U R N A U • M Ü N C H E N • I N N S B R U C K

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Ufer des Gelben Stromes gesessen und über die Ursache der mensch­lichen Leiden nachgedacht.

„Immer wieder", so dachte Fo-hi, „werden Kinder geboren, diemühsam gehen, sprechen, arbeiten und die Zeichen des Himmelsund der Erde deuten lernen. Haben die Menschen aber nach Jahr­zehnten genug Erfahrungen gesammelt, haben sie nachgedacht überdas Hohe und Niedere, meinen sie die Eigenschaften des Stromes,der Erde, der Wolken, der Seele und der Tiere zu kennen, dieKunst der Bändigung von Stoffen und Geistern erworben zu haben,danoi sind sie alt und sterben. Ihre Söhne aber müssen von neuembeginnen."

Und Fo-hi blickte verzweifelt auf die Fluten des Gelben Stromes,die sich wirbelnd und brausend vorüberwälzten. Sinnlos wie diesesGewühl und Getose erschien ihm das Schicksal der Menschen, weiles kein Mittel gab, die Weisheit der Alten an die Künftigen weiter­zugeben.

Da kroch eine Schildkröte aufs Land. Ihr Panzer war mit ver­schiedenen Zeichen in zahlreichen, viereckigen Feldern bedeckt. Fo-his Blick fiel auf die Zeichen, und eine Erleuchtung kam ihm.

„Wie", dachte er, „wenn man jedem dieser Zeichen eine Bedeu­tung gäbe: das eine mag ,Thian' — den Himmel — das andere ,Ti'— die Erde — bedeuten. Wenn man für alle Begriffe und Dinge,für alles, was da ist, kleine, vereinfachte Bilder aufmalte, so besäße

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E r s t e s Kapitel:

Wie man in der Zeit vor

Gutenberg Bücher herstellte

Der W eg zum ABC

Eine chinesische Sage erzähltaus der Vorzeit, der gelehrte Fo-hi— einer der fünf Weisen des altenChina — habe einst sinnend am

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man ein Mittel, zur Nachwelt zu sprechen, räumlich und zeitlichentfernten Menschen Mitteilung zu machen."

Fo-hi schnitt sich einen Griffel aus Bambus, tauchte ihn m schwar­zen Firnis und begann auf ein weißgehobeltes Brettchen zu zeich­nen. So erfand er die Bilderschrift . . .

+Aber diese Geschichte von dem chinesischen Weisen Fo-hi ist nur

eine schön erdachte Sage; denn die Kunst, durch abbildende ZeichenMitteilungen und Gedanken festzuhalten, zu bewahren und weiter­zugeben, ist keinesfalls eine Urerfindung der Chinesen. Viele Völkerhaben sie unabhängig voneinander entwickelt. Der Wunsch, Wissenund Erfahrung der eigenen Generation an die Kommenden weiter­zugeben, lebte von früh an in den Menschen. Vielleicht sind mancheder ältesten Bilder und Zeichnungen an den Fels- und Höhlen­wänden der Vorzeitmenschen schon aus diesem Streben >nach Fort­dauer zu verstehen. Was in Zeichnungen an die Felsen „geschrieben"wurde, waren Szenen, von denen den Mitmenschen und den Nach­kommen berichtet werden sollte. Aus dem gleichen menschlichenBemühen, Kunde vom Leben, von den Taten und Schicksalen ihrerhervorragenden Männer und Frauen, ihrer Könige und Herscherin-fien zu hinterlassen, erwuchsen die Darstellungen in Stein, die dieältesten ägyptischen Tempelfassaden, die Wände der Grabkammern,die Rundungen der Säulen überzogen. Reliefbilder erzählten dieLehensgeschichte eines Königs, den Verlauf eines Feldzuges, dasEreignis einer Krönung oder eines Grabgeleits. Es waren „Bilderohne Worte", die trotzdem alles aussagten, was der Nachwelt über­liefert werden sollte. Später traten für bestimmte, oft wieder­kehrende Begriffe in diesen Bildfolgen bestimmte vereinfachteBilder und Bildzeichen ein. „Hieroglyphen", heilige Einritzungen,nannten die Griechen diese langen Bänder von Bildern und Zeichen.die sie überall im Ägypterlande vorfanden.

Freilich, die Kunst, die vielen hundert Zeichen zu beherrschen,die im Laufe der Zeit neu hinzukamen, ihre Stellung und Anwen­dung zu wissen, konnte nur auf eine kleine Schicht von Priesternund Gelehrten beschränkt sein. Während die bildlichen Darstellun­gen jedem verständlich waren, wurden die Hieroglyphen zur Ge­heimschrift der Tempel. Zwar entwickelte sich aus der „hierati­schen" Schrift der Priester später die „demotische" — eine verein­fachte, auch den Gebildeten anderer Volkskreise zugänglicheSchrift; für den Handel und Alltag blieb die Bilderschrift auch indieser Vereinfachung immer schwierig.

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Das galt auch von der Keilschrift des alten Orients, die seit demzweiten Jahrtausend das „internationale Verständigungsmittel" inganz Vorderasien war. Auch die Keilschrift war anfangs eine reineBilderschrift; später wurden Wörter, dann auch einzelne Silbendurch eine Gruppe von veischieden gestellten Keilen und Winkel­haken ausgedrückt, die man mit einem Griffel oder Spachtel in denweichen Ton ritzte oder prägte. So gruben die Kaufleute Babylonsund Ninives ihre Lieferlislen in Tonlaleln oder auf Tonröhren,brannten sie im Ofen und gaben sie den Handelskarawanen mit;auch Gesetze oder wissenschaftliche Veröffentlichungen wurdenauf Tafeln und in Zylinder geritzt oder gedrückt und konntendurch Üherwalzen in weichem Ton sogar vervielfältigt und inBibliotheken oder Archiven gesammelt werden; aber trotzdemblieb auch die Keilschrift mit ihren unzähligen Keilgruppen eineAngelegenheit weniger gelehrter Magier und Schreiher.

Es ist die große Kulturtat der semitischen Phönikier —• prak­tischer Kaufleute, die mit beiden Beinen im Leben standen — daßsie um 1400 v. Chr. die Wort- und Silbenform der Keilschrift — beider für jedes Ding oder für einzelne Silben ein eigenes Zeichen not­wendig war — zur Buchstabenschrift weiterentwickelt haben.Neben den Hieroglyphen und der Keilschrift gewann die phöni-kische Alphabetschrift vom Jahie 1000 v. Chr. an immer größererKulturkraft.

Ein Schritt war vorwärts getan, der an Bedeutung nur mit derepochemachenden Leistung Gutenbergs verglichen werden kann.Entsprechend der Eigenart der semitischen Sprache enthielt dasphönikische Alphabet zunächst nur Konsonanten. Die Wörter wur­den in der genauen Reihenfolge ihrer Mitlaute zusammengesetzt;statt einer kaum zu bewältigenden Fülle von Zeichen oder Bildern,in denen man bis dahin geschrieben hatte, waren nur noch zweiDutzend Zeichen nötig, um den Reichtum der gesprochenen Spracheschreibend zu erfassen. Mit der Einführung der Vokalzeichenwurde die Lautreihe vollzählig und die phönikische ABC-Schriftmit Abwandlungen auf jede andere Sprache übertragbar.

Im 9. Jahrhundert v. Chi. übernahmen griechische Seefahrer undHändler das phönikische Alphabet und ergänzten es durch weitereLautzeichen. Von den Griechen wanderte das ABC zu den Römern,die .wieder einige Zeichen änderten oder hinzufügten. Die älteste,römische Schrift ist in Stein als „Kapitalis" odi;r Großbuchstaben­schrift erhalten geblieben. Die Großbuchstaben der Lateinschrifthaben sich dann bis zum zweiten vorchristlichen Jahrhundert zur

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endgültigen Form ausgebildet und seither kaum noch verändert.Als die Germanen auf mancherlei Umwegen das Alphabet über­nahmen und es zur Runenschrift ausbauten, nannten sie die ein­geritzten Linien „Stäbe". Zunächst nur zu Inschriften auf Schmuckund Waffen verwendet, gingen die Runen in die Bücher ein: Ausden „Stäben" wurden die Buch-Stäbe, die „Buchstaben".

P a p y r u s , P e r g a m e n t u n d P a p i e r

Um das Jahr 1000 vor Christus . . .Im Nildelta teilt sich der breite Strom in mehrere träge fließende

Arme. Das Land ist niedrig und versumpft, dichte Schilffeldersäumen die dunklen Wasser, auf Schlammbänken liegen, vonStaren umwimmelt, die Krokodile, manchmal reckt ein Flußpferdden unförmigen Schädel aus der Flut. Die armdicken Stengel desPapyrussdiilfes heben ihre fächerigen Schirme bis zu doppelterMannshöhe über den Wasserspiegel. Die Zeit der Pauyrusemte istgekommen.

Tontafel mit Keüsctr fltext über die S ntflut

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Boote, die aus dem Faserwerk des Schilfs geflochten sind, stoßenins Dickicht vor; vom Lande her kommen die Dorfbewohner undbeginnen mit krummen Haumessern den Papyrus zu schneiden.Rauschend erheben sich Wolken von rosaroten Flamingos undtiirkisfarbenen Schildläufern. Aufgestört kreisen die Vögel überden Schilfwäldern, wenn die Menschen einbrechen, das Material zuholen, aus dem sie Wandbehänge, Fußmatten, Segel, Schnüre, Klei­der und Schreibmaterial verfertigen. Die ärmere Bevölkerung nutztselbst die Wurzeln des Papyrus, um sie zu kochen und zu verzehren.

Die Bündel mit dem geschnittenen Papyrusschilf werden auf diegroßen Gutshöfe gebracht, von den Stengeln die Rinde entferntund das verbleibende Mark in hauchdünne Streifen von Hand­breite geschnitten und nebeneinander auf ein feuchtes Brett gelegt;über die erste Schicht wird quer die zweite geordnet. Die Schichtenwerden durch den Pflanzensaft verklebt, gepreßt und ergeben einbiegsames, zähes und dünnes Blatt. Ein kurzes Bad in einem Leimaus Mehl, Essig und Wasser macht es tintenfest. Da die Herstel­lung von Schreibmaterial eio Vorrecht der Priesterschaft ist, ge­schieht sie unter Aufsicht von Tempelangehörigen. Die fertigenBogen werden auf Gestellen zur Trocknung aufgehängt und an­schließend durch Sklaven mit Muscheln oder Beinrollen poliert.

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In den Papyrusfabriken der ägyptischen Tempelgenossenschaftenkannte man verschieden feine Sorten von Papyrus. Die besteQualität hieß „Hieratica", sie war den Priestern und später denSchreibstuben des römischen Kaiserhofs vorbehalten und wurdedeshalb auch „Augusta", die Kaiserliche, genannt. Römische Schrift­steller sprechen auch von der besten Sorte als der „Charta regia",dem Königs-Papyrus; denn die Griechen bezeichneten die Papyrus­rolle als „chartes", und das lateinische „charta" und das deutscheWort „Karte" sind davon abgeleitet.

Der Papyrus, dessen Rohstoff nur in den nordafrikanischenSümpfen zu finden war, wurde zur Monopolware Ägyptens. Dieganze alte Welt bezog Papyrus aus Ägypten. Die Ballen, die dieHändler auf den Markt brachten, bestanden aus mehreren langenBahnen. Als Maß galten meist 20 Blatt mit je 20 cm Breite undetwa 25 cm Höhe. Die einzelnen Stücke waren fast unsichtbar zu­sammengeklebt. Von den langen Bändern schnitt der Kleinhändlerbei Bedarf den Stoff für eine Buchrolle oder einen Brief ab.

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Der teuere Papyrus wurde «das wertvollste Schreibmaterial fürlange Zeit. Erst in dem Jahrhundert nach Alexander dem Großenerwuchs dem Papyrus eine Konkurrenz in einer Erfindung, die vorallem in Kleinasien vervollkommnet und gepflegt wurde.

Schon früh hatten orientalische Völker auf ungegerbte TierhäuteSchriftzeichen aufgemalt. Um das Jahr 250 kamen in der Groß­stadt Pergamon in Kleinasien Werkstätten auf, die solche Tierhäutezu „Pergament" weiterentwickelten. Die Arbeitshallen von Perga­mon lagen auf der ersten Terrasse der Bergsladt. Hier wurden roheFelle von Eseln, Kälbern, Schafen oder Ziegen eingeweicht, mitKalkmilch getränkt, entfleischt und enthaart und dann in Holz­rahmen gespannt, getrocknet und gedehnt. Die präparierten, horn-artigen, aber weichen Felle erhielten einen Aufstrich aus Bleiweißund Kalkpuder, wurden nochmals sauber geputzt und mit Bimssteingeglättet. Besonders kostbar waren Pergamentblätter aus demLeder ungeborener Kälber, sie waren seidenweich, ganz glatt undweiß und wie alle Pergamente beinahe unzerstörbar.

Freilich wurde der Preis nicht geringer als jener des Papyrus,doch konnten Pergamentschriften leichter abgeschabt oder abge­waschen, also öfter benützt werden als Papyrusblätter, die durchAbwaschen oft an Festigkeit verloren. Die neue Schrift wurdemeist quer zur ersten geschrieben. Dieser Umstaeid sollte für dieWissenschaft späterer Zeiten größte Bedeutung erhalten; durchchemische und photographische Methoden wurde es möglich, dieausgelöschten Schriften auf abgeschabten Pergamenten oder ab­gewaschenen Papyri, Palimpsesten, wieder zum Vorschein zu brin­gen (palin-psestos = wieder abgekratzt). Mancher wertvolle Schrift­text aus dem Altertum oder Mittelalter konnte nach diesem Ver­fahren wieder aufgedeckt werden. Es gelang in einzelnen Fällensogar, aus zweimal beschriebenen Blättern die einzelnen ausge­kratzten Texte wieder lesbar zu machen. Diese Entzifferungskunstist heute hochentwickelt. Ein bedeutendes Palimpsest-Institutbesteht im Kloster Beuron im Donautal.

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Die großartigste Erfindung auf dem Gebiet der Beschreibstoffestammt jedoch von den Chinesen. Sie waren seit den Tagen desFo-hi lange Zeit dabei geblieben, auf Holzplättchen, Metallscheiben,Bambustafeln, gebrannte Tonscheiben oder Steinplatten zu schrei­ben. Seit dem dritten vorchristlichen Jahrhundert hatten sie dannbegonnen, mit schwarzer Harztusche auf schöne Seidenbänder zu

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pinseln, ärmere Leute benutzten dazu feines Linnen. Dabei sam­melte sich im Laufe der Zeit allerhand Abfall an Lumpen undMakulatur an. In Ämtern mag der Berg von beschriebenen undwertlos gewordenen Fetzen besotiders hoch geworden sein.

Das gab dem Minister Ts'ai-Lun um das Jahr 100 v. Chr. einenglücklichen Gedanken ein. Er unternahm Versuche, diese Abfall­stoffe durch Zerlegung in ihre Fasern und durch Beifügung vonanderen, verfilzbaren Stoffen wieder nutzbar z<u machen. In einerMischung aus der Rinde des Maulbeerbaumes, aus Hanf, Bast, altenFischernetzen und den Leinenlumpen fand er die rechte Mischung.Das ganze wurde durch Stampfen in einen Faserbrei verwandeltund in dünner Schicht in Siebe gegossen, die durch Bambusfadengefestigt waren. Wenn das Wasser abgeflossen war, wurde dieMasse zwischen Filzplatten gerollt, gepreßt und getrocknet. WasChina auf diese Weise der Menschheit schenkte, war das Papier,und damit jenes billige und dauerhafte Schreibmaterial, dem dieZukunft gehörte. Schnell breitete sich die Kenntnis der Papier­bereitung aus, obwohl sie immer vom Geheimnis umwittert blieb.Sie gelangte nach Korea und Japan und auf den Karawanenstraßennach dem Westen. Papierfunde beweisen, daß man schon um200 nach Chr. in Turkestan Papier aus Lumpen, Chinagras undMaulbeerrinde hergestellt hat. Hier, an der alten Seidenstraße, dienach Europa führte, errichtete die Wunderstadt Samarkaod schonfrüh leistungsfähige Papierfabriken.

Im 8. Jahrhundert nach Chr. brachen die Araber zu ihrem Er­oberungszug nach Osten, in die Tiefen Asiens, auf. In Turkestanfielen ihnen Chinesen als Gefangene in die Hände, von denen einigePapiermacher waren. Bald gab es auch in Bagdad, Kairo, Alexan-drien und im marokkanischen Fez Papierfabriken. In der Haupt­stadt Marokkos arbeiteten im hohen Mittelalter mehr als 400solcher Werkstätten.

Im Nahen Osten war Damaskus eine Zeitlang der Mittelpunkt derPapierfabrikation. Sogar das tiefverfeindete, sterbende Reich derchristlichen Oströmer deckte zeitweise den Papierbedarf für Kanz­leien und Ministerien in den mohammedanischen Werkstätten dieserStadt. Aus Damaskus bezogen die Kaiser von Byzanz auch das„Vogelpapier", das so leicht und fein war, daß ein Quadratmeternur 50 Gramm wog; wegen seines geringen Gewichtes war es be­gehrt für die Brieftaubenpost, das schnellste Mittel des militäri­schen und verwaltuogsmäßigen Nachrichtendienstes im oströmischenKaiserreich.

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Für diese Exportaufträge wurde den Bogen ein eigenes Wasser­zeichen eingeprägt: das Kreuz des Erlösers oder das Pax-Zeirhenmit einer frommen, christlichen Umschrift. Als ein fanatischer Kalifden Papierfabrikanten befahl, statt der christlichen Wasserzeichendas mohammedanische „Allah il Allah" oder Koranspruche zu ver­wenden, nahmen die Byzantiner diese eifervolle Propagandanicht hin und hörten auf, Kunden der arabischen Papierfabrikenzu sein. Ostrom-Byzanz schrieb kiinflig wieder auf Pergament.

Das Geheimnis der Papierfahrikation wurde indessen mit demFortschreiten der arabischen Eroberungen sowohl in Sizilien undin Südspanien h"kannt. Im 12. Jahrhunden liefen dort unter Lei­tung von arabischen Gelehrten die ersten Papiermühlen auf euro­päischem Boden. Die Männer, die mit den kunstreichen Stampf­werken, Mahlsteinen, den Schöpfformen mit ihren Drahtsieben undden Pressen umzugehen verstanden, nannten sich „al warrak",Blattmacher. Als erste deutsche Papierfabrik wird aus dem Jahre1389 die Werkstatt des Nürnbergers Ulman Stromer bezeugt, einesangesehenen Patriziers, der aus Süditalien Facharbeiter hatte kom­men lassen, die er durch Eide zur Geheimhaltung der Kunst ver­pflichtete.

Bis um die Mitte des 19. Jahrhunderts war die Papierfabrikationnoch immer auf Lumpen und Hadern als Rohstoff angewiesen.Dann gelang dem Deutschen Friedrich Gottlieh Keller die Herstel­lung von Holzschliff aus Tannenholz und 1855 den AmerikanernWatt und Burgess die Erschließung des reinen Zellstoffes, der aufGroß-Papiermaschinen verarbeitet werden konnte. Seitdem wurdedas Holz zum wichtigsten Rohstoff der Papierfabrikation, und dieSintflut des Papiers konnte zu Wohl und Wehe der Menschheit ihrenLauf nehmen.

Heute gibt es Riesenmaschinen, deren Rollen eine Breite vonüber 8 Meter haben können und die am Tage bis zu 250 000 kgPapier ausstoßen. Wie gewaltig die Entwicklung vorangetriebenwar, konnte schon im Jahre 1913 in einer Rekordleistung vorge­führt werden. Morgens um 7 Uhr 35 waren im Harz drei Bäumegefällt, in eine Papierfabrik gebracht, verarbeitet und in Papier­rollen umgewandelt worden. Um 9 Uhr 40 wurde das Papier bereitsper Auto zur nahen Stadt verfrachtet, ging in die Rotationsdruck­maschine und wurde um 11 Uhr als Zeitung verkauft.

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Rolle, Cod ex u n d BucJi

Im täglichen Lehen des Altertums blieben bis in die Spätzeitneben dem kostspieligen. Papyrus und Pergament die billigerenBeschreibstoffe im Gebrauch: die morgenländischen und griechischenluftgetrockneten Tonscherben, in die vor dem Verhärten Briefe,Quittungen, Verträge eingeritzt wurden und die man dann der Sonneaussetzte. In Griechenland führte der Kaufherr auf dem Markteoder der Lehrer der Epheben im Gymnasium kleine, weiche Blei­täfelchen mit sich, in die mit spitzem Griffel Zeichen geritzt werdenkonnten, die sich später leicht wieder durch Schaben oder Glättenlöschen ließen. In sehr frühen Zeiten mag daneben auch der Bastder Bäume oder die Innenseite von heller Rinde als Schreib­material gebraucht worden sein. Das griechische Wort für Buch„Biblos", das in der Bezeichnung für die „Bibel" fortlebt, läßt sichebenso wie das lateinische „liber" = Buch auf den Bast und dieRinde zurückführen.

In Griechenland und im republikanischen und kaiserlichen Rom tratnoch eine praktischere Form des Notizblocks hervor: ein mit Wachsüberzogenes und gerahmtes Holztäf eichen, das durch ein Lederschar­nier .mit einem oder mehreren gleichen Täfelchen verbunden war,so daß die beschreibbaren Seiten aufeinandergeklappt und durch denvorstehenden Rahmen vor dem Verwischen bewahrt wurden. DieseSchreiibtäfelchen, die der vornehme Römer in der Falte der Toga.der Kaufmann in der Innentasche der Tunika trug, wurden mitspitzen Silberstiften beschrieben, deren Ende eine Verbreiterungaufwies, mit der leicht Notizen im Wachs getilgt werden konnten.

Der Grieche nannte solche Wachstafeln „diploma", das Gefaltete.Der Name übertrug sich hei den Römern auf Staatsschriften, aufEmpfehlungsschreiben für Gesandte, auf „diplomatische" Urkundenund ging dann in der Bezeichnung „Diplomatie" auf die Staatskunstselbst über. Auch der „Stilus" oder Griffel, den der römischeSchriftsteller zum Beschreiben verwandte, ging in den Sprach­gebrauch über. Der gebildete Römer der Kaiserzeit, der vom „Stil"sprach, den ein Cicero oder Horaz schrieb, verstand darunter dieBesonderheit und den Ausdruckscharakter des Geschriebenen.Später bezeichnete man mit „Stil" jede einer Person, einer Nationoder Epoche eigentümliche Form des Ausdrucks, sei es im Leben,in der Literatur oder Baukunst.

Aber all diese Beschreibstoffe dienten nur dem flüchtigen Ge­brauch. Was wert war, in beständigerer Form der Nachwelt über-

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Römische Schreibgeräte aus Pompeji(Wachstafeln, Rollen, Rollenbehälter, Tintenfaß, Griffel)

liefert zu werden, wurde im Orient in ältester Zeit den im Ofen ge­hrannten Tontafeln, dem Leder, in Ägypten und Griechenland deinPapyrus und später auch dem Pergament anvertraut, vor allem dieWerke der Schriftsteller, Dichter, Wissenschaftler, die man inBibliotheken sammelte. Tontafelbiihliotheken und -archive .mit Tau­senden von Schriftwerken und Akten, deren Tontafeln oft aufbeiden Seiten beschrieben waren, wurden aus dem Schutt assyrisch­babylonischer Tempel und Palast- und Stadtruinen geborgen. Dieälteste Form der Bücher aber war die Papyrusrolle. In den Kultur­mittelpunkten der hellenischen Welt, in Athen, Alexandrien, Per-gamon und Antiochia entstanden gewaltige Sammlungen vonBuchrollen: „bibliothekä", Buchaufbewaihrungsstätten. Von denzahlreichen privaten und öffentlichen Bibliotheken des Altertumswaren am berühmtesten die beiden Büchereien zu Alexandria, diegrößere mit etwa 700 000 Buchrollen im Museion (dem den Musengeweihten Ort), die kleinere mit vieltausend Büchern im Sera-,peion. Das Institut Museion war als wissenschaftliche Forschungs-

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anstatt und Universität von den Ptolemäern, dem griechischenKbnigsgeschlecht Ägyptens nach Alexanders des Großen Zeiten,gegründet worden. Jeder Gelehrte, der das Museion besuchte, er­hielt neben freiem Unterhalt und Quartier einen monatlichenEhrensold von etwa 600.— Mark. Die gewaltigen Einrichtungen derhohen Schule standen ihm zur Verfügung.

Der Gast aus Athen, Syrakus oder Tarent sehritt durch Blumen­gärten und im Schatten der Palmen und Säulengänge zu den weißenGebäuden, auf deren Treppen sich die Studenten eines Weltreichsversammelten. Iu einem .Seitenflügel waren die großen „Verlags­anstalten" untergebracht, die sich mit der Vervielfältigung wert­voller Bücher befaßten. In kleinen Sälen saßen an hohen Pultengeübte Schonschreiber, „Kalligraphen". Ein Lektor oder Vorlesersprach mit klarer Stimme Satz um Satz aus einem .Buch des Aristo­teles oder Aristarch vor, und ein paar Dutzend Schilfrohrfedernraschelten eifrig über die gelblichweißen Papyrusblätter. DieSchreiher schrieben in Kolumnen oder Abschnitten, deren Breiteund Höhe je nach dem Format der Rolle und der Lesbarkeit desSatzspiegels verschieden sein konnten. War ein bedeuten-der Kal­ligraph am Werk und der Text besonders wertvoll, so wurde mitPlatz nicht gespart: Kolumne um Kolumne fügte sich nebenein­ander, bis zu 20 Meter Länge konnte eine einzige Rolle erreichen.Umfangreichere Werke wurden auf mehrere „Bücher" (Rollen) auf­geteilt, und so ist es zu erklären, daß man später erstaunt vor derTatsache steht, daß Aristoteles etwa 1000, der gelehrte Originessogar 6000 „Bücher" geschrieben haben soll.

Die Zeilen wurden am Rande numeriert, so wie man das heutemit den Seitenzahlen tut, denn der Schreiberlohn wurde nach Zeilenberechnet. In dem Katalog des alexandrinischen Bibliotheksdirek­tors Kallimachos findet sich neben dem Verfassernamen und derAngabe der Zeilenzahl eines Werkes an Stelle des Titels die Wieder­gabe der ersten Zeile. Diesen Gebrauch hat die katholische Kirchebis heute beibehalten, wenn sie päpstliche Bullen oder Enzyklikennach den Anfangsworten bezeichnet.

Hatten in einem dieser Diktiersäle die Schreiber ihre Arbeitgetan, so gingen die Rollen zur Korrektur und endlich zum „Auf­binden". Das Buch wurde lesefertig gemacht und durch einen ge­lehrten Bibliothekar mit einem Aktenschwanz, dem „sillybos" oder„titulus", versehen. Es war ein meist purpurfarbener Pergament-Streifen, der aus der Rolle heraushing; Verfasser, Zeilenzahl undAnfangsworte wurden darauf verzeichnet.

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Schüler mit ihren „Schulbüchern", Papyrusrollen (Moselländisches Römerrelief}

Zur Schonung der kostbaren Redien wurden sie dann meist zumehreren „Büchern" eines Werkes in Tonkrüge, Holz- oder garElfenbeinbehälter gesteckt. Kiese Schutzbehälter hießen griechisch„kiste", lateinisch „cista" od.;r ,.capsa", der Bibliothekar verteiltesie entsprechend ihrem Inhalt in die Abteilungen der Bücherei, wosie auf Regalen und in Fächern für die Besucher bereitstanden.

Ging der Gast aus Athen in einen dieser hohen und lichten Lese­säle, so überraschten ihn die zederngetäfelten Regale mit ihrenBücherschätzen ebenso, wie die goldblechkassettierten Decken, dieMarmorsäulen und Citrustisihe, an denen die Studierenden sich derLektüre hingaben.

Es genügte, dem Bibliothekar einen besonderen Wunsch zu nen­nen; nach kurzem Nachblättern im Katalog begab sich der Beamtean ein Regal, zog eine Kapsel mit der geforderten Schrift hervorund händigte sie dem Gaste aus. Der Benutzer hielt die Schriftrollein der rechten Hand und zog mit der Linken das Ebenholzstäbchen,an dem die Rolle befestigt war, seitwärts. Er begann die ersteKolumne zu lesen, dann wickelte er den Papyrus um den Stab inseiner Linken und zog die folgende Spalte des Satzspiegels hervor.Nach der Lektüre forderte es der Anstand gegenüber den Gast­freunden, die gelesene Rolle für neueil Gebrauch bereit zu machenund sie ganz „zurückzuspulen".

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Mit der Einfüh rung des Pergaments als Beschreiibsitoff tauchteda und dort eine neue Buchform auf, die ,Codex' genannt wurde.Das Wort bedeutete ursprünglich soviel wie ,Holzscheibe' und lenktdie Aufmerksamkeit wieder auf jenes Notizmaterial, dem wir be­reits begegnet sind, auf die ,Diploma', die mit Scharnieren ver­bundenen, wachsüberzogenen Holztäfelchen. Von diesen Täfelchenwaren manchmal bis zu acht Stück miteinander verbunden. Sie bil­deten das Vorbild für ein ,Buch'. Das Pergament eignete sich treff­lich für die Verbindung von gefalzten oder gehefteten Blattlagen.Der Vorteil gegenüber der umständlichen Papyrusrolle lag auf derHand. Der Verleger sparte Material, weil man nun doppelseitig be­schriften konnte, der Schreiber hatte es einfacher, Blatt für Blatt zufüllen, und auch dem Leser wurde es bequem gemacht, da er Textenicht mehr aufrollen, sondern aufblättern konnte. Bis ins 2./3. Jahr­hundert nach Christus hatte sich der Codex in den Schulen durch­gesetzt, dann eroberte er sich allmählich auch den Buchmarkt. Abererst die christlichen Mönche verhalfen dem Codex zum vollen Siegüber die Buchrolle.

In den furchtbaren Tagen der Völkerwanderung, als die gebil­deten Römer und Griechen glauben mußten, alles, was die Mensch­heit in einem Jahrtausend leidvoll und strebend erworben hatte,sei nun verloren und ein Zeitalter der „Barbaren", der Bauern­krieger, der Gewalttäter und Eroberer breche an, gründete der ge­bildete Römer Benedikt seinen Mönchsorden zu Monte Cassino.Er gab seinen Brüdern den Leitspruch ,Ora et labora' — bete undarbeite, er sammelte die Träger der römischen und kirchlichenÜberlieferung um sich und hatte den hohen Mut, inmitten vonUntergang und Zerstörung an die Erhaltung der Werte zu glauben.

In seinen Orden trat der ehemalige Kanzler des GotenkönigsTheoderich, Cassiodorus Senator, gründete aus eigenem Vermögenein neues Benediktinerkloster in Süditalien und stellte den from­men Mönchen zu den Pflichten des Gebets, der Landarbeit und derPflege fast vergessener Kunstfertigkeiten eine neue, in ihren Aus­wirkungen unabschätzbare Kulturaufgabe. Er rief sie auf, Bücherabzuschreiben. ,Jede geschriebene Zeile soll ein Schlag wider dieHölle sein', sagte Cassiodor, Jedes gerettete Buch eine verloreneSchlacht des Satans!'

Während jahrhundertelang das Schwert regierte, während Für­sten Greuel auf Greuel häuften, Paläste und Bibliotheken brann­ten, Eroberer in die Ruinen der alten Kulturen einzogen, saßenzahllose, unbekannte Mönche in ihren kargen Klosterzellen und

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schrieben Wort an Wort, Zeile an Zeile, schrieben ein Leben langan den Büchern der Evangelien, an den Werken der Kirchenväter,an heiligen Legenden, Weltchroniken, aber auch an den Werkender Alten.

Sie bewahrten auf, was der Barbar nur zum Anzünden desLagerfeuers benützte, was in tausend Regalen aufflammte, wenntrunkene Horden Brände in blühende Stätten der Bildung warfenVon Kloster zu Kloster flüchteten die Geister des Cicero, desVergil,Horaz und Plutarch.

In besonders erlesenen Handschriften ließen die Mönche die An­fangsbuchstaben der Kapitel uaid der Abschnitte frei, damit einanderer sie später mit Muße zeichnen, mit Rankenwerk oder Bil­dern schmücken konnte. Was der ,Scriptor', der Schreiber, geschrie­ben hatte, verzierte der ,Pictor', der Maler, oder der Illuminator;da hierzu gerne Mennige — lateinisch ,minium4 — benützt wurde,erhielten die kunstvollen Buchverzierungen den Namen,Miniaturen'.An solchen Codices arbeiteten manchmal mehrere Mönche ein

Schreiber aus dem Kloster Monte Cassino um das Jahr 1000

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Leiben lang. Da die kostbaren Werke oftmals in schweres, edel­steinbesetztes, mit Elfenbeinschnitzerei und Goldleisten verziertesLeder gebunden wurden, war es unmöglich, so gewichtige Bücherlange in Händen zu halten. Daher waren die Bibliotheken alterKlöster häufig ,Pultbüchereien\ in denen die Bücher in eigenenFächern standen oder auf Lesepulten angekettet lagen. Diese ,Libricatenati' — Kettenbücher — stellten einen so hohen Wert dar, daßdie Bibliothekare ihre Schätze wie! Gold hüteten. Zahlte man dochfür einen kostbaren Codex zuweilen so viel wie für ein schönesBauerngut, und es konnte blutige Fehden geben, wenn ein ge­liehenes Buch nicht zurückgegeben wurde. Wenn solch ein Pracht-werk wirklich einmal verliehen wurde, wie es einst mit dem,Codex aureus' aus St. Emmeran bei Regensburg geschah, so wurdees unter Bedeckung v.on zahlreichen Bewaffneten auf Reisen ge­schickt und unter den gleichen Schutzmaßnahmen wieder zurück­geholt. Einen Nachteil hatten diese Klosterbüchtfr freilich: sie blie­ben zu unhandlich und zu leuer. Nach dem lateinischen Wort.folium' = Blatt wurden sie auch ,Folianten' genannt, und nochheute verbinden wir mit (dieser Bezeichnung die Vorstellung vonetwas Gewichtigem, Altem und Seltenem.

Nur wenige konnten sich Bücher husten, nur ein kleiner Teil derBildungshungrigen gelangte an die mit Kelten angeschmiedetenFolianten der Bibliotheken. Bücher waren meist Herrensache, Lesenwar Vorrecht einer Oberschicht.

Da geschah an der Schwelle der Neuen Zeit die Kopernikus- undColumbustat des Gutenberg: die Erfindung der Buchdruckerkunst.

Zweites Kapitel:

Was Gutenberg der Mensch­

heit geschenkt hat . . . .

J o n a n a H e n n e G e n s f l e i s a i

In den dreißiger Jahren des 15. Jahrhunderts lebt Johannes I,Gutenberg' in der freien Reichsstadt Straßburg. Kämpfe zwischenden Patriziergeschlechtern und de« nach Mitbestimmungsrechtstrebenden Zünften haben ihn aus seiner Geburts- und HeimatstadtMainz fortgetrieben. Er war zu Mainz als Sohn des Geschlechter­herrn Friele Gensfleisch und seiner Gattin Else Wirich ,zum steinen

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Krame' etwa um das Jahr 1400 zur Welt gekommen; weil seinVaterhaus ,Zum Gutenberg' genannt wurde, übernahmen dieMänner der Familie meist diesen Namen.

Was Johann Gutenberg in Straßburg für Geschäfte betrieben hat,ist nicht ganz zu durchschauen. Man weiß, daß er als Goldschmied,Steinepolierer und Spiegelmacher zeitweise sein Geld verdiente. Esmag sein, daß er zu Beginn seiner Exilzeit auch in einem ,Verlag'mitgearbeitet hat, in dem wertvolle Bücher abgeschrieben und ge­bunden wurden. In solchen Schreibwerkstätten gab es zu dieser Zeitein interessantes Verfahren, das billigere Massenherstellung er­möglichte. Irgendein Mönch war auf einen interessanten Einfallgekommen: Wie in allen Klosterschülen der Zeit benützte er imUnterricht die ausgezeichnete Grammatik, die im 4. Jahrhundertnach Christus der römische Gelehrte Donatus für die Schüler derStadt Rom verfaßt hatte und die das ganze Mittelalter hindurcheifrig und mit Erfolg verwendet worden war. Da Abschriften des„Donat" sehr kostspielig waren, mußte der Text den Scholaren inden Schulstunden in die Hefte diktiert werden.

Nun war es seit der Mitte des 14. Jahrhundert üblich geworden,in Holz geschnittene Bilder mit Druckerfarbe zu schwärzen und siewie einen Stempel auf Papier zu drucken. Einzelne Holzschnitzerwaren auch schon dazu übergegangen, solche Bilddrucke mit kurzenerklärenden Texten zu versehen, die ebenfalls — jedoch in Spiegel­schrift — in Holzplatten geschnitzt worden waren. Man sparte sichdadurch das mühsame Beschriften -der Bilddrucke mit dem Feder­kiel. Mit Hilfe des Farbreibers und einer Presse konnten vonsolchen Bildern und Texten beliebig viele Abzüge hergestellt undverbreitet werden. Der findige Mönchslehrer kam auf den Gedan­ken, den Text des „Donat" spiegelschriftlich in eine Lindenholz­platte zu schneiden, ihn abzudrucken und den Scholaren die Druck­blätter in die Hände zu geben. Man konnte die Blätter auchzusammenbinden und mit Bucheinbänden versehen. Solche gedruck­ten Holzschnittbücher, die man auch Blockbücher nannte, warenalso schlichte Vorläufer der Bücher, wie wir sie heute kennen. DieGrammatik des Donatus war das erste nach jenem frühen Verfahrenhergestellte Buch.

Gewiß ist diese Methode der Vervielfältigung auch dem JohannGutenberg während seiner Straßburger Tätigkeit bekannt gewor­den. In den ,Verlagen' entstanden neben den handgeschriebenenBüchern mehr und mehr solcher ,Blockbücher', wie die „Arsmemorandi", der „Entchrist", der „Kalender des Johannes voo

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3uchdmckpresse Anfangdes 15. Jahrhunderts

Gmünd" oder die„ Armenbib el"; b eidiesen meist sehr•dünnen Werkchenwar der gesamte

Satzspiegel einerSeite — Bild, Orna­ment und Schrift — in eine einzige Holz­platte eingeschnitten.

Vermutlich hat dieBeschäftigung mitdiesem eigenartigenHandwerk in demklugen Mainzer Gu­tenberg die einfacheund doch genialeIdee geweckt, nicht

mehr mit ganzenHolztafeln, sondernmit einzelnem Buch­staben zu drucken.

Doch ist die Tätigkeit des geflüchteten Patriziersohnes in Stras­burg in dieser Hinsicht nicht ganz aufzuhellen. Man weiß, daß umdas Jahr 1440 Gutenberg in Straßburg einen Prozeß führen mußte,eine Auseinandersetzung mit den Teilhabern einer Handelsgesell­schaft, die Gutenberg gegründet und zum Teil finanziert hatte. DieGesellschaft diente dem Zwecke, Handwerker in die Kunst desSpiegelmachens, Stekipolierens und Steinschneidens einzuführen.

Bei den Akten, die von jenem Prozeß erhalten sind, liegt auchdie Rechnung eines Drechslers Konrad Sasbach für die Lieferungeiner Presse, im Protokoll: wird von Bleikauf, Geheimverfahrenund von Formen gesprochen, die eingeschmolzen worden sind, undder Zeuge, der Goldschmied Hans Dünne, erklärt, er habe beiGutenberg 100 Gulden verdient, „mit dem, was zu dem truckengehört".

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Sonst aber bringen die Straßburger GescbaTte nicbt viel zutage.Um das Jahr 1446 findet man Johannes Gutenberg jedenfalls

wieder heimgekehrt in Mainz. Bald darauf steckt er abermals ingroßen Schwierigkeiten.

*Der Schnee fällt in dünnen Stäubchen vom grauen Winterhimmel.

Auf dem Rheinstrom greift das Eis weit ins Flußbett hinaus. Dieschwere alte Mainzer Brücke und die an den höheren Flußrand ge­duckten Giebelhäuschen tragen starre Frostkappen.

Zwei Männer in pelzverbrämten Mänteln stapfen durch die aus­getretene Schneespur der Gasse. Der lange Hagere trägt den brei­ten Hut des Gelehrten; es ist Dr. Konrad Humery, Syndikus u«dKanzler des Mainzer Rates, der heftig gestikulierend auf den Ge­fährten einredet. Der Kleinere zu seiner Linken antwortet wenig.Unter dem gewaltigen Samthut mit Schaube und Ohrentueh blickenseine listigen, schwarzen Äuglein, lugt seine spitze, rotgefroreneNase hervor, das einzige, "was der breite Marderkragen von demGesicht des ehrenwerten Goldschmiedes und Ratsherrn JohannesFust erkennen läßt.

Doktor Humery ereifert sich gewaltig. „Meister Fust", sagt er,„Ihr werft Euer Geld für einen Scharlatan hinaus und gebt einübles Beispiel für die Bürgerschaft unserer frommen Stadt Mainz.Der Zinsfuß, zu dem Ihr diesem hergelaufenen Burschen 800 guteGoldgulden geborgt habt, widerspricht allem Herkommen. Ich mußgestehen, daß niemand unter den Mainzer Geldleuten Euer Verhal­ten begreift. Ausgerechuet diesem halben Zauberkünstler undGaukler werft Ihr Euer gutes Geld für ein Vergeltsgott hin! MeintIhr, es wiederzubekommen? Nein — sage ich Euch! Dieser JohannGensfleisch von Sorgenloch ist der Typ des Projektemachers, dervon einem Sorgenloch ins andere, von einem Mißerfolg in denanderen gerät."

Johannes Fust reibt sich die kalte Na>se, die eisige Luft wölktihm von den Lippen, als er erwidert: „Die Leute mögen ihn Sorgen­loch nennen. Sein hoffnungsfroherer Name ist Gutenberg! An denhalte ich mich".

„Gutenberg!" spöttelt der Doktor. „Ihr wißt wohl nicht, HerrKollege, was sich in diesen traurigen Zeiten an Jahrmarktschreiernherumtreibt. Erinnert Euch Euer Schützling nicht allzusehr an diebekannten Goldmacher, Quacksalber und Schwarzkünstler? Fehltnicht auch ihm ständig nur noch ,eine Kleinigkeit' zum endgültigen

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Erfolg? Fordert er nicht stets neue Darlehen und geheimnist ernicht seit Jahren ohne Ergebnis?"

„Und doch ist er ein Goldvogel!" behauptet Fust.Sie biegen zur Dominikanergasse ein und nähern sich rasch ihrem

Ziele. Der Meister bleibt stehen, seine knochige Hand faßt denDoktor am Mantelzipfel: „Und nun kein weiteres Wort des Miß­trauens wider meinen goldenen Vogel Gutenberg!"

Meister Johannes Fust steuert in ein schmales Gewölbe zwischenden Giebelhäusern u«(T betritt , gefolgt von dem ärgerlich schnauben­den Doktor, die Werkstatt des Johannes Gensfleisch von Sorgenloch.

Die Herren werfen die Mäntel ab, die ein diensteifriger Lehrbubaufnimmt. Sie sehen sich in dem niedrigen, von geschwärzten Stein­wänden umschlossenen Gewölbe um. Da gibt es große Kästen mitvielen Fächern, seltsame Pressen, die an die Keltern der Main­winzer erinnern. Gesellen fahren unglaublich rasch mit großen,runden Stempelpolstern über die Spiegelbilder von Holzschnitten;in einer Ecke der Werkstatt glüht ein Holzkohlenfeuer untermBlasbalg. Dort ist der dicke Peter Schöffer aus Gensheim dabei,auf dem flackernden Alchimistenherd Blei zu gießen. Es zischt undraucht.

„Hier sind wir, Meister Gutenberg!" ruft Johann Fust dn den Werk­stattlärm. „Wollt Ihr dem Herrn Kanzler ein weniges von EuererKunst erklären. Der gelehrte Herr ist nämlich äußerst ungläubig."

Die Augen Gutenbeigs und Humerys begegnen sich. Hochgewach­sen steht der fünfundfünfzigjährige Meister hinter dem eisenbe-sehlagenen Tisch. Unter der runden Kappe quillt eine Fülle braunerLocken hervor, die vom ersten Grau leicht durchzogen sind. Dergewaltige Bart umrahmt ein offenes, schönes Antlitz. „Warum somißtrauisch, Doktor", sagt Gutenberg, „meine Erfindung dürfte dasGeld schon wieder einbringen, das man hineinsteckt. Darauf kommtes Euch und dem Rat der Stadt doch zunächst an?"

„Versteht uns recht, Meister, wir sind Leute, die zu rechnen ge­lernt haben."

„Doktor Humery, Ihr seid ein gelehrter Mann und wißt, wie hochdie Preise sind, die Liebhaber aller Stände für schöne Bücher be­zahlen? Adel, Geistlichkeit, Fürsten und vornehme Bürger, ja sogarder arme Dorfschulmeister schreiben, wo sie nur können, Bücherab und verwahren sie als höchsten Besitz. In den Straßburger undMainzer Verlagen sitzen Tag und Nacht Dutzende von Schreibernund vervielfältigen in mühseliger Arbeit alte und neue Autoren.

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Dabei sind manche dieser Abschriften fehlerhaft, ungenau oderungleichmäßig. Unsere Zeit aber braucht Bücher, Bücher Bücher . . . "

„Ihr erzählt mir nichts Neues, Meister!"Doktor Humery tritt ungeduldig von einem Fuß auf den anderen.

Gutenberg geht an einen Tisch im Hintergrund, auf dem einigeFolianten liegen. Er hebt einen schweren Codex auf und streichtüber den wundervollen Einband.

„Eine Abschrift des Thomas a Kempis", sagt er, „von den Benedik­tinern zu Windsheim bei Zwolle geschrieben und gebunden. Wassagt Ihr zur Kalligraphie des Schreibers?"

Der Doktor beugt sich über die Seiten. Das Buch ist zweispaltiggeschrieben. Rankenwerk läuft zwischen und um die Schriftblöcke,die Anfangsbuchstaben sind sorgfältig mit kleinen Bildchen aus­gemalt.

„Sehr hübsch", sagt der Doktor, „wennschon mir scheint, die.Rotunda' — so nennt man doch wohl diese gerundete Fraktur­schrift — auf den ersten Blattseiten wäre gleichmäßiger und dasBand der Budistaben harmonischer. Weiter hinten laufen Fehlerunter, und das Schriftbild wird unruhiger."

„Richtig, Doktor! Auf Seite 40 haben die Schreiber gewechselt!Der alte Pater Geert ist gestorben, und der junge Dachs, der seinWerk fortsetzte, hatte minderes Geschick."

„Ja, ja", erwidert Doktor Humery ein wenig von oben herab,„Kritisieren ist leicht, Bessermachen schon schwieriger? Man hatbislang im Buchhandel wenig von Meisler Gutenberg vernommen."

Der große Mann im Schurzfell lächelt.„Nun Kanzler, was würdet Ihr sagen, wenn dieser unbekannte

Meister Gutenberg aus Mainz das ganze Büchergeschäft über denHaufen würfe? Wenn er das Geheimmittel besäße, eine ganz gleich­mäßige Schrift ohne Feder und Pinsel aufs Papier zu setzen, undwenn er das so schnell könnte, daß am Ende eines Jahres nicht &inBuch, sondern ein Dutzend, ja vielleicht sogar ein Schock Bändefertig dalägen; wenn also dieser Gutenberg die Bücher wohlfeil,gut und für jedermann erschwinglich machen würde?"

Doktor Humery blickt den Meister prüfend aus den Augenwinkelnan. Dann nickt er unschlüssig und meint., die Verheißung wäre nichtübel, wie es jedoch mit der Ausführung stehe.

Wieder nimmt Gutenberg ein Buch auf. Diesmal ist es ein kleines,zerlesenes Heftchen.

„Da seht, die Grammatik des Altus Dnnatus, nach dem dieBuben in den Kksterschulen Latein lernen! Sie ist aus lauter ganz

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Johannes Gutenberggreift in einen der gelächerten Kästen und entnimmt ihm eineHandvoll kleiner, bleierner Stäbchen, an deren Ende ein winzigerStempel Schriftzeichen in Spiegelansicht trägt.

„Ich will Euch den Grundgedanken erklären, Doktor! Ich habedie gewaltige Bibel in ihre 25 Grundzeichen — die Buchstaben — aufgelöst. Aus diesen 25 Zeichen lassen sich alle Werke der Weltzusammensetzen."

„Aber Ihr werdet lOOOmal 1000 ,e' oder ,a' brauchen. Es läuftaufs gleiche hinaus!" ruft der Doktor, ider nicht recht begreift.

„Das ist einfach", antwortet Gutenberg ohne Zögern. „Habe, icheinmal die Gußform für ein schönes ,e' geschaffen, so kann ich inder Stunde 100 und mehr Buchstaben damit gießen . . ."

Der gelehrte Herr zieht die Brille aus dem Futteral, setzt sie aufund starrt nachdenklich in das Gewimmel winziger Stempel, die in

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Papiermacherum das Jahr 1570

geschnittenen Holz­tafeln gedruckt. Dasteckt meine Erfin­dung schon zur Half tedrinnen.

Doktor Humeryhlickt fragend her­über.

„AberMeister! Waswollt Ihr mit diesemHeftchen! Die paarSeiten mag ein fleißi­ger Mönch in Holzschneiden — aberversucht es doch malmit der HeiligemSchrift. Da müßtetIhr hundert Jahrealt werden, und EuerBuch käme teuererals jedeHandschrift."

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einer bestimmten Ordnung in den Kästchen ruhen. Er versteht nichtalles, aber es überkommt ihn das Gefühl, als könne von diesenkleinen Zeichen eine neue Welt ausgehen.

„Meister Fust", sagt er dann, „ich beglückwünsche Euch! Soweitich's begreife, habt Ihr nie einen besseren Vertrag abgeschlossenals den mit diesem Tausendsassa!'"

*Am 6. Dezember 1452 kommt ein zweiter Vertrag zwischen dem

reichen Goldschmied Fust und Meister Gutenberg zustande. Guten­berg weiß längst, daß man ihn um die Erträgnisse seiner Kunstbetrügen und ihm auch seine geheimen Kenntnisse und FertigkeitenStück um Stück entwinden will. Sein ganzes Werk und das, was ausder Werkstatt hervorgehen würde, hat er vertraglich zum Pfandgeben müssen. Aber er ahnt um diese Zeit noch nicht, daß er denVerräter in seiner Werkstatt hat. Es ist sein Gehilfe und Mit­arbeiter Peter Schöffer. Der schlaue Fust lädt sich Schöffer insHaus, umwirbt ihn und macht ihm Hoffnungen auf die Hand seinerTochter. So trägt Peter Schöffer auch die letzten Geheimnisse der,Schwarzen Kunst' dem Geldgeber zu: die Mischung der Drucker­schwärze, die gut aufgetragen nach dem Druck nicht schmieren soll,die Einrichtung der Setzrahmen und den Bau der Blattpressen, dieLegierung für die Buchstaben-Typen.

Inzwischen ist in Gutenbergs Werkstatt das gewaltige Meister­werk der 42 zeiligen Bibel im Entstehen, das er schon bald nachVollendung seiner Erfindung begonnen hat, nachdem sie an klei­neren Werkchen, Kalenderblättern, Büchlein erprobt worden war'.Vorarbeiten zu neuen Typen und verbesserten Pressen sind abge­schlossen, das aufgewandte Kapital müßte sich bald reich verzinsen.Aber Gutenbergs Schulden haben ein erdrückendes Maß erreicht,die Aufwendungen für Löhne, Maschinen, Metall, Pergament, Papier.Farbe und Miete haben die saumselig eingehenden Fustschen Dar­lehen verschlungen.

Das ist der Augenblick, in dem der Geschäftsmann Fust die Jagd­netze zuzieht. Er reicht kurz vor Vollendung der ersten, gedrucktenBibel Klage wegen Rückzahlung von 2026 Gulden Darlehen mitZins und Zkiseszins ein. Er leistet den Eid vor dem Rat Helmasper-ger im Barfüßerklöster zu Mainz, und Gutenbergs Werkstatt samtder ganzen Auflage der Bibel, den Typen und Gießgeräten geht inseinen Besitz über.

Arm wie eine Kirchenmaus geht der Erlinder aus seiner Werk­statt und überläßt alles dem tüchtigen Fust, der sogleich mit seinem

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Druckknecht Schöffer eine eigene Druckerei eröffnet. Als einzigesgerettetes Gut trägt der abermals Gescheiterte einen Guß der neuenBuchstabentypen ans dem Zusammenbruch fort. Er ist nun beinahesechzig Jahre alt. Aber sein Mut ist ungebrochen. Er entschließt sichunverzüglich von vorne anzufangen. Doktor Humery ist nun seinGeldgeber.

„Meister", sagt er, „wenn Ihr Lust habt, so will fürderhin ichEuer Gönner sein. Ich strecke Euch die Summe zu neuem Be­ginn vor".

Und der große Gutenberg ergreift die dargebotene Hand nichtwie ein Schiffbrüchiger die Rettungsplanke, sondern wie einer, derweiß um das Gesetz seiner Aufgabe und das Gewicht seiner Sendung.

*Trotz der Unterstützung durch Doktor Humery ist es Johatm

Gutenberg seit seinem Prozeß mit Fust nicht mehr gut gegangen.Notzeiten der Stadt, ein erbitterter Streit des Landesherrn mit derMainzer Bürgerschaft, zogen auch ihn in ihre Wirrnis. Aus seinerneuen Werkstatt kam noch eine Anzahl schöner Druckerzeugnisse.In dieser Zeit vollendete er vermutlich einen Bibeldruck mit 36 Zei­len auf jeder Seite; doch war er wohl zu sehr an seine Geldgeberverschuldet, als daß für ihn selber die Sorgen ein Ende genommenhätten. Als er um die Jahreswende 1468 starb, fiel sein Nachlaß anTypen, Werkzeugen und Druckbogen an den Mainzer Syndikus Dr.Humery.

Der geniale Erfinder war tot. Seine Erfindung aber eroberte raschdie Kulturwelt.

Drittes Kapitel:

Gutenbergs „Schwarze

Kunst'''' erobert die Welt

A r s conservatr ix — d i e K u n s t d e s B e w a n r e n s

War auch die Druck-Offizin Schöffer-Fust auf höchst unerfreu­liche Weise durch Betrug und Ausbootung Gutenhergs entstanden,so machte sie doch in den folgenden Jahren vieles durch ausgezeich­nete Arbeit wieder gut. Peter Schöffer war einstmals zu Paris alsBücherschreiber tätig gewesen und verstand etwas vom Handwerk.Schon ein Jahr nach dem großen Prozeß brachte die Werkstatt ein

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,Psalterium' heraus, bei dem 228, bei einem klein-typigen Nachdrucksogar 235 verschiedene Satzzeichen verwendet wurden. Eine er­staunliche Neuerung war es. wenn die Offizin nun auch die großenInitialen durch Druck herstellte, die bei den beiden Gutenberg-Bibeln noch ausgespart und der Arbeit des Buchmalers vorbehaltenworden waren. Peter Schöffer entwickelte ein Verfahren, bei demdie Initialen und die Randverzierung in Metall geschnitten, mit Rotund Blau eingefärbt und in einem zweiten und dritten Druckgangnach den Schwarzbuchstaben abgezogen wurden.

Bis zum Jahre 1470 nennt das Verlagsverzeichnis der Schöffer-Fustschen Offizin 21 Druckwerke; als Schöffer 1503 starb, konnteer auf etwa 300 Bücher zurückschauen, die aus seiner Werkstatthervorgegangen waren.

*Noch zu Lebzeiten Gutenbergs war die .Schwarze Kunst' aus den

Mauern von Mainz gewandert, den alten Handels- und Kulturwegenlandauf- und -ab gefolgt und hatte eine Heimstatt in anderenStädten gefunden. 1460—1464 tauchte ein ehemaliger Mitarbeiterund Gehilfe Gutenbergs, Albrecht Pfister, in Bamberg auf. Er warden Main hinaufgezogen und hatte wohl als kostbarste AusstattungTypen der 36zeiligen Bibel mitgebracht; denn seine ersten Bücherwiesen dieselben Typen wie jenes Werk Gutenbergs auf. Nach 1460begann zu Straßburg der gebildete Notar Johannes Mentelio mitdem Drucken. Doch trug zur Ausbreitung der Buchdruckerkunstvor allem ein lokales Mainzer Ereignis bei.

Es war jener Streit der Mainzer mit dem Landesfürsten, der auchGutenbergs späteres Leben überschattete. In einer Oktobernachtdes Jahres 1462 stürmten die Reisigen des Erzbischofs Adolf vonNassau die rebellische Stadt, Brandschein glühte über den Dächern;neben vielen anderen Häusern brannte auch die Schöffer-FustscheOffizin aus — Blut dampfte in den engen Gassen. Viele Handwerkerverließen bei Nacht und Nebel die Bannmeile. Einige von denFlüchtlingen waren Drucker, die das Geheimnis der ,SchwarzenKunst' kannten. Sie gründeten im In- und Ausland kleinere odergrößere Offizinen, wie die Druckereien damals genannt wurden.

Bis zur Jahrhundertwende 1500 gab es kein europäisches Landmehr, in dem nicht Gutenbergs geistige Söhne und Enkel tätigwaren. Von Schweden bis Ungarn, von Polen bis Portugal entstandenOffizinen, ein Strom von gedruckten Erzeugnissen ergoß sich überdas Abendland.

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Die Wirkung der Buchdruekerkunst war weltbewegend und-erschütternd. Gutenbergs Erfindung bedeutete ebenso den Beginneines jungen Menischheitiszeitalters, wie die Entdeckungen desColumbus, wie die umstürzenden Erkenntnisse des Kopernikus oderdie von Luther ausgelöste Reformation. Jeder dieser Männer hattedas Bild der bisherigen Welt verändert und unabsehbare Ent­wicklungen eingeleitet. Johannes Gutenberg lieferte allen kommen­den und künftigen geistigen Bewegungen das technische Mittel derraschen Verbreitung, wie er für die geistigen Taten der Vergangen­heit das Mittel ihrer Wiedergeburt, ihrer Verwertung und Erhaltunggeschaffen hatte.

Die Buchdruekerkunst wurde zur ,Ars conservatrix' — zur Kunstdes Bewahrens. Künftig bestand nicht mehr die Gefahr unersetz­licher Verluste geistiger Errungenschaften. Der Geist hatte durchdie ,Schwarze Kunst' Dauer und Sicherheit erhalten, die Entwicklungsetzte sich gradlinig und stetig fort. Von jetzt an stand jederGeneration die Gesamtheit des Wissens früherer Geschlechter zurVerfügung.

Durch die Verbilligung und Massenherstellung von Druckerzeug­nissen nahm auch die Volksbildung in den folgenden Jahrhunderteneinen raschen Aufschwung. Man wollte lesen und schreiben lernen,um die Heilige Schrift, die geheimnisvollen Bücher der Weisen,die zahllosen Kalender, Regelbüchlein, Flugschriften, Zettel undTraktätchen studieren zu können. Zu Beginn des 17. Jahrhundertstauchten auch schon periodisch erscheinende Druckschriften auf,die sich die Aufgabe stellten, Nachrichten zu verbreiten, die ausaller Welt bekannt wurden: Die ersten Zeitungen kündeten sich an.Vor allem brachte das Zeitalter der Aufklärung — also jenesJahrhundert, das der Französischen Revolution vorausging — eineHochflut von Druckerzeugnissen: Zeitungen, Zeitschriften, volks­tümliche Darstellungen der neuesten wissenschaftlichen Erkennt­nisse, politische und religiöse Streitschriften, Volksbücher undPamphlete. Die Druckerpresse wurde zur Großmacht, aus ihrflössen nicht nur Bildung, Wissen und Aufklarung, sie bestimmteauch die Meinungen und Gesinnungen, sie produzierte die Wahr­heit ebenso leicht wie die Lüge, sie diente der Toleranz ebenso oftwie der Engstirnigkeit, der Liebe wie dem Haß, der Macht wie derUnterdrückung, sie diente den Empörern wie den Verfechtern derTradition. Neben dem Segen wohnte der Fluch.

So hatte die Buchdruekerkunst Zwiespältiges gefördert.

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„Im fünfzehnten Jahrhundert änderte sich alles. Der mensch­liche Geist entdeckte nicht allein ein dauerhafteres Mittel sichfortzupflanzen, sondern auch ein einfacheres. Die Architekturwurde entthront — auf die steinerne Schrift der Baukunstfolgte -die bleierne Schrift, die bleierne Gutenbergs. Der Buch­stabe tötete den Stein.

Die Erfindung der Buchdruckerkunst war das größte Ereignisder Geschichte, die Mutter der Revolutionen . . .

Unter der Form der Buchdruckerkunst wurde der Gedankedauerhafter als jemals, beflügelt, unerreichbar, unzerstörbar.Vom Festen ging er in idas Lebendige über; von der Dauer indie Unsterblichkeit. Eine Mauer kann man niederreißen — vermag man aber einen Gedanken, den man überall findet,auszurotten?

Das Kapital an Kräften, das der menschliche Geist bis dahinauf die Errichtung von Gebäuden verwandte, ging auf diePresse über. Mit dem 16. Jahrhundert hatte sich die Presse aufdie Höhe der Baukunst erhoben, begann den Kampf und be­siegte sie. Im 17. war sie schon Gebieterin, so daß sie derWelt ein großes literarisches Jahrhundert zu schenken ver­mochte. Als das 18. Jahrhundert sich schloß, hatte die Pressedas ganze alte Europa zerstört. Im 19. begann sie dem Wieder­aufbau." (Victor Hugo)

I m Zeitalter d e r JV la sd i i ne

Seit Gutenbergs Tagen hatte sich die Druckerpresse kaum geändert.Da im allgemeinen ein Drucker in zwei Arbeitsstunden nur etwa125 Seiten zu drucken vermochte, trieben die steigenden An­forderungen die tägliche Arbeitszeit immer höher hinauf. Nach derLeipziger Buchdruckerordnung von 1701 währte die Arbeitszeitim Winter von 5 Uhr früh bis 9 Uhr abends. Trotzdem konntendie vorhandenen Offizinen der Nachfrage nicht mehr gerechtwerden. Besonders das Zeitungsgeschäft hatte -seine natürlichenGrenzen gefunden.

Wieder war es ein Deutscher, der die Entwicklung gewaltig vor­antrieb: Friedrich König. Er war 1774 geboren, hatte zu Leipzigbei Breitkopf & Härtel den Buchdruck gelernt und unter großenEntbehrungen Naturwissenschaft und Maschinenbau studiert. Fürseine Pläne, Gutenbergs Druckpresse zu verbessern, fand er aber in

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Deutschland niemanden, der ihn unterstützt hätte. So ging er nachEngland, wo sich bald ein hellhöriger Buchdrucker — ThomasBensley — fand, der die Nützlichkeit der Königschen Ideen erkannte.

Mit Bensleys finanzieller Unterstützung schuf König die Zylinder­presse, auf die er 1812 das Patent erhielt. Der Besitzer der größtenLondoner Zeitung, der ,Times', erwarb die beiden ersten Schnell­pressen', die Times-Ausgabe vom 29. November 1814 war die ersteZeitung, die mit der Zylinderpresse vervielfältigt wurde.

Da Friedrich König aber um den wirtschaftlichen Erfolg seinerErfindung gekommen war, kehrte er in die Heimat zurück undgründete 1817 mit seinem Freunde Bauer zusammen in Oberzellbei Würzburg eine Schnellpressenfabrik. Die neue Maschine be­sorgte alle Arbeitsgänge mechanisch: vom Einlegen des Bogens anarbeitete nur noch die Maschine. Sie führte den Bogen unter dieDruckform. Die Greifer, die den Bogen geführt hatten, lösten sich,sobald der Zylinder die Farbe auf das Papier gepreßt hatte, unddie gedruckten Bogen wurden über laufende Bänder abgelegt. Nachdem Tode Königs (1833) wurde seine Maschine weiterentwickelt,bei späteren Konstruktionen lief das Papier von einer .endlosen'Rolle unter eine runde Druckplatte. Die Leistung solcher Maschinensteigerte sich auf mehrere tausend Drucke pro Stunde.

*

Aber immer noch bestand der andere Engpaß in der schnel­len Massenproduktion von Druckerzeugnissen. Die Methode des,Setzens' war noch immer unverändert. Mit der Hand wurden dieBuchstabenstempel in den nach Zeilenbreite verstellbaren Winkel­haken' gereiht; die stets gleiche Zeilenbreite erzielte man durchdie in die Wortzwischenräume eingelegten ,Blindtypen' oderSpatien. Um auch diese zeitraubende Handarbeit zu mechanisieren,waren allein in Amerika bis zum Jahre 1860 mehr als 1500 Patenteangemeldet worden. Doch nicht eines der Verfahren war wirtschaft­lich. Es war Ottmar Mergenthaler aus dem mainfränkischen DörfchenMachtel bei Bad Mergentheim, der das Problem in vollkommenerWeise löste.

Mergentbaler war 1854 geboren worden. Sein Vater, der Lehrerwar, hätte gern gesehen, daß atich sein Sohn diesen Beruf ergriff.Doch Ottmar hatte zu starke technische Neigungen, als daß er sichin der Schulstube wohlgefühlt hätte. Er trat gegen den Widerstanddes Vaters bei seinem Onkel, einem Uhrmacher zu Bietigheim, indie Lehre und tat sich schon früh durch kleine, aufsehenerregende

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mechanische Erfindungen hervor. Freilich ging es ihm wie FriedrichKönig und vielen anderen in dieser Zeit; in der Heimat fand sichniemand, der dem begabten jungen Mechaniker eine Chance ge­boten hätte. So wanderte er mit 18 Jahren nach Amerika aus, vondem es damals hieß, daß es jedem Tüchtigen freie Bahn biete.

Nach harten Anfangsjahren fand Mergenthaler in Amerika dieAufgabe seines Lebens. Da er als Mechaniker arbeitete und baldin den Ruf kam, ein erfindungsreicher, kluger Kopf zu sein undüber eine geschickte Hand zu verfügen, wandte sich im Jahre 1876ein Mister Clephane mit einem besonderen Auftrag an ihn.Clephane hatte in den Akten des New Yorker Patentamtes gewühltund nach den Plänen von Setzmaschinen Ausschau gehalten, diebisher konstruiert worden waren. Er war überzeugt, daß hier einriesiges Geschäft verborgen lag — wenn man nur die richtige,rasch und zuverlässig arbeitende Maschine bauen könnte.

So kam Mister Clephane in die Werkstatt des Einwanderer«Ottmar Mergenthaler, legte ihm einen Stoß Entwürfe für Setzerei­maschinen auf die Werkbank und fragte ihn, ob er versuchen wolle,daraus etwas Brauchbares zu machen. Die Begegnung wurde zumBeginn einer dauerhaften Freundschaft.

Jahre unermüdlicher Versuche folgten. Immer mehr entferntesich der geschickte Mechaniker von den ursprünglichen PlänenClephane«, immer mehr führten ihn seine Gedanken auf eigeneWege. Der junge Deutsche stand 12—14 Stunden täglich amZeichentisch und an der Drehhank. Sein Ziel war eine Maschine,die möglichst einer Schreibmaschine gleichen, aber die Arbeit desSetzers verrichten sollte. Schräubchen um Schräubchen, Hebel umHebel mußten durchdacht, erprobt und verbessert werden. ZehnJahre währte es, bis Ottmar Mergenthaler sich bereit erklärte, seinWerk der Öffentlichkeit zu übergeben.

Im Juli 1886 wurde die erste Setzmaschine im Setzereisaal der,New York Tribüne' aufgestellt. Whitelaw Reid, der Verleger derTribüne, umkreiste aufmerksam und hochgespannt das Gewirr ausHebeln, Zahnrädern, Gußformen, Tasten und Drahtzügen. Allesglänzte von Nickel, Messing und Stahl, flüssiges Blei brodelte ineinem kleinen Schmelztiegel, der an der Maschine angebracht war.

Die Herren des Verlages, die Meister der Setzerei und derDruckerei und ein paar Journalisten blickten gespannt auf denblondbärtigen, schmalbrüstigen Mann, der alles noch einmal über­prüfte, bevor er die Probe wagte Ottmar Mergenthaler trat an dieTasten, die dem Tastenwerk einer Schreibmaschine nachgeahmt

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waren, und schlug sie an. Es schwirrte und klirrte, Buchstaben­matrizen fielen aus ihren Kanälen, seltsames Leben geriet in dasstählerne Gewirr, und ehe man sich versah, warf die Maschineeinen dünnen, silbrig glänzenden Metallstreifen von der Breiteeiner Zeitungszeile aus. Das Metall trug auf der Kante säuberlichgegossem erhabene, blanke Buchstaben in Spiegelschrift: a lineo'type! —- eine Druckzeile!

Das englische Wort für Druckzeile wurde der Name für dieneue Maschine: Linotype. Sie trug 90 Drucktasten; drückte derSetzer eine Taste, so wurde eine Matrize — eine winzige Gießformfür einen Buchstaben oder ein Satzzeichen — ausgelöst, fiel indem entsprechenden Kanal nach unten und reihte sich mit dennächsten Gießform zur Zeile. War die Zeile gefüllt, so floß ge­schmolzenes Metall in einen schmalen Schlitz unter die Matrizen­reihe, und schon war der Spiegelabdruck hergestellt. Die Matrizenwanderten nach getaner Arbeit auf einem Drahtzug wieder auf­wärts und reihten sich auf eine sinnreich gezahnte Stange. DieZähnung zwang jede Matrize, an einer >gamz bestimmten Stelleabzufallen. So fiel jeder Buchstabenstempel in seinen ganz bestimm­ten Kanal zurück, aus der ihn nur der Tastendruck des Setzerswieder hervorholen konnte. Die Maschine arbeitete mit verhältnis­mäßig wenigen Typenzeichen und vermochte dennoch Zeile hinterZeile fast mit der Geschwindigkeit herzustellen, die ein guterMaschinenschreiber zum Anschlag der Tasten brauchte.

Der Erfolg Mergenthalers bei den Verlegern war überwältigend.Nur die Arbeiter der Setzereien standen mit finsteren Mienen bei­seite. Streiks flammten auf, wenn eine Zeitung die Linotype er­warb; Maschinen wurden demoliert.

Und doch setzte sich die Erfindung durch. Das Zeitungs- undDruckereiweseo nahm einen gewaltigen Aufschwung. Die Sorge derSetzer, arbeitslos zu werden, erwies sich als unbegründet. Nichtnur die alten Arbeitsplätze wurden erhalten, viele neue mußtengeschaffen werden. Zum erstenmal waren Druckerzeugnisse wirk­lich volkstümlich billig. Die Verlage setzten die Zeitungspreise auf2 und schließlieh auf 1 Cent herunter. Gleichzeitig stiegen die Auf­lageziffern der amerikanischen Presse von 3,6 Millionen täglicherExemplare im Jahre 1886 auf 33 Millionen im Jahre 1900. Io diesemJahre aber standen bereits 8000 Linotype-Maschinen in den Setzerei­sälen der US-Zeitungen, tausende in den Druckereibetrieben andererLänder. 1914 arbeiteten rund 25 000 Setzmaschinen in der ganzemWelt, heute beträgt ihre Zahl über 75 000. zumal die Linotype-

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Setzmaschinen durch die Fabrikate anderer Unternehmungen Unter­stützung gefunden haben.

*So führt der Weg aus der Vor-Gutenberg-Zeit bis in unsere Tage,

und noch immer ist ein Ende des Fortschritts, den der großeMainzer Meister mit den beweglichen Lettern in Bewegung ge­bracht hat, nicht abzusehen. Mit Recht gehört die Erfindung der„Schwarzen Kunst" zu den Vorgängen, die der Historiker als ent­scheidend an den Anfang des Zeitalters gestellt hat, in dem wirleben. Kultur und Bildung, die geistigen und politischen Ent­wicklungen der Neuzeit — die segensvollen wie die zerstörerischen— sind ohne Gutenberg undenkbar. Der Meister selbst und seineZeitgenossen haben diese weithinreichende Bedeutung der Druck­kunst wohl kaum geahnt. Doch läßt das Totenschild, das nach derÜberlieferung ein Verwandter über Gutenbergs Grabe aufgerichtethaben soll, erkennen, daß einige wenige auch damals schon dieGröße dieses Mannes ermessen haben. Der Grabspruch hat, ausdem Lateinischen übersetzt, folgenden Wortlaut:

Dem Johannes Gensfleisch,Dem Erfinder deis Buchdrucks,Dem um jede Nation und SpracheHöchst verdienten,Setzte zur unvergänglichen ErinnerungAn seinen NamenAdam Gelthus dieses Denkmal.Die Gebeine des VerblichenenRuhen friedvollIn der Kirche des Heiligen Franziskus zu Mainz.

Umschlaggestaltung: Karlheinz Dobsky

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