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Gute Fahrt mit Wasserstoff - Technische Logistik · Gute Fahrt mit Wasserstoff der Test von...

Date post: 08-Mar-2021
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FLURFÖRDERZEUGE | Brennstoffzellenstapler 46 Hebezeuge Fördermittel 6/2016 „Wir sind mit den Ergebnissen bisher wirklich zufrieden. Die beiden Stapler fahren im Dreischichtbetrieb und wir denken darüber nach, auf zehn Fahr- zeuge aufzustocken.“ Soweit Matthias Kromm vom Mercedes-Benz Werk in Düsseldorf, einer der Zuständigen für das Demonstrationsprojekt Gabelstapler mit Brennstoffzellenantrieb. Das star- tete Ende 2014. Ein Zwischenbericht. „Wir hatten mit mehr Störungen gerechnet, gerade bei der Brennstoffzelle. Weil die 80-Volt- Version, soweit ich weiß, hier in Europa erst- malig zum Einsatz gekommen ist. Erfahrungen mit der 12-kW-Maschine von Plug Power Gen- Drive lagen nicht vor. Ich muss sagen, die haben einen ganz guten Job gemacht. Klar, es gab Störungen, aber weit weniger als erwartet.“ Die drei Merkmale Wirtschaftlichkeit, Alltagstaug- lichkeit und Zuverlässigkeit stehen besonders im Blick der Beteiligten am „Demonstrations- projekt Brennstoffzellen-Stapler im Echt-Pro- duktionsbetrieb“. Der Echt-Produktionsbetrieb ist das Sprinterwerk von Mercedes in Düssel- dorf. Mit 1,4 Mio. Euro fördert das Nationale Innovationsprogramm Wasserstoff- und Brenn- stoffzellentechnologie (NIP) den Feldversuch. Zu den konkreten Zielen gehört u. a. der Aufbau von Know-how in Wasserstoff(H 2 )-betriebener Intralogistik. Dieses Know-how soll eines Tages als kopierbares Modell Interessenten zur Ver- fügung stehen, u. a. in Form eines Leitfadens zur Installation einer H 2 -Tankstelle. In jeder Halle soll eine Wasserstoff- Tanksäule installiert werden Der Punkt Wirtschaftlichkeit beinhaltet u. a. eine relativ kurze Betankungszeit Im Vergleich zum Batteriewechsel der E-Stapler, der Weg- fall flächenintensiver und teurer Batterielade- stationen, eine längere Reichweite bis zu drei Schichten oder der entfallende Entsorgungs- aufwand für ausgemusterte Batteriepakete. Projektleiter Matthias Kromm aus der Abteilung „Fabrikeinrichtungen und Werkstätten“ sieht eigentlich nur marginal Nachbesserungsbedarf. „Fangen wir mal mit der Betankung an. Wenn wir den E-Stapler mit dem BZ-Stapler verglei- chen, dann schaffen wir hier in Düsseldorf den Batteriewechsel in fünf Minuten. So gesehen machen die zweieinhalb bis drei Minuten für eine Brennstoffzellen-Betankung keinen gro- ßen Unterschied. Kann ich die Batterie nicht tauschen, sondern muss ich sie nachladen, kippt natürlich das Verhältnis. Ich kann den E-Stapler nicht zwischen zwei Fahraufträgen kurz mit Strom versorgen. Das geht aber mit Wasserstoff für die Brennstoffzelle.“ Was die reinen Leerfahrten, z. B. von einer fernen Halle zur Batterieladestation oder zur H 2 -Tankstelle angeht, besteht noch eine Patt- situation. Die ließe sich zugunsten des BZ- Staplers mit einer Tanksäule in jeder Halle verschieben. „Das ist unsere Intention. Wenn die Gesamtbilanz für eine höhere Stückzahl spricht, denken wir an eine Tanksäule in jeder Halle. Zugegeben, es handelt sich um Wasserstoff, mithin dürften die Genehmigungen nicht ganz unproblematisch sein. Aber die Auflagen sind nicht so hoch wie für Batterieladestationen.“ Die Wirtschaftlichkeit hängt von der Größe der Staplerflotte ab „Die Wirtschaftlichkeit des Brennstoffzellen- staplers hängt von der Flottengröße ab. Bei zwei Geräten lohnt sich ein eigener Servicetechni- ker natürlich noch nicht. Der trägt sich aber bei größeren Flotten. Investitionsseitig kostet eine Brennstoffzelle heute mit 30.000 € etwa dreimal mehr als ein Batteriepaket. In einer Gesamtbetrachtung kann diese Differenz aber gegen null gehen, wenn wir die logistischen Vorteile mit einkalkulieren. Wenn wir z. B. die Flächen für die Batteriewechselstationen ein- sparen. Wenn wir in der Halle tanken können. All diese Details erfassen wir gerade. Wir müs- sen auch sehen, dass die Infrastruktur stimmt, dass Ersatzteile da sind, dass Wartungen ein- wandfrei funktionieren, dass es Schulungen gibt.“ Stichwort Ersatzteile: Längere Standzei- ten haben zurzeit noch etwas mit der Logistik zu Gute Fahrt mit Wasserstoff Der Test von Brennstoffzellen-Gabelstaplern verläuft positiver als erwartet Technische Daten Brennstoffzelle Hersteller: Plugpower Gendrive Typ: 1600-80CEA Nennspannung: 80 V Abmessungen (in mm): 1025 × 708 × 722 Dauerleistung: 10 – 12 kW verfügbare Energiemenge: 27 kWh Gewicht: 1558 kg Tankkapazität: 1,8 kg Betankungssystem: 350 bar Betankungszeit: 3–5 min Gabelstapler mit Brennstoffzelle können innerhalb von drei Minuten an einer Wasserstoff- Tankstelle betankt werden. QUELLE: B. GENATH
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Page 1: Gute Fahrt mit Wasserstoff - Technische Logistik · Gute Fahrt mit Wasserstoff der Test von Brennstoffzellen-gabelstaplern verläuft positiver als erwartet Technische daten Brennstoffzelle

FlurFörderzeuge | Brennstoffzellenstapler

46 Hebezeuge Fördermittel 6/2016

„Wir sind mit den Ergebnissen bisher wirklich zufrieden. Die beiden Stapler fahren im Dreischichtbetrieb und wir denken darüber nach, auf zehn Fahr-zeuge aufzustocken.“ Soweit Matthias Kromm vom Mercedes-Benz Werk in Düsseldorf, einer der Zuständigen für das Demonstrations projekt Gabelstapler mit Brennstoff zellenantrieb. Das star-tete Ende 2014. Ein Zwischenbericht.

„Wir hatten mit mehr Störungen gerechnet, gerade bei der Brennstoffzelle. Weil die 80-Volt-Version, soweit ich weiß, hier in Europa erst-malig zum Einsatz gekommen ist. Erfahrungen mit der 12-kW-Maschine von Plug Power Gen-Drive lagen nicht vor. Ich muss sagen, die haben einen ganz guten Job gemacht. Klar, es gab Störungen, aber weit weniger als erwartet.“ Die drei Merkmale Wirtschaftlichkeit, Alltagstaug-lichkeit und Zuverlässigkeit stehen besonders im Blick der Beteiligten am „Demonstrations-projekt Brennstoffzellen-Stapler im Echt-Pro-duktionsbetrieb“. Der Echt-Produktionsbetrieb ist das Sprinterwerk von Mercedes in Düssel-dorf. Mit 1,4 Mio. Euro fördert das Nationale Innovationsprogramm Wasserstoff- und Brenn-stoffzellentechnologie (NIP) den Feldversuch. Zu den konkreten Zielen gehört u. a. der Aufbau von Know-how in Wasserstoff(H2)-betriebener Intra logistik. Dieses Know-how soll eines Tages als kopierbares Modell Interessenten zur Ver-fügung stehen, u. a. in Form eines Leitfadens zur Installation einer H2-Tankstelle.

In jeder Halle soll eine Wasserstoff- Tanksäule installiert werden

Der Punkt Wirtschaftlichkeit beinhaltet u. a. eine relativ kurze Betankungszeit Im Vergleich zum Batteriewechsel der E-Stapler, der Weg-fall flächenintensiver und teurer Batterielade-stationen, eine längere Reichweite bis zu drei Schichten oder der entfallende Entsorgungs-aufwand für ausgemusterte Batteriepakete. Projektleiter Matthias Kromm aus der Abteilung „Fabrikeinrichtungen und Werkstätten“ sieht eigentlich nur marginal Nachbesserungsbedarf. „Fangen wir mal mit der Betankung an. Wenn wir den E-Stapler mit dem BZ-Stapler verglei-chen, dann schaffen wir hier in Düsseldorf den Batteriewechsel in fünf Minuten. So gesehen machen die zweieinhalb bis drei Minuten für eine Brennstoffzellen-Betankung keinen gro-ßen Unterschied. Kann ich die Batterie nicht tauschen, sondern muss ich sie nachladen, kippt natürlich das Verhältnis. Ich kann den

E-Stapler nicht zwischen zwei Fahraufträgen kurz mit Strom versorgen. Das geht aber mit Wasserstoff für die Brennstoffzelle.“

Was die reinen Leerfahrten, z. B. von einer fernen Halle zur Batterieladestation oder zur H2-Tankstelle angeht, besteht noch eine Patt-situation. Die ließe sich zugunsten des BZ-Staplers mit einer Tanksäule in jeder Halle verschieben. „Das ist unsere Intention. Wenn die Gesamtbilanz für eine höhere Stückzahl spricht, denken wir an eine Tanksäule in jeder Halle. Zugegeben, es handelt sich um Wasserstoff, mithin dürften die Genehmigungen nicht ganz unproblematisch sein. Aber die Auflagen sind nicht so hoch wie für Batterieladestationen.“

die Wirtschaftlichkeit hängt von der größe der Staplerflotte ab

„Die Wirtschaftlichkeit des Brennstoffzellen-staplers hängt von der Flottengröße ab. Bei zwei Geräten lohnt sich ein eigener Servicetechni-ker natürlich noch nicht. Der trägt sich aber bei größeren Flotten. Investitionsseitig kostet eine Brennstoffzelle heute mit 30.000 € etwa dreimal mehr als ein Batteriepaket. In einer Gesamtbetrachtung kann diese Differenz aber gegen null gehen, wenn wir die logistischen Vorteile mit einkalkulieren. Wenn wir z. B. die

Flächen für die Batteriewechselstationen ein-sparen. Wenn wir in der Halle tanken können. All diese Details erfassen wir gerade. Wir müs-sen auch sehen, dass die Infrastruktur stimmt, dass Ersatzteile da sind, dass Wartungen ein-wandfrei funktionieren, dass es Schulungen gibt.“ Stichwort Ersatzteile: Längere Standzei-ten haben zurzeit noch etwas mit der Logistik zu

Gute Fahrt mit Wasserstoffder Test von Brennstoffzellen-gabelstaplern verläuft positiver als erwartet

Technische daten

Brennstoffzelle

Hersteller: Plugpower Gendrive

Typ: 1600-80CEA

Nennspannung: 80 V

Abmessungen (in mm): 1025 × 708 × 722

Dauerleistung: 10 – 12 kW

verfügbare Energiemenge: 27 kWh

Gewicht: 1558 kg

Tankkapazität: 1,8 kg 

Betankungssystem: 350 bar

Betankungszeit: 3–5 min

Gabelstapler mit Brennstoffzelle können innerhalb von drei Minuten an einer Wasserstoff-Tankstelle betankt werden.

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Brennstoffzellenstapler | FlurFörderzeuge

tun; das Zubehör kommt umständlich aus dem Ausland. Plug Power will aber bei einer höheren Nachfrage nach seiner Gendrive-BZ eine Ser-viceniederlassung in Deutschland etablieren.

Der Testbetrieb in Düsseldorf begann im Dezember 2014 mit dem einschichtigen Einsatz von zwei BZ-Staplern in der internen Produk-tionsversorgung und Materialbereitstellung. Nach drei Monaten wechselten die Stapler in den Zwei- und nach einem Jahr in den Drei-schichtbetrieb. Im Juni 2016 erreichte die Lauf-zeit 3.500 Betriebsstunden (Bh). Der Energie-verbrauch beträgt im Schnitt 0,3 kg H2/Bh, die durchschnittliche Laufleistung 4,5 Bh. 1,8 kg H2 sind im Moment unter drei Minuten eingefüllt.

Ausfälle resultierten zumeist aus Bedienfehlern an der Tankstelle

Apropos Befüllen: Der Wasserstoff, der an die Anode geführt wird, zerfällt mithilfe von Platin als Katalysator in Protonen und Elektronen. Die verbinden sich mit dem Sauerstoff auf der Kathodenseite zu Wasser (H2O). Außer Strom, Wärme und Wasser produziert eine Brennstoff-zelle keine weiteren Medien und Emissionen. Doch hatte man im Sprinterwerk zum Start des Tests nicht an eine Art Wassermanage-ment gedacht. Immerhin fallen rund zehn Liter pro Betankung an. „Die muss man absaugen, und das Ganze muss ein geschlossenes System sein. Entsprechend haben wir nachgerüstet. Das heißt, wir mussten entsprechende Was-serabsaugkupplungen beschaffen. Das dauerte, die Stapler standen für 17 Tage. Die sollten wir aber nicht bei einer Betrachtung der Störzei-ten einbeziehen.“ Die gehörten mehr in die Schublade Kinderkrankheiten und weniger in die Schublade Alltagstauglichkeit.

Welche Herausforderungen bestehen noch? „Wir arbeiten noch an einer Optimierung der Verbrauchswerte. Wir wollen auch die Schall-dämmung zwischen Brennstoffzelle und Fahr-gastzelle verbessern und die Wärmeableitung optimieren. Man muss sich auch genau die Nebenbestimmungen für die Genehmigung der Tankstelle anschauen. Hierfür sind in erster Linie die Bezirksregierung und der TÜV zuständig. Für uns galt es beispielsweise, einen Blitzschutz nachzurüsten.“ Insgesamt gesehen erwies sich eigentlich der Tankstellenbetrieb als sensibler als der Staplerbetrieb. Beim Betanken muss man zum Beispiel die Betriebs-stunden angeben. „Tippt man die falsche Zahl ein, hat der Nächste ein Problem. Denn wenn er seine echte Zeit, die er vom Fahrzeug abliest, der Säule meldet, sperrt die sich. Die Uhr läuft ja nicht rückwärts. Warum die sich sperrt, weiß der Nutzer aber nicht. Durch solche Fehlbedie-nungen kommt es also häufiger zu Ausfällen.“Die BZ des Staplers Linde FC 30 liefert 80 Volt und 12 kW. Als Kraftstoff tankt der 3-t-Stapler reinen Wasserstoff. Den liefert Air Products in 38-kg-Druckflaschen mit rd. 200 bar zur H2-Tankstelle auf dem Gelände des Sprinter-werks. Dort verdichtet ihn eine Station auf rd.

350 bar, um den 1,8-kg-Tank der BZ zu bela-den. Die Betankung kann der Fahrer selbst vornehmen.

Die reine H2-Versorgung hat gegenüber Methan oder anderen Kohlenwasserstoffen als Vorprodukt den Vorteil, dass die BZ kei-nen Reformer benötigt. Dadurch verträgt sie einen Start- und Stoppbetrieb. Erdgas- oder Methanzellen müssen den Wasserstoff erst aus dem Vorprodukt reformieren. Dazu benö-tigen sie eine bestimmte Betriebs temperatur und weitere chemische Reaktionen, so dass sie unter Umständen erst nach Stunden Leistung abgeben. Dieses Manko hat die H2-BZ nicht. Die mobilen PEM-Einheiten funktionieren quasi auf Knopfdruck. Das hat aber weniger mit einer reaktionszeitlosen Stromproduktion zu tun. Der Kunstgriff ist der, dass sich die Elektromotoren aus den Lithium-Ionen-Batterien bedienen. In die nämlich lagert die BZ ihren Strom ein. Der wird nicht direkt zum Antriebsstrang durchge-leitet. Damit entfallen die Startschwierigkeiten.

Mercedes-Benz kündigt ein neues Brennstoffzellenfahrzeug an

In den Linde-Gabelstaplern bei Mercedes arbei-ten Brennstoffzellen von Plugpower. Ob Daim-ler an eine Eigenentwicklung denkt, lässt sich nicht abschätzen. Vor Jahren setzte man auf das Brennstoffzellenauto, ging erste Schritte mit Ballard, zog sich dann zurück und kündigt jetzt erneut ein BZ-Fahrzeug für 2017 an – den Geländewagen GLC. Zeitgleich mit der Ankündi-gung zweifelt aber Daimler-Chef Dieter Zetsche öffentlich am Durchbruch der Stromerzeuger. Er gibt Batterie fahrzeugen größere Chancen. Dies gilt allerdings nur für den Individual-verkehr, also für die Massenproduktion. Da Nischenlösungen jedoch nicht das Daimler-Geschäft sind, ist es eher unwahrscheinlich, dass eines Tages ein Linde-Gabelstapler mit Mercedes-Antrieb rollt. (vu)

Bernd Genath ist freier Journalist aus Düsseldorf

ziele des Brennstoffzellen-versuchsim „Sprinter“-Produktionswerk der daimler Ag in düsseldorf:

❙ Effiziente Gestaltung der Logistik durch den Wegfall von Batterie-wechsel und Ladevorgängen.

❙ Durchführung eines Praxistests mit zunächst zwei Fahrzeugen und perspektivischer Vergrößerung der Testflotte auf bis zu zehn Fahrzeuge.

❙ Aufbau einer Betankungs- und Wartungsinfrastruktur mit entspre-chender Schulung der Mitarbeiter.

❙ Sammlung von eigenen Erfahrungen und Auswertung des Testbetriebs.

❙ Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen und nutzerbefragungen zum Testbetrieb.

❙ Aufbau von Know-how mit H2-betrie-bener Intralogistik innerhalb der Daimler AG.

❙ Weitergabe der Erfahrungen über einen zentralen Expertenkreis für Flurförderzeuge im Daimler-Konzern; perspektivisch: konzernweite Einfüh-rung der BZ-Flurförderzeuge in den Produktionsstandorten.


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