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GrundbegriffederTopologie 1 - uni-graz.at2 1 GrundbegriffederTopologie Beispiele Die MengeRnder...

Date post: 27-Jan-2021
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1 Grundbegriffe der Topologie Die Topologie ist das Teilgebiet der Mathematik, welches sich dem Studium der stetigen Abbildungen widmet. Der Begriff der stetigen Abbildung stellt sich schon in der Analysis als wichtig heraus, etwa wenn es darum geht, Abbildungen zwischen metrischen Räumen zu untersuchen, die mit der Grenzwertbildung verträglich sind. An diesen Kontext soll hier zunächst erinnert und dann angeknüpft werden. 1.1 Metrische Räume Definition Eine Metrik auf einer Menge X ist eine Abbildung d W X X ! R; welche die folgenden drei Axiome erfüllt: (M1) Positive Definitheit: Für alle Punkte x;y gilt d.x;y/ > 0 und d.x;y/ D 0 genau dann, wenn x D y. (M2) Symmetrie: Es gilt d.y;x/ D d.x;y/ für alle Punkte x;y. (M3) Dreiecksungleichung: Für je drei Punkte x;y;z ist d.x;z/ 6 d.x;y/ C d.y;z/ erfüllt. Die Zahl d.x;y/ wird der Abstand (d wie engl. distance) von x und y genannt. Ein metrischer Raum ist ein Paar .X;d/, bestehend aus einer Menge X und einer Metrik d auf X . Üblicherweise wird statt des Paares .X;d/ meistens nur X geschrieben. 1 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015 G. Laures, M. Szymik, Grundkurs Topologie, Springer-Lehrbuch, DOI 10.1007/978-3-662-45953-9_1
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  • 1Grundbegriffe der Topologie

    Die Topologie ist das Teilgebiet der Mathematik, welches sich dem Studium der stetigenAbbildungen widmet. Der Begriff der stetigen Abbildung stellt sich schon in der Analysisals wichtig heraus, etwa wenn es darum geht, Abbildungen zwischen metrischen Räumenzu untersuchen, die mit der Grenzwertbildung verträglich sind. An diesen Kontext sollhier zunächst erinnert und dann angeknüpft werden.

    1.1 Metrische Räume

    Definition EineMetrik auf einer Menge X ist eine Abbildung

    d WX �X ! R;

    welche die folgenden drei Axiome erfüllt:

    (M1) Positive Definitheit: Für alle Punkte x; y gilt d.x; y/ > 0 und d.x; y/ D 0 genaudann, wenn x D y.

    (M2) Symmetrie: Es gilt d.y; x/ D d.x; y/ für alle Punkte x; y.(M3) Dreiecksungleichung: Für je drei Punkte x; y; z ist

    d.x; z/ 6 d.x; y/C d.y; z/

    erfüllt.

    Die Zahl d.x; y/ wird der Abstand (d wie engl. distance) von x und y genannt. Einmetrischer Raum ist ein Paar .X; d/, bestehend aus einer Menge X und einer Metrik dauf X . Üblicherweise wird statt des Paares .X; d/ meistens nur X geschrieben. �

    1© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015G. Laures, M. Szymik, Grundkurs Topologie, Springer-Lehrbuch,DOI 10.1007/978-3-662-45953-9_1

  • 2 1 Grundbegriffe der Topologie

    Beispiele Die Menge Rn der reellen n-Tupel zusammen mit der euklidischen Metrik

    d.x; y/ D kx � ykI kxk Dqx21 C x22 C � � � C x2n

    ist ein metrischer Raum. Jede Teilmenge X des Rn wird ein metrischer Raum, wenn mandie Abstandfunktion d auf X einschränkt. Man spricht in diesem Fall von der induziertenMetrik. Ein weiteres Beispiel für einen metrischen Raum ist eine MengeX zusammen mitder diskreten Metrik

    d.x; y/ D�1 für x 6D y0 für x D y :

    Definition Eine Abbildung f WX ! Y zwischen metrischen Räumen heißt stetig ineinem Punkt x aus X , wenn es zu jedem " > 0 ein ı > 0 gibt, so dass für alle x0 aus Xmit d.x; x0/ < ı gilt:

    d.f .x/; f .x0// < ":

    Stetige Funktionen schlechthin sind solche, die in jedem Punkt stetig sind. �

    Beispiele Beispiele für stetige Abbildungen zwischen euklidischen Räumen sollten ausder Analysis geläufig sein: Konstante Abbildungen sind stetig. Die Identität ist stetig.Summen und Produkte stetiger Abbildungen sind stetig (wieso nochmal?). Also sind Po-lynome stetig. Die Exponentialfunktion ist stetig. . .

    Trägt der Definitionsbereich einer Abbildung die diskrete Metrik, so ist sie immerstetig.

    Anschaulich bedeutet Stetigkeit, dass man die Argumente der Abbildung in einer klei-nen Umgebung variieren kann, ohne zu große Schwankungen der Funktionswerte zu er-halten. Es lohnt sich, die Definition einer stetigen Abbildung mit ihren vier Quantorendergestalt zu ändern, dass man die vielen Symbole durch Begriffe ersetzt, welche dieAnschauung in die Situation transportieren. Das soll nun geschehen.

    Definition Ist x ein Punkt in einem metrischen Raum X und " > 0, so heißt die Teil-menge der Punkte aus X , deren Abstand zu x kleiner als " ist, die "-Umgebung von xin X . Allgemeiner ist eine Umgebung von x eine Teilmenge von X , die eine "-Umgebungvon x enthält (Abb. 1.1). �

    Unter Verwendung dieser Begriffe liest sich die obige Definition wie folgt:

    Notiz Eine Abbildung f WX ! Y zwischen metrischen Räumen ist stetig in x, wennes zu jedem " > 0 ein ı > 0 gibt, so dass die ı-Umgebung von x in die "-Umgebungvon f .x/ abgebildet wird.

    Weil man erst das " und dann dazu das ı wählt, sollte man das vielleicht auch von derSeite her aufziehen.

  • 1.1 Metrische Räume 3

    Abb. 1.1 Das ist keine Umge-bung von x

    x

    Abb. 1.2 Die "-Umgebungensind offen δ

    εx

    y

    Notiz Eine Abbildung f WX ! Y zwischen metrischen Räumen ist stetig in x, wenn dieUrbildmenge jeder "-Umgebung V , also

    f �1V D f x 2 X j f .x/ 2 V g;eine ı-Umgebung von x enthält.

    Nun kann man sogar auch noch auf " und ı verzichten.

    Satz 1.1 Eine Abbildung f WX ! Y zwischen metrischen Räumen ist stetig in x, wenndie Urbildmenge jeder Umgebung von f .x/ eine Umgebung von x ist.

    Definition Die Teilmengen von X , die mit jedem Punkt auch eine ı-Umgebung diesesPunktes enthalten, heißen offen. Anders gesagt, eine offene Menge ist eine Teilmenge, diejeden ihrer Punkte umgibt. �

    Beispiele Die leere Menge und X selbst sind immer offen. Die "-Umgebung eines belie-bigen x 2 X ist offen, denn mit jedem ihrer Elemente y liegt auch die ı-Umgebung von yfür

    ı D " � d.x; y/noch ganz in X . Dies folgt aus der Dreiecksungleichung; siehe Abb. 1.2.

    Bei einer offenen Menge stellt man sich vor, dass es um jeden Punkt noch etwas Platzgibt, der auch in der offenen Menge liegt. Jedenfalls kann man nun sagen:

    Satz 1.2 Eine Abbildung zwischen metrischen Räumen ist genau dann stetig, wenn dieUrbildmenge jeder offenen Menge offen ist.

  • 4 1 Grundbegriffe der Topologie

    Die mit diesem Satz gewonnene Charakterisierung der stetigen Abbildungen kann nunals Ausgangspunkt zur Verallgemeinerung dienen. Die Verallgemeinerung ist dabei nichtals Selbstzweck zu sehen.Wenn dieMenge der stetigen Abbildungen nicht von der Metrik,sondern nur vom System der offenen Teilmengen abhängt, sollte man dieser Struktur aucheinen Namen geben. Es stellt sich heraus, dass die Verallgemeinerung es zulässt, Hilfs-räume zu konstruieren, die zwar keine metrischen Räume sind, aber beim Studium dermetrischen Räume helfen. Auf diese Hilfe wird man ungern verzichten wollen.

    Ergänzungen

    Folgenstetigkeit In metrischen Räumen sind stetige Abbildungen genau diejenigen, diemit der Grenzwertbildung von Folgen verträglich sind: Eine Folge .xn/ von Elemen-ten des metrischen Raumes X heißt konvergent gegen x aus X , falls jede Umgebungvon x fast alle Folgenglieder enthält. Eine Abbildung f von X nach Y heißt folgenstetig,wenn konvergente Folgen auf ebensolche abgebildet werden. Stetige Abbildungen sindimmer folgenstetig, denn das Urbild einer Umgebung von f .x/ ist eine Umgebung von xund enthält somit fast alle Folgenglieder. Umgekehrt folgt auch aus der Folgenstetigkeitdie Stetigkeit, denn angenommen f wäre nicht stetig. Dann gibt es eine Umgebung Vvon f .x/, deren Urbildmenge U keine Umgebung von x ist. Konstruiere eine Folge .xn/von Elementen außerhalb von U , wobei der Abstand von xn zu x eine Nullfolge ist. DieseFolge konvergiert gegen x, aber kein Wert f .xn/ liegt in V .

    Das erste Abzählbarkeitsaxiom Metrische Räume erfüllen das erste Abzählbarkeits-axiom, welches besagt, dass es zu jedem Punkt x eine abzählbare Menge B.x/ von Um-gebungen von x mit folgender Eigenschaft gibt: Zu jeder Umgebung U von x existiertein V 2 B.x/mit V � U . Zum Beispiel erfüllt

    B.x/ D fU1=n.x/ j n 2 N g

    die Voraussetzungen. (Ein zweites Abzählbarkeitsaxiom gibt es auch; es wird in Ab-schn. 1.2 erwähnt.) Die Existenz dieser abzählbar vielen Umgebungen ermöglichte dieKonstruktion der Folge in dem obigen Beweis für die Äquivalenz zwischen Stetigkeit undFolgenstetigkeit. Das erste Abzählbarkeitsaxiom weist den metrischen Räumen aber auchihre Grenzen zu: Man kann zeigen, dass jedes System von Umgebungen auf der Mengealler Abbildungen vom Einheitsintervall Œ0; 1� nach R, welches die punktweise Konver-genz von Funktionen erzeugt, das Axiom verletzt (vgl. Abschn. 2.2). Insbesondere kannes keine Metrik zur punktweisen Konvergenz geben.

  • 1.1 Metrische Räume 5

    Übungen

    Ü1.1 – Symmetrie SeiX eine Menge. Eine Funktion d WX �X ! R ist genau dann eineMetrik, wenn

    (M1’) d.x; y/ D 0” x D y;(M2’) d.x; y/ 6 d.x; z/C d.y; z/ für alle x; y; z aus X gilt.

    Gilt das auch, wenn (M2’) durch die übliche Dreiecksungleichung

    (M3’) d.x; y/ 6 d.x; z/C d.z; y/

    ersetzt wird?

    Ü1.2 – Äquivalente Topologien Für Punkte x D .x1; x2/ der Ebene R2 seien

    kxk1 D jx1j C jx2j; kxk2 D .x21 C x22/1=2; kxk1 D maxfjx1j; jx2jg

    die üblichen Normen und d1; d2; d1 die durch d‹.x; y/ D kx � yk‹ definierten Metrikenauf R2. Zeigen Sie, dass diese den gleichen Konvergenzbegriff erzeugen.

    Ü1.3 – Beschränktheit Sei X ein metrischer Raum mit der Metrik d . Zeigen Sie, dassdurch

    d 0.x; y/ D d.x; y/1C d.x; y/

    eine weitere Metrik d 0 definiert wird, die zu d topologisch äquivalent ist (d. h. zumgleichen Konvergenzbegriff führt wie d ).

    Ü1.4 – Französisches Eisenbahnnetz Für je zwei Punkte x; y auf der Kreisscheibe

    D2 D f x 2 R2 j kxk 6 1 g

    sei d.x; y/ D kx � yk, falls x und y auf derselben Gerade durch den Nullpunkt liegen,sonst d.x; y/ D kxk C kyk. Zeigen Sie, dass d eine Metrik ist und dass sie auf demTeilraum

    S1 D f x 2 R2 j kxk D 1 gdie diskrete Metrik induziert. Wie sehen die Umgebungen von .0; 0/ und . 1

    2; 0/ aus?

  • 6 1 Grundbegriffe der Topologie

    Ü1.5 – Längen Bekanntlich lässt sich jede Permutation f von f1; : : : ; ng als Produkt vonTranspositionen benachbarter Elemente schreiben, also

    f D .a1; a1 C 1/ ı � � � ı .ak; ak C 1/

    mit k > 0 und aj 2 f1; : : : ; n � 1g für alle j 2 f1; : : : ; kg. Eine solche Darstellungist aber nicht eindeutig. Die Länge L.f / von f ist das minimale k, für welches es eineDarstellung wie oben gibt. Berechnen Sie die Längen aller Permutationen von f1; 2; 3g.Zeigen Sie, dass durch

    dL.f; g/ D L.f �1 ı g/eine Metrik dL auf der Menge der Permutationen von f1; : : : ; ng definiert wird.

    Ü1.6 – Fixpunkte Für eine Permutation f von f1; : : : ; ng sei M.f / die Anzahl derNichtfixpunkte von f . Zeigen Sie, dass durch

    d.f; g/ DM.f �1 ı g/

    eine Metrik d auf der Menge der Permutationen von f1; : : : ; ng definiert wird.

    Ü1.7 – Bewertungen Sei p eine Primzahl. Für eine ganze Zahl a 6D 0 sei

    vp.a/ D maxfn 2 N jpn teilt ag:

    Für ganze Zahlen x und y sei

    dp.x; y/ D(p�vp .x�y/ x 6D y0 x D y:

    Dann ist dp eine Metrik auf Z. (Für die mathematische Allgemeinbildung: Die Vervoll-ständigung von Z bezüglich dieser Metrik ist wieder ein Ring, der Ring Zp der ganzen p-adischen Zahlen. In diesem Kontext nennt man vp.a/ die p-adische Bewertung von a.)

    Ü1.8 – Identität und Auswertung SeiF dieMenge aller stetigen Funktionen Œ0; 1�! R.Durch

    d1.f; g/ WD supx

    jf .x/ � g.x/j

    d2.f; g/ D

    vuuut1Z

    0

    .f .x/ � g.x//2dx

    werden zwei Metriken d1; d2 auf F definiert. Untersuchen Sie, welche der folgendenAbbildungen stetig sind:

  • 1.2 Topologische Räume 7

    (a) idW .F; d1/ �! .F; d2/(b) idW .F; d2/ �! .F; d1/(c) ev0W .F; d1/ �! RI f 7! f .0/(d) ev0W .F; d2/ �! RI f 7! f .0/

    Ü1.9 – Unstetigkeitsstellen Geben Sie Beispiele von Funktionen f WR ! R an, die anfolgenden Stellen stetig sind:

    (a) nirgends,(b) auf der Menge aller irrationalen Zahlen R nQ und sonst nicht,(c) an der Stelle 0 und sonst nicht.(d) Gibt es eine Funktion, die auf Q stetig ist und sonst nicht?

    Ü1.10 – Das kleine Einspluseins Gibt es eine Abbildung f WR! R, welche den Bedin-gungen f .x C y/ D f .x/C f .y/ und f .x � y/ D f .x/ � f .y/ für alle reellen Zahlen xund y genügt, und die nicht stetig ist?

    1.2 Topologische Räume

    Sobald erkannt ist, dass man die Stetigkeit von Abbildungen zwischen metrischen Räumendurch Verwendung der offenen Mengen charakterisieren kann, ist es leicht, von stetigenAbbildungen f WX ! Y zu sprechen, selbst wenn X und Y nicht notwendig metrischeRäume sind: Es reicht, wenn gewisse Teilmengen von X und Y als offen ausgezeichnetsind. Es hat sich bewährt, von der Menge der offenen Teilmengen einige Eigenschaften zufordern.

    Definition Eine topologische Struktur oder kurz Topologie auf einer Menge X ist eineMenge T von Teilmengen von X , die offen genannt werden, so dass die folgenden dreiAxiome gelten:

    (T1) Die Teilmengen ; und X sind offen.(T2) Der Durchschnitt endlich vieler offener Mengen ist offen.(T3) Die Vereinigung beliebig vieler offener Mengen ist offen.

    Ein topologischer Raum ist ein Paar .X;T /, bestehend aus einer Menge X und einertopologischen Struktur T auf X . Üblicherweise wird ein topologischer Raum .X;T /einfach mit X bezeichnet.

    Eine TeilmengeM eines topologischen Raumes X heißt Umgebung von x 2 M , fallses eine offene Menge U gibt, die x 2 U �M erfüllt. �

  • 8 1 Grundbegriffe der Topologie

    Abb. 1.3 Die verschiedenen Topologien auf einer dreielementigen Menge

    Mit (T3) ergibt sich das folgende Resultat:

    Notiz Die offenen Mengen eines topologischen Raumes sind genau diejenigen, die jedenihrer Punkte umgeben.

    Beispiel Es gibt viele Möglichkeiten, eine Menge mit einer Topologie zu versehen. ZumBeispiel zeigt Abb. 1.3 alle möglichen Topologien (ohne Permutationen der Elemente)einer dreielementigen Menge.

    Beispiel Sei .X; d/ ein metrischer Raum. Dann ist die Menge T .d/ der offenen Mengeneine topologische Struktur auf X . Es ist vielleicht schon klar, wieso man nicht auch for-dert, dass die Durchschnitte beliebig vieler offener Mengen wieder offen sein sollen. Dasist nämlich in metrischen Räumen nicht richtig: Für jeden Punkt x ist zwar fxg der Durch-schnitt der "-Umgebungen von x, aber deswegen ist die Teilmenge fxg noch lange nichtoffen. Für X D R mit der Standardmetrik stimmt das etwa nicht. Ferner beachte man,dass es auf derselben Menge X verschiedene Metriken d 6D d 0 geben kann, so dassdie dazugehörenden Topologien übereinstimmen: T .d/ D T .d 0/ (vgl. hierzu Übungenaus Abschn. 1.1).

    Beispiel Ist X eine beliebige Menge, so definiert die Potenzmenge von X eine Topolo-gie auf X . Sie wird die diskrete Topologie genannt und X heißt diskreter Raum. DieseTopologie stimmt mit der Topologie zur diskreten Metrik überein.

  • 1.2 Topologische Räume 9

    Beispiel Die Klumpentopologie auf einer Menge besteht nur aus der leeren Menge unddem Raum selbst.

    Die Topologien auf einer Menge X sind durch Inklusion geordnet. Man sagt, eineTopologie T1 sei gröber als eine Topologie T2 und T2 dann entsprechend feiner als T1,wenn T1 � T2 gilt, wenn also jede offene Menge von .X;T1/ auch offen in .X;T2/ ist.Das ist genau dann der Fall, wenn die Identität

    .X;T2/ �! .X;T1/

    stetig ist. Die Klumpentopologie ist die gröbste Topologie aufX , die diskrete ist die feins-te. Beispiele dazwischen – und das sind die meisten interessanten Topologien – sind durchdie metrischen Räume gegeben.Weitere folgen in den Übungen und im Verlauf dieses Bu-ches.

    Definition Eine Abbildung f WX ! Y zwischen topologischen Räumen heißt stetig in x,wenn die Urbilder der Umgebungen von f .x/ Umgebungen von x sind. Eine Abbildungzwischen topologischen Räumen heißt stetig, wenn die Urbildmengen offener Mengenoffen sind bzw. wenn f in jedem Punkt stetig ist. �

    Diese Definition wurde im vorangegangenen Abschnitt motiviert, und sie soll hier nurder Deutlichkeit wegen nochmals wiederholt werden. Es sollte nie vergessen werden, dasses die stetigen Abbildungen sind, die in der Topologie studiert werden; die topologischenRäume treten nur als deren Tragflächen auf. Dennoch ist es beim Einstieg in die Topologieoft so, dass der Begriff der stetigen Abbildung schon aus der Analysis mit Anschauungbehaftet ist, während die topologischen Räume in ihrer Allgemeinheit noch unvertrautsind. Deswegen werden in den nächsten Abschnitten die topologischen Räume noch etwasim Vordergrund stehen, bevor sich dann nach und nach die Erkenntnis durchsetzen wird,dass man diese doch nur mit Hilfe der stetigen Abbildungen verstehen kann.

    Ergänzungen

    Metrisierbarkeit Ein topologischer Raum .X;T / wird metrisierbar genannt, wenn eseine Metrik d auf X gibt, so dass T D T .d/ gilt. Wir haben in den Ergänzungen desletzten Kapitels gesehen, dass hierzu das erste Abzählbarkeitsaxiom notwendig ist. Hin-reichend (für Räume, die das dritte Trennungsaxiom erfüllen, siehe Abschn. 3.2) ist daszweite Abzählbarkeitsaxiom, welches besagt, dass man die abzählbare Menge B.x/ unab-hängig von x wählen kann. Dieses ist allerdings nicht notwendig. Ein exaktes Kriteriumwurde von Bing, Nagata und Smirnov gefunden, siehe 10.B in [vQ79].

  • 10 1 Grundbegriffe der Topologie

    Konvergenz Der Konvergenzbegriff von Folgen in topologischen Räumen ist wie beimetrischen Räumen über die Umgebungen definiert. Allerdings kann es in allgemeinentopologischen Räumen, anders als in metrischen Räumen, Folgen geben, die gegen zweiverschiedene Grenzwerte konvergieren. Versieht man die Menge f0; 1g mit der Klum-pentopologie, so konvergiert beispielsweise die Folge 0; 0; : : : gegen 0 und gegen 1. Er-füllt X die Hausdorff-Eigenschaft, lassen sich also je zwei Punkte durch Umgebungentrennen (siehe Abschn. 3.2), so ist der Grenzwert immer eindeutig.

    Übungen

    Ü1.11 – Endliche-Komplemente-Topologie Zeigen Sie: Ist X eine Menge, so bildenalle Teilmengen von X , deren Komplemente endlich oder ganz X sind, eine Topologieauf X .

    Ü1.12 – Ordnungstopologie Sei X eine linear geordnetete Menge. (Das kann man inAbschn. 1.4 nachschlagen.) Man betrachte Teilmengen der Form fx 2 X j a < x < bgsowie die beiden Teilmengen fx 2 X j k < xg und fx 2 X j x < gg, wenn es ein kleinstesElement k oder ein größtes Element g gibt. Die Menge der Vereinigungen solcher Mengenist eine Topologie auf X .

    Ü1.13 – Mengenlehre Sei f WX ! X 0 eine Abbildung zwischen den MengenX undX 0.Untersuchen Sie, ob die folgenden Aussagen immer gelten; und wenn nicht, so geben Siemöglichst einfache Bedingungen für f an, die notwendig und hinreichend sind.

    (a) f .A [ B/ D f .A/ [ f .B/ (a’) f �1.A0 [ B 0/ D f �1.A0/[ f �1.B 0/(b) f .A \ B/ D f .A/ \ f .B/ (b’) f �1.A0 \ B 0/ D f �1.A0/\ f �1.B 0/(c) f .X n A/ D X 0 n f .A/ (c’) f �1.X 0 n A0/ D X n f �1.A0/(d) f �1.f .A// � A (d’) f .f �1.A0// � A0(e) f �1.f .A// � A (e’) f .f �1.A0// � A0

    jeweils für alle A;B � X bzw. alle A0; B 0 � X 0.

    Ü1.14 – Die Zariski-Topologie Sei A ein kommutativer Ring mit Eins. Sei Spec.A/ dieMenge der Primideale von A. Eine Nullstelle eines Elementes f von A ist ein Primide-al P , so dass f=P D 0 im Restklassenring A=P gilt, also wenn f in P enthalten ist. Fürjedes f in A sei N.f / � Spec.A/ die Nullstellenmenge von f . Für jede Teilmenge Svon A sei N.S/ DTf 2S N.f / und U.S/ das Komplement davon. Dann ist

    fU.S/ � Spec.A/ jS � Ag

    eine topologische Struktur auf Spec.A/. Solche Topologien spielen in der algebraischenGeometrie eine grundlegende Rolle.

  • 1.3 Abgeschlossene Teilmengen 11

    1.3 Abgeschlossene Teilmengen

    Definition Eine Teilmenge A eines topologischen Raumes X heißt abgeschlossen in X ,wenn ihr Komplement X n A offen in X ist. �

    Damit ist ‚abgeschlossen‘ also nicht ‚das Gegenteil von offen‘. Eine Teilmenge kannsowohl offen in X als auch abgeschlossen inX sein, wie etwa ; undX in jedem RaumX .Und es gibt Teilmengen, die weder offen noch abgeschlossen sind, etwa Q in R. Hierlauern vermeidbare Anfängerfehler.

    Notiz Beliebige Durchschnitte und endliche Vereinigungen abgeschlossener Mengensind abgeschlossen.

    Dies folgt direkt aus den DeMorganschen Regeln:

    � Das Komplement der Vereinigung ist der Durchschnitt der Komplemente.� Das Komplement des Durchschnittes ist die Vereinigung der Komplemente.

    In Formeln:X n �

    [i2IUi� D

    \i2I.X n Ui/

    X n �\i2IUi� D

    [i2I.X n Ui/:

    Außerdem gilt die folgende Aussage (vgl. Ü1.9):

    Notiz Eine Abbildung f WX ! Y zwischen topologischen Räumen X und Y ist genaudann stetig, wenn die Urbilder der abgeschlossenen Teilmengen von Y alle abgeschlossenin X sind.

    Deswegen hätte man die mengentheoretische Topologie auch auf dem Begriff der abge-schlossenen Menge statt auf dem der offenen Menge aufbauen können.

    Definition Der Durchschnitt aller abgeschlossenen Mengen, dieM enthalten, ist wiedereine abgeschlossene Teilmenge von X , die M enthält. Sie wird der Abschluss von Min X genannt und mit M bezeichnet. Eine Teilmenge M eines topologischen Raumesheißt dicht in X , wennM D X gilt. �

    Beispiele Anschaulich entspricht der Abschluss vonM der Menge aller Punkte, welchedie MengeM berühren (vgl. hierzu auch die nachfolgende Ergänzung). Beispielsweise istder Abschluss der TeilmengeM D f 1=n j n 2 N g vonR die MengeM [f0g. Jede abge-schlossene MengeAmuss nämlich mitM auch den Nullpunkt enthalten, weil sonstX nA

  • 12 1 Grundbegriffe der Topologie

    eine offene Umgebung von 0 ist, die M nicht schneidet. Ähnlich kann man argumentie-ren, um einzusehen, dass der Abschluss von Œ0; 1Œ in R das Intervall Œ0; 1� ist oder dassQdicht in R liegt.

    Notiz Eine Teilmenge M ist genau dann abgeschlossen, wenn M D M gilt. Insbeson-dere istM DM .

    Definition Die MengeıM D X n .X nM/

    heißt das Innere vonM . Ihr Komplement

    @M DM n ıM

    heißt der Rand der MengeM in X . �

    Notiz Die MengeıM ist die größte offene Menge, die inM enthalten ist.

    Beispiele Der Rand von Q in R ist R. Der Rand eines nichtausgearteten Intervalls sinddessen Grenzen.

    Definition Eine stetige Abbildung f WX ! Y zwischen topologischen Räumen Xund Y heißt abgeschlossen (beziehungsweise offen), wenn das Bild jeder abgeschlos-senen (beziehungsweise offenen)Menge vonX abgeschlossen (beziehungsweise offenen)in Y ist. �

    Beispiele Die Abbildungf WR �! R; x 7! x

    ist sowohl abgeschlossen als auch offen. Die Abbildung

    f WR �! R; x 7! 0

    ist abgeschlossen, aber nicht offen. Die Abbildung

    f WR �! R; x 7! arctan.x/

    ist nicht abgeschlossen, aber offen. Die Abbildung

    f WR �! R; x 7! j arctan.x/ j

    ist weder abgeschlossen noch offen.

  • 1.3 Abgeschlossene Teilmengen 13

    Abb. 1.4 Das ist ein Berühr-punkt vonM

    M

    Ergänzung

    Berührpunkte Ein Punkt x eines topologischen Raumes X heißt Berührpunkt vonM � X , wenn jede Umgebung von x die Menge M schneidet (Abb. 1.4). Die Mengeder Berührpunkte enthältM und ist abgeschlossen, denn angenommen x hat eine Umge-bung U , die M nicht schneidet, dann können wir ohne Einschränkung U als offenannehmen. Das Komplement von U ist also abgeschlossen und enthält M . Also enthältes auch M . Weil U also auch den Abschluss nicht schneidet und x beliebig war, ist dasKomplement der Berührpunkte offen. Elemente im Abschluss sind also stets Berührpunk-te. Die Umkehrung gilt ebenfalls: Jede abgeschlossene Menge A, die M enthält, enthältauch die Berührpunkte, denn das Komplement von A ist eine offene Umgebung, die Mnicht schneidet.

    Übungen

    Ü1.15 – Ränder Bestimmen Sie die Ränder der folgenden Teilmengen des R2:

    (a) M D f .x; y/ j x > 0 und y 6D 0 g(b) M D f .x; y/ j 0 6 x2 � y2 < 1 g

    Ü1.16 – Verklebung stetiger Funktionen Sei X D A [ B , und A;B seien abge-schlossen. Seien f WA ! Y und gWB ! Y stetig und f .x/ D g.x/ für alle x imDurchschnitt A \ B . Zeigen Sie, dass dann die Abbildung hWX ! Y mit h.x/ D f .x/für x 2 A und h.x/ D g.x/ für x 2 B wohldefiniert und stetig ist.

    Ü1.17 – Dreimal ist einmal Ist A eine abgeschlossene Teilmenge eines topologischenRaumes X , so auch A0 D X n A. Es gilt A000 D A0.

    Ü1.18 – Sport Wieviele Mengen lassen sich aus einer Teilmenge M von R durchAbschluss- und Komplementbildung höchstens bilden?

    Ü1.19 – Kuratowskis Hüllenaxiome Seien X eine Menge und h eine Abbildung derPotenzmenge PX in sich mit folgenden Eigenschaften:

  • 14 1 Grundbegriffe der Topologie

    (K1) h.;/ D ;(K2) A � hA(K3) hhA D hA(K4) h.A [ B/ D hA [ hB

    für alle A;B � X . Es gibt genau eine Topologie auf X , so dass für jede Teilmenge Ain X die Menge hA der Abschluss von A bezüglich dieser Topologie ist.

    Ü1.20 – Abschluss Eine Abbildung f zwischen topologischen Räumen ist genau dannstetig, wenn für alle TeilmengenM der Quelle f .M/ � f .M/ gilt.

    1.4 Die Kategoriensprache

    Wie schon zuvor betont, wird die Klasse der topologischen Räume erst dadurch interessant,weil man zwischen je zwei topologischen Räumen die Menge der stetigen Abbildungenbetrachten kann. Die folgende Notiz ergibt sich unmittelbar aus der Definition der Stetig-keit. Ihre Bedeutung ist deswegen aber nicht gering, ermöglicht sie es doch, kompliziertestetige Abbildungen aus einfachen stetigen Abbildungen zusammenzusetzen.

    Notiz Ist X ein topologischer Raum, so ist die Identität idX WX ! X eine stetige Abbil-dung. Sind f WX ! Y und gW Y ! Z stetige Abbildungen, so ist auch die Komposi-tion gf WX ! Z stetig (Abb. 1.5).

    Mit ‚gelehrten‘ Worten gesagt: Die Klasse der topologischen Räume bildet zusammenmit den stetigen Abbildungen zwischen ihnen eine Kategorie. In diesem Abschnitt sollerklärt werden, was das bedeutet.

    Die Kategoriensprache eignet sich gut dazu, häufig wiederkehrende Phänomene undKonstruktionen in einen einheitlichen, konzeptionellen Rahmen zu fassen. Das Lernender neuen Vokabeln wird sich schnell bezahlt machen. Die Standardreferenz ist [Mac98].

    Definition Eine Kategorie C besteht aus den folgenden Daten. Zunächst einer Klas-se, deren Elemente Objekte genannt werden. Dann für je zwei Objekte X und Y einerMengeMorC.X; Y /, deren ElementeMorphismen genanntwerden. Statt f 2 MorC.X; Y /schreibt man oft f WX ! Y . Für je drei Objekte X , Y und Z braucht man eine Verknüp-fung

    MorC.Y;Z/�MorC.X; Y /! MorC.X;Z/; .g; f / 7! gf;genannt Komposition. Schließlich muss es zu jedem Objekt X ein Element idX inMorC.X;X/ geben, die Identität von X . Die einzigen Axiome, denen diese Daten genü-gen sollen, sind die Assoziativität der Komposition

    h.gf / D .hg/f

  • 1.4 Die Kategoriensprache 15

    YX

    Z

    f(x)x

    gf(x)

    f

    ggf

    W

    g−1(W )f−1g−1(W ) = (gf)−1(W )

    Abb. 1.5 Die Komposition stetiger Abbildungen ist stetig

    und die Neutralität der Identitäten

    f idX D f D idY f: �

    Bevor hier erste Beispiele für Kategorien genannt werden, soll das Wort ‚Klasse‘ kom-mentiert werden. Es wird in der Definition verwendet, weil die Objekte vieler Kategorienkeine Menge bilden und weil man die berühmten Widersprüche der Mengenlehre vermei-den will. So kann man von einer Klasse sprechen, deren Objekte die Mengen sind, nichtaber von der Menge aller Mengen. Kategorien, deren Objekte eine Menge bilden, werdenklein genannt. Es sei an dieser Stelle empfohlen, ohne schlechtes Gewissen über dieseFeinheit hinwegzusehen, um sich gleich auf die interessanten Beispiele zu stürzen.

    Beispiele Beispiele für Kategorien gibt es in Hülle und Fülle. In vielen Beispielen vonKategorien sind die Objekte Mengen ‚mit Struktur‘ und die Morphismen sind die ‚struk-turerhaltenden‘ Abbildungen. So gibt es etwa die Kategorie Sets der Mengen undAbbildungen, die Kategorie Grp der Gruppen und Gruppenhomomorphismen, dieKategorie AbGrp der abelschen Gruppen und ihrer Homomorphismen und die Kate-gorie der Ringe und Ringhomomorphismen. Ist K ein Körper, so gibt es die Kategorieder K-Vektorräume und K-linearen Abbildungen. Kurz gesagt: Die Algebra ist vol-ler Kategorien. Und die Topologie beginnt damit, die Kategorie Top der topologischenRäume und stetigen Abbildungen zu definieren.

    Die algebraische Topologie beschäftigt sich unter anderem damit, diese oder ähnli-che Kategorien ‚topologischer Objekte‘ in Kategorien ‚algebraischer Objekte‘ abzubilden,um topologische Probleme dann mit algebraischer Hilfe zu bearbeiten. Die Abbildungen

  • 16 1 Grundbegriffe der Topologie

    zwischen Kategorien haben übrigens einen eigenen Namen: Funktoren. Sie werden abererst dann erklärt, wenn wir sie unbedingt brauchen: in Abschn. 6.2.

    Aus jeder Kategorie C kann die entgegengesetzte (engl. opposite) Kategorie Cop produ-ziert werden, indem man die Pfeilrichtungen umkehrt. Beide Kategorien haben also die-selben Objekte, aber die MorphismenX ! Y in Cop sind durch die Morphismen Y ! Xin C gegeben. Das sieht auf den ersten Blick nicht sehr interessant aus, ist aber für theo-retische Zwecke sehr nützlich. So gibt es zu jeder Vokabel der Kategoriensprache einensogenannten ‚dualen‘ Begriff, den man durch Umdrehen aller Pfeile erhält; der eine Be-griff unterscheidet sich dann von dem anderem oft nur durch die Vorsilbe ‚ko-‘. Beispielewerden wir alsbald kennenlernen: Produkte und Koprodukte, Faserungen und Kofaserun-gen, simplizial und kosimplizial. . .

    Definition Ein Morphismus f WX ! Y einer Kategorie C wird ein Isomorphismusgenannt, wenn wenn es einen Morphismus gW Y ! X in die umgekehrte Richtung gibt, sodass gf D idX und fg D idY gelten. (Man zeige, dass ein solches Inverses, falls existent,immer eindeutig ist.) Die Isomorphismen in der Kategorie der topologischen Räume undstetigen Abbildungen werden übrigens Homöomorphismen genannt. �

    Zwei topologische Räume X und Y sind demnach homöomorph, wenn es stetigeAbbildungen f WX ! Y und gW Y ! X gibt, so dass gf D idX und fg D idY gelten.Zwei homöomorphe Räume werden in der Topologie als gleichwertig angesehen, undeines der Grundprobleme der Topologie besteht darin, zu unterscheiden, ob zwei gege-bene Räume homöomorph sind oder nicht. Wenn sie dann homöomorph sind, stellt sichgleich darauf die Frage, wieviele Homöomorphismen es denn zwischen ihnen gibt.

    Eine wichtige Warnung gleich an dieser Stelle: Homöomorphismen sind automatischbijektiv, aber nicht jede stetige Bijektion ist ein Homöomorphismus. Beispielsweise kön-nen wir jede Menge mit der diskreten Topologie und mit der Klumpentopologie verse-hen. Die Identität ist dann eine stetige Abbildung von der diskreten Topologie in dieKlumpentopologie. Sobald die Menge mindestens zwei verschiedene Elemente hat, ist dieUmkehrabbildung aber nicht stetig. Es gibt aber Klassen topologischer Räume, zwischendenen stetige Bijektionen schon Homöomorphismen sind. Ein entsprechender Satz findetsich in Abschn. 4.1.

    Definition Ein Morphismus f WX ! X , also ein Endomorphismus von X , der auch einIsomorphismus ist, heißt auch ein Automorphismus von X . Die Automorphismen bildeneine Gruppe bezüglich der Komposition, mit der Identität als neutralem Element, die Au-tomorphismengruppe AutC.X/. �

    Viele Gruppen treten als Automorphismengruppen in Erscheinung. So sind diesymmetrischen Gruppen die Automorphismengruppen der Menge f1; : : : ; ng, und dieAutomorphismengruppen der K-VektorräumeKn sind die allgemeinen linearen GruppenGL.n;K/.

  • 1.4 Die Kategoriensprache 17

    Beispiel Jede Gruppe G tritt als Automorphismengruppe eines Objektes einer Kategorieauf. Beispielsweise kann man die Kategorie betrachten, die genau ein Objekt hat, undderen (einzige) Morphismenmenge gerade G ist. Die Komposition und Identität sinddann durch die Gruppenstruktur gegeben. Das ist dann eine kleine Kategorie, denn sie hatnur ein Objekt. Die Automorphismengruppe dieses Objektes ist die Gruppe G. Deswegenwird diese Kategorie selber auch mit G bezeichnet. Gruppen sind im Wesentlichen das-selbe wie kleine Kategorien, mit genau einem Objekt, dessen Endomorphismen alleIsomorphismen sind.

    Ist eine Komposition

    Xs�! Y r�! X

    die Identität vonX , also rs D idX , so heißt s ein Schnitt (oder Rechtsinverses) von r und reine Retraktion (oder Linksinverses) von s. Man nennt X dann auch ein Retrakt von Y .

    Ergänzung

    Partiell geordnete Mengen Eine partiell geordnete Menge ist eine kleine Kategorie, inwelcher die Morphismenmengen jeweils höchstens ein Element haben, und in welcherjeder Isomorphismus eine Identität ist. Es wird X 6 Y geschrieben, wenn es einenPfeil X ! Y gibt. Eine partiell geordnete Menge ist linear geordnet, wenn es zwischenje zwei Elementen genau einen Morphismus gibt.

    Ist .X;TX/ ein topologischer Raum, so ist die Topologie TX eine Kategorie durch dieInklusionen der offenen Teilmengen untereinander. Das ist eine partiell geordnete Menge,die im Allgemeinen nicht linear geordnet ist. Diese Kategorien spielen in Kap. 10 einegroße Rolle.

    Die partiell geordnete Menge f0 6 1 6 2 6 � � � 6 ng wird mit Œn� bezeichnet. Sieist linear geordnet. Diese Kategorien spielen in Kap. 11 eine große Rolle. Die Objektevon Œn� sind die n C 1 Zahlen 0; : : : ; n. Es steht n demnach nicht für die Anzahl derObjekte, sondern für die ‚Dimension‘ der Kategorie: Man stellt sich die Objekte von Œn�als die Ecken eines n-Simplizes vor (siehe dort).

    Übungen

    Ü1.21 – Rechts- und Linksinverse Seien f; g; h Morphismen in einer Kategorie C, fürdie gf D id und f h D id gelte. Zeigen Sie, dass dann f ein Isomorphismus ist und g D hgilt.

    Ü1.22 – Homöomorphie Wieviele paarweise nicht homöomorphe topologische Räumemit zwei Elementen gibt es? Im Allgemeinen ist die genaue Bestimmung der Anzahl der

  • 18 1 Grundbegriffe der Topologie

    Homöomorphieklassen endlicher Räumemit vorgegebener Zahl von Elementen ein bisherungelöstes Problem. Siehe etwa [Ern74] und auch [Sto66] für mehr zu endlichen topologi-schen Räumen.

    Ü1.23 – Dreimal ist keinmal Sei T eine Topologie auf der Menge X D f1; 2; 3g.Dann ist die Homöomorphismengruppe von .X;T / eine Untergruppe der symmetrischenGruppe mit 3Š D 6 Elementen. Man zeige: Es gibt keine Topologie T deren Homöomor-phismengruppe genau drei Elemente hat. Gibt es überhaupt einen topologischen Raum,dessen Homöomorphismengruppe genau drei Elemente hat?

    Literatur

    [Ern74] Erné, M. Struktur- und Anzahlformeln für Topologien auf endlichen Mengen.ManuscriptaMath. 11 (1974) 221–259.

    [Mac98] Mac Lane, S. Categories for the working mathematician. Second edition. Graduate Textsin Mathematics, 5. Springer-Verlag, New York, 1998.

    [vQ79] von Querenburg, B. Mengentheoretische Topologie. Springer-Verlag, Berlin–New York,1979.

    [Sto66] Stong, R.E. Finite topological spaces. Trans. Amer. Math. Soc. 123 (1966) 325–340.

  • 4Kompaktheit und Abbildungsräume

    In diesem Abschnitt wird zunächst der Begriff der Kompaktheit topologischer Räume ein-geführt. Danach wird er zu dem Begriff der eigentlichen Abbildung relativiert. Es folgt eintechnischer Anschnitt über den Satz von Tychonoff, der bei der ersten Lektüre übergangenwerden kann. Anschließend widmen wir uns den Abbildungsräumen: Wie es schon in derAnalysis vor allem die Funktionenräume sind, denen das Interesse gilt, so sind es auchin der Topologie die Räume von stetigen Abbildungen, welche äußerst wichtige Beispielevon topologischen Räumen liefern. Das Kapitel wird von einem technischen Abschnittüber die Kategorie der (lokal) kompakt erzeugten Räume abgeschlossen, der zunächstauch übergangen werden kann.

    4.1 Kompaktheit

    Aus der Analysis ist vielleicht in Erinnerung, dass ‚kompakt‘ etwas mit ‚abgeschlossenund beschränkt‘ zu tun hat. Das stimmt auch, und der entsprechende Satz findet sich in Ab-schn. 4.2. Aber die mengentheoretische Topologie fußt nunmal auf den offenen Mengen,und deshalb wird der Begriff zunächst mit diesen definiert:

    Definition SeiX ein topologischer Raum. Eine Familie .Uj j j 2 J / offener Teilmengenvon X ist eine offene Überdeckung, wenn jeder Punkt von X in einer der Mengen Ujliegt. Ist I eine Teilmenge der Indexmenge J , so dass auch .Uj j j 2 I / eine offene Über-deckung ist, so spricht man von einer Teilüberdeckung. Eine offene Überdeckung heißtendlich oder abzählbar, wenn dies auf die Indexmenge zutrifft. Hat jede offene Überde-ckung von X eine endliche Teilüberdeckung, so wird X kompakt genannt. �

    Kompaktheit ist offenbar eine topologische Invariante, sind zwei Räume also homöo-morph zueinander, so ist der eine kompakt genau dann, wenn der andere es ist.

    55© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015G. Laures, M. Szymik, Grundkurs Topologie, Springer-Lehrbuch,DOI 10.1007/978-3-662-45953-9_4

  • 56 4 Kompaktheit und Abbildungsräume

    Beispiel Das Intervall Œ0; 1� ist kompakt, auchwenn dasmit der eben gegebenenDefinitionnicht offensichtlich ist und deswegen auch begründet werden soll. Sei dazu .Uj j j 2 J /eine offene Überdeckung von Œ0; 1�. Wir betrachten die Teilmenge

    M D fs 2 Œ0; 1� jEs gibt eine endliche Teilüberdeckung von Œ0; s�.g

    von Œ0; 1�. Jedenfalls liegt 0 darin. Ferner gilt: Liegt s in M , so liegt das ganze Inter-vall Œ0; s� darin. Sei nun t das Supremum vonM . Dann gibt es eine Überdeckungsmenge,die t enthält. Diese enthält dann aber auch einen Punkt s ausM . Die Überdeckungsmengeund die endliche vielen Mengen, die Œ0; s� überdecken, überdecken dann zusammen Œ0; t �.Somit liegt t in M . Das Argument zeigt aber auch, dass t nicht kleiner als 1 sein kann,denn sonst lägen Punkte inM , die größer als t sind. Also ist t D 1. Weil t inM liegt, gibtes dann eine endliche Teilüberdeckung von Œ0; 1�. Somit ist Œ0; 1� kompakt.

    Bevor wir uns mit weiteren Beispielen beschäftigen, sollten wir uns davon überzeugen,dass Kompaktheit eine nützliche Eigenschaft topologischer Räume ist. Das aber zeigendie folgenden Sätze.

    Satz 4.1 Jede abgeschlossene Teilmenge jedes kompakten Raumes ist als Unterraumkompakt.

    Beweis Sei A abgeschlossen im kompakten Raum X . Ist dann .Uj j j 2 J / eine offeneÜberdeckung von A, so gibt es nach Konstruktion der Unterraumtopologie offene Teil-mengen Vj in X mit Uj D A\ Vj . Die Vj bilden dann nicht notwendig eine offene Über-deckung von X , aber man erhält eine solche, wenn man noch die offene Teilmenge X nAvon X hinzufügt. Nach Voraussetzung reichen dann endlich viele davon aus, um X zuüberdecken. Die entsprechenden endlich vielen Uj überdecken A. �

    Satz 4.2 Jeder kompakte Unterraum eines Hausdorff-Raumes ist abgeschlossen indiesem.

    Beweis SeiX ein Hausdorff-Raum undK ein kompakter Unterraum. Es reicht zu zeigen,dass das Komplement X nK offen in X ist. Ist x ein Punkt in diesem Komplement, danngibt es zu jedem Punkt k von K zwei disjunkte offene Umgebungen Uk und Vk von kund x. Dann ist .Uk j k 2 K/ eine offene Überdeckung von K. Nach Voraussetzung gibtes also eine endliche Teilüberdeckung .Uk j k 2 K0/ davon. Dann ist aber

    \k2K0

    Vk

    eine offene Umgebung von x, die K nicht schneidet. Weil eine solche somit zu jedem xaus X nK existiert, ist das Komplement von K offen in X (Abb. 4.1). �

  • 4.1 Kompaktheit 57

    Abb. 4.1 Zum Beweis vonSatz 4.2

    k

    k′

    Uk

    Uk′

    Vk′

    Vk

    x

    Satz 4.3 Das Bild jedes kompakten Raumes unter jeder stetigen Abbildung ist ein kom-pakter Unterraum.

    Beweis Sei X ein kompakter Raum und f WX ! Y eine stetige Abbildung in einenweiteren Raum Y . Dann ist behauptet, dass f .X/ ein kompakter Unterraum von Y ist. Seialso .Uj j j 2 J / eine offene Überdeckung von f .X/. Nach Konstruktion der Unterraum-topologie gibt es offene Teilmengen Vj von Y mit Uj D f .X/ \ Vj . Die Urbilder lieferneine offene Überdeckung .f �1.Vj / j j 2 J / von X . Nach Voraussetzung hat sie eineendliche Teilüberdeckung .f �1.Vj / j j 2 J0/. Es reicht nun zu zeigen, dass .Uj j j 2 J0/eine offene Überdeckung von f .X/ ist. Das sieht man so: Ist y in f .X/, so gibt es ein xin X mit y D f .x/. Das x liegt in einem f �1.Vj / mit einem j aus J0. Dann liegt aber yin f .f �1.Vj // D Vj \ f .X/ D Uj mit diesem j aus J0. �

    Für die nächste Folgerung wird jeder der drei vorangegangenen Sätze verwendet.

    Folgerung 4.4 Eine stetige Abbildung von einem kompakten Raum in einen Hausdorff-Raum ist abgeschlossen.

    Beweis SeienX kompakt, Y ein Hausdorff-Raumund f WX ! Y stetig. Ist dannA abge-schlossen in X , so ist A kompakt, also f .A/ kompakt. Dann ist f .A/ aber abgeschlossen.

    Folgerung 4.5 Eine stetige Bijektion von einem kompakten Raum in einen Hausdorff-Raum ist ein Homöomorphismus.

    Beweis Die Abbildung ist nach der vorigen Folgerung abgeschlossen. Das bedeutet aber,dass die Umkehrabbildung stetig ist, denn bei ihr sind Urbilder abgeschlossener Mengenabgeschlossen. �

    Für den kommenden Satz wird vorausgesetzt, dass X ein metrischer Raum ist. Fürsolche Räume lässt sich Kompaktheit auch anders formulieren.

  • 4.3 Der Satz von Tychonoff 67

    Ü4.14 – Die Cantor’sche Wischmenge. Sei W die Menge aller t 2 Œ0; 1� mit

    3nt � b3ntc 62 �1=3; 2=3Œ

    für alle n 2 N. (Hier bezeichnet die Gauss-Klammer bxc für jedes x 2 R die größte ganzeZahl m mit m � x.) Zeigen Sie, dassW kompakt und somit zuQN S0 homöomorph ist.

    4.3 Der Satz von Tychonoff

    Dieser Abschnitt ist dem folgenden Satz über die Kompaktheit beliebiger Produkte ge-widmet.

    Satz 4.14 (Tychonoff) Das ProduktQi2I Xi von kompakten Räumen Xi ist kompakt –

    für beliebige Indexmengen I .

    Dieser Satz wird falsch, wenn Kompaktheit durch Folgenkompaktheit ersetzt wird(siehe Abschn. 4.1). Das liegt, etwas vage gesprochen, daran, dass beliebige Produkteabzählbarer Räume nicht wieder abzählbar zu sein brauchen; selbst der Raum f0; 1gN istja überabzählbar.

    Hier sehen wir also einen weiteren Grund, topologische Räume nicht durch Eigen-schaften von Folgen zu charakterisieren. Mit der Überdeckungseigenschaft stimmt derSatz, erfordert aber zum Beweis neue Techniken. Ein Beweis (mittels ‚Filtern‘) wird indiesem Abschnitt gegeben. Er kann bei der ersten Lektüre übergangen werden.

    Es werden zunächst einige Begriffe eingeführt, die zu einer weiteren Charakterisierungder Kompaktheitseigenschaft führen. Diese überträgt sich dann von den Faktoren auf dasProdukt.

    Definition Sei X eine Menge. Ein Filter auf X ist eine Teilmenge F der Potenzmengevon X mit folgenden Eigenschaften

    (F1) F 2 F ; F � F 0 � X H) F 0 2 F(F2) F1; F2 2 F H) .F1 \ F2/ 2 F(F3) F 6D ;(F4) ; 62 F �

    Man stellt sich das am besten so vor, dass ein Filter nur Objekte einer bestimmten ‚Grö-ße‘ enthält, die er ‚herausfiltert‘. Zum Beispiel ist für jeden Punkt x eines topologischenRaumes X die Menge U.x/ der Umgebungen ein Filter auf der Menge X , der Umge-bungsfilter von x.

  • 68 4 Kompaktheit und Abbildungsräume

    Definition Eine Filterbasis B auf X ist eine Menge von Teilmengen von X mit

    (B1) B1;B2 2 B H) es gibt ein B 2 B mit B � B1 \ B2(B2) B 6D ;(B3) ; 62 B �

    Eine Filterbasis B erzeugt einen Filter.

    hBi D fF � X jEs gibt ein B in B mit B � F .g

    Zum Beispiel ist in metrischen Räumen

    hfU1=n.x/ j n 2 Ngi D U.x/:

    Für topologische RäumeX kann man einen Konvergenzbegriff für Filter folgenderma-ßen einführen.

    Definition Ein Filter F konvergiert gegen x 2 X , wenn F den Umgebungsfilter U.x/enthält. �

    DieserBegriff ist engmit demgewöhnlichenKonvergenzbegriff vonFolgen .xn j n 2 N/verwandt: Ist F der Filter aller Teilmengen, die fast alle Folgenglieder enthalten, so kon-vergiert die Folge gegen x genau dann, wenn der Filter F gegen x konvergiert.

    Definition Ein Filter F auf X heißt Ultrafilter, wenn jeder andere Filter auf X , der Fenthält, mit F übereinstimmt. �

    Das Lemma von Zorn aus der Mengenlehre besagt, dass man in teilweise geordne-ten Mengen immer maximale Elemente hat, solange alle geordneten Teilmengen obereSchranken besitzen. Wendet man dies auf die Menge aller Filter an, die F enthalten, soerhält man:

    Satz 4.15 Jeder Filter liegt in einem Ultrafilter.

    Beweis Die oberen Schranken erhält man hierbei durch die Vereinigungen der Filter. �

    Ultrafilter haben eine überraschende Eigenschaft:

    Satz 4.16 Seien F ein Ultrafilter auf X und A eine Teilmenge von X . Dann enthält Fimmer A selbst oder das Komplement von A.

  • 4.3 Der Satz von Tychonoff 69

    Beweis Wenn es ein F 2 F gibt, welches A nicht schneidet, so umfasst das Komplementvon A die Menge F und liegt nach (F1) also im Filter. Wenn andererseits alle Mengen desFilters A schneiden, so ist

    F 0 D hfF \A jF 2 Fgiein Filter, der A und die Mengen von F enthält und stimmt also mit F überein. Somitliegt dann A im Filter. �

    Satz 4.17 Ein topologischer Raum ist genau dann kompakt, wenn jeder Ultrafilter aufihm konvergiert.

    Beweis Angenommen F ist ein nichtkonvergenter Ultrafilter auf X . Dann gibt eszu jedem x 2 X eine offene Umgebung U.x/, die nicht im Filter liegt. Endlichviele U.x1/; U.x2/; : : : ; U.xn/ überdecken X , wenn X kompakt ist. Weil diese Mengennicht im Ultrafilter liegen, müssen ihre Komplemente in F liegen. Weil aber ihr Durch-schnitt leer ist, liegt hier ein Widerspruch zu (F4) vor.

    Ist umgekehrt .Ui j i 2 I / eine Überdeckung von X ohne endliche Teilüberdeckung,so definiert

    hfX n[i2E

    Ui jE � I endlich gi

    einen Filter. Seien F ein Ultrafilter, der diesen Filter enthält, und x sein Grenzwert. DasElement x liegt in einem Ui0 und somit liegt Ui0 im Filter F . Der Filter kann aber nichtgleichzeitig Ui0 und sein Komplement enthalten, weil deren Durchschnitt leer ist. �

    Beweis (Satz von Tychonoff) Um den Satz von Tychonoff zu beweisen, genügt es jetzt,die Konvergenz von Ultrafiltern im Produkt X DQi Xi nachzuprüfen: Ist F ein Ultrafil-ter, so ist auch jede von seinen Projektionen erzeugte Menge

    Fi D fpriF jF 2 Fg

    ein Ultrafilter auf Xi . Zum Beispiel sieht man die Filtereigenschaft (F1) vonFi wie folgt:Sei U eine Obermenge von priF für ein F 2 F . Dann liegt auch die Menge pr�1i U in F ,weil sie F enthält und somit gilt

    U D pri .pr�1i U / 2 Fi :

    ZumNachweis der Ultrafiltereigenschaft vonFi seiFi in einem Filter G aufXi enthalten.Dann definiert

    B D f.pr�1i G/ \ F jG 2 G; F 2 Fgeine Filterbasis, die F enthält. Sie erzeugt also F , weil F ein Ultrafilter ist. Fürjedes G 2 G liegt deshalb pr�1i G in F und somit G D pri .pr�1i G/ in Fi .

  • 70 4 Kompaktheit und Abbildungsräume

    Wegen der Kompaktheit der Xi konvergiertFi gegen ein xi 2 Xi . Setze

    x D .xi j i 2 I /:

    Dann konvergiert F gegen x, denn ist U eine Umgebung von x im Produkt, so gibt esUmgebungen U1 von xi1 in Xi1 , . . . , Uk von xik in Xik mit

    U � .pr�1i1 U1 \ : : :\ pr�1ik Uk/:

    Die Uj liegen im Umgebungsfilter und somit in Fij für alle j . Also gibt es Vj 2 F mit

    Uj D prijVj ;

    und damit liegen auch die Obermengen pr�1ij Uj von Vj in F . Weil Filter abgeschlossensind gegenüber endlichen Durchschnitten und Obermengenbildung, liegt auch U im Filterund der Beweis der Konvergenz ist vollendet. �

    Ergänzung

    Stone-Čech-Kompaktifizierung Es gibt neben der Ein-Punkt-Kompaktifizierung nocheine weitere Kompaktifizierung, die besonders für vollständig reguläre Räume X guteEigenschaften hat. Um diese zu beschreiben, sei F die Menge aller stetigen Funktionenvon X in das Intervall I D Œ0; 1� und

    i WX �!YF

    I

    gegeben durch i.x/ D .f .x/ j f 2 F /. Dann ist nach dem Satz von Tychonoff

    eX D i.X/ �YF

    I

    kompakt. Das ist die Stone-Čech-Kompaktifizierung von X . Man kann zeigen, dass sicheine stetige Abbildung von X in ein Kompaktum immer eindeutig auf eX fortsetzen lässt.

    4.4 Abbildungsräume

    In der linearen Algebra ist es eine wichtige Erkenntnis, dass die Menge der linearenAbbildungen zwischen zwei Vektorräumen V und W selbst auch die Struktur eines Vek-torraumes trägt. Dieser Vektorraum wird meist mit Hom.V;W / bezeichnet. Etwas Ver-gleichbares gibt es in der Topologie auch: Die Menge der stetigen Abbildungen zwischen

  • 1 Grundbegriffe der Topologie1.1 Metrische Räume1.2 Topologische Räume1.3 Abgeschlossene Teilmengen1.4 Die Kategoriensprache

    4 Kompaktheit und Abbildungsräume4.1 Kompaktheit

    4 Kompaktheit und Abbildungsräume4.3 Der Satz von Tychonoff4.4 Abbildungsräume


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