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Grundkurs Geschäftsprozess-Management || Grundlegende Begriffe

Date post: 08-Dec-2016
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1 Grundlegende Begriffe 1.1 Prozess-Management 1.1.1 Konzeption Mittlerweile ist Prozess-Management eine etablierte Aufgabe, über deren Notwendigkeit in der Praxis nicht mehr diskutiert wird. Trotz rückläufiger Budgets und einem allgemeinen Trend zur Kostenreduktion investieren deutsche Unternehmen viel Geld in die Optimie- rung ihrer Arbeitsabläufe und Aufbauorganisation. So ergab bereits vor längerer Zeit eine Umfrage bei deutschen IT-Entscheidern, dass vier von fünf Unternehmen sich stark oder sehr stark mit dem ema Geschäſtsprozessoptimierung beschäſtigen und ihre Investitio- nen in diesem Aufgabenbereich trotz oder wegen des anhaltenden Kostendruckes noch steigern wollen (vgl. IDS Scheer 2003). Weitere Umfragen können diesen Trend dauer- haſt bestätigen: Die meisten Teilnehmer stufen Geschäſtsprozessmanagement als aktuelles ema ein (vgl. Gadatsch et al. 2004, 2005, 2007). Dies spiegelt den derzeit vorhandenen Kostendruck in vielen Unternehmen wider, die versuchen mit schlanken und wertschöp- fenden Prozessen entsprechende Erfolge zu erzielen. Prozess-Management ist ein zentraler Bestandteil eines integrierten Konzeptes für das Geschäſtsprozess- und Workflow-Management. Es dient dem Abgleich mit der Un- ternehmensstrategie, der organisatorischen Gestaltung von Prozessen sowie deren techni- scher Umsetzung mit geeigneten Kommunikations- und Informationssystemen. Der Gestaltungsrahmen des in Abb. 1.1 dargestellten Konzeptes umfasst auf mehreren Ebenen die Entwicklung der Unternehmensstrategie (strategische Ebene), das Prozess- Management (fachlich-konzeptionelle Ebene), das Workflow-Management (operative Ebene) sowie die Anwendungssystem- und die Organisationsgestaltung (vgl. Gehring und Gadatsch 1999c, S. 70). 1 A. Gadatsch, Grundkurs Geschäſtsprozess-Management, DOI 10.1007/978-3-8348-2428-8_1, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden 2012
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Page 1: Grundkurs Geschäftsprozess-Management || Grundlegende Begriffe

1Grundlegende Begriffe

1.1 Prozess-Management

1.1.1 Konzeption

Mittlerweile ist Prozess-Management eine etablierte Aufgabe, über deren Notwendigkeit inder Praxis nicht mehr diskutiert wird. Trotz rückläufiger Budgets und einem allgemeinenTrend zur Kostenreduktion investieren deutsche Unternehmen viel Geld in die Optimie-rung ihrer Arbeitsabläufe und Aufbauorganisation. So ergab bereits vor längerer Zeit eineUmfrage bei deutschen IT-Entscheidern, dass vier von fünf Unternehmen sich stark odersehr stark mit demThema Geschäftsprozessoptimierung beschäftigen und ihre Investitio-nen in diesem Aufgabenbereich trotz oder wegen des anhaltenden Kostendruckes nochsteigern wollen (vgl. IDS Scheer 2003). Weitere Umfragen können diesen Trend dauer-haft bestätigen: Die meisten Teilnehmer stufen Geschäftsprozessmanagement als aktuellesThema ein (vgl. Gadatsch et al. 2004, 2005, 2007). Dies spiegelt den derzeit vorhandenenKostendruck in vielen Unternehmen wider, die versuchen mit schlanken und wertschöp-fenden Prozessen entsprechende Erfolge zu erzielen.

▸ Prozess-Management ist ein zentraler Bestandteil eines integrierten Konzeptes fürdas Geschäftsprozess- und Workflow-Management. Es dient dem Abgleich mit der Un-ternehmensstrategie, der organisatorischen Gestaltung von Prozessen sowie deren techni-scher Umsetzung mit geeigneten Kommunikations- und Informationssystemen.

Der Gestaltungsrahmen des in Abb. 1.1 dargestellten Konzeptes umfasst auf mehrerenEbenen die Entwicklung der Unternehmensstrategie (strategische Ebene), das Prozess-Management (fachlich-konzeptionelle Ebene), das Workflow-Management (operativeEbene) sowie die Anwendungssystem- und die Organisationsgestaltung (vgl. Gehring undGadatsch 1999c, S. 70).

1A. Gadatsch,Grundkurs Geschäftsprozess-Management, DOI 10.1007/978-3-8348-2428-8_1,© Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden 2012

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2 1 Grundlegende Begriffe

StrategieentwicklungStrategieentwicklung

Prozess-ManagementProzess-Management

Workflow-ManagementWorkflow-Management

Organisations-gestaltung

Organisations-gestaltung

Anwendungs-systemgestaltungAnwendungs-

systemgestaltung

strategische Ebene

fachlich-konzeptionelleEbene

operative Ebene

•Prozess-abgrenzung

•Prozess-führung

•Prozess-modellierung

•Workflow-modellierung

•Prozess-monitoring

•Workflow-ausführung

Abb. 1.1 Integriertes Geschäftsprozess- und Workflow-Management

Auf der strategischen Ebene werden die Geschäftsfelder eines Unternehmens ein-schließlich der hier wirksamen kritischen Erfolgsfaktoren betrachtet. Hierbei werdendie zentralen Prozesse des Unternehmens identifiziert, geplant und anhand von stra-tegischen Kennzahlen gesteuert und überwacht. Auf der darunter liegenden fachlich-konzeptionellen Ebene erfolgt die Ableitung der Prozesse imRahmen des Prozess-Manage-ments. Das Prozess-Management stellt hierbei die Verbindung zur Unternehmensplanungauf der strategischen Ebene dar, während das Workflow-Management aus der Perspektiveder darunter liegenden Ebene der operativen Durchführung die Anwendungssystem- undOrganisationsgestaltung einbindet.

Fachlich-konzeptionelle EbeneDas Prozess-Management umfasst die Phasen der Prozessabgrenzung, der Prozessmodel-lierung und der Prozessführung im Lebenszyklus von Prozessen:

• Die Prozessabgrenzung beschreibt die Prozessentstehung. Ausgehend von den Ge-schäftsfeldern und strategisch orientierten Spezifikationen wie Produktsortiment,kritische Erfolgsfaktoren usw. sind in einem schrittweisen Vorgehen Prozesskandidatenfür jedes Geschäftsfeld abzuleiten, zu bewerten und schließlich die zu modellierendenund zu implementierenden Prozesse auszuwählen.

• In der Prozessmodellierung geht es darum, Realitätsausschnitte aus einem Geschäfts-feld unter einer fachlich-konzeptionellen Perspektive in einem Geschäftsprozess abzu-bilden. Abhängig von den strategischen Zielen eines Unternehmens kann dabei z. B.eine völlige Neugestaltung von Abläufen oder eine weitergehende Automatisierung be-

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1.1 Prozess-Management 3

stehender Prozesse angestrebt werden. So entwickelt die BMW-Group im Werkzeug-und Anlagenbau spezielle Geschäftsstrategien, welche die gestiegenen Umweltanfor-derungen hinsichtlich der CO2-Emmissionsgrenzwerte und der damit verbundenenVerbrauchsreduzierung und Sicherheitsanforderungen explizit berücksichtigen. Diesefinden anschließend ihren Niederschlag in überarbeiteten und an diese Erfordernisseangepassten Geschäftsprozessen (vgl. Brunner et al. 2002, S. 312 f).

• Auf die Phase der Prozessdurchführung bezieht sich die Prozessführung. Ihr Ziel ist dieAusrichtung der Prozesse an vorzugebende Messgrößen für den Prozesserfolg, die sogenannten Prozess-Führungsgrößen. Die Führungsgrößen der Prozesse sind, gegebe-nenfalls in mehreren Schritten, aus den kritischen Erfolgsfaktoren der jeweiligen Ge-schäftsfelder abzuleiten. Je nach dem Umfang ermittelter Erfolgsdefizite, aufgetretenerSchwachstellen im Projektablauf usw. kann eine Re-Modellierung bzw. ein erneutesDurchlaufen der Prozessmodellierung erforderlich sein.

Operative EbeneDas Workflow-Management wird in die Phasen Workflowmodellierung, Workflowaus-führung und Workflowmonitoring unterteilt. Die Workflowmodellierung folgt der Ge-schäftsprozessmodellierung. Hierbei wird der modellierte Geschäftsprozess um Spezi-fikationen erweitert, die für eine automatisierte Prozessausführung unter der Kontrolleeines Workflow-Management-Systems notwendig sind. Anschließend erfolgt die Pha-se der Workflowausführung; sie beinhaltet die Erzeugung von Prozessobjekten und denDurchlauf von Prozessobjekten entlang der vorgesehen Bearbeitungsstationen unter derKontrolle eines Workflow-Management-Systems. Das anschließende Workflowmonito-ring dient der laufenden Überwachung des Prozessverhaltens. Die Gegenüberstellungvon Prozess-Führungsgrößen und entsprechenden Prozess-Ist-Größen auf der Ebene vonWorkflows liefert Informationen darüber, ob ein Prozess bereits richtig eingestellt ist oderob korrigierende Eingriffe vorzunehmen sind.

Wegen der Unterstützungsfunktion für das Geschäftsprozessmanagement werdenWorkflow-Management-Systeme auch zunehmend als BPM-Systeme (Business-Process-Management-Systeme) bzw. Prozessmanagement-Systeme (PMS) bezeichnet (z. B. Dadamet al. 2011, S. 364).

Die Organisationsgestaltung ergänzt als allgemeine Unterstützungsfunktion das Pro-zessmanagement durch die Festlegung von Rollen, Richtlinien, Standards und konkretenArbeitsanweisungen für die Mitarbeiter. Daneben stellt es Methoden für dasWissens- undChangemanagement zur Verfügung und steuert das Management der personellen undsonstigen Ressourcen.

Die Anwendungssystemgestaltung stellt prozessorientierte Informationssysteme bereit.Diese können individuell für das Unternehmen entwickelt werden oder als Standardsoft-ware in adaptierter Form im Unternehmen zum Einsatz kommen.

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4 1 Grundlegende Begriffe

CPO

Process Owner(Prozess-verantwortliche, Prozessmanager)

Prozessmitarbeiter(Prozessexperten)

Prozess-Ausführung

(Tagesgeschäft)

Prozess-Ausführung

(Tagesgeschäft)

Strategieberater

ProjektleiterProzessberaterProzessmodellierer

WorkflowmodelliererSoftware-Entwickler

Prozess-Veränderung

(Projekte)

Prozess-Veränderung

(Projekte)

+

+

+

Pro

zess

-Aud

itor

StrategieentwicklungStrategieentwicklung

Prozess-ManagementProzess-Management

Workflow-ManagementWorkflow-Management

•Prozess-abgrenzung

•Prozess-führung

•Prozess-modellierung

•Workflow-modellierung

•Prozess-monitoring

•Workflow-ausführung

AufgabenBeteiligte

Abb. 1.2 Beteiligte (Rollen) im Prozessmanagement

1.1.2 Rollen und Beteiligte

Prozessmanagement ist durch das Zusammenspiel einer Vielzahl von Beteiligten in un-terschiedlichen Rollen auf verschiedenen Ebenen des Unternehmens geprägt. Die Über-sicht in Abb. 1.2 ordnet die wesentlichen Beteiligten in das zuvor vorgestellte Konzept desGeschäftsprozess- undWorkflow-Managements ein.

Das Prozessmanagement prägt sich im Tagesgeschäft und in Veränderungsprojektenunterschiedlich aus. Im Tagesgeschäft steht die Prozessausführung im Vordergrund. Ver-änderungsprojekte untersuchen den Istzustand, identifizieren Schwachstellen und führeneinen verbesserten Sollzustand herbei. Dementsprechend fallen die Aufgaben und Betei-ligten unterschiedlich aus (vgl. Tab. 1.1).

Die starke Etablierung des Prozessmanagements in der Praxis hat zur Forderung nachspezifischen Rollen und insbesondere einem CPO (Chief Process Officer) geführt. Seinezentrale Verantwortung besteht in der grundsätzlichen Ausrichtung des Geschäftsprozess-managements an denUnternehmenszielen sowie die Konzeption und Einführung vonMe-thoden und Werkzeugen (vgl. Abolhassan 2005, S. 377).

Seine Aufgaben ergeben sich direkt aus dem in Abb. 1.1 vorgestellten Rahmenkonzeptdes Prozessmanagements:

• Prozess-Dokumentation: Identifikation und Beschreibung relevanter Geschäftsprozes-se,

• Prozess-Analyse: Betriebswirtschaftlich orientierte Simulation und Schwachstellenana-lyse der Geschäftsprozesse,

• Prozess-Optimierung: Identifikation, Definition, Einleitung und Überwachung vonProzessverbesserungen,

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1.1 Prozess-Management 5

Tab. 1.1 Rollen und Aufgaben im Prozessmanagement

Rolle Zentrale AufgabenCPO Unternehmensweite Dokumentation, Restrukturierung und Monito-

ring der Prozesse, Beratung der Organisationseinheiten, Sicherstellungeiner prozessorientierten Gestaltung der Organisation

Process Owner/Prozessmanager

Laufende operative Steuerung und Restrukturierung der Geschäftspro-zesse. Festlegung von Prozesszielen und Sicherstellung von derenErreichung, Führung der prozessunterstützendenMitarbeiter

Prozessmitarbeiter/Prozessexperten

Prozessabwicklung Tagesgeschäft, Detailaufgaben hängen vom Tä-tigkeitsfeld ab, z. B. Kundenaufträge bearbeiten, Reklamationenabwickeln, Arbeitsverträge formulieren und schließen

Projektleiter Erstmalige Implementierung des Geschäftsprozessmanagements undWeiterentwicklung bei größeren Restrukturierungen der Prozessor-ganisation, Leitung des GPM-Projektes, Abstimmung der Projektzieleund Sicherstellung der Zielerreichung, Führung Projektmitarbeiter undInformation des Managements

Prozessberater Ausführung von konzeptionellen und ausführenden Projektarbeits-paketen, z. B. Wissenstransfer von Best-Practices für Prozesse, Einsatzvon speziellen Methoden und Werkzeugen, Durchführung von Work-shops und Schulungen

Prozess-/Workflow-modellierer

IT-gestützte Erhebung, Modellierung und Spezifikation von Prozessen,Detailanalyse und Optimierung, Implementierung in WFMS

Prozessauditor Unabhängige Prüfung von Arbeitsabläufen und Prozessveränderungs-projekten

• Prozess-Monitoring: Laufende Analyse der Prozess-Kennzahlen imHinblick auf die Er-reichung der Prozessziele,

• Entwurf und Implementierung einer prozessorientierten Unternehmensorganisationeinschließlich der Übertragung der Prozessverantwortung an sog. Prozesseigentümer(Process Owner),

• Sicherstellung von prozessorientierten IT-Systemen durch Zusammenarbeit mit demCIO (Chief Information Officer).

Allerdings verfügen nur wenige Unternehmen über entsprechende Stellen innerhalbihrer Organisationsstruktur.

Eine weitere zentrale Rolle übernehmen die Process Owner, auch Prozessverantwortli-che oder Prozessmanager genannt. Sie sind verantwortlich für die laufende Steuerung undOptimierung der Geschäftsprozesse. Ihre Aufgaben sind (vgl. Schmelzer 2005):

• Prozessziele festlegen und Einhaltung überwachen,• Prozessmitarbeiter führen, disponieren und steuern,• Vertretung des Geschäftsprozesses gegenüber Dritten (z. B. in Projekten, bei Geschäfts-

abschlüssen).

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6 1 Grundlegende Begriffe

Die Rolle des Processowners ist in Unternehmen häufig etabliert. 80% der Unterneh-men gaben im Rahmen einer Umfrage an, diese Rolle besetzt zu haben (vgl. Gadatsch et al.2007).

Prozessmitarbeiter sind Prozessexperten für Teilschritte im Gesamtprozess oder fürzusammenhängende Prozessketten. Sie sind in erster Linie verantwortlich für die Auf-gabendurchführung im Tagesgeschäft. Die Aufgaben hängen vom Tätigkeitsfeld ab, z. B.Kundenaufträge bearbeiten, Reklamationen abwickeln, Arbeitsverträge formulieren undschließen (vgl. Schmelzer 2005).

ImRahmenvonProjekten zurVeränderung derUnternehmensorganisation sindweite-re Beteiligte eingebunden: Projektleiter, Prozessberater, Prozess- undWorkflowmodelliererund IT-Experten.

Der Projektleiter ist verantwortlich für die erstmalige Implementierung des Prozessma-nagements und dessenWeiterentwicklung bei größeren Restrukturierungen. Seine Aufga-ben sind insbesondere:

• Leitung des Prozessmanagement-Projektes,• Klärung der Projektziele mit der Unternehmensleitung und Sicherstellung der Zieler-

reichung,• Führung der Projektmitarbeiter und Information des Managements.

Prozessberater sind verantwortlich für die Ausführung von konzeptionellen und aus-führenden Projektarbeitspaketen, z. B. Wissenstransfer von Best-Practices für Prozesse,Einsatz von speziellen Methoden und Werkzeugen, Durchführung von Workshops undSchulungen.

Die Gruppe der Modellierer lässt sich aufgrund unterschiedlicher Anforderungen inzweiGruppen untergliedern: Geschäftsprozess- undWorkflowmodellierer. Sie beschreibendie Arbeitsabläufe und spezifizieren deren IT-technische Umsetzung in geeigneten Soft-waresystemen. Die Gruppe der Geschäftsprozessmodellierer arbeitet zunächst auf der be-triebswirtschaftlichen Ebene. Sie analysieren Arbeitsabläufe, identifizieren Schwachstellenund setzen die Anforderungen in Sollkonzepte (Sollmodelle) um. Ihre Tätigkeit erfordertinsbesondere betriebswirtschaftliche Kenntnisse sowie grundlegendes technisches Wissenüber die einzusetzenden Informationssysteme. Workflowmodellierer greifen die Konzepteder Prozessmodellierer auf und verfeinern die betriebswirtschaftlichenModelle so, dass dieProzesse von einem Workflowmanagementsystem automatisiert ausgeführt werden kön-nen. Ihre Arbeit erfordert daher insbesondere IT-Wissen, teilweise auch Programmier-kenntnisse. Fallweise sind im Rahmen der Workflowmodellierung weitere IT-Expertenmit Spezial-Know-how hinzuzuziehen. Aufgrund der unterschiedlichen Tätigkeitsinhalteund Fähigkeiten wird die Aufgabe derModellierung häufig auch durch getrennte Personenwahrgenommen.

Prozessauditoren werden fallweise eingesetzt, um Überprüfungen laufender Prozesse,aber auch von Veränderungsprojekten durchzuführen. Das Ziel besteht darin, Schwach-stellen zu identifizieren und den Beteiligten Hilfestellungen für Verbesserungen zu geben.

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1.1 Prozess-Management 7

Process Officer 1 Process Officer 1 Process Officer 1 Process Officer 1

Process Officer 2Process Officer 2Process Officer 2Process Officer 2

Process Officer 3Process Officer 3Process Officer 3Process Officer 3

KundeKunde KundeKundeKundeKunde KundeKunde

LeitungLeitung

Eink.Eink. Ftg.Ftg. Vertr.Vertr.

CPOCPOLeitungLeitung

Eink.Eink. Ftg.Ftg. Vertr.Vertr.

CPOCPO

LeitungLeitung(=CPO)

Eink.Eink. Ftg.Ftg. Vertr.Vertr.

Prozessorganisation

Stabsstelle in Funktionalorganisation

Matrixorganisation mit Mehrfachunterstellung

Abb. 1.3 Möglichkeiten der organisatorischen Einbindung

1.1.3 Organisatorische Einbindung

Die organisatorische Gestaltung des Prozessmanagements entscheidet stark über den Er-folg im Unternehmen. Prozessmanagement kann

• als klassische Prozessorganisation,• als Stabsstelle innerhalb einer Funktionalorganisation oder• als Matrixorganisation

eingerichtet werden (vgl. Abb. 1.3).Bei der klassischen Prozessorganisation werden die Tätigkeiten so angeordnet, dass sie

sich möglichst an den Anforderungen des Kunden ausrichten. Das Ziel besteht darin, dieSchrittfolge so anzuordnen, dass der Prozess reibungslos abgewickelt werden kann.Hierbeimüssen disjunkte Prozesse organisatorisch voneinander getrennt werden (z. B. Privatkun-dengeschäft, Geschäftskundengeschäft, Versandhandel). Übergreifende Aktivitäten (z. B.gemeinsamer Einkauf, Vertrieb) müssen abgestimmt werden, da es keine funktionale Ver-antwortung gibt. Die Prozessverantwortlichen übernehmen die unternehmerische Verant-wortung für den Gesamtprozess. Eine Herauslösung vonGesamtprozessen aus demUnter-nehmen ist bei dieser Variante vergleichsweise einfach.

Die Stabsstelle innerhalb einer Funktionalorganisation koordiniert die Prozesse inner-halb des Unternehmens. Die funktionale Organisation bleibt jedoch bestehen, d. h. prinzi-piell ist die Organisation nach Funktionen ausgerichtet Der Wirkungsgrad dieses Modellsgilt daher im Hinblick auf das Prozessmanagement als nicht besonders hoch, kann jedochbei geeigneten Führungsqualitäten durchaus eine Alternative zur Prozessorganisation sein.

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8 1 Grundlegende Begriffe

Praxisbeispiel DAKDie Aufgaben des als Stabsstelle in der Unternehmensentwicklung eingerichtetenCPO der DAK (Deutsche Angestellten Krankenkasse) umfassen die „Moderation,Dokumentation und Ableitung von konkreten Projekten aus der Strategie“. Für dieUmsetzung ist nach wie vor der IT-Leiter verantwortlich und damit auch maßgeb-lich am Prozessmanagement beteiligt (vgl. Vogel 2004c, S. 22).

DieMatrixorganisation kennt zwei Gliederungsprinzipien: Tätigkeit/Funktion undOb-jekt/Prozess, nach denen die Tätigkeiten ausgerichtet werden. Hierbei übernehmen Pro-zessmanager (Process Officer) die Aufgaben, Prozesse entlang der Funktionalorganisationmöglichst so auszurichten, dass die Prozesse reibungslos funktionieren. Sie konkurrierenmit den Leitern der funktionalen Abteilungen um Ressourcen, was gewollt zu permanen-ten Abstimmungskonflikten führt. Der Erfolg des Prozessmanagements hängt stark vonden Führungsfähigkeiten der Prozessmanager ab.

Die Verbreitung von CPO-Stellen in deutschsprachigen Unternehmen ist noch ver-gleichsweise selten. Nur 21% der befragten Unternehmen im deutschsprachigen Raumgaben an, das in ihrem Unternehmen die Rolle eines CPO etabliert ist (vgl. Gadatsch et al.2007).

1.1.4 Zusammenspiel zwischen CIO und CPO

Die Rolle des Chief InformationOfficers (CIO) wurde in denUSA entwickelt und wird seitvielen Jahren auch in Deutschland in der Praxis gelebt.

Die Abgrenzung des CIOs zum klassischen IT-Leiter zeigt die enge Verbindung seinerAufgaben mit dem CPO. Der IT-Leiter ist Leiter der Datenverarbeitung. Sein Aufgaben-bereich besteht in der Softwareentwicklung und dem Betrieb des Rechenzentrums. Er istschwerpunktmäßig mit der Bereitstellung technischer Lösungen für Geschäftsprozesse be-traut und verfügt vorwiegend über technisches Know-how.

Der CIO dagegen ist Leiter des Informationsmanagements. Er konzentriert sich auf dasInformations-,Wissens- und Technik-Management, erarbeitet Visionen und Konzepte fürzukünftige technische Möglichkeiten, berät die Fachbereiche bei der Gestaltung ihrer Ge-schäftsprozesse. Sein Berufsbild ist analog demCPO interdisziplinär strukturiert, erfordertvernetztes fachliches, technisches und Management-Know-how (vgl. Abb. 1.4).

Es besteht daher die Möglichkeit, dass beide Berufsbilder im Sinne eines „Chief In-formation and Process Officers (CIPO)“ bzw. Leiters „Informations- und Prozessmanage-ment“ zusammenwachsen, zumindest aber die Übergänge zwischen den beiden Berufsbil-dern fließender werden. Der Grund ist darin zu sehen, dass Prozesse meist mit Informa-tionstechnik unterstützt werden und andererseits die Organisation der IT-Versorgung nurmit Prozesswissen und Zusammenarbeit mit den Prozessverantwortlichen möglich ist.

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1.1 Prozess-Management 9

CIO

Verantwortung

Hauptaufgaben

Zielsetzung Ausrichtung der Prozesse an den Unternehmenszielen

Fachliche und organisatorischeProzessgestaltung

• Prozessanalyse und -restrukturierung im Hinblick auf inhaltlicheVerbesserung

• Gestaltung der fachlichenProzessorganisation

Ausrichtung der IT-Unterstützung an denUnternehmenszielen

Technische Prozessgestaltungund Innovationstreiber

• Prozessanalyse und -restrukturierung im Hinblick auf technischeVerbesserung

• Gestaltung der technischen Prozessorganisation

Bereitstellung prozessorientierter Informationssysteme

CPO

Abb. 1.4 Abgrenzung der Rollen zwischen CPO und CIO

In der Abb. 1.4 werden diewesentlichenUnterscheidungsmerkmale beider Berufsbilderabgegrenzt. Die Zielsetzung des CPO besteht darin, die Geschäftsprozesse an den Zielendes Unternehmens auszurichten, seine Aufgaben sind daher vor allem fachlicher Natur.Der CIO dagegen steuert den IT-Einsatz so, dass er dem Zielsystem des Unternehmensentspricht. Er ist verantwortlich für die technische Prozessgestaltung. Er legt die Technolo-gien und Migrationsschritte fest, mit denen die Prozessziele erreicht werden können. DerCPO führt Prozessanalysen und Optimierungen im Hinblick auf fachliche Ziele durch,während der CIO die technische Gestaltung und Umsetzung übernimmt. In der Summesind beide Rollen für die prozessorientierte Gestaltung des Unternehmens einschließlichprozessorientierter Informationssysteme verantwortlich.

1.1.5 Exkurs: Aktionsorientierte Datenverarbeitung

Das Konzept der in Deutschland entwickelten aktionsorientierten Datenverarbeitung(AODV) kann als Vorläufer des heutigen Geschäftsprozess- und Workflow-Managementsangesehen werden. Es wurde bereits in den 80er Jahren entwickelt, um die damals neuenMöglichkeiten der aufkommenden integrierten Informationsverarbeitung zur Steuerungvon arbeitsteiligen Verwaltungsabläufen zu nutzen (vgl. Berthold 1983 und Hofmann1988).

Das Konzept der AODV beruht auf der Kritik an den klassischen DV-Konzepten derStapel- und Dialogverarbeitung, die den Erfordernissen der wachsenden Komplexität vonArbeitsabläufen nicht mehr Rechnung trugen. Integrierte Informationsverarbeitungssyste-

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10 1 Grundlegende Begriffe

me bieten dieMöglichkeit, die aus Sicht des Gesamtunternehmens künstlichen Abteilungs-grenzen mit ihren negativen Auswirkungen (z. B. Doppelarbeiten durch Abgrenzungspro-bleme, Medienbrüche und Mehrfacherfassung in Arbeitsabläufen) zurückzudrängen. SeitAnfang der neunziger Jahre wird die aktionsorientierte Datenverarbeitung unter dem Be-griff „Workflow-Management“ wieder diskutiert und weiterentwickelt.

Die Grundidee der aktionsorientierten Datenverarbeitung besteht darin, Verwaltungs-abläufe auf der Ebene elementarer Arbeitsschritte zu steuern (vgl. Berthold 1983, S. 20).Dies erfolgt über gemeinsam von den Einzelkomponenten der integrierten Datenverar-beitung verwendeten Datenbanken. Aktionsdatenbanken enthalten formalisierte Informa-tionen von Anwendungsprogrammen und geben diese an Bearbeiter in Form von Akti-onsnachrichten weiter. Sie lösen Aktivitäten der informierten Mitarbeiter aus. Die Über-mittlung der Aktionsnachrichten an die Mitarbeiter erfolgt über Electronic-Mail-Systeme.Die Aktionsdatenbank erfüllt hierbei die Funktion eines Postkorbes für den Mitarbeiter,der den dort enthaltenen Arbeitsvorrat und dessen Prioritäten einsehen und abarbeitenkann. Triggerdatenbanken erhalten ebenfalls strukturierte Informationen von Program-men (Ereignisse) und leiten diese wiederum an Programme weiter und stoßen hierdurchdieAusführung vonProgrammläufen an. EinTrigger beschreibt eine durchzuführendeAk-tion und das die Aktion auslösende Ereignis (vgl. Scheer 1994, S. 72).

Die verfolgten Ziele lagen insbesondere in der Verkürzung von Durchlaufzeiten derBearbeitungsobjekte, der Reduktion der Papierflut und einer verbesserten Nutzung derDV-Ressourcen.

Die AODV wurde in den Jahren 1978 bis 1981 erfolgreich in einem größeren Unter-nehmen der Luftfahrtindustrie für die Funktionsbereiche Beschaffung, Kundenauftrags-,Sachstamm- und Stücklistenverwaltung realisiert (vgl. Berthold 1983, S. 25). Sowohl dieAkzeptanz des Konzeptes bei den Mitarbeitern, als auch der Grad der Zielerreichung warpositiv.

Die Gründe für die in den Folgejahren fehlende Durchsetzung der AODV dürften inder noch geringen Leistungsfähigkeit der integrierten Informationsverarbeitung zu Beginnder 80er Jahre und vielleicht auch in der verwendeten (deutschen) Begrifflichkeit liegen.Die der AODVzugrunde liegende Idee wurde erst als „Workflow-Management“ erfolgreichumgesetzt (vgl. hierzu Mertens 2006, S. 28).

1.2 Optimierungskonzepte

1.2.1 Business Reengineering

Das Konzept des Business Reengineering steht für einen Managementansatz zur radika-len Unternehmensrestrukturierung, der Anfang der 90er-Jahre durch die Arbeiten vonHammer und Champy eine hohe Popularität erzielt hat (vgl. Hammer 1990 sowie Ham-mer und Champy 1994). Die Diskussion fand zunächst im Wesentlichen in der Unter-nehmenspraxis und dort überwiegend im Bereich der Unternehmensberatung statt. Eine

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1.2 Optimierungskonzepte 11

wissenschaftliche Erforschung des Business Reengineering erfolgte erst später. Diese Ent-wicklung führte zu einer Reihe von Weiterentwicklungen des ursprünglichen Konzeptevon Hammer und Champy (vgl. z. B. Hess und Österle 1995, S. 128). In diesem Zusam-menhang werden teilweise die Begriffe „Business Process Reengineering“, „Geschäftspro-zessoptimierung“, „Business Engineering“, „Business Redesign“ u. a. synonym verwendet.Die genannten Konzepte behandeln schwerpunktmäßig die Analyse und Restrukturierungvon Primärprozessen mit Markt- und Kundenausrichtung, wie z. B. Vertriebsprozesse. Al-lerdings finden sich auch vereinzelt Praxisbeispiele für einen Einsatz derartiger Ansätze inunterstützenden Querschnittsprozessen wie z. B. Rechnungswesen.

Hammer und Champy definieren Business Reengineering als „Radikalkur“ für das Un-ternehmen. Sie verstehen hierunter ein grundlegendes Überdenken des Unternehmensund seiner Unternehmensprozesse, um im Wesentlichen Verbesserungen in den Kosten,der Qualität, des Services, der Zeit und insbesondere des Kundennutzens zu realisieren.(Hammer und Champy 1994, S. 48). Business Reengineering ist nach Ihrer Ansicht keineOptimierung bestehender Abläufe, sondern ein Neubeginn, d. h. ein völliges Überdenkender Strukturen (vgl. Hammer und Champy 1994, S. 12). Sie umreißen ihr Konzept mit denSchlüsselworten „fundamental“, „radikal“ und „dramatisch“.

Das Schlüsselwort „fundamental“ steht für die Beantwortung der Frage nach dem Sinnund Zweck jeder Tätigkeit im Unternehmen und auch der Art undWeise, wie sie durchge-führt wird.

Der Begriff „radikal“ steht für den Willen, auch grundlegende Veränderungen im Un-ternehmen durchzusetzen, d. h. es geht nicht um die Optimierung von bestehenden Ab-läufen (vgl. auch Hammer und Champy 1994, S. 12), sondern um einen Neubeginn, d. h.ein völliges Überdenken der Strukturen.

Das Schlüsselwort „dramatisch“ umschreibt die Forderung nach Veränderungen desUnternehmens und der Effizienz seiner Arbeitsabläufe in Quantensprüngen. Hammer undChampy weisen der Informationstechnologie eine tragende Rolle zur Aufgabenerfüllungzu (vgl. Hammer und Champy 1994, S. 113 f.). Ihnen geht es vor allem darum, dass dieinnovativen Möglichkeiten der Informationsverarbeitung ausgenutzt werden.

Kurz gesagt bedeutet Business Reengineering die Beantwortung der Frage „Wie würdenwir vorgehen,wennwir noch einmal ganz von vornebeginnenwürden?“. DasManagementhat die Aufgabe, neu zu überdenken, wie die Arbeit durchgeführt undwie die Organisationstrukturiert werden würde, wenn sie noch einmal ganz von vorne begännen (vgl. Robbins2001, S. 33).

Die traditionelle funktionale Organisation (vgl. Abb. 1.5) ist hierarchisch aufgebaut.Sie stellt in kleinen Organisationen kein Problem dar, weil die Mitarbeiter untereinan-der bekannt sind und das Zusammenwirken in den Prozessen kennen. In wachsendenOrganisationen sehen viele Bereichsmanager dagegen häufig nur noch Ihren eigenen Auf-gabenbereich.

Page 12: Grundkurs Geschäftsprozess-Management || Grundlegende Begriffe

12 1 Grundlegende Begriffe

Abb. 1.5 Traditionelle funktionale Organisation

Kam

inef

fekt

Abb. 1.6 Silo-Organisation und Kamineffekt

Kamineffekt Silo-OrganisationDie Abteilungen werden zu Silos: groß, dick und fensterlos (vgl. Osterloh und Frost 2003,S. 28 f.). Das funktionale Denken der traditionellen Organisation führt zu internen Blo-ckaden und zu „Informations-Silos“, bei denen die interne Kommunikation zwischen denAbteilungen nur noch über das Berichtswesen stattfindet. Es kommt zum „Kamineffekt“:Bereichsübergreifende Probleme werden mangels horizontaler Kommunikation zur Unter-nehmensführung „hochgezogen“ (vgl. Abb. 1.6 in Anlehnung an Osterloh und Frost 2003,S. 29).

Business Reengineering beschäftigt sich in erster Linie mit den Arbeitsabläufen im Un-ternehmen und versucht diese aus Sicht des Geschäftes, d. h. aus Kundensicht zu opti-mieren. Business Reengineering versucht die traditionelle funktionsorientierte Denkweisezu überwinden. Es beschränkt sich nicht nur auf den Verkauf, die Produktion oder dasRechnungswesen, sondern es beschäftigt sich intensiv mit den Kundenbedürfnissen.Dem-

Page 13: Grundkurs Geschäftsprozess-Management || Grundlegende Begriffe

1.2 Optimierungskonzepte 13

Typische Abteilungen in der Industrie (Funktionen)

Einkauf

Abteilungs-zieleZ1…Zn

Abteilungs-ergebnisseE1…En

Lager

Abteilungs-zieleZ1…Zn

Abteilungs-ergebnisseE1…En

Ferti-gung

Abteilungs-zieleZ1…Zn

Abteilungs-ergebnisseE1…En

Ver-trieb

Abteilungs-zieleZ1…Zn

Abteilungs-ergebnisseE1…En

Ver-sand

Abteilungs-zieleZ1…Zn

Abteilungs-ergebnisseE1…En

Typische Geschäfts-prozesse

Kun

de

Kun

de

Produktentwicklungsprozess

Auftragsabwicklungsprozess

Reklamations- und Service-Prozess

ProzesszielZ1, …, Zn

ProzesszielZ1, …, Zn

ProzesszielZ1, …, Zn

ProzessergebnisE1, …, En

ProzessergebnisE1, …, En

ProzessergebnisE1, …, En

Typische Geschäfts-prozesse

Kun

de

Kun

de

Produktentwicklungsprozess

Auftragsabwicklungsprozess

Reklamations- und Service-Prozess

ProzesszielZ1, …, Zn

ProzesszielZ1, …, Zn

ProzesszielZ1, …, Zn

ProzessergebnisE1, …, En

ProzessergebnisE1, …, En

ProzessergebnisE1, …, En

Abb. 1.7 Prozess- versus Funktionsdenken

zufolge werden die Prozesse an den Anforderungen der Kunden ausgerichtet und nicht anden Anforderungen der Organisation.

Bei der prozessorientierten Organisation eines Unternehmens wird versucht, Prozess-ziele und die hieraus resultierenden Ergebnisse in den Vordergrund zu stellen. Diese sindim Regelfall nicht deckungsgleich, wenn man sie mit den Abteilungs- bzw. Bereichszielenund -ergebnissen der klassischen Funktionsorganisation vergleicht (vgl. Abb. 1.7).

Beispiel: Einordnung der Rechnungsprüfung in den BeschaffungsprozessEin typisches Beispiel für die unterschiedliche Sichtweise von Prozess- und Funk-tionsdenken ist die Beschaffung von Waren und Dienstleistungen. Im Rahmen derGestaltung der Beschaffungsabläufe tritt regelmäßig die Frage auf, welchem Bereichdie Teilaufgabe der „Rechnungsprüfung“ zugeordnet werden soll: Der Logistik oderdem Rechnungswesen.

Für den Bereich Logistik spricht, dass die Rechnungsprüfung die qualitative undmengenmäßige Kontrolle durchführt. Die Logistik verfolgt u. a. das Ziel, die rich-tige Ware, in der richtigen Menge und Qualität zur richtigen Zeit zum Empfängerzu transportieren. Das Rechnungswesen beansprucht oft die Verantwortung für dieÜberprüfung von Kontierungen und Zahlungsbedingungen. Das Rechnungswesenhat u. a. das Ziel, eine ordnungsgemäße Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnungaufzustellen.

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14 1 Grundlegende Begriffe

Organisationz. B.

Datenz. B.

Funktionenz. B.

Personalz. B.

...

Geschäfts-strategie

Prozeß

Informations-system

Geschäfts-felder

Daten-banken

Applika-tionen

Karriere-plan

Aufgaben Entitätstypen Trans-aktionen

Team-bildung

Verantwort-lichkeiten

Attribute Dialog-flüsse

Mitarbeiter-bewertungen

Organisationz. B.

Datenz. B.

Funktionenz. B.

Personalz. B.

...

Geschäfts-strategie

Prozeß

Informations-system

Geschäfts-felder

Daten-banken

Applika-tionen

Karriere-plan

Aufgaben Entitätstypen Trans-aktionen

Team-bildung

Verantwort-lichkeiten

Attribute Dialog-flüsse

Mitarbeiter-bewertungen

Abb. 1.8 Business Engineering (Österle 1995)

Wird der Prozess gesplittet, z. B. in der Art, dass zunächst die qualitative undMengenkontrolle in der Logistik durchgeführt wird und später nachWeitergabe derDokumente (z. B. Lieferschein) die kaufmännische bzw. finanztechnische Prüfungim Rechnungswesen erfolgt, sind fast zwangsläufig durch den BearbeiterwechselVerzögerungen zu erwarten.

Die Ansätze des Business Reengineering wurden von anderenAutoren aufgegriffen undintensiv weiterentwickelt. Teilweise synonym verwendete Begriffe sind Business ProcessReengineering, Business Engineering, Business Process Redesign u. a.m. Im deutschspra-chigen Raum wurden insbesondere die Ansätze von Scheer und Österle bekannt.

Österle definiert Business Reengineering umfassend in Form eines top-down-orientier-ten Ansatzes beginnendmit der Entwicklung der Geschäftsstrategie bis hinunter zur Ebeneder Informationssysteme (vgl. Österle 1995, S. 24). Er verwendet den Begriff Business Engi-neering und versteht hierunter dieNeugestaltung der informatorischenWirtschaft (Österle1995, S. 14). Business Engineering transformiert demnach die Industriegesellschaft in eineInformationsgesellschaft. Österle untergliedert Business Engineering in drei Ebenen (vgl.Österle 1995, S. 30):

Die Geschäftsstrategie bestimmt die globalen Rahmendaten für das Unternehmen, wiez. B. die Unternehmensstruktur und die Geschäftsfelder. Die Prozessebene legt die organi-satorischen Einheiten fest und bestimmtdieUnternehmensprozesse undderen Leistungen.Sie legt auch die groben Entitätstypen der Informationsverarbeitung fest wie z. B. Kun-de oder Konto. Auf der Informationssystemebene erfolgt die Spezifikation im Detail. Die

Page 15: Grundkurs Geschäftsprozess-Management || Grundlegende Begriffe

1.2 Optimierungskonzepte 15

Ebenenbetrachtung wird ergänzt um ein Sichtenkonzept. Österle unterscheidet für jedeBetrachtungsebene die Sichten Organisation, Daten und Funktion (vgl. Österle 1995 S. 30)und lässt Raum für die Einbeziehung weiterer Sichten wie z. B. Personal, Marketing oderRecht.

Fallbeispiel Siemens: zentrale Rolle der Informationsverarbeitung für Business Reengi-neeringEin typisches Beispiel für die zentrale Rolle der Informationsverarbeitung im Rah-men von Business Reengineering-Projekten stellt die Einführung der betriebswirt-schaftlichen Standardsoftware SAP R/3® im Geschäftsbereich Automatisierungs-technik der Siemens AG Ende der 1990er Jahre dar (vgl. Frank et al. 1997). Diewirtschaftliche Lage des Geschäftsbereiches Automatisierungstechnik der SiemensAG erzwang eine seinerzeit umfassende Restrukturierung des gesamten Geschäfts-gebietes. Das Produktspektrummusste vollständigmodernisiert und in seiner Kom-plexität überschaubarer gemacht werden. Der Vertrieb musste globaler ausgerich-tet werden und die Logistikleistungen (Liefertreue, Lieferfähigkeit, Lieferqualität)mussten stark verbessert werden. Der Anstoß für das Reengineering Projekt erfolg-te durch einen Vergleich (Benchmarking) mit dem Hauptwettbewerber.

Die Komplexität des durchzuführenden Projektes war enorm groß. Annähernd50 Geschäftsprozesse wurden untersucht und grundlegend überarbeitet. Die bishe-rige IT-Unterstützung war veraltet, inhaltlich unzureichend und durch zahlreicheabzulösende (etwa 120) Eigenentwicklungen gekennzeichnet, da diese für eineReorganisation nicht mehr geeignet erschienen. Die meisten der vorgesehenenReengineering-Maßnahmen waren nur durch den massiven Einsatz von Standard-software realisierbar. Eine Übersicht über die im Projekt definierten Reengineering-Maßnahmen und die damit verfolgten Zielsetzungen zeigt die Tab. 1.2. Wie dieEinträge der letzten Spalte zeigen, sind die meisten Maßnahmen nur durch denEinsatz der Informationstechnik, in diesem Fall die Einführung des SAP-Systems,machbar.

Typische Indikatoren für notwendige Reengineering-Maßnahmen sind sinkende Rein-gewinne und zurückgehende Umsätze, steigende Lagerbestände von Fertigerzeugnissenu. a. (vgl. Maurer und Versteegen 2001, S. 27). Ein Beispiel für die typische Organisationeines Business Reengineering-Projektes in der Praxis wird in Schmelzer und Sesselmann(2010) beschrieben und ist in Abb. 1.9 dargestellt.

Die Mitglieder im Reengineering-Ausschuss sind Geschäftsführer, Vorstände, Prozess-verantwortliche, Projektleiter oder externe Business Reengineering-Experten (Berater). Ih-re Aufgaben sind vergleichbar einem klassischen Projektlenkungsausschuss die Bereitstel-lung der notwendigen Ressourcen, Überprüfung und Freigabe der Projektplanung, Besei-tigung projektübergreifender Probleme und das Treffen notwendiger Entscheidungen.

Page 16: Grundkurs Geschäftsprozess-Management || Grundlegende Begriffe

16 1 Grundlegende Begriffe

Tab. 1.2 Business Reengineering Unterstützung durch IT (vgl. Frank et al. 1997, S. 46)

Reengineering-Maßnahme Zielsetzung Unterstützungdurch SSW

Produktinnovation (u. a. durch Vari-antenreduzierung)

Niedrigere HerstellkostenGeringe Komplexitätskosten

Nein

Fertigungsrestrukturierung nach demFlussprinzip

Kürzere DurchlaufzeitNiedrigere BeständeHöhere MaterialverfügbarkeitHohe Qualität

Ja

Vertikalisierung der Organisation Durchgängige und kostengünstigeProzesse

Ja

Aufbau eines Logistikzentrums fürweltweites Geschäft der im Geschäfts-gebiet selbst hergestellten Produkte

Höhere LiefertreueHöhere LieferfähigkeitHöhere Lieferqualität

Ja

Reengineering-Ausschuss

ProjektleiterReen-

gineering-Team

Implemen-tierungs-

team

Implemen-tierungs-

team

Implemen-tierungs-

team

Implemen-tierungs-

team

Abb. 1.9 Business Reengineering-Projekt-Organisation

Die Position des Projektleiters ist im günstigsten Fall mit dem Prozessverantwort-lichen besetzt. Seine Aufgaben bestehen in der Planung, Steuerung und Kontrolle desProjektes, dem Management des Ressourceneinsatzes und der Berichterstattung an denReengineering-Ausschuss. Hinzu kommen die Kommunikation und Interessenvertretungdes Projektes nach außen sowie die Motivation der Implementierungsteams.

Das Reengineering-Team ist der Full-Time-Kern des Projektes. Es rekrutiert sich ausden Teilprozessverantwortlichen, den Leitern der Implementierungsteams und ggf. exter-nen Business Reengineering-Experten (Berater). Die Aufgaben des Teams sind vor allemdie Istprozess-Analyse und das Sollprozess-Design.

Üblich ist eine Aufspaltung des Gesamtprojektes in Teilprojekte zur arbeitsteiligen Um-setzung des Gesamtkonzeptes. Die Mitglieder der hierzu notwendigen Implementierungs-

Page 17: Grundkurs Geschäftsprozess-Management || Grundlegende Begriffe

1.2 Optimierungskonzepte 17

Vorunter-suchung

Vorunter-suchung

Situations-analyseSituations-analyse

Optimierungs-konzept

Optimierungs-konzept

-plan

Realisierungs-plan RealisierungRealisierung

Leistungsanalyse(qualitativ)-Aufwandsverteilung (Zeiten, Kosten)-Aufgabenvertei-lung (Schnittstellen)

Leistungsanalyse(quantitativ)-Ablaufanalyse-Steuerungs- und

Informations-systeme

Geschäftsfeld-analyse-Geschäftsfeld

Struktur-Erfolgsfaktoren

Strukturierung der Geschäfts-prozesse-Prozessmerkmale-Prozesstypen

Geschäftsfeld-analyse-Geschäftsfeld

Struktur-Erfolgsfaktoren

Strukturierung der Geschäfts-prozesse-Prozessmerkmale-Prozesstypen

EntwicklungZukunftsvisionOptimierung der Organisation-Strukturorgani-sation

-Mitarbeiter (Kapa-zität, Qualität)

-Instrumente (Sys-teme, Verfahren)

-Führungs- undSteuerungssysteme

-Arbeitsteilung-Informations-systeme

Festlegung von Maßnahmen-paketen-kurzfristig-mittelfristig-langfristig

Maßnahmen-planung-Einzelmaß-nahmen-

-Verantwortung-Termine

Entscheidung über Realisierung

Bildung von Realisierungs-teams-Identifikation von Motivatoren und Leistungsträgern

- Information /Schulung

Stufenweise Umsetzung der Konzeption

Bildung von Realisierungs-teams-Identifikation von Motivatoren und Leistungsträgern

- Information /Schulung

Stufenweise Umsetzung der Konzeption

Abb. 1.10 Reengineering-Phasenmodell (Diebold)

teams sindMitarbeiter aus den Teilprozessen als Vertreter der Teilprozessverantwortlichen,externe Business Reengineering-Experten (Berater) und ggf. fallweise auch IT-Experten.Ihre Aufgaben bestehen in der Feinkonzeption des Sollprozess-Designs, der Realisierungder Teilprojekte, d. h. der Einführung der Sollprozesse (Echteinsatz) und der Berichterstat-tung an das Reengineering-Team.

Der Ablauf von Business Reengineering-Projekten vollzieht sich in mehreren Phasen(vgl. den Vorschlag des Beratungshauses Diebold (o. J.), S. 19 in Abb. 1.10).

In der ersten Phase wird eine „Voruntersuchung“ durchgeführt, die zunächst die Zieleerarbeitet und gemeinsam mit den Entscheidungsträgern fixiert.

In der zweiten Phase „Situationsanalyse“ erfolgt eine Leistungsanalyse des Unterneh-mens unter Ermittlung von Zeiten und Kosten. In dieser Phasewerden auch die beteiligtenInformationssysteme und Informationsströme analysiert.

Die nächste Phase „Optimierungskonzept“ dient der Entwicklung einer Zukunftsvisionund der Optimierung der Organisation. Insbesonderewird eine neue Strukturorganisationeinschließlich der erforderlichen Kapazitätsbedarfe an Mitarbeitern sowie der notwendi-gen Informations-, Führungs- und Steuerungssysteme konzipiert.

In der vierten Phase „Realisierungsplan“ wird die konkrete Planung von kurz-, mittel-und langfristig terminierten Einzelmaßnahmen zu einem Maßnahmenbündel durchge-führt und den Entscheidungsträgern zur Verabschiedung vorgelegt.

Den Abschluss des Projektes bildet die fünfte Phase „Realisierung“, welche die Aufgabehat, den Maßnahmenplan konkret umzusetzen. Diese Phase führt die kritischen Verände-rungen imUnternehmen herbei und erfordert die vollständigeKonzentration desManage-ments. Entscheidend für den Erfolg der Umsetzung ist es, die betroffenen Leistungsträger

Page 18: Grundkurs Geschäftsprozess-Management || Grundlegende Begriffe

18 1 Grundlegende Begriffe

Schritt 5Implementierung - Pilotprojekte

- Realisierungsprojekte

Phase 1: Zielfindung Phase 2: Veränderungsprozess

Schritt 1Voruntersuchung

Schritt 2Potentialanalyseund -bewertung

Schritt 4Realisierungsplan

Schritt 3Redesign derOrganisation

• Geschäftsfelder• Prozesse• Ziele

• Schwächen• Ansätze• Potentiale

• Lösungen• Pilotierungen

• Maßnahmen• Verantwortliche

• Umsetzung

1-2 Monate 2-4 Monate 12-16 Monate

Wo wollen wir hin? Wie sieht das neue„Unternehmen“ aus?

Schrittweisezum Ziel

Vision/Konzeption Neue Struktur

Abb. 1.11 Beispiel DaimlerChrysler (Dräger 2003, modifiziert)

im Unternehmen zu identifizieren, zur Unterstützung zu motivieren und alle betroffenenMitarbeiter ausreichend auf die Veränderungen vorzubereiten.

Häufig werden in der Praxis Pilotprojekte gestartet, um möglichst früh sichtbare Er-folge von Veränderungsprojekten darzustellen. Ein Beispiel hierzu ist das Phasenmodellfür BPM-Projekte (BPM = Business Process Management) der DaimlerChrysler AG (vgl.Abb. 1.11). Es gliedert sich in die Hauptphasen Zielfindung und den eigentlichen Verän-derungsprozess (vgl. Dräger 2003). Die Zielfindung legt in einer Vision bzw. Konzepti-on fest, wohin das Unternehmen gehen möchte. Der nachgelagerte Veränderungsprozesssetzt dies in mehreren Schritten um. Einzelne Elemente des Sollkonzeptes können früh-zeitig in Pilotprojekten umgesetzt werden, um frühzeitig die gewünschte neue Struktur zuerreichen.

Über erfolgreiche Reengineering-Projekte wurde häufig berichtet. Eine Übersicht überausgewählte Projekte findet sich in Steinbuch (1998, S. 183) (vgl. Tab. 1.3).

Reengineering-Projekte werden häufig mit Industrie- oder Dienstleistungsbranchenin Zusammenhang mit der Einführung oder Verbesserung von Informationssystemen inVerbindung gebracht. Der verstärkte Handlungsdruck führt auch im öffentlichen Sektor zuverstärkten Reengineering-Anstrengungen. Ein erfolgreich verlaufenes Projekt im öffent-lichen Umfeld betrifft beispielsweise die Reorganisation der öffentlichen Verwaltung inLuxemburg (vgl. Feltz und Hitzelberger 2004, S. 246 f.). Ausgehend von traditionellenStrukturen wurde in diesem Projekt eine moderne webbasierte Lösung erzielt, die z. B.den Unternehmensgründungsprozess unterstützt. Auch hier war ein wesentlicher Erfolgs-faktor für das Gelingen des Projektes die politische Unterstützung der verantwortlichenFührungskräfte.

Page 19: Grundkurs Geschäftsprozess-Management || Grundlegende Begriffe

1.2 Optimierungskonzepte 19

Tab. 1.3 Erfolgreiches Reengineering (Steinbuch 1998)

Unternehmen Situation vor dem BusinessReengineering

Situation nach dem Business Reengi-neering

Bell Atlantik Corp.,Philadelphia, USA,8000 Mitarbeiter

Telefonanschluss in 15 TagenKeine High-Speed-Verbindungen

Telefonanschluss in 1 TagHigh-Speed-Verbindung in 3 Tagen

Ford Motor Comp.,Detroit, USA,180.000 MA

Kreditorenbuchhaltung mit500 MA, Rechnungszahlungnach Rechnungseingang

Beschaffungsintegrierte Kreditoren-buchhaltung mit 125 MA, Zahlungnach Materialverwendung

IBM Credit Corp.Connecticut, USA

Kreditbearbeitung durch 5 MAinnerhalb von 6 Arbeitstagung

Kreditbearbeitung durch 1 MA in-nerhalb von 4 Arbeitsstunden

Kodak AG, Stutt-gart, 8500 MA

Rollierende Sales- and Operati-onsplanung für die nächsten 18Monate

MRP II – Planung mit 50%Reduzierung des Anlage- und-Umlaufvermögens. Bestandsmin-derung um 25%, Durchlaufzeitver-minderung um 30–50%

1.2.2 Geschäftsprozessoptimierung (GPO)

Business Reengineering undGeschäftsprozessoptimierung sind, obgleich die Begriffe nichtselten synonymverwendet werden, unterschiedlicheAnsätze zur Restrukturierung derGe-schäftsprozesse eines Unternehmens.

Die Zielsetzung der Geschäftsprozessoptimierung ist die nachhaltige Verbesserung derWettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens durch Ausrichtung aller wesentlichen Arbeits-abläufe an den Kundenanforderungen. Dies bedeutet vor allem eine Fokussierung der Be-mühungen auf diejenigen Geschäftsprozesse, die direkt durch Kundenaktionen (z. B.: Be-stellung, Zahlung einer Rechnung, Reklamation) ausgelöst werden.

Praxisbeispiele für UrsachenMedienbrüche imArbeitsablauf: Eingabe vonDaten in eine PC-Datenbank, die einerEDV-Liste entnommen werden.

Bearbeiterwechsel während des Arbeitsablaufes: Der Rechnungseingang erfolgtin der Poststelle, anschließend wird die Rechnung per Hauspost zur Buchhaltungweitergeleitet, nach Bearbeitung wird eine Kopie zwecks Prüfung zum Einkauf wei-tergegeben.

Doppelarbeiten: Daten werden doppelt erfasst, da Zuständigkeiten nicht abge-grenzt sind.

Warte- oder Liegezeiten: Für die Buchung eines Zahlungsbeleges werden Datenaus der Finanzabteilung benötigt, die Rückfrage bleibt wegen Abwesenheit des Mit-arbeiters erfolglos.

Page 20: Grundkurs Geschäftsprozess-Management || Grundlegende Begriffe

20 1 Grundlegende Begriffe

Wesentliche Ziele der Geschäftsprozessoptimierung sind die Verkürzung der Durch-laufzeit und die Verbesserung der Prozessqualität. Die Abb. 1.12 zeigt in Anlehnung anBleicher (1991, S. 196) grundsätzliche Gestaltungsmöglichkeiten.

GPO-Projekte durchlaufen die typischen Phasen eines Organisationsprojektes: Vor-bereitung, Ist-Analyse, Sollkonzeption, Entscheidung und die anschließende Umsetzung.Abb. 1.13 zeigt ein typisches Vorgehensmodell für GPO-Projekte, das allerdings die Um-setzung ausklammert (vgl. Seidlmeier 2002, S. 155).

Die Vorgehensweise der Geschäftsprozessoptimierung soll anhand eines bewusstüberzogen formulierten Beispiels gezeigt werden. Die Aufbauorganisation und der Ge-schäftsprozess vor der Optimierung sind in Abb. 1.14 dargestellt.

Der Gegenstand des betrachteten Geschäftsprozesses ist die Ersatzteilbeschaffung einesfiktiven Maschinenbauherstellers.

(1) Der Prozess beginnt beim Vertriebsleiter, der sich persönlich um eingehende Anfra-gen der Kunden kümmert.

(2) Danach wird das Angebot vom Sachbearbeiter A an den Kunden versandt. Bevor dasAngebot verschickt wird, wird es vom Vertriebsleiter kontrolliert. Da der Vertriebs-leiter nicht immer anwesend ist, kann es vorkommen, dass ein vom Sachbearbeiter Afertig erstelltes Angebot einige Tage liegen bleibt.

(3) Wenn der Kunde eine Bestellung vornimmt, wird diese vomSachbearbeiter Cmanuellgeprüft und danach vom Sachbearbeiter D im Auftragsbearbeitungssystem erfasst.

(4) Der Kunde erhält eine Auftragsbestätigung, nachdem der Vertriebsleiter den Auftraggesehen und freigegeben hat.

(5) Nach der Erfassung des Auftrages geht der Auftrag an den Leiter der Logistikabtei-lung. Dieser entscheidet persönlich, ob ein Teil vom Lager entnommen werden kann,beschafft werden muss oder gar noch zu produzieren ist.

(6) Falls er sich unsicher ist, fragt er beim Vorstand nach.(7) Der Lagerleiter erhält daraufhin den Auftrag, das Material auszuliefern. Da er an die-

sem Tag nicht im Betrieb anwesend ist, übergibt er den Auftrag erst am folgendenWerktag an einen seiner Sachbearbeiter, z. B. H.

(8) Dieser entnimmt das Teil und versendet es an den Kunden und löst eine Nachbestel-lung des Ersatzteiles beim zuständigen Lieferanten aus.

(9) Nach dem Versand übermittelt Sachbearbeiter H im Lager seinem Vorgesetzten dieAbgangsbuchung. Dieser prüft den Beleg und verschickt ihn an den Leiter des Rech-nungswesens.

(10) Der Leiter Rechnungswesen gibt den Beleg an den Leiter der Abteilung Buchhaltungund dieser wiederum an einen seiner Sachbearbeiter. Da der Leiter Rechnungswesenhäufig vomVorstand für Planungsaufgaben eingesetzt wird, bleiben die Belege häufigeinige Tage liegen.

(11) Der Sachbearbeiter M erstellt in diesem Fall die Rechnung und verschickt sie an denKunden.

Page 21: Grundkurs Geschäftsprozess-Management || Grundlegende Begriffe

1.2 Optimierungskonzepte 21

Abb. 1.12 Möglichkeiten der Prozessoptimierung (in Anlehnung an Bleicher 1991)

Page 22: Grundkurs Geschäftsprozess-Management || Grundlegende Begriffe

22 1 Grundlegende Begriffe

Projekt-vorbereitung

Ist-Aufnahme

Prozess-analyse

Soll-konzeption

Ergebnis-präsentation

• Teaming• Konzeptionelle

Projekteinweisung,Projektauftakt,Prozessauswahl/-definition

• Spez. Projektzieleund –organisation

• Aufgaben-/Zeitplan• ...

• Mündl./schriftl.Erhebungen(Organisation,Funktionen, Daten, Prozesse)

• Prozess-Modellie-rung

• Verifikation• Kennzahlen (Ko-

sten, Zeiten u.ä.)• ...

• Erkennen von SchwachstellenKennzahlen-analyse mit Aus-wertungen

• Diskussion/Veri-fikation

• Verbesserungs-ansätze

• ...

• Modellierung eines/mehrererSollprozesse,Prozessbewertun-gen (Soll/Ist; not-wendige Maßnah-men, Investitionen,Realisierungs-dauer)

• Aufbauorgan. Kon-sequenzen

• ...

Abb. 1.13 GPO-Vorgehensmodell nach Seidlmeier (2000)

Vorstand

Vertrieb Logistik

Controlling BuchhaltungAngebote Aufträge Lager Produktion

Sb. A Sb. B Sb. C Sb. D Sb. G Sb. H Sb. I Sb. J Sb. K Sb. L Sb M Sb. N

Einkauf

Sb. E Sb. F

KundeKunde LieferantLieferant

1

2

3

4

5

6

7

8 9

10

11

Vorstand

Vertrieb Logistik

Controlling BuchhaltungAngebote Aufträge Lager Produktion

Sb. A Sb. B Sb. C Sb. D Sb. G Sb. H Sb. I Sb. J Sb. K Sb. L Sb M Sb. N

Einkauf

Sb. E Sb. F

KundeKunde LieferantLieferant

1

2

3

4

5

6

7

8 9

10

11

RechnungswesenRechnungswesen

Abb. 1.14 Ersatzteilbeschaffung vor Prozessoptimierung

Die wesentlichen Schwachstellen des Prozesses sind relativ einfach zu identifizieren:

• Führungskräfte entscheiden in operativen Fragen bis hinauf zur Geschäftsführung,• Einbindung vieler Personen mit häufigen Bearbeiterwechseln,• wenig Kontakt auf der Sachbearbeiterebene, da die Weitergabe von Vorgängen häufig

durch Führungskräfte erfolgt,• bei Abwesenheit greift offensichtlich keine Vertretungsregelung.• Hieraus ergeben sich mehrere Verbesserungsmöglichkeiten im Sinne einer Prozessop-

timierung, d. h. einer Veränderung in kleinen Schritten:• der Vorstand entscheidet in der Regel nicht in operativen Fragen der Geschäftsprozesse

mit,• Führungskräfte greifen nur in Ausnahmefällen in den Prozess ein, der Prozess wird

durchgängig von der Sachbearbeiterebene gesteuert,• der Kunde kommuniziert direkt mit den (zuständigen) Sachbearbeitern,• Sachbearbeiter geben untereinander die Informationen direkt weiter,• Mitarbeiter führen einen Bearbeitungsschritt komplett durch.

Page 23: Grundkurs Geschäftsprozess-Management || Grundlegende Begriffe

1.2 Optimierungskonzepte 23

Vorstand

Vertrieb Logistik Rechnungswesen

Controlling BuchhaltungAngebote Aufträge Lager Produktion

Sb. A Sb. B Sb. C Sb. D Sb. G Sb. H Sb. I Sb. J Sb. K Sb. L Sb M Sb. N

Einkauf

Sb. E Sb. F

KundeKunde LieferantLieferant31

24 5

7

6

Legende: Sb. = Sachbearbeiter

Vorstand

Vertrieb Logistik Rechnungswesen

Controlling BuchhaltungAngebote Aufträge Lager Produktion

Sb. A Sb. B Sb. C Sb. D Sb. G Sb. H Sb. I Sb. J Sb. K Sb. L Sb M Sb. N

Einkauf

Sb. E Sb. F

KundeKunde LieferantLieferant31

24 5

7

6

Legende: Sb. = Sachbearbeiter

Abb. 1.15 Ersatzteilbeschaffung nach Optimierung

Wendet man diese Grundsätze auf den Geschäftsprozess an, so könnte eine optimierteVersion des Prozesses den in Abb. 1.15 dargestellten Verlauf annehmen.

Der Ablauf des überarbeiteten Geschäftsprozesses stellt sich nun wie folgt dar:

(1) Der Prozess beginnt beim Sachbearbeiter im Vertrieb, der auf der Grundlage der Kun-denanfragen die Angebote selbständig erstellt.

(2) Danach wird das Angebot vom Sachbearbeiter A erstellt und an den Kunden versandt.(3) Wenn der Kunde eine Bestellung vornimmt, wird diese vom Sachbearbeiter C geprüft

und anschließend direkt im Auftragsbearbeitungssystem erfasst.(4) Anschließend wird vom Sachbearbeiter C der zuständige Einkäufer, Lagerist oder Pro-

duktionssachbearbeiter informiert, je nachdem, wie der Geschäftsvorfall zu beurteilenist (Alternativen sind Lagerverkauf, Eigenfertigung oder Fremdbezug). Der Kunde er-hält zugleich eine Auftragsbestätigung mit Angabe des Liefertermins zugesandt.

(5) In dem hier betrachteten Fall erhält der Mitarbeiter G im Lager den Auftrag, das Mate-rial an den Kunden auszuliefern. Da er an diesem Tag nicht anwesend ist, übernimmtsein Stellvertreter H seine Aufgabe. Er entnimmt das Teil vom Lager, versendet es anden Kunden und löst eine Nachbestellung des Ersatzteiles beim zuständigen Lieferan-ten aus.

(6) Der Mitarbeiter H informiert nun Sachbearbeiter M in der Buchhaltung.(7) Der Sachbearbeiter M erstellt nun auf der Grundlage der erhaltenen Informationen die

Rechnung und verschickt sie an den Kunden.

Für die operativeDurchführung vonReengineering- bzw.Optimierungsprojekten emp-fiehlt sich die individuelle Erarbeitung einer Analyse-Checkliste mit Ansätzen für die Pro-zessoptimierung, wie sie z. B. in Riekhof (1997, S. 15) ansatzweise dargestellt ist:

• Kann auf Doppelarbeit oder unnötige Administration verzichtet werden?• Können Prozesselemente vereinfacht und standardisiert werden?

Page 24: Grundkurs Geschäftsprozess-Management || Grundlegende Begriffe

24 1 Grundlegende Begriffe

• Können Prozesselemente automatisiert werden?• Kann die Reihenfolge der Aktivitäten optimiert werden?• Können Prozesselemente fehlbehandlungssicher gestaltet werden?• Können nicht wertschöpfende Elemente eliminiert werden?• Kann die Arbeitsteilung zwischen Prozesskunden und -lieferanten optimiert werden?

Zur Ermittlung des Handlungsbedarfs im Rahmen der Reengineering- bzw. Optimie-rungsprojekte sind ebenfalls Fragenkataloge zu formulieren (vgl. Riekhof 1997, S. 15):

• Wie stark ist der Kunde von dem Geschäftsprozess betroffen? Gibt es z. B. viele Kun-denbeschwerden oder Reklamationen?

• Wie groß ist der Handlungsbedarf? Gibt es z. B. permanente interne Unzufriedenheitmit den Abläufen oder eine besonders hohe Fehlerquote?

• Wie wichtig ist der Prozess für das Gesamtunternehmen?• Welche Chancen bestehen, den Prozess zu verändern? Gibt es z. B. neue Technologien,

die man einsetzen könnte?• Sind ausreichende Ressourcen zur Prozessveränderung vorhanden?

1.2.3 Fallbeispiel Personalbeschaffung

AusgangssituationGegenstand des Fallbeispiels ist ein weltweit agierendes Großunternehmen aus dem Fi-nanzsektor. Das Unternehmen beschäftigt in über 35 Ländern etwa 140.000 Mitarbeiter.

Das Unternehmen ist darauf angewiesen, möglichst schnell frei werdende Stellen mitgeeigneten Bewerbern zu besetzen. In der Vergangenheit wurden immer wieder Fälle be-kannt, bei denen sich die Besetzung vakanter Stellen über mehrere Monate hinzog. Diesführt im Einzelfall zu Produktionsengpässen und weiteren Problemen. Der Personalvor-stand beauftragt deshalb ein Prozessverbesserungsteam damit, den Prozess zur Beschaf-fung von Personal zu untersuchen und den Prozess zu beschleunigen.

ProblemlösungDas Prozessverbesserungsteam untersucht zunächst die Dauer der Stellenbesetzung, ge-messen vomEreignis der Entscheidung der Personalabteilung „Stelle kann besetzt werden“bis zum Ereignis „Arbeitsvertrag unterschrieben“ (vgl. Abb. 1.16).

Die Stellenbesetzungsdauer variiert stark nach den einstellenden Fachbereichen. DieGründe hierfür sind unterschiedlich. Der Bereich Organisation/Informationstechnik(Org./IT) hat stets einen hohen Bedarf an Fachkräften, was offensichtlich zu beschleu-nigtem Einstellverhalten führt. Andere Bereiche (z. B. Einkauf, Fertigung oder Vertrieb)lassen sich dagegen mehr Zeit. Der Hierarchielevel hat offensichtlich wenig Einfluss aufdie Einstellungsdauer.

Page 25: Grundkurs Geschäftsprozess-Management || Grundlegende Begriffe

1.2 Optimierungskonzepte 25

Tage bis zur Stellenbesetzung

Abteilungen Hierarchielevel Medium

Org

./IT

Mar

ketin

g

Ferti

gung

Ver

trieb

Per

sona

l

Ein

kauf

80 Tage

60 Tage

40 Tage

<20 Tage

Abs

olve

nt

Man

ager

Mita

rbei

ter

Spe

zial

ist

Pra

ktik

ant

Inte

rnet

börs

e

Zeitu

ng

Mes

se

Hom

epag

e

Initi

ativ

Trai

nee

Abb. 1.16 Analyse der Stellenbesetzungsdauer

Anders dagegen sieht die Situation in Abhängigkeit vom Kontaktmedium zum Bewer-ber aus. KlassischeMedien wie Zeitungen oder Hochschulmessen führen zumittleren bzw.guten Werten. Allerdings sind diese Lösungen vergleichsweise teuer (insbesondere Anzei-gen in Zeitungen) bzw. personalintensiv (Hochschulmessen erfordern Standpersonal undlohnen nur bei hinreichend großer Anzahl zu besetzender Stellen).

Moderne und vermeintlich „schnelle“ Medien wie Internetbörsen oder die eigene Ho-mepage des Unternehmens führen zu einer hohen Anzahl von Bewerbungen, die leider oftvon sehr schlechter Qualität sind (fehlende/widersprüchliche Angaben, vielfach ungeeig-nete Kandidaten u. a.m.). Dies bindet zahlreiche Kapazitäten in der Personalabteilung undin den suchenden Fachbereichen. Besetzungen auf Grund von Initiativbewerbungen sindebenfalls sehr langwierig, weil häufig bei guten Bewerbern geeignete Stellen fehlen und die-se ggf. noch geschaffen werden müssen. Vergleichsweise kurze Besetzungsdauern sind beiHochschulpraktikanten und Teilnehmern von Trainee-Programmen zu verzeichnen. Dadie Personen im Unternehmen bereits bekannt sind, können die Fachbereiche deren Qua-lität und Einsetzbarkeit sehr gut einschätzen und sind an einer beschleunigten Einstellungsehr interessiert.

Eine Untersuchung des Zusammenhangs zwischen der Dauer der Stellenbesetzung undder Qualität der ersten Personalbeurteilung durch den direkten Vorgesetzten ergibt ein in-teressantes Bild (vgl. Abb. 1.17). Je kürzer die Zeitspanne der Stellenbesetzung, desto höherist die Wahrscheinlichkeit für eine gute Bewertung. Offensichtlich besteht die Gefahr, dassnach längerer Bewerbersuche Abstriche bei der Bewerberqualität gemacht werden, um dieStelle überhaupt besetzen zu können.

Page 26: Grundkurs Geschäftsprozess-Management || Grundlegende Begriffe

26 1 Grundlegende Begriffe

Wahrscheinlichkeit für eine positive Personalbeurteilung

1,0

0,5

0,0 Tage bis zur Stellenbesetzung<20 60 8040

Analyse des Zusammenhangs zwischen Dauer der Besetzung und Qualität des Mitarbeiters

(gemessen an der Wahrscheinlich-keit für eine positive Beurteilungdurch den Vorgesetzten)

Fazit: Je schneller eine Stelle besetztwerden kann, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit einen gutenMitarbeiter einzustellen!

Abb. 1.17 Zusammenhang zwischen Einstellungsdauer und Bewerberqualität

ProzessverbesserungDie geschilderten Analysen führen zur Entscheidung des Unternehmens, den Prakti-kantenpool deutlich auszuweiten und das Trainee-Programm für Hochschulabsolventenzu intensivieren. Auf Internetanzeigen in Jobbörsen wird verzichtet. Stellenanzeigen inklassischen Printmedien werden auf Führungskräfte und Spezialisten begrenzt, da diesenicht aus dem Kreis der Praktikanten/Trainees zu gewinnen sind. Auf der Unternehmens-Webseite erscheinen nur noch Stellen, die zeitgleich in Printmedien veröffentlicht werden.

1.2.4 Business Reengineering vs. Geschäftsprozessoptimierung

Business Reengineering ist ein radikales Konzept, das auf grundlegende Veränderungenabzielt. Nicht die Optimierung bestehender Prozesse, sondern deren grundlegende Neu-formulierung ist das Ziel (vgl. hierzu auch Osterloh und Frost 2003, S. 255 f.). BusinessReengineering bietet mehr Chancen als die Geschäftsprozessoptimierung, birgt aber auchhöhere Risiken. Die Geschäftsprozessoptimierung (GPO) zielt dagegen eher auf moderateVeränderungen ab, die in kleinen, aber überschaubaren und weniger riskanten Schrittenrealisiert werden (vgl. Abb. 1.18).

Beiden Konzepten gemeinsam ist die Tatsache, dass eine Restrukturierung von Ge-schäftsprozessen eine Daueraufgabe bleibt, da im Zeitablauf weitere Verbesserungspoten-tiale auftreten. In diesem Fall spricht man auch von Continuous Process Improvement(CPI), d. h. der permanenten Optimierung der Geschäftsprozesse (vgl. z. B. Berkau 1998,S. 28).

Page 27: Grundkurs Geschäftsprozess-Management || Grundlegende Begriffe

1.2 Optimierungskonzepte 27

Business Reengineering

Wirkung auf die existierendeOrganisation

Verände-rung derOrganisation

Methodeder Prozess-beschreibung

Geschäftsprozessoptimierung

tiefgreifende VeränderungErsatz der alten OrganisationVöllige Neukonzeption

Quantensprünge des Wandels, d. h. radikaleVeränderung

Prozessverstehen, d. h. Verzicht auf Details

Verbesserung der bestehenden Organisation

Organisationsentwicklung auch in kleinen Schrittenmoderate Veränderung

Prozessanalyse durch formale,detaillierte Beschreibung

Abb. 1.18 Business Reengineering versus GPO

1.2.5 Praxisbeispiel Rechnungswesen

Die Optimierung von Geschäftsprozessen im Rechnungswesen ist eine klassische Aufga-be, die sich seit vielen Jahren regelmäßig stellt und immer wieder in Veröffentlichungenauftaucht (vgl. z. B. das Fallbeispiel zur Rechnungseingangsbearbeitung bei der Kölner Fir-ma Buchen Umweltservice in Diermann 2006). Das Unternehmen hat seine papiergestützteBearbeitung der eingehenden Rechnungen auf eine elektronische Verarbeitung umgestelltund kann seine Prozesse auf diese Weise erheblich beschleunigen. Die durchschnittlicheBearbeitungszeit vonRechnungen verkürzt sich bei deutlich reduzierten Prozesskosten von2 Wochen auf nunmehr 2 Tage.

In jüngster Zeit ist die Prozessoptimierung im Rechnungswesen unter dem Gesichts-punkt der Beschleunigung vonMonats- und Jahresabschlüssen unter dem Stichwort „FastClose“ erneut in den Vordergrund der Diskussion gerückt (vgl. z. B. Oehler 2004a). Hin-tergrund von Fast Close sind Forderungen vieler Vorstände nach einer schnelleren Be-reitstellung von internen Steuerungsinformationen aus dem Rechnungswesen und sehrstarke äußere Zwänge, wie die Verkürzung von Abschlusszeiten für an US-Börsen notierteUnternehmen (vgl. Oehler 2004b, S. 829). Unter Shareholder-Value-Gesichtspunkten, al-so der Bedienung von Kapitalgeberanforderungen, ist eine beschleunigte Veröffentlichungder Monats-, Quartals- und Jahresergebnisse von besonderer Bedeutung für börsennotier-te Unternehmen (vgl. KPMG 2000).

Fast Close in der PraxisDas Beispiel eines großen deutschen Konzerns zeigt, dass auch in sehr großen Unterneh-men mit komplexen Berichtsstrukturen erhebliche Einsparungen möglich sind, obwohldie Ist-Prozesse bereits erheblich durch IT-Systeme automatisiert sind. So wurde durchProzessbeschleunigungen, organisatorische Anpassungen und die Implementierung eines

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28 1 Grundlegende Begriffe

Steuerungs- und Monitoringsystems für den Abschlussprozess eine zeitliche Einsparungvon 29 Arbeitstagen (= 37%) erzielt (vgl. Danne und Gotscharek 2004).

VorgehensweiseGrundsätzlich ist die Geschäftsprozessoptimierung als Projekt durchzuführen. Zielsetzungund Projektumfang sind von der Unternehmensleitung vorzugeben. GPO-Projekte lassensich z. B. nach dem unten stehenden Ablaufschema durchführen.

Beispiele für GPO-Ziele im Rechnungswesen

Vorlage des Monatsabschlusses oder Jahresabschlusses fünf Tage früher als bisherBuchung der Eingangsrechnung noch am Arbeitstag des EingangsReduzierung des Klärungsaufwandes (z. B. auf Grund von Fehlkontierungen oder

fehlender Informationen während des Bearbeitungsprozesses)Vermeidung von Skontoverlusten durch zu späte ZahlungenVermeidung vonDoppelarbeiten undWarte-/Liegezeiten imBuchungsprozess (z. B.

durch Medienbrüche in der Bearbeitung)Schaffung ganzheitlicher Arbeitsplätze (z. B. Kontokorrentbuchhalter anstelle von

Kreditoren- und Debitorenbuchhaltern)Erfassung von Informationen am Entstehungsort (z. B. Kontierungselemente einer

Rechnung)

Neben den aufgeführten inhaltlichen Zielen können auch IT-orientierte Bereinigungenmit Auswirkungen auf die Prozesse im Rechnungswesen Ziele von GPO-Projekten sein.So wurden im Rahmen eines GPO-Projektes des Rechnungswesens der Firma HP FinanceOperations in den 1990er Jahren zunächst weltweit die lokalen Abläufe zusammengefasstundhierauf aufbauenddieVielzahl von IT-Systemen undProzessen konsolidiert, umWild-wuchs und Schnittstellenproblemen zu entgegnen (vgl. Jülg et al. 2002, S. 4). Erst danachwurden Automatisierungen der Prozesse eingeleitet, mit denen erhebliche Einsparungenerzielt werden konnten.

Mögliche Gründe für eine schnellere Berichterstattung und der damit verbundenenProzessoptimierung sind:

• Erfüllung der Forderungen der Eigentümer, der Fremdkapitalgeber sowie des Vorstan-des bzw. der Geschäftsführung an eine möglichst rasche Verfügbarkeit der Berichter-stattung,

• Demonstration der Professionalität des Berichtswesens nach außen (z. B. Analysten,Wirtschaftspresse),

• Erhöhung der nutzbaren Zeit für Analysen der Ergebnisse,

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1.2 Optimierungskonzepte 29

• Reduzierung des Wettbewerbsdrucks, wenn Konkurrenten ihre Abschlüsse früher ver-öffentlichen (vgl. z. B. Oehler 2004b).

Beim Projektstart ist eine Abgrenzung des Untersuchungsbereiches vorzunehmen. Dervom Projektsteuerungsgremium ausgewählte Projektleiter sollte eine Persönlichkeit mitdemWillen sein, die bestehende Organisation auch zu ändern.

Das GPO-Projektteam ist aus den Leitern der zu untersuchenden Fachabteilungen desRechnungswesens (z. B. Leiter Kreditorenbuchhaltung) zu besetzen. Zum anderen sindqualifizierte Mitarbeiter des Rechnungswesens mit fundiertemWissen über die Arbeitsab-läufe und die eingesetzten IT-Anwendungen einzubeziehen. Weiterhin sind noch Organi-sationsexperten mit Wissen über Funktionen und Abläufe im Rechnungswesen sowie denangrenzenden Bereichen einzubeziehen. Sofern kein methodisches Know-how vorhandenist, sollten zeitweise externe Berater mit relevanter Erfahrung eingesetzt werden. Spezialis-ten für besondere Fragestellungen (z. B. Workflow-Systeme, Electronic Banking) sind demProjektteam bei Bedarf hinzuzufügen.

Vor Beginn der Interviews zur Erfassung des Ist-Zustandes der Geschäftsprozesse istder Untersuchungsbereich abzugrenzen und zu strukturieren. Hierbei ist eine Mischungaus funktions- und prozessorientierter Betrachtung nicht zu vermeiden. Zum einen istdie heutige Situation in den Unternehmen vielfach durch funktional ausgerichtete Orga-nisationseinheiten und entsprechend geprägter Aufgabenstellung derMitarbeiter gegeben.Andererseits ist es schwerpunktmäßig notwendig, ganze Prozessketten zu analysieren. AlsBeispiel lässt sich die Erstellung einerAusgangsrechnung, deren Buchung, das anschließen-de Bearbeiten des Zahlungseingangs und der Ausgleich der offenen Posten anführen. ZurStrukturierung der Interviews undVorbereitung der Interviewpartner ist vomProjektteamein Katalog mit Geschäftsprozessen und Funktionen zu erstellen, der den Untersuchungs-bereich abdeckt. Bei der Durchführung der Interviews ist zu beachten, dass der Auswahlder Interviewpartner eine erhebliche Bedeutung zukommt.

Beispiele für Interview-TeilnehmerFachleute aus dem Rechnungswesen in Frage: Kreditoren-, Debitoren- und Sach-kontenbuchhalter, Spezialisten für Bilanzierung, Konsolidierung und Steuerfragen,IT-Koordinatoren.

Bei der Personenauswahl sindHierarchieaspekte unerheblich. Es kommtdarauf an, dassdie jeweiligen Prozessspezialisten befragt werden, wie die heutige Situation im Unterneh-men ist. Nicht der jeweilige Leiter einer Arbeitsgruppe, sondern der Know-how-Trägerist gefragt. Vor dem Start der Interviews sollten Sie mit allen Beteiligten Informations-veranstaltungen durchführen, um über Projektziele, Ablauf des Projektes und die Aus-wahl der Interviewpartner zu informieren. Weiterhin sollte der Projektleiter sein Teampräsentieren.

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30 1 Grundlegende Begriffe

Die vom GPO-Team erarbeitete Stoffsammlung wird zur Vorbereitung der Interview-partner zielgruppengerecht verteilt. D. h. der Kreditorenbuchhalter erhält eine auf seinenAufgabenbereich abgestimmte Arbeitsunterlage, anhand der er sich gezielt auf die Analy-seinterviews vorbereiten kann.

Die Interviews sollten nach folgenden Prinzipien durchgeführt werden, um ein vertrau-ensvolles und effizientes Arbeiten zu ermöglichen:

• Keine Wertung der Aussagen in Anwesenheit der Interviewpartner,• keine Diskussion über Sinn und Unsinn des Ist-Zustandes während der Interviews,• keine Überlegung hinsichtlich des Sollkonzeptes in Gegenwart der Interviewpartner.

Die Interviews des GPO-Teams sollten vom Groben zum Detail (Top-Down-Ansatz)geführt werden. Anhand eines Fragenkataloges können die Interviews zur Erfassung desIst-Zustandes erfolgen. Basis sind die Stoffsammlungen je Untersuchungsbereich.

• Müssen Sie Arbeitsvorgänge unterbrechen, um Informationen (z. B. Kontierungsdaten)von anderen Personen einzuholen?

• Greifen Sie bei der Vorgangsbearbeitung auf Unterlagen zu, die räumlich nicht an IhremArbeitsplatz vorhanden sind (z. B. Archiv) oder die nicht sofort verfügbar sind?

• Gibt es wiederkehrende Terminüberschreitungen von bestimmten Vorgängen?• Wie verteilen sich die Bearbeitungsmengen der von Ihnen zu bearbeitenden Vorgänge,

gibt es Spitzenzeiten?• Wie ist das Verhältnis von einfachen, mittleren und schwierigen Vorgängen?• Bearbeiten Sie Vorgänge, die von einem Vorgesetzten genehmigt werden müssen und

hierdurch verlangsamt werden?• Wie lauten Regelungen für Wertgrenzen (z. B. bei Beschaffungsaufträgen)?

Selbstverständlich ist darauf zu achten, dass die Termine für die Durchführung der In-terviews nicht in Zeiträumen mit Abschlussarbeiten liegen, da ansonsten mit Zeitdruck inden Arbeitssitzungen und Ausfällen an Teilnehmern zu rechnen ist.

1.2.6 Ansätze zur Prozessoptimierung

Für eine erfolgreiche Prozessoptimierung ist neben organisatorischen Maßnahmen derEinsatz von Informationstechnik notwendig. In diesem Zusammenhang ist eine Prüfungdes Einsatzes von Standardsoftware vorzunehmen. Dennoch sollte beachtet werden, dasses primär auf die Kreativität der Beteiligten bei der Ablösung ineffizienter Arbeitsabläufeankommt.

ProzessautomatisierungIm Finanz- und Rechnungswesen gibt es Geschäftsprozesse, die durch strukturierte undwiederkehrende Arbeitsvorgänge gekennzeichnet sind.

Page 31: Grundkurs Geschäftsprozess-Management || Grundlegende Begriffe

1.2 Optimierungskonzepte 31

BeispieleRechnungseingangsbearbeitung, Bonitätsprüfung, Zahlungseingangsbearbeitung,Kontenclearing, Rechnungsprüfung und -bearbeitung, Kreditorenzahlung undMo-natsabschlusserstellung.

Bei diesen Geschäftsprozessen wird oft auf bereits archivierte Arbeitsergebnisse vorhe-riger Arbeitsabläufe zurückgegriffen. Dies kann z. B. eine Rechnung als Mikrofiche oder inPapierform sein, die für Prüfungszwecke herangezogen wird. Informationen aus anderenBereichenwerden teilweise zur erfolgreichen Erledigung der anfallendenArbeiten benötigt(z. B. Einkaufspreise). Ein erfolgreiches Geschäftsprozess-Management ist beispielsweisebei der Rechnungsprüfung durch moderne technologische Unterstützung in Form vonWorkflow-Management-Systemenmit integrierter Online-Archivierung vonDokumentenauf Speichermedien wie CD-ROM möglich. So lassen sich Geschäftsvorfälle parallelisie-ren, unmittelbar nachdem die den Startprozess auslösende Information im Unternehmeneingeht. Beispielsweise kann eine Lieferantenrechnung nach dem Eingang im Unterneh-men zunächst gescannt, codiert und elektronisch an den zuständigen Bearbeiter weiterge-leitet werden. Das traditionelle Prinzip, Kopien anzufertigen, wird durch das Workflow-Management-System elektronisch nachgebildet. Die Rechnungsprüfung kann unmittelbarnach dem Eingang der Rechnung erfolgen. Der Kreditorenbuchhalter kann anschließenddie Rechnung buchen und bei Gefahr einer Skontofrist-Überschreitung sofort die Zahlungveranlassen. Eine maschinell unterstützte statistische Kontrolle der Lieferantendaten ver-hindert ggf. voreilige Zahlungen bei zu hohenReklamationsrisiken.DerartigeVeränderun-gen der Prozesse im Rechnungswesen können erhebliche Verkürzungen des Durchlaufesbei erhöhter Arbeitsqualität bewirken.

ZahlungsverkehrMit Geschäftsbanken lassen sich elektronische Formen des Datenträgeraustausches reali-sieren, d. h. es werdenwedermanuelleÜberweisungsträger, nochMagnetbänder, KassettenoderDisketten ausgetauscht. VielmehrwerdenDatenübertragungen überNetzwerkverbin-dungen realisiert, die verzögerungsfreie und wegen der Zeitersparnis zinsgünstige Zah-lungsströme ermöglichen. Interessante Anwendungsgebiete für den elektronischen Zah-lungsverkehr im Rechnungswesen sind kreditorische Zahlungen, Bankeinzug im Debito-renbereich, elektronische Zahlung bei Großkunden/-Lieferanten, Scheck- undWechselab-wicklung, Kontenclearing und die computerunterstützte Bearbeitung der Kontoauszüge.

DezentralisierungInsbesondere im Rechnungswesen größerer Unternehmen liegt eine starke Zentralisierungvor, die eine funktionale Gliederung und Spezialisierung der Mitarbeiter nach sich zieht.Mit Ausnahme des Finanzwesens, dessen Aufgabe der Liquiditätssicherung eine starkezentrale Ausrichtung erfordert, ist das Rechnungswesen dezentral zu organisieren, um die

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32 1 Grundlegende Begriffe

Aufgaben möglichst in die operativen Abläufe zu integrieren. Hierdurch werden Abtei-lungswechsel im Bearbeitungsprozess vermieden, die Bearbeitung des gesamten Vorgangsbleibt in einer Hand.

Multifunktionale ArbeitsplätzeDieser Ansatz geht von einem Mitarbeiter im Rechnungswesen (Buchhalter) mit globalenFunktionen aus. Man geht weg von der Spezialisierung des Rechnungswesens in Sachkon-ten, Kreditoren und Debitorenbuchhaltung. Es ist vielmehr die Funktion eines Kontokor-rentbuchhalters zu definieren, der für alle geschäftspartnerbezogenen Buchungsvorgängezuständig ist. Hierdurch lassen sich multifunktionale Arbeitsplätze schaffen, deren Stellen-inhaber wesentlich flexibler einsetzbar sind.

Trennung von Buchhaltung und DatenerfassungEin Teil der im Rechnungswesen anfallenden Aufgaben lässt sich zur Beschleunigung derArbeitsabläufe ohne Qualitätseinbußen in die Prozesse verlagern, in dem die Daten origi-när anfallen. So kann z. B. die Prüfung der Eingangsrechnung direkt im Beschaffungspro-zess (Einkauf) erfolgen. Diese Denkweise schließt auch den aus operativen Daten anfallen-den Buchungsvorgang mit ein. Die originären Buchhaltungsaufgaben wie Kontenpflege,Zahlungssteuerung, Mahnwesen u. a. verbleiben im Rechnungswesen, da für sie sehr spe-zielles Fachwissen erforderlich ist.

Reduktion des KontenplansEine Reduktion des Kontenplans auf handels- und steuerrechtliche Notwendigkeiten re-duziert den Kontierungsaufwand in der Buchhaltung. Fehlkontierungen werden hierdurchdeutlich geringer. Das verminderte Informationsvolumen kann bei Einsatzmoderner Con-trollingkonzepte aus den operativen Systemen abgeleitet werden. Bei der Umsetzung diesesAnsatzes ist zu bedenken, dass die Buchhaltung in erster Linie gesetzliche Aufgaben zu er-füllen hat. Als Datenlieferant für das Management ist sie nicht vorgesehen. Zur Erfüllungdieser Aufgaben gibt es wesentlich effizientereMöglichkeiten wie z. B. der Einsatz von Füh-rungsinformationssystemen.

Unternehmensübergreifendes BuchenDie Nutzung dieser Konzepte erlaubt es, Eingangsrechnungen, die für mehrere rechtlichgetrennte Unternehmen gelten, automatisch aufzuspalten und auf Basis einer einzelnenOriginalbuchung gleichzeitig in mehrere getrennte Unternehmen zu buchen (z. B. Ener-gierechnungen).

BelegvorerfassungÜblicherweise muss der computerunterstützte Buchungsvorgang vom Bearbeiter abgebro-chen werden, wenn während des Bildschirmdialoges festgestellt wird, dass die Buchungs-daten unvollständig sind.NachBeschaffung der Information ist der gesamteArbeitsprozesszu wiederholen. Die Softwarekomponente Belegvorerfassung erlaubt es, die unvollständig

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1.2 Optimierungskonzepte 33

erfassten Belege im System zu „parken“, bis die relevanten Informationen verfügbar sind.Zu einem beliebigen späteren Zeitpunkt kann der Arbeitsprozess wieder fortgesetzt wer-den.

LiteraturtippEine gute Sammlung von allgemeingültigen Ansätzen zur Verbesserung von Arbeitsabläu-fen ist in Spiller und Bock (2001) ab S. 78 f. aufgeführt.

Ein interessantes Beispiel für die Prozessoptimierung durch Ablösung von Papier-Schnittstellen wurde beim Reifenhersteller Dunlop praktiziert (vgl. Eriksdotter 2004).

Praxisbeispiel Dunlop: Faxintegration in der AuftragserfassungAlter Ablauf:Trotz verstärkter Nutzung elektronischer Medien hat das traditionelleBestellfax auch heute noch eine große Bedeutung in der Automobilzuliefererindus-trie. ImHause des ReifenherstellersDunlop bestellten überwiegendWerkstätten undkleinere Händler per Fax. Die Daten wurden aufwändig gelesen und manuell in dasAuftragsabwicklungssystem übertragen.

Neuer Ablauf: Nach einem Redesign des Prozesses wurde der Auftragsbearbei-tung ein spezielles Informationssystem vorgeschaltet, das eingehende Faxe scannt,wichtige Daten (Kundennummer, Bestellnummer, Artikelnummer, Bestellmenge,Liefertermin u. a.) automatisch erkennt und die entsprechende Bildschirmmaske fürden Sachbearbeiter in der Auftragsabwicklung bereits vorbelegt. Auf einem geteiltenBildschirm kann der Sachbearbeiter nun die automatisch erkannten Daten prüfen,ggf. korrigieren und ergänzen. Erst nach einer manuellen Bestätigung werden dieDaten in das Auftragsabwicklungssystem übernommen und weiterverarbeitet. DieZeitersparnis beträgt durchschnittlich 70%, obwohl wie bisher jeder Bestellvorgangvon einem Mitarbeiter gesichtet wird (vgl. Eriksdotter 2004, S. 14–15).

1.2.7 VerwandteManagement-Konzepte

Während der 1990er Jahre wurden weitere Management-Konzepte entwickelt und in diePraxis überführt, die zum Teil die Gedanken des Business Reengineering bzw. der Ge-schäftsprozessoptimierung beinhalten.

Process PerformanceManagement hat sich aus dem Prozessmanagement heraus entwi-ckelt (vgl. Oehler 2006, S. 50). Das Konzept umfasst das Prozessmanagement und betontinsbesondere die Ermittlung und Analyse von Kennzahlen, die aus dem laufenden Prozessheraus ermittelt werden. Zur Umsetzung sind leistungsstarke Process PerformanceMana-gement erforderlich, die für die Datensammlung und deren Analyse zum Einsatz kom-men. Als technische Grundlage für Process Performance Management-Systeme dienenData Warehouse Systeme. Sie übernehmen die formale Bereinigung, inhaltliche Prüfung

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34 1 Grundlegende Begriffe

und Verdichtung der Daten. Das Process Performance Management System greift hieraufzurück und erstellt Kennzahlen und Berichte (vgl. Schmelzer und Sesselmann 2010).

Eine Studie des Massachusetts Institute of Technologie (MIT) zu Beginn der 1990er-Jahre, in der japanische, US-amerikanische und europäische Kfz-Hersteller verglichenwurden, führte zur Entwicklung des Lean Management-Konzeptes. Ursprünglich lagder Focus auf der Produktion, was durch den Begriff „Lean Production“ verdeutlichtwurde. Später erfolgte eine Ausweitung auf das gesamte Unternehmen. Unter Lean Ma-nagement ist eine schlanke Unternehmensführung zu verstehen, deren Zielsetzung ineiner hohen Effizienz, Schnelligkeit und überlegenen Qualität liegen. Allerdings sind nurwenige umsetzbare Vorgehensmodelle verfügbar (vgl. z. B. Schmelzer und Sesselmann2010).

Eine japanische Management-Philosophie ist Kaizen (wörtlich „Verbesserung“) bzw.KVP (Kontinuierlicher Verbesserungsprozess), unter der ein ständiger Verbesserungs-prozess mit Einbindung der Mitarbeiter zu verstehen ist. Betont wird die starke Prozess-orientierung, d. h. der Fokus liegt nicht auf dem Ergebnis, sondern auf dem Prozess zurErstellung des Ergebnisses und der Einbindung der Mitarbeiter und Nutzung ihrer Fähig-keiten zur Lösung vorhandener Probleme in den Prozessen. Ziel ist es, eine permanenteSteigerung der Prozessleistung durch eine Verbesserung in kleinen Schritten zu erreichen(vgl. z. B. Schmelzer und Sesselmann 2010). Die Verbesserung wird aber auch als Selbst-zweck betrachtet, d. h. sie erfolgt um der Verbesserung willen (vgl. Schulte-Zurhausen2002, S. 180).

Die Verbreitung von KVP ist mittlerweile sehr hoch. 74% der befragten Unternehmenim deutschsprachigen Raum gaben an, das Prozessmanagement mit KVP zu unterstützten(vgl. Gadatsch et al. 2007).

Ein vergleichsweise neues Konzept stellt der statistisch geprägte Ansatz SixSigma dar.Die Verbreitung von Six Sigma ist daher noch nicht sehr stark ausgeprägt. Nur 25% derUnternehmen im deutschsprachigen Raum unterstützen das Prozessmanagement mit SixSigma (vgl. Gadatsch et al. 2007). Die Grundannahme der Methode besteht darin, dasssich schwankende Prozessleistungen schädlich auf die Kundenzufriedenheit und die Pro-zessqualität auswirken. Die Idee des Ansatzes verfolgt das Ziel der Realisierung einer Null-Fehler-Qualität durch ständige Messung der Prozessleistung und Einleitung von Anpas-sungsmaßnahmen (z. B. Prozessoptimierung oder Neugestaltung im Sinne des Business-Reengeneering).

Ziel von SixSigma ist die Verringerung der Schwankungsbreite der Prozessergebnisseim Vergleich zum Zielwert. SixSigma strebt die Erreichung einer Variation von 6σ an. Diesentspricht einer Prozess-Ausbeute von 99,99966% bzw. 3,4 Fehlern bei 1.000.000 Kombi-nationsmöglichkeiten (vgl. Schmelzer und Sesselmann 2010) und kommt damit praktischeiner Null-Fehler-Qualität gleich.

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1.3 Geschäftsprozess und Workflow 35

1.2.8 Zweite Phase des Business Reengineering

Viele Projekte sind in der ersten Phase des Prozessmanagements (ca. 1990–1995) geschei-tert. Die Ursachen lagen häufig in der fehlenden Beachtung der geschilderten Erfolgsfak-toren. Zu Beginn der Business Reengineering-Phase gab es keine ausreichend erprobtenMethoden und Werkzeuge für die Umsetzung der Konzepte. Zudem wurden vorwiegendinterne Prozesse mit einer gewissen ERP-Lastigkeit (ERP = Enterprise Resource Planning,vgl. S. 312 ff.) betrachtet und optimiert. Durch die starke Kundenfokussierung wurden ins-besondere die Verbindungen zu den Lieferanten nicht ausreichend betrachtet.

Scheer spricht von einer zweiten Welle des Business Reengineering (vgl. Quack 2002).Die Unterschiede zur ersten Phase liegen darin, dass nunMethoden undWerkzeuge für dieUmsetzung der Konzepte verfügbar sind. Aktuell betrachtete Geschäftsprozesse schließenKunden und Lieferanten explizit ein. Die Prozessoptimierung wird durch Referenzmodelle(z. B. Supply Chain Operations Reference SCOR, vgl. S. 318 ff.) erleichtert. Der Kosten-druck ist deutlich höher als in der Startphase des Business Reengineering, so dass heuteProzessmanagement auch ernst genommen wird.

1.3 Geschäftsprozess undWorkflow

1.3.1 Begriff des Geschäftsprozesses

Im Rahmen des Business Reengineering definieren Hammer und Champy den Unterneh-mensprozess als eine Menge von Aktivitäten, für die ein oder mehrere unterschiedlicheInputs benötigt werden und die für den Kunden ein Ergebnis von Wert erzeugen (Ham-mer und Champy 1994). Als Beispiel nennen sie die Entwicklung eines neuen Produkts.Gesteuert wird ein Unternehmensprozess durch einen Prozessverantwortlichen, der demKreis der oberen Managementebene entstammen soll.

Scheer und Jost verstehen unter einem Geschäftsprozess die modellhafte Beschreibungder in einem Unternehmen durchzuführenden Funktionen in ihrer inhaltlichen und zeit-lichen Abhängigkeit (vgl. Scheer und Jost 1996). Unter Funktionen werden einzelne Auf-gaben und Tätigkeiten verstanden, die wiederum über die sie auslösenden bzw. von ihnenerzeugten Ereignisse verknüpft werden. Scheer stellt den Begriff des GeschäftsprozessesdenBegriffen der Prozesskette und der Vorgangskette gleich (vgl. Scheer 1990) und betont da-mit den funktionsübergreifenden Charakter des Geschäftsprozesses, der sich übermehrereFunktionsschritte hinweg erstreckt.

Nach Österle ist der Geschäftsprozess eine Abfolge von Aufgaben, die über mehrereorganisatorische Einheiten verteilt sein können und deren Ausführung von informations-technologischen Anwendungen unterstützt wird (vgl. Österle 1995). Ein Prozess ist zu-gleich Produzent und Konsument von Leistungen und verfolgt von der Prozessführunggesetzte Ziele. Als spezielle Form der Ablauforganisation konkretisiert der Geschäftspro-zess die Geschäftsstrategie und verknüpft siemit dem Informationssystem.Daher kann der

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36 1 Grundlegende Begriffe

ProzesseProzesse

TechnischeProzesse

TechnischeProzesse

(Betriebswirtschaftliche)Geschäftsprozesse

(Betriebswirtschaftliche)Geschäftsprozesse

Fräsen eines ZylinderkopfesMontage eines MotorsFräsen eines ZylinderkopfesMontage eines Motors

Bearbeiten einer AnfrageEinstellen eines MitarbeitersBearbeiten einer AnfrageEinstellen eines MitarbeitersBeispiele

Stücklisten und ArbeitspläneRezepturenStücklisten und ArbeitspläneRezepturen

Geschäftsprozess-ModelleAblaufdiagrammeGeschäftsprozess-ModelleAblaufdiagramme

Dokumen-tation

(Büroprozesse)

Abb. 1.19 Technische und kaufmännische Prozesse

Geschäftsprozess als Bindeglied zwischen der Unternehmensstrategie und der Systement-wicklung bzw. den unterstützenden Informationssystemen gesehen werden.

Eine interessante Analogie zur technischen Welt zeigt Berkau (1998) auf. Er unterglie-dert Prozesse in betriebswirtschaftliche Geschäftsprozesse und technische Prozesse (vgl.Abb. 1.19), die der primären Leistungserstellung dienen (Berkau 1998, S. 27). Betriebswirt-schaftlicheGeschäftsprozesse beziehen sich eher auf kaufmännische Tätigkeiten (Büropro-zesse), wie z. B. die Bearbeitung von Kundenaufträgen oder die Einstellung eines Mitarbei-ters. TechnischeProzesse (z. B. Fräsen eines Zylinderkopfes,Montage einesMotors)werdenin der Fertigungsindustrie beispielsweise durch Stücklisten undArbeitspläne bzw. Rezeptu-ren in der Prozessindustrie dokumentiert. Betriebswirtschaftliche Geschäftsprozesse sinddagegen schwererer abzugrenzen und zu beschreiben. Sie werden mit Ablaufdiagrammenoder Geschäftsprozessmodellen dokumentiert, die noch im Kapitel zur Geschäftsprozess-modellierung und Simulation im Detail behandelt werden.

Ähnliche Ansätze werden auch von Autoren aus dem Bereich der Produktionsplanungund Steuerung verfolgt. So verstehen Schlüter und Schneider unter GeschäftsprozessenFolgen sachlogisch zusammenhängender Aktivitäten, die eine in sich geschlossene Aufga-be realisieren, deren Ziel darin besteht, Materialien und Informationen in eine vom Kun-den gewünschte Form zu bringen (vgl. Schlüter und Schneider 2000, S. 275).

Die aufgeführten Definitionen geben die wesentlichen Aspekte der Diskussion um denGeschäftsprozessbegriffwieder. Im weiteren Verlauf wird die folgende Definition eines be-triebswirtschaftlich orientierten Geschäftsprozesses zugrunde gelegt:

Ein Geschäftsprozess ist eine zielgerichtete, zeitlich-logische Abfolge von Aufgaben,die arbeitsteilig vonmehreren Organisationen oderOrganisationseinheiten unter Nutzungvon Informations- undKommunikationstechnologien ausgeführt werden können. Er dientder Erstellung von Leistungen entsprechendden vorgegebenen, aus derUnternehmensstra-tegie abgeleiteten Prozesszielen. Ein Geschäftsprozess kann formal auf unterschiedlichen

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1.3 Geschäftsprozess und Workflow 37

Geschäfts-prozess

Elementarer Geschäfts-

Prozess-Schritt

Elementarer Geschäfts-

Prozess-Schritt

Elementarer Geschäfts-

Prozess-Schritt

Aufgabenerfüllungin einem Zug ohneBearbeiterwechselmöglich!

Aufgabenerfüllungin einem Zug ohneBearbeiterwechselmöglich!

Geschäfts-Prozess-Schritt

Geschäfts-Prozess-Schritt

Geschäfts-Prozess-Schritt

Zerlegung eines Geschäftsprozesses oder Geschäftsprozess-Schrittes

Zerlegung eines Geschäftsprozesses oder Geschäftsprozess-Schrittes

Zeitlich-logische Abfolge von Aufgaben, die arbeitsteilig ausgeführt werden

Zeitlich-logische Abfolge von Aufgaben, die arbeitsteilig ausgeführt werden

Abb. 1.20 Zerlegung von Geschäftsprozessen (Prinzip)

Detaillierungsebenen und aus mehreren Sichten beschrieben werden. Ein maximaler De-taillierungsgrad der Beschreibung ist dann erreicht, wenn die ausgewiesenen Aufgaben jein einem Zug von einem Mitarbeiter ohne Wechsel des Arbeitsplatzes ausgeführt werdenkönnen (vgl. Gehring 1998).

Eine von der Ludwig-Maximilian-Universität München unter deutschen Großunter-nehmen durchgeführte Erhebung hat ergeben, dass in der Praxis folgende Kriterien füreine Einstufung als Geschäftsprozess bedeutsam sind (vgl. Koch und Hess 2003, S. 19):

• Wertschöpfende Aktivität (96,2%),• Funktionsübergreifend (76,9%),• Kundenorientiert (73,1%),• Prozessverantwortlicher vorhanden (69,2%),• Ziele und Messgrößen (61,5%),• Von strategischer Bedeutung für das Unternehmen (42,3%).

Auffällig ist der geringe Anteil der Voten für die strategische Relevanz eines Ge-schäftsprozesses.

DieZerlegung vonGeschäftsprozessen erfolgt in der Praxis je nachGröße des betrachte-ten Unternehmens bzw. Unternehmensausschnittes auf mehreren Ebenen. Abb. 1.20 zeigtdas Zerlegungsprinzip, ausgehend vom Geschäftsprozess über Geschäftsprozess-Schrittebis hin zu elementaren Geschäftsprozess-Schritten, die zur Aufgabenerfüllung keinen Be-arbeiterwechsel mehr erfordern.

Abbildung 1.21 demonstriert diesen Zusammenhang an einem einfachen Beispiel. DieAuftragsabwicklung zerfällt in mehrere Geschäfts-Prozess-Schritte, u. a. in die Auftrags-

Page 38: Grundkurs Geschäftsprozess-Management || Grundlegende Begriffe

38 1 Grundlegende Begriffe

Auftrags-abwicklung

Auftrags-annahme

Auftrags-prüfung

Auftrags-erfassung

Kundenstamm-daten-

bearbeitung

Material-Verfügbarkeits-

prüfung

Personal-Ressourcen-

prüfung

Elementare Geschäftsprozess-Schritte

Elementare Geschäftsprozess-Schritte

Geschäftsprozess-Schritte

Geschäftsprozess-Schritte

GeschäftsprozessGeschäftsprozess

Abb. 1.21 Zerlegung von Geschäftsprozessen (Beispiel)

Kerngeschäftsprozesse(Primärprozesse)

Unterstützungsgeschäftsprozesse(Querschnittsprozesse)

Kunde Kunde

Steuerungsprozesse(Führungsprozesse)

Abb. 1.22 Kern- und Unterstützungsprozesse

prüfung. Diese wiederum zerfällt in mehrere elementare Geschäftsprozess-Schritte, diedurch einen einzigen Bearbeiter ausgeführt werden können.

Eine weitere übliche Differenzierung von Geschäftsprozessen ist die Differenzierung inAbhängigkeit von der Nähe zum Kerngeschäft eines Unternehmens (vgl. z. B. Seidlmei-er 2002, S. 2 f.). Demnach werden Steuerungsprozesse (auch Führungsprozesse genannt),Kerngeschäftsprozesse (auch Primärprozesse genannt) und Unterstützungsgeschäftspro-zesse (auch Querschnittsprozesse genannt) unterschieden (vgl. Abb. 1.22).

Steuerungsprozesse verantworten das integrative Zusammenspiel der Gesamtheit derGeschäftsprozesse (z. B. Strategieentwicklung, Unternehmensplanung, Operatives Füh-ren). Sie sind die unternehmerischeKlammer über leistungserstellende undunterstützendeProzesse.

Kerngeschäftsprozesse sind Geschäftsprozesse mit hohem Wertschöpfungsanteil. Siesind in der Regel wettbewerbskritisch und bilden den Leistungserstellungsprozess ausge-

Page 39: Grundkurs Geschäftsprozess-Management || Grundlegende Begriffe

1.3 Geschäftsprozess und Workflow 39

Antrags-stellung

ErfassungAntrag

Antrags-annahme

Policie-rung

ErfassungÄnderung

Änderungs-entscheidung

Dokumen-tierung

Schadens-aufnahme

Leistungs-entscheidung

Leistungs-erbringung

Dokumen-tation

Kunde Kunde

Zahlungs-abwicklungPersonal Finanzen

Neuvertrag

Vertragsänderung

Schadensregulierung

Recht RevisionInforma-

tions-technik

Geschäfts-strategie

Geschäfts-feld-

planung

OperativeFührung

Risiko-Management

Unternehmensführung

Abb. 1.23 Prozesslandkarte einer Versicherung

hend vomKundenwunsch bis hin zur Auslieferung bzw. Leistungserbringung ab. TypischeBeispiele, die branchenabhängig variieren können, sind Auftragsbearbeitung, Produktent-wicklung, Produktion, Distribution und Service.

Unterstützungsprozesse sind Geschäftsprozesse mit keinem oder nur geringem Wert-schöpfungsanteil. Sie sind in der Regel nicht wettbewerbskritisch. Beispiele sind Finanz-buchhaltung, Kostenrechnung, Berichtswesen oder Personalwesen.

Die Abb. 1.23 zeigt ein Beispiel aus der Versicherungswirtschaft. Diese Darstellungs-form wird auch als Prozesslandkarte bezeichnet, weil sie einen grafischen Überblick überdas Unternehmen gibt. Prozesslandkarten werden mittlerweile für unterschiedliche Bran-chen entwickelt. Kocian (2007) hat beispielsweise eine mehrstufige Prozesslandkarte füreine Hochschule entwickelt.

Die Prozesslandkarte stellt folgende Informationen zur Verfügung (Wilhelm 2007,S. 34):

• Welche Prozesse sind im Unternehmen vorhanden bzw. geplant?• Wie ist das Unternehmen über seine Prozesse mit den externen Kunden und sonstigen

Geschäftspartnern (Lieferanten, Banken, Mitarbeiter u. a.) verbunden?• WelcheBeziehungen zwischen internenKunden undLieferantenwerden durch die Pro-

zesse abgebildet?

In Abb. 1.24 ist eine Prozesslandkarte dargestellt, die in vereinfachter Form die Prozesseeiner Autovermietung darstellt.

Page 40: Grundkurs Geschäftsprozess-Management || Grundlegende Begriffe

40 1 Grundlegende Begriffe

Kerngeschäftsprozesse(Primärprozesse)

Steuerungsprozesse(Führungsprozesse)

Geschäfts-Strategie-

entwicklung

OperativeFührung

Unter-nehmens-planung

Unterstützungsgeschäftsprozesse(Querschnittsprozesse)

Fahrzeug-Beschaffung

Wartung/

ReinigungFahrzeug-vermietung

Vertrags-abrechnung

Informations-technik

Personal-verwaltung

Buch-haltung

Marketing/

Werbung

Abb. 1.24 Prozesslandkarte einer Autovermietung

Der Nutzen einer Prozesslandkarte besteht imWesentlichen in der Senkung desModel-lierungsaufwandes durch Vorgabe von strukturellen Standards (einheitliche Verwendungvon Begriffen), der Erhöhung von Transparenz (Überblick über das Unternehmen) und derZuordnung vonVerantwortlichkeiten zuHauptprozessen (vgl. auch die Erfahrungen in derAssekuranz mit Prozesslandkarten in Stumpp 2011, S. 75). Dem steht ein vergleichsweisergeringer Aufwand zur Erstellung gegenüber, der im Wesentlichen aus der Abstimmungzwischen den Beteiligten resultiert.

1.3.2 Begriff desWorkflows

Seit 1993 befasst sich dieWorkflow-Management-Coalition (WfMC), eineVereinigung vonForschungsinstituten, Hochschulen, Anwendern und Softwareherstellern, mit Standardsim Bereich des Workflow-Managements. Sie versteht den Workflow als einen ganz oderteilweise automatisierten Geschäftsprozess, in dem Dokumente, Informationen oder Auf-gaben von einem Teilnehmer an einen anderen zur Ausführung entsprechend einerMengevon prozeduralen Regeln übergeben werden.

Galler und Scheer betrachten den Workflow als eine technische Verfeinerung des be-triebswirtschaftlichen Geschäftsprozesses (vgl. Galler et al. 1995). Als Kriterium für denGrad der Verfeinerung dient dabei die Automatisierbarkeit. Der Workflow muss als In-put und Regelwerk für die Steuerung durch ein Workflow-Management-System verwend-bar sein. Im Rahmen des Architekturkonzepts für integrierte Informationssysteme ordnen

Page 41: Grundkurs Geschäftsprozess-Management || Grundlegende Begriffe

1.3 Geschäftsprozess und Workflow 41

Galler und Scheer den Workflow der Ebene des IT-Konzeptes und den Geschäftsprozessder anwendernäheren Fachkonzept-Ebene zu (vgl. Scheer 1998a, b).

Ähnlich beschreibt Österle (1995) den Workflow als einen verfeinerten Geschäftspro-zess. Ausgehend von einem Prozessentwurf auf der Makro-Ebene und dessen sukzessiverZerlegung in Teilprozesse wird die Mikro-Ebene dann erreicht, wenn gilt: Die Aufgabensind so detailliert, dass sie von den Prozessmitarbeitern als Arbeitsanweisung umgesetztwerden können. Anhand der Aufgabenkette kann eine Führungskraft den Arbeitsablaufsteuern. Der Workflow stellt die detaillierte Form des Mikro-Prozesses dar; anstelle einerFührungskraft übernimmt nun der Computer die Ablaufsteuerung.

Becker, Rosemann und Kugler bezeichnen einen Prozess, dessen Funktionsübergängein der Kontrollsphäre eines Anwendungssystems liegen, als Workflow (vgl. Becker et al.2004).

Ein Workflow ist ein formal beschriebener, ganz oder teilweise automatisierter Ge-schäftsprozess. Er beinhaltet die zeitlichen, fachlichen und ressourcenbezogenen Spezi-fikationen, die für eine automatische Steuerung des Arbeitsablaufes auf der operativenEbene erforderlich sind. Die hierbei anzustoßenden Arbeitsschritte sind zur Ausführungdurch Mitarbeiter oder durch Anwendungsprogramme vorgesehen. Von dem Workflowals Typ oder Schema eines teil- bzw. automatisierten Arbeitsablaufes zu unterscheidenist eine Workflow-Instanz, die eine konkrete Ausführung des Workflows bezeichnet (vgl.Gehring 1998).

Der Unterschied zwischen den Begriffen Workflow-Schema bzw. Workflow-Modell ei-nerseits und dem Begriff Workflow-Instanz wird an Abb. 1.25 deutlich. Dargestellt ist derfolgende Workflow:

Workflow: Beschaffung von IT-ZubehörDer Anforderer füllt zunächst eine Bedarfsmeldung aus. Liegt der Bestellwert unter50,– €, kann der Anforderer die Beschaffung sofort veranlassen. Liegt der Bestellwertüber 50,– €, ist eineGenehmigung beimVorgesetzten einzuholen. Nach Einlagerungder Ware wird die Rechnung durch die Buchhaltung ausgeglichen.

Das Workflow-Modell beschreibt die Abfolge der Workflow-Schritte, im vorliegendenFall die Beschaffung von Computerartikeln, die ab 50 € genehmigungspflichtig sind. DieInstanzen sind Beschaffungsvorgänge, welche im Unternehmen durchgeführt werden. DieBeschaffung des Laptops, Druckers und der Tastatur liegen jeweils über 50 €, so dass einevorherige Genehmigung erforderlich ist. Die Beschaffung von Druckerpapier wird soforteingeleitet.

Ein weiteres typisches Beispiel für einen Workflow ist der Urlaubsantrag, der auch inder aktuelleren Literatur immer wieder als Beispiel herangezogen wird. Das folgende Fall-beispiel beschreibt die wesentlichenMerkmale desWorkflowbegriffes anhanddesUrlaubs-antrages in Anlehnung an Schäffter (2001, S. 19) (vgl. Abb. 1.26).

Page 42: Grundkurs Geschäftsprozess-Management || Grundlegende Begriffe

42 1 Grundlegende Begriffe

Bedarfmelden

Rechnungausgleichen

Warebeschaffen

Genehmigungeinholen

Wareeinlagern

Workflow-Schema bzw. Workflow-Modell

Bedarf Laptopmelden

Laptop-Rechnung-bezahlen

Laptopbeschaffen

Genehmigungeinholen

Laptopeinlagern

Instanz 1

Bedarf Druckermelden

Drucker-Rechnung-bezahlen

Druckerbeschaffen

Genehmigungeinholen

Druckereinlagern

Instanz 2

Bedarf Tastaturmelden

Tastatur-Rechnung-bezahlen

Tastaturbeschaffen

Genehmigungeinholen

Tastatureinlagern

Instanz 3

Bedarf Papiermelden

Papier-Rechnung-bezahlen

Papierbeschaffen

Genehmigungeinholen

Papiereinlagern

Instanz 4

>50€

Abb. 1.25 Workflow-Schema undWorkflow-Instanz

Workflow-Beispiel 1: UrlaubsantragDer Antragsteller füllt ein elektronisches Antrags-Formular aus und signiert esmit seinem privaten Schlüssel (elektronische Unterschrift). Ein Dokumenten-Management-System prüft die digitale Signatur und archiviert den Urlaubsantrag inelektronischer Form. Ein Workflow-Management-System leitet den Urlaubsantragelektronisch an den zuständigen Personalverantwortlichen weiter. Der Personalver-antwortliche erhält den Antrag und die digitale Signatur, welche die Echtheit desAntrages bestätigt. Er prüft den Antrag und gibt ihn entweder frei oder weist ihnzurück. Er bestätigt sein Prüfungsergebnis mit seiner digitalen Signatur (elektroni-sche Unterschrift). Das Workflow-Management-System informiert den Antragstel-ler über das Ergebnis und leitet den Antrag an die Personalabteilung weiter. Dortwird der Antrag bearbeitet und durch eine digitale Signatur abschließend „unter-schrieben“.

Workflows lassen sich hinsichtlich des Strukturierungsgrades und des Grades der Com-puterunterstützung unterscheiden (vgl. Abb. 1.27).

Der allgemeine Workflow, der auch als Produktions- oder Transaktions-Workflow be-zeichnet wird, betrifft gut strukturierte Arbeitsabläufe in Organisationen wie z. B. die Rei-sekostenabrechnung. AllgemeineWorkflows sind durch repetitiven Charakter sowie vorab

Page 43: Grundkurs Geschäftsprozess-Management || Grundlegende Begriffe

1.3 Geschäftsprozess und Workflow 43

Abb. 1.26 Erfassung eines Urlaubsantrages (© Powerwork)

nicht modellierbar

• vollständig strukturierbare Arbeitsabläufe

• sehr hohe Anteile des Ar-beitsablaufes haben repe-tetive Elemente

• keine Freiheitsgrade für den Bearbeiter hinsichtlich der Ablaufsteuerung

• Arbeitschritte im voraus definierbar

• nicht vollständig strukturier-bare Arbeitsabläufe

• nur teilweise Anteile mit repetetiven Elementen

• Freiheitsgrade für denBearbeiter hinsichtlich der Ablaufsteuerung

• Arbeitschritte teilweise im voraus definierbar

• nicht strukturierbare Ar-beitsabläufe

• kaum Anteile mit repeteti-ven Elementen

• sehr hohe Freiheitsgrade für den Bearbeiter hinsicht-lich der Ablaufsteuerung

• Arbeitschritte nicht im vo-raus definierbar

modellierbar

Allgemeiner WorkflowProduktions-WorkflowTransaktions-Workflow

Allgemeiner WorkflowProduktions-WorkflowTransaktions-Workflow

Fallbezogener WorkflowFlexibler Workflow

Fallbezogener WorkflowFlexibler Workflow

Ad hoc Workflow

Workflow-Typen

KundenauftragsbearbeitungBestellabwicklung

ReisekostenabrechnungAngebotsbearbeitung

KundenauftragsbearbeitungBestellabwicklung

ReisekostenabrechnungAngebotsbearbeitung

KreditantragsprüfungEinstellung MitarbeiterEntlassung Mitarbeiter

KreditantragsprüfungEinstellung MitarbeiterEntlassung Mitarbeiter

Projektgruppe zur Erarbei-tung einer Werbekampagne

Arbeitgruppe zur Vor-bereitung einer Tagung

Projektgruppe zur Erarbei-tung einer Werbekampagne

Arbeitgruppe zur Vor-bereitung einer Tagung

Abb. 1.27 Workflows nach dem Strukturierungsgrad

Page 44: Grundkurs Geschäftsprozess-Management || Grundlegende Begriffe

44 1 Grundlegende Begriffe

Abb. 1.28 Vertragsabschluss als fallbezogener Workflow (© Powerwork)

im Detail definierbare Arbeitsschritte charakterisiert. Sie lassen sich in hohem Grade au-tomatisieren bzw. durch Informationsverarbeitungssysteme unterstützen.

Der fallbezogene Workflow, der auch als flexibler Workflow bezeichnet wird, kenn-zeichnet Arbeitsabläufe, die nicht vollständig standardisierbar sind (vgl. Abb. 1.28). Bei-spiele hierfür ist die Bearbeitung von Kreditanträgen bei Banken. Der Übergang vom fall-bezogenen zum allgemeinen Workflow ist fließend. Im Vergleich zum allgemeinen Work-flow weisen fallbezogeneWorkflows höhere Freiheitsgrade für die Bearbeiter auf. EinzelneVorgänge können übersprungen oder modifiziert werden (z. B. Verzicht auf einzelne Prüf-vorgänge im Rahmen einer Kreditbearbeitung oder auf ein Assessment-Center bei derEinstellung eines Mitarbeiters.

Ad hoc Workflows sind unstrukturierte Prozessschritte, deren Ablauffolge sich nichtvorab bestimmen lässt (vgl. z. B. das Beispiel in Abb. 1.29). Bei ad hoc Workflows legt derBearbeiter einer Workflow-Instanz den nachfolgenden Bearbeiter in eigener Verantwor-tung fest (vgl. Scheer 1998b, S. 90). Ad hoc Workflows können nicht modelliert werden(z. B. Arbeitsgruppe zur Erarbeitung eines Werbefeldzugs).

Einweiteres Beispiel ist die Bearbeitung von Investitionsanträgen inGroßunternehmen.Sie ist häufig nur grob z. B. hinsichtlich der Unterschriftsregelungen vorstrukturiert undbietet hohe Freiheitsgrade hinsichtlich der Beteiligten und des Verlaufes. Je nach Investiti-onsart können unterschiedliche Ansprechpartner und Vorarbeiten notwendig sein, bevorder Antrag genehmigt wird. Beispiele für Workflowtypen finden Sie in Tab. 1.4.

Workflows können weiterhin nach dem Grad der Computerunterstützung unter-teilt werden (vgl. Abb. 1.30). Der freie Workflow wird vollständig manuell durch einen

Page 45: Grundkurs Geschäftsprozess-Management || Grundlegende Begriffe

1.3 Geschäftsprozess und Workflow 45

Abb. 1.29 Besprechungsprotokoll als ad hoc Workflow (© Powerwork)

Tab. 1.4 Beispiele für Workflow-Typen

Workflow-Typ Beschreibung BeispieleAllgemeinerWorkflow

Stark strukturierte Arbeitsabläu-fe mit Wiederholcharakter unddetaillierter Spezifikation aller Ab-laufschritte.

Reisekostenabrechnung, Ur-laubsantragsbearbeitung,Kundenauftragsabwicklung.

FallbezogenerWorkflow

Weitgehend strukturierte Ar-beitsabläufe mit unstrukturiertenTeilaufgaben.Individuelle Entscheidungen beein-flussen den Arbeitsablauf, einzelneArbeitsschritte können übersprun-gen werden.

Kreditbearbeitung bei Banken,Schadensbearbeitung in Ver-sicherungen, Bearbeitung vonKundenreklamationen, Einstel-lung von Mitarbeitern.

Ad hocWorkflow Wenig strukturierte Aufgaben dienicht exakt im Voraus spezifizier-bar sind.

Arbeitsgruppe zur Entwicklungeines Marketingkonzeptes.

personellen Bearbeiter durchgeführt (z. B. Prüfung der Zuständigkeit einer eingegan-genen Anfrage). In diesem Fall ist nur ein Ablaufcontrolling des Prozesses möglich,d. h. eine Überprüfung, ob alle Teilschritte in der richtigen Reihenfolge abgearbeitetwurden.

Der teilautomatisierte Workflow wird, unterstützt durch ein Informationsverarbei-tungsprogramm, von einempersonellen Bearbeiter durchgeführt (z. B. Eingabe der Stamm-daten eines neuen Kunden).

Page 46: Grundkurs Geschäftsprozess-Management || Grundlegende Begriffe

46 1 Grundlegende Begriffe

Workflow

Freier Workflow

TeilautomatisierterWorkflow

AutomatisierterWorkflow

Abb. 1.30 Workflows nach dem Grad der Computerunterstützung

Geschäftsprozess

Analyse und Gestaltung von Arbeitsabläufen im Sinne gegebener (strategischer) Ziele

Konzeptionelle Ebenemit Verbindung zur Geschäftsstrategie

In einem Zug von einemMitarbeiter an einemArbeitsplatz ausführbareArbeitsschritte

Ziel

Gestaltungs-ebene

Detail-lierungs-grad

Workflow

Spezifikation der technischen Ausführungvon Arbeitsabläufen

Operative Ebene mit Verbindung zu unter-stützender Technologie

Konkretisierung von Ar-beitsschritten hinsichtlichArbeitsverfahren sowie personeller und technolo-gischer Ressourcen

Abb. 1.31 Geschäftsprozess versusWorkflow

Der automatisierte Workflow wird ohne Eingriffe eines personellen Bearbeiters durchein Programm ausgeführt (z. B. Ausdruck einer Rechnung nach Durchführung der Liefe-rung). Beim teilautomatisierten bzw. automatisierten Workflow ist neben dem Ablaufcon-trolling auch ein Ausführungscontrolling möglich, d. h. es ist sichergestellt, dass z. B. einebestimmte Transaktion ausgeführt worden ist.

1.3.3 Gegenüberstellung

Geschäftsprozesse und Workflows beschreiben Arbeitsabläufe. Eine klare Abgrenzung istwegen des gemeinsamenUntersuchungsgegenstandes nicht immermöglich und führt häu-fig dazu, dass die Begriffe gleichgesetztwerden, obwohl sie unterschiedlicheZiele verfolgen.Es bestehen einige wesentliche Unterschiede, die die Abb. 1.31 zusammenfasst.

Ein wichtiger Unterschied besteht darin, dass der Geschäftsprozess beschreibt, „was“zu tun ist, um die vorgegebene Geschäftsstrategie umzusetzen. Der Workflow beschreibt,„wie“ dies umgesetzt werden soll. Der Geschäftsprozess ist der fachlich-konzeptionellenEbene, derWorkflowder operativen Ebene zuzurechnen. Der erforderlicheDetaillierungs-

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1.4 Workflow-Management 47

grad eines Geschäftsprozesses ist dann erreicht, wenn er die Arbeitsschritte beschreibt, dievon einem Mitarbeiter in einem Zug an einem Arbeitsplatz ausgeführt werden können.

Erreichtman einenDetaillierungsgrad, der von den ausführendenMitarbeitern als kon-krete Arbeitsanweisung verstanden werden kann und der die Beschreibung für compu-terunterstützt ausführbare Arbeiten so konkret vorgibt, dass sie von einem Anwendungs-system ausgeführt werden können, so erreicht man die Workflow-Ebene. Ein eindeutigesUnterscheidungsmerkmal ist die Ausführbarkeit durch einen menschlichen Aufgabenträ-ger (Mitarbeiter) oder ein Computerprogramm.

1.4 Workflow-Management

1.4.1 Begriff

In enger Verbindung mit dem Begriff des Workflow-Managements stehen das nebenge-ordnete Konzept des Workgroup-Computing sowie das übergeordnete Gebiet der com-putergestützten Gruppenarbeit. Häufig werden Workflow-Management und Workgroup-Computing als eigenständige Teilgebiete zur Forschungsrichtung der computergestütztenGruppenarbeit (Computer Supported Cooperative Work, CSCW) gezählt (Oberweis1996). Im Rahmen von CSCW geht es um die Unterstützung des kooperativen Arbei-tens durch den Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnik (Hasenkampet al. 1994). Workflow-Management bezeichnet dagegen ein operatives Konzept zur Um-setzung der von der strategischen Unternehmensplanung vorgegebenen übergeordnetenGeschäftsprozessziele. Zu diesem Zweck stellt das Workflow-Management Methodenund Werkzeuge zur computergestützten Analyse, Planung, Simulation, Steuerung undÜberwachung von Arbeitsabläufen bereit. Der Umfang und die Art der Unterstützungwerden auch durch die Kategorie bestimmt, in die der betrachtete Workflow einzuordnenist.

1.4.2 Ziele

Als Folge der uneinheitlichen Begriffsbestimmung des Workflow-Managements fehlt eineeinheitliche Meinungsbildung über die Zielsetzung. Häufig genannte Ziele des Workflow-Managements sind in der Tab. 1.5 aufgeführt.

DaWorkflow-Management ein Konzept zur operativen Umsetzung des Business Reen-gineering ist, sind dieWorkflow-Management-Ziele aus denen des Business Reengineeringabzuleiten. Die Ziele des Workflow-Managements sind ebenso wie die Ziele des BusinessReengineering in das Zielsystem eines Unternehmens einzuordnen.

Die Praxis erwartet vom Workflow-Management eine Enabler-Funktion für das Busi-ness Reengineering, d. h. die Unterstützung bei der konkreten Umsetzung der BusinessReengineering-Maßnahmen (Becker und Vossen 1996, S. 17; Vogler 1996, S. 348). Nicht

Page 48: Grundkurs Geschäftsprozess-Management || Grundlegende Begriffe

48 1 Grundlegende Begriffe

Tab. 1.5 Ziele des Workflow-Managements

Ziele Vogler1996

Kurbelet al.1997

Ober-weis1996

Rolles1977

Becker undVossen(1977)

Workflow-Management als Enablerfür Business Reengineering

• • •

Verbesserung der Kundenzufrieden-heit

• • •

Verbesserung der Prozessqualitätund permanente Qualitätssicherung

• • •

Verbesserung der Prozesstranspa-renz

Verkürzung der Durchlaufzeiten • • •Reduktion der Prozesskosten •Permanente Anpassung an organi-satorische Änderungen

• •

Automatisierung der Prozesssteue-rung

• • •

Integration heterogener Informati-onstechnik

Einheitliche Benutzeroberflächen •

jede Business Reengineering-Maßnahme muss in einer Umsetzung durch Workflow-Management münden. Ein sinnvoller Einsatz von Workflow-Management setzt jedochBusiness Reengineering voraus (z. B. Kurbel et. al 1997, S. 67), da die computerunterstützteUmsetzung von Geschäftsprozessen häufig zunächst deren Restrukturierung erforderlichmacht. Andernfalls läuft man Gefahr, bestehende Abläufe dauerhaft zu „elektrifizieren“(vgl. Hagemeyer et al. 1998, S. 60).

Die Kundenzufriedenheit, ein für die dauerhafte Existenz eines Unternehmens wich-tiges Ziel, soll im Rahmen des Workflow-Management u. a. durch eine beschleunigteAuskunftsfähigkeit gegenüber dem Kunden erreicht werden, indem jederzeit der jeweiligeBearbeiter eines Vorgangs, der aktuelle Bearbeitungsstatus und die geplante verbleiben-de Zeitdauer bis zur Erledigung ermittelt werden kann (vgl. Oberweis 1996, S. 61). DieVerbesserung der Kundenzufriedenheit ist ein vorwiegend von der Praxis gefordertes Ziel(vgl. Vogler 1996, S. 349), wird aber auch in empirischen Untersuchungen erwähnt (vgl.z. B. Rolles 1997, S. 121).

Durch die Reduktion von Prozessfehlern soll die Qualität der dem Kunden gegenübererbrachten Leistungen verbessert werden (vgl. Oberweis 1996, S. 61; Rolles 1997, S. 21;Vogler 1996, S. 348). Durch den permanenten Abgleich der Ergebnisse von tatsächlichausgeführten Prozessen mit den Soll-Ergebnissen der Prozessmodelle wird die in den Pro-zessmodellen definierte Leistungsqualität sichergestellt.

Page 49: Grundkurs Geschäftsprozess-Management || Grundlegende Begriffe

1.4 Workflow-Management 49

Workflow-Management-Systeme enthalten Informationen über die geplanten und realausgeführten Abläufe eines Unternehmens. Durch die Auskunftsfähigkeit über aktive Pro-zesse, Kapazitätsauslastungen, verfügbare Ressourcen, Unterbrechungen, Überschreitun-gen von Grenzwerten und Plandaten soll eine verbesserte Information des Managementsüber das Geschäftsgeschehen erzielt werden (vgl. z. B. Vogler 1996, S. 348).

Häufigwird dieDurchlaufzeitverkürzung als Ziel genannt (vgl. z. B. Rolles 1997, S. 121).Dies lässt sich zurückführen auf das Problem der Ablaufsteuerung, das darin besteht, dieTeilprozesse so anzustoßen und Bearbeitern so zuzuordnen, dass die Prozessdurchlauf-zeit ggf. unter Berücksichtigung weiterer Ziele möglichst gering bleibt (vgl. Gehring 1996a,S. 46). Die Optimierung der Geschäftsprozesse mit dem Ziel einer Durchlaufzeitredukti-on kann als eines der wesentlichen Ziele des Business Reengineering und damit auch alsZielsetzung für dasWorkflow-Management betrachtet werden. Auf der Ebene des BusinessReengineering geschieht dies durch Analyse und Neugestaltung der Geschäftsprozesse imgrößeren organisatorischen Zusammenhang. DasWorkflow-Management hat das Ziel, diean der Erfüllung der Prozessziele ausgerichteten Prozesse im Detail hinsichtlich der com-puterunterstützten Ausführung zu optimieren. Dies kann z. B. durch weitgehende Paral-lelisierung von Einzelaktivitäten oder dynamische Zuordnung freier Ressourcen erfolgen.Damit verbunden ist die Vermeidung von Warte- und Liegezeiten der zu bearbeitendenInformationsobjekte.

Mit demEinsatz vonWorkflow-Management erhofftman sich imAllgemeinen auchRe-duktionen der Kosten für die Durchführung der Geschäftsprozesse (vgl. z. B. Rolles 1997,S. 121). Das Ziel der Prozesskostenreduktion stellt die Quantifizierung anderer Ziele, wiez. B. Verkürzung der Durchlaufzeiten oder Erhöhung der Produktivität und Auslastungdar. Die Ermittlung der Prozesskosten setzt eine Bewertung der Prozessleistungsmengenvoraus. Dies erfordert wiederum eine Beschreibung der Prozesse in Modellen (vgl. Ber-kau 1995, S. 92). Die bewerteten Prozessmodelle des Workflow-Managements stellen dieInformationsbasis für die Darstellung der Prozesskosten dar.

Die Geschäftsprozesse der Unternehmen unterliegen einem permanenten Wandel,da sie sich an den wechselnden Kundenanforderungen ausrichten müssen. Workflow-Management soll die permanente Adaption von organisatorischen Änderungen derGeschäftsprozesse durch anpassungsfähige Workflow-Modelle flexibel unterstützen (vgl.Oberweis 1996, S. 61). In jüngster Zeit wird dies mit einer Forderung nach einem kontinu-ierlichen Verbesserungsprozess im Rahmen von Workflow-Management verknüpft (vgl.Rolles 1997, S. 122 f.).

Ein informationstechnisches Ziel desWorkflow-Managements ist die prozessorientierteAusrichtung der Informationsverarbeitungssysteme und die zumindest teilautomatisier-te Unterstützung der Durchführung von Arbeitsabläufen (vgl. Kurbel et al. 1997, S. 70).Workflow-Management gilt als Basistechnologie zur Umsetzung von Geschäftsprozessen(vgl. Becker und Vossen 1996, S. 21). Ohne Einsatz des Workflow-Managements stellenInformationsverarbeitungssysteme lediglich eine Automatisierung von einzelnen Funktio-nen bereit, ohne den Gesamtprozess zu betrachten (z. B. die Funktion „Anlegen Kunden-auftrag“ anstelle des gesamten Prozesses „Kundenauftragsbearbeitung“). Durch den Ein-

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50 1 Grundlegende Begriffe

satz von Workflow-Management sollen logisch zusammengehörige Funktionen, die ausAblaufsicht betrachtet einen zusammenhängenden Prozess darstellen, in ihrer Gesamtheitautomatisiert unterstützt werden. Dies soll insbesondere auch dann möglich sein, wenndie einzelnen Funktionen durch verschiedene Informationsverarbeitungssysteme unter-stützt oder manuell ausgeführt werden. Letztlich wird hierdurch erreicht, dass Workflow-Management den „richtigen“ Arbeitsablauf zur Verfügung stellt, der Bearbeiter ihn und dienotwendige Aufbauorganisation nicht vollständig kennen muss.

Die informationstechnischen Architekturen der Unternehmenspraxis sind häufiggewachsene Strukturen, die durch unterschiedliche Hard- und Softwareumgebungengekennzeichnet sind. Durch Workflow-Management wird eine Middleware-Plattformangestrebt, die diese Strukturen aus Sicht der Geschäftsprozessgestaltung integriert. Sokommt aus der Sicht der Unternehmenspraxis der Integration von Legacy Software in dasWorkflow-Management eine hohe Bedeutung zu, da diese die in die vorhandene Soft-ware getätigten Investitionen schützen (vgl. Vogler 1996, S. 351). Unter Legacy Softwaresind hier jedoch insbesondere technologisch veraltete Informationsverarbeitungssyste-me mit gleichzeitig hoher Bedeutung für die Unterstützung der Geschäftsprozesse einesUnternehmens zu verstehen. Aus technischen oder wirtschaftlichen Gründen könnendiese nur langfristig durch neue Technologien abgelöst werden. Sie sind daher kurz- bismittelfristig weiter zu verwenden. Häufig sind solche Lösungen bei Banken, Versicherun-gen, Finanzdienstleistern sowie Verwaltungen anzutreffen (vgl. z. B. Schmidberger 2004,S. 72).

Eine weitere Zielsetzung derUnternehmenspraxis ist die Realisierung von einheitlichenBenutzeroberflächen, die aufgrund der heterogenen Ist-Architektur der Informationstech-nik in vielen Unternehmenmeist nicht verfügbar sind, aber vonEndanwendern gewünschtwerden (vgl. z. B. Vogler 1996, S. 351).

Im Rahmen einer Systematisierung der genannten Ziele des Workflow-Managementsstellt sich insbesondere die Frage, welche strategischenUnternehmensziele für dasWorkflow-Management relevant sind und von diesem zu erfüllen sind. Zielvorgaben lassen sich nurdann wirkungsvoll überprüfen, wennMessgrößen für ein Zielmonitoring vorhanden sind.Daher sind insbesondere diejenigen Workflow-Management-Ziele herauszustellen, fürdie geeignete Messgrößen durch das Workflow-Management selbst bereitgestellt werdenkönnen. Die Messwerte lassen sich bis zur Ebene der strategischen Unternehmenszielekumulieren.

1.4.3 Abgrenzung zum Business Reengineering

Workflow-Management (WFM) lässt sich aufmehrereUrsprünge zurückführen. Einerseitskann es als Weiterentwicklung der Büroautomation in Richtung einer Prozessunterstüt-zung des kaufmännisch-administrativen Bereiches verstanden werden. Andererseits hat esWurzeln im Konzept des Computer Integrated Manufacturing (CIM) des Fertigungsberei-ches, welches sich seit Jahren mit der Automatisierung von Prozessen beschäftigt.

Page 51: Grundkurs Geschäftsprozess-Management || Grundlegende Begriffe

1.4 Workflow-Management 51

Strategisch / InhaltlichRichtigen Prozess definieren

Operativ / TechnischProzess richtig umsetzen

Prozess-Controlling

Business ReengineeringInhaltliche Gestaltung derArbeitsabläufe zur Um-setzung der strategischen Unternehmensziele

Neugestaltung und Opti-mierung der Geschäfts-prozesse zur Erreichungder Geschäftsstrategieziele

Hinsichtlich der Geschäfts-ziel-Unterstützung gestal-tete Geschäftsprozesse

Ziel

Aufgaben-schwer-punkt

Ergebnis

Workflow-Management

Unterstützung der opera-tiven Ausführung von Pro-zessen durch Umsetzungder Geschäftsprozessziele

Voll- oder teilautomatisierteUmsetzung der Geschäfts-prozesse im Rahmen der Ziele der Geschäftsstrategie

Hinsichtlich der zu erreichen-den Geschäftsprozessziele(teil-)automatisierte und optimierte Geschäftsprozesse

Makro-EbeneLevel Mikro-Ebene

Abb. 1.32 WFM versus Business Reengineering

Während das Business Reengineering (Makro-Ebene) die inhaltliche Gestaltung vonProzessen zum Ziel hat, ist die Unterstützung der operativen Ausführung von Prozessendas Ziel des Workflow-Management (Mikro-Ebene). Aus Sicht des Prozesscontrollings„liefert“ das Business-Reengineering den „richtigen“ Prozess, während das Workflow-Management für die „richtige“ Umsetzung sorgt (vgl. Abb. 1.32).

1.4.4 Abgrenzung zumWorkgroup-Computing

Der für die Unterscheidung von Workflow-Kategorien bedeutsame Strukturierungs-grad von Arbeitsabläufen ist auch für die Abgrenzung von Workflow-Management undWorkgroup-Computing vonBedeutung. Zunächst ist auf die unterschiedlich weit gefasstenBegriffe des Workgroup-Computing hinzuweisen: So wird unter Workgroup-Computingdie computerunterstützte Steuerung von Gruppenarbeitsprozessen verstanden. Bei weiterAuslegung gehören dazu die gemeinsame Bearbeitung eines Projektes oder Dokumentes,bei enger Auslegung allerdings auch nur die Anwendung von Groupware-Systemen wieE-Mail, Videokonferenzsystemen oder Gruppenkalendern (Oberweis 1996). Häufig wirdWorkgroup-Computing als eigenständiges Konzept mit gegenläufigen Merkmalsausprä-gungen demWorkflow-Management gegenübergestellt (Hasenkamp et al. 1994).

Da mit dem Begriff des Workgroup-Computing durchweg die Computerunterstützunggering strukturierter oder unstrukturierter Aufgaben verbunden wird, erscheint es vertret-bar, dasWorkgroup-Computing lediglich als einen Spezialfall desWorkflow-Managementseinzustufen (vgl. Abb. 1.33).

Page 52: Grundkurs Geschäftsprozess-Management || Grundlegende Begriffe

52 1 Grundlegende Begriffe

Ad hoc

Workflow

Allgemeiner

Workflow

Fallbezogener

Workflow

EinsatzbandbreiteWorkgroup-Computing

EinsatzbandbreiteWorkflow-Management

Strukturierungsgradder Arbeitsabläufe

strukturiert

unstrukturiert

teilweise strukturiert

Workflow-Kategorie

Abb. 1.33 Workgroup-Computing

Der Begriff des Workflow-Managements ist dann so weit zu fassen, dass er die Unter-stützung sämtlicher Workflow-Kategorien umschließt. Workgroup-Computing deckt da-gegen nur den Teilbereich des gedanklichen Übergangs zwischen der Unterstützung un-strukturierter und vollständig strukturierter Aufgaben ab, der die gering bis nicht struktu-rierten Arbeitsabläufe umfasst.

1.4.5 Analogien zur Luftfahrt

Als Vergleich zwischen Workflow-Management und breiter bekannten Ansätzen lässt sichdas Luftfahrt-Management heranziehen (vgl. Tab. 1.6). Das gesamte Flugstreckennetz ei-ner Luftverkehrsgesellschaft lässt sich mit der Gesamtheit aller Workflow-Modelle einesUnternehmens vergleichen. Demnach ist eine Flugverbindung (z. B. Hamburg-München)mit einem Workflow-Modell (z. B. Reisekostenabrechnung) vergleichbar. Der konkreteFlug auf einer Strecke zu einem bestimmten Datum und einer festgelegten Uhrzeit ent-spricht einer Workflow-Instanz (z. B. Reisekostenabrechnung 08/15 vom 18.03.2004). Dielaufende Überwachung und nachträgliche Analyse der Flugbewegungen entspricht demMonitoring der aktiven Workflow-Instanzen und der Workflow-Analyse ausgeführterInstanzen.

Page 53: Grundkurs Geschäftsprozess-Management || Grundlegende Begriffe

1.5 Wiederholungsfragen zum 1. Kapitel 53

Tab. 1.6 Vergleich Luftfahrt- undWorkflow-Management

Luftfahrt-Management Workflow-ManagementGesamtes Flugnetz einer Luftfahrtgesell-schaft (alle Flugverbindungen)

Gesamtheit allerWorkflow-Modelle einesUnternehmens

Einzelstrecke (z. B. Hamburg-München) Workflow-Modell eines Prozesses (z. B. Reise-kostenabrechnung)

Gesamtheit aller Ressourcen (Flugzeuge,Piloten, Flugbegleiter, Bodenpersonal)

Ressourcen-Modell (Personen, Daten, Appli-kationen)

Zugeordnetes Flugzeug (z. B. LH4711Hamburg-München, 17.04.2004)

Workflow-Instanz (z. B. Reisekostenabrech-nung Nr. 08/15 vom 18.03.2004)

Routenänderung zur Umgehung von kurz-fristig gesperrtem Flugraum (z. B. hoherStaatsbesuch)

Kurzfristige Änderung eines (fallbezogenenoder ad hoc) Workflows (z. B. Überspringender Wirtschaftlichkeitsprüfung einer Dienstrei-se bei Eilbedürftigkeit)

Flugüberwachung der fliegenden Jets in derFlugleitzentrale

Monitoring der aktiven Workflow-Instanzenin Echtzeit

Analyse von Kennzahlen über Flugverspä-tungen, Störungen, Passagierzahlen u. a.

Analyse von ausgeführtenWorkflow-Instanzenhinsichtlich Durchlaufzeit, Liegezeit, Kosten-anfall u. a.

1.5 Wiederholungsfragen zum 1. Kapitel

1. Skizzieren Sie denZusammenhang der Begriffe Strategieentwicklung, Prozess-Manage-ment undWorkflow-Management.

2. Erläutern Sie ausführlich das Konzept des Business Reengineering.3. Grenzen Sie das Konzept der Geschäftsprozessoptimierung vom Ansatz des Business

Reengineering ab.4. Skizzieren Sie grundsätzlicheMöglichkeiten zur Optimierung vonGeschäftsprozessen.5. Skizzieren Sie die Unterschiede der Begriffe Geschäftsprozess undWorkflow.6. Weshalb unterstützt Workflow-Management die Ziele des Business Reengineering?

1.6 Übungen zum 1. Kapitel

Übung 1: Scheitern des Business Reengineering im ersten AnlaufAufgabenstellung:Woran scheiterten die Business Reengineering-Projekte der ersten „Wel-le“ in den 1990er-Jahren?

Lösungshinweis: Zu Beginn der „Reengineering-Euphorie“ fehlten noch geeignete IT-Werkzeuge für die Umsetzung. Viele Projekte beschäftigten sich überwiegend mit Prozes-sen innerhalb des Unternehmens und versäumten es, angrenzende Prozess-Schritte mitLieferanten oder Kunden zu berücksichtigen.

Page 54: Grundkurs Geschäftsprozess-Management || Grundlegende Begriffe

54 1 Grundlegende Begriffe

Übung 2: Zerlegung von GeschäftsprozessenAufgabenstellung:Begründen Sie die Notwendigkeit zur Zerlegung vonGeschäftsprozessenanhand eines Beispiels.

Lösungshinweis: Die Zerlegung dient der Reduzierung der Komplexität und zur ziel-gruppenspezifischenDarstellung der Prozessinhalte, vgl. hierzu das Schema in derAbb. 1.20sowie das Beispiel in Abb. 1.21.

Übung 3: Workflow-Schema undWorkflow-InstanzAufgabenstellung:Erläutern Sie denUnterschied zwischen denBegriffenWorkflow-Schemabzw. Workflow-Modell undWorkflow-Instanz.

Lösungshinweis: Das Workflow-Schema beschreibt einen abstrakten Workflow auf derTyp-Ebene, also einen möglichen Ablauf von mehreren Alternativen. Dies kann z. B. dieBearbeitung von Kundenbestellungen sein. Eine Workflow-Instanz ist eine konkrete Aus-prägung, z. B. ein bestimmter Kundenauftrag, vgl. hierzu auch die Abb. 1.25.

Übung 4: Merkmale Geschäftsprozess undWorkflowAufgabenstellung: Arbeiten Sie die wesentlichen Merkmale der Begriffe Geschäftsprozessund Workflow heraus und stellen Sie diese gegenüber. Begründen sie die Verzahnung derbeiden Prozessbegriffe und nennen Sie Beispiele für mehrere Geschäftsprozesse und hier-auf aufbauenden Workflows aus unterschiedlichen Prozessbereichen (z. B. Finanzen, Lo-gistik, Vertrieb, Personal).

Lösungshinweis: Beiden Begriffen gemeinsam ist, dass sie Arbeitsabläufe beschreiben.Sie unterscheiden sich im Detaillierungsgrad und in der Nähe zur fachlichen Sicht (Ge-schäftsprozess) bzw. zur technischen Umsetzung (Workflow) vgl. hierzu auch die Gegen-überstellung in der Abb. 1.31.

Übung 5: Workflow-Management als EnablerAufgabenstellung: Erläutern Sie, weshalb Workflow-Management auch als „Enabler“ fürBusiness Reengineering angesehen werden kann.

Lösungshinweis:Workflow-Management setzt Business Reengineering, d. h. eine grund-legende Überarbeitung der Geschäftsorganisation eines Unternehmens voraus und stellthierfür die notwendige technische Unterstützung zur Prozessautomatisierung bereit.

1.7 Literaturempfehlungen zum 1. Kapitel

Literaturhinweis BemerkungBPM-Guide (Online-Portal) Das Portal bietet unter der Adresse http://www.bpm-

guide.de einen praxisnahen Einstieg in das Geschäfts-prozessmanagement und Spezialartikel für Experten.

Page 55: Grundkurs Geschäftsprozess-Management || Grundlegende Begriffe

1.7 Literaturempfehlungen zum 1. Kapitel 55

Hirzel et al. (2008) Praxisnaher Einstieg von Autoren aus der Unterneh-menspraxis in das Prozessmanagement mit sehr vielenBeispielen aus unterschiedlichen Unternehmen.

Goldratt und Cox (2001) Einführung in das Prozessmanagement in Form einesspannenden Romans. Eine interessante Urlaubslektüremit fachlichem Anspruch.

Mühlbauer (2010) Anwendungsnahe und gut verständliche Einführungin das Geschäftsprozessprozessmanagement mit demFokus „Bankwirtschaft“. Weitere Kapitel vertiefen spe-zielle Inhalte, z. B. die Simulation.

Osterloh und Frost (2003) Fundierte Einführung in das Prozessmanagement mitFokus auf den Übergang vom Business Reengineeringzum Prozessmanagement und zahlreichen Praxisbei-spielen.

Schmelzer und Sesselmann (2010) Umfassendes Standardwerk mit einer detaillierten Be-schreibung der Konzeption und Vorgehensweise vonGeschäftsprozessmanagement-Projekten. ZahlreichePraxisbeispiele.

Slama und Nelius (2011 Umfassendes Kompendium für den Praktiker. DasBuch bietet ein geschlossenes Framework des Ge-schäftsprozessmanagements unter Berücksichtigungaktueller Themen wie BPMN-Modellierung und Ser-viceorientierten Architekturen (SOA)

Spiller und Bock (2002) Kapitel „20 Tipps zur Verbesserung ihrer Abläufe“(S. 78 ff.) gibt allgemein nutzbare Hinweise für dieProzessoptimierung.

Weinert (2002) Die Fallklausuren 3 + 5 zur Prozessoptimierung (S.205 f. und S. 229) demonstrieren praxisnah das Vorge-hen der Prozessoptimierung


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