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GRÜEN 5 - Gerechtigkeit

Date post: 18-Mar-2016
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Das Schwerpunktthemen-Magazin der bayerischen Grünen
24
1 5 Das Magazin der bayerischen Grünen (UN)GERECHT? Wieviel Ungleichheit vertragen wir?
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Page 1: GRÜEN 5 - Gerechtigkeit

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5Das Magazin der bayerischen Grünen

(un)Gerecht?Wieviel Ungleichheit vertragen wir?

Page 2: GRÜEN 5 - Gerechtigkeit

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Gruen 5 I GERECHTIGKEIT

ANMERKUNGAlle fehlendenTexte sind rot markiert

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Jetzt anmeldenPer E-Mail:[email protected]

Per Fax: 089 / 211 597 24

Per Post: BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN BayernSendlinger Str. 47, 80331 München

Anmeldeschluss: 27. April 2012Schriftliche Anmeldung erforderlich, da TeilnehmerInnenzahl beschränkt

Freier Eintritt!

ZUKUNFTSKONGRESS

EINLADUNG

Samstag, 5. Mai 2012

vhs Ingolstadt – Kurfürstliche Reitschule

WIR SUCHEN ANTWORTEN

> Wie können wir die Teilhabe aller an der Gesellschaft erreichen?

> Wie können wir ökonomische, ökologische und soziale Ungerechtigkeit verhindern?

> Wie gestalten wir Chancen-gleichheit?

> Grundeinkommen oder Grund-sicherung – was ist gerecht?

VeranstalterBÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN Bayern

Veranstaltungsortvhs Ingolstadt – Kurfürstliche ReitschuleHallstr. 5, 85049 Ingolstadtwww.ingolstadt.de/vhs

Alle Infos, Programm, ReferentInnen, Anmeldung unter:http://www.gruene-bayern.de/zukunftskongress/gerechtigkeit

> Was unsere Gesellschaft zusammenhältGerechtigkeit

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Page 3: GRÜEN 5 - Gerechtigkeit

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bayern (un)gerecht? 4

was ist gerecht? 6Auch wenn alle gleich sind, braucht nicht jede/r dasselbe

gerechtigkeit braucht vielfalt 10Warum Deutschland Wohlfahrtspluralismus braucht

eines für alle? 12Grundeinkommen? Pro und Contra

inhalt

wir fangen dann schon mal an ... 14Vom langsamen Verschwinden des Eigentums

eine frage der perspektive 18Bayern ist reich. Trotzdem ist Armut ein Problem

auf den deckel 22

impressum 23

eDItOrIAL

Was ist gerecht? Darüber hat sich die Menschheit den Kopf zer­

brochen, seit es so etwas wie Bewusstsein gibt. Und bei den ein­

zelnen Menschen spielt die Gerechtigkeit das ganze Leben lang

eine wichtige Rolle. Das fängt im Kindergarten an und hört im

Rentenalter nicht auf. Zwangsläufig ist Gerechtigkeit also ein zen­

traler politischer Begriff, schillernd und facettenreich. Für den

einen ist es gerecht, wenn jeder das bekommt, wofür er eine Ge­

genleistung erbracht hat, denn viele empfinden es als ungerecht,

wenn der Fleißige dasselbe bekommt wie der Bequeme. Die an­

dere legt Wert darauf, dass Chancen gerecht verteilt sein müssen, denn für bessere oder

schlechtere Startchancen durch das Elternhaus kann niemand etwas. Ein Dritter will, dass

es bei der Verteilung des Erwirtschafteten möglichst viel Gleichheit gibt, denn es ist durch

nichts zu rechtfertigen, dass manche für 4,50 in der Stunde arbeiten und andere zweistel­

lige Millionenbeträge bekommen. Dass es mit der Gerechtigkeit zwischen den Geschlech­

tern in der Arbeitswelt gerade in Deutschland nicht so weit her ist, dämmert mittlerweile

fast allen, gleicher Lohn für gleiche Arbeit ist ein großes Thema. Zwischen den Genera­

tionen soll es ebenso gerecht zugehen wie zwischen den Industrieländern und den sich

entwickelnden Ländern. Kohlenstoff­Gerechtigkeit meint, dass einer Einwohnerin Indi­

ens kein anderes Kohlenstoff­Budget zugebilligt wird als einer US­Amerikanerin.

Diese sehr kurze Zusammenfassung, die bestimmt nicht vollständig ist, illustriert, wel­

chen Herausforderungen sich eine gerechte Politik zu stellen hat. Dabei gilt: Je mehr Di­

mensionen der Gerechtigkeit man ausblendet, umso leichter wird es scheinbar. Nur

bleibt dann in der Praxis die Gerechtigkeit auf der Strecke. Reine Leistungsgerechtigkeit

blendet eben aus, dass manche mit einem Vorsprung in den Lebenslauf geschickt werden,

andere mit einem Rückstand. Sich nur auf die Verteilungsgerechtigkeit zu konzentrieren

kann leicht dazu führen, dass man gar nicht mehr daran denkt, dass nur verteilt werden

kann, was vorher erwirtschaftet wurde. Möglichst viel Wachstum und damit einen gro­

ßen Spielraum für Verteilung zu schaffen, kann auf Kosten der nachfolgenden Genera­

tionen und zu Lasten der ärmeren Länder gehen.

Wir Grüne pflegen deshalb zurecht einen Begriff von Gerechtigkeit, der mehrere Dimen­

sionen zusammenführt. Aber auch dieser muss weiter entwickelt werden. Ich freue mich

darauf, das gemeinsam mit euch am 5. Mai in Ingolstadt anzugehen.

Theresa Schopper, Landesvorsitzende

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Gruen 5 I GERECHTIGKEIT

BAYERN (un)gerecht?

2010 kamen rund 65 Jüngere (unter 20 Jahre) und Ältere (ab 65 Jahre) auf 100 Personen zwischen 20 und 64 Jahren, 2029 werden es rund 75 sein.

Menschen mit Migrations-hintergrund haben einen rund 20 % geringeren mittleren Wohlstand und eine etwa doppelt so hohe Armutsgefährdung

Armutsgefährdungsquoten

für junge Menschen bis 25

mit Migrationshintergrund in

Oberfranken: 28,4 %(Reale) Veränderung des Einkommens aus Vermögen und Unternehmertätigkeit je Einwohner von 2000 bis 2010: +35%

(Reale) Veränderung der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer von 2000 bis 2010: -4%

Ca. 3 4 aller Niedriglohn-bezieher in Vollzeit sind Frauen

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Schuldenlast mit der jedes Neugeborene auf die Welt kommt: 3.300 Euro

Die Lebenserwartung

der unteren sozialen

Schichten liegt um

vier bis zehn Jahre

unter dem Durch-

schnitt (Frauen 82,4

Jahre und Männer

77,2 Jahre).

Durch Armut halbiert

sich die Chance auf

einen guten Gesund-

heitszustand.Kinder mit Migrationshintergrund auf der Hauptschule: 67 %

Durchschnittliches verfügbares Einkommen je Einwohner 2008 Lk Freyung-Grafenau: 16.819 euro

Durchschnittliches verfügbares Einkommen je Einwohner 2008 Lk Starnberg: 29.938 euro

Mittlerer Wohlstand von Alleinerziehenden mit ihren Kindern: 66 %

Mittlerer Wohlstand von Mehrpersonen- haushalten ohne Kinder: 113 %

(im Vergleich zum Durchschnitt)

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Page 6: GRÜEN 5 - Gerechtigkeit

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Gruen 5 I GERECHTIGKEIT

Auch wenn alle gleich sind, braucht nicht jede/r dasselbe von Alex Burger

was ist gerecht? Alle sind für Gerechtigkeit. Aber jeder ver­

steht etwas anderes darunter. Denn Ge­

rechtigkeit ist ein Begriff mit sehr vielen

Facetten. Wann wird man jemandem ge­

recht? Bedeutet Gerechtigkeit ein Höchst­

maß an Gleichheit? Ist die Chancenge­

rechtigkeit zentral?

Oder kommt es darauf an, dass jede nach

ihrer Facon glücklich werden kann? Ge­

rechtigkeit ist eine hochpolitische Katego­

rie. Jede Partei setzt sich dafür ein. Konser­

vative und liberale Parteien betonen

stärker die Leistungsgerechtigkeit, sozial­

demokratische und linke Parteien eher die

Verteilungsgerechtigkeit. Wir Grüne ha­

ben – wie so oft – einen eher differenzier­

ten Begriff von Gerechtigkeit, der beide

Dimensionen einschließt und darüber hi­

naus reicht.

nivellierte mittelstandsgesellschaftIn Deutschland war die Idealvorstellung

einer „nivellierten Mittelstandsgesell­

schaft“ lange Zeit stilprägend für die Idee

einer gerechten Gesellschaft, also einer

sehr breiten Mittelschicht mit vergleichba­

ren materiellen Möglichkeiten. Diese wur­

den erworben durch Fleiß und Arbeit, die

im nötigen Umfang und mit der entspre­

chenden Entlohnung zur Verfügung steht.

Darüber gab es in dieser Vorstellung eine

sehr kleine Oberschicht, darunter eine

sehr kleine Unterschicht, die beide zahlen­

mäßig nicht sehr ins Gewicht fielen.

Steigende Arbeitslosigkeit, vielfältigere Le­

bensläufe und die Veränderungen in der

Arbeitswelt führten die bundesdeutsche

Gesellschaft immer weiter weg von der

Mittelstandsgesellschaft. Aber das Gerech­

tigkeitsideal wurde davon immer noch be­

stimmt. Weil der Markt alleine für dieses

Ziel nicht mehr sorgen konnte, sprang der

Staat ein, was den Beginn des Wohlfahrts­

staates in der heutigen Form markiert. Er

sollte denen den Anschluss an den Mittel­

stand ermöglichen, die auf dem Arbeits­

markt – aus welchen Gründen auch im­

mer – nicht mehr unterkamen.

Page 7: GRÜEN 5 - Gerechtigkeit

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Page 8: GRÜEN 5 - Gerechtigkeit

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Gruen 5 I GERECHTIGKEIT

Doch im Laufe der Zeit driftete die Gesell­

schaft immer weiter auseinander, so dass

der Wohlfahrtsstaat an die Grenzen seiner

Leistungsfähigkeit stieß. Die materielle

Ungleichheit ist in den letzten zwei Jahr­

zehnten stark angestiegen, einerseits durch

explodierende Gehälter für Spitzenverdie­

nerInnen und steuerliche Schonung von

großen Vermögen, andrerseits durch die

Zunahme von schlecht bezahlten Arbeits­

verhältnissen.

ausgrenzungserfahrungDazu hat sich eine neue Form von Un­

gleichheit und Ausschluss gesellt, die sich

nicht alleine durch ungenügende materi­

elle Voraussetzungen auszeichnet, son­

dern eher durch fehlenden Zugang oder

Ausgrenzungserfahrungen. Der Soziologe

Heinz Bude spricht von den „Ausgeschlos­

senen“ (siehe Interview). Für ihn markiert

diese Entwicklung das Ende vom Traum

der gerechten Gesellschaft. Zu den Ausge­

schlossenen kann eine gut ausgebildete,

alleinerziehende Mutter ebenso gehören

wie ein männlicher Jugendlicher mit Mig­

rationshintergrund. Die Mutter, vielleicht

eine Betriebswirtin am Beginn ihrer be­

ruflichen Laufbahn, findet für ihr Kind

keinen Ganztags­Platz in der Krippe. Sie

arbeitet deswegen halbtags und bezahlt

mit deutlich geringeren Karrierechancen.

Der männliche Jugendliche ist geprägt von

Ausgrenzungserfahrungen aufgrund sei­

ner Herkunft und sucht seine Identität in

bewußter Abgrenzung zur Mehrheitsge­

sellschaft. Beide werden das Gefühl haben,

ungerecht behandelt worden zu sein, bei­

den kann der klassische Wohlfahrtsstaat

mit seinem Instrumentenkasten kaum

helfen.

vielfältige lösungenUnd so muss eine Politik, die mehr Ge­

rechtigkeit will, an zwei großen Fronten

kämpfen (und dazu noch an vielen klei­

nen, die hier unerwähnt bleiben): Die eine

betrifft die Ungleichheit von Einkommen

und Vermögen. Hier lässt sich mit dem

vorhandenen politischen Instrumentari­

um einiges bewirken, wenn der Wille vor­

handen ist:

Normen für das Arbeitsleben, z. B. in

Form eines Mindestlohns, Vorsorge gegen

Armut, z. B. mit einer Garantierente oder

Umverteilung durch Steuern und Abga­

ben. Neuere Formen der Ungleichheit und

Ungerechtigkeit lassen sich mit dem klas­

sischen Wohlfahrtsstaat nicht bekämpfen.

Hier sind neue Lösungen gefragt. Mit al­

ten Slogans wie „Leistung soll sich wieder

lohnen“ oder einfachen Parolen zur Um­

verteilung wird die Politik der neuen Situ­

ation nicht gerecht. Eine vielfältige Gesell­

schaft braucht vielfältige Lösungen statt

einfältiger Ideale. Die Idee von der nivel­

lierten Mittelstandsgesellschaft ist tot.

Wirklich schade ist das nicht.

„Gegenüber neuen Formen der Ungerechtigkeit bleibt der traditionelle Wohlfahrtsstaat wirkungslos. “

Page 9: GRÜEN 5 - Gerechtigkeit

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„Gegenüber neuen Formen der Ungerechtigkeit bleibt der traditionelle Wohlfahrtsstaat wirkungslos. “

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Gruen 5 I GERECHTIGKEIT

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Warum Deutschland Wohlfahrtspluralismus braucht von Alex Burger

gerechtigkeit braucht vielfalt

Gruen 5 I GERECHTIGKEIT I INTERVIEW

te es sich in Deutschland um etwa 1,5 Millionen

Menschen handeln. Das sind keine Arbeitsscheu­

en, denen man mit Repression begegnen sollte.

Aber wir müssen akzeptieren, dass der klassische

Wohlfahrtsstaat keine andere Idee hat, als sie mit

kleinem Geld und billiger Unterhaltung in der Ge­

sellschaft zu halten.

Diese entwicklung ist auch den Ver-änderungen auf dem Arbeitsmarkt ge-schuldet. Ihr Befund klingt ein biss-chen danach, als müssten wir diese anderthalb Millionen Menschen quasi abschreiben. Das können wir natürlich nicht tun. Wäre denn ein bedingungs-loses Grundeinkommen ein Weg, um ein Mindestmaß an teilhabe sicherzu-stellen?Das halte ich für eine Illusion. Das wäre nicht

die angemessene Antwort auf die Probleme. Das

Hauptproblem dieser Gruppe sind nicht fehlende

finanzielle Mittel, auch wenn sie auf Sparflamme

leben müssen. Das Hauptproblem besteht in dem

höchststand bei den Beschäftigten, sinkende Arbeitslosigkeit, auch die Zahl der hartz IV-empfänger ist um eine dreiviertel Million gesunken. Ist der traum von der gerechten Gesell-schaft vielleicht doch noch nicht aus-geträumt?Ich sage gar nicht, dass wir diesen Traum fallen

lassen sollten. Aber die Art und Weise, wie wir uns

über lange Jahre eine gerechte Gesellschaft vorge­

stellt haben, funktioniert nicht mehr. Wir haben

geglaubt, dass eine Gesellschaft in dem Maß ge­

rechter wird, in dem sich die Mitte verbreitert und

vertieft. Wir sehen aber jetzt, dass sich quer durch

die Gesellschaft Verwerfungen ziehen, die durch

wohlfahrtsstaatliche Maßnahmen nicht so einfach

zu glätten sind. Die wirtschaftlichen Daten sind

sehr gut. Aber wir haben in den Dateien der Job­

center einen „nicht verwendbaren“ Teil der Bevöl­

kerung. Mit denen kann man machen, was man

will, sie kommen nicht im ersten und oft nicht

einmal im zweiten Arbeitsmarkt unter. Nach An­

sicht des leitenden Personals der Jobcenter dürf­

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11

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andere betrifft die Zukunft. Da ruhen sehr große erwartungen auf der Idee besserer Bildung. Sie soll das Problem in der Zukunft zumindest minimieren. Wie sehen Sie die chancen?Lange Zeit war unser Credo „Arbeit, Arbeit, Ar­

beit“. Jetzt lautet es „Bildung, Bildung, Bildung“.

Indem wir die Frage der Bildungsabschlüsse ins

Zentrum rücken und angestachelt von der PISA­

Debatte glauben, einen mittleren Schulabschluss

als Minimum definieren zu müssen, machen wir

die Lage für diejenigen schlimmer, die Bildung in

erster Linie als Degradierung erleben. Wir leisten

uns in Deutschland derzeit 500.000 Jugendliche in

mannigfaltigen Formen eines Übergangssystems,

die weiter beschult werden, um ihnen einen Ab­

schluss zu ermöglichen, durch den sie auf dem

Arbeitsmarkt mithalten können. Das ist eine sinn­

lose Veranstaltung, mit der den Jugendlichen nicht

geholfen ist.

Womit wäre ihnen denn geholfen?Wir brauchen eine neue Definition des Bildungs­

minimums. Nicht der mittlere Schulabschluss,

sondern eine berufliche Erstausbildung setzt He­

ranwachsende, die nicht aus der Mehrheitsklasse

kommen, in die Lage, mitzuhalten und einen Platz

zu finden. Dann kann man sich ganz ruhig fragen,

welche Eingangsvoraussetzungen für eine berufli­

che Bildung nötig sind.

tief sitzenden Gefühl, nichts zu melden und nichts

beizutragen zu haben. Die wichtigste politische

Botschaft lautet, dass der Wohlfahrtsstaat als Wohl­

fahrtsmonopolist in eine Krise geraten ist. Ich sage

nicht, dass der Wohlfahrtsstaat abgebaut werden

soll. Wir müssen aber im Sinne eines Wohlfahrts­

pluralismus andere Wohlfahrtsarenen berücksich­

tigen. Wir brauchen zivilgesellschaftliche Akteure,

die sich andere Formen des Kümmerns, andere

Ideen von sozialer Gerechtigkeit leisten können.

Das würde bedeuten, dass sich die rolle des Staates, die rolle der Politik ändern muss. Der Staat müsste viel stärker als bislang andere Akteure ins Boot holen, Standards setzen und un-terstützung leisten, etwa finanziell und logistisch.Absolut. Es ist ja nicht so, dass die alten Muster

sozialer Ungleichheit nicht mehr existieren. Aber

darüber legen sich neue Linien sozialer Spaltung,

die quer durch die Gesellschaft gehen. Um dage­

gen vorzugehen, fehlen dem klassischen Wohl­

fahrtsstaat die Handlungsmöglichkeiten. Teilweise

hat er durch seine eigene Politik das Problem erst

geschaffen. Wenn man davon ausgeht, dass der

Einzelne sich auf die Arbeit hin bewegen soll an­

statt wie früher darauf zu warten, bis sie zu einem

kommt, entsteht eine Bevölkerungsgruppe, wel­

che aus Leuten besteht, die aus den verschiedens­

ten Gründen dazu nicht in der Lage ist. An diesen

läuft die Gerechtigkeitsidee, dass sich jeder bemü­

hen und für sich selbst sorgen muss, vorbei. Sie

stehen als Drückeberger und Schmarotzer da, ein­

fach weil das Aktivierungstheorem des neuen

Wohlfahrtsstaates keine andere Folgerung zulässt.

Der eine Punkt ist die Frage, was aus denen wird, die bereits die erfahrung der Ausgrenzung gemacht haben. Der

Prof. Dr. Heinz Bude (Soziologe; Leiter des Arbeitsbereichs „Die Gesellschaft der Bundesrepublik“ am Hamburger Institut für Sozialforschung und Inhaber des Lehrstuhls für Makrosoziologie an der Universität Kassel)

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Gruen 5 I GERECHTIGKEIT

„Mit diesem Beschluss ist auch die Dis­

kussion über das Grundeinkommen nicht

beendet – zumal sie ja in der Gesellschaft

weitergeht.“ So hieß es 2007 in unserem

Nürnberger BDK­Beschluss.

Als die Grünen im Vorfeld über die Frage

Grundsicherung oder Grundeinkommen

stritten, war diese Debatte durch die erst

einige Jahre zuvor verabschiedeten Hartz­

Gesetze belastet.

In diesem Jahr haben wir die Chance,

noch einmal neu und unvoreingenommen

über ein zukunftsfähiges Sozialsystem zu

diskutieren.

Die Debatte über ein Grundeinkommen

ist in der Tat in der Gesellschaft weiterge­

gangen. Zahlreiche durchgerechnete Mo­

delle werden diskutiert.

Einige hätten die Wirkung einer „Stillle­

gungsprämie“ und sind aus grüner Sicht

abzulehnen. Allerdings muss auch die Fra­

ge erlaubt sein, ob der (oftmals zudem als

unwürdig empfundene) betriebene büro­

kratische Aufwand für eine einfache finan­

zielle Unterstützung sinnvoll ist.

Ein Grundeinkommen für alle würde zum

einen entbürokratisieren und gleichzeitig

eine ganz neue Dynamik in die Gesell­

schaft bringen. Es würde den Menschen

ermöglichen, selbstbestimmter zwischen

Arbeit und Freizeit und zwischen Beruf

und Familie auszutarieren. „Beruf“ wird

so wieder mehr zur „Berufung“ und weni­

ger zum „Job“. Väter erhalten die Chance,

mehr Zeit mit ihren Kindern zu verbrin­

gen. Mehr Teilzeitarbeitsplätze würden

selbstbestimmt entstehen und somit die

außerhalb des (Erwerbs­)Arbeitsprozesses

Stehenden die Möglichkeit zum Einstieg

oder zur Rückkehr ins Erwerbsleben er­

halten.

Mit einem Grundeinkommen wäre auch

die leidige Diskussion über das „Lohnab­

standsgebot“ erledigt. Denn mit einem

Grundeinkommen für alle hätte tatsäch­

lich jede/r Erwerbsarbeitende mehr als der

oder die Nicht­Erwerbsarbeitende. Ärger­

liche Debatten über angeblichen „anstren­

gungslosen Wohlstand“ hätten ihre Be­

rechtigung verloren. Gleichzeitig würde

sich – anders als heute – jeder dazuver­

diente Euro wirklich lohnen.

Innerhalb der Grünen werden Modelle ei­

nes partiellen Grundeinkommens zwi­

schen 420 und 500 Euro favorisiert. Hinzu

kämen dann weitere bedarfsorientierte

Leistungen, wie z.B. Zuschüsse für Unter­

kunft oder Hilfen für Menschen in beson­

deren Lebenslagen. Ausbezahlt werden

könnte das Grundeinkommen durch eine

negative Einkommenssteuer, finanziert

würde es durch eingesparte Transferleis­

tungen und durch eine verstärkte Steuerfi­

nanzierung bei gleichzeitiger Abschmel­

zung der Sozialbeiträge. Ein guter Einstieg

zur Umsetzung wären ein Kindergrund­

einkommen bei Streichung des Kinder­

freibetrages und die Schaffung einer steu­

erfinanzierten Grundrente.

eines für alle?Der geistige Vater des neoliberalen Monetarismus Milton Friedman wollte es ebenso wie teile der Linkspartei, manche Konservative bekämpfen es verbittert, andere finden es gut. Bei uns Grünen gibt es seit Jahren eine durchaus leiden-schaftliche Debatte um die Idee. Die rede ist vom bedingungslosen Grundein-kommen, also dem Vorschlag, dass jede und jeder einen gewissen Geldbetrag vom Staat bekommt, ohne nachweis einer Bedürftigkeit und ohne Verpflichtung auf eine Gegenleistung. Wäre es eine zeitgemäße erneuerung des Sozialstaats oder führt es in die Sackgasse? Sascha Müller, Landesschatzmeister der bayerischen Grünen und die Landes-vorsitzende theresa Schopper stellen die Pro- und die contra-Position dar.

weniger bürokratie, mehr dynamik Von Sascha Müller

Page 13: GRÜEN 5 - Gerechtigkeit

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der „Stütze“ einrichten. Auch wenn wir

Grüne ein Modell der Stilllegungsprämie

– nimm das Geld und gib Ruhe – als neo­

liberale Politik ablehnen, im Kern werden

wir bei der Frage der Höhe des BGE an ei­

ner Orientierung an niedrigen Erwerbs­

einkommen, dem berühmten Lohnab­

standsgebot, nicht vorbeikommen. Denn

ein steuerfinanziertes Grundeinkommen

wird keine gesellschaftliche Mehrheit fin­

den, wenn es in den Augen vieler zu hoch

ausfällt.

Auch aus frauenpolitischer Sicht habe ich

große Bedenken. Immer wieder kommt

das Argument, es gibt genügend Arbeit,

nur bezahlt wird sie nicht, wie Kinderer­

ziehung, Pflege, Ehrenamt...

Allein aus dieser Aufzählung keimt in mir

der Verdacht, dass das BGE zu einer

„Hausfrauenprämie“ umfunktioniert wer­

den kann. Es gibt auch noch andere unge­

klärte Fragen: Welche Auswirkungen hat

ein BGE auf Löhne und Preise? Wie orga­

Das bedingungslose Grundeinkommen

(BGE) ist eine einheitliche monetäre Leis­

tung für alle Bürgerinnen und Bürger

ohne Ansehen der Person oder des Konto­

standes. Bürokratieabbau, keine Schikane

mehr für ALG II­BezieherInnen, alle sind

auf Augenhöhe, so lautet das Versprechen.

Doch ist das BGE tatsächlich gerechter?

Wir sind gut beraten, genau hinzusehen,

denn diverse Modelle des BGE liegen

deutlich unter den Regelsätzen und Mög­

lichkeiten, die mit individuellen Ansprü­

chen geltend gemacht werden können.

Die Formel des „Förderns und Forderns“

aus der ALG II­Debatte können viele nicht

mehr hören, denn vom Fordern wurde

viel, vom Fördern leider viel zu wenig ge­

redet. Aber das BGE blendet den Aspekt

des „Förderns“ nahezu komplett aus. Ge­

rade aus den Arbeitsagenturen, Jobcentern

und von den Verantwortlichen in Sozial­

einrichtungen kommt die Klage, dass Ju­

gendliche bzw. junge Erwachsene sich in

nisiert man die anderen Sozialversiche­

rungen? Welchen Stellenwert haben Arbeit

und Erfolg als Innovationsmotoren? Ich

finde die Diskussion um das BGE für uns

Grüne wichtig, auch die damit verbunde­

nen Fragen um Menschenbild und Gesell­

schaftsmodell. Für mich hat sie visionären

Charakter, denn wie hart das Brot in der

Sozialpolitik ist, mag euch allein die De­

batte um die Erhöhung der Regelsätze um

10 Euro in Erinnerung rufen.

Ich will nicht das politische Totschlagar­

gument der Finanzierung ins Feld führen,

aber als Sozialpolitikerin fürchte ich, dass

es Mehrheiten geben könnte, die mit der

Einführung eines Grundeinkommens den

Sozialstaat schleifen wollen. Von daher ar­

beite ich lieber an einer verbesserten be­

darfsorientierten Grundsicherung mit

entschärften Bedarfsprüfungen, besseren

Zuverdienstmöglichkeiten und einer bes­

seren Altersvorsorge. Denn für mich gilt

„Keiner und keine darf verloren gehen“.

mehr gerechtigkeit hier und jetzt Von Theresa Schopper

Page 14: GRÜEN 5 - Gerechtigkeit

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Gruen 5 I GERECHTIGKEIT

wir fangen dann schon mal an ...

Besitz bindet und beschwert. Wir müssen

mobil und flexibel sein, das Einkommen

ist unsicher. Das lässt neue Lebensstile

entstehen jenseits der bekannten Kon­

summuster. Wenn ich nicht weiß, wie oft

ich in den nächsten Jahren umziehen

muss, wiegt jedes eigene Buch schwer. Die

Lagerung der voluminösen Wintersport­

ausrüstung kostet teuren Wohnraum, der

Kredit für das neue Auto ist bei befristeten

Arbeitsverhältnissen riskant. Warum, fra­

gen sich immer mehr Menschen, soll ich

Besitztümer anhäufen, wenn ich viele

Dinge auch leihen oder teilen kann?

Gleichzeitig entsteht in einer immer unsi­

cheren, kurzlebigeren Welt die Sehnsucht

nach Verlässlichkeit, überschaubaren Le­

benszusammenhängen, nach bleibenden

Werten, nach dem guten Leben. Ein Skan­

dal der Lebensmittelindustrie jagt den

nächsten, warum also nicht wieder Bezie­

hung zum „eigenen“ Bauern, Metzger, Bä­

cker aufbauen oder gleich das Gemüse

selbst anpflanzen? Geldanlagen sind unsi­

cher, warum also nicht in die Region in­

vestieren und bei sicherer Rendite auch

noch ein gutes Gewissen haben?

renaissance der genossenschaftenIn den letzten Jahren gründeten sich in

Bayern zahlreiche neue Energiegenossen­

schaften. Für die Energiewende müssen

viele neue Anlagen, Stromnetze und Spei­

gerInnen in Seukendorf bei Fürth von „ih­

rer“ Metzgerei Weckerlein. Ausbezahlt

wird die Rendite nach einem Jahr in Wa­

rengutscheinen für alle Produkte.

gemeinschaftsgärten Immer mehr Stadtmenschen möchten

auch ohne eigenen Garten selbst Gemüse

und Obst anbauen. Was als „Guerilla Gar­

dening“ in Großbritannien begann, ist

längst in Bayern angekommen. Ein sehr

guter Überblick findet sich hier www.stif­

tung­interkultur.de.

In den urbanen Gemeinschaftsgärten sind

oft ältere Menschen, die Rübstiel und Pe­

tersilienwurzeln noch kennen, aber auch

Menschen mit Migrationshintergund, die

aus ihrer alten Heimat viel Wissen über

den Anbau von Nutzpflanzen und deren

Verarbeitung mitbringen, die Lehrmeiste­

rInnen. Pflanzen können getauscht, die

Ernte geteilt werden. Über das gemeinsa­

me Gärtnern entsteht ein neuer Zusam­

menhalt über die Generationen, Kulturen

und auch Schichten hinweg.

container diving, swapping und strickenGerade die „junge Generation“ lehnt sich

zunehmend gegen den Konsumzwang un­

serer Gesellschaft auf. Nachhaltig konsu­

mieren, reparieren, selber machen und

tauschen sind wieder in. Was lange als Be­

schäftigung alter Menschen, als Zeichen

cher gebaut werden. Die Akzeptanz erhöht

sich, wenn die Menschen vor Ort beteiligt

sind, wenn sie mitentscheiden können

und wenn sie davon finanziell profitieren.

Aber auch in anderen Bereichen wird der

Genossenschaftsgedanke wieder entdeckt.

Ein Beispiel ist die noch junge ReWiG­

München. Diese regionale Wirtschaftsge­

meinschaft ist ein Zusammenschluss

Münchener UnternehmerInnen. „Genos­

sInnen“, die sich einkaufen, erhalten statt

der herkömmlichen Rendite Genussrech­

te, die in einer eigenen Währung, dem Re­

alo, ausgezahlt werden. Dafür dürfen die

AnteilseignerInnen bei den beteiligten

Unternehmen einkaufen. Diese erschlie­

ßen sich so neue Kundenkreise und erhal­

ten günstig Kapital für Investitionen. Es

gibt keine Spekulation und keinen Wert­

verlust, aber auch keine Schnäppchen. Das

Konzept setzt auf Kooperation statt Kon­

kurrenz.

genuss garantiert Doch es muss nicht immer gleich eine Ge­

nossenschaft sein. Der Demeter­Betrieb

Löfflerhof in Farchach am Starnberger See

beispielsweise finanziert den Neubau sei­

nes Hühnerstalls statt über teure Bankkre­

dite mit Geldern privater InvestorInnen.

Als Rendite erhalten diese wahlweise vier

Prozent Zins in Naturalien (Genussschei­

ne) oder drei Prozent Geld aufs Konto.

Mindestens sieben Prozent Rendite in

Form von Genussscheinen erhalten Einle­

Vom langsamen Verschwinden des eigentums von Birgit Zipfel

Page 15: GRÜEN 5 - Gerechtigkeit

15

Page 16: GRÜEN 5 - Gerechtigkeit

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Gruen 5 I GERECHTIGKEIT

von Armut oder störrischer Weltverbesse­

rei galt, ist gefragt wie nie. Tauschpartys

(Swaps), insbesondere Kleidertauschpar­

tys, sind angesagte Events, die Spaß ma­

chen, wenig kosten, keine Abfallberge pro­

duzieren und trotzdem das Bedürfnis

nach neuen Klamotten und einem echten

Schnäppchen befriedigen. Aktuelle Termi­

ne für den nächsten Swap bietet: klamot­

tentausch.net.

Container Diving ist längst nicht mehr

nur Ausdruck von Not, es ist zur Protest­

form gegen eine Gesellschaft geworden, in

der selbst Nahrungsmittel keinen Wert

mehr zu haben scheinen. Diese scheinbare

Wertlosigkeit der Dinge ist es wohl auch,

die eine neue Lust am Handarbeiten und

Reparieren entstehen lässt. Es fühlt sich

eben gut an, mit den eigenen Händen et­

was reales, einzigartiges, unverwechselba­

res und wertvolles zu schaffen.

Neue Dynamik durchs Web 2.0Treibende Kraft sind zunehmend „Digital

Natives“, denn sie sind mit dem Teilen und

gemeinschaftlichen Entwickeln von Din­

herangewachsen. Bei wohnungstausch.de,

9flats.com oder Wimdu.de finden Urlau­

ber oder Geschäftsleute Übernachtungs­

möglichkeiten in privaten Wohnungen al­

ler Preiskategorien.

Das Leben entrümpelnErleben wir den Anfang eines grundlegen­

den Wandels unserer Konsumgesellschaft,

in der jede/r alles selbst und alleine besit­

zen, aber nichts lange behalten will? Bewe­

gen wir uns hin zu einer nachhaltigen Ge­

sellschaft, die als Leitbild die gemeinsame

und lange Entwicklung und Nutzung von

Dingen hat? Entrümpeln wir unser Leben,

sparen dadurch Lebenszeit? Ermöglichen

wir mit den veränderten Wertvorstellun­

gen mehr Menschen teilzuhaben am öf­

fentlichen Leben, auch ohne oder mit we­

nig Geld? Wird unsere Gesellschaft also

gerechter, bunter und kreativer? Möglich

scheint es. Fangen wir doch einfach an.

gen aufgewachsen. Sie erleben wie stark

ein Schwarm sein kann im Protest gegen

die „Mächtigen“. Im Verschenknetzwerk

Freecycle.de sind lokale Gruppen in ganz

Deutschland aktiv, stellen ein, was sie

selbst nicht mehr brauchen oder was sie

kostenlos suchen. Netcycler.de ist eine

Tauschplattform für Dinge, die ich loswer­

den möchte und Dinge, die ich im Gegen­

zug dazu suche. Beim Ringtausch der

Community fließt kein Geld.

Frents.com versteht sich als soziales Netz­

werk, das die Beziehungen zwischen Men­

schen um die Kategorie “Besitz” erweitert.

Geteilt wird alles vom Auto bis zum Vi­

deospiel. Ein weiteres Leihportal ist leih­

grube.de. Hier besteht die schöne Mög­

lichkeit die Leihgebühr an gelistete

Hilfsprojekte zu spenden.Tamyca.de und

Nachbarschaftsauto.de sind zwei Plattfor­

men, die sich auf privates Carsharing spe­

zialisiert haben.

Aus der Backpackerszene entstanden ist

couchsurfing.org. Die heute weltweit

größte Plattform für Übernachtungsmög­

lichkeiten begann mit meist kostenlosen

Schlafplätzen, etwa auf einem WG­Sofa.

Längst ist die Idee zum Geschäftsmodell

„Gerade die junge Generation lehnt sich zunehmend gegen den Konsumzwang unserer Gesellschaft auf “

Page 17: GRÜEN 5 - Gerechtigkeit

17

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Zählernummer Mein Jahresstromverbrauch in kWh

Datum des Einzugs Zählerstand (ggf. nachreichen)

Name Vormieter/-in

4. Auftragserteilung

Bankleitzahl Kontonummer

Name des Geldinstituts

Name Kontoinhaber/-in (nur falls abweichend von Antragssteller/-in)

Unsere Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) finden Anwendung. Diese sind, wie unser Stromher-kunftsnachweis unter www.naturstrom.de einsehbar. Gerne senden wir Ihnen die AGB auf Anfrage auch zu.

Ort, Datum Unterschrift Auftraggeber/-in

Widerrufsbelehrung: Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von 14 Tagen ohne Angabe von Grün-den in Textform (z.B. Brief, Fax, E-Mail) widerrufen. Die Frist beginnt, sobald Sie die Bestätigung über den Vertragsabschluss erhalten haben. Zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung des Wider-rufs. Der Widerruf ist zu richten an: NaturStromHandel GmbH, Achenbachstraße. 43, 40237 Düsseldorf.

Bitte senden oder faxen Sie diesen Vertrag an:NaturStromHandel GmbH, Achenbachstraße 43, 40237 Düsseldorf , www.naturstrom.deKundenservice-Center (Mo. bis Fr. von 8 bis 18 Uhr), Tel.: 0211-77900-300, Fax: 0211-77900-599

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Oder:

Ich beauftrage die NaturStromHandel GmbH mit der Lieferung von elektrischer Energie in Höhe meines Gesambedarfs für die oben bezeichnete Stromabnahmestelle. Ich beauftrage und bevollmächtige die NaturStromHandel GmbH, meinen gegenwärtigen, mit dem bisherigen Stromversorger bestehenden Stromversorgungsvertrag zu kündigen und, sofern notwendig, die erforderlichen Verträge mit dem ört-lichen Netzbetreiber abzuschließen.

Ich ermächtige die NaturStromHandel GmbH hiermit widerruflich, die fälligen Abschlags- und Rech-nungsbeträge von folgendem Konto einzuziehen:

3. Angaben zur Stromversorgung(Die Angaben finden Sie auf Ihrem Stromzähler oder in Ihrer letzten Stromrechnung.)

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„Gerade die junge Generation lehnt sich zunehmend gegen den Konsumzwang unserer Gesellschaft auf “

Page 18: GRÜEN 5 - Gerechtigkeit

18

Gruen 5 I GERECHTIGKEIT

Bayern ist reich. trotzdem ist Armut ein Problem von Fabian Hamák

eine frage der perspektive

Gruen 5 I GERECHTIGKEIT

Page 19: GRÜEN 5 - Gerechtigkeit

19

Bayern ist ein ausgesprochen reiches Land.

Das lässt sich messen: Der Freistaat ist

reich an Fläche – so groß wie Nordrhein­

Westfalen und Baden­Württemberg zu­

sammen; reich an Menschen – mit über

12,5 Millionen Einwohnern eineinhalb

mal so bevölkert wie der österreichische

Nachbar; und mit 25 Millionen Touristen

ebenfalls reich an Gästen. Auch an attrak­

tiven Städten und Regionen mangelt es

nicht. Der Zukunftsatlas des Forschungs­

instituts Prognos sieht allein fünf der sie­

ben attraktivsten Landkreise Deutschlands

in Bayern.

offener reichtumSpricht man von Reichtum kommt man

am lieben Geld natürlich nicht vorbei.

Bayern ist so reich, dass es 2011 mehr als

3,6 Milliarden Euro in den Topf des Län­

derfinanzausgleichs gezahlt hat, soviel wie

alle anderen Geberländer zusammen. Nir­

gendwo in Deutschland haben die Men­

schen im Durchschnitt mehr Geld zur

Verfügung (61.600 Euro je Haushalt) und

nirgendwo eine höhere Kaufkraft (21.326

Euro je Einwohner). Bayern ist aber auch

reich an allerlei abstrakten Dingen wie Ge­

schichte, Traditionen, Landschaften oder

Natur. In Summe ist der Freistaat so at­

traktiv, dass seit 1990 mehr als 670.000

Menschen aus ganz Deutschland hierher

gezogen sind.

Doch Bayern ist auch ein überraschend

armes Land. Das lässt sich ebenfalls mes­

sen. 13,5% der Bevölkerung sind laut dem

Sozialbericht der bayerischen Staatsregie­

rung von Armut gefährdet, d.h. ihnen

steht weniger als 60% des Durchschnitts­

einkommens zur Verfügung. Wenig über­

Page 20: GRÜEN 5 - Gerechtigkeit

20

Gruen 5 I GERECHTIGKEIT

richt der Staatsregierung zeigt dabei ein

deutliches Nordost­Südwest­Gefälle, das

auch die Arbeiterwohlfahrt regelmäßig

feststellt. Während sich südlich der Achse

Würzburg­Passau die niedrigsten Werte

für Armutsgefährdung in ganz Deutsch­

land finden lassen, zeigt sich der Norden

und (Nord­)Osten des Freistaates mit bis

zu doppelt so hohen Armutsquoten.

versteckte armutArmut lässt sich aber nicht nur monetär

messen, sondern spiegelt sich auch im

Mangel an Aufstiegschancen und gesell­

schaftlicher Teilhabe wider. Denn oft ge­

hen geringe finanzielle Mittel Hand in

Hand mit kultureller und sozialer Ausge­

schlossenheit. In Bayern lässt sich das be­

sonders am Bildungssystem ablesen. Auch

wenn es in der Spitze erfolgreich sein mag,

leistet es sich mit der Hauptschule einen

eigenen Schulzweig, der Jugendliche in ein

mehr als achtmal so hohes Armutsrisiko

entlässt wie gleichaltrige Gymnasiasten.

Bayern mag an vielem reich sein, an glei­

chen Bildungschancen nicht.

In einem reichen Land wie Bayern ist es

nicht offensichtlich, wo Armut zu finden

ist. Doch sie liegt in vielen einzelnen, oft

kleinen Gruppen verborgen und zeigt sich

vor allem in regionalen Unterschieden. Als

Symbol kann hier beispielsweise auch der

Mangel an Breitbandanschlüssen in der

Fläche gelten. Wieder so eine Armut, die

den Zugang und die Teilhabe von Men­

schen beschränkt.

Vielleicht ist Bayern aber auch einfach nur

zu arm an Regierungswechseln? Da ließe

sich etwas gegen tun.

rascht dabei, dass junge (unter 18 Jahre)

und ältere Menschen (über 65 Jahre) stär­

ker gefährdet sind als Menschen im sog.

erwerbsfähigen Alter. Auch dass Frauen ­

vor allem im Alter ­ stärker von Armut be­

droht sind als Männer, erstaunt (leider)

nicht. Erschreckend sind dagegen die Zah­

len für alleinerziehende Eltern: Fast jeder

zweite Haushalt (41,4%) ist hier von Ar­

mut bedroht.

Mit all diesen Zahlen steht Bayern im Ver­

gleich zu anderen Bundesländern noch

gut da. Und dennoch: Nimmt man Armut

als relative Größe ernst, so zeigt sie ihre

Spuren auch im reichen Bayern. Beson­

ders augenscheinlich sind dabei die regio­

nalen Unterschiede. Im Verhältnis des

ländlichen Raums zu Verdichtungsräu­

men scheint dies wiederum nicht sehr

überraschend, aber auch darüber hinaus

zeigt sich ein geteiltes Land. Der Sozialbe­

Armut trifft Kinder, Alte, Alleinerziehende, Frauen – und den Nordosten des Landes

Page 21: GRÜEN 5 - Gerechtigkeit

21

Page 22: GRÜEN 5 - Gerechtigkeit

22

Wir müssen reden.

Sie und ich. Jetzt. Es

geht um was ganz,

ganz Wichtiges. Es geht

ums Geld. Um unser

Geld. Doch keine Angst –

ich werde Sie nicht mit dem

Ehrensöldner langweilen, nicht mit

bedürftigen, stützenswerten Banken,

Griechenland wird keine Rolle spielen, und die

D­Mark schon gleich gar nicht.

Wir, also Sie und ich, haben ja zu vielen Dingen ein

seltsames Verhältnis. Zur Natur beispielsweise (Blu­

menwiese ja, Mückenstiche nein). Oder zur Musik

(Wagner ja, Böhse Onkelz nein). Oder zu unserem

Körper (hier Haare ja, dort Haare nein). Doch unser

Verhältnis zu Geld ist richtiggehend gestört. Zwar re­

den wir unbeschwert und detailverliebt über unsere

Mieten, die Kindergartenkosten, Studiengebühren,

Anschaffungspreise von Autos, Häusern, Zweitpart­

nern. Wir referieren über unsere letzten Schnäppchen,

schildern haarklein die Summen, die wir dem Klemp­

ner in den Rachen schmeißen mussten, und echauffie­

ren uns über eine Vielzahl weiterer Kosten und Posten.

Wir lieben es geradezu, über Geld zu reden. Aber über

unser Gehalt reden wir nicht. Niemals. Wo kämen wir

denn dahin, wenn jeder wüsste, was wir verdienen?

Ja, wohin kämen wir da eigentlich? Wir kämen viel­

leicht dahin, nicht mehr dauernd das Gefühl zu haben,

dass wir selbst zu wenig und die anderen viel mehr ha­

ben. Wir kämen vielleicht dahin, dem ganzen Geld­

dingens etwas weniger Bedeutung und Schwere beizu­

messen. Wir kämen vielleicht dahin, unsere wichtigste

Geldquelle selbstbewusster zu betrachten. Denn für

Arbeitgeber ist es natürlich prima, dass es ihnen dank

unserer konsequenten Verschwiegenheit nicht nur

möglich ist, Frauen schlechter zu bezahlen als Männer,

sondern auch identische Arbeit grundsätzlich unter­

schiedlich zu entlohnen. Immerhin sind bereits heute

über 40 Prozent aller Jobs an keinen Tarifvertrag mehr

kohlesubventionvon Sascha Knöchel

gebunden – und damit geheime Kommandosache

zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Und wir

müssen uns jetzt nicht groß darüber streiten, welche

der beiden Seiten davon eher profitiert, oder?

Unsere Paranoia spielt auch Banken und sogenannten

Finanzdienstleistern in die Hände. Denn sobald wir

denen dann doch einmal unser Einkommensgeheim­

nis verraten haben, passiert etwas gänzlich Sonderba­

res: Wir verfallen in eine abenteuerliche Passivität. So

als ob durch das Lüften des Geheimnisses das Geld

nicht mehr das unsere ist. Und dann lassen wir diese

frisch Eingeweihten anstandslos zu ihrem eigenen und

nicht zu unserem Wohle mit unserem Geld zocken

und wollen damit schlicht nichts mehr zu tun haben.

Auch das Finanzamt profitiert von unserer Schock­

starre gegenüber Einkommensmitwissern. Denn na­

türlich weiß auch unser Finanzbeamter Bescheid.

Steuerbescheid sozusagen, und den akzeptieren wir

schweigend und ohnmächtig. Jeder andere Beamte, ob

bei Polizei, Einwohnermeldeamt oder KfZ­Zulas­

sungsstelle, bringt uns in nullkommanix auf die Barri­

kaden und löst Gefühlseruptionen in uns aus. Der

Absender unseres Steuerbescheids dagegen wird nie­

mals als echte, lebende Person wahrgenommen und

der ganze Vorgang wird umgehend verdrängt.

Vielleicht ist diese Verklemmtheit auch ein Grund, wa­

rum uns ein bedingungsloses Grundeinkommen

(BGE) zutiefst verunsichert. Einkommen ist Privat­

sache, basta. Gerne darf der Staat das Eigenheim sub­

ventionieren, unsere Lebensmittel, die Autos, die wir

kaufen, das Pendlerbenzin, Zeitungen und Hundefut­

ter und natürlich auch Hotelübernachtungen. Aber

doch nicht unser Einkommen. Deshalb ein Tipp, liebe

Verfechter des BGE: Nennt das Ding einfach anders.

Ehrensold zum Beispiel.

Der ist schließlich immer bedingungslos.

Gruen 5 I GERECHTIGKEIT

Page 23: GRÜEN 5 - Gerechtigkeit

23

kohlesubvention

Herausgeber:

Bündnis 90/Die Grünen, Landesverband Bayern,

Theresa Schopper und Dieter Janecek

(Landesvorsitzende), Sendlinger Str.47,

80331 München. Tel: 089/211597­0, Fax:­24,

e­mail: [email protected],

www.gruene­bayern.de

Redaktion:

Alex Burger (verantwortlich), Sascha Knöchel,

Birgit Zipfel, Fabian Hamak, Daniela Wüst

Impressum Grüen – das Magazin von Bündnis 90/Die Grünen in Bayern

Konzept und Gestaltung:

Ruth Botzenhardt Grafikdesign

www.ruth­botzenhardt.de

e­mail: [email protected]

Satz:

Factory Two Desktop Publishing OHG

www.factory2.de

Druck:

ulenspiegel druck gmbh

Birkenstraße 3, 82346 Andechs

Fotonachweis:

Getty Images S.1, 6­11,

Shutterstock: S.4,5,12,13,18

photocase: S.7,15,19

Anregungen, Kritik und Hinweise

an die Redaktion:

[email protected]

Anzeigen und Förderabos:

Birgit Zipfel, Tel: 089/211597­17,

e­mail: [email protected]

Seit 20 Jahren engagiert sich TransFair für gerechtere Handelsbedingungen, faire Marktzugangs-chancen und nachhaltige Produktion. Mit dem Kauf von Fairtrade-Produkten helfen Sie mit, die Lebensbedingungen von 1,2 Millionen Menschen in Entwicklungsländern positiv zu verändern.

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Page 24: GRÜEN 5 - Gerechtigkeit

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