+ All Categories
Home > Documents > Großes Netzwerk für kleine Teilchen AEROSOLFORSCHUNG IN ...€¦ · Nature Immunology 6/2005...

Großes Netzwerk für kleine Teilchen AEROSOLFORSCHUNG IN ...€¦ · Nature Immunology 6/2005...

Date post: 15-Jun-2020
Category:
Upload: others
View: 2 times
Download: 0 times
Share this document with a friend
72
GSF-FORSCHUNGSZENTRUM FÜR UMWELT UND GESUNDHEIT AEROSOLFORSCHUNG IN DER GSF Großes Netzwerk für kleine Teilchen GSF–FORSCHUNGSZENTRUM FÜR UMWELT UND GESUNDHEIT GSF – Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit in der Helmholtz-Gemeinschaft
Transcript
Page 1: Großes Netzwerk für kleine Teilchen AEROSOLFORSCHUNG IN ...€¦ · Nature Immunology 6/2005 (modifiziert, S.39 oben), Deutsche Gesellschaft für Allergologie und Immunologie eV.

GS

F-F

OR

SC

HU

NG

SZ

EN

TR

UM

R U

MW

EL

T U

ND

GE

SU

ND

HE

IT

AEROSOLFORSCHUNGIN DER GSF

Großes Netzwerk für kleine Teilchen

GS

F–

FO

RS

CH

UN

GS

ZE

NT

RU

M F

ÜR

U

MW

EL

T U

ND

G

ES

UN

DH

EIT

GSF – Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheitin der Helmholtz-Gemeinschaft

Page 2: Großes Netzwerk für kleine Teilchen AEROSOLFORSCHUNG IN ...€¦ · Nature Immunology 6/2005 (modifiziert, S.39 oben), Deutsche Gesellschaft für Allergologie und Immunologie eV.

AEROSOLFORSCHUNG EIN ERFOLGREICHES NETZWERK

HerausgeberGSF-Forschungszentrum für Umwelt und Ge-sundheit, Mitglied der Helmholtzgemeinschaft

Autoren und wissenschaftliche BeratungJohannes Beckers, Heidrun Behrendt, JosefCyrys, Sonja Duggen, Marion Frankenberger,Joachim Heinrich, Joachim Heyder, WolfgangKreyling, Konrad Maier, Georg Matuschek,Thomas Meyer, Winfried Möller, AnnettePeters, Gerhard Scheuch, Holger Schulz, H.-Erich Wichmann, Klaus Wittmaack, LoemsZiegler-Heitbrock, Ralf Zimmermann

RedaktionUlrike Koller, Sonja Duggen, Heinz-Jörg Haury

RedaktionsbeiratJoachim Heyder, Wolfgang Kreyling, H.-Erich Wichmann

Bildredaktion und -beratungUlrike Koller, Michael van den Heuvel, Ulrich Heinzmann, Shinji Takenaka, Klaus Wittmaack

unter Mitwirkung vonBrigitte Schmid, Monika Wiedemann

Titel:Großes Bild: Gamma-Kamera zu Beobachtungdes Verbleibs inhalierter Partikel im Körper(B.Müller); kleines Bild oben: Dieselrußpartikel

(Hans Ruedi Bramaz); kleines Bild unten:Schachtel mit künstlich synthetisierten DNA-Stücken als Grundlage für die Untersuchungdes Einflusses inhalierter Partikel auf dieGenexpression

BildnachweisBernd Müller (Titel, S.2, S. 9, S.13, S.15-17, S. 28-33, S. 44-53, S. 64), Ulrich Heinzmann (S.3oben), O.Meckes/EOS/Agentur Focus modifi-ziert (S.3 unten), Wolfgang Kreyling (S.4, S.23 Mitte, S. 26 unten, S. 61), Ursula Baumgart(S.5 oben, S. 7 oben, S.36 unten re), G. Ferron(S.7 unten), UFZ - UmweltforschungszentrumLeipzig-Halle (S.10 oben re, S. 58), Heidrun Behrendt (S. 10 unten li u. re, S. 38, S. 41 oben li),Gerhardt Wanner (S. 10 unten Mitte), KlausWittmaack (S. 11 Mitte u. unten, S. 12, S. 13unten li, S. 18), GSF-Institut für Epidemiologie(S. 11 Mitte, S. 17 unten li, S. 23 unten, S. 36Mitte, S. 37 unten, S. 41 unten, S. 45 oben u.Mitte), Georg Matuschek (S. 14), Ralf Zimmer-mann (S. 17 Mitte, S. 19), F1 online (S. 20, S.21oben, S. 22 li, S. 25 unten), Michael van denHeuvel (S. 21 oben, S. 33 oben, S. 36 unten li,S.41 Mitte, S. 43 oben, S. 46 oben), Umwelt-bundesamt (S. 21 unten), bilderbox.com (S.22unten li), Josef Cyrys (S. 23 oben), NorbertMetz, BMW (S. 24 unten li), Shinji Takenaka (S. 24 unten re), Peter Gehr: Nachdruck aus:Respiratory Physiology and Neurobiology, Vol32, 1978, pp 121 - 140, P.Gehr et al.: „The normalhuman lung: ultrastructure and morphometric

estimation of diffusion capacity“, mit freund-licher Genehmigung des Elsevier Verlags“. (S. 25 oben, S.27 oben, S.28 unten), GSF-Institutfür Inhalationsbiologie (S.26), Boehringer Ingel-heim International GmbH (S.30 unten), Bundes-institut für Berufsbildung (modifiziert, S.34),Takenaka, Beck & Jennen (S.35 oben), HolgerSchulz (S.35 unten), Fritz Krombach / Khandogaet al. (S.37 oben), A. Saxon, D. Siaz-Sanchez:Nature Immunology 6/2005 (modifiziert, S. 39oben), Deutsche Gesellschaft für Allergologieund Immunologie eV. (S.39 unten), Heidrun Beh-rendt & W.M. Becker (Current Opinion Immu-nology Vol13 Nr. 6, modifiziert, S.40 unten), Joa-chim Heinrich (S.41 oben re, S. 42 oben re, S.59unten), Ingrid Weichenmeier (S.42 unten),Schaumann et al. in American Journal ofRespiratory and Critical Care MedicineVol.170/2005 (modifiziert, S.42 oben li), Klinikund Poliklinik für Dermatologie und Allergolo-gie TU München (S.43), Claudia Reinhard inAmerican Journal of Respiratory and CriticalCare Medicine Vol 171/2005 (modifiziert, S.47unten), Inamed (S.51 oben re), Asklepios Fach-kliniken München-Gauting (S.53 unten), Dami-an G. Allis, Molecular Engineering ResearchInstitute, Nanorex Inc., Syracuse University(S.2 oben, S.54), Hans-Ruedi Bramaz, Zürich(S.55, S.56 oben, S.67, S.68), Wilhelm Barthlott(S.55 Mitte), PhotoDisk Europe Ltd. (S.55unten), Ralf Graupner (S.56 unten), ZENDOMEGmbH Berlin, www.zendome.de (S.57), MichaelMehring (S.57 Mitte), Annette Peters (S.59oben), Markus Amann, IIASA (S.60, S.62),DaimlerChrysler AG (S.63), Joachim Heyder(S.6, S.65 oben)

Layout und GrafikArt&work, München, www.aw-production.de

DruckSchoder Druck, Augsburg

RedaktionsanschriftGSF - Forschungszentrum Abteilung ÖffentlichkeitsarbeitIngolstädter Landstr. 185764 NeuherbergTel.: 089/3187-2711FAX: 089/3187-3324e-Mail: [email protected]: http://www.gsf.de

Auszüge aus diesem Heft dürfen ohne jedeweitere Genehmigung wiedergegeben wer-den, vorausgesetzt, dass bei der Veröffentli-chung die GSF genannt wird. Um ein Beleg-exemplar wird gebeten. Alle übrigen Rechtebleiben vorbehalten.

IMPRESSUM

Page 3: Großes Netzwerk für kleine Teilchen AEROSOLFORSCHUNG IN ...€¦ · Nature Immunology 6/2005 (modifiziert, S.39 oben), Deutsche Gesellschaft für Allergologie und Immunologie eV.

VORWORTDie Diskussion um mögliche Gesundheitsrisiken durch Inhalation von Feinstäuben

hat durch das Inkrafttreten der EU-Feinstaub-Richtlinie am 01. Januar 2005 neueAktualität erhalten, zumal in mehreren deutschen Städten bereits nach wenigenWochen die Grenzwerte an mehr als den erlaubten 35 Tagen überschritten waren.Am GSF – Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit ist das Themenfeld Fein-stäube keineswegs neu. Seit vielen Jahren widmen sich hier Wissenschaftlerverschiedenster Disziplinen der Partikelforschung. Sie untersuchen Herkunft und Eigen-schaften der Partikel, erforschen Zusammenhänge mit biologischen Wirkungen undschätzen so mögliche Gesundheitsrisiken für den Menschen ab. Eine wesentlicheErkenntnis dieser gemeinsamen Anstrengungen an der GSF war nicht zuletzt, dass diegesundheitliche Bedeutung von Partikeln zunimmt, je kleiner sie sind. Dies führte zueinem Paradigmenwechsel in der Aerosolforschung und wird auch zukünftige Diskus-sionen um Partikelgrenzwerte und ihre Einhaltung prägen. Denn sollte sich bestätigen,nicht nur die Partikelmasse zählt, sondern gerade die ultrafeinen Partikel mit an der Ent-stehung umweltbedingter Gesundheitsstörungen beteiligt sind, müsste man für dieBeurteilung der Luftqualität neben der Masse weitere Parameter hinzuziehen. Selbst dieEinhaltung bestehender Grenzwerte könnte demnach nicht ausreichend gewährleisten,dass Gesundheitsrisiken reduziert würden.Auch die chemische Zusammensetzung und weitere physikalische Parameter der Parti-kel werden bei der Erarbeitung gesetzlicher Regelwerke bislang nicht berücksichtigt,haben aber möglicherweise eine weitaus größere biologische Relevanz als bisher ange-nommen bzw. nachgewiesen. Wegen dieser und anderer offener Fragen sieht es die GSF als ihre Aufgabe und Pflicht,ihre wissenschaftlichen Aktivitäten in diesem Forschungsbereich noch stärker voranzu-treiben. Dazu wird die bereits gesammelte Expertise in Form eines neu gegründetenForschungsnetzwerkes gebündelt. In diesem bundesweit zweifellos einzigartigen inter-disziplinären Ansatz gehen die Wissenschaftler des GSF – Forschungszentrums gemein-sam dem Ziel nach, ihre auf dem Gebiet der Aerosolforschung bereits erreichte Spit-zenstellung international zu erhalten und auszubauen. Neben ihrer internen Vernetzunginnerhalb der GSF und der Helmholtz-Gemeinschaft arbeiten die Wissenschaftler engmit Forschungsteams nationaler und internationaler Universitäten und Forschungsein-richtungen zusammen. Die Liste der Partner ist lang und reicht von den beiden Münch-ner Universitäten über Bern, Edinburgh, Rochester, Harvard und andere bis zur ameri-kanischen Umweltbehörde EPA.Die vorliegende Broschüre will einen Einblick in die Teilbereiche der GSF-Aerosolfor-schung und ihre Vernetzung geben und damit einen bedeutenden Aspekt erfolgreicherForschung unseres Zentrums an der Schnittstelle zwischen Umwelt und Gesundheitaufzeigen.

Prof. Dr. Dr. Ernst-Günter Afting Dr. Hans Jahreiß

Wiss. Geschäftsführer Kaufmänn. Geschäftsführer

EIN ERFOLGREICHES NETZWERK AEROSOLFORSCHUNG

1

Page 4: Großes Netzwerk für kleine Teilchen AEROSOLFORSCHUNG IN ...€¦ · Nature Immunology 6/2005 (modifiziert, S.39 oben), Deutsche Gesellschaft für Allergologie und Immunologie eV.

Impressum

Vorwort 1

Inhalt 2

Aerosolforschung in der GSF

Ein erfolgreiches Netzwerk 3

Von den Anfängen bis heute 5

Unter die Lupe genommen

Eigenschaften von Aerosolpartikeln 9

Sammeln und Analysieren

Das Handwerkszeug der Aerosolforscher 15

Von der Quelle zum Menschen

Die individuelle Exposition mit Partikeln 20

Zusammenspiel und Abwehr

Partikel auf ihrem Weg durch den Körper 25

Die Lunge im Visier

Partikelforschung in Kliniknähe 29

Verstaubte Gefäße

Wenn ultrafeine Partikel Herz und Adern schädigen 34

Gefährliches Duo

Partikel und Allergene bringen das Immunsystem

durcheinander 38

Gene im Visier der Partikelforscher

Die persönliche Last 44

Aerosole in Diagnostik und Therapie

Kleine Helfer 49

Chancen und Risiken der Nanotechnologie

Schöne neue Welt? 54

Bewertung und Folgen für die Bevölkerung

Risiko Feinstaub 58

Fragen an die Forschung

Aerosolforschung quo vadis? 64

Glossar 68

INHALT

AEROSOLFORSCHUNG IN DER GSF

2

Page 5: Großes Netzwerk für kleine Teilchen AEROSOLFORSCHUNG IN ...€¦ · Nature Immunology 6/2005 (modifiziert, S.39 oben), Deutsche Gesellschaft für Allergologie und Immunologie eV.

3

EIN ERFOLGREICHES NETZWERK AEROSOLFORSCHUNG

Sie finden sich überall in deruns umgebenden Luft: Parti-

kel unterschiedlichster Größe,Form, Zusammensetzung undKonzentration. Damit ist der un-mittelbare Lebensraum des Men-schen ein Aerosol, eine Suspen-sion von Partikeln in Luft. Die win-zigen Partikel sind vornehmlichanthropogenen Ursprungs.

Sie entweichen mit dem Abgasvon Autos, Häusern und Fabrikenoder werden von der Erdoberflä-che aufgewirbelt.

Nach gegenwärtigem Kennt-nisstand gelten Umweltpartikelanthropogener Herkunft undunterhalb einer Größe von 2,5Mikrometern als biologisch be-sonders relevant. Zum derzeitigen

Wissensstand hat nicht zuletzt dieAerosolforschung am GSF–For-schungszentrum für Umwelt undGesundheit in Neuherberg beiMünchen beigetragen.

Die Oberfläche des mensch-lichen Atemtraktes entspricht mitetwa 140 Quadratmetern ungefährder Größe eines Tennisplatzes.

Über diese riesige Fläche kommtder Mensch unmittelbar in Kon-takt mit seiner Umwelt. Mit jedemAtemzug inhaliert er Millionenvon Partikeln unterschiedlicherGröße, Form und Zusammenset-zung. Einmal eingeatmet lagernsich bestimmte Anteile der Parti-kel in den Atemwegen ab, gelan-

Dieselrußpartikelin 7000facher Ver-

größerung durchdas Auge des

Rasterelektronen-mikroskops

Aufnahme:U. Heinzmann

Wissenschaftler verschiedenster Institute arbeiten am GSF–Forschungszentrum eng vernetzt und mit Kooperationspartnern im In- und Ausland daran, das Geheimnis der Aerosolpartikel zu lüften: Sie erforschen die physikalischen, chemischen und biologischen Eigenschaften der winzigen Partikel, bringen sie inZusammenhang mit biologischen Wirkungen und schätzen so mögliche Gesund-heitsrisiken für den Menschen ab. Sie suchen nach Möglichkeiten der Nutzung von Aerosolpartikeln in Diagnostik und Therapie ebenso wie nach bislang unbekannten Risiken der Nanotechnologie.

Aerosolforschung in der GSF

Ein erfolgreiches Netzwerk

Partikelgröße (µm)0,0001 0,001 0,01 0,1 1,0 10 100 1000

Kfz-Abgas und Abrieb

Flugasche

Tabakrauch Kohlenstaub

Ruß Zementstaub

Pollen

Pflanzensporen

Meersalz Mehl

Viren Bakterien

Moleküle

H2 O2 CO2

Die Größe von Partikeln imUmweltaerosol reicht von einemNanometer bis über 100 Mikrometer(µm= millionstel Meter). Je nachHerkunft lassen sich die Partikelcharakteristischen Größen-bereichen zuordnen. Für diemenschliche Gesundheit sindvor allem Partikel unterhalb einerGröße von 10 µm von Bedeutung.

Quelle: modifiziert nach O.Meckes/EOS/ Agentur Focus

Page 6: Großes Netzwerk für kleine Teilchen AEROSOLFORSCHUNG IN ...€¦ · Nature Immunology 6/2005 (modifiziert, S.39 oben), Deutsche Gesellschaft für Allergologie und Immunologie eV.

4

AEROSOLFORSCHUNG EIN ERFOLGREICHES NETZWERK

gen zum Teil in das Lungengewe-be und die Blutbahn oder werdenwieder ausgeatmet.

Es fällt nicht schwer, sich vorzu-stellen, dass die menschliche Ge-sundheit gefährdet sein kann,wenn die im Atemtrakt deponier-ten Partikel toxische Substanzenenthalten. Aus diesem potentiel-

len Gesundheitsrisiko, dem sichder Mensch zeit seines Lebensnicht entziehen kann, ergebensich Motivation und Pflicht für dieGSF als Forschungszentrum fürUmwelt und Gesundheit mitunterschiedlichen Ansätzen derFrage nachzugehen, inwieweit dieGesundheit des Menschen durch

Inhalation des Umweltaerosolsgefährdet sein kann.

Vernetzt den Geheimnissen

der Partikel auf der Spur

Das Umweltaerosol ist ein vielfäl-tiges Gemisch aus tausenden vonSubstanzen, deren Wirkung nurzum Teil bekannt ist. Ferner istoffen, welche Wirkungen durch einZusammenspiel verschiedenerSubstanzeigenschaften und -effek-te zu erklären sind. Vieles sprichtdafür, dass nicht alle Personen, son-dern offensichtlich nur empfindli-che, sprich suszeptible, Individuenmit gesundheitlichen Effekten rea-gieren. Für die Erforschung dieserkomplexen Wirkungszusammen-hänge ist daher ein koordiniertesVorgehen unabdingbar.

In der GSF erfassen Wissen-schaftler verschiedenster Diszipli-nen Partikel und ihre möglichenGesundheitsrisiken aus unter-schiedlichen Blickwinkeln. DiePartikel werden zunächst nachihren chemischen und physikali-schen Eigenschaften charakteri-siert. Eine andere Arbeitsgruppeuntersucht, unter welchen Um-ständen der Mensch hohen Parti-kelkonzentrationen in besonde-

LangjährigeExpertise und

eine Vielfalt an Forschungsansätzen

– eine solide Basis,auf welcher die verschiedenen

GSF-Institute er-folgreich die offenenFragen der Aerosol-

forschung anpacken.

Quelle: W. Kreyling

Die Komplexität von Aerosolpartikeln in ihren Eigenschaften und Wirkungen spiegelt sich in der Zielset-zung des Projektfeldes „Gesundheitsrelevanz von Aerosolen“ wider, das die GSF im Jahre 2000 gegrün-det hat: Verschiedenste Disziplinen vernetzen in ihrem gemeinsamen Vorgehen Charakterisierung, Dosi-metrie und Exposition, Wirkungsforschung und Risikoforschung miteinander. Quelle: W. Kreyling

Projektfeld: Gesundheitsrelevanz von Aerosolen

Charakterisierung

Chemische, biologische + physikalische Eigenschaften

Wirkung/Mechanismen

ModellaerosoleQuellaerosole

Umweltaerosole

Kardiovaskuläres SystemAtemtrakt

Populationsgruppen Individuen Tiermodelle Targetzellen

Gesundheits-

relevanz

von

Aerosolen

Gesundheits-

relevanz

von

Aerosolen

Wirkung von Modellpartikeln auf Tiermodelle + Zellsysteme, physikalische Analysen anUmwelt- + Modellaerosolen

Wirkung von Umweltpartikelnauf Mortalität + Morbidität inKohorten- + Zeitverlaufsstudien,Umweltpartikelmessungen

Pathogenese partikelinduzierterLungenerkrankungen, Anwen-dung von Modellaerosolen inDiagnostik und Therapie

Wirkung von allergenen Partikelnin Umweltaerosolen

Chemische Analysen anPartikeln in der Umwelt,in vitro Toxizitätstests

Radio- + Schwermetall-analysen an Partikeln in der Umwelt

In vivo + in vitro Toxizität von Komponentenin Partikeln

GSF – Expertise in der Aerosolforschung

Page 7: Großes Netzwerk für kleine Teilchen AEROSOLFORSCHUNG IN ...€¦ · Nature Immunology 6/2005 (modifiziert, S.39 oben), Deutsche Gesellschaft für Allergologie und Immunologie eV.

WolfgangKreyling,

Koordinatordes GSF -

Projektfeldes„Gesundheits-

relevanz vonAerosolen“

Quelle:U. Baumgart/GSF

5

Die Aerosol-Arbeitsgruppe desGSF-Instituts für Biophysikali-

sche Strahlenforschung hatte sichzu Beginn ihrer Arbeit die Aufgabegestellt, die primären Mechanis-men der Deponierung von Parti-keln im Atemtrakt und der Elimi-nation dieser Teilchen aufzuklä-ren, weil dies der erste Schritt zurquantitativen Risikoabschätzunginhalierter Stäube ist.Dazu musste zunächst ein umfang-reiches Instrumentarium entwik-kelt werden: Geeignete Testparti-kel für humane Inhalationsstudienmussten erzeugt werden. Der imgesamten Atemtrakt deponierteAnteil der inhalierten Partikelwurde mit der online-Aerosolpho-tometrie erfasst; Ganzkörper-Gam-mastrahlenspektrometrie war er-

EIN ERFOLGREICHES NETZWERK AEROSOLFORSCHUNG

rem Maße ausgesetzt ist. Wiederandere Kollegen gehen der Fragenach, wie die Partikel in den Orga-nismus eindringen und wie sichder Körper gegen sie wehrt.

Auf eine Frage konzentriert sichderzeit die biomedizinische Aerosol-forschung in besonderem Maße:Sind die Partikel per se oder sindwomöglich nur einzelne Bestand-teile der Partikel biologisch rele-vant? Diese Frage kann wiederumnur beantwortet werden, wenn diechemische Zusammensetzung unddas toxische Potential zumindestder reaktiven Substanzen der Parti-kel bekannt ist.

Auf all diese Einzelaspekte auf-bauend können schließlich die tat-sächlichen Gesundheitsrisikendurch Partikel für den Menschenabgeschätzt werden.

Die Anfänge der Aersolforschung an der GSF gehen zurück auf dieGründung des GSF-Instituts für Biophysikalische Strahlenforschungim Jahr 1968 in Frankfurt. Von links: G. Scheuch, J. Heyder, C. Schiller, W. Stahlhofen, J. Gebhart,C. Roth, F. Haas.

Quelle: J. Heyder (links) / GSF

Von den Anfängen bis heute Von den Anfängen bis heute

Fest steht: So klein die Partikelauch sein mögen, der Forschungs-bedarf ist groß und umso wichtigerist eine Koordinierung der einzel-nen Ansätze. Angesichts dessengründeten die GSF-Institute fürInhalationsbiologie, Epidemiolo-gie, Strahlenschutz und Ökologi-sche Chemie im Jahre 2000 dasProjektfeld „Gesundheitsrelevanzvon Aerosolen. „Gerade durch dasvernetzte Wissen all dieser Diszipli-nen wird eine komplexe Risikoana-lyse inhalierter Partikel möglich“erörtert Wolfgang Kreyling, Koordi-nator des Projektfeldes.

Dass Aerosolpartikel auch posi-tive Seiten haben können, nutzenunter anderem Wissenschaftlerder klinischen Kooperationsgrup-pe „Entzündliche Lungenerkran-kungen“ der GSF in Gauting,

Mit der Gründung des GSF-Instituts für BiophysikalischeStrahlenforschung im Jahr 1968 in Frankfurt begann das Zeit-alter der biomedizinischen Aerosolforschung in der GSF.

indem sie mit Hilfe von Partikelnetwa Lungenemphyseme an Pa-tienten diagnostizieren. ■

Page 8: Großes Netzwerk für kleine Teilchen AEROSOLFORSCHUNG IN ...€¦ · Nature Immunology 6/2005 (modifiziert, S.39 oben), Deutsche Gesellschaft für Allergologie und Immunologie eV.

6

forderlich, um die jeweiligen An-teile in den einzelnen Regionensowie die so genannte Clearance,also den eliminierten Anteil zubestimmen. Mit diesem Instru-mentarium war man nun in derLage, die Partikeldeposition in denverschiedenen Regionen desAtemtrakts als Funktion von Größeund Dichte der Teilchen, des Atem-flusses und der Atemzugdauer zumessen und analytisch vollständigzu beschreiben. Diese mathemati-sche Beschreibung der regionalen

Deposition bildete die Grundlagefür das von der International Com-mission on Radiological Protection(ICRP) publizierte Depositionsmo-dell, das heute weltweit zur Ab-schätzung der im Atemtrakt abge-lagerten Partikelzahl oder -massebenutzt wird.

Partikelforschung auf

internationalem Parkett

Das Engagement der GSF in derbiomedizinischen Aerosolfor-schung ging einher mit einemAufschwung des gesamten For-schungszweiges in den Industrie-ländern. Man hatte erkannt: So-wohl für die Gesundheits- als auchfür die Klimaforschung wurde diezunehmende Belastung der Atmo-sphäre mit anthropogen generier-

ten Partikeln ein wichtiges Thema.Grundlegende Prozesse, die dasVerhalten der Partikel in Lungeund Atmosphäre bestimmen,waren aber noch nicht bekannt.So gründete einer der damals füh-renden Aerosolforscher, NormanDavies, 1970 die von PergamonPress herausgegebene Zeitschrift„Aerosol Science“. In Frankfurtwurde die weltweit erste „Gesell-schaft für Aerosolforschung“gegründet und kurze Zeit später inden USA die „American Associa-tion for Aerosol Research“. 1972war die GSF mit einem Plenarvor-trag an der ersten internationalenAerosoltagung in Minneapolisbeteiligt. Gegenwärtig gibt es eineVielzahl von Aerosolgesellschaf-ten und -zeitschriften und alle vierJahre werden gemeinsame inter-nationale Tagungen aller Gesell-schaften durchgeführt, die sechste2002 in Taipeh. GSF-Wissenschaft-ler wirkten und wirken sowohl ander Herausgabe fast aller Aerosol-zeitschriften als auch an der Orga-nisation der Tagungen mit. Darü-ber hinaus führt die GSF seit vie-len Jahren den Vorsitz in der „Par-ticle-Lung Interaction WorkingGroup“ der European AerosolAssociation, einem Zusammen-schluss aller europäischen Aero-solgesellschaften.

Mit der Berufung von WolfgangJacobi zum Institutsleiter des GSF-Instituts für Strahlenschutz kam1979 die biomedizinische Aerosol-forschung auch nach Neuherberg,ursprünglich um die Strahlenbelas-tung abzuschätzen, die von radio-aktiven Partikeln im Atemtrakt aus-geht. Dazu untersuchte man dasVerhalten radioaktiver Partikel imAtemtrakt von Säugetieren und dieMechanismen der Elimination,sprich Clearance, deponierter Parti-kel aus dem Atemtrakt. Vor allemdie Löslichkeit der Partikel bei ihrerElimination aus dem Atemtraktinteressierte die Forscher. Die inter-

nationale Reputation dieser Aero-solgruppe führte zu ihrer Einbin-dung in die Strahlenforschung derEuropäischen Gemeinschaft. IhreAufgabe war es, die Clearanceradioaktiver Partikel aus demAtemtrakt verschiedener Säuge-tierspezies einschließlich des Men-schen als Funktion der Partikelgrö-ße und den physikalisch-chemi-schen Eigenschaften der Partikel zudokumentieren.

Die Wirkung im Visier

Zu Beginn der 80er Jahre des 20.Jahrhunderts stand für die GSFfest, dass neben der Depositions-und Clearanceforschung anMensch und Tier auch die Wirkunginhalierter Partikel untersucht wer-den muss. 1986 wurde deshalbunter Leitung von Joachim Heyderein „Projekt Inhalation“ gegründet,in dem die Aerosolgruppen derGSF-Institute für BiophysikalischeStrahlenforschung und Strahlen-schutz und eine Gruppe aus derGSF-Abteilung für Enzymchemiezusammengefasst wurden. MitHilfe der Enzymchemiker gelang es,Reaktionen, die Umweltnoxen inbiologischen Geweben auslösen,aufzuklären. Das Projekt Inhalationsollte untersuchen, ob das Umwelt-aerosol ein Gesundheitsrisiko fürden Menschen darstellt und ob

Mittlere Depositionswahrscheinlichkeit von Partikeln im ge-samten Atemtrakt (schwarz), in den extrathorakalen Atemwegen(grün), in den Bronchien (orange), den Bronchiolen (blau) und inden peripheren Lufträumen (rot) als Funktion der Partikelgröße.

Joachim Heyder, bis Ende 2004 Leiter desGSF-Instituts für Inhalationsbiologie. Quelle: J. Heyder

Mittlere Partikeldeposition im gesunden Respirationstrakt bei Ruheatmung durch den Mund

Depo

sitio

n

Partikeldurchmesser (µm)

Partikeldichte : 1 g cm-3

Atemfluss: 250cm3 s-1

Atemzugdauer : 5 s

0,01 0,1 1 10

1,0 –0,8 –0,6 –0,4 –0,2 –

0,8 –0,6 –0,4 –0,2 –0,4 –0,2 –0,4 –0,2 –0,8 –0,6 –0,4 –0,2 –

Quel

le: J

. Hey

der

AEROSOLFORSCHUNG EIN ERFOLGREICHES NETZWERK

Page 9: Großes Netzwerk für kleine Teilchen AEROSOLFORSCHUNG IN ...€¦ · Nature Immunology 6/2005 (modifiziert, S.39 oben), Deutsche Gesellschaft für Allergologie und Immunologie eV.

7

inerte Partikel zur Diagnostik undTherapie von Lungenerkrankungengenutzt werden können. Dazu wur-den in Neuherberg tierexperimen-tell Langzeitexpositions-Studienmit sauren und reaktiven Schwefel-verbindungen durchgeführt, sowiefunktionelle und strukturelle Verän-derungen der Tierlungen analysiert.Ein überraschendes und herausra-gendes Ergebnis war, dass dieLangzeitexposition inhalierter reak-tiver Schwefelgruppen durchgleichzeitig inhalierte saure Aero-sole nicht verstärkt, sondern kom-pensiert wird, und dass die Inhala-tion saurer Aerosole keine Lang-zeitwirkung zur Folge hat. In Koope-ration mit der Abteilung für Pneu-mologie am Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität in Großha-dern wurde das diagnostischePotential inerter Aerosole in derPneumologie erforscht. Gegenwär-tig werden solche Aerosole zurFrüherkennung des Lungenemphy-sems herangezogen. Nach einerLaufzeit von sieben Jahren wurdendie Arbeiten ab 1993 in dem neugegründeten GSF-Institut für Inha-lationsbiologie weitergeführt.

In vivo- und in vitro-Studien desInstituts für Inhalationsbiologiehaben inzwischen die Partikel-oberfläche als weiteren relevantenDosisparameter identifiziert – zu-

gleich eine Bestätigung der bisheri-gen Hypothese: Je kleiner die Teil-chen – und entsprechend größerihre Oberfläche –, desto gefähr-licher können sie sein.

Die anfänglich auf die Atemwe-ge als Zielorgan bezogene Aero-solforschung der GSF weitet sichseit einigen Jahren auf das Herz-Kreislauf-System aus, da sich her-ausgestellt hat, dass ultrafeinePartikel in das Lungenepithel ein-dringen und bis in das Blut gelan-gen können.

Im Jahr 1989 gründete die GSFdas Institut für Epidemiologie.Unter Leitung von H.-Erich Wich-mann widmete es sich vonAnfang an intensiv der umweltepi-

demiologischen Forschung undsetzte dabei seine Schwerpunktezunächst in den neuen Bundeslän-dern. So wurde 1990 die „Außen-stelle Erfurt“ eingerichtet, in wel-cher Studien zu Kurz- und Lang-zeiteffekten von Umweltbelastun-gen bei Erwachsenen und Kindernin Sachsen-Anhalt betreut wer-den. Hier konnte beispielsweisegezeigt werden, dass Atemwegs-symptome bei Kindern mit derHöhe der Belastung durchSchwebstaub zunehmen und nacherheblicher Verbesserung derLuftqualität innerhalb von sechsJahren deutlich zurückgingen.

In Erfurt legte die GSF mitumfangreicher internationaler

EIN ERFOLGREICHES NETZWERK AEROSOLFORSCHUNG

In Ostdeutschland vollzog sich in den wenigenJahren nach der Wende, was in den westlichenIndustrieländern bereits seit den 70er Jahrenangelaufen war: Die Luftqualität verbesserte sichrapide, die Massenkonzentration von Partikeln imUmweltaerosol nahm entsprechend deutlich ab.GSF-Forscher dokumentieren diesen Trend seit1990 in Erfurt quasi im Zeitrafferverfahren. Inter-essanterweise ist aber im gleichen Zeitraum dieAnzahlkonzentration im Gegensatz zur Masse derPartikel in Erfurt im gleichen Zeitraum leicht ange-stiegen. Nun sind für die Massenbelastung derAtmosphäre vor allem die feinen Partikel verant-wortlich, für die Anzahlkonzentration dagegen dieultrafeinen Partikel. Wenn sich die bisherigenBefunde erhärten sollten, dass ultrafeine Partikel

H.-Erich Wichmann, Leiter des GSF-Institutsfür Epidemiologie. Quelle: U. Baumgart/GSF

Masse oder Anzahl ? - Beobachtungen im Zeitraffer

ein eigenständiges Gesundheitsrisiko darstellen,hätte das für die Beurteilung der Luftqualitäterhebliche Konsequenzen: Dann müsste mannämlich neben der Massenkonzentration inZukunft auch die Anzahlkonzentration messen. Eswürde dann auch nicht helfen, die EU - Massen-grenzwerte zu reduzieren.Auch die Identifizierung der Partikeloberfläche alsweiteren relevanten Parameter, wie sie Studiendes Instituts für Inhalationsbiologie ergebenhaben, erleichtert die Beurteilung der Luftqualitätnicht unbedingt. Denn während man sowohl dieAnzahl- als auch die Massenkonzentration onlinemessen kann, gibt es für die Bestimmung derOberflächenkonzentration bislang kein online-Ver-fahren.

Deposition von Partikeln im Atem-trakt: Zieht man die Masse der Parti-kel zur Beurteilung heran, wird derAtemtrakt der in städtischen Gebieten(= rot) lebenden Bevölkerung dreimalmehr mit Partikeln belastet als dervon in Vororten (= blau) oder auf demLande lebenden (= grün) Menschen.Nimmt man dagegen die Partikelzahl,so wird die Stadtbevölkerung neun-zehnmal mehr mit Partikeln belastetals die Landbevölkerung. Dies zeigtdie Dringlichkeit, mit welcher GSF-Wissenschaftler nachzuweisen versu-chen, ob die Partikelmasse oder diePartikelanzahl der geeignetere Dosis-parameter für die Beurteilung mög-licher Gesundheitsrisiken durch inha-lierte Partikel ist. Quelle: G. Ferron

Page 10: Großes Netzwerk für kleine Teilchen AEROSOLFORSCHUNG IN ...€¦ · Nature Immunology 6/2005 (modifiziert, S.39 oben), Deutsche Gesellschaft für Allergologie und Immunologie eV.

8

Finanzierung bald den Schwer-punkt auf den Wirkungsvergleichzwischen feinen und ultrafeinenPartikeln. Das Interesse vor allemder amerikanischen Sponsorenwar darauf zurückzuführen, dassdie GSF über viele Jahre weltweitdie einzige Einrichtung war, dieepidemiologische Forschung zudieser Fragestellung durchführenkonnte. Daher wurde Erfurt auchals epidemiologischer Standortdes US-Particle Centers in Roche-ster ausgewählt.

Die Untersuchungen zeigten,dass bei Asthmatikern ultrafeinePartikel eine besonders wichtigeRolle in Hinblick auf das Auftretenvon Symptomen, die Einschrän-kung der Lungenfunktion und denMedikamentenverbrauch spielten.Demgegenüber wurden Effekteauf das Herz-Kreislauf-Systemund auf die Sterblichkeit durch

Partikel beider Größenklassen(feine und ultrafeine) beeinflusst.

Ende der 1990er Jahre baute dieGSF in Augsburg einen zweitenStandort für umweltepidemiologi-sche Partikelforschung auf. Diedort angesiedelte MONICA/KORAStudie und insbesondere das Herz-infarktregister bieten hervorragen-de Arbeitsbedingungen für dieErforschung von Partikelwirkungenauf das Herz-Kreislauf-System. Eszeigte sich, dass sowohl feine alsauch ultrafeine Partikel Auswirkun-gen auf das EKG sowie verschiede-ne Entzündungs- und Gerinnungs-parameter haben. Hervorzuhebensind die mit internationaler Förde-rung erzielten Erkenntnisse, dassPatienten mit Reinfarkt empfind-licher auf feine und ultrafeine Parti-kel reagieren als Patienten mitErstinfarkt. Viel Aufsehen erregteauch das Ergebnis, dass der Auf-

enthalt im Straßenverkehr wenigeStunden vor dem Infarktereignisein auslösender Faktor zu seinscheint.

Forschung an der Schnitt-

stelle zwischen Umwelt und

Gesundheit

Aerosolforschung in der GSF istein Forschungsschwerpunkt direktan der Nahtstelle zwischen Um-welt und Gesundheit geworden.Ebenso wie sich einzelne Partikelin der Atmosphäre zu immer grö-ßeren Agglomeraten zusammen-schließen, kam es in der GSF zueiner Bündelung der Aerosolfor-schung. Aber im Gegensatz zuden Partikeln, deren Wirkung mitzunehmender Agglomeration ab-nimmt, nimmt der Erfolg derAerosolforschung mit zunehmen-der Vernetzung zu. Und so könntesich dieser Trend auch in der Pro-gramm orientierten Forschung„Umweltbedingte Störungen derGesundheit“ der Helmholtz-Ge-meinschaft Deutscher Forschungs-zentren fortsetzen.

Neben der eigenen Forschungbeteiligen sich GSF-Wissenschaft-ler maßgeblich an der Aufberei-tung und Bewertung des Wissens-stands zur Gesundheitsrelevanzvon Partikeln. So arbeiten sie inentsprechenden Gremien desWHO, im europäischen AIRNETForschungsnetz und in deutschenGremien mit, und liefern Beiträgezur Partikelbewertung der ameri-kanischen Umweltbehörde.

Forschung auf dem Gebiet derAerosole wird so vorangetriebenund noch fehlende, notwendigeExpertise durch interdisziplinäreZusammenarbeit ergänzt. DasGSF–Forschungszentrum für Um-welt und Gesundheit verknüpftdamit umfangreiches Wissenunterschiedlichster Disziplinenund sichert sich so seine interna-tionale Spitzenstellung auf demGebiet der Aerosolforschung. ■

AEROSOLFORSCHUNG EIN ERFOLGREICHES NETZWERK

WHO

MAK

VDI

US-EPANHEERL

KarolinskaInstitut

Schweden

Institut of Public Health Kupio, Finnland

AAAR

Helmholtz-Gemeinschaft

HarvardUniversity

Techn. Univer-sität München

NGFNEAA

SRU

Asklepios-Fachkliniken

Gauting

University ofEdinburgh

Universityof Rochester

Universityof Utrecht

University ofLondon

Aerosolforschungan der GSF be-wegt sich inner-halb eines engen Netz-werkes, in demForschungs-partner auf nationaler undinternationalerEbene mit-einanderkooperieren.

Quelle: GSF

AAAR American Association for Aerosol Research

EAA European Aerosol Association Fraunhofer Gesellschaft

FhG Fraunhofer Gesellschaft

GAeF Gesellschaft für Aerosolforschung

ICRP International Commission of Radiological Protection

MAK Senatskommission der Deutschen Forschungsgemeinschaft

Ludwig-Maximilians-UniversitätMünchen

Universität undFH Augsburg

Universität Bern

Universität Ulm

University of California

Universityof North Carolina

GAeF

ICRP

FhG

NGFN Nationales Genomforschungsnetz

SRU Sachverständigenrat für Umweltfragen

US-EPA US-Environmental Protection Agency,NHEERL (National Health Effects andEnvironmental Research Laboratory)

VDI Verein Deutscher Ingenieure

WHO World Health Organisation

Page 11: Großes Netzwerk für kleine Teilchen AEROSOLFORSCHUNG IN ...€¦ · Nature Immunology 6/2005 (modifiziert, S.39 oben), Deutsche Gesellschaft für Allergologie und Immunologie eV.

9

Wie Partikel in die Luft gelan-gen, kann man beobach-

ten, wenn ein Auto, das mithoher Geschwindigkeit über tro-ckenes Gelände fährt, eine Staub-wolke hinter sich herzieht. Einekräftige Böe kann die Partikelmehr als hundert Meter weit ver-

frachten. Auch ohne menschli-ches Zutun fegt starker Wind denStaub von Straßen, Plätzen undFeldern in die Luft. Gelegentlichkönnen Luftströmungen hochaufgewirbelte Partikel sogar überLandesgrenzen und Kontinentetragen (Saharastaub, Staub von

Vulkanausbrüchen, z.B. vomMount St. Helen). Das vom Erd-boden aufgewirbelte geogeneMaterial ist nicht die einzigenatürliche Quelle von Schweb-staub. Auch die aus Meerenstammenden vornehmlich gro-ben wasserlöslichen Salzpartikel,

UNTER DIE LUPE GENOMMEN AEROSOLFORSCHUNG

Noch weiß man nicht, welche Komponenten der Umweltpartikel für gesundheits-schädliche Effekte verantwortlich sind. Fortschritte in dieser gesundheitspolitisch wichtigen Frage versprechen sich GSF-Wissenschaftler aus den Instituten für Ökologische Chemie und Strahlenschutz über eine umfassende physikalisch-chemische Charakterisierung, insbesondere der biologisch reaktiven Aerosol-partikel. Sie nehmen die Partikel ganz genau unter die Lupe und untersuchen ihregrößenabhängige Konzentration, Morphologie und Zusammensetzung.

Partikelanalyse mit dem ATOFMS - Aerosol-

massenspektrometerEinzelne Partikel werden imFlug erfasst und hinsichtlich

ihrer Größe über Licht-schrankentechnik klassifi-

ziert. Nach anschließenderVerdampfung und Ionisation

mit hochenergetischerLaserstrahlung können die

Ionen massenspektro-metrisch nachgewiesen

werden - die Zusammen-setzung einzelner Partikel

wird innerhalb von Sekunden, quasi in

„Echtzeit“ erfasst.

Quelle: B. Müller / GSF

Unter die Lupe genommenEigenschaften vonAerosolpartikeln

Page 12: Großes Netzwerk für kleine Teilchen AEROSOLFORSCHUNG IN ...€¦ · Nature Immunology 6/2005 (modifiziert, S.39 oben), Deutsche Gesellschaft für Allergologie und Immunologie eV.

10

AEROSOLFORSCHUNG UNTER DIE LUPE GENOMMEN

marine Aerosolpartikel mitihrem hohen Gehalt an Natrium-chlorid, liefern einen teilweisesignifikanten Beitrag zur Massen-konzentration Luft getragenerPartikel. Die marinen Aerosolpar-tikel können durch Luftströmun-gen bis weit ins Landesinnereverfrachtet werden.

Natürlich oder hausgemacht

Neben den geogenen Mineral-stäuben und den marinen Aero-solpartikeln haben auch so ge-

nannte Bioaerosolpartikel einennatürlichen Ursprung. Unter die-ser Bezeichnung fasst man alleAerosolpartikel zusammen, diedurch Lebensvorgänge in derNatur produziert werden. Dazugehören beispielsweise Pollen,Pilzsporen, Bakterien, mikrosko-pische Pflanzenreste und abge-fallene Schuppen von Insekten.Für allergisch sensible Men-schen bedeutet die alljährlichePollenflugsaison eine mehr alslästige Zeit.

Geogene und marine Aerosol-partikel bergen aus medizini-scher Sicht in der Regel keinerkennbares Risiko. Die Aufmerk-samkeit der Epidemiologen undInhalationsbiologen gilt vielmehr

den durch Menschenhand er-zeugten, anthropogenen Aero-solpartikeln. Insbesondere ausdem Auspuff Diesel betriebenerPersonen- und Lastwagen, undaus Schornsteinen von Kraftwer-ken quellen Aerosolpartikel inForm von Ruß. Dieser bestehtaus sehr kleinen, kohlenstoffhalti-gen Partikeln. Organischer Koh-lenstoff, Sulfate, Nitrate unddiverse andere Verunreinigungenin der Umgebungsluft sind denAbgasen beigemischt. Aerosol-partikel entstehen außerdemdurch Abrieb von Bremsen,Autoreifen und Straßenbelagoder werden im Winter durchHeizungen von Wohnungen pro-duziert. Ein weiterer Teil der in

Aerosolpartikel natürlichen Ursprungs stammenzu einem nicht unbeträchtlichen Teil direkt aus derErdkruste. Sie bergen aus medizinischer Sichtallerdings in der Regel kein erkennbares Risiko.Die Aufmerksamkeit der Aerosolforscher gilt vielmehr den durch Menschenhand erzeugtenAerosolpartikeln.

Quelle: MEV (rechts) / UFZ (links)

Für Allergiker mehr als lästig: Bioaerosolpartikel natürlichen Ursprungs. Von links nach rechts: Pilzsporen, Raps- und Birkenpollen. Quelle: H. Behrendt (li u. re.), G. Wanner

Page 13: Großes Netzwerk für kleine Teilchen AEROSOLFORSCHUNG IN ...€¦ · Nature Immunology 6/2005 (modifiziert, S.39 oben), Deutsche Gesellschaft für Allergologie und Immunologie eV.

Schematische Übersicht über die Zusammensetzung von Umweltaerosolen. Im Größenbereich unterhalb von einem Mikrometer (µm) besteht das Aerosol vornehm-lich aus anorganischen Salzen und kohlenstoffhaltigen Materialien. Oberhalb von 1 µmnimmt der aus aufgewirbeltem Sand bestehende „harte“ Anteil mit zunehmender Parti-kelgröße rasch zu. Das in diesem Größenbereich gefundene kohlenstoffhaltige Materi-al besteht vornehmlich aus Agglomeraten von Rußpartikeln und Bioaerosolen.

Quelle: K. Wittmaack

11

UNTER DIE LUPE GENOMMEN AEROSOLFORSCHUNG

der Umgebungsluft enthaltenenPartikel wird von Industrieanla-gen ausgestoßen.

„Die Luft enthält ein breitesSpektrum partikelförmiger Sub-stanzen“, erläutert Klaus Witt-maack, Aerosolforscher am GSF-Institut für Strahlenschutz, „derenabsolute und relative Konzentra-tion sowohl auf der Zeitskala vonMinuten oder Stunden als auchüber Tage, Wochen oder imLaufe eines ganzen Jahres starkvariieren kann“.

Welche mögliche Wirkung inha-lierte Partikel haben können,hängt zudem von ihren chemi-schen und physikalischen Merk-malen ab. Relevante physikali-sche Parameter sind z.B. Größe,Masse, Anzahl, Oberfläche undStruktur von Aerosolpartikelnsowie ihr Aggregatzustand. Nachchemischen Kriterien lassen sichorganische und anorganischeBestandteile unterscheiden.

Weites Größenspektrum

Eine Einteilung der Partikel inGrößenklassen ist deshalbbesonders wichtig, weil sie in

Abhängigkeit von der Größeauch ihre Wirkung entfalten.Partikel einer Größe bis zu maxi-mal 100 Nanometer (nm), dasentspricht 0,1 Mikrometer (µm),werden als ultrafein bezeichnet.Von 0,1 bis 1,0 bzw. 2,5 µm

erstreckt sich der Bereich derfeinen Partikel, an den sich dieGruppe der groben Partikelanschließt (Vgl. Abb.S.12). InDeutschland werden allerdingsauch Partikel bis 10 µm Durch-messer (PM10) als Feinstaub

Variation der totalen Massenkonzentration des Umweltaerosols (engl. total suspended matter, TSP) in Erfurt über einen Zeitraum von zehn Jah-ren (nach Messungen der Thüringer Landesanstalt für Umwelt und Geologie). Die ausgeprägten kurzzeitigen und langzeitigen Schwankungensind deutlich erkennbar. Wie auch an anderen Messstellen zu beobachten, war die Massenkonzentration in den Wintermonaten signifikanthöher als im Sommer. Zwischen 1993 und 2001 ging die Schwebstaubbelastung kontinuierlich um mehr als einen Faktor zwei zurück (logarithmi-sche Konzentrationsskala). Quelle: K. Wittmaack

0,1 1 10PARTIKELGRÖSSE (µm)

100

80

60

40

20

0

wasser-unlösliche, kohlenstoffhaltige Stoffe

kohlenstoffhaltigewasserlösliche Stoffe

(nichtionisch)

wasserlöslicheanorganische Salze

leicht flüchtige Salze

Erdkrusten-material

Übergangs-Metalloxide

MAS

SEN

BRUC

HTEI

L(%

)

1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001MAS

SEN

KON

ZEN

TRAT

ION

(µg/

m3 ) 400

100

40

10

Page 14: Großes Netzwerk für kleine Teilchen AEROSOLFORSCHUNG IN ...€¦ · Nature Immunology 6/2005 (modifiziert, S.39 oben), Deutsche Gesellschaft für Allergologie und Immunologie eV.

Natürliche Schönheit von Bioareosolen: Brochosomensind morphologisch besonders eindrucksvolle Beispieleeines wenig bekannten Produktes der Natur: Sie werdenvon Kleinzikaden (Cicadellidae), einer weltweit verbreite-ten Insektenfamilie, produziert und dienen vermutlich zumSchutz der Insektenhaut gegen Benetzung mit Wasser. DerAufbau der etwa einen halben Mikrometer großen Brocho-somen weckt Erinnerungen an Fußbälle bzw. an C60-Mole-küle (Fullerene), Objekte sehr ähnlicher Struktur, diejedoch fast eine Million mal größer bzw. 500 mal kleinersind. Die optimalen Strukturen zur Herstellung von Kugelnkannte die Natur offensichtlich schon lange bevor derMensch sie erfunden hat.

Aufnahme: K. Wittmaack

12

AEROSOLFORSCHUNG UNTER DIE LUPE GENOMMEN

Entstehung und Herkunft von Partikeln

Eine grobe Unterteilung in Größenklassen sagt noch nichts über die Herkunft oder

Zusammensetzung der Aerosolpartikel aus. Als alternatives Kriterium nutzen Aerosol-

wissenschaftler daher den Mechanismus ihrer Erzeugung für eine Dreiteilung in den

Nukleations-, den Akkumulations- und den Mineralstaubmodus.

Partikel im Nukleationsmodus entstammen direkt einzelnen Quellen wie dem Kraft-

fahrzeugabgas oder den Schornsteinen von Kraftwerken.

Diese auch als primäre Aerosole bezeichneten Partikel haben eine hohe diffuse Eigen-

beweglichkeit. Sie können daher mit anderen Partikeln zusammenstoßen und anein-

ander haften. Dieser als Agglomeration bezeichnete Vorgang führt zu einem Partikel-

NukleationsverteilungAkkumulationsverteilungMineralstaubverteilung

0.01 0.1 1 10 100PARTIKELGRÖSSE (µm)

1010

109

108

107

106

100

10

1

0.1KON

ZEN

TRAT

ION

(µg/

m3 )

KON

ZEN

TRAT

ION

(m-3)

wachstum, verbunden mit einer Abnahme der Partikelanzahl. Ein

meist noch wichtigerer Wachstumsvorgang ist die Kondensation

diverser in der Atmosphäre enthaltener Gase auf den ultrafeinen

und feinen Partikeln. Je nach Konzentration der beteiligten Gase,

Temperatur, Feuchtigkeit, Windgeschwindigkeit und anderen äuße-

ren Faktoren können die gewachsenen Partikel Größen bis zu einem

Mikrometer erreichen.

Die so entstandenen sekundären Aerosolpartikel enthalten in

erheblichem Umfang auch organische Stoffe. „Die Bedeutung der

sekundären Aerosole lässt sich daran erkennen, dass sie zwischen

einem Drittel und mehr als der Hälfte der gesamten Massenkon-

zentration eines Umweltaerosols ausmachen“, betont Wittmaack.

Einen gewissen, gelegentlich sogar großen Beitrag zur Masse des

Umweltaerosols liefert der aus Erdkrustenmaterial aufgewirbelte

Staub, der so genannte Mineralstaubmodus. Die Größenverteilung

dieser Partikel reicht vom groben bis in den ultrafeinen Bereich. Erd-

krustenstaub besteht vornehmlich aus Mischoxiden der Elemente

Silizium, Aluminium, Titan, Eisen, Kalium und Kalzium.

Diese Unterschiede machen sich Wissenschaftler zunutze, um Parti-

kel auch ihren Quellen zuordnen zu können. Für eine genaue Iden-

tifizierung dieser Quellen ist es unbedingt erforderlich, neben der

Größenverteilung auch die chemische Zusammensetzung von Aero-

solpartikeln in verschiedenen Größenbereichen zu bestimmen.

a) Mittlere Größenverteilung eines für städtische Bereiche typi-schen Umweltaerosols. Die Verteilung lässt sich grob in die dreifarblich unterlegten Untergruppen aufteilen, die die unterschied-liche Herkunft der Aerosolpartikel widerspiegeln. Formal kannman – wie skizziert – auch eine Aufteilung in ultrafeine, feine undgrobe Partikel vornehmen.b) Aus einer Partikel-Anzahlkonzentration kann man in guterNäherung die dazugehörige Massenverteilung berechnen, wennman annimmt, dass die Aerosolpartikel kugelförmig sind und einebestimmte Dichte besitzen: Im Vergleich zur Anzahlverteilung hatdie Massenverteilung eine völlig andere Form und der Schwer-punkt ist deutlich zu größeren Durchmessern hin verschoben.Während die weitaus meisten Aerosolpartikel weniger als 0.2 µm groß sind, findet man den überwiegenden Teil der Masseim Größenbereich oberhalb dieser Grenze. Quelle: K. Wittmaack

Page 15: Großes Netzwerk für kleine Teilchen AEROSOLFORSCHUNG IN ...€¦ · Nature Immunology 6/2005 (modifiziert, S.39 oben), Deutsche Gesellschaft für Allergologie und Immunologie eV.

13

bezeichnet, was internationalunüblich ist. Die Grenze zwi-schen feinen und groben Parti-keln ist fließend. Mit Blick aufdie Lungengängigkeit von Parti-keln erscheint die Grenze von2,5 µm als sinnvoll, physika-lisch-chemische Kriterien spre-chen mehr für eine Trennliniebei einem Mikrometer.

Aus experimentell bestimmtenGrößenverteilungen von Aero-solpartikeln lässt sich die gesam-te Anzahlkonzentration bestim-men. Diese liegt in deutschenStädten im Mittel bei etwa zehnMilliarden Partikeln pro Kubik-meter Luft (das entspricht 10.000Partikeln pro cm3). Die großeZahl wird durch einen Vergleichvorstellbar: In einem KubikmeterLuft einer mäßig belastetenstädtischen Atmosphäre findetman mehr Partikel als Menschenauf der Erde. Der Mensch atmettäglich etwa 10 Kubikmeter dieserpartikelträchtigen Luft ein.

Beladen mit organischer

Fracht

Außer mit anorganischen Sal-zen und elementarem Kohlen-stoff sind Partikel auch mit orga-nischen Komponenten beladen.Wegen ihrer relativ großen Ober-fläche können sie beim Abkühlennach einem Verbrennungsvor-gang oder direkt aus ihrer Umge-bung gasförmige organische Ver-bindungen aufnehmen. Die ansich schon sehr komplexe Zu-sammensetzung der absorbier-ten Substanzen erhöht sich nochdurch Reaktionen mit anderenBestandteilen wie Ozon oder NO.

Gaschromatographische Un-tersuchungen haben gezeigt,dass Extrakte der organischenKomponenten aus Umweltaero-solproben weit mehr als 2000Einzelverbindungen enthaltenkönnen. Aber nur ein kleiner Teil

aller zu erwartenden organischenVerbindungen - etwa 30 Prozent -ist einer Bestimmung zugänglich,wovon wiederum nur etwa dieHälfte identifiziert ist. Das heißt,hier bleibt noch viel zu tun, ummehr Licht in das Dunkel derorganischen Fracht zu bringen.

Der Vergleich lohnt

„Die Aufklärung bestimmterEinzelkomponenten und Kom-ponentengruppen, von denenman heute weiß, dass sie einebiologische Wirkung haben, istnotwendig“, hebt Georg Matu-schek vom GSF-Institut für Öko-logische Chemie hervor. „Sohaben uns zum Beispiel Zelltestsmit Dieselrußpartikeln gezeigt,dass sowohl die Partikel selbstals auch bestimmte Fraktionender organischen KomponentenEffekte hervorrufen.“

UNTER DIE LUPE GENOMMEN AEROSOLFORSCHUNG

Spektrum der Elementzusammensetzung einerAerosolprobe, gemessen mittels protoneninduzierter

Röntgenemission (PIXE). Zusätzlich zum charakteri-stischen Linienspektrum der im Aerosol enthaltenenElemente wird in der Trägerfolie auch nicht-charak-teristische Bremsstrahlung erzeugt. Das Nettospek-trum ergibt sich als Differenz zwischen dem gemes-

senen Spektrum und dem einer Leerfolie.

Quelle: K. Wittmaack (oben), B. Müller / GSF (rechts)

PHOTONEN-ENERGIE (keV)0 2 4 6 8 10

104

103

102

10

1

RÖN

TGEN

SIGN

AL(Im

puls

e)

Leerfilter

Page 16: Großes Netzwerk für kleine Teilchen AEROSOLFORSCHUNG IN ...€¦ · Nature Immunology 6/2005 (modifiziert, S.39 oben), Deutsche Gesellschaft für Allergologie und Immunologie eV.

14

Eine vollständige Identifizie-rung aller Einzelverbindungenmit dem Ziel, die gesundheitlichrelevanten Komponenten zu fin-den, ist derzeit nicht möglich.Daher verfolgen die GSF-Wissen-schaftler am Institut für Ökologi-sche Chemie unterschiedlicheStrategien: Zum einen werdenreaktive organische Speziesuntersucht, die das Redox -Gleichgewicht der Zelle beein-flussen und dadurch entzündli-che Prozesse auslösen können.

Zum anderen werden verglei-chende Untersuchungen durch-geführt, um die wirkungsrele-vanten Substanzen bzw. Sub-stanzklassen zu identifizieren.

Hier kommen den Wissen-schaftlern die Vorteile des inter-disziplinären Ansatzes der GSFzugute: In enger Verzahnung mitKollegen aus der Epidemiologieund Toxikologie untersuchendie Analytiker die Proben quali-tativ hinsichtlich ihrer organi-schen Substanzklassen undbewahren sie für spätere Analy-sen auf. Treten innerhalbbestimmter Zeiträume im Rah-men der epidemiologischenStudien Gesundheitseffekte zuTage, so werden die aufbewahr-ten Proben im Detail untersucht.Analog werden die in toxikolo-gischen Studien eingesetztenStäube genauer auf ihre organi-schen Bestandteile untersucht.Eine weitere Möglichkeit diesesvergleichenden Ansatzes: In-dem die Forscher die biologi-sche Wirkung unterschiedlicherExtrakte der organischen Parti-kelfracht bestimmen, gelingt esihnen, die biologisch reaktivenSubstanzen bzw. Substanzklas-sen von anderen herauszufil-tern. ■

AEROSOLFORSCHUNG UNTER DIE LUPE GENOMMEN

Untersuchungs-schema zurIdentifizierungwirkungsrele-vanter Kompo-nenten imUmweltaerosol.

Quelle:G. Matuschek

Von den wir-kungsrelevantenSubstanzen,die im Umwelt-aerosol nachge-wiesen werdenkönnen, tritt dasPhenanthrenchi-non (Phen) invergleichsweisehohen Konzen-trationen auf.Eine endgültigequantitativeBestimmungsteht noch aus.(TSP = totalsuspendedparticulate,Schwebstaub).

Quelle:G.Matuschek

B(c)

Ac

Acrid

in

Chr5

.6-d

ion

Phen

B(a)

P1

B(a)

P2

4-Az

apyr

en

B(a)

Ac

Phen

antri

din

Benz

o(f)q

uino

lin

B(a)

P3

B(a)

P4

200 000

190 000

180 000

170 000

160 000

150 00050 000

40 000

30 000

20 000

10 000

0

Probe Herstellungunterschiedlicher

Extrakte

Detailliertechemische

Analyse

Identifizierenvon aktiven

Komponenten

Bestimmen der biologisch aktiven

Fraktion

ZellschädigungNADPH oder AscorbateNADP+ oder Dehydroascorbate

OHFe3+

O2.-OH

OH

O-

O-

O

O

Fe2+

NADPH oder Ascorbate

Für einzelneorganischeKomponentenim Umwelt-aerosol sind dieWirkungszu-sammenhängemittlerweileerkannt.

Quelle:G. Matuschek

H2O2 O2.- O2-

ImmunologischeEffekte

Karzinogenese

NADP+ oderDehydroascorbate

PM 2,5TSP

PAH-Quinones

Polyzyklische aroma-tische Kohlenwasserstoffe

N-Heterocyclic und Amino-PAH

FE/m

g

Page 17: Großes Netzwerk für kleine Teilchen AEROSOLFORSCHUNG IN ...€¦ · Nature Immunology 6/2005 (modifiziert, S.39 oben), Deutsche Gesellschaft für Allergologie und Immunologie eV.

15

Das Größenspektrum vonAerosolpartikeln erstreckt sich

über einen außerordentlich weitenBereich, von etwa einem Nanome-ter bis einhundert Mikrometer(µm) . Nachweis und Größenbe-stimmung von Partikeln mit einem

Durchmesser oder einer mittlerenAbmessung oberhalb von etwa0,3 µm sind noch relativ einfach:„Man richtet dazu den Strahl einesLasers auf einen engen Volumen-bereich, durch den der zu analy-sierende Luftstrom geleitet wird“,

erläutert Ralf Zimmermann, Ana-lytiker am GSF-Institut für Ökologi-sche Chemie und der UniversitätAugsburg. „Das von vorbei flie-genden Partikeln kurzzeitigerzeugte Streulicht kann mandann mit einem Detektor registrie-

SAMMELN UND ANALYSIEREN AEROSOLFORSCHUNG

Die Vielfalt der Komponenten und physikalischen Strukturen von Aerosolpartikeln istimmens, entsprechend anspruchsvoll ist ihre Bestimmung. Analytiker an der GSF undweltweit stehen vor der immensen Aufgabe, diejenigen Substanzen der Aerosolpartikelzu identifizieren, die biologisch reaktiv sind und damit zu gesundheitsschädlichen Effekten führen können. Dies erfolgt in enger Abstimmung mit den Wirkungsforschern.Sie liefern erste Hinweise auf reaktive Substanzen oder Substanzklassen, die die Analy-tiker dann in den Umweltproben suchen. Wenn die Konzentration solcher Substanzenzeitlich und räumlich variiert, können die Epidemiologen wiederum Assoziationen mitGesundheitseffekten untersuchen.

Sammeln und AnalysierenDas Handwerkszeug der Aerosolforscher

Für die größen-selektive Sammlungvon Aerosolpartikeln

werden ein- oder mehr-stufige Impaktoren

eingesetzt.

Quelle: GSF/ B.Müller

Page 18: Großes Netzwerk für kleine Teilchen AEROSOLFORSCHUNG IN ...€¦ · Nature Immunology 6/2005 (modifiziert, S.39 oben), Deutsche Gesellschaft für Allergologie und Immunologie eV.

16

AEROSOLFORSCHUNG SAMMELN UND ANALYSIEREN

ren.“ Die Streulichtintensität istein Maß für die Partikelgröße.Durch Zählung der Häufigkeit undGröße der Partikel lässt sich einGrößenspektrum gewinnen. DieAnalyse einer viel größeren Parti-kelzahl als zum Beispiel mit derLicht- oder Elektronenmikroskopieist so möglich.

Messungen in Echtzeit

Schwieriger wird es bei Parti-keln, die kleiner als 0,3 µm sind:Sie erzeugen ein zu geringesStreulicht, das mit den vorhande-nen Messsystemen nicht analy-siert werden kann. Deshalb müs-sen sie auf andere Weise zunächsthinsichtlich ihrer Größe sortiertund dann nachgewiesen werden.Dazu nutzen die Analytiker dieBeobachtung, dass sich geladenePartikel unterschiedlicher Größein einem Gasstrom unter der Wir-

kung eines elektrischen Feldesunterschiedlich rasch bewegen,man spricht in diesem Zusam-menhang von elektrischer Mobi-lität. Um diesen Effekt zu nutzen,werden die Aerosolpartikel zu-nächst elektrisch geladen und auf-grund ihres elektrischen Mobi-litätsdurchmessers in separateFraktionen selektiert. Damit diePartikel in jeder Fraktion gezähltwerden können, schickt man siedurch eine Kammer, die mit über-sättigtem Gas eines organischenLösungsmittels wie z. B. n-Butan-ol gefüllt ist.

Das Gas kondensiert auf denPartikeln, die dadurch zu einerGröße anwachsen, die ausreicht,um sie ebenfalls mittels Laser-Streulicht zählen zu können.„Durch Kombination dieser bei-den Methoden der Größenbestim-mung kann man die Anzahlkon-

zentration von Partikeln im Be-reich von cirka drei nm bis über 20 µm bestimmen“, fasst Zimmer-mann zusammen.

Das Ergebnis ist eindeutig: Dieweitaus meisten Partikel desUmweltaerosols haben eineGröße von weniger als 0,2 µm.Die Konzentration von Partikeln,die größer als 1 µm sind, ist imallgemeinen vernachlässigbar.„Einen großen Vorteil dieserMethoden sehe ich darin, dassschon nach kurzer Messzeit diegewünschte Information vor-liegt“, erklärt Zimmermann. Mankann also die Anzahlkonzentra-tion der Partikel in Abständenvon Minuten, ggf. sogar vonSekunden messen, daher auchder Name Echtzeit- oder on-line-Verfahren. Auf diese Weise ist esbeispielsweise möglich, den Ein-fluss der Verkehrsdichte auf das

Zweidimensionale Gaschromatographie: Aerosolproben werden auf ihre chemische Zusammensetzung untersucht und dazu in ihre chemischen Kompo-nenten aufgetrennt. Dies geschieht mit zwei verschiedenen Trennprinzipien - Flüchtigkeit (erste Dimension) und Polarität (zweite Dimension). So kann diechemische Zusammensetzung einer Probe stark verbessert aufgeklärt werden. Jeder Peak des am Bildschirm sichtbaren zweidimensionalen Chromato-gramms bezeichnet eine - je nach Höhe mehr oder wenig häufig - im Aerosol vorkommende chemische Verbindung. Quelle: GSF/ B.Müller

Page 19: Großes Netzwerk für kleine Teilchen AEROSOLFORSCHUNG IN ...€¦ · Nature Immunology 6/2005 (modifiziert, S.39 oben), Deutsche Gesellschaft für Allergologie und Immunologie eV.

17

SAMMELN UND ANALYSIEREN AEROSOLFORSCHUNG

Größenspektrum der Aerosol-partikel zu untersuchen.

Blicke in die Chemie

In der GSF laufen derzeit sehrintensive Bemühungen, mit guterZeitauflösung auch die chemi-sche Zusammensetzung vonAerosolpartikeln als Funktionihrer Größe zu bestimmen. DieVerfahren beruhen ebenfalls aufdem Einsatz von Lasern, jedochnicht nur zur Registrierung, son-dern zusätzlich zur Verdampfungvon Partikeln, gefolgt von einermöglichst vollständigen Ionisie-rung der in die Gasphase über-führten Atome und Moleküle. DieIdentifizierung und Registrierungder erzeugten Ionen geschiehtdann in einem geeigneten Mas-senspektrometer. Auf dieseWeise können Metalle und zahl-reiche organische Substanzklas-sen in einzelnen Partikeln analy-siert werden. Bei derartigen Mes-sungen entsteht eine großeDatenflut dadurch, dass jedemanalysierten Größenintervallnicht mehr nur ein Zahlenwert fürdie Anzahl der Partikel zugeord-net ist. Vielmehr ergibt sich eineVielzahl chemischer Informatio-nen für jedes erfasste Partikel.Zimmermann blickt optimistischin die Zukunft: „Diese Informa-tion werden wir mit noch zu ent-wickelnden bzw. zu verbessern-den Rechenprogrammen kanali-sieren und strukturieren, um einweitergehendes Verständnis derHerkunft, Zusammensetzung undwenn möglich der inneren Struk-tur von Aerosolpartikeln zugewinnen“.

Für die Frage eines möglichenGesundheitsrisikos sind kurzzeiti-ge Änderungen der Partikelkon-zentration weniger relevant alsdie Variation über einen Zeitraumvon einem oder mehreren Tagenoder räumliche Unterschiede wiez.B. Stadt gegenüber Land. Des-

halb untersuchen GSF-Wissen-schaftler auch die Konzentration,Masse und Zusammensetzungvon Aerosolen auf längeren Zeit-skalen, beispielsweise im Rhyth-mus von 24 Stunden. „LängereSammelzeiten sind auch deshalbnotwendig, weil Umweltaerosolediverse biologisch reaktive Ele-mente und Substanzen in teil-weise sehr geringen Konzentra-

tionen enthalten, die nur dannverlässlich bestimmt werden kön-nen, wenn für eine Analyse hin-reichend viel gesammeltes Aero-solmaterial zur Verfügung steht“,erklärt Klaus Wittmaack, Aerosol-analytiker am GSF-Institut fürStrahlenschutz.

Nach der Sammlung der Aero-solproben wird in einer erstenAnalyse im Allgemeinen zunächst

Nachmittags- und Morgenverkehr sind in der

grafischen Auswertungdeutlich an hohen Emis-

sionswerten (rot) bei klei-nen Partikeln erkennbar.

Quelle: R. Zimmermann

Messkampagne derGSF in Kooperationmit dem BayerischenLandesamt fürUmweltschutz amAugsburger Königs-platz. Gemessenwurde der Tages-gang der Partikelbe-lastung an einemverkehrsbelastetenStandort.

Quelle: B. Müller/GSF

Page 20: Großes Netzwerk für kleine Teilchen AEROSOLFORSCHUNG IN ...€¦ · Nature Immunology 6/2005 (modifiziert, S.39 oben), Deutsche Gesellschaft für Allergologie und Immunologie eV.

Bei der Bestimmung der Massenkonzentrationund der chemischen Zusammensetzung von Par-tikeln ist es das erklärte Ziel der Wissenschaftler,diese Daten in Abhängigkeit von der Partikelgrö-ße zu gewinnen. Denn sie entscheidet letztend-lich über eine mögliche Abscheidung im Atem-trakt und damit über ihre mögliche Wirkung. Zurgrößenselektiven Sammlung nutzen die Analyti-ker Impaktoren, in welchen die Luft durch rundeoder schlitzförmige Düsen strömt. Hinter denDüsen trifft die Luftströmung auf Prallplatten, diemit Sammelfolien versehen sind. Partikel, die derabströmenden Luft wegen zu großer Trägheitnicht folgen können, werden auf den Sammelfo-lien aufgefangen. Die anschließende chemischeAnalyse des gesammelten Materials liefert sehrwichtige Informationen über die Zusammenset-zung von Aerosolen. In mehrstufigen Impaktoren sind mehrere Ein-heiten in Stufen mit zunehmender Strömungs-geschwindigkeit angeordnet. So werdenzunächst die großen, schweren Partikel, in denweiteren Stufen dann nach und nach immerkleinere Partikel abgeschieden. Ein Problem bei der Sammlung von Umwelt-aerosolen über Stunden oder Tage ist die leich-te Flüchtigkeit einiger Komponenten, z.B. vonAmmoniumnitrat. Wenn dieses Salz zu Beginnder Sammlung als partikelförmiges Material ineinem Impaktor oder auf einem Filter gesam-melt wird, kann es bei Temperaturen oberhalb

von ca. 5°C im anhaltenden Luftstrom so raschverdunsten, dass es am Ende der Sammelzeitvollständig verschwunden ist. Derartige Arte-fakte müssen durch aufwändige Maßnahmenunter Kontrolle gehalten werden.

Gezieltes Sammeln an viel

versprechenden Orten

Im Jahre 2004 sammelten GSF-Wissenschaft-ler mit PM2,5-Sammlern in Hettstedt undZerbst acht Wochen lang Feinstaub und ultra-feine Partikel als Material für umfangreicheAnalytik und tierexperimentelle Studien. DenHintergrund für die Auswahl dieser Orte bildenepidemiologische Befunde, die über einenZeitraum von sechs Jahren stabil auftraten undzeigen, dass Kinder aus dem mit Luftschad-stoffen belasteten Hettstedt etwa doppelt sohäufig allergische Erkrankungen und Sympto-me aufweisen wie Kinder aus dem vergleichs-weise sauberen Zerbst. Erste toxikologischeUntersuchungen an früher dort gesammeltenStäuben hatten gezeigt, dass die Partikel ausHettstedt nicht nur eine höhere Schwermetall-belastung, sondern auch ein erhöhtes allerge-nes Potential aufwiesen als in Zerbst. Weite-ren Aufschluss sollen groß angelegte Experi-mente geben, an denen fünf GSF-Institute, dieamerikanische Umweltbehörde US-EPA sowieweitere Partner aus den USA, den Niederlan-den und Deutschland beteiligt sind.

(a) Einstufiger Impaktor mit anschließender Filter-sammlung. Bei dem hier gezeigten Gerät werdenPartikel größer 2,5 µm auf der Impaktorplatte abge-schieden, der Rest wird auf dem Filter gesammelt.Der Luftdurchsatz kann auf einfache Weise durchAnschluss an einem Staubsauger erreicht werden.

(b) Anhäufung von Partikeln im Größenbereich über2,5 µm aus grobem Straßenstaub, die in einem ein-stufigen Impaktor abgeschieden wurden. Die Aus-bildung spitzkegelartiger Strukturen lässt daraufschließen, dass der Partikelstrom in der Achse dervorangehenden Düse konzentriert war.

Quelle: K. Wittmaack

(a)

(b)

Reiche Ausbeute für Sammler

18

die Masse des deponierten Aero-solmaterials bestimmt. Dieseergibt sich aus der Differenz derMasse des Filters oder der Sam-melfolie vor und nach der Samm-lung. „Für die Massenbestim-mung setzen wir spezielle Waa-gen ein, die eine sehr hohe Emp-findlichkeit bis herunter zu einemMikrogramm haben“, erläutertWittmaack das Vorgehen.

Der Teufel steckt im Detail

Bei derart genauer Wägungkann bereits der unvermeidbaredünne Wasserfilm auf dem Filteroder der Sammelfolie zu Fehl-messungen führen. Deshalbmüssen die Messungen bei kon-stant gehaltener relativer Feuch-tigkeit durchgeführt werden.

Die typische Menge an Luft,die im Laufe eines Tages durcheinen kleinen Sammler gezogenwird, beträgt etwa 40 Kubikme-ter. Bei Massenkonzentrationenzwischen 20 und 50 µg/m3 machtdie gesamte Masse des gesam-melten Aerosolmaterials zwi-schen 0,8 und 2,0 mg aus.Benutzt man zur Sammlungeinen mehrstufigen Impaktor,dann verteilt sich die Masse aufbis zu zwölf Stufen.

Eine sehr wichtige Komponentedes Umweltaerosols ist der Koh-lenstoff. Dieser liegt sowohl inorganischer als auch in elementa-rer Form als Ruß vor. Zum einenkönnen die kleinen Rußpartikelaufgrund ihrer großen katalyti-schen Oberfläche biologisch reak-

tiv sein, zum anderen die organi-schen Substanzen z.B. durch Oxi-dation oder Bildung von reaktivenRadikalen. Eine Bestimmung allerVerbindungen des organischenMaterials ist derzeit nicht möglich.Daher werden sowohl elementa-rer als auch organischer Kohlen-stoff, EC und OC, durch thermi-sche Verfahren bestimmt. Dabeientsteht gasförmiges Kohlendio-xid, das anschließend mit geeig-neten Methoden quantitativbestimmt wird.

Die Zusammensetzung vonUmweltaerosolen ist äußerstkomplex, weshalb auch die Identi-fizierung möglicher gesund-heitsrelevanter Bestandteile nichteinfach ist. Gerade im Bereich derorganischen Aerosolbestandteile

AEROSOLFORSCHUNG SAMMELN UND ANALYSIEREN

Page 21: Großes Netzwerk für kleine Teilchen AEROSOLFORSCHUNG IN ...€¦ · Nature Immunology 6/2005 (modifiziert, S.39 oben), Deutsche Gesellschaft für Allergologie und Immunologie eV.

19

werden die Analytiker mit einerunvorstellbaren Substanzvielfaltkonfrontiert. Das neue Verfahrender zweidimensionalen Gaschro-matographie - Massenspektrome-trie erlaubt eine Auftrennung derin einer Aerosolprobe vorhande-nen Substanzen nach zwei physi-kalischen Parametern - ihrerFlüchtigkeit und ihrer Polarität.Von den getrennten Verbindungenwerden dann noch Spektren ihrerMolekülmassen ermittelt. Mit die-ser Technik können aus einigenKubikmetern Umgebungsluftmehrere tausend organische Ver-bindungen nachgewiesen wer-

den. Allerdings, ein Großteil die-ser Verbindungen ist noch nichtidentifiziert. Um ein besseres Ver-ständnis der chemischen Signatureiner Aerosolprobe zu erhalten,entwickeln Wissenschaftler desGSF-Instituts für Ökologische Che-mie derzeit neue Methoden, umdie organischen Verbindungenanhand ihrer Polarität, Flüchtigkeitund ihrer Massenspektren in Sub-stanzklassen einzuteilen.

Blick in die Zukunft

Eines der wichtigsten Charakteri-stika des Umweltaerosols ist seineVariabilität hinsichtlich Partikelan-

zahl, Masse und Zusammen-setzung. So wurde an der neuenMessstation der GSF im Jahr 2004damit begonnen, neben Anzahl,Masse und Größenverteilung derPartikel auch die chemischenBestandteile der Partikel zu unter-suchen. Es werden lösliche undnicht lösliche sowie flüchtige undnichtflüchtige Komponenten ge-trennt ausgewiesen. Wenn in derzweiten Ausbaustufe die Analysevon Einzelpartikeln möglich wird,steht in Augsburg eine Messein-heit, die den Vergleich mit denamerikanischen Messstellen nichtzu scheuen braucht. ■

SAMMELN UND ANALYSIEREN AEROSOLFORSCHUNG

Die GSF betreibt in Augsburg eine brandneueMessstation zur Partikel-Messung im on-line (Echt-zeit-)Verfahren. Spektrometer messen Partikel-Anzahlkonzentrationen im Größenbereich zwi-schen 3 Nanometern und 10 Mikrometern. Die Sammlung dieser Partikel erlaubt zusätzlicheine nachfolgende größenabhängige Analyse der

Partikelzusammensetzung. Die Messstation dientvor allem als Grundlage für Langzeitstudien, dievon den GSF-Epidemiologen durchgeführt werden.Sie bildet damit einen wesentlichen technischenBaustein innerhalb des GSF-Projektfeldes „Ge-sundheitsrelevanz von Aerosolen“.

Die beiden großen Messcontainer der Partikelmessstation der GSF auf dem Gelände der Fachhoch-schule Augsburg sind bereits installiert. Der erste beinhaltet die Gas- und Partikelmessanalytik samtMassenbestimmung, Anzahlkonzentrationen, SO2- und NOX-Monitoren sowie weiteren Analyse-geräten. Der zweite Container ist mit Impaktoren, Messsystemen zur Partikelgrößenverteilung sowiemassenspektrometrischen Systemen zur chemischen Analytik ausgerüstet. Quelle: R. Zimmermann

Partikelmessung im on-line-Verfahren

Verlauf der mittleren Anzahl-(NC) und Massenkonzen-tration ( PM2.5) von Partikelngemessen an der neuenMessstation Augsburg imHerbst 2004. Die Massenkon-zentrationen sind weiter auf-geteilt in ihren flüchtigenAnteil (PM 2.5_V, partikelför-miges Nitrat und Organika)und den nicht-flüchtigen Partikelanteil (PM 2.5_NV).Der Verlauf zeigt, dass dieSchwankungen von Anzahl-und Massenkonzentration der Partikel nicht immer synchron verlaufen.

Quelle: GSF-EPI

Mas

senk

onze

ntra

tione

n [µ

g m

-3]

Anz

ahlk

onze

ntra

tion

[cm

-3]

Page 22: Großes Netzwerk für kleine Teilchen AEROSOLFORSCHUNG IN ...€¦ · Nature Immunology 6/2005 (modifiziert, S.39 oben), Deutsche Gesellschaft für Allergologie und Immunologie eV.

20

AEROSOLFORSCHUNG QUELLEN UND EXPOSITION

Die persönliche Exposition des Einzelnen bestimmt sich aus der Partikel-konzentration in der Umgebungsluft und der Atmung, die wiederum von der jeweiligen körperlichen Aktivität abhängt. Durch Verkehrsabgase, Emissionen aus Heizungs- und Industrieanlagen sowie eingeschränkte Durchlüftung weist die Luftdicht bebauter Innenstadtflächen wesentlich höhere Partikelkonzentrationen auf alsdie Luft im ländlichen Raum. Anhand charakteristischer Bestandteile versuchen nunGSF-Wissenschaftler die Teilchen ihren Quellen zuzuordnen und zu ermitteln, wie hoch ihr jeweiliger Expositionsanteil beim Einzelnen und bei besonderen Bevölkerungsgruppen ist.

Mit jedem Atemzug gelangteine große Anzahl feinster

Staubteilchen in die Lunge. Wel-che und wie viele Partikel einMensch einatmet, hängt von demOrt ab, an dem er sich befindet. Jenachdem, ob er in der freien Natur,an einer viel befahrenen Straßeoder im Innenraum verweilt, ist erunterschiedlichen Umgebungs-aerosolen ausgesetzt. Aber: Einelange Verweildauer in den eigenenvier Wänden bedeutet nicht auto-matisch, dass man ausschließlichTeilchen, die durch Kochen, Staub-

saugen oder Rauchen entstehen,einatmet: Auch Partikel aus derAußenluft dringen auch in Innen-räume ein, neben Undichtigkeitenin Fenstern und Türen sorgen dieBewohner selbst durch Lüften undoffene Türen für die Durchmi-schung der Raumluft. „Hierdurcherklärt sich die zunächst paradoxklingende Tatsache, dass man Zu-sammenhänge zwischen Gesund-heitseffekten und Außenluftkon-zentrationen finden kann, obwohlMenschen überwiegend in Gebäu-den exponiert wurden“, erklärt

Joachim Heinrich vom GSF-Insti-tut für Epidemiologie.

Auch durch menschliche Bewe-gung kann zusätzlich zu Außen-luft- und Innenraumquellen abge-lagerter Staub aufgewirbelt wer-den und sich so die individuelleExposition erhöhen. „Jeden Men-schen umgibt seine so genanntepersönliche Aerosolwolke, die diemittlere Partikelkonzentration derUmgebung durchaus übersteigenkann“, so Heinrich.

Im typischen Hausstaub befin-den sich häufig an Partikel gebun-

Von der Quelle zum Menschen

Dieselruß quillt aus Lastwagen und Autos. Er enthält unter anderem ultrafeinelungengängige Par-tikel, die währendder Zündung desDieselkraftstoffesentstehen.

Quelle: F1 Online

Die individuelle Expositionmit Partikeln

Bild siehe Druckausgabe

Page 23: Großes Netzwerk für kleine Teilchen AEROSOLFORSCHUNG IN ...€¦ · Nature Immunology 6/2005 (modifiziert, S.39 oben), Deutsche Gesellschaft für Allergologie und Immunologie eV.

21

dene Allergene. Milben oder Kat-zenhaare etwa machen Allergi-kern besonders zu schaffen, seit-dem Fenster, Türen und Wändebesser isoliert sind. Durch denverringerten Luftaustausch näm-lich können sich Schadstoffe jeg-licher Art zu messbaren Konzen-trationen ansammeln. Da Allerge-ne vor allem mit den feinen, lun-gengängigen Partikeln, etwa ausTabakrauch, in den Körper gelan-gen, hängt ihre Wirkung auch vonder Schwebstaubkonzentration imInnenraum ab.

Eine Frage des Lüftens

Vor diesem Hintergrund interes-sierte es die GSF-Epidemiologen,welchen Einfluss das Lüftungsver-halten auf die aus der Außenluftstammende Partikelkonzentrationhat. Sie definierten drei Lüftungs-varianten: Geschlossenes Fenster,den ganzen Tag lang gekipptesFenster sowie zweimal am Tag für15 Minuten weit geöffnetes Fen-ster. Danach analysierten sie denin der Luft befindlichen Schweb-staub in unbewohnten Räumen.Die Ergebnisse unterschieden sichdeutlich: Wie zu erwarten drang

bei geschlossenem Fenster amwenigsten Schwebstaub in dasZimmer ein. Wurde das Fensterzweimal am Tag weit geöffnet,wurden in der Raumluft wenigerTeilchen gemessen als wenn esden ganzen Tag über gekippt war.„ Bei nur zweimaligem Lüften set-zen sich die Partikel auf Boden undMöbeln ab, wenn das Fenstergeschlossen ist, und werden soder Luft entzogen“, erklärt GSF-Epidemiologe Josef Cyrys. „Bleibtjedoch das Fenster den ganzen Tagüber gekippt, steht die Partikelkon-zentration der Außenluft mit jenerim Innenraum im Gleichgewicht,

weil die Luft mit den Teilchen stän-dig ausgetauscht wird.“

Generell, so stellten die For-scher fest, lassen sich in der Regelüber 75 Prozent der Teilchenzu-sammensetzung im Innenraumdurch die Beschaffenheit derAußenluft und das Lüftungsver-halten der Bewohner erklären. DaMenschen in Deutschland denGroßteil ihrer Zeit in Innenräumenverbringen, soll der Anteil der vonaußen eindringenden Partikelgenauer charakterisiert werden,um besser beurteilen zu können,welchen Einfluss diese auf dieGesundheit haben.

QUELLEN UND EXPOSITION AEROSOLFORSCHUNG

GSF-Epidemiologenhaben nachgewiesen,

dass sich 75 Prozent der Par-tikelzusammensetzung imInnenraum durch die Be-

schaffenheit der Außenluftund das Lüftungsverhalten

der Bewohner erklären las-sen. Ganztägig gekippte

Fenster führen beispiels-weise zu einem fast vollstän-digen Gleichgewicht der Par-

tikelkonzentration zwischenAußen- und Innenraumluft.

Quelle: M. van den Heuvel

Tages- und Jahresmittelwerte der Partikelkonzentration in Deutschland. Der seit1.1.2005 geltende Jahresgrenzwert von 40µg/m3 wird selten, der Tagesgrenzwert von50µg/m3 dagegen regelmäßig überschritten. Quelle: Umweltbundesamt

Jahresmittelwerte der Partikelkonzentration (PM10)im Jahr 2003

Tagesmittelwerte der Partikelkonzentration (PM10) am 18.04. 2005

Angaben in Mikrogrammpro Kubikmeter Luft

Page 24: Großes Netzwerk für kleine Teilchen AEROSOLFORSCHUNG IN ...€¦ · Nature Immunology 6/2005 (modifiziert, S.39 oben), Deutsche Gesellschaft für Allergologie und Immunologie eV.

22

AEROSOLFORSCHUNG QUELLEN UND EXPOSITION

Hohe Partikeldichte an den

Quellen

„Zurzeit wird deutschlandweitan 420 Messstationen die Massen-konzentration von Partikeln, diekleiner als zehn Mikrometer sind,die so genannte PM10, erfasst. DerEpidemiologe Joachim Heinrichunterscheidet verschiedeneRegionen: Während in wenigbefahrenen ländlichen Gebietendie PM10 Konzentrationen nurGrößenordnungen von zehn bis18 Mikrogramm pro KubikmeterLuft erreichen, werden in derNähe der städtischen Quellendoppelt bis dreifach erhöhteWerte gemessen. Allerdings kön-nen – durch Ferntransport – auchin der Natur beachtliche Partikel-konzentrationen auftreten und dieseit Januar 2005 geltenden Grenz-werte überschreiten: Im Jahres-mittel dürfen seither nur noch 40Mikrogramm Schwebstaub ineinem Kubikmeter Luft sein, mitAusnahme von 35 Tagen, andenen im Durchschnitt maximal50 Mikrogramm erreicht werdendürfen. Diese zugelassene Über-schreitungshäufigkeit pro Jahrwurde in mehreren deutschenGroßstädten wie München, Stutt-gart und Düsseldorf bereits nachdrei Monaten (Stand: 31.03.2005)überschritten und löste eine kon-

troverse Debatte über Ursachenund Maßnahmen zur lufthygieni-schen Verbesserung aus.

Spitzenwerte von 70 bis 150Mikrogramm pro Kubikmeter Luftwerden vor allem in der Nähe vonviel befahrenen Straßen und in In-dustriegebieten erreicht. Sowohlder Anteil an Schwerverkehr mitDieselmotoren als auch die Bebau-ung beeinflussen hier, wie groß dieTeilchenmenge in der direktenUmgebung ist. „Enge Straßen-schluchten, die senkrecht zurHauptwindrichtung ausgerichtetsind, schließen die Abgase quasiein, so dass die partikelförmigeLuftbelastung hier stark ansteigenkann“, erklärt Heinrich.

Insgesamt wurden in beiden Tei-len Deutschlands bis 1970 zusam-men noch weit mehr als drei Milli-onen Tonnen Gesamtstaub jähr-lich (Mio t/Jahr) durch Verbren-nungsvorgänge, Umschlag vonSchüttgütern und andere Produk-tionsprozesse emittiert. Bis 1990gingen die Staubemissionen inden westlichen Bundesländern –insbesondere dank der Staubab-scheidung in den Großanlagender Kraftwerke und der Industriesowie durch Brennstoffumstellun-gen – von circa 1,4 Mio t/Jahr auf0,4 Milo t/Jahr zurück. In denneuen Bundesländern verblieben

die Gesamtemissionen bis 1990auf einem hohen Niveau vonmehr als 1,5 Mio t/Jahr.

In den Jahren 1990 bis 1995 fandin Deutschland ein weiterer signifi-kanter Rückgang der Gesamtstaub-emissionen von 1,9 Mio. t/Jahr auf0,3 Mio. t/Jahr statt (270 Kiloton-nen/Jahr). Dieser Rückgang wurdeüberwiegend in den neuen Län-dern erzielt. Dafür gibt es eineneinfachen Grund: „In den neuenBundesländern wurden in dieserZeit viele veraltete Feuerungs- undIndustrieanlagen stillgelegt, effek-tivere Filtersysteme eingebautsowie fast alle „Trabis“ gegenmoderne Kraftfahrzeuge ersetzt“,beschreibt Cyrys. Weiteren Ein-fluss hatte die Umstellung vonfesten Brennstoffen auf erheblichemissionsärmere flüssige undgasförmige Brennstoffe – vorallem in den kleineren Feuerungs-anlagen. In den folgenden Jahrenwar der Rückgang der Staubemis-sionen deutlich geringer. So sankdie Gesamtstaubemission von 270 kt/Jahr im Jahr 1995 auf 209 kt/Jahr im Jahre 2002.

Hauptverursacher der Gesamt-staubemissionen in Deutschlandwaren im Jahre 2002 Industriepro-zesse mit 45 Prozent und derSchüttgutumschlag mit 21 Pro-zent. Im Straßenverkehr ausgesto-ßene Staubpartikel machten 2002bundesweit 17 Prozent derGesamtstaubemissionen aus.Rechnet man allerdings die nichtverbrennungsbedingten Emissio-

Partikel (PM10)im Umweltaerosol eines städtischenProbenahmestandorts(hier: Koblenz) stammen ausunterschiedlichsten Quellen(rot: lokale Quellen, blau: städtische Quellen,schwarz: Hintergrund.

Quelle: bilderbox.com (links), IUTA-Bericht 2003 (mitte), UFZ (rechts)

14% Straßenverkehr

1% Sonstige

4% Natur

3% Hausbrand

3%Heiz-/Kraftwerke

2% Industrie

12% Straßenverkehr

3%Sonstige

3% Natur6% Landwirtschaft

8% Hausbrand

10% Heiz-/Kraftwerke

20% Industrie

11% Straßenverkehr

Bild siehe Druckausgabe

Page 25: Großes Netzwerk für kleine Teilchen AEROSOLFORSCHUNG IN ...€¦ · Nature Immunology 6/2005 (modifiziert, S.39 oben), Deutsche Gesellschaft für Allergologie und Immunologie eV.

23

QUELLEN UND EXPOSITION AEROSOLFORSCHUNG

nen des Straßenverkehrs wie Rei-fenabrieb, Emission von der Stra-ßenoberfläche und der Bremsab-rieb hinzu, steigt der Anteil derGesamtstaubemissionen aus demSektor Verkehr auf 33 Prozent.

Der Anteil der jährlichen Fein-staubemissionen (PM10), derdurch den Verkehr verursachtwurde, lag im Jahre 2002 bei 51Prozent (26 % abgasbedingt und25 % sind auf die Staubaufwirbe-lung, Abrieb der Straßenoberflä-che sowie Reifen und Bremsenzurückzuführen). „Zwischen deneinzelnen Bundesländern könnendiese Werte jedoch deutlich variie-ren“, betont Cyrys. „In Baden-Württemberg etwa waren dieAbgase der Kraftfahrzeuge für 34 Prozent der produzierten Parti-kel PM10 verantwortlich“.

Die Kleinsten im Visier

Seit moderne Filter Partikel ausden Industrieabgasen herausfil-tern und ihre Massenkonzentra-tion in den letzten Jahrzehntenkontinuierlich abgenommen hat,rücken die besonders kleinen Teil-chen in den Mittelpunkt des For-schungsinteresses.

Der Grund hierfür ergibt sichunter anderem daraus, dass Luft-reinhaltemaßnahmen auf die Sen-kung der Partikelmasse und damitauf die größeren Partikel orientiertwaren. Die ultrafeinen Partikel, dienicht wesentlich zur Gesamtparti-kelmasse beitragen, waren davonnicht betroffen. Im Gegenteil:Durch das Herausfiltern von grö-ßeren Partikeln kann es sogar zueinem Anstieg der Konzentrationultrafeiner Partikel kommen, wieeine Langzeituntersuchung desErfurter Aerosols über etwa zwölfJahre nahe legt. Durch die Redu-zierung größerer Partikel – sie sindbis zu 1000mal größer als diebesonders feinen – können sichdie ultrafeinen nicht mehr so oftdurch Diffusion an sie anlagern.

7-Jahres-Trend der relativen Anzahlkonzentration (in Prozent) für verschiedene Partikelgrö-ßenklassen (0.01-0.03, 0.03-0.05, 0.05-0.1, 0.1-0.5 µm) in Erfurt, Winter 1991/92 bis 1998/99. DerAnteil in der kleinsten Größenklasse steigt kontinuierlich an. Quelle: J. Cyrys

Beitr

ag d

er e

inze

lnen

Grö

ßenk

lass

en

zur A

nzah

lkon

zent

ratio

n (%

)

70

60

50

40

30

20

10

0

46

17

7

30

54

19

12 13

54

22

13 11

60

18

1012

63

16

9 10

■ NC0.01-0.03■ NC0.03-0.05■ NC0.05-0.1■ NC0.1-0.5

91/92 95/96 96/97 97/98 98/99W i n t e r

Die Partikelanzahlkonzentration (Anzahl von Partikeln pro Kubikzentimeter) unterliegt im Tagesverlauf großenSchwankungen. An Wochentagen (links) ist ein deutlicher Anstieg während des morgendlichen Berufsver-kehrs zu erkennen, der an Wochenenden (rechts) ausbleibt. Die Messungen im Winterhalbjahr 2000/01 zeigendarüber hinaus einen Anstieg der Konzentrationen gegenüber den Messungen im Winter 1991/92 in Erfurtbesonders bei den Belastungsspitzen. Quelle: GSF-EPI

Mittlere jährlichePartikelgrößenver-teilung in Erfurt.Während dieAnzahlkonzentra-tion der Partikelüber 0,1µm von1991 bis 2000abnimmt, steigt dieKonzentration derPartikel mit einemDurchmesser von 10 bis 30 nm im selben Zeitraumstark an.

Quelle: W. Kreyling

Anza

hlko

nzen

tratio

n (1

04 c

m-3

)

5

4

3

2

1

00.01 0.1 1

Durchmesser (µm)

20000

16000

12000

8000

4000

00 4 8 12 16 20 24

Uhrzeit

20000

16000

12000

8000

4000

0

Anza

hlko

nzen

tratio

n 0.

01-0

.03

(1/c

m3

)

0 4 8 12 16 20 24Uhrzeit

wochentags Wochenende

Anza

hlko

nzen

tratio

n 0.

01-0

.03

(1/c

m3

)

Page 26: Großes Netzwerk für kleine Teilchen AEROSOLFORSCHUNG IN ...€¦ · Nature Immunology 6/2005 (modifiziert, S.39 oben), Deutsche Gesellschaft für Allergologie und Immunologie eV.

24

Dadurch haben die besonders fei-nen Partikel eine längere Verweil-dauer bzw. ‚Lebenszeit’, was zueinem selektiven Anstieg der Kon-zentration ultrafeiner Partikel führt.

Da ultrafeine Partikel vor allemaus Autoabgasen stammen, folgenihre Anzahlkonzentrationen einemtypischen Tagesgang: Morgensund abends während des Berufs-verkehrs kommt es in der Nähevon Straßen zu Konzentrationsspit-zen. Zusätzlich beeinflussen so-wohl die Jahreszeit als auch dasWetter, wie viele ultrafeine Partikelin der Luft bleiben. „Im Sommermessen wir generell geringereKonzentrationen als im Winter“, soHeinrich. Häufige Inversionswetter-lagen in der kalten Jahreszeitschränken den Luftaustausch zwischen den bodennahen, parti-kelreichen und den höher gelege-nen, sauberen Luftschichten ein.

„Auf den Ursprung der Partikelweisen neben der Größe auch ihreBestandteile hin“, erläutert Hein-rich. Enthalten Feinstäube bei-spielsweise vor allem Alkali- undErdalkalioxide wie Silizium, Alu-minium, Titan und Kalzium, wur-den sie sehr wahrscheinlich vomErdkrustenmaterial abgetragenund in die Luft gewirbelt. DurchKohleverbrennung entstandeneTeilchen enthalten Schwefel, undnutzt man Öl zur Verbrennung und

Energiegewinnung, entstehenPartikel mit Vanadium- und Nickel-anteilen. Für Feinstaub aus demStraßenverkehr sind vor allem ele-mentarer Kohlenstoff, schwer-flüchtige organische Verbindun-gen sowie auch Zink charakteri-stisch. Der Vorteil dieser „Zeiger-Elemente“ ist: Selbst wenn böigeWinde die Partikel über weite Ent-fernungen transportieren, kannman sie ihren Quellen zuordnenund deren jeweiligen Beitrag zurLuftverschmutzung abschätzen.

Durch Modellpartikel Antwor-

ten finden

Den Wirkmechanismen von Par-tikeln wollen die Forscher nunauch mit Hilfe von Modellpartikelnauf die Spur kommen. Größe undKonzentration dieser Partikel müs-sen allerdings dem realen Umge-bungsaerosol nachempfundensein, damit realistische Exposi-tionsbedingungen im Versuchherrschen.

Modellpartikel haben gegen-über den atmosphärischen Teil-chen für die Forschung erheblicheVorteile: Ihre Konzentration ist freiwählbar, ihre Eigenschaften kön-nen genau definiert werden undsie sind jederzeit verfügbar. Dage-gen ändert sich bei realen Außen-luftpartikeln ständig die Anzahl-und Massenkonzentration sowie

die Zusammensetzung der Teil-chen in Abhängigkeit vom Wetterund der Emissionslage. Würdeman in einem Inhalationsexperi-ment Außenluftpartikel verwen-den, müssten daher die meteoro-logischen Parameter und dieEmissionsbedingungen der Parti-kel möglichst bekannt und wäh-rend des Experiments stabil sein.Wollte man ein solches Experi-ment wiederholen, müssten alleBedingungen mit denen im erstenVersuch übereinstimmen. „Das istin der Praxis nicht zu realisieren“,so Erwin Karg vom GSF-Institutfür Inhalationsbiologie.

Modellpartikel bieten Forscherndagegen die Möglichkeit, einzelnewichtige Eigenschaften bestimm-ter Umweltaerosolpartikel heraus-zugreifen und zu simulieren. DiePartikelkonzentration wird überVerdünnungssysteme eingestelltund die Experimentdauer genaufestgelegt. Einmal erhalteneErgebnisse können daher pro-blemlos in Kontrollversuchenüberprüft werden. „Natürlichmüssen Merkmale und Konzentra-tionen der Testpartikel jenen in derfreien Natur nachempfunden wer-den“, betont Karg.

Um beispielsweise die Wirkungvon Rußpartikeln im Umweltaero-sol zu untersuchen, erzeugen dieGSF-Wissenschaftler Rußaggre-gate mittels elektrischer Funkenzwischen zwei Graphitelektrodenin einer Reingasatmosphäre undsimulieren auf diese Weise dieRußkomponente im Umweltaero-sol. Diese Teilchen werden entwe-der direkt oder als Träger für ver-schiedene ausgewählte Organikain Expositionsexperimenten ver-wendet. Derzeit kondensieren dieGSF-Wissenschaftler verschiede-ne Chinone (oxidierte polyzykli-sche Kohlenwasserstoffe) auf dieRußpartikel, da Chinonstrukturenals Auslöser für oxidativen Stressin Zellen identifiziert wurden. ■

AEROSOLFORSCHUNG QUELLEN UND EXPOSITION

Zum Vergleich:Transmissions-elektronen-mikroskopischeBilder von natür-lichen Diesel-rußpartikeln(links) undModellpartikeln,die mit dem Funkengene-rator herge-stellt wurden(rechts).

Quelle. N. Metz,BMW (links); S. Takenaka, GSF(rechts) 25 nm 0.1 µm

Page 27: Großes Netzwerk für kleine Teilchen AEROSOLFORSCHUNG IN ...€¦ · Nature Immunology 6/2005 (modifiziert, S.39 oben), Deutsche Gesellschaft für Allergologie und Immunologie eV.

25

„Um schädigen zu können,müssen die Partikel aus

der Luft erst einmal in den Atem-trakt gelangen“, sagt WolfgangKreyling vom GSF-Institut fürInhalationsbiologie. Schon obman durch die Nase oder denMund einatmet, beeinflusst, wel-che Partikel in die nachfolgendenAtemwege gelangen: Bei derNasenatmung filtern die Schleim-häute der Nase vor allem grobePartikel, die größer als 2,5 Mikro-meter sind, effektiv aus der Atem-luft. Die Trägheit ihrer Masse lässt

die Partikel in den kurvigen Atem-wegen gegen die Wände prallenund die Schwerkraft bewirkt, dasssie sich auf dem Nasenschleimund den Epithelzellen ablagern.Nur wenige Partikel dieser Größegelangen daher auf diesem Wegein die Lunge.

Ganz anders bei der Mundat-mung: Atmet ein gesunder Er-wachsener langsam durch denMund, dringen Luft getragene Teil-chen nahezu ungehindert in denRachenraum und in die großenBronchien ein. Partikel, die größer

ZUSAMMENSPIEL UND ABWEHR AEROSOLFORSCHUNG

Rasterelektronenmikro-skopische Aufnahme des Alveolarraums derLunge. Feine und ultrafeinePartikel können in die Lungenbläschen vor-dringen, wo sie länger verbleiben und damit auchlänger wirken können als in den oberen Atemwegen.

Quelle: P. Gehr/Nachdruck mit freundl. Genehmigung des Elsevier Verlags

Ob Aerosolpartikel ein Gesundheitsrisiko darstellen, hängt vor allem davon ab, wo die Teilchen im Atemtrakt abgeschieden und wie lange sie dort festgehalten werden. Die Partikelgröße beeinflusst zusätzlich, wo die Teilchen abgeschieden werden.Um mögliche Gefahren einschätzen zu können, untersucht man am GSF-Institut fürInhalationsbiologie neben der Deposition auch, wie effektiv die Partikel aus der Lungeentfernt und ob sie in sekundäre Gewebe und Organe transportiert werden.

Zusammenspiel und AbwehrPartikel auf ihrem Wegdurch den Körper

Atmet ein Sportler während großer Anstrengung tief durch den Mund ein, gelangen wesentlich mehr Partikel in tiefe

Lungenregionen als bei flachen Atemzügen durch die Nase.Quelle: F1 Online

Bild siehe Druckausgabe

Page 28: Großes Netzwerk für kleine Teilchen AEROSOLFORSCHUNG IN ...€¦ · Nature Immunology 6/2005 (modifiziert, S.39 oben), Deutsche Gesellschaft für Allergologie und Immunologie eV.

26

AEROSOLFORSCHUNG ZUSAMMENSPIEL UND ABWEHR

als fünf Mikrometer oder kleinerals zehn Nanometer sind, lagernsich bevorzugt hier ab. Die übrigenTeilchen strömen weiter bis in dieLungenperipherie, so dass sie sichsowohl auf den Wänden der klei-nen Bronchien als auch auf denhauchdünnen Epithelwänden derfür den Gasaustausch zuständigenAlveolen, den Lungenbläschen,festsetzen können.

Während Partikel größer als 500Nanometer aufgrund ihrer Schwer-kraft in den feinen Verästelungenim Lungenraum die Epithelwand

berühren können, dominiert beiPartikeln kleiner als 500 nm die Dif-fusion aufgrund Brownscher Mole-kularbewegung deren Abschei-dung. Lediglich Partikel um 500Nanometer Größe werden kaumim Atemtrakt deponiert: Etwa 80Prozent von ihnen werden wiederaus der Lunge ausgeatmet: Sie dif-fundieren und sinken im Schwere-feld zu langsam und bleiben imLuftstrom auf den Strömungsliniender ein- und ausgeatmeten Luft.

Mit weiter abnehmender Größebis 20 Nanometer steigt der Anteilder abgelagerten Partikel in derLungenperipherie kräftig an.

Generell gilt für Partikel miteiner Größe kleiner als 500 Nano-meter: Je kleiner die eingeatme-ten Teilchen sind, desto größer istdie Wahrscheinlichkeit, dass siemit dem Epithel zusammensto-

ßen. Sie diffundieren schnellerund haben dadurch eine höhereWahrscheinlichkeit als große Par-tikel, gegen Membranen in denAtemwegen zu stoßen, bevor sieder Luftstrom wieder aus derLunge heraustransportiert.

Mit langsamen Zügen tief in

die Lunge

Neben Größe und Form der Par-tikel bestimmt auch das Atemmus-ter, wo die Teilchen haften bleiben:Ein schneller Atemzug - und dieTeilchen mit einer Größe über zweiMikrometer werden wegen derTrägheit ihrer Masse schnell inMund- und Rachenraum sowie dengroßen Bronchien abgeschieden.

Atmet man flach - und damit eingeringes Luftvolumen - ein, bleibtdie Luft hauptsächlich im sogenannten anatomischen Totraum,also in der Mundhöhle oder derNase, dem Rachenraum und demBronchialbereich - und nur wenigLuft erreicht die Lungenperipherie.Bei langsamen und tiefen Atemzü-gen gelangt dagegen eine großeMenge des Aerosols in die Lungezu den Alveolen. Ob sich ein Parti-kel schon im Rachenraum oder erstin der Lungenperipherie ablagert,hängt zusätzlich von seinen Was-ser aufnehmenden Komponentenab, die die Teilchen im feuchtenAtemtrakt rasch wachsen lassen.

Auch die individuelle Anatomiedes Atemorgans - vor allem die

Querschnitte der Atemwege, diesich mit dem Alter sowie durchErkrankungen ändern, entscheidetüber den Ort der Deposition.„Unsere Daten gelten nur fürgesunde erwachsene Menschen,bei Alten und Kranken kann dieDeposition anders sein“, erläutertJoachim Heyder, bis Ende 2004Leiter des GSF-Instituts für Inhala-tionsbiologie.

Abwehrstrategien des Körpers

Die chemisch-physikalischen undbiologischen Partikeleigenschaftenbestimmen mögliche Wechselwir-kungen mit Zellen und Geweben.„Wir müssen auch die Mechanis-men kennen, mit denen sich unserKörper gegen die Eindringlingewehrt, um beurteilen zu können,wie schädlich bestimmte Konzen-trationen verschiedener Partikelsind“, ergänzt sein Kollege Wolf-gang Kreyling. Neben der Deposi-tion sind in diesem Zusammen-hang die Elimination aus dem Kör-per oder auch Clearance genannt,der Verbleib und die Verlagerungder inhalierten Teilchen in Sekun-därorgane wichtig.

„Wir kennen zwei prinzipiellunterschiedliche Abwehrmecha-nismen, die der Körper den Teil-chen entgegensetzen kann: Trans-port und Abbau „, erklärt Kreyling.Je nachdem, wie groß ein Partikelist und wo es haften bleibt, arbeitetder eine oder andere Mecha-

Mechanismen der Partikelreinigung: In den Atemwegen sorgt die Zilienbewegung fürden Transport der Partikel zum Kehlkopf; in den Alveolen werden sie von Makrophagenaufgenommen und transportiert. Quelle: W. Kreyling

Depositionswahrscheinlichkeiten von Aerosolpartikeln in denverschiedenen Regionen des menschlichen Atemtraktes beiMundatmung. Deutlich zu erkennen ist der entscheidende Ein-fluss der Partikelgröße. Ultrafeine Teilchen werden bevorzugtim Alveolarraum abgelagert. Quelle: GSF-IHB

Atemwege

Schleim

Zilien

Lunge

Blut

Alveolen

Alveolar-makrophagen

Lymph-knoten

Page 29: Großes Netzwerk für kleine Teilchen AEROSOLFORSCHUNG IN ...€¦ · Nature Immunology 6/2005 (modifiziert, S.39 oben), Deutsche Gesellschaft für Allergologie und Immunologie eV.

27

ZUSAMMENSPIEL UND ABWEHR AEROSOLFORSCHUNG

nismus schneller beziehungsweiseeffektiver. Sind Partikelbestand-teile in der Schleimschicht löslich,werden sie aufgrund ihrer bioche-mischen Eigenschaften unabhän-gig vom verbleibenden Restparti-kel verstoffwechselt. In der Luft-röhre und in den Bronchien wer-den schwerlösliche Fremdkörpervor allem im Schleim festgehalten.Das darunter liegende Epithel ent-hält bewimperte Zellen, die denSchleim samt Partikel zum Kehl-kopf transportieren. Husten unter-stützt diesen Prozess vor allem imerkrankten Lungengewebe etwavon Rauchern. Innerhalb von einbis drei Tagen werden die Partikelmit dem Schleim wieder aus denAtemwegen herausbefördert undim Magen-Darm-Trakt verdautoder ausgeschieden. Allerdingsversagt diese so genannte mukozi-liare Clearance bei den ultrafeinenTeilchen: „Wir haben in Versuchenmit radioaktiv markierten Kohlen-stoffteilchen herausgefunden, dassungefähr 80 Prozent dieser fein-sten Partikel mehrere Wochen inden Bronchien verbleiben“, erläu-tert GSF-Wissenschaftler WinfriedMöller, Inhalationsbiologe in derklinischen Kooperationsgruppe„Entzündliche Lungenerkrankun-gen“ der GSF in Gauting. Sie sindso winzig, dass sie an den Wim-pern und Zellmembranen, den sogenannten Zilien, hängen bleibenund in das Epithel eindringen kön-nen. Erst nach und nach werdenauch sie – wahrscheinlich durchAtemwegsmakrophagen – lang-sam in Richtung Kehlkopf trans-portiert.

In den feinen Alveolen, wo keineWimpernzellen das Epithel ausklei-den, sorgen vor allem alveolareMakrophagen, die natürlichen Rei-nigungszellen des Immunsystems,für Sauberkeit: Sie nehmen parti-kelförmige Fremdstoffe auf, inakti-vieren und zersetzen sie und gebenschließlich die Stoffwechselpro-

dukte ins Lungengewebe und insBlut ab. Nur wenige Fresszellenwandern in der menschlichenLunge mit ihrer Fracht zu denBronchien, wo sie über den Muko-ziliartransport nach oben transpor-tiert und verschluckt werden.

Die Kleinsten überleben am

längsten

Makrophagen fressen bevorzugtgrobe und feine Partikel, die klei-neren ultrafeinen dagegen erken-nen sie schlecht. Daher bleibendie Winzlinge länger auf dem Epi-thel sitzen, können in dessen Zel-len und das darunter liegendeGewebe eindringen und es schä-digen. Der Körper reagiert daraufunter Umständen mit Entzün-dungsreaktionen, die das Immun-system in Alarmbereitschaft ver-setzen. Welche Prozesse wannund wo genau ausgelöst werden,ist noch weitgehend unklar. Feststeht jedoch: Je mehr und je län-ger die Abwehr durch die Partikelbeansprucht wird, desto schlech-ter kann sie im Zweifelsfall gegenViren und Bakterien ankämpfen.

Auch chronische Lungenerkran-kungen wie COPD, die chronischobstruktive Lungenerkrankung,und die Entstehung von Krebskönnten dadurch gefördert wer-den. „Wir müssen deshalb beson-ders die ultrafeinen Teilchen unterdie Lupe nehmen“, bestätigt auch

H.-Erich Wichmann, Leiter desGSF-Instituts für Epidemiologie.„Ihre Anzahl ist mit zehn- bis hun-derttausend pro KubikzentimeterLuft sehr groß. Außerdem habensie im Verhältnis zu ihrem Volu-men eine große Oberfläche. Wenndarauf reaktive Komponenten undStrukturen vorhanden sind, kannes zur Bildung von Sauerstoffradi-kalen in der biologischen Umge-bung kommen, die wiederum oxi-dativen Stress und Entzündungs-reaktionen bewirken.“ Ein Groß-teil ultrafeiner Teilchen verbleibtjahrelang in der Lunge, wie manseit langem aus der klinischenPathologie weiß. Wie sie letztend-lich entfernt werden, wollen dieGSF-Wissenschaftler in Zukunfterforschen. Klar ist aber, dass Par-tikel aus der Lungenperipheriewesentlich langsamer aus derLunge eliminiert werden als jeneim oberen Atemtrakt durch diemukoziliäre Clearance.

Von den in den Alveolen depo-nierten ultrafeinen Partikeln weißman, dass sie von den Epithelzel-len aufgenommen werden undsogar bis ins Bindegewebe, in dieLymphknoten und in die Blutbahnvordringen können. Im Epithelund Bindegewebe treffen die Teil-chen auf andere Zelltypen undkönnen dort entzündliche Reaktio-nen auslösen. Außerdem habendie GSF-Wissenschaftler festge-

Alveolar-makrophagen,

die natürlichen Reinigungszellen

des Immunsys-tems, fressen

bevorzugt grobeund feine Parti-

kel, die kleineren,ultrafeinen dage-gen erkennen sie

schlecht.

Quelle: P. Gehr/Nachdruck mit

freundl. Genehmigungdes Elsevier Verlags

Page 30: Großes Netzwerk für kleine Teilchen AEROSOLFORSCHUNG IN ...€¦ · Nature Immunology 6/2005 (modifiziert, S.39 oben), Deutsche Gesellschaft für Allergologie und Immunologie eV.

28

stellt, dass zunächst auf dem Epi-thel verschwundene, radioaktivmarkierte Partikel Wochen undMonate später wieder dort aufge-taucht und über den Mukoziliar-transport und anschließende Pas-sage durch den Magen-Darm-Trakt aus dem Körper eliminiertworden sind. „Wir können alsodavon ausgehen, dass ultrafeineTeilchen in Epithelzellen und Bin-degewebe hinein und wieder aufdie Lungenoberfläche zurücktransportiert werden“, erklärtKreyling. Ob Makrophagen diesenProzess steuern, weiß man nochnicht genau. Sicher ist aber: Jemehr Zellen mit einem Partikelinteragieren, desto mehr Schadenkann es anrichten.

Partikel auch in Leber, Herz

und Gehirn?

Die GSF-Forscher fanden auchradioaktiv markierte ultrafeineTeilchen in der Leber, im Herzenund sogar im Gehirn von Ratten.

Die Partikel waren zunächst ein-geatmet und dann durch die Blut-zirkulation dorthin gebracht wor-den. Allem Anschein nach gelingtes manchen Partikeln, die Alveol-armembran zu durchdringen undüber das Bindegewebe in dieBlutgefäße zu gelangen. Hierzumuss man sich vergegenwärti-gen, dass die Wand zwischendem alveolaren Luftraum undden kapillaren Blutgefäßen nurein bis zwei Mikrometer dick ist.Von der Blutzirkulation aus habensie offensichtlich Zugang zujedem Organ. „Man muss aller-dings sehr sorgfältig prüfen, obdie beobachtete radioaktive Mar-kierung in den Organen auch zuden Partikeln gehört. Lösen sichdie radioaktiven Atome nämlichvon den Teilchen, können sie imBlut verstoffwechselt werden undsich in den Organen anders alsdie Partikel anreichern. Aussagenüber den Verbleib ultrafeiner Par-tikel kann man dann nur noch

machen, wenn man beide Kineti-ken voneinander trennen kann“,gibt Kreyling zu bedenken.

Zurzeit finden die GSF-Forschernur weniger als ein Prozent mar-kierter Teilchen in sekundärenOrganen. „Wir müssen davonausgehen, dass Partikel mitbesonderen Molekülen und physi-kalischen Strukturen an ihrerOberfläche unter Umständenbevorzugt durch Eiweiße in dieBlutbahn transportiert werden. Inder Umwelt sind Partikel mit ver-schiedenen chemischen Verbin-dungen assoziiert, so dass sie ver-mutlich leichter die Alveolarmem-bran durchdringen können alsunsere Modellteilchen“, erläutertKreyling. Sollte sich seine Vermu-tung bewahrheiten und ultrafeinePartikel tatsächlich in nennens-werten Konzentrationen auch insekundäre Organe gelangen,stellt sich die brisante Frage, obdie Abwehr in der menschlichenLunge überhaupt einen wirksa-men Schutz gegenüber diesenwinzigen Teilchen aus der Luftbieten kann. In jedem Falle wärendann aber auch Toxikologen alar-miert: Denn sekundäre Organereagieren unter Umständen sehrviel stärker mit entzündlichenReaktionen auf die Teilchen, sodass gravierende funktionelleStörungen die Folge sein könn-ten. ■

AEROSOLFORSCHUNG ZUSAMMENSPIEL UND ABWEHR

Alveolare Epitheloberfläche mitdarunter liegenden kapillaren Blutge-fäßen, in denen rote Blutkörperchenerkennbar sind. Die dazwischen lie-gende Wand ist nur ein bis zweiMikrometer dick. Man weiß, dass esmanchen Partikeln gelingt, diesedünne Alveolarmembran zu durch-dringen und über das Bindegewebe in die Blutgefäße zu gelangen.

Quelle: P. Gehr / Nachdruck mit freundlicherGenehmigung des Elsevier Verlags

Mit Hilfe des Lungencounters ist esmöglich, genaue Aus-sagen über die Clea-

rance von Partikeln inder Lunge zu treffen.

Bei dieser hochsensiti-ven Methode zur Mes-

sung von Radioakti-vität werden zunächstTechnetium-markierte

Partikel in die Lungeinhaliert und die von

ihnen erzeugte radioaktive Strahlung

nachgewiesen.

Quelle: B. Müller / GSF

Page 31: Großes Netzwerk für kleine Teilchen AEROSOLFORSCHUNG IN ...€¦ · Nature Immunology 6/2005 (modifiziert, S.39 oben), Deutsche Gesellschaft für Allergologie und Immunologie eV.

29

In Gauting bei München hat dieGSF auf dem Gelände der Askle-

pios-Fachkliniken die KlinischeKooperationsgruppe (KKG) „Ent-zündliche Lungenerkrankungen“angesiedelt. Die KKG war die erstevon über einem Dutzend weiterersolcher Gruppen der GSF, dieErkenntnisse aus dem Labor in dieklinische Praxis einbringen. Sie istdem GSF-Institut für Inhalations-

biologie angegliedert und arbeiteteng mit den Ärzten der Fachklini-ken für Pneumologie und Thorax-chirurgie zusammen. Dadurchkönnen die Forscher zum BeispielUntersuchungsmaterial von Lun-genpatienten der Klinik erhalten.

Fatale Folgen feiner Teilchen

Im Fokus der KKG steht die um-weltbedingte chronisch obstrukti-

ve Lungenerkrankung, kurz COPD(chronic obstructive pulmonarydisease). Hierzu gehören die chro-nisch obstruktive Bronchitis unddas Lungenemphysem. BeimEmphysem wird Alveolargewebeabgebaut, was dazu führt, dasssich die für den Gasaustauschwichtige innere Oberfläche derLunge verkleinert. COPD zählt zuden weltweit häufigsten Erkran-

PARTIKELFORSCHUNG IN KLINIKNÄHE AEROSOLFORSCHUNG

Mühsam zwängt sich die Luft in die Lunge: Die zentralen und peripherenAtemwege und das Lungenparenchym sind chronisch entzündet. Die Atem-wegswände haben sich verdickt, die Bahnen der Atemluft werden immerenger - die Diagnose: Chronische Bronchitis. Die Klinische Kooperations-gruppe „Entzündliche Lungenerkrankungen“ der GSF analysiert inZusammenarbeit mit den Asklepios-Fachkliniken insbesondere die Mecha-nismen der Entstehung partikelinduzierter Lungenerkrankungen. Mit ihrerArbeit erschließt die Gruppe neue Wege für ihre Diagnostik und Therapie.

Partikelforschungin Kliniknähe

Die Lunge im Visier

Vollblutprobe,vorbereitet für eineImmunfluoreszenz-Färbung am Durch-

flusszytometer. ImHintergrund: Die

Lichtstreuungseigen-schaften einer solchen

Probe nach Messungim FACS -Durchfluss-

zytometer.

Quelle: GSF / B. Müller

Page 32: Großes Netzwerk für kleine Teilchen AEROSOLFORSCHUNG IN ...€¦ · Nature Immunology 6/2005 (modifiziert, S.39 oben), Deutsche Gesellschaft für Allergologie und Immunologie eV.

30

AEROSOLFORSCHUNG PARTIKELFORSCHUNG IN KLINIKNÄHE

kungen und war im Jahr 2001 dievierthäufigste Todesursache inDeutschland. Das Fatale an diesemLeiden: Derzeit angewandte Thera-pieformen lindern lediglich dieSymptome, den Krankheitsverlaufkönnen sie nicht stoppen. Auch dieDiagnose COPD ist schwierig zustellen. Die meisten Patienten mitCOPD zeigen alle drei Symptome:Chronische Bronchitis, Emphysemund Schleimüberproduktion.

Neben anderen möglichenUrsachen können auch inhaliertePartikel aus der Luft COPD auslö-sen. Vor allem die kleinen Teilchenaus dem Zigarettenrauch inter-agieren mit dem Lungenepithelund können so zu Entzündungenführen. Auch die Exposition amArbeitsplatz mit Silikatteilchenoder metallhaltigen Partikeln inhohen Konzentrationen begünsti-gen COPD. Hauptverantwortlichsind aber wohl die eingeatmetenTeilchen des Zigarettenrauchs – 90 Prozent der Patienten sind Rau-cher.

Kleine Sputummakrophagen

verweisen auf COPD

Die KKG erforscht den Einflussvon Partikeln auf die Mechanis-men der Entstehung von COPD

und will neue Diagnose- und Therapieverfahren entwickeln.Marion Frankenberger, Leiterinder Kooperationsgruppe und ihrTeam analysierten zu diesemZweck Lungenzellen von COPD-Patienten und wurden fündig: DieWissenschaftler wiesen im Bron-chialsekret der Patienten eineMakrophagen-Population nach,deren Zellen kleiner als die bisherbekannten Makrophagen sind unddaher kleine Sputummakropha-gen genannt werden. Bei gesun-

den Menschen stellen Makropha-gen die Hauptpopulation aller wei-ßen Blutkörperchen in diesemKompartiment dar. Ganz andersist ihr Anteil in den Proben dererkrankten Patienten: Hier nimmtihre Population nur 15 Prozent ein,circa 80 Prozent der Zellen sindneutrophile Granulozyten. DerAnteil der kleinen Sputummakro-phagen, die normalerweise nuretwa zehn Prozent aller Makropha-gen ausmachen, kann bei COPD-Patienten auf bis zu 90 Prozentansteigen. „Auch Asthma könnenwir auf diese Weise von COPDabgrenzen, da bei Asthmatikerndie Konzentration der kleinenSputummakrophagen nur wenigerhöht ist“, erklärt Marion Fran-kenberger.

Bezüglich der kleinen Sputum-makrophagen kooperieren dieGautinger Wissenschaftler engmit der Arbeitsgruppe von LömsZiegler-Heitbrock an der Univer-sität von Leicester in Großbritan-nien. Hier werden diese Zellen beiPatienten mit cystischer Fibroseuntersucht, einer Erkrankung, diein vielen Aspekten der COPDähnelt.

Entzündungsfördernde Gene

aktiviert

Makrophagen spielen in denAtemwegen und in der Peripherieder Lunge, den Alveolen, eine zen-trale Rolle: Sie nehmen körper-fremde Bakterien, Viren und auchAerosolpartikel auf. Die bei COPD-Patienten gehäuft vorkommendenkleinen Sputummakrophagen pro-duzieren große Mengen desTumor-Nekrose-Faktors (TNF).Dieses Zytokin fördert Entzün-dungsreaktionen und trägt sodazu bei, dass die chronischobstruktive Bronchitis entstehtund aufrechterhalten bleibt. „Wirvermuteten, dass Luft getragenePartikel bestimmte Gene dieserMakrophagen aktivieren“, so

Schnitte durch Lungengewebe. Im Vergleich zur gesunden Lunge (links) ist beim Emphysem(rechts) Alveolargewebe abgebaut, was dazu führt, dass sich die für den Gasaustausch wich-tige innere Oberfläche der Lunge verkleinert. Es bilden sich Emphysemblasen unterschied-licher Größe. Quelle: Boehringer Ingelheim International GmbH

Marion Frankenberger, Leiterin der Klinischen Kooperationsgruppe „EntzündlicheLungenerkrankungen“ der GSF in Gauting.Quelle: B. Müller / GSF

Page 33: Großes Netzwerk für kleine Teilchen AEROSOLFORSCHUNG IN ...€¦ · Nature Immunology 6/2005 (modifiziert, S.39 oben), Deutsche Gesellschaft für Allergologie und Immunologie eV.

31

PARTIKELFORSCHUNG IN KLINIKNÄHE AEROSOLFORSCHUNG

Frankenberger. Die Analyse derGenexpression mit der so genann-ten cDNS-Expressions-Array-Technik (vgl. Kasten) bestätigtediese Annahme: Dieselruß- undKohlenstoffpartikel bewirken hier,dass in einer Makrophagen-ähn-lichen Zelllinie Mono Mac 6 dasGen COX-2 vermehrt abgelesen

wird. Cyclooxigenase-2, so dervollständige Name des Enzyms,das nach dem Bauplan des COX-2-Gens synthetisiert wird, ist anOxidationen in der Lunge betei-ligt. Sind viele COX-2-Enzymeaktiv, so entsteht eine großeAnzahl oxidativ reaktiver Substan-zen, die zunächst die Entzün-

dungsreaktion in der Lunge ver-stärken. Daraufhin werden weitereBotenstoffe wie Leukotrien B4

(LTB4) und Prostaglandin E2 (PGE2)aktiviert, die ebenfalls die Entzün-dung beeinflussen. Dabei wirktLTB4 stimulierend, während PGE2

eher dazu beiträgt, dass der Ent-zündungsprozess zum Stillstandkommt. Ob dies tatsächlichgelingt, hängt von der Verteilungdieser biologischen Signalstoffeund ihrer Empfängermoleküle,den Rezeptoren, ab. „In einer Ent-zündungsreaktion greifen vieleverschiedene Schritte ineinan-der“, so Frankenberger. „Wie die-ses Netzwerk genau aufgebaut ist,wissen wir noch nicht. Fest stehtaber, dass irgendwann in dieserKette auch das Zytokin TNF akti-viert wird, das seinerseits den Ent-zündungsstatus in der Zelle auf-rechterhält.“ In der untersuchtenZelllinie Mono Mac 6 fördernultrafeine Partikel also die Genex-pression entzündungsfördernderund entzündungshemmenderMediatoren der Lunge. Ob die klei-nen Teilchen auch Gene in Zellenvon COPD-Patienten und ingesunden Probanden aktivieren,will das Team um Frankenbergerin Zukunft untersuchen. Irgend-wann, so hoffen die Forscher, wirdes gelingen, mit diesem Wissen

Abgrenzung und Überschneidung der chronischen Bronchitis mitAsthma und Emphysem. Alle orangefarbenen Bereiche werdender COPD zugeordnet. Quelle: GSF

Die am Bildschirm zuerkennenden Zellen

werden aus denSputumproben

isoliert und durchZentrifugieren auf

einen Objektträgeraufgebracht.

Mit Hilfe einerPappenheim-Färbungkönnen die zellulären

Strukturen sichtbargemacht werden,

so dass auch einemorphologischeDifferenzierungvorgenommenwerden kann.

Quelle: B. Müller / GSF

In der Schachtel befinden sich sog. PCR-Primerpaare, künstlich synthetisierte DNA-Stücke, die zu ausgewählten Sequenzen auf der DNA bzw. RNA komplementär sind.Damit lässt sich über die Methode der „real-time PCR“ eine Amplifizierung von be-stimmten Gensegmenten und damit eine Quantifizierung von mRNA-Expressionen vor-nehmen. Quelle: B. Müller / GSF

Page 34: Großes Netzwerk für kleine Teilchen AEROSOLFORSCHUNG IN ...€¦ · Nature Immunology 6/2005 (modifiziert, S.39 oben), Deutsche Gesellschaft für Allergologie und Immunologie eV.

32

entzündungsfördernde Gene still-zulegen oder entzündungshem-mende Prozesse zu verstärken.

Entscheidend ist die

Clearance

In den Makrophagen werdenPartikel verdaut und beide mitHilfe des mukoziliaren Schleim-transportes aus der Lunge heraus-befördert. Funktioniert diese Clea-rance nicht mehr einwandfrei,können Krankheitsbilder wieCOPD verstärkt werden. MittelsMagnetopneumographie untersu-chen Mitarbeiter der KKG Deposi-

tion und Clearance von eingeat-meten Testpartikeln.

Besonders interessiert die For-scher dabei, wie die kleinen Teil-chen aus dem Zigarettenqualm dieClearance-Mechanismen beein-flussen und wie sich chronischeLungenerkrankungen wie COPDauf die Reinigungsmechanismender Lunge auswirken. Die Clearan-ce der magnetischen Testpartikelaus der Lungenperipherie verläuftbei gesunden Nichtrauchern miteiner Halbwertsdauer von drei bisvier Monaten. Bei starken Rau-chern und COPD-Patienten ver-

längert sie sich auf bis zu ein Jahr.Die Analyse der Clearance aus denluftführenden Atemwegen bringterstaunliche Ergebnisse zu Tage:Bei gesunden Nichtrauchern wer-den die inhalierten Partikel in zweicharakteristischen Phasen ent-fernt. Die mukoziliare Clearancebefördert die Hälfte der deponier-ten Partikel innerhalb eines Tagesaus der Lunge. Die übrigen Teil-chen werden mit einer zur Lun-genperipherie vergleichbaren sehrlangsamen Kinetik gereinigt.Diese Untersuchungen bestätigendamit die bisherigen Annahmen

AEROSOLFORSCHUNG PARTIKELFORSCHUNG IN KLINIKNÄHE

Auf der Suche nach Kandidatengenen - Die cDNS - Expressions - Array - TechnikZum Auffinden von so genannten Kandi-datengenen, die an bestimmten Reak-tionen in einer Zelle beteiligt sind, wer-den auf einer Membran ausgewählteStücke von tausenden von Genen tieri-scher oder menschlicher Zellen in unter-schiedlichen, genau festgelegten Posi-tionen fixiert. Diese Membranen wer-den als Genchips oder Arrays bezeich-net und sind käuflich. Für ihre Analyseninkubieren die Forscher der KKG „Ent-zündliche Lungenerkrankungen“ zu-nächst Zellen einer Zelllinie mit ultrafei-nen rußhaltigen Partikeln und isolierenanschließend die Ribonukleinsäure(RNS), die nach dem Bauplan der akti-vierten Gene gebildet wird. Danach wer-den die RNS-Moleküle in radioaktiv-oder fluoreszenz-markierte cDNS-Mole-küle umgeschrieben. Nach ihrer Markie-

rung bringt man die cDNS-Proben aufden Chip auf. Durch die sehr spezifischeund feste Bindung einzelner cDNS-Moleküle an passende Genstückchen(Hybridisierung), die sich an einerbestimmten Position auf dem Chipbefinden, können die Forscher anhandder Intensität des Radioaktivitäts- oderFluoreszenzsignals feststellen, ob nachPartikel-Inkubation gleich viel, mehroder weniger RNS für ein bestimmtesGen synthetisiert worden ist. Mit dercDNS-Expressions-Array-Technik kannso der Einfluss von luftgetragenen Teil-chen auf die Genexpression bestimmterZellen bestimmt werden. Später wer-den die an der Zelllinie gewonnenenErgebnisse an Zellen gesunder Proban-den oder Patienten mit einer chroni-schen Erkrankung überprüft.

Probenkarussell des LightCycler-Gerätes mitbestückten Messkapillaren. Die Wissen-schaftler der Klinischen Kooperationsgruppe„Entzündliche Lungenerkrankungen“ der GSFbenutzen das Gerät zur Vervielfältigung aus-gewählter DNA-Stücke und zur Bestimmungvon DNA-Polymorphismen.Quelle: B. Müller / GSF

Auf der Suche nach dem Verbleib von Partikeln:

In einer vom Erdmagnetfeld abge-schirmten Kammer werden Probanden

untersucht, die zuvor magnetische Eisen-oxidpartikel kontrolliert inhaliert haben.

Mittels Magnetpneumographie wirdgemessen, wo sich die Partikel abge-

lagert haben und wann sie schließlichwieder aus der Lunge entfernt werden.

Der Vorteil dieser magnetischen Tracer-technik: Die Untersuchungen

können über einen langen Zeitraumdurchgeführt werden und Probanden

werden nicht durch Strahlen belastet.

Quelle:B. Müller / GSF

Page 35: Großes Netzwerk für kleine Teilchen AEROSOLFORSCHUNG IN ...€¦ · Nature Immunology 6/2005 (modifiziert, S.39 oben), Deutsche Gesellschaft für Allergologie und Immunologie eV.

33

zur Langzeitretention in den Atem-wegen. Die Atemwegsclearancebei COPD zeigt eine große Variabi-lität, selbst eine aufgrund vonZilienfehlfunktionen gestörte Clea-rance kann teilweise durch ver-stärkt auftretende Hustenstößekompensiert werden. „Da sich dieReinigungsprozesse bei COPD-Patienten nicht von den Kontrol-len unterschieden, wollen wir inweiteren Studien verschiedeneCOPD-Typen mit und ohneEmphysem erneut untersuchen“,so Winfried Möller, Wissenschaft-ler in der klinischen Kooperations-gruppe. Mit Hilfe inhalierter Eisen-oxidpartikel können die Forscheralso nicht nur bestimmen, wieschnell Teilchen aus der Lungeentfernt werden, sondern auchanhand der verzögerten ClearanceFehlfunktionen der Zilien diagnos-tizieren. „Eingeatmete Partikelbleiben bei diesen Patienten län-ger auf dem Lungenepithel undkönnen dadurch stärker schädi-gen“, erklärt Möller. Die verzöger-te Clearance erklärt, warum Virenund Bakterien sich hier ansiedelnund so zu immer wiederkehren-den Infektionen führen.

Um den Verlauf von Entzün-dungserkrankungen in der Lungezu verfolgen, müssen Ärzte undWissenschaftler regelmäßig Ent-zündungsmarker kontrollieren.Bisher bereiteten invasive Metho-den und auch induziertes SputumPatienten mit weit fortgeschritte-ner COPD große Unannehmlich-keiten. Doch damit ist nunSchluss: Die Kooperationsgruppein Gauting kontrolliert anhand vonMarkern im Exhalat - in der Luft,die beim Ausatmen aus der Lungeströmt -, ob beispielsweise eineCortisontherapie anschlägt. Neh-men Zytokine und Lipidmediato-ren wie LTB4 und PGE2 währendder Therapie nämlich ab, ist dieEntzündung in der Lunge eben-falls zurückgegangen.

Vitamin A gegen den

Gewebeabbau

Mittels Markern im Exhalat wol-len die Forscher der KKG in Zukunftauch kontrollieren, ob Vitamin AGewebeschäden stoppenkann, die zu Emphyse-men in den Alveolen füh-ren. Zunächst transferier-ten die Wissenschaftler inZellkulturtests Vitamin Averpackt in kleine Fett-tröpfchen, den Liposo-men, gezielt in die Makro-phagen. Deren Enzyme sind dafürbekannt, dass sie Lungengewebeabbauen. Beim gesunden Men-schen sind die Protease MMP9(Matrix Metalloproteinase 9) undihr Inhibitor TIMP1 (Tissue Inhibitorof Matrix Metalloproteinasis) ingleichen Konzentrationen in denMakrophagen vorhanden. Aufdiese Weise ist sichergestellt, dassgerade soviel Lungengewebeabgebaut wird, wie neues gebildetwird. Bei COPD-Patienten dagegenliegt ein Ungleichgewicht vor: Dasabbauende Enzym MMP9 kommthier in viel höheren Konzentratio-nen vor als sein GegenspielerTIMP1. „Klar, dass in diesem Fall

die Lunge immer weiter verdautwird“, sagt Frankenberger. Ein Ret-tungsanker könnte in diesem Pro-zess Vitamin A sein: Es senkt inZelllinien die Protease MMP9 undaktiviert gleichzeitig den InhibitorTIMP1. Zweifach fördert Vitamin Aso den Schutz des Gewebes. „Wirhoffen, dass sich diese Ergebnissein klinischen Studien am Patientenbestätigen“, so Frankenberger.COPD-Patienten wäre damit sehrgeholfen: Durch gezielte Vitamin A-Therapie wären Gewebe abbauen-de Mechanismen in der Lunge her-unterreguliert und inhalierte Parti-kel könnten weniger Schadenanrichten. ■

PARTIKELFORSCHUNG IN KLINIKNÄHE AEROSOLFORSCHUNG

Sputumprobenermöglichenauf nicht-invasivemWege, zelluläresMaterial aus derLunge zu gewinnen.Die Ergebnisse kön-nen Aufschluss überden Entzündungs-status in der Lungegeben.

Quelle: B. Müller / GSF

Große Hoffnung setzen Marion Frankenberger und ihr Team auf Vitamin A. Esnimmt direkten Einfluss auf die Enzyme von Makrophagen und kann so Schä-den an Lungengewebe, die Emphyseme erzeugen, stoppen. Quelle: M.v.d.Heuvel

Page 36: Großes Netzwerk für kleine Teilchen AEROSOLFORSCHUNG IN ...€¦ · Nature Immunology 6/2005 (modifiziert, S.39 oben), Deutsche Gesellschaft für Allergologie und Immunologie eV.

34

AEROSOLFORSCHUNG VERSTAUBTE GEFÄSSE

Partikel stehen unter Verdacht, neben dem Atemsystem auch Herz und Blutgefäßezu schädigen. Vor allem die ultrafeinen Teilchen werden von Makrophagen, dennatürlichen Reinigungszellen unseres Immunsystems, häufig nicht erkannt. Außer-dem schaffen sie es, Membranen und Schleimhäute zu durchdringen und gelangenso von der Lunge ins Blut. Wie dadurch Gefäße und Herz geschädigt werden kön-nen, untersuchen GSF-Wissenschaftler der Institute für Inhalationsbiologie, Toxiko-logie und Epidemiologie gemeinsam mit Medizinern der Universität München.

Verstaubte GefäßeWenn ultrafeine PartikelHerz und Adern schädigen

„Wir kennen mittlerweiledrei Mechanismen, mit

denen ultrafeine Partikel denOrganismus gefährden können“,erklärt Holger Schulz vom GSF-Institut für Inhalationsbiologie. Alserstes können sie direkt auf Orga-ne des Herz-Kreislaufsystemsoder Blutbestandteile einwirken.Zum zweiten können die Teilchen

mit Rezeptoren im Epithel derAlveolarmembran interagierenund dadurch das vegetative Ner-vensystem beeinflussen. Im drit-ten Fall können sie Abwehrprozes-se in Form von Entzündungsreak-tionen hervorrufen: Diese spielensich zunächst vor Ort in der Lungeab, werden aber über Botenstoffedem gesamten Organismus ver-

mittelt, so dass eine entzündungs-fördernde Reaktionssituation imKörper entsteht.

Auf direktem Wege zu Herz

und Gefäßen

Wenn ultrafeine Partikel direktauf Organe einwirken, durchdrin-gen sie zunächst die dünne Mem-bran der Alveolen und gelangen

Quel

le m

odifi

ziert

nach

: Bun

desi

nstit

ut fü

r Ber

ufsb

ildun

g

Page 37: Großes Netzwerk für kleine Teilchen AEROSOLFORSCHUNG IN ...€¦ · Nature Immunology 6/2005 (modifiziert, S.39 oben), Deutsche Gesellschaft für Allergologie und Immunologie eV.

35

so ins Blut. Der Blutstrom trans-portiert sie dann zu jedem Organ– ultrafeine Teilchen lassen sichin der Leber, dem Herz, aber auchim Gehirn nachweisen. „In epide-miologischen und toxikologi-schen Studien untersuchen wirgegenwärtig besonders die Aus-wirkungen der winzigen Partikelauf das Gefäßsystem und dasHerz“, so Annette Peters vomGSF-Institut für Epidemiologie.Die Studien zeigen, dass anTagen mit außergewöhnlichhohen Partikelkonzentrationendie Häufigkeit von Herzinfarktenund plötzlichem Herztod erhöhtist. Dazu tragen ultrafeine Teil-chen möglicherweise bei. DiesenZusammenhang bestätigte imTiermodell das Team um HolgerSchulz, dem komissarischen Lei-ter des GSF-Instituts für Inhala-tionsbiologie zusammen mitAndreas Stampfl, GSF-Institut fürToxikologie und Fritz Krombach,Veterinärmediziner an der Lud-wig-Maximilians-Universität inMünchen-Großhadern. Um den

Einfluss von Luftpartikeln auf dasGerinnungssystem, im Speziellenauf die Blutplättchen, zu erfor-schen, brachten die Wissenschaft-ler die Teilchen direkt in die Blut-bahn. Dies führte zur Aktivierungder Blutplättchen. „Dadurchgerinnt das Blut schneller, dasThromboserisiko ist erhöht, undInfarkte werden wahrschein-licher“, fasst Schulz die Ergeb-nisse zusammen.

In den Arterien werden die Blut-plättchen aktiviert, so dass sichdie Gerinnungsfähigkeit erhöht.

Das Blut wird dadurch zähflüssi-ger, die Gefahr einer Thrombosenimmt zu. Außerdem bewirkendie Teilchen, dass Arterien beiBelastung ihren Querschnitt nichtmehr so schnell an den erhöhtenBlutfluss anpassen können – mitvielleicht fatalen Konsequenzen,wie man von der koronaren Herz-krankheit her weiß: Während sichdie Schlagadern eines gesundenMenschen bei einem kurzenSprint erweitern, reagieren dieGefäße eines Herzkranken nichtschnell genug. Das Herz wird instressigen Situationen nicht aus-reichend durchblutet. Die Folgesind Herzrhythmusstörungen, diebis zum Infarkt führen können.Man muss davon ausgehen, dassgerade solche Patienten durchultrafeine Teilchen besondersgefährdet sind. Direkt an den Zel-len der Herzmuskulatur und desHerzreizleitungssystems kann esdurch ultrafeine Teilchen zu einerVeränderung des Kalziumhaushal-tes kommen. Dadurch kann sichder Herzmuskel nicht mehr sostark zusammenziehen. Die Kon-zentration der Kalzium-Ionen istaber auch für die Erregungswellemitverantwortlich, die über denMuskel läuft. Wird diese durch dieTeilchen gestört, kann es zu Rhyth-musstörungen kommen, imschlimmsten Fall bei gefährdetenPatienten zu Kammerflimmernund Herzstillstand.

VERSTAUBTE GEFÄSSE AEROSOLFORSCHUNG

Um Verbleib und Einfluss von ultrafeinen

Partikeln (UFP) im Organismus zu

erforschen, bringen GSF-Wissenschaftler die

Teilchen in die Lunge.Nach dreitägiger Exposi-

tion finden sich UFPunter dem Transmis-

sions-Elektronenmikro-skop in den

Typ 1 Epithelzellen desAlveolarraums.

Quelle:Takenaka / Beck / Jennen

Ultrafeine Partikel können den Körper auf drei Wegen schädigen: Zum einenbeeinflussen sie dasvegetative Nervensystemüber Rezeptoren (links).Sie können aber auchdirekt durch die dünnenHäutchen der Lungen-bläschen in die Blutbahneindringen und von hieraus zu jedem Organgelangen (Mitte). Als dritte Möglichkeitkönnen ultrafeine Teil-chen über Mediatorendas Lungengewebe ent-zünden und so Herz undGefäße beeinträchtigen(rechts).

Quelle: H. Schulz

Page 38: Großes Netzwerk für kleine Teilchen AEROSOLFORSCHUNG IN ...€¦ · Nature Immunology 6/2005 (modifiziert, S.39 oben), Deutsche Gesellschaft für Allergologie und Immunologie eV.

Verkehrsmittel als Auslöser für Herzinfarkte?Als Teilnehmer im Straßenverkehr set-zen wir uns erhöhten Schadstoffkon-zentrationen und insbesondere erhöh-ten Konzentrationen feiner und ultrafei-ner Partikel aus. Im Rahmen des Pro-jekts „Kooperative Gesundheitsfor-schung in der Region Augsburg(KORA)“ untersuchte Annette Petersvom GSF-Institut für Epidemiologie, inden Jahren 1999 bis 2001 an 691 Herz-infarktüberlebenden den möglichenZusammenhang zwischen dem Auftre-ten von Herzinfarkten und dem Aufent-halt in Verkehrsmitteln. In detailliertenInterviews erfragte sie, was die Patien-ten in den vier Tagen vor dem Herzin-farkt getan hatten und wo sie sich auf-gehalten hatten. Für die Zeit eine Stun-de nach dem Aufenthalt in Verkehrsmit-teln ermittelte sie ein 2,9-fach erhöhtes

Risiko für die Auslösung von Herzinfark-ten. Betrachtet man ihre Ergebnisseetwas differenzierter nach dem jeweilsbenutzten Verkehrmittel, so erhöht sichmit Benutzung öffentlicher Verkehrsmit-tel das Risiko sogar auf das 3,1-fache.Dies relativiert die Bedeutung desStressfaktors beim Autofahren, der alsmögliche Erklärung für die beobachte-ten Effekte dienen könnte. Auch blie-ben die Ergebnisse nahezu unverän-dert, wenn zusätzliche Faktoren wiebeispielsweise extreme körperlicheBelastung hinzukamen.Sollten sich diese Erkenntnisse durchFolgestudien bestätigen, wäre die Wir-kung der Partikel ausgeprägter undwürde insbesondere schneller einset-zen als man dies bisher vermutet.

36

AEROSOLFORSCHUNG VERSTAUBTE GEFÄSSE

Der Umweg über das vegeta-

tive Nervensystem

Partikel können aber auch aufeinem anderem Wege Einflussnehmen, indem sie mit Rezepto-ren auf der Oberfläche der Lun-genbläschen interagieren und sodas vegetative Nervensystembeeinflussen. „Der Sympathikus,der den Körper in Alarmbereit-schaft versetzt, ist dann stärkeraktiviert“, so Schulz. Neben denGefäßen ist dadurch auch dasHerz direkt betroffen – der Herz-schlag unterliegt der Kontrolle desvegetativen Nervensystems. „DerPuls ist beschleunigt und derMuskel zieht sich zu regelmäßigunter dem Einfluss der Partikelzusammen“, erklärt Schulz. Einerhöhtes Risiko hat, wessen Herzzum Beispiel nicht mehr flexibelauf Ruhe- oder Aktivitätsphasenreagiert. Der Puls dieser Men-schen bleibt allzu starr bei etwa 80Schlägen pro Minute und kanndaher nicht angemessen auf kör-perliche Anstrengungen undStress reagieren.

Erhöhter Entzündungsstatus

Auf dem dritten Wege könnendie Partikel Entzündungsvorgängeim Lungengewebe auslösen,wodurch Botenstoffe freigesetztwerden. Daraufhin nimmt die Blut-gerinnungsfähigkeit zu und derKörper mobilisiert seine Abwehr-kräfte. Als Folge davon kann mehrFibrinogen freigesetzt und das Blutebenfalls zähflüssiger werden.Diese Prozesse fördern aber aucheine raschere Verkalkung der Arte-rien. Reißt so eine arterioskleroti-sche Stelle, sind die dabei entste-henden Thromben (Blutgerinnsel)umso größer, je gerinnungsfähigerdas Blut ist. „Wir haben in ver-schiedenen Studien herausgefun-den, dass die Gefahr eines Herzin-farkts dadurch erhöht ist“, sagtPeters. Faktoren wie Übergewichtund Tabakkonsum tragen zusätz-

Holger Schulz, kommissari-scher Leiter des GSF-Institutsfür Inhalationsbiologie undAnnette Peters vom Institut fürEpidemiologie der GSF habengemeinsam die Mechanismen,mit denen vor allem ultrafeineTeilchen Herz und Gefäßeschädigen können, untersucht.

Quelle: M. van den Heuvel / U. Baumgart

Der Aufenthalt in Verkehrsmitteln kann ein cirka 3-fach erhöhtes Risiko für die Auslösungvon Herzinfarkten bergen. Zu diesem Ergebnis kommt eine im KORA-Studienzentrum Augs-burg 2004 abgeschlossene Studie des GSF-Instituts für Epidemiologie an 691 Herzinfarkt-überlebenden. Die Erkenntnisse untermauern die schädliche Wirkung von Partikeln aufPersonen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Quelle: GSF-EPI

4.5

4.0

3.5

3.0

2.5

2.0

1.5

1.0

0.50 1 2 3 4

Odds

Rat

io

Stunden vor dem HerzinfarktPeters et al. NEJM 2004

Page 39: Großes Netzwerk für kleine Teilchen AEROSOLFORSCHUNG IN ...€¦ · Nature Immunology 6/2005 (modifiziert, S.39 oben), Deutsche Gesellschaft für Allergologie und Immunologie eV.

37

VERSTAUBTE GEFÄSSE AEROSOLFORSCHUNG

gen, dass sie – und im Analogie-schluss auch Menschen miterhöhter Thrombozytenaktivität –empfindlicher auf Luft-Partikelreagieren. Ähnliche Studien füh-ren die Wissenschaftler derzeit mitRatten, die genetisch bedingt anBluthochdruck mit Herzvergröße-rung leiden und zum Schlaganfallneigen, durch. ■

lich zu einem größeren Infarktrisikobei. „Höhere Konzentrationen vonEntzündungsproteinen haben wiraber auch im Blut von bishergesunden Probanden gefunden“,so Peters. Kommen andere Risiko-faktoren hinzu, kann auch für siedie Partikelexposition zum Ge-sundheitsrisiko werden. „Je mehrwir über Zusammensetzung undWirkungsweise der Partikel wissen,desto eher können wir die gefähr-lichen Bestandteile identifizierenund vor ihnen warnen bzw. sie ausAbgasen entfernen“, sagt Peters.

Geraten systemische Entzün-dungen außer Kontrolle, kannunter anderem die Blutgerinnunggesteigert sein; das Herzinfarkt-Risiko ist dadurch stark erhöht. ImTiermodell lassen sich die verant-wortlichen Mechanismen genaustudieren. Erst wenn diese ver-

standen sind, wollen die Wissen-schaftler in Mausstämmen mitgenetisch bedingt erhöhterThrombozytenaktivität möglicheGen-Umwelt-Interaktionen unter-suchen. Stellt sich heraus, dassdiese Mäuse nach einer Exposi-tion mit ultrafeinen Partikeln ver-mehrt zum Infarkt neigen, könntees an den veränderten Genen lie-

Partikel können Entzündungsvorgänge im Lungengewebe auslösen,wodurch Botenstoffe freigesetzt werden.Daraufhin nimmt die Blutgerinnungs-fähigkeit zu und der Körper mobilisiertseine Abwehrkräfte. Also Folge davonkann mehr Fibrinogen freigesetzt und das Blut ebenfalls zähflüssiger werden.Das Elektronenmikroskop macht Fibrinogenablagerungen in kleinen Gefäßen sichtbar.

Quelle: F. Krombach / Khandoga et al.

GSF und amerikanische Forschergruppe – Gemeinsame Suche nach Herz-Kreislaufrisiken durch Partikel Gefördert durch die amerikani-sche Umweltbehörde (EPA)nehmen GSF-Forscher vomInstitut für Epidemiologie imRahmen des Programms EPASTAR (STAR = science toachieve results) denZusammenhang zwischenSchwebstaub und der Entste-

hung beziehungsweise Verstärkung ver-schiedener Krankheiten unter die Lupe. Diemultidisziplinäre Studie wird in Kooperationmit dem Rochester Particle Center imBundesstaat New York durchgeführt. ImFokus steht die Frage, ob EKG- und Blutpa-rameter bei Patienten mit koronarer Herz-krankheit von der Partikelkonzentration inder Außenluft beeinflusst werden.Besonders konzentrieren sich die Wissen-schaftler dabei auf die kleinsten, die ultrafei-nen Teilchen. In den Wintern 2000/2001 und 2001/2002wurden in Erfurt männliche Nichtraucher imAbstand von jeweils zwei Wochen zu zwölfUntersuchungen einbestellt. 58 Probandenwaren Patienten mit koronarer Herzkrank-heit, 39 Teilnehmer litten an chronischenLungenerkrankungen (COPD = chronicobstructive pulmonary disease). Bei jeder

Untersuchung wurden Entzündungs- undGerinnungsmarker im Blut sowie EKG-Para-meter zur Herzratenvariabilität (HRV), Repo-larisierung und Arrhythmie aufgezeichnet.Bei den COPD-Patienten wurde außerdemdie Lungenfunktion gemessen. Zusätzlichnotierten die Probanden täglich Krankheits-symptome während des gesamten Studien-zeitraums.Die Ergebnisse der Studie deuten daraufhin, dass durch feine und ultrafeine Partikelin der Luft verschiedene Mechanismen inGang gesetzt werden, die besonders beiempfindlichen Personen unerwünschteEffekte sowohl im Herzen als auch in derLunge hervorrufen können: Je höher diePartikelkonzentration in der Luft, desto

mehr Entzündungsmarker werden im Blutgefunden. Zwar lässt sich eine solcheAbhängigkeit bei den Gerinnungsmarkernnicht eindeutig beobachten, hinsichtlich derHerzratenvariabilität aber ist derZusammenhang wieder klar: Sowohl imKurzzeit- als auch im 24-Stunden-EKG schla-gen die Herzen umso gleichmäßiger, d.h.mit weniger variabler Frequenz, je höher diePartikelkonzentration der Luft ist. Als Folgekann das Herz nicht mehr angemessen aufStress oder Belastung reagieren. Die For-scher entdeckten außerdem anhand desEKGs, dass die Erregungswelle nicht mehrgleichmäßig über den Muskel läuft und inden Herzkammern und -vorhöfen gehäuftRhythmusstörungen auftreten.

Begutachtung der vomHealth Effects Institutegeförderten epidemiolo-gischen Studie in Erfurtim Jahr 2000. Im Bild:Frank E. Speizer, Boston(links), Jonathan Samet, Baltimore (rechts), H.-Erich Wichmann, GSF

Quelle: GSF-EPI

Page 40: Großes Netzwerk für kleine Teilchen AEROSOLFORSCHUNG IN ...€¦ · Nature Immunology 6/2005 (modifiziert, S.39 oben), Deutsche Gesellschaft für Allergologie und Immunologie eV.

38

AEROSOLFORSCHUNG GEFÄHRLICHES DUO – PARTIKEL UND ALLERGENE

Bei einer Allergie spielt das Immunsystem verrückt: Statt wie vorgesehen Krank-heitserreger in die Flucht zu schlagen, versetzt es den Körper bei Kontakt mit ansich harmlosen Substanzen wie Eiweißstoffen aus Pollen, Nahrungsmittelbestand-teilen und Tierhaaren in Alarmbereitschaft. Feine und ultrafeine Partikel aus der Luftunterstützen diesen Prozess, indem sie Allergenen den Weg in den Körper erleich-tern, sie früher aus dem Inneren von Pollen freisetzen und auch selbstständig dasImmunsystem aktivieren. Gemeinsam mit der Klinischen KooperationsgruppeUmweltdermatologie und -allergologie untersuchen Epidemiologen und Toxikolo-gen der GSF, über welche Mechanismen Partikel allergische Reaktionen fördern.

Quälender Juckreiz, verquolle-ne Augen oder permanentes

Niesen: Jeder kennt heute Men-schen mit allergischen Sympto-men oder ist gar selbst betroffen.Dass diese Leiden auch mit Luft-schadstoffen zusammenhängenkönnten, vermutet man erst seitkurzem. „Allergien gehören heutezu den häufigsten chronischenGesundheitsstörungen“, so Hei-

drun Behrendt, Leiterin der Kli-nischen Kooperationsgruppe Um-weltdermatologie und Allergolo-gie (KKG UDA) der GSF. „Seit epi-demiologische Studien gezeigthaben, dass sie in den letztenJahrzehnten weltweit dramatischangestiegen sind, suchen wir ver-stärkt nach Faktoren, die dieseReaktionen fördern.“

Veränderungen im Erbgut kön-

nen zwar möglicherweise erklä-ren, warum in einzelnen Regionenoder Ländern Allergien gehäuftauftreten. Verantwortlich für denallgemein ansteigenden Trendsind sie aber nicht, denn größereÄnderungen im menschlichenGenpool dauern länger. Im Ver-gleich dazu können sich Umweltund Lebensumstände rascherwandeln. Da parallel mit der

Gefährliches DuoPartikel und Allergene bringen das Immunsystemdurcheinander

Feine und ultrafeinePartikel stehen imVerdacht, Allergenenden Weg in den Kör-per zu bahnen, sie früher aus dem Inne-ren von Pollen frei-setzen sowie selbst-ständig das Immun-system zu aktivieren.Im Bild: Eschenpollenmit daran haftendenPartikeln

Quelle: H. Behrendt

Page 41: Großes Netzwerk für kleine Teilchen AEROSOLFORSCHUNG IN ...€¦ · Nature Immunology 6/2005 (modifiziert, S.39 oben), Deutsche Gesellschaft für Allergologie und Immunologie eV.

Über die Erzeugung von oxidativem Stress wirken Dieselrußpartikel direkt auf Makrophagen und Epithelzel-len der Atemwege und steuern so die Immunantwort. Sie nehmen aber auch indirekt Einfluss auf die Entwick-lung von Zellen des Immunsystems wie den B-Zellen oder Mastzellen, den Mediatorzellen der allgemeinenSofortreaktion. (TZR: T-Zell-Rezeptor, MHC: Major Histocompatibility Complex, APZ: Antigen-präsentierendeZellen; IgE:Immunglobulin E; IL:Interleukine) Quelle: A.Saxon, D. Diaz-Sanchez (modif. nach Nature Immunology 6/2005)

Makrophage

Epithelzellen der Atemwege

MastzellenPlasma-Zellen

Allergien

Dieselrußpartikel

Dieselrußpartikel und reaktive SauerstoffspeziesSpezifisches

B-Zelle

APZ TZR

39

Zunahme von Allergien auchmehr fossile Brennstoffe in Indus-trie und Kraftfahrzeugen verbranntwerden, nehmen die Forscherheute auch die dabei entstehen-den Feinstäube ins Visier. Die etwaim Dieselruß enthaltenen Partikelkönnen bis tief in die Lunge einge-atmet werden und auch hier dasImmunsystem beeinflussen. Erstmoderne Methoden der Moleku-largenetik haben es ermöglicht,den Einfluss Luft getragener Teil-chen auf das Erbgut zu untersu-chen. „Wir müssen die Mechanis-men besser verstehen, über wel-che die Umweltfaktoren mit denGenen interagieren, um sinnvollePräventionskonzepte entwickelnzu können“, sagt Behrendt. IhreArbeitsgruppe will herausfinden,wie Kohlenstoffpartikel aus Diesel-ruß oder Tabakrauch und darangebundene organische Substan-zen, die polyzyklischen aromati-schen Kohlenwasserstoffe (PAK),die Allergieentstehung fördern,auslösen und sie aufrechterhalten.

Allergen und Partikel - auch

einzeln wirksam

Damit eine Allergie entsteht,muss eine Person mehrfach mitdem verantwortlichen AllergenKontakt haben. An der Schnitt-

stelle zwischen Organismus undUmwelt, dem Epithel von Hautund Schleimhaut, sitzen hoch spe-zialisierte dendritische Zellen, dieAllergene erkennen, aufnehmenund sie verdauen. Während dieZellen diese verarbeiten, wandern

sie zum regionalen Lymphgewebeund erfahren dabei einen funktio-nellen Wandel. Sie präsentierendie Allergene als Antigene aufihrer Zelloberfläche und induzie-ren dadurch allergenspezifischeImmunantworten. Es werden TH2-Helferzellen (T-Lymphozyten) akti-viert, die für allergische Entzün-dungen charakteristisch sind.„Auch Umweltpartikel können dasGleichgewicht des Epithels stören:Sie aktivieren entzündungsför-dernde Zytokine und mobilisierendadurch indirekt die dendritischenZellen“, erläutert Behrendt.

In Studien am Tier und in huma-nen Zellkulturen haben Mitarbei-ter der Klinischen Kooperations-gruppe gezeigt, dass die feinenund ultrafeinen Teilchen gleichzei-tig die Produktion des AntikörpersIgE steigern. Damit unterscheidensich die Partikel von Adjuvanzienwie Stickstoffdioxid und Schwe-

GEFÄHRLICHES DUO – PARTIKEL UND ALLERGENE AEROSOLFORSCHUNG

Der schematische Schnitt durch die Bronchialschleimhaut zeigt, auf welch komplexeWeise sich das Entzündungsgeschehen beim Asthma abspielt.

Quelle: Dt. Gesellschaft f. Allergologie u. Immunologie e.V.

Page 42: Großes Netzwerk für kleine Teilchen AEROSOLFORSCHUNG IN ...€¦ · Nature Immunology 6/2005 (modifiziert, S.39 oben), Deutsche Gesellschaft für Allergologie und Immunologie eV.

40

AEROSOLFORSCHUNG GEFÄHRLICHES DUO – PARTIKEL UND ALLERGENE

feldioxid, die nur gemeinsam mitden Allergenen, die sie in den Kör-per hineintransportieren, dasImmunsystem stimulieren kön-nen.

Neben den Auswirkungen aufzellulärer Ebene können auch ver-mehrt Symptome allergischerAtemwegserkrankungen auftre-ten: Hyperreaktivität der Atemwe-ge, ein charakteristisches Zeichenvon Asthma, sowie entzündlicheReaktionen sind die Folgen derPartikel-Exposition.

Letztere entstehen zum Beispiel,wenn Partikel entzündungsför-dernde Botenstoffe freisetzen undreaktive Sauerstoffspezies gebil-det werden.

„Diese Substanzen schädigendie Schleimhäute der Atemwege,so dass Allergene leichter dieMembran durchdringen undImmunzellen aktivieren können“,erklärt Behrendt. Daraufhin wer-den erneut reaktive Sauerstoffspe-zies und Gewebe zersetzende Pro-teine mobilisiert, so dass es letzt-lich zu einer chronischen Entzün-dung kommt.

Partikelkern und -oberfläche

im Zusammenspiel

Für die verschiedenen Mecha-nismen sind vermutlich sowohlder Partikelkern aus Kohlenstoffals auch die daran gebundenenanorganischen und organischenSubstanzen verantwortlich. Gerei-nigte polyzyklische aromatischeKohlenwasserstoffe, Nitroaroma-ten und andere Verbindungen ausunvollständigen Verbrennungs-prozessen können unabhängigvom Kohlenstoffkern die allergen-spezifischen Antikörper erhöhenund die Histaminfreisetzung stei-gern.

Darüber hinaus fördert aberauch der Partikelkern an sich Ent-zündungen. Möglicherweise wer-den das Ausmaß der Entzündungvom Kern und die Richtung derImmunantwort von den adsorbier-ten Substanzen bestimmt.

Starke Reaktion auf

„verstaubte“ Allergene

Noch deutlicher fällt die Reaktionaus, wenn die Teilchen aus der Luftzusammen mit einem Allergen ein-

geatmet werden: In Kombinationkönnen sie genetisch vorbelastetePersonen gegen neue Allergenesensibilisieren. Ohne Rußpartikelhätte der Körper seinen Entzün-dungsstatus nicht gesteigert. Auchin bereits sensibilisierten Proban-den verstärken sich Partikel undAllergen: Hier produziert dasImmunsystem die über 16-facheMenge des allergenspezifischenIgE-Antikörpers.

Dieser synergetische Effekt istvermutlich mit dafür verantwort-lich, dass allergische Reaktionenin den letzten Jahren zugenom-men haben. „Da im städtischenRaum Allergen tragende Pollen oftmit Partikeln belastet sind, könnenhier Allergene leichter mit den Zel-len des Immunsystems interagie-ren“, so Behrendt. „Das ist eineErklärung unter vielen, warumMenschen in Großstädten schwe-rer an Überempfindlichkeitsreak-tionen leiden als auf dem Land.“

Haften die Allergene nicht direktam Partikel, macht es einen Unter-schied, ob die Teilchen vor demAllergen oder erst nach seinerExposition inhaliert werden. ImVersuch reagierten Mäuse, dieerst Schwebstaub einatmeten undsich dann mit der Allergie auslö-senden Substanz auseinanderset-zen mussten, sehr viel stärker alsdiejenigen, die keinen Teilchenausgesetzt waren. Andersherumtrat die allergische Reaktion verzö-gert auf. „Die verantwortlichenMechanismen untersuchen wirderzeit zusammen mit dem GSF-Institut für Inhalationsbiologie“,erklärt Behrendt.

Individuelle Unterschiede

Die Häufigkeit von Asthma, Heu-schnupfen und Allergien variiertnicht nur zwischen Land undStadt: In der „Europäischen Stu-die zu Atemwegserkrankungenbei Erwachsenen“ (ECRHS) fan-den GSF-Epidemiologen bei-

Entstehungsmechanismus von allergenhaltigen Aerosolpartikeln durch die Wechselwirkung von Pollenmit Partikeln (links: schematischer Querschnitt durch eine Polle mit angelagertem Partikel; rechts:Schritte der Entstehung von allergischen Aerosolpartikeln)

Quelle: H. Behrendt / W. M. Becker (modif.nach Current Opinion Immunology 2001, Vol 13 Nr. 6)

Schritt 1

Schritt 2

Schritt 3

Schritt 4Zytoplasma

Innere Membran

Äußere Membran

Stärkekörner

CytoplasmatischeP-Granula

Partikel

Agglomeration, ausgelöst durchorganische Substanzen

lokale Voraktivierung der Pollen

Freisetzung der Allergene

Ausstoß derAllergene < 1µm

Adsorption an pollen-gebundene Partikel

Allergene Partikel Partikel werdenAllergenträger

Page 43: Großes Netzwerk für kleine Teilchen AEROSOLFORSCHUNG IN ...€¦ · Nature Immunology 6/2005 (modifiziert, S.39 oben), Deutsche Gesellschaft für Allergologie und Immunologie eV.

Wohnsiedlung in Hettstedt-Altdorf, die an eine schwermetallhaltige Abraumhalde grenzt. Kupfer- undZinkstäube werden von der ungenügend abgedeckten Halde aufgewirbelt und gelangen mit der Atemluftbis tief in die Lunge. Die Kinder in Hettstedt leiden auch heute noch vermehrt an Allergien, obwohl es mitt-lerweile fast keine Industrie mehr gibt. Quelle: J. Heinrich

Pollenansammlung vor Ort zur Zeit desBirkenpollenfluges Quelle: H. Behrendt

41

GEFÄHRLICHES DUO – PARTIKEL UND ALLERGENE AEROSOLFORSCHUNG

spielsweise einen deutlichenUnterschied in den Häufigkeitenvon Atemwegserkrankungen zwi-schen den Menschen in denneuen Bundesländern und jenenin den alten. Dafür gibt es mehre-re mögliche Ursachen: Offensicht-lich machen so genannte westli-che Faktoren die Menschen anfäl-liger für diese Erkrankungen.Grobstaub aus den ehemaligenBraunkohlekraftwerken belastetedie Luft in den neuen Bundeslän-dern vor 1989 in sehr viel höherenKonzentrationen als in West-deutschland. „Möglicherweisehaben vor der Wende in Ost-deutschland grobe Partikel diegefährlichen lungengängigen fei-

nen und ultrafeinen Teilchen weg-geschnappt“ erläutert GSF-Epide-miologie Joachim Heinrich. Eskann aber auch sein, dass der Ost-West-Unterschied hinsichtlich derHäufigkeit von Asthma und Aller-gien nur wenig mit der verschie-den starken Umweltbelastung zutun hat. Vielmehr könnten Diffe-renzen der individuellen Immuni-tätslage und eines unterschied-lichen Reifegrades des Immunsys-

Vekehrsbelastung

Westen

DeutschlandOsten

westlicherLebensstil

industrielle Belastung

Geburtsjahr1945 1960 1990

Präv

alen

z vo

n A

llerg

ien

Arbeitshypothese zum Ost- West- Unterschiede bei Allergien in Deutschland: Offen-sichtlich spielt der sogenannte „westliche Lebensstil“ eine Rolle bei der Zunahme vonAllergien in Ostdeutschland seit der Wende Quelle: GSF-EPI

Heidrun Behrendt, Leiterin der KlinischenKooperationsgruppe Umweltdermatologie undAllergologie (UDA) der GSF

Quelle: M. van den Heuvel

tems oder eine Kombination ausunterschiedlicher Umweltbelas-tung und diesen so genannten„host factors“ Menschen in demeinen Teil sensibler auf Luftschad-stoffe reagieren lassen als in demanderen.

Ost-West-Unterschiede

Aber auch innerhalb der neuenBundesländer gibt es gravierendeUnterschiede: In der stark mitSchwermetallen belasteten Re-gion Hettstedt leiden Kinder häufi-

Page 44: Großes Netzwerk für kleine Teilchen AEROSOLFORSCHUNG IN ...€¦ · Nature Immunology 6/2005 (modifiziert, S.39 oben), Deutsche Gesellschaft für Allergologie und Immunologie eV.

Ausgangs- Kochsalz- Hettstedt Zerbstwert instillation

p = 0.012.5 x 10 6

2.0 x 10 6

1.5 x 10 6

1.0 x 10 6

0.5 x 10 6

Sauerstoffradikalbildung

Birkenkätzchen in freier Natur (a), Kätzchen (b) und Pollen der Birke (c) unter dem Rasterelektronenmikroskop Quelle: J. Weichenmeier, KKG UDA

42

ger an Allergien als im wenigerumweltverschmutzten Zerbst. Dasfanden die Epidemiologen in einervom Umweltbundesamt geförder-ten Studie heraus. Dass Kinder inHettstedt noch heute mehr anAllergien leiden, obwohl es dortseit zehn Jahren fast keine Indus-trie mehr gibt, zeigt, wie langfris-tig Schwermetalle im Umwelt-

aerosol bleiben und so dieGesundheit beeinflussen können.Kupfer- und Zinkstäube werdenvon Dächern und Böden oder vonungenügend abgedecktem schwer-metallhaltigen Haldenmaterialaufgewirbelt und gelangen mitder Atemluft bis tief in die Lunge.

Bestätigung im Labor

Zusammen mit der amerikani-schen Umweltbehörde (Environ-mental Protection Agency, EPA)wollten die GSF-Wissenschaftlerim Tierversuch überprüfen, ob tat-

sächlich der Feinstaub aus Hett-stedt für die Unterschiede in derAllergiehäufigkeit zwischen denStudienregionen verantwortlichist. Sie verabreichten Mäusen, diezuvor teilweise allergisch sensibi-lisiert worden waren, einebestimmte Menge des in Hettstedtgesammelten Schwermetall be-lasteten Staubs in die Lunge. DieReaktion war deutlich: Mit demStaub war der Entzündungsstatusin jenen Tieren, die zuvor sensibi-lisiert worden waren, deutlicherhöht. Die Tiere reagierten

AEROSOLFORSCHUNG GEFÄHRLICHES DUO – PARTIKEL UND ALLERGENE

5

4

3

2

1

01992/93 1995/96 1998/99 Total

ZerbstBitterfeldHettstedt

Odd

s Ra

tio

Heuschnupfen

Allergische Symptome wie Heuschnupfen treten in Hettstedt, einem Industriestandort inOstdeutschland häufiger auf als im unbelasteten Kontrollgebiet Zerbst. Dieser Unterschiedwar über einen 6-Jahres-Zeitraum stabil geblieben, wie die so genannte Bitterfeldstudieder GSF ergeben hat. Quelle: J. Heinrich

Verabreichung von Staubpartikeln aus Hett-stedt (schwermetallbelasteter Industriestand-ort) in den linken und aus Zerbst (unbelasteterStandort) in den rechten Lungenflügel vongesunden freiwilligen Probanden. 24 Stundendanach zeigte sich in der bronchoalveolärenLavage des linken Lungenareals eine erhöhteBildung von Sauerstoffradikalen. Dies gilt als Marker für entzündliche Reaktionen. (p= Irrtumswahrscheinlichkeit)

Quelle: Schaumann, F. et al. 2004

Heinrich et al. 2002

a

b c

Page 45: Großes Netzwerk für kleine Teilchen AEROSOLFORSCHUNG IN ...€¦ · Nature Immunology 6/2005 (modifiziert, S.39 oben), Deutsche Gesellschaft für Allergologie und Immunologie eV.

43

zudem mit sehr viel stärkerenSymptomen als die Kontrolltiere,die mit Partikeln aus dem wenigerbelasteten Zerbst exponiert wur-den. Bei Mäusen, die vor derStaubexposition nicht sensibili-siert worden waren, fanden dieForscher zwar mehr antigenspezi-fisches Immunglobulin E, aberkeine verstärkten allergischenSymptome nach Exposition mitden Stäuben.

„Nachdem diese toxikologi-schen Versuche unsere epidemio-logischen Beobachtungen größ-tenteils bestätigt hatten, wolltenwir die Ergebnisse auch am Men-schen überprüfen“, so Heinrich. InKooperation mit Wissenschaftlernvom Fraunhoferinstitut für Toxiko-logie und Umweltmedizin in Han-nover und dem Institut fürUmweltmedizinische Forschungin Düsseldorf wurde freiwilligenProbanden eine bestimmteMenge des Schwermetall belaste-ten Staubs aus Hettstedt in denlinken Lungenflügel, und die glei-che Menge nicht belastetenStaubs aus Zerbst als Kontrolle inden rechten instilliert. Die Wissen-schaftler wählten Konzentratio-nen, wie sie an einem stark bela-steten Wintertag eingeatmet wer-

den können. Nach einem Tag wur-den mittels bronchoalveolärerLavage Lungenzellen gewonnen.Die Forscher sahen die Resultateder ersten beiden Studien bestä-tigt: Zwar war in beiden Lungen-flügeln die Anzahl der Leukozytenerhöht. Monozyten und oxidierteRadikale, Kennzeichen entzünd-licher Reaktionen, waren jedochnur im linken Flügel vermehrt ein-gewandert oder produziert wor-den, der mit Schwermetall belas-teter Partikelmasse aus Hettstedtexponiert worden war. „Wir kön-

nen zwar nicht mit Sicherheitsagen, dass die Schwermetallbelasteten Partikel Allergien aus-lösen. Dass durch sie bei beste-hender Sensibilisierung allergi-sche Symptome verstärkt werdenund das Immunsystem mit Ent-zündungen reagiert, haben wiraber gezeigt“, resümiert Heinrich.

Dicke Luft in Innenräumen

Luftgetragene Partikel belastenden Menschen aber nicht nur aufder Straße, sondern auch in deneigenen vier Wänden. Hier ist esvor allem der Tabakrauch, demKinder und Erwachsene ausge-setzt sind.

Seit langem ist bekannt, dass erAtem-, Herz-Kreislaufbeschwer-den sowie Lungenkrebs verursa-chen kann und zwar nicht nur beiRauchern, sondern auch durchPassivrauchen. Dass die im Rauchenthaltenen Partikel auch atopi-sche Ekzeme fördern, konntenkürzlich Wissenschaftler der Klini-schen Kooperationsgruppe nach-weisen. Genetisch disponierteKinder tragen durch Passivrau-chen zudem ein erhöhtes Risiko,auf Hausstaubmilben, Lebens-mittel- und Katzenallergene zureagieren. ■

GEFÄHRLICHES DUO – PARTIKEL UND ALLERGENE AEROSOLFORSCHUNG

Im Zigarettenrauch enthaltene Partikel

fördern die Ausbildungatopischer Ekzeme

bei Kindern undErwachsenen. Dieser

Nachweis gelang kürz-lich Wissenschaftlern

der Klinischen Koopera-tionsgruppe „Umwelt-

dermatologie und Aller-gologie“ der GSF.

Quelle: GSF

Joachim Heinrich, Umweltepidemiologe am GSF-Institut für Epidemiologie Quelle: M. van den Heuvel

Page 46: Großes Netzwerk für kleine Teilchen AEROSOLFORSCHUNG IN ...€¦ · Nature Immunology 6/2005 (modifiziert, S.39 oben), Deutsche Gesellschaft für Allergologie und Immunologie eV.

44

AEROSOLFORSCHUNG GENE IM VISIER DER PARTIKELFORSCHER

Obwohl alle Menschen Umwelt-aerosolen ausgesetzt sind,

sind die beobachteten relativenRisiken vergleichsweise klein. Dieswird zum Teil so interpretiert, dasskeine relevante Gefahr in den Luftgetragenen Teilchen für den Ein-zelnen zu sehen ist. Dabei wird allerdings übersehen,dass möglicherweise eine kleineBevölkerungsgruppe sehr stark

reagiert. In Studien des GSF-Insti-tuts für Epidemiologie beobachtetman immer wieder, dass einigewenige Menschen sehr viel anfäl-liger, suszeptibler, für Luftschad-stoffe sind als der große Rest derGruppe.„Wir konnten die betroffenen Per-sonen bisher noch nicht charakte-risieren, daher geht ihr erheblichgrößeres Risiko, durch Partikel zu

erkranken, im Gesamtergebnisunter“, erklärt Annette Peters vomGSF-Institut für Epidemiologie.Ihre Arbeitsgruppe versucht des-halb in einer von der EU geförder-ten Studie Gene zu identifizieren,die diese Personen möglicher-weise disponieren. Expositions-studien werden zwar schon seiteiniger Zeit durchgeführt, indivi-duelle Personendaten oder gar

Quel

le: B

. Mül

ler /

GSF

Durch kleine Unterschiede im Erbgut reagieren manche Menschen sehr viel empfindlicher auf Partikel des Umweltaerosols als der Rest der Bevölkerung. Um diesesPhänomen besser zu verstehen, nehmen Wissenschaftler verschiedener GSF-Institute undKooperationsgruppen die Gene unter die Lupe: Sie wollen veränderte Erbanlagen identifi-zieren, um so den Ursachen individueller Anfälligkeit auf die Spur zu kommen.

Gene im Visier der PartikelforscherDie persönliche Last

Page 47: Großes Netzwerk für kleine Teilchen AEROSOLFORSCHUNG IN ...€¦ · Nature Immunology 6/2005 (modifiziert, S.39 oben), Deutsche Gesellschaft für Allergologie und Immunologie eV.

Für die epidemiologische Studie AIRGENE wurden schon imersten Untersuchungsjahr von über 6000 StudienteilnehmernBlutproben genommen. Quelle: GSF-EPI

45

GENE IM VISIER DER PARTIKELFORSCHER AEROSOLFORSCHUNG

Pipettierroboter im Genomanalysezentrum der GSF erlauben einen hohen Proben-durchsatz bei der Suche nach möglichen genetischen Ursachen für individuell unter-schiedliche Empfindlichkeiten gegenüber Partikeln. Quelle: B. Müller / GSF

den Genotyp einzelner Probandenhatte man bisher aber nichtberücksichtigt.

Der kleine Unterschied

im Erbgut

Aus sechs verschiedenen Städ-ten Europas rekrutierten die Epi-demiologen 1200 Herzinfarktüber-lebende für die AIRGENE Studie.Bewusst wählten die Forscher Per-sonen aus den skandinavischenStädten Stockholm und Helsinki,in denen die Luftverschmutzungeher gering ist, aus Augsburg,einer Stadt mit mittlerer Partikel-konzentration und als KontrastPatienten aus den südlichen Städ-ten Barcelona, Rom und Athen, indenen die Luft stärker belastet ist.„Durch die unterschiedlich starkeVerschmutzung in den verschiede-nen Städten haben wir die Exposi-tionsbreite maximiert“, erklärtKoordinatorin Annette Peters.

In der noch laufenden Studiekonzentrieren sich die Forscherderzeit auf entzündliche Reaktio-

nen im Blut. Sie untersuchen beijedem Patienten nur wenige aus-gewählte Gene, die vermutlichEntzündungsprozesse regulieren.Zunächst fahnden die Wissen-schaftler nach allen bekanntenVeränderungen in diesen Genen.Die häufigsten Veränderungenanalysieren sie dann genauer. DieFrage, die sie dadurch klären wol-len, lautet: Reagieren Herzinfarkt-

Patienten mit diesen Veränderun-gen anders auf Luftpartikel alsProbanden mit den „normalen“Genvarianten? „Lösen die Schad-stoffe eine Reaktion aus, so kön-nen wir erstmals basierend aufder Häufigkeit dieser Veränderun-gen abschätzen, wie groß dieGruppe ist, die potentiell mit einersystemischen Entzündung rea-giert“, so Peters. EndgültigeErgebnisse erwartet die Arbeits-gruppe nach Abschluss der StudieEnde 2005.

Langzeitstudien sollen Sicher-

heit bringen

Umweltpartikel können denOrganismus außer über Entzün-dungsreaktionen auch durch oxi-

In Rahmen der epidemiologischen

Studie AIRGENE untersuchen GSF-

Wissenschaftler inAugsburg zusam-

men mit Kollegen aus fünf wei-teren europäischen Städten

den Einfluss der Gene auf die Wirkung von Luftpartikeln bei

Herzinfarkt-Überlebenden.

Quelle: GSF-EPI

Barcelona

AUGSBURG

Rom

Athen

Stockholm

Helsinki

Page 48: Großes Netzwerk für kleine Teilchen AEROSOLFORSCHUNG IN ...€¦ · Nature Immunology 6/2005 (modifiziert, S.39 oben), Deutsche Gesellschaft für Allergologie und Immunologie eV.

Weniger ist oft mehr: Reaktive Sauerstoffverbindungen bzw. Oxidationsprodukte

Reaktive Sauerstoffverbindungen und reak-tive oxidierte Verbindungen sind in niedri-ger Konzentration unerlässlich: Sie dienendem Informationsaustausch zwischen denZellen. Steigt ihre Anzahl jedoch, so schädi-gen sie zelluläre Makromoleküle und lassenZellen absterben. Entzündungen, Allergienund Tumoren können die Folge sein. Zuden reaktiven Verbindungen des Sauer-stoffs in Zellen und Organen gehören dasSuperoxid Anion, Hydrogen-Peroxid, unddas Hydroxylradikal. Daneben gibt es reak-tive Oxidationsprodukte wie organischePeroxide (z.B durch Lipidperoxidation).

Welche Gene sind aktivdaran beteiligt, dass Men-

schen individuell unter-schiedlich auf ultrafeinePartikel reagieren? Diese

Frage lässt sich mit denDNA-Chips vom GSF-Institut

für Experimentelle Genetikbeantworten. Bekannte

DNA-Fragmente werdenaufgetragen, die an komple-mentär markierte Fragmentein den Proben binden. Fluo-

reszenz macht anschließenddie aktiven Gene in den Pro-

ben sichtbar.

Quelle: B. Müller / GSF

46

AEROSOLFORSCHUNG GENE IM VISIER DER PARTIKELFORSCHER

dativen Stress schädigen. „In die-sem Fall stehen Entgiftungsenzy-me im Fokus“, erläutert Peters.Schon aus der Krebsforschung istbekannt, dass Personen mit weni-gen und langsam wirkenden Ent-giftungsenzymen ein höheresKrebsrisiko haben können. DieseEnzyme, die Glutathiontransfera-sen, entgiften in der Leber, indemsie Oxidationsprodukte abbauen.Partikel aus der Umwelt tragendazu bei, dass reaktive oxidierteSubstanzen entstehen. „Dass be-stimmte Menschen diese schlech-ter entgiften können als andere,kann wieder mit kleinen Unter-

schieden im Erbgut zusam-menhängen“, so Peters. Denn Ver-änderungen in der Abfolge derBausteine können Glutathion-transferasen inaktivieren oderlangsamer als die entsprechendennormalen Proteine machen. AlsFolge reichern sich im Blut dieserMenschen Oxidationsprodukte anund können dadurch länger schä-digen, allergische Reaktionen sindeine mögliche Folge. Peters dazu:„Man kann nicht einfach vomGenotyp auf den Phänotyp, dastatsächliche Verhalten des Körpersin diesem Fall, schließen. Viel-mehr geben Veränderungen in der

Erbanlage Hinweise auf mögli-cherweise gefährdete Personen.Ob diese dann in der Realität tat-sächlich stärker auf Partikel rea-gieren, muss in großen Studienmit etwa tausend Probandenerforscht werden.“

Auch Wissenschaftler der GSF-Institute für Inhalationsbiologieund für Experimentelle Genetik(IEG) nehmen den Zusammen-hang zwischen Genen und allergi-schen Reaktionen unter die Lupe:Mit den Kollegen der Koopera-tionsgruppe Umweltdermatologieund -allergologie (KKG UDA)sowie dem Zentrum Allergie undUmwelt (ZAUM) wollen sie her-ausfinden, ob inhalierte ultrafeinePartikel die Antwort eines Allergi-kers auf ein Allergen verstärken.

Entscheidend ist die

Reihenfolge

Eine gegen einen bestimmtenStoff allergisch reagierende Mauswurde daher erst dem Allergen,dann Partikeln ausgesetzt. DasResultat löste Verwunderung aus:Die allergische Reaktion trat ver-zögert auf. „Über die Mechanis-men kann man zurzeit nur speku-lieren - sie sind Gegenstand unse-rer gemeinsamen Forschung mitder KKG UDA und dem ZAUM“,so Holger Schulz, kommissari-scher Leiter des Instituts für Inha-lationsbiologie. Man weiß aller-dings, dass Teilchen auch entzün-dungshemmende Botenstoffeaktivieren. Vielleicht verzögern siedadurch zunächst die allergischeEntzündung.

Ein zweites Mal simulierten dieWissenschaftler einen Ausflug insGrüne: Ein Allergiker fährt mitdem Auto in die Natur und mussdabei einige Zeit im Stau verbrin-gen. Hier atmet er unweigerlichPartikel aus Abgasen ein. Auf demLande angekommen, spaziert erüber eine Wiese, Allergene wirkenauf seinen Körper ein. Entspre-

HO O

H

WASSERSTOFFPEROXID

H OHYDROXYL-RADIKAL

HO OPEROXID-ANION

Page 49: Großes Netzwerk für kleine Teilchen AEROSOLFORSCHUNG IN ...€¦ · Nature Immunology 6/2005 (modifiziert, S.39 oben), Deutsche Gesellschaft für Allergologie und Immunologie eV.

In der Mausklinik der GSFbeobachteten GSF-Wissen-schaftler jüngst an Mäuseneine verstärkte Reaktion aufAllergene nach Inhalationultrafeiner Partikel. Zusam-men mit dem Institut fürExperimentelle Genetik wol-len die Toxikologen nun her-ausfinden, welche Gene indiesem Szenario aktiviertwerden.

Quelle: B. Müller / GSF

47

GENE IM VISIER DER PARTIKELFORSCHER AEROSOLFORSCHUNG

chend inhalierten im VersuchMäuse erst ultrafeine Partikel undkamen dann mit dem Allergen inKontakt. In diesem Fall beobachte-ten die Forscher eine verstärkteallergische Reaktion der Tiere. Dieverantwortlichen Mechanismensind noch unbekannt. Zusammenmit dem Institut für Experimentel-le Genetik wollen die Toxikologennun herausfinden, welche Gene inden beiden Szenarien aktiviertwerden. „Erst mit diesem Wissenkönnen wir pathophysiologischeWege ableiten“, erklärt Schulz.Darauf basierend wollen die Wis-senschaftler dann wieder dieWechselwirkung zwischen Erbgutund Umwelt erforschen. Span-nend ist etwa, ob Mäuse, beidenen ein an der allergischenReaktion beteiligtes Gen inakti-viert oder überexprimiert ist, stär-ker oder schwächer auf Partikelund Allergen reagieren.

Erfolgsrezept „Vernetzte

Forschung“

„Unsere Studien sind nur mög-lich, weil verschiedene Instituteund klinische Kooperationsgrup-

pen so produktiv zusammenarbei-ten“, betont Schulz. „Erst die Al-lergie-Expertise der KKG UDA unddes ZAUM sowie das genetischeWissen des Instituts für Experi-mentelle Genetik (IEG) ermög-lichen es uns, zu untersuchen, obdie Erbanlage mancher Menschendafür verantwortlich ist, dass beiihnen eine stärkere oder schnellerauftretende Allergie im Zusam-menhang mit ultrafeinen Partikelnentsteht.“

Zusammen mit Matthias Wjstund Elisabeth Andre vom Institut

für Epidemiologie suchen die Kol-legen der Toxikologie nach neuenWegen, die die Wirkung desSchwebstaubes beeinflussenkönnten. Mit Hilfe der Gen-Chipsvon Johannes Beckers vom IEGkönnen die Wissenschaftler dannfeststellen, welche Gene daran vorallem beteiligt sind.

Gene für Lungengröße

und mehr

Dass unser Erbgut mitbestimmt,welche Augenfarbe wir haben undwie groß wir sind, ist bekannt. Es

Totale Lungen-kapazität (TLC)

in verschie-denen Maus-

Inzucht-stämmen.

Quelle: C. ReinhardIHB / modifiziert

nach AJRCCM

2500

2000

1500

1000

500

0

C3H

/HeJ

BA

LB/c

ByJ A/J

C57B

L/6J

129v

//Im

J

FVB

/nJ

SWR/

J

PWD

/Ph

JF1/

Msf

TLC

(µl)

Page 50: Großes Netzwerk für kleine Teilchen AEROSOLFORSCHUNG IN ...€¦ · Nature Immunology 6/2005 (modifiziert, S.39 oben), Deutsche Gesellschaft für Allergologie und Immunologie eV.

Kleinste Unterschiede im Erbgut lassen manche Menschen sehr viel empfindlicher aufPartikel des Umweltaerosols reagieren als den Rest der Bevölkerung. Mit Hilfe mo-dernster Ausstattung fahnden die Wissenschaftler am Genomanalysezentrum der GSFzeitsparend und effizient nach diesen genetischen Varianten. Quelle: B. Müller / GSF

48

AEROSOLFORSCHUNG GENE IM VISIER DER PARTIKELFORSCHER

Auf der Suche nach Kandi-datengenen: QuantitativeTrait Locus-Analysis (QTL) Die Quantitative Trait Locus-Analy-sis (QTL) wird verwendet, um jeneChromosomen oder Chromoso-menbereiche zu identifizieren, aufdenen sich Kandidatengene befin-den. Dazu gibt es so genanntegenetische Marker, mit deren Hilfeman nachweisen kann, von wel-chem Mausstamm ein Chromoso-menabschnitt stammt. Individuenverschiedener Stämme werden nunverpaart. Während der väterlicheStamm beispielsweise die Erbanla-ge für eine große Lunge trägt,kodieren die Gene der Mutter dieInformation für eine kleine Lunge.Sind beide involvierten Gene gleich-wertig, haben ihre Nachkommeneine mittelgroße Lunge. Wäre diegroße Lunge dominant, würde sichdiese häufiger vererben. Da es aber immer einen gewissenAustausch zwischen mütterlichenund väterlichen Chromosom gibt,vermischen sich die Erbanlagen. Eswerden also in unserem Fall dieGene, die die Information der Lun-gengröße enthalten und mit ihnendie nahe lokalisierten Marker zwi-schen väterlichem und mütterli-chem Chromosom ausgetauscht.Als Folge haben die Individuen derzweiten Generation verschiedeneLungengrößen: Einige Tiere habenkleine, andere große Lungen. Hinzukommen verschiedene mittelgroßeAusprägungen.Vergleicht man nun die Lokalisationder stammspezifischen Marker mitden Lungengrößen, findet manimmer Marker, die mit kleinen Lun-gen assoziiert sind und solche, dienur in großen Lungen vorkommen.So hat man Chromosomen undauch bestimmte Abschnitte aufihnen, die die Lungengröße verer-ben, identifiziert.

verwundert daher auch nicht, dassGene die Information enthalten,bis zu welcher Größe die Lungenverschiedener Menschen wach-sen. Forscher vom Institut fürInhalationsbiologie haben imMausmodell bereits festgestellt,dass die Lungengröße nichtstreng proportional zur Körper-größe wächst. Häufig hängt esaber gerade von der Größe desAtemorgans ab, ob jemandBeschwerden hat oder nicht. Asth-ma und eine chronisch obstruktiveBronchitis etwa treten bei Perso-nen mit einer im Verhältnis zurKörpergröße kleinen Lungeschneller und stärker auf als beijenen, die mit einem großenOrgan gesegnet sind. Entspre-chend können UmweltaerosoleMenschen mit kleiner Lunge stär-ker schädigen. Durch so genannteQTL-Analysen (Quantitative TraitLocus Analysis, s. Kasten) konntenin Zusammenarbeit mit MartinHrabé de Angelis, dem Leiter desInstituts für Experimentelle Gene-tik und seinem Mitarbeiter Helmut

Fuchs sowie Kollegen am MaxDelbrück-Zentrum in Berlin amMausmodell bereits drei Chromo-somen identifiziert werden, aufdenen sich jene Gene befinden,die mit einer solchen Lungenfunk-tion assoziiert sind. Ebenso wiedie Größe entscheiden auchandere Lungenparameter, obReaktionen durch die Luft getra-gene Partikel schneller ausgelöstwerden können. Funktioniert bei-spielsweise die mukoziliare Clea-rance, die Reinigung der Lunge,nicht effektiv genug, können sichPartikel vermehrt auf der Lun-genoberfläche ablagern und Epi-thelzellen entzünden. „Kenntman die Gene, die für eine ineffi-ziente Clearance verantwortlichsind, so könnte man Raucher mitdieser Erbanlage vielleicht nach-haltiger vom Tabakkonsum ab-bringen“, so Holger Schulz.

„Denn diese Menschen reagie-ren aufgrund ihrer Gene vermut-lich viel sensibler auf die kleinenPartikel als die restliche Bevöl-kerung.“ ■

Page 51: Großes Netzwerk für kleine Teilchen AEROSOLFORSCHUNG IN ...€¦ · Nature Immunology 6/2005 (modifiziert, S.39 oben), Deutsche Gesellschaft für Allergologie und Immunologie eV.

49

Eingeatmete Aerosolpartikelkönnen auch heilen: Gezielte

Inhalation bestimmter Wirkstoffeist eine Jahrtausende alte Tradi-tion. Das erste, für therapeutischeZwecke eingesetzte Aerosol wardie Meeresbrandung, denn die

salzhaltige Luft löst in den Bron-chien festsitzenden Schleim. Inspäteren Zeiten rauchten oder in-halierten die Menschen bestimm-te Kräuter, etwa die Blätter vomStechapfel, um die Bronchien zuerweitern. In der neueren Medizin

kamen Dampfbäder und Druckluftgetriebene Düsenvernebler mitgelösten Wirkstoffen in Mode, diejedoch in ihrer Handhabungunpraktisch waren. Mit Hilfe vonDosieraerosolen, die mit Treibgasaus einem kleinen Spraykanister

AEROSOLE IN DIAGNOSTIK UND THERAPIE AEROSOLFORSCHUNG

Wenn Aerosolpartikel bis tief in die Lunge vordringen, können sie dort nicht nur schaden, sondern auch helfen. Das machen sich Wissenschaftler am Forschungsstandort Gauting zu Nutze: Sie versuchen in Labor und Klinik Medikamente in Form kleiner, Luft getragener Teilchen in den Atemtrakt zu bringen. Da auch die Technik den Therapieerfolg bestimmt, entwickelten sie ein automatisches Inhalationssystem. Mit dessen Hilfe können Patienten dieMedikamentenpartikel kontrolliert einatmen, eine bessere therapeutische Wirkung wird erzielt. Zudem entwickelten GSF-Wissenschaftler neue Techno-logien, mit denen sie Schäden in der Lungenperipherie untersuchen können.

Aerosole in Diagnostik und TherapieKleine Helfer

Gezielte Inhalation wird sich langfristig nicht

auf die Behandlung von Lungenerkrankungen

beschränken. Auch vieleandere Medikamente, wie

etwa Insulin, könntenzukünftig auf dem Inhala-tionswege einfacher undangenehmer verabreicht

werden.

Quelle: B. Müller / GSF

Page 52: Großes Netzwerk für kleine Teilchen AEROSOLFORSCHUNG IN ...€¦ · Nature Immunology 6/2005 (modifiziert, S.39 oben), Deutsche Gesellschaft für Allergologie und Immunologie eV.

50

AEROSOLFORSCHUNG AEROSOLE IN DIAGNOSTIK UND THERAPIE

erzeugt werden, erreichen neuer-dings 20 bis 30 Prozent des einge-setzten Wirkstoffs die kleinenAtemwege und den Gasaus-tauschbereich. Da Fluorchlorkoh-lenwasserstoffe (FCKW) klima-wirksame Treibgase sind, wurdensie nach dem Anwendungsverbotin den 90er Jahren durch chlor-freie Fluorkohlenwasserstoffeabgelöst. Ein Nachteil blieb: DerSprühstoß der Dosieraerosole istso stark, dass zu viele Partikel ander Rachenwand hängen bleiben,statt bis tief in die Lunge vorzu-dringen.

Präzise Dosierung bestimmt

den Erfolg

Dieses Problems nahm sich dieKlinische Kooperationsgruppe(KKG) „Entzündliche Lungener-krankungen“ vom GSF-Institut fürInhalationsbiologie an: Die Wis-senschaftler fragten sich, unterwelchen Bedingungen medizi-

nisch wirksame Aerosole präzisedosiert werden können. „DamitAerosolteilchen in ausreichendemMaß in der Lunge ankommen,müssen verschiedene biophysika-lische Parameter stimmen“, erklärtThomas Meyer, medizinischer Lei-ter und Geschäftsführer der FirmaInamed GmbH. „Die Teilchengrö-ße und -verteilung des Aerosols,das aerodynamische Verhalten derPartikel, das Atemzugvolumen

und der Atemfluss des Patienten,aber auch der gleichmäßige, kon-trollierte Aerosolstrom aus demInhalationsgerät und die Morpho-metrie der Atemwege und Alveo-len sind Faktoren, die den Behand-lungserfolg bestimmen“. Die 1998gegründete Firma ist auf demGelände der Asklepios-Fachklini-ken in Gauting bei München ange-siedelt und arbeitet eng vernetztmit der KKG „Entzündliche Lun-generkrankungen“ zusammen.

Ob der Wirkstoff nicht schon imRachenraum abgefangen wird,entscheiden vor allem Teilchen-größe und Atemmuster. Im Ideal-fall sollten die Partikel bei Erwach-senen einen Durchmesser vonzwei bis fünf Mikrometern habenund bei Kindern 1,5 bis vier Mikro-meter groß sein, damit sie beieiner spontanen Atmung bis tief indie Lunge gelangen. „Genausowichtig ist aber auch, wie schnellund wie tief ein Mensch einat-

met“, betont Meyer. Die Wissen-schaftler fanden heraus, dassallein der Atemmodus bestimmenkann, ob zwei Prozent oder diezehn- bis 20-fachen Wirkstoffmen-gen in der Lunge ankommen:Selbst wenn die Teilchengrößemit drei Mikrometern idealgewählt und konstant gehaltenwird, werden je nach Proband zwi-schen vier und 70 Prozent der Par-tikel in der Lunge deponiert.

Atmet ein Proband schnell, lagernsich mehr Teilchen im Mund- undRachenraum ab, bei einer flachenAtmung gelangt das Aerosol nurin den anatomischen Totraum,also in die Mundhöhle und maxi-mal in den oberen Bronchialbe-reich statt in die kleinen Atemwe-ge und in die Lungenperipherie.Um eine große Menge Aerosol indie Lunge zu bringen, sind alsolangsame und tiefe Atemzüge not-wendig. Für kleinere Teilchen zwi-schen einem und drei Mikrome-tern kann eine Atempause nachder Inhalation ihre Depositionnoch etwas erhöhen.

AKITA® steuert optimales

Atemmuster

„Die richtige Atemtechnik kannman zwar erklären, die Praxis hatjedoch gezeigt, dass Patienten sieauch rasch wieder verlernen“,sagt Gerhard Scheuch, ehemali-ger Mitarbeiter des GSF-Institutsfür Inhalationsbiologie und Grün-der der Firma Inamed. „DenPatienten fehlt die tägliche Rück-meldung, ob sie gerade gut oderschlecht inhaliert haben.“ Die Fol-gen falschen Atmens sind abergeringere Mengen Wirkstoff in derLunge, eine unnötig verlängerteTherapiezeit und höhere Arznei-mittelkosten. Um die Compliance,das Maß also, mit dem therapeuti-sche Anweisungen befolgt wer-den, zu verbessern und zu verein-fachen, wurde das Inhalationssys-tem AKITA® entwickelt. DasBesondere: Mit Hilfe einer SmartCard wird das Inhalationsgerätexakt auf eine spezielle medika-mentöse Therapie eingestellt.Neben den Patientendaten wirdauf dieser Speicherkarte das fürden Patienten individuell berech-nete optimale Inhalationsmuster,also Inhalationstiefe, -geschwin-digkeit u.a. gespeichert. Das Gerätlässt nur das jeweils optimaleAtemmanöver zu. Beginnt der

Schnell oder langsam,flach oder tief - schonallein der Atemmodusentscheidet darüber,ob nur zwei Prozentoder die zehn- bis 20-fachen Mengen derWirkstoffmengen einesinhalierten Aerosol-sprays in der Lungeankommen. Wichtig istaber auch der genaueZeitpunkt währendeines Atemzuges, zudem der Wirkstoff ver-abreicht wird.

Quelle: B. Müller / GSF

Page 53: Großes Netzwerk für kleine Teilchen AEROSOLFORSCHUNG IN ...€¦ · Nature Immunology 6/2005 (modifiziert, S.39 oben), Deutsche Gesellschaft für Allergologie und Immunologie eV.

51

AEROSOLE IN DIAGNOSTIK UND THERAPIE AEROSOLFORSCHUNG

Patient am Mundstück des Verne-blers zu inhalieren, so spricht einDrucksensor an und die Steue-rungseinheit öffnet das Ventil füreinen vorgegebenen Zeitraum.Während dieser Zeit strömt dasAerosol mit konstanter Geschwin-digkeit aus dem Vernebler, undder Patient wird zu einer langsa-men, tiefen Atmung veranlasst. Ernimmt so ein für ihn eigens abge-stimmtes, genau dosiertes Aero-solvolumen mit definiertem Flussauf. Am Ende eines jeden Inhala-

tionszugs zeigt AKITA® demPatienten an, wie viele Inhala-tionszüge er noch durchführenmuss, um exakt die gewünschteWirkstoffmenge in der Lunge zudeponieren. Die Daten aller inha-lierten Atemzüge werden auf derSmart Card gespeichert. So kannder Arzt feststellen, ob sich derPatient an das verordnete Behand-lungsschema gehalten hat.Dadurch wird ausgeschlossen,dass unbefriedigende Therapie-ergebnisse auf die mangelnde

Mitarbeit des Patienten zurückzu-führen sind. Da die Arznei außer-dem mit dem Einatemstrom andie richtige Stelle in der Lungegelangt, werden Nebenwirkun-gen, die entstehen, wenn die Par-tikel im falschen Bereich desAtemtraktes abgelagert werden,minimiert. In Studien mit Muko-viszidose-Patienten gelangtenüber 83 Prozent der Wirkstoffmen-ge in die Lunge und die Wertewichen zwischen den Probandennur noch um weniger als drei Pro-

Zahlreiche Substanzennimmt der Körper besserüber den Weg der Inha-lation eines Aerosolsauf. Je nach Partikelgrö-ße können so auchmedizinische Wirkstoffeje nach therapeutischemAnsatz sehr schnell oderverzögert durch dieMembran der Lungen-bläschen ins Blut gelan-gen und von hieraus alleOrgane erreichen.

Quelle. B. Müller / GSF

Bei der Medikamenteninhalation beeinflusst die Atmungsgeschwindig-keit des Patienten die verabreichte Dosis und den Depositionsort. Die ausder GSF ausgegründete Firma Inamed entwickelte das Inhalationssystem

AKITA (Anlage zur kontrollierten Inhalation therapeutischer Aerosole), mitwelchem Atemmanöver gesteuert und standardisiert werden.

Quelle: Inamed/GSF

Zusatzluft

Druckluft

Verneb

Page 54: Großes Netzwerk für kleine Teilchen AEROSOLFORSCHUNG IN ...€¦ · Nature Immunology 6/2005 (modifiziert, S.39 oben), Deutsche Gesellschaft für Allergologie und Immunologie eV.

Mit einer Gamma-Kamera können die Wissenschaftler der KKG und die Mitarbeiter von Inamed über mehrereTage hinweg beobachten, wo sich nach der Inhalation markierte Teilchen festsetzen und wie lange sie dort ver-bleiben. Quelle: B. Müller / GSF

52

zent voneinander ab. „Dadurchkann die Behandlungsdauer ver-kürzt und die jeweilige Inhala-tionszeit zum Teil bis auf einSechstel reduziert werden“, er-klärt Scheuch. Bei teuren Medika-menten wie Antibiotika, Proteinenund Peptiden werden außerdemerhebliche Kosten eingespart undNebeneffekte verringert.

Aerosol statt Tablette oder

Spritze

Dass sich gezielte Inhalation bis-lang vor allem auf die Behandlungvon Lungenerkrankungen be-schränkt, soll sich – wenn es nachden Mitarbeitern von Inamed geht– in Zukunft ändern. ZahlreicheSubstanzen nimmt der Körper

besser über den Weg der Inhala-tion eines Aerosols auf. Je nachPartikelgröße können Wirkstoffesehr schnell oder verzögert durchdie Membran der Lungenbläschenins Blut gelangen und von hier ausalle Organe erreichen. Viele Lei-den könnten so einfacher und fürden Patienten angenehmer be-handelt werden: Diabetiker wür-den ihre regelmäßige Insulin-In-jektion durch einfache Inhalationersetzen. Vor Operationen oderlängeren Flugreisen könnte dasnotwendige gerinnungshemmen-de Heparin inhaliert statt unter dieHaut injiziert werden. Via Aerosolaufgenommene Schmerzmittelkönnten schneller wirken alsgeschluckte. Schon jetzt ist abseh-

bar, dass insbesondere Patientenmit Mukoviszidose, pulmonalerHypertonie, Alveolarproteinoseund 1-Antitrypsinmangelemphy-sem von der Inhalationstherapieprofitieren können.

Aerosole zur schmerzfreien

Diagnose

„Wir therapieren aber nicht nurmit Aerosolen, sondern nutzen sieauch zur Diagnose“, so ThomasMeyer von Inamed. Inhaliert einProband Aerosolpartikel, so kannman mit ihrer Hilfe etwa die Größevon Atemwegen und Alveolenausmessen und ein Lungenem-physem – den Abbau von Alveo-largewebe also, durch den sich diefür den Gasaustausch wichtigeinnere Oberfläche der Lunge ver-kleinert – einfach diagnostizieren.Die Forscher machen sich dafürden physikalischen Vorgang derSedimentation zu Nutze: EinMikrometer kleine Teilchen fallenim Schwerefeld der Erde proSekunde um etwa 25 Mikrometer.Da bekannt ist, dass eine gesundeAlveole beim Menschen einenDurchmesser von etwa 250 Mikro-meter hat, müssten Partikel, diesich in den Alveolen aufhalten,nach zehn Sekunden nicht mehrausgeatmet werden können, dasie sich bereits an einer Membranabgelagert haben. Aerosolphoto-metrisch kann man nun dieAnzahl von ein- und ausgeatme-ten Testpartikeln in der Größeeines Mikrometers direkt vor demMund des Probanden währendder Ein- und Ausatmung messen.Je nachdem wie viele Sekundender Proband nach der Inhalationdie Luft anhält, werden nach derAtempause verschieden viele Par-tikel wieder ausgeatmet. Aus derAbnahme der Zahl der ausgeat-meten Partikel als Funktion derAtempausendauer wird dieDimension der Lungenperipherieberechnet. Diese einfache Anwen-

α

AEROSOLFORSCHUNG AEROSOLE IN DIAGNOSTIK UND THERAPIE

Page 55: Großes Netzwerk für kleine Teilchen AEROSOLFORSCHUNG IN ...€¦ · Nature Immunology 6/2005 (modifiziert, S.39 oben), Deutsche Gesellschaft für Allergologie und Immunologie eV.

53

dung eines monodispersen iner-ten Aerosols kann zur Früherken-nung genutzt werden. Sie wurdeim GSF-Institut für Inhalationsbio-logie entwickelt und erreicht in derEmphysemdiagnostik eine derhochauflösenden Computertomo-graphie vergleichbare Empfind-lichkeit – aber ohne Strahlenbe-lastung für den Patienten.

Auch Pharmafirmen

profitieren

Mit inhalierten radioaktiv mar-kierten Aerosolen kann zudem dieBelüftung verschiedener Lungen-bereiche und die Partikelclearanceaus der Lunge gemessen werden.Inamed-Mitarbeiter betreiben hier-für zusammen mit den Asklepios-Fachklinken eine Gamma-Kamera,die dreidimensionale Aufnahmender Verteilung von radioaktiv mar-kierten Partikeln in der Lungemachen kann, die dort zuvor ineinem Inhalationsmanöver abge-schieden wurden. Heute verwen-det die Firma die Kamera auch,um zu überprüfen, ob inhalierteMedikamente in ausreichenderMenge an ihrem Ziel angekom-men sind. „Therapeutika, die inden Bronchien wirken sollen, brin-gen keinen Erfolg, wenn sie in denLungenbläschen ankommen“, er-läutert Meyer. Deshalb verfolgendie Inamed-Mitarbeiter oft übermehrere Tage mit der Gamma-Kamera, wo sich die markiertenTeilchen festsetzen und wie langesie dort verbleiben. Ihre Ergeb-nisse geben sie dann an die Her-steller von Inhalationsproduktenweiter.

Besserer Impfschutz durch

Inhalieren?

Die Klinische Kooperationsgrup-pe „Entzündliche Lungenerkran-kungen“ um Marion Frankenber-ger erforscht derzeit, ob Patientenmit einer chronisch obstruktivenLungenerkrankung (COPD) durch

inhalatives Immunisieren bessergeschützt werden können alsdurch eine herkömmliche Spritzein den Muskel. COPD-Patientenleiden häufig unter Atemwegsin-fektionen, zum Beispiel mit Strep-tococcus pneumoniae, den Verur-sacher der Lungenentzündung. Dadie Bakterien in die Lunge eingeat-met werden, ist es wichtig, dasssie dort von der lokalen Immunab-wehr sofort inaktiviert werden.

„Um diese Immunantwort optimalzu stimulieren, hatten wir die Idee,den Impfstoff inhalieren zu las-sen“, sagt Frankenberger. Tatsäch-lich fanden die Wissenschaftlerbei Probanden und bei Patienteneine gute Immunreaktion nach derInhalation.

Nun müssen die Forscher klä-ren, ob diese deutliche Antwortauch zu einem besseren Schutzführt. ■

AEROSOLE IN DIAGNOSTIK UND THERAPIE AEROSOLFORSCHUNG

Durch die Messungder Lungenfunktion mit dem Bodyplethys-mographen wird dieWirksamkeit vonMedikamenten zurTherapie von Lungen-erkrankungen über-prüft.

Quelle: B. Müller / GSF

Das enge Netzwerk und die räumliche Nähe zwischen Medi-

zinern der Asklepios-Fachkliniken, GSF-Wissenschaftlern und Mitarbeitern der

Firma Inamed in Gauting ermöglicht denproduktiven Wissensaustausch zwi-schen Labor, Klinik und Produktent-wicklung, von dem letztendlich die

Patienten profitieren.

Quelle: Asklepios

Page 56: Großes Netzwerk für kleine Teilchen AEROSOLFORSCHUNG IN ...€¦ · Nature Immunology 6/2005 (modifiziert, S.39 oben), Deutsche Gesellschaft für Allergologie und Immunologie eV.

54

AEROSOLFORSCHUNG CHANCEN UND RISIKEN DER NANOTECHNOLOGIE

Nanotechnologie - der jungen Wissenschaftsrichtung werden nahezu grenzenlose Entwicklungschancen zugeschrieben. Sie nutzt die große Reaktivität und die besonde-ren Eigenschaften winziger Partikel, um neue Produkte mit völlig neuen Eigenschaftenzu entwickeln. Dabei vernachlässigen Enthusiasten nicht selten die mögliche Schatten-seite der Nanotechnologie, die Frage nach den Risiken für Umwelt und Gesundheit.Nanotoxikologen an der GSF nehmen mit modernen, speziell auf Nanoteilchen ausge-richteten Methoden gezielte Risikoabschätzungen vor, um schon heute die Gefahrenvon morgen zu erkennen und damit zu bannen.

Chancen und Risiken der Nanotechnologie

Während ultrafeine Partikelaus der Luft vor allem auf

ihre Toxizität untersucht werden,konzentrieren sich Technologenauf den potentiellen Nutzen sol-cher Nanopartikel, die mit ganzspeziellen Eigenschaften gezieltfür Anwendungen in Wissen-schaft, Medizin, Industrie undTechnik und den normalen Kon-sum entwickelt werden. Nanopar-tikel und ultrafeine Partikel sindvon der Größe her identisch, beidehaben einen Durchmesser kleinerals 100 Nanometer. Allerdings

zeichnen sich Nanopartikel durchihren gezielten Aufbau aus, wäh-rend ultrafeine Partikel vor allemaus Verbrennungsprozessen stam-men und komplizierte Zusammen-setzungen und Strukturen aufwei-sen. Reduziert auf die Größe vonnur wenigen Atomen entwickelnMaterialien wie Kohlenstoff oderMetalloxide plötzlich bisher uner-wartet quantenphysikalische Ei-genschaften, die für neue Produkteinteressant sind: Manche Substan-zen sind chemisch besonders reak-tiv, andere haben eine verbesserte

Leitfähigkeit oder extreme Härte.Farbe und Schmelzpunkt könnensich ändern, alles Eigenschaften,die man normalerweise für eingegebenes Material als konstanterachtet. Verantwortlich dafür istvor allem die große Oberfläche derWinzlinge.

Nanopartikel - Perfekte Fähren

für Medikamente

Genutzt werden die eigenenGesetze der Nanowelt etwa in derNanomedizin: Hier versuchen For-scher die Teilchen so zu manipu-

Nanotubes im 3-D-Modell: Zwei Diamantringe halten zwei Kohlenstoff-

Nanotubes verschiedener Durchmesser (grau = Kohlenstoff, weiß = Wasserstoff,

blau = Stickstoff, rot = Sauerstoff).

Quelle: Damian G. Allis, Molecular Engineering Research Institute, Nanorex,

Inc. and Syracuse University

Schöne neue Welt?

Page 57: Großes Netzwerk für kleine Teilchen AEROSOLFORSCHUNG IN ...€¦ · Nature Immunology 6/2005 (modifiziert, S.39 oben), Deutsche Gesellschaft für Allergologie und Immunologie eV.

Titandioxid-Nanopartikel mit glatter Oberfläche werden als Antihaft-Beschichtung für Fensteroder Brillengläser verwendet. Quelle: H.R. Bramaz

55

lieren und modellieren, dass bei-spielsweise Medikamente inihrem Inneren aufgenommen wer-den und die Hülle dafür sorgt,dass das Medikament direkt zumZielorgan transportiert werdenkann. Das hätte den Vorteil, dassunerwünschte Nebeneffekte aufein Minimum reduziert werden:So verpackt kann der Wirkstoffgeringer dosiert werden, denn dieArznei käme dank dieser Fähregezielt und ausschließlich an daserkrankte Gewebe; andere Organewären nicht oder nur geringfügigbeeinflusst. Konventionelle Medi-kamente werden zu einem großenTeil bereits im Magen oder in derLeber abgebaut, bevor sie daseigentliche Zielorgan erreichthaben. Außerdem ist das Ziel,dass diese trojanischen Pferde -anders als die eigentlichen Wirk-stoffe – Barrieren wie Membranenwie zum Beispiel die Blut-Hirn-Schranke durchdringen undwegen ihrer geringen Größe dennatürlichen Reinigungszellenunseres Immunsystems, denMakrophagen, entgehen.

Im biochemischen oder moleku-larbiologischen Labor könnenheute bereits mit Hilfe ferromag-netischer Nanoteilchen, die mitentsprechenden Antikörpernbeschichtet sind, ganz bestimmte

Zellen aus dem Vollblut isoliertwerden. Des Weiteren kann DNA,gekoppelt an Nanopartikel, stabi-ler und effizienter in Zielzellen ein-gebracht, also Gentransfer durch-geführt werden.

„Jeden Tag werden neue Nano-materialien entwickelt, die kataly-tisch chemische Reaktionen akti-vieren und steuern können“, sagtWolfgang Kreyling vom GSF-Insti-tut für Inhalationsbiologie. Ambekanntesten ist der „Lotuseffekt“:Durch Imitation der Oberflächen-struktur der Lotuspflanze werdenetwa Scheiben so schmutzabwei-send, dass der nächste Regen denSchmutzfilm einfach abspült. Auchin Cremes - vor allem für den Son-nenschutz - und in Kosmetika, inDruckern, Kopierern sowie in Far-ben, Lacken und Klebern werden

Nanoteilchen verwendet. Mit 205Millionen Euro im Jahr 2003 hatDeutschland von allen EU-Mit-gliedstaaten am meisten in dieNanotechnologie investiert. Vorallem industriell verwertbare Inno-vationen werden von der Regie-rung unterstützt.

Gefürchtet und doch gesucht

In der Nanotechnologie wird diehohe Reaktivität der Partikel gezieltgesucht, andererseits kann geradedurch diese reaktive Eigenschaftauch Gewebe geschädigt werden.Mögliche Folgen sind Entzündun-gen, allergische Reaktionen, Tumo-ren sowie Störungen des Herz-Kreislauf-Systems und der Hirn-funktion. Mit besonderer Vorsichtmüssen zum Beispiel so genannteNanotubes behandelt werden,solange ihre Unbedenklichkeitnicht nachgewiesen ist. Diese Koh-lenstoffröhrchen zeichnen sichdurch besondere Festigkeit aus.Ihre spezielle Geometrie mit einer

CHANCEN UND RISIKEN DER NANOTECHNOLOGIE AEROSOLFORSCHUNG

Fähren für die Nanomedizin: Forscher versuchen, kleine Teil-chen so zu manipulieren, dass Me-dikamente in ihrem Inneren aufge-nommen und direkt zum Zielorgantransportiert werden können.Quelle: PhotoDisk Europe Ltd.

Der Lotusblume verdankt einberühmt gewordener Effekt in derNanotechnologie seinen Namen:

Durch Imitation ihrer Oberflächen-struktur werden etwa Scheiben so

schmutzabweisend, dass dernächste Regen den Schmutzfilm

einfach abspült.Quelle: W. Barthlott, Univ. Bonn

Bild siehe Druckausgabe

Page 58: Großes Netzwerk für kleine Teilchen AEROSOLFORSCHUNG IN ...€¦ · Nature Immunology 6/2005 (modifiziert, S.39 oben), Deutsche Gesellschaft für Allergologie und Immunologie eV.

56

AEROSOLFORSCHUNG CHANCEN UND RISIKEN DER NANOTECHNOLOGIE

Länge von bis zu 100 Mikrometernbei einer Dicke von nur wenigenNanometern erinnert an spitzelange Nadeln. „Aufgrund ihrerfaserförmigen Struktur sind Nano-tubes eher mit Asbestfasern als mitrundlichen Partikeln zu verglei-chen, Asbestfasern sind ähnlichlang, aber im Faserquerschnittmindestens um den Faktor zehngrößer“, erklärt Irene Brüske- Hohl-feld vom GSF-Institut für Epide-miologie. Über die Gesundheitsri-siken von inhalierten Asbestfasernwar man sich lange Zeit nichtbewusst und die Expositionenbesonders an den entsprechendenArbeitsplätzen waren enorm hoch.Nach heutigen Schätzungen stirbtin Europa einer von 150 Männern,die zwischen 1945 und 1950 gebo-ren wurden, am Pleuramesothe-liom, das durch Asbestexpositionverursacht wurde. „In Anbetrachtsolcher Spätfolgen wird deutlich,wie wichtig es ist, frühzeitig poten-

tielle Gefahren aufzudecken“, sagtBrüske-Hohlfeld.

Mit Nanotechnologie den

Risiken auf der Spur

Bislang liegen keine epidemiolo-gischen Studien über künstlichproduzierte Nanopartikel vor, weildiese noch nicht lange genug imEinsatz sind. Einzig auf Vergleichemit ultrafeinen Stäuben etwa ausAutoabgasen stützt sich bisher dieRisikobewertung. Statt herkömm-licher Methoden aus der Toxikolo-gie sollten vielmehr die Produkteder Nanotechnologie selbst getes-tet werden: Mit Hilfe von sehrschnellen, auf Nanotechnologiebasierenden Testverfahren (High-Throughput screening methods)könnten zunächst die Hoch- oderHerunterregulierung von Genen inrelevanten Zellen und Gewebenund schließlich auch die Synthesevon Proteinen und ihren Antago-nisten geprüft werden. So würde

man erste wichtige Informationenüber die Wirkung eines bestimm-ten Nanopartikels erhalten. ZumSchluss könnten überprüfendeTierstudien helfen, das Risikogenauer im gesamten Orga-nismus einschätzen zu können.Die Anzahl von Versuchstierenwäre durch die spezifischen Testsdeutlich reduziert.

„Wir müssen zuerst möglicheGefahren kennen, die mit denMaterialien verbunden sein kön-nen, bevor Nanoteilchen zum Ein-satz kommen; mit der Anwendungmüssen auch ihre möglichen Aus-wirkungen bekannt sein und zwarfür den gesamten Lebenszyklusvon der Produktion bis schließlichzu ihrer nachhaltigen Entsor-gung“, betont Kreyling. Denn dieim Labor produzierten Nanoparti-kel sind neue Produkte, diezumeist in der Umwelt nicht vor-kommen. Für sie gelten im Zwei-felsfall eigene physikalische undchemische Regeln. Werden sie indie Umwelt freigesetzt oder kön-nen Menschen sie aufnehmen,muss ihre unbedenkliche Anwen-dung geprüft werden. Dies gilt ins-besondere für solche Nanoparti-kel, die in der Nanomedizin gezieltfür den Einsatz im menschlichenKörper entwickelt werden.

Erkenntnisse aus Toxikologieund Epidemiologie mit dem Wis-sen über Nanopartikel, die imLabor künstlich produziert werden,zu verknüpfen, ist eine wichtigeAufgabe verschiedener GSF-Insti-tute. Nanotoxikologie, so derName dieser neuen Fachrichtung,ist für eine sichere und nachhaltigeNanotechnologie unverzichtbar.

Kohlenstoff-Nanoröhren auch Nanotubes genannt (engl. carbon nanotubes),bestehen aus Graphitebenen, die zu Röhren auf-gerollt sind. Der typische Durchmesser beträgtetwa 1 nm, die Länge kann bis zu einigen hundertMikrometern oder sogar Milimetern betragen.

Quelle: R. Graupner, Univ. Erlangen

Nanopartikelunter dem

Rasterelektronen-mikroskop.

Quelle: H. R. Bramaz

Bild siehe Druckausgabe

Page 59: Großes Netzwerk für kleine Teilchen AEROSOLFORSCHUNG IN ...€¦ · Nature Immunology 6/2005 (modifiziert, S.39 oben), Deutsche Gesellschaft für Allergologie und Immunologie eV.

57

CHANCEN UND RISIKEN DER NANOTECHNOLOGIE AEROSOLFORSCHUNG

Die Nanowelt hat ihre eigenen

Gesetze

Nanomaterialien stellen dasgesamte toxikologische Wissen,das bisher in Chemie, Pharmakolo-gie und Medizin erarbeitet wurde,vor neue Fragen. Bei Kohlenstoffzum Beispiel, einem gut erforsch-ten chemischen Element, dachteman lange Zeit, dass es nur in zweiElementarformen vorkommt, alsDiamant und als Graphit.

Im Graphit verbinden sich dieKohlenstoffatome zu Hexagonen,also Sechsecken, wie man sievom Maschendraht kennt. JedesKohlenstoffatom in einer Lagehat starke Verbindungen zu dreianderen Kohlenstoffatomen, aberdie aufeinander „gestapelten“Lagen werden nur durch schwa-che chemische Verbindungenzusammengehalten. Das bedeu-tet, dass sich die Lagen leichtvoneinander lösen, was Graphiteine weiche, fettige Eigenschaftverleiht, ein ideales Schmiermit-tel also. Diamant hingegenbesteht aus Kohlenstoffatomen,die mit vier weiteren Kohlenstoff-atomen in der Form von Tetrae-dern verbunden sind, eine Struk-tur, die extrem hart ist. 1985 ent-deckte eine Gruppe amerikani-scher und englischer Wissen-schaftler, dass Kohlenstoff ineiner weiteren Elementarformvorliegen kann. Wird in einerAtmosphäre aus Heliumgas Gra-phit durch Laserstrahlen ver-dampft, entstehen neue Kohlen-stoffmoleküle unterschiedlicherGröße, jedoch meist bestehendaus 60 Atomen. Diese Verbindun-gen sehen aus wie Fußbälle, 20Hexagone (entsprechend denweißen Flächen auf dem Fußball)sind mit zwölf Pentagonen (ent-sprechend den schwarzen Flä-chen) kombiniert. Eben dieseForm besitzt auch der Geodäti-sche Dom, der 1967 für die Welt-ausstellung in Montreal von

Buckminster Fuller entworfenwurde. Daher werden die neuentdeckten Kohlenstoffverbin-dungen seither Buckminsterfulle-rene, oder kürzer Fullerene bezie-hungsweise Buckyballs genannt.Buckyballs gibt es auch im inter-stellaren Staub und in geologi-schen Formationen auf der Erde.Sie existierten also schon langeim Kosmos, für die Wissenschaftaber sind sie neu.

Buckyballs sind sehr stabil undhalten hohe Temperaturen undDruckverhältnisse aus. Die Koh-lenstoffatome können mit ande-ren Atomen und Molekülen rea-gieren, ohne ihre sphärischeStruktur zu verlieren. Dadurch lie-ßen sich neue chemische Verbin-dungen kreieren. Auch könnenAtome und kleinere Moleküleinnerhalb der Buckyballs einge-schlossen und transportiert wer-den. Da Nanopartikel so klein sind,können sie in Zellen eindringen.Dies ließe sich nutzen, um dortMedikamente abzuladen oder

Krebszellen zu therapieren. Ande-rerseits haben neueste Untersu-chungen ergeben, dass Fullereneim Gehirn von heranwachsendenBarschen oxidative Stressreaktio-nen auslösen.

Eine ganz neue Form von Koh-lenstoff entdeckten kürzlich austra-lische Wissenschaftler: Sie ist auskleinsten Einheiten von Nanotubeswie ein Schaum zusammengesetztund besitzt magnetische Eigen-schaften. Daher trägt diese Formdes Kohlenstoffs den NamenNanofoam. Nanofoam könnte inder Medizin etwa für die Therapie

1967 entwarf der amerikanische Architekt

Richard Buckminster Fullerfür die Weltausstellung inMontreal seinen Geodäti-schen Dom. Fast 20 Jahre

später entdeckten Forschereine Klasse von Kohlen-

stoffmolekülen, für die sie1997 den Nobelpreis erhiel-

ten. Sie gaben ihnen inAnlehnung an die große

Ähnlichkeit zum WerkBuckminster Fullers

den Namen Fullerene oder Buckyballs.

Quelle: www.zendome.de

Bekanntester Vertreter der Fullerene oder Buckyballs ist das Kohlenstoffmolekül C60.Ähnlich prominenter Vertreter im Alltag mit frappie-rend ähnlicher Oberflächenstruktur: Der Fußball.

Quelle: Michael Mehring, Univ. Stuttgart, 2. Physikalisches Institut

Page 60: Großes Netzwerk für kleine Teilchen AEROSOLFORSCHUNG IN ...€¦ · Nature Immunology 6/2005 (modifiziert, S.39 oben), Deutsche Gesellschaft für Allergologie und Immunologie eV.

58

AEROSOLFORSCHUNG BEWERTUNG UND FOLGEN

In toxikologischen und umweltepidemiologischen Studien haben GSF-Wissenschaftler die gesundheitlichen Risiken durch Feinstäube in derUmwelt untersucht und wichtige Ergebnisse gefunden. Wie ordnen sich diese inden internationalen Wissensstand ein? Wie bewerten deutsche und internatio-nale Gremien den Kenntnisstand und was bedeuten die identifizierten Risikenfür die Bevölkerung?

Bewertung und Folgen für die BevölkerungRisiko Feinstaub

Die amerikanische Umweltbe-hörde EPA hat 2004 eine

umfassende Bewertung von Fein-stäuben vorgelegt. Darin hält siefest, dass die Exposition gegen-über Feinstaub negative gesund-heitliche Auswirkungen auf Men-schen mit Atemwegs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen hat. DieseEinschätzung beruht sowohl aufder Bewertung epidemiologischerStudien zur Kurzzeit- und zurLangzeitexposition als auch der

Bewertung toxikologischer Stu-dien sowie dosimetrischer Evi-denz. Sie entspricht überwiegendder Bewertung durch die WHOEuropa und den VDI für Deutsch-land.

Die Liste der dokumentiertenKurzzeiteffekte ist lang: Sie reichtvon erhöhten Mortalitätsraten,vermehrten Krankenhausaufnah-men und Arztbesuchen wegenHerz-Kreislauf- und Atemwegser-krankungen bis hin zu Veränderun-

gen des EKGs sowie anderer Funk-tionsparameter des Herz-Kreislauf-Systems und der Atemwege.

Im GSF-Institut für Epidemiolo-gie wurde in mehreren Studien anKindern und Erwachsenen mitAsthma untersucht, welche RollePartikel bei dieser Krankheit spie-len. An Tagen mit hoher Partikel-konzentration traten vermehrtAsthmasymptome auf, die Lun-genfunktion war leicht einge-schränkt und die Patienten benö-

Quel

le: U

FZ

Page 61: Großes Netzwerk für kleine Teilchen AEROSOLFORSCHUNG IN ...€¦ · Nature Immunology 6/2005 (modifiziert, S.39 oben), Deutsche Gesellschaft für Allergologie und Immunologie eV.

59

tigten an den Folgetagen ver-mehrt Medikamente. DieseZusammenhänge wurden vorallem bei Belastungen mit ultrafei-nen Partikeln und weniger bei fei-nen Partikeln beobachtet.

Studien zur Langzeitexpositiongegenüber Feinstaub ergebeneinen statistischen Zusammen-hang zwischen der Sterblichkeit ankardiopulmonalen Ursachen undLungenkrebs. Der daraus berech-nete Verlust an Lebenserwartungin der Bevölkerung kann dabei dieGrößenordnung eines Jahreserreichen. Epidemiologen beob-achten zudem, dass die Langzeit-exposition mit Feinstaub zu chro-nischen Atemwegserkrankungen

oder vermindertem Lungenwachs-tum führen kann. Das Fatalezudem: Möglicherweise erhöhtchronische Feinstaubexpositionauch die Empfindlichkeit gegen-über akuten Veränderungen in derFeinstaubbelastung. Der experi-mentelle Nachweis, dass die Dau-

BEWERTUNG UND FOLGEN AEROSOLFORSCHUNG

Gesundheitsrisiken auf lange Sicht Unser gegenwärtiges Wissen zumZusammenhang zwischen der Mortalität beiErwachsenen und der Langzeitbelastungdurch Feinstaub basiert auf vier amerikani-schen und einer europäischen Kohortenstu-die. Am wichtigsten ist die Studie der Ame-rican Cancer Society, in der die Risikofakto-ren und der Zeitpunkt sowie die Todesursa-che der Kohorte mit Immissionsdaten vonbis zu 156 Ballungsräumen der USA ver-knüpft wurden. Die Kohorte umfasste über500 000 erwachsene Männer und Frauen,der Beobachtungszeitraum ging von 1982bis 1998. Der Zeitpunkt und die Todesursa-che wurden durch persönliche Befragungenund die nationale Todesursachendatei derUSA ermittelt. Die persönlichen Angabender Probanden wurden zum Zeitpunkt derRekrutierung erhoben. Für alle Todesursa-chen, kardiopulmonale Todesfälle und dieSterblichkeit an Lungenkrebs, waren dierelativen Risiken für PM2.5 statistisch signi-fikant erhöht und nahmen um 6,9 und 14Prozent bezogen auf eine Veränderung von10 µg/m3 PM2.5 zu.In den USA und Kanada fanden Wissen-schaftler bei Kindern signifikante Assoziatio-nen zwischen der Exposition gegenüberFeinstaub und der Verschlechterung derLungenfunktion. In Ostdeutschland ver-zeichneten GSF-Wissenschaftler ein gehäuf-tes Auftreten von Bronchitis, Nebenhöhlen-entzündungen und häufigen Erkältungen im

Rückgang der Prävalenzkindlicher Bronchitis mit Verbesserung derLuftqualität in Sachsen-Anhalt von 19992/93 bis1998/99. Die Schweb-staubkonzentration(TSP = total suspendedmatter), die zu cirka 80%mit PM10 übereinstimmte,wurde im Mittel um 50% reduziert (von 60 auf 30 µg/m3), gefolgt voneinem Abfall der Bronchi-tisprävalenz um 30%.

Quelle: J. Heinrich

Prävalenz von Bronchitis bei Schulkindern

und Luftqualität

erinhalation von Partikeln aus derUmwelt die Entstehung von Herz-Kreislauf- oder Atemwegserkran-kungen beeinflusst oder sie sogarauslöst, steht bislang noch aus.

Ältere Erwachsene und Kindersind als empfindliche Gruppenanzusehen. Neuere Studien wei-

Zusammenhang mit Feinstaub. Auch ließsich feststellen, dass die Ab- bzw. Zunahmeder Feinstaubbelastung Einfluss auf diealtersabhängige Entwicklung der Lungen-funktion bei Kindern nimmt. Der Umzug vonKindern in eine Stadt mit niedrigerer Fein-staubkonzentration war assoziiert mit einerbeschleunigten Zunahme der Lungenfunk-tion. Umgekehrt ging der Umzug in eineStadt mit höherer Feinstaubkonzentrationmit einer verlangsamten Zunahme einher. In Sachsen-Anhalt untersuchten GSF-Epide-miologen, welche Auswirkungen die Abnah-me der Luftverschmutzung auf Atemwegs-erkrankungen und Symptome bei Schulkin-dern hat. In den Jahren 1992-1993, 1995-

1996 und 1998-1999 führten sie Quer-schnittsstudien in drei Gebieten durch, indenen eine deutliche Reduktion des Jahres-mittelwertes der Schwebstaubkonzentratio-nen (TSP) in der Zeit zwischen den Surveyseintrat. Die Wissenschaftler unter Leitungvon Joachim Heinrich beobachteten einestatistisch signifikante zeitliche Abnahmeder Prävalenz von Bronchitis, Mittelohrent-zündungen, häufigen Erkältungen und fie-berhaften Infekten. TSP, das zu ca. 80% mitPM10 identisch war, wurde im Mittel um50% reduziert (von 60 auf 30 µg/m3), gefolgtvon einem Abfall der Bronchitisprävalenz um30% und der Prävalenz häufiger Erkältungenum 20%.

Präv

alen

z vo

n Br

onch

itis

%

(1992/93)(1995/96)(1998/99)

Reduktion der Lungenfunktionin Abhängigkeit von ultrafei-nen Partikeln, feinen Partikelnund anderen klassischen Luft-schadstoffen ( wie SO2 oderSchwebstaub) bei erwachse-nen Asthmatikern in Erfurt.Die Lungenfunktion von Asth-matikern nahm deutlicher abin Abhängigkeit von den ultra-feinen Partikeln als von ande-ren Luftschadstoffen.

Quelle: A. Peters

Feine PartikelUltrafeine Partikel

Klassische Luftschadstoffe

Korrelationskoeffizient mit Anzahlkonzentration 0.01-0.1Än

deru

ng d

es P

eakf

low

(l/m

in)

Page 62: Großes Netzwerk für kleine Teilchen AEROSOLFORSCHUNG IN ...€¦ · Nature Immunology 6/2005 (modifiziert, S.39 oben), Deutsche Gesellschaft für Allergologie und Immunologie eV.

60

AEROSOLFORSCHUNG BEWERTUNG UND FOLGEN

sen darauf hin, dass es genetischvorbelastete Bevölkerungsgrup-pen geben könnte, die auf Fein-staubbelastungen stärker reagie-ren. Auch gibt es Teile in derBevölkerung, die aufgrund ihressozioökonomischen Status vonFeinstaubwirkungen stärker be-troffen sind, oder weil sie an starkbefahrenen Straßen oder in derNähe anderer Quellen wohnen.

Die epidemiologischen Studiengeben keine Hinweise auf eineSchwelle bei den Expositions-Wirkungs-Beziehungen zwischenFeinstaubexposition und Morta-lität im Konzentrationsbereich, dervon diesen Studien abgedecktwurde. Dies bedeutet allerdingsnicht, dass auf der individuellenEbene kein Schwellenwert be-steht. Wegen der großen Schwan-kung der individuellen Empfind-lichkeit zwischen Personen wärenindividuelle Schwellen epidemio-logisch kaum nachweisbar, auchwenn sie existierten. In der Praxisder Grenzwertfestsetzung gehtman derzeit von einer linearen

Expositions-Wirkungs-Beziehungaus.

Feinstaubbelastung in

Deutschland und Europa

PM10 - Feinstaub: Auf der Grund-lage der Messungen im Jahr 2001an 160 Messstationen in Deutsch-land ergeben sich für PM10 folgen-de Immissionskonzentrationen:Die Jahresmittelwerte betragenim ländlichen Bereich 10-18, beimstädtischen Hintergrund 20-30,verkehrsnah 30-45 und industrie-nah 30-40 µg/m3 PM10 (gültigerGrenzwert 40 µg/m_ PM10). DerTagesmittelwert von 50 µg/m3 PM10wurde verkehrsnah an 15 bis 100und industrienah an 50 bis 90Tagen des Jahres überschritten.

PM2.5 -Feinstaub: Bei Messun-gen an 20 deutschen Messstatio-nen für PM2.5 wurden 2001 imländlichen Bereich 10-15, beimstädtischen Hintergrund 15-20,verkehrsnah 25-30 und industrie-nah 15-25 µg/m3 PM2.5 gemes-sen. Derzeit gibt es noch keinenGrenzwert für PM2.5, auf der

Grundlage von Empfehlungen derWHO wird jedoch derzeit in derEU die Festsetzung eines Grenz-wertes vorbereitet.

Ultrafeine Partikel: Die Belas-tungssituation für ultrafeine Parti-kel (Durchmesser kleiner als 0,1 µm) ist schwer zu charakterisie-ren, da es nur wenige Messungengibt. Im Jahr 2001 wurden an denGSF-Messstationen in Erfurt undAugsburg Jahresmittel von cirka15.000 Partikel pro Kubikzentime-ter (cm3) gemessen. Darüber hin-aus gibt es an verkehrsnahen Mes-spunkten Tagesmaxima von bis zueiner Million Partikel pro cm3.

Unterschiede im Risiko nach

Größe und Chemie

In Hinblick auf die Partikelgrößezeigen die vorhandenen Studien,dass sowohl grobe als auch feineund ultrafeine Partikel Einfluss aufMortalität und Krankheitsgesche-hen nehmen. Die Datengrundlageist am überzeugendsten für feinePartikel (PM2.5). In Hinblick auf diechemische Zusammensetzung

Mittlere Jahreskonzentrationen an PM2.5 -Feinstaub in Europa (in µg/m3) von bekannten anthropogenen Quellen mit Ausnahme sekundärer organischerPartikel für das Jahr 2000 und Prognose für 2020. Die höchsten Belastungen finden sich derzeit in Regionen mit hoher Bevölkerungsdichte in Belgien, denNiederlanden und Norditalien. Auch ist der Westen von Nordrhein-Westfalen stärker betroffen. Bis 2020 wird ein erheblicher Rückgang der Belastung pro-gnostiziert. Quelle: Markus Amann, IIASA

MSC-W & CIAM / WHO Europa

Page 63: Großes Netzwerk für kleine Teilchen AEROSOLFORSCHUNG IN ...€¦ · Nature Immunology 6/2005 (modifiziert, S.39 oben), Deutsche Gesellschaft für Allergologie und Immunologie eV.

61

BEWERTUNG UND FOLGEN AEROSOLFORSCHUNG

spielen Partikel aus Verbren-nungsprozessen die größte Rolle.Für grobe Partikel (PM10-2.5) istoffen, wie groß möglicherweiseder Beitrag biogener Prozesse(Endotoxine, Schimmelpilze) amGesundheitsrisiko ist. Unwahr-scheinlich ist, dass Erdkrustenpar-tikel, die vom Wind verweht wer-den, mit negativen Gesundheitsef-fekten assoziiert sind.

Der genauere Blick auf die Stu-dienergebnisse ergibt ein nachPartikelgrößen differenziertesBild: Es gibt umfangreiche epide-miologische Hinweise dafür, dasskurzzeitige PM10 - Exposition Aus-wirkungen auf die Mortalität unddas Krankheitsgeschehen hat.Hieraus ergibt sich, dass PM10(oder eine oder mehrere der PM10- Komponenten) mit großer Wahr-scheinlichkeit einen Beitrag zuadversen Gesundheitseffektenbeim Menschen leisten. Einezunehmende Zahl von epidemio-logischen Studien zeigt Assozia-tionen zwischen kurzzeitiger PM2.5Exposition und adversen Gesund-heitseffekten, woraus sich ergibt,dass PM2.5 (oder eine oder mehre-re PM2.5 Komponenten) einenstärkeren Beitrag als PM10 zu denbeobachteten Gesundheitseffek-ten leistet.

Eine begrenzte Zahl von Studiendeutet darauf hin, dass ultrafeinePartikel zusätzlich zu feinen Parti-keln gesundheitliche Auswirkun-gen in Hinblick auf Atemwegs-erkrankungen, Herz-Kreislauf-Er-krankungen und die Sterblichkeithaben. GSF-Daten aus Erfurt zei-gen, dass feine Partikel nicht alsIndikatoren für ultrafeine Partikelverwendet werden können.

Ist die Masse des Feinstaubes

die relevante Messgröße?

Diese Frage lässt sich derzeit vorallem toxikologisch beantworten.Weder die Partikelgrößenver-teilung noch die chemische

Zusammensetzung der Partikelwerden derzeit bei der gesetz-lichen Regelung der Luftreinhal-tung berücksichtigt. Es ist abersicher nicht so, dass alle Bestand-teile der Partikel dieselbe gesund-heitliche Relevanz haben. So wirddie Gefährlichkeit inhalierter Parti-kel tatsächlich nicht durch ihreMasse, sondern durch ihre Ober-fläche bestimmt. Ferner ist es klar,dass die Partikel, die aus Verbren-nungsprozessen stammen, erheb-lich relevanter sind als Bodenpar-tikel oder Reifenabrieb. Derzeit istoffen, welche gesundheitlicheBedeutung lösliche und nichtlösli-che Anteile, flüchtige und nicht-flüchtige Komponenten, anorgani-sche und organische Verbindun-gen haben.

Feinstaub als alleiniger

Übeltäter?

Immer wieder wird die Fragegestellt, ob sich die beobachtetenGesundheitseffekte von Feinstaubvon den möglichen Auswirkungengasförmiger Luftschadstoffe ab-grenzen lassen. Obwohl die Parti-kelkonzentrationen mit den Kon-

zentrationen zahlreicher Gase kor-relieren, lässt sich zumindest fürdie Kurzzeitwirkungen eine derar-tige Abtrennung zufriedenstellenddurchführen. So konnte durch dieAuswertung epidemiologischerStudien mit „Mehrschadstoffmo-dellen“ nachgewiesen werden,dass Feinstaub bedeutsamer istals gasförmige Schadstoffe wieetwa Ozon, NO2, SO2 und CO. DieAbgrenzung der Langzeitwirkun-gen verschiedener Schadstoffevoneinander ist dagegen schwieri-ger. Im GSF-Institut für Inhala-tionsbiologie erbrachten tierexpe-rimentelle Langzeitstudien unterLeitung des damaligen Instituts-direktors Joachim Heyder mitschwelfelhaltigen Partikeln - alsSimulation für Schwefeldioxid - inumweltrelevanten Konzentratio-nen überraschende Resultate:Nach etwa sechsmonatiger Expo-sition zeigten sich erste signifikan-te Veränderungen nichtrespiratori-scher Lungenparameter. Am Endeder zehnmonatigen Expositionbeobachteten die WissenschaftlerFrühstadien eines Lungenemphy-sems. Bei gleichzeitiger Exposi-

Lungengewebe im Schnitt – Die Abgrenzung der Langzeitwirkung verschiedener Schadstoffe voneinan-der ist schwierig. Im GSF-Institut für Inhalationsbiologie erbrachten tierexperimentelle Langzeitstudienhierzu überraschende Resultate: Nach zehnmonatiger Exposition mit schwefelhaltigen Partikeln zeigensich Frühstadien eines Lungenemphysems mit vergrößerten Lungenbläschen und einer reduzierten Ober-fläche des Gasaustauschbereichs (b); nach ebenso langer Exposition mit schwefel- und zugleich säure-haltigen Partikeln bilden sich Frühstadien einer Fibrose mit verdickten Wänden am Eingang der Lungen-bläschen, es zeigt sich zudem eine erhöhte Zellteilungsrate bei den Typ II Epithelzellen (c). Im Vergleichdazu: Gesundes Lungengewebe (a) Quelle: W. Kreyling

Schwefel IV Kontrolle Schwefel IV+ H+

b a c

Page 64: Großes Netzwerk für kleine Teilchen AEROSOLFORSCHUNG IN ...€¦ · Nature Immunology 6/2005 (modifiziert, S.39 oben), Deutsche Gesellschaft für Allergologie und Immunologie eV.

62

tion mit sauren Partikeln trat die-ser Effekt nicht ein.

Welche Rolle spielt der Fein-

staub in Innenräumen?

Wie ist es möglich, dass statis-tisch signifikante Zusammenhän-ge zwischen Gesundheitseffektenund Außenluftkonzentrationengefunden werden, obwohl dieMenschen sich überwiegend inInnenräumen aufhalten? Studienzur Gesamtexposition des Men-schen ergeben, dass die Fein-staubkonzentrationen aus Außen-luft- und Innenraumquellen prak-tisch nicht korreliert sind unddaher Feinstäube aus der Außen-luft und im Innenraum als unab-hängige Schadstoffe anzusehensind, deren Auswirkungen mangetrennt betrachten kann.

Insbesondere ist es nicht mög-lich, dass Feinstäube aus Innen-raumquellen die gefundenenAssoziationen zwischen Feinstaub-konzentrationen in der Außenluftund gesundheitlichen Wirkungenvortäuschen.

Das Risiko rein rechnerisch

Um zumindest näherungsweiseAussagen über die Höhe vonGesundheitsrisiken jeglicher Artfür die Bevölkerung machen zukönnen, wurden Verfahren derquantitativen Risikoabschätzungentwickelt. Die amerikanischeUmweltbehörde EPA und die Welt-gesundheitsorganisation WHOverwenden diese Ansätze seit län-gerem. Im Weltgesundheitsbe-richt der WHO aus dem Jahre 2002wurden erstmals auch die Auswir-kungen der Feinstaubbelastungbetrachtet.

Die weltweit wichtigsten Risiko-faktoren für die Mortalität in 2002waren an erster Stelle Bluthoch-druck, gefolgt von Rauchen, ho-hen Cholesterinwerten und Unter-gewicht. Die städtische Außenluft-belastung steht auf Rang 13,berechnet auf Basis der Studie deramerikanischen Krebsgesellschaftvon Pope und Kollegen aus demJahr 2002.

Eine analoge Berechnung desGesundheitsrisikos durch Fein-

staub für die Bevölkerung inDeutschland erfolgte durch denLeiter des GSF-Instituts für Epide-miologie H.-Erich Wichmann: ImJahr 2001 lebten in Deutschlandca. 82 Millionen Menschen. Vonihnen verstarben cirka 830.000,was bei Berücksichtigung derAltersstruktur einer mittleren Lebenserwartung von etwa 78Jahren entspricht. Die derzeitigemittlere Belastung der deutschenBevölkerung durch Feinstaubbeträgt ca. 25 µg/m3 PM10 und ca.15 µg/m3 PM2.5 . Legt man die Er-gebnisse von Pope zugrunde, so steigt die Sterblichkeit pro 10 µg/m3 PM2.5 um sechs Prozentan. Unter der Annahme einer line-aren Expositions-Wirkungs-Bezie-hung durch den Ursprung würdedies bedeuten, dass etwa neunProzent der Sterblichkeit inDeutschland auf die PM2.5-Fein-staubbelastung zurückzuführensind.

Sinnvoller aber ist es, nicht vonzusätzlichen Verstorbenen zu spre-chen, sondern vielmehr die Aus-

AEROSOLFORSCHUNG BEWERTUNG UND FOLGEN

Berechneter Verlust an Lebenserwartung in Monaten für die Jahre 2000 und 2010 in Europa, der der Belastung mit Partikeln PM2,5 aus anthropogenenQuellen zugeschrieben wird. Im Jahr 2000 verkürzte sich den Berechnungen zufolge die Lebenserwartung europäischer Bürger im Mittel um neun Mona-te, für 2010 wird ein Rückgang auf cirka sechs Monate erwartet. Quelle: Markus Amann, IIASA

0124691236

0124691236

EMEP & IIASA / WHO Europa

Page 65: Großes Netzwerk für kleine Teilchen AEROSOLFORSCHUNG IN ...€¦ · Nature Immunology 6/2005 (modifiziert, S.39 oben), Deutsche Gesellschaft für Allergologie und Immunologie eV.

63

wirkungen auf die durchschnittli-che Lebenserwartung zu betrach-ten. Denn die hier zu diskutieren-den drei Todesursachen Atem-wegserkrankungen, Herzkreislauf-erkrankungen und Lungenkrebstreten zumeist erst in höheremLebensalter auf.

Der Zusammenhang zwischenerhöhter Mortalität und verkürzterLebenserwartung lässt sich durcheine lineare Beziehung annähern,solange die Veränderungen nichtdeutlich über zehn Prozent hinaus-gehen. Für die Umrechnung beiTodesursachen im höherenLebensalter gilt: Die Veränderungder Gesamtmortalität um ein Pro-zent entspricht einer Veränderungder Lebenserwartung um 0,09Jahre oder 1,1 Monate. Für dieFeinstaubbelastung in Deutsch-land ergibt sich daraus eine Ver-kürzung der Lebenserwartung umetwa 0,8 Jahre oder zehn Monate,also eine Verkürzung der Lebens-erwartung von ca. 78 Jahren umetwa ein Prozent.

Abhilfe durch Dieselrußfilter

Im Auftrag des Umweltbundes-amtes schätzte Wichmann im Jahr2003 das Potential der Emissions-minderung durch den Einsatz vonRußfiltern bei Dieselfahrzeugenab. Er ging dabei davon aus, dassDieselfahrzeuge zur Feinstaubbe-lastung in Deutschland einen Bei-trag von 3 µg/m3 PM2.5 liefern.Daraus berechnete er - ebenfallsbasierend auf der Studie vonPope, dass bei einer angenomme-nen sofortigen Ausstattung allerDieselfahrzeuge mit Rußfiltern dieLebenserwartung der deutschenBevölkerung - wieder rein rechne-risch - um cirka zwei Monateansteigen würde.

Unter Berücksichtigung vonSensitivitätsanalysen ergibt sicheine Spanne von ein bis dreiMonaten. „Natürlich liegen diesenZahlen zwangsläufig stark verein-

fachte Annahmen zugrunde, sodass sie nur als grobe Annäherungan die tatsächlichen Gegebenhei-ten verstanden werden“, ergänztWichmann.

Warum ist nun gerade den Die-selrußemissionen eine so zentraleRolle in der Feinstaubproblematikzuzuschreiben? Bekanntlich sinddie Komponenten des Feinstaubsvon höchst unterschiedlicher Toxi-zität. Vereinfacht kann man davonausgehen, dass primär die Partikel

gesundheitsrelevant sind, die ausVerbrennungsprozessen stam-men. Berücksichtigt man ferner,dass PM2.5 an straßennahenMessstationen fast doppelt sohoch ist wie im städtisch-länd-lichen Hintergrund und dass derBeitrag von Diesel-Pkw und -Lkwmehr als 90% der Rußemissionenin Deutschland ausmacht, wird dieBedeutung der Dieselfahrzeuge fürdie Frage des Gesundheitsrisikosdurch Feinstaub klar. ■

BEWERTUNG UND FOLGEN AEROSOLFORSCHUNG

Partikelfilter für Dieselmotoren reduzieren die Konzentration toxischer Partikel in der Umgebungslufterheblich. Sie können daher einen wichtigen Beitrag zur Verminderung umweltbeeinflusster Gesund-heitsstörungen leisten. Quelle: Daimler Chrysler AG

Page 66: Großes Netzwerk für kleine Teilchen AEROSOLFORSCHUNG IN ...€¦ · Nature Immunology 6/2005 (modifiziert, S.39 oben), Deutsche Gesellschaft für Allergologie und Immunologie eV.

64

AEROSOLFORSCHUNG FRAGEN AN DIE FORSCHUNG

Welche Partikelgrößen und

-eigenschaften sollten zukünf-

tig untersucht werden?

In der Aerosolforschung hat es inder letzten Dekade einen Paradig-

menwechsel gegeben. Früher warman davon ausgegangen, dass dieToxizität mit steigender Größe derPartikel zunimmt. Aktuelle For-schungsergebnisse lassen jedochden umgekehrten Schluss zu: Jekleiner ein Partikel ist, umso größerist seine Toxizität oder „Gefährlich-keit“ für die Gesundheit des Men-schen. Damit kommt den ultrafei-

nen Partikeln (kleiner als 100 nm)eine ganz besondere Bedeutungzu. Sie fanden bisher wegen ihrerextrem kleinen Größe und damitvernachlässigbaren Masse imGegensatz zu größeren Partikelnkeine Berücksichtigung. Das mitder Inhalation ultrafeiner Partikelverbundene potentielle Gesund-heitsrisiko, dem sich der Menschnicht entziehen kann, motiviert undverpflichtet die GSF als For-schungszentrum für Umwelt undGesundheit, dieser aktuellen Fra-gestellung nachzugehen. Die Wir-

kung und Charakterisierung ultra-feiner Partikel sind ein Forschungs-schwerpunkt in der GSF geworden.Weder die Partikelgrößenvertei-lung noch die chemische Zusam-mensetzung der Partikel spielenbei der gesetzlich geregelten Beur-teilung der Luftqualität eine Rolle.In Ermangelung genauerer Datenwird die unterschiedliche chemi-sche Zusammensetzung der Parti-kel und deren unterschiedlichebiologische Relevanz nicht berück-sichtigt, und ferner wird nur diePartikelmasse betrachtet. Es wird

Gegenwärtig leben fünfzig Prozent der Weltbevölkerung in urbanen Gebieten, in 25 Jahren werden es mehr als sechzig Prozent sein. In den sich rasantentwickelnden urbanen Konglomeraten wird die Bevölkerung wesentlich höher mitPartikeln belastet als auf dem Land. Diese hohe Belastung der Hälfte der Weltbevöl-kerung mit Partikeln aus der Umwelt erfordert weltweite Anstrengungen, um das mitder Belastung verbundene potentielle Gesundheitsrisiko zu reduzieren.

Fragen an die Forschung - Aerosolforschung quo vadis?

Quel

le:B

. Mül

ler /

GSF

Page 67: Großes Netzwerk für kleine Teilchen AEROSOLFORSCHUNG IN ...€¦ · Nature Immunology 6/2005 (modifiziert, S.39 oben), Deutsche Gesellschaft für Allergologie und Immunologie eV.

Aerodynamisch oder geometrisch?

Weltweit wird die Massenbelastung der boden-nahen Atmosphäre mit Partikeln (PartikelmassePM) zur Bewertung der Luftqualität herangezo-gen. Allerdings gibt es nationale Unterschiede indem Partikelgrößenbereich, der zur Massenbe-lastung beiträgt. In den Ländern der europäi-schen Gemeinschaft zählen dazu alle Partikel,deren aerodynamischer Durchmesser kleiner 10µm ist (PM10), während in den USA nur Partikelmit einem aerodynamischen Durchmesser klei-ner als 2.5 µm (PM2.5) in die Luftqualitätsbeur-teilung eingehen. Korrekterweise muss manjedoch den geometrischen und nicht den aero-dynamischen Partikelgrößenbereich betrachten,wenn es um die Beurteilung des toxischenPotentials der bodennahen Atmosphäre geht. Der aerodynamische Durchmesser beschreibtdie Transporteigenschaften von Aerosolpartikelnin einem mechanischen Kraftfeld. Er ist dahernur für Partikel im luftgetragenen Zustand vonBedeutung, beispielsweise für die Abscheidungvon Partikeln im Atemtrakt. Der Definition desaerodynamischen Durchmessers liegt das Phä-nomen zu Grunde, dass ein großes Partikel mitkleiner Dichte mit derselben Geschwindigkeit imErdfeld sinken kann wie ein kleines Partikel mitgroßer Dichte. Beide Partikel haben dann den-selben fiktiven aerodynamischen, aber unter-schiedlichen geometrischen Durchmesser.Beide Partikel können also nicht dieselbe biolo-gische Wirkung haben.

65

FRAGEN AN DIE FORSCHUNG AEROSOLFORSCHUNG

somit unterstellt, dass ein 10 µmgroßes Partikel dasselbe toxischePotential hat wie etwa 600 Milliar-den Partikel der Größe 0,01 µm.

Ein Partikel wird als eine„Entität“ betrachtet, das per seeine biologische Wirkung verur-sacht. Man spricht deshalb voneiner „physikalischen Toxizität“der Partikel. Ob diese Philosophieauch für ultrafeine Partikel gilt, istbisher nicht bewiesen und wirdkontrovers diskutiert. Es könnteaber sein, dass es auch hier zueinem Paradigmenwechsel kommt,denn es gibt viele Hinweise, dassnur ein Teil der Partikelsubstanzenbiologisch aktiv ist. Wenn esgelingt, diese Substanzen zu iden-tifizieren, kann man in Zukunft bio-logisch relevante Substanzen ausden Partikeln eliminieren oder sienicht erst in die Umwelt gelangenlassen. Diese Strategie wurdebereits erfolgreich angewandt,indem - zumindest in den Indu-strieländern -schwefelarme fossileBrennstoffe zur Energiegewin-nung genutzt werden und es damitgelungen ist, Schwefeldioxid starkzu reduzieren oder durch bleifreiesBenzin das biologisch aktive Bleiweitgehend zu eliminieren.

Masse oder Oberfläche –

was zählt?

Wenn die Gefährlichkeit inha-lierter Partikel mit abnehmenderPartikelgröße zunimmt, so wirddie biologische relevante „Parti-keldosis“ nicht durch die Größeder Partikel und damit durch ihreMasse, sondern durch die Oberflä-che der Partikel bestimmt. Mankann dann in Zukunft die Luftqua-lität in der Umwelt nicht mehroder nicht mehr allein aus derMassenkonzentration atmosphäri-scher Partikel ableiten, sondernnur oder zusätzlich aus der Ober-flächenkonzentration dieser Parti-kel. Man kann beispielsweise dieMassenkonzentration für die

Bewertung der löslichen Verbin-dungen in den Partikeln und dieOberflächenkonzentration für dieBewertung der unlöslichen Kom-ponenten benutzen. Damit könn-ten chemische und physikalischeToxizität getrennt bewertet wer-den. Allerdings gibt es bisherkeine Technologie, die Oberfläche- im Gegensatz zur Masse - vonAerosolpartikeln im Umweltaero-sol mit hoher Zeitauflösung on-line zu messen.

Für die Massenbelastung sindhauptsächlich große Partikel ver-antwortlich, die ultrafeinen Parti-kel tragen nur wenig dazu bei.Auch wenn also die neuen Grenz-werte eingehalten werden, istnicht gewährleistet, dass die Luftin Europa „sauberer“ und dasGesundheitsrisiko kleiner gewor-den ist. Deshalb ist die Frage nachdem Partikelparameter, der diebiologisch relevante „Dosis“ derim Atemtrakt abgelagerten Parti-kel beschreibt, die Frage gewor-den, der sich sowohl die biomedi-zinische als auch die technologi-sche Aerosolforschung mit höchs-ter Priorität widmen müssen.

Partikel oder Gase?

Außer den Partikeln gibt es eineVielzahl gasförmiger Luftverunrei-nigungen, die mit dem Umwelt-aerosol von jedem Menschen dau-erhaft inhaliert werden. Aber es istbisher nur sehr wenig über dieWirkung mehrerer, gleichzeitiginhalierter Luftverunreinigungenbekannt. Zwar ergeben epidemio-logische Abschätzungen, dass das

toxische Potential der partikelför-migen Luftverunreinigungen hö-her als das der gasförmigen Luft-verunreinigungen ist. Ob diesesPotential aber allein den Partikelnzuzuschreiben oder ob es durchandere Luftverunreinigungen mo-difiziert ist, ist nach wie vor nichtbekannt. Wenn es beispielsweiseeinen Synergismus zwischen derPartikelwirkung und der Wirkung

Unvorstellbar klein: Ein etwa 10 Nanometer klei-nes Goldpartikel ist zehn Millionen mal kleiner alsein Fußball. Dieser wiederum ist 100 Millionen malkleiner als die Erde. Quelle: J. Heyder

10 nm

Page 68: Großes Netzwerk für kleine Teilchen AEROSOLFORSCHUNG IN ...€¦ · Nature Immunology 6/2005 (modifiziert, S.39 oben), Deutsche Gesellschaft für Allergologie und Immunologie eV.

66

AEROSOLFORSCHUNG FRAGEN AN DIE FORSCHUNG

eines Gases gibt, kann man diePartikelwirkung erheblich reduzie-ren, wenn das Gas aus demUmweltaerosol eliminiert wird.

Von der Lunge in andere

Organe?

Es hat sich gezeigt, dass ultrafei-ne Partikel in das Lungenepithelund -endothel eindringen unddamit wohl auch in das Blut undmit ihm in andere Organe gelan-gen können. Deshalb wird gegen-wärtig spekuliert, dass durch diesePartikel auch in dem kardiovasku-lären System und dem Gehirn Par-tikel-assoziierte Reaktionen ausge-löst werden können. Dieser Aspektkann dazu führen, dass der Perso-nenkreis, der als empfindlichgegenüber dem inhalierten Um-weltaerosol gilt und damit einembesonders hohen Risiko ausge-setzt ist, vor allem um Personenmit kardiovaskulären Vorschädi-gungen erweitert werden muss.

Besonders die ultrafeinen Parti-kel bedürfen noch genauererBetrachtung: Wie genau erfolgtder Übergang von der Lunge indie Blutbahn, welche Reaktionenauf Partikel laufen im Gehirn ab,wie beeinflussen sie Leber, Nierenoder die Blutgerinnung? Beihumanen Expositionsstudien soll-ten vor allem potentiell empfind-lichere Personengruppen unter-sucht werden, wie etwa Patientenmit leichtem Asthma, chronischobstruktiver Atemwegserkran-kung, Herzkrankheiten oder Erkran-kungen der Blutgefäße.

Die Folgen auf lange Sicht

Es gibt nur sehr wenige biolo-gisch-toxikologische Studien, diesich mit der chronischen Wirkunginhalierter Partikel beschäftigenund den Versuch unternehmen, dieFragen zu beantworten, ob dieDauerinhalation von Partikeln ausder Umwelt, der jeder Menschunterliegt, einen Einfluss auf dieEntstehung von Erkrankungen derLunge und des Herz-Kreislaufsys-tems hat, oder ob sie diese Erkran-kungen sogar auslösen kann. Fürgesunde Personen hat eine kurzfris-tige Erhöhung der Konzentrationatmosphärischer Partikel wohlkeine Konsequenzen. Es ist abernicht bekannt, ob Gesunde in einerempfindlichen Lebensphase nichtlangfristig doch auf die Dauerin-halation mit der Entwicklung ent-sprechender Krankheiten reagierenkönnen. Empfindlich sind bei-spielsweise Kleinkinder, da sichihre Organe in der Entwicklung be-finden. So gibt es die epidemiolo-gische Beobachtung, dass das Auf-wachsen in Ballungsgebieten imersten Lebensjahr mit einer höhe-ren Prävalenz für Atemwegssymp-tome im Schulalter assoziiert seinkann.

Es kann aber auch Personengeben, die genetisch disponiertsind. Bei ihnen liegt ein geneti-scher Defekt in der Regulationmolekularer oder zellulärer Reak-tionsmechanismen vor. Dabeihandelt es sich um einen latentenDefekt, der erst bei Exposition mitPartikeln zur Wirkung kommt. Da

beispielsweise nur etwa 15 Pro-zent der Zigarettenraucher einechronisch-obstruktive Lungener-krankung entwickeln, ist zu ver-muten, dass bei ihnen eine un-günstige genetische Dispositionvorliegt. Es ist deshalb denkbar,dass diese genetisch disponiertenPersonen auch durch die Dauer-inhalation atmosphärischer Parti-kel „gefährdet“ sein können.

Es ist somit sehr wichtig, aufzu-klären, welche Personengruppen inder Bevölkerung wegen des Alters,einer pathologischen Vorschädi-gung oder einer genetischen Dispo-sition als Risikogruppen einzuord-nen sind. Wenn dann die entspre-chenden Dosis-Wirkungs-Bezie-hungen bekannt sind, kann manGrenzwerte sehr viel adäquaterfestlegen nach dem Prinzip, dasschwächste Glied in der Gesell-schaft ist das, das am meisten ge-fährdet ist und deshalb besondersgeschützt werden muss.

Für Europa besteht noch großerForschungsbedarf zu der Fragevon epidemiologischen Langzeit-effekten durch Feinstaub. Nebender Mortalität sollte auch derZusammenhang mit Atemwegs-und Herzkreislauferkrankungensowie deren Einfluss auf dieLebensqualität untersucht wer-den. In epidemiologischen Kurz-zeiteffektstudien gilt es, die ge-sundheitlichen Effekte von Fein-staub aus spezifischen Quellen zuuntersuchen.

Expositionsstudien im Tierexpe-riment und an Freiwilligen könn-

Grenzwert ZeitpunktStufe1

24-Stunden-Grenzwert 50µg/m3 PM10 darf max. 35mal im Jahr 1. Januar 2005überschritten werden

Jahresgrenzwert 40µg/m3 PM10 1. Januar 2005Stufe 2 *

24-Stunden-Grenzwert 50µg/m3 PM10 darf max. 7mal 1. Januar 2010im Jahr überschritten werden

Jahresgrenzwert 20µg/m3 PM10 1. Januar 2010

Grenzwerte für PM10 -Feinstaub nach der EU-Richtlinie1999/30/EG. Die EU-Feinstaubrichtlinie erlaubt 35 Überschrei-tungen von 50 µg/m3 PM10 pro Jahr als 24-Stunden-Grenz-wert. In Anbetracht der gemessenen Feinstaubimmissionenin den vergangenen Jahren wundern sich Wissenschaftlerüber die jüngste Aufregung anlässlich des frühen Über-schreitens der EU-Feinstaubrichtlinie im Frühjahr 2005: Alleinim Jahre 2001 ergaben die Aufzeichnungen an 160 deut-schen Messstationen, dass der Tagesmittelwert von 50 µg/m3 für PM10 verkehrsnah an 15 bis 100 und industrie-nah an 50 bis 90 Tagen des Jahres überschritten war. * Vorgeschlagene Grenzwerte, die im Lichte neuer Informationen und Erfahrungen zu über-

prüfen sind.

Page 69: Großes Netzwerk für kleine Teilchen AEROSOLFORSCHUNG IN ...€¦ · Nature Immunology 6/2005 (modifiziert, S.39 oben), Deutsche Gesellschaft für Allergologie und Immunologie eV.

67

FRAGEN AN DIE FORSCHUNG AEROSOLFORSCHUNG

Fullerene oder Buckyballs sind Kohlenstoffverbindungen, welche erst 1985 entdeckt wurden.Diese Nanopartikel sind sehr stabilund vertragen hohe Temperaturen,sie könnten zukünftig beispielsweiseals Medikamentenfähren dienen.Neueste tierexperimentelle Unter-suchungen weisen aber auch draufhin, dass sie im Gehirn oxidativeStressreaktionen auslösen können.(Aufnahme mit dem Scanner-Tunnel-Mikroskop)

Quelle: H.R.Bramaz

ten weitere Aufklärung in Hinblickauf funktionelle Reaktionen amHerz oder dem Atemtrakt sowieauf lokale und systemische Ent-zündungsreaktionen erbringen.Obwohl eine steigende Zahl vonStudien einen Zusammenhangzwischen Partikelexposition undHerzkreislaufeffekten sieht, lieferndiese bislang nur ein fragmentari-sches und teilweise widersprüchli-ches Bild der beteiligten komple-xen biologischen Pfade.

Herausforderung Nanotech-

nologie

In der gleichen Zeit, in der Aero-solwissenschaftler der Materialfor-schung, Toxikologie und Epide-miologie begonnen haben, die bio-logische Wirkung ultrafeiner Parti-kel zu untersuchen, hat auch diewissenschaftliche Erforschung unddie technische Anwendung nano-skalischer Materialien begonnen.Diesen neuen Materialien werdenungeahnte positive Auswirkungenauf die wissenschaftlich-technolo-gische Entwicklung der westlichenGesellschaften vorhergesagt. Dadie Entwicklung, die Herstellungund die Anwendung dieser Nano-

materialien durchaus auch zurExposition von Personen führenkann, und diese neuen Produktepotentiell ähnliche biologischeReaktionen wie ultrafeine Partikelaus Umweltaerosolen hervorrufenkönnen, erwachsen den Aerosolto-xikologen und -epidemiologenauch auf diesem Gebiet neue Auf-gaben. Aber gleichzeitig eröffnet

sich die Möglichkeit, die stürmi-sche Entwicklung in der Vielfalt derAnwendungen von Nanomateria-lien mit der Erforschung potenziel-ler Wirkungen zu verbinden und soeine Kosten sparende, sichere undnachhaltige Einführung dieserneuen Technologie zum Wohle dermodernen Gesellschaften zugewährleisten. ■

14 offene Fragen auf einen BlickZahlreiche Fragen zu den Eigenschaften, zur Wirkung sowie zum gesundheitlichen Risiko vonUmweltpartikeln sind in der Aerosolforschung noch offen oder nicht ausreichend beantwortet unddokumentieren zugleich großen Forschungsbedarf:■ Wie sieht die chemische Zusammensetzung von Umweltpartikeln im Detail aus?■ Welche Substanzen in Umweltpartikeln sind biologisch relevant?■ Gibt es neue Verbrennungstechniken mit geringerem toxischen Potential der Abgase?■ Wie sieht die Oberflächenkonzentration im Umweltaerosol aus?■ Welche Dosis-Wirkungsbeziehungen bestehen für die Wirkung von inhalierten Partikeln?■ Welche Kombinationswirkungen von Feinstäuben mit Gasen sind zu erwarten?■ Welche neuen Technologien kommen für die on-line-Messung der Partikeloberfläche in Frage?■ Welches sind die verantwortlichen Mechanismen für die Verbreitung der Partikel aus der Lunge

in andere Organe?■ Welche Wirkung haben inhalierte Partikel auf Organe außerhalb des Atemtrakts?■ Wie wirken Mediatoren, die in der Lunge durch die Partikeldeposition abgesondert werden, auf

andere Organe?■ Welche Risikogruppen sind von den Wirkungen inhalierter Partikel besonders betroffen?■ Welche chronischen Wirkungen zeigt die Inhalation von Umweltpartikeln?■ Wie sind die durch Partikel ausgelösten Reaktionen für die Gesundheit des Menschen zu

bewerten?■ Wie hoch ist insgesamt das Risiko durch Inhalation von Umweltpartikeln einzuschätzen?

Bild siehe Druckausgabe

Page 70: Großes Netzwerk für kleine Teilchen AEROSOLFORSCHUNG IN ...€¦ · Nature Immunology 6/2005 (modifiziert, S.39 oben), Deutsche Gesellschaft für Allergologie und Immunologie eV.

68

AEROSOLFORSCHUNG GLOSSAR

AerosolZweiphasensystem bestehend aus Gas- undPartikelphase.

AlveolenLungenbläschen, die am Ende des Bronchial-baums im Lungengewebe, an den → Bron-chiolen sitzen.

AnzahlkonzentrationPartikelzahl in einem definierten Luftvolumen.

BronchiolenKleine und kleinste Atemwege.

Clearance, mukoziliäreAbtransport von inhalierten Partikeln durchSchleimsekretion (mucus = Schleim) und wel-lenförmige Bewegung der → Zilien.

COPDEngl.: Chronic obstructive pulmonary disease.Sammelbegriff für die chronisch-obstruktiveBronchitis und das Lungenemphysem. Beide Krankheitsbilder sind dadurch gekenn-zeichnet, dass der Luftstrom vor allem beimAusatmen behindert ist und sich im Lauf derJahre neben der Atemnot ein Gefühl der„Überblähung“ entwickelt. Husten und über-mäßige Schleimproduktion sind weitereSymptome.

Cystische FibroseErbkrankheit, auch unter dem Namen Muko-viszidose bekannt. Typisches Merkmal ist dieBildung eines sehr zähen Schleims in derLunge.

DepositionHier: Ablagerung von Teilchen z.B. in derLunge.

DiffusionHier: Transportprozess von Stoffen zwischenflüssigen Körpern.

EmphysemAuch: Lungenemphysem, abnorm vermehrterLuftgehalt der Lunge infolge einer Überdeh-nung bzw. Blähung, die zum Zerplatzen vonLungenbläschen (Alveolen) führen kann.

EndothelEinschichtige Zellschicht, die alle Blutgefäßebis hin zu den kleinsten Aufzweigungen, denKapillaren, auskleidet.

EpithelZellverband, der innere oder äußere Körper-oberflächen bedeckt.

extrathorakalAußerhalb des Brustkorbs (= Thorax) gelegen.

FeinstaubKleine → Partikel, die tief in die Atemwegeeindringen können.

GammastrahlenspektrometrieMessung der Wellenlängen und Intensitätenim Farbspektrum mittels Gammastrahlen. Ausden charakteristischen Spektrallinien könnenRückschlüsse auf die in der durchstrahltenSubstanz (z.B. Lunge) enthaltenen Elementeoder Verbindungen gezogen werden.

GenexpressionSynthese eines spezifischen Eiweißmolekülsnach dessen genetischem Bauplan.

GranulozytenEine von drei Arten weißer Blutkörperchen.Granulozyten werden, wie auch die Monozytenim Knochenmark gebildet, während die dritteGruppe der Lymphozyten in den Organen undGeweben des lymphatischen Systems (Milz,Lymphknoten, Thymus) gebildet wird.

inertTräge, wenig reaktionsfreudig.

InhibitorStoff, der eine Reaktion verhindert, hemmtoder verzögert.

InzidenzHäufigkeit des Neuauftretens einer Krankheitinnerhalb eines bestimmten Zeitraums, bezo-gen auf die gesunde Bevölkerung.

Lungenlavage, bronchoalveolärLungenspülung mit physiologischer Kochsalz-lösung zur Gewinnung von Lungenflüssigkeitmit ihrem Eiweiß- und Zellmaterial. Die L. dientder Untersuchung des Funktionszustandes inden freien Zellen der Lunge und wird sowohl inder klinischen Praxis als auch in tierexperi-mentellen Studien angewandt. Anhand von inden Zellen aufgenommenen fluoreszent, radio-aktiv oder magnetisch markierten Teilchenkönnen auch Größe und Menge von Partikelnbestimmt werden, die sich in der Lunge abge-lagert haben.

GLOSSAR

Page 71: Großes Netzwerk für kleine Teilchen AEROSOLFORSCHUNG IN ...€¦ · Nature Immunology 6/2005 (modifiziert, S.39 oben), Deutsche Gesellschaft für Allergologie und Immunologie eV.

69

MagnetpneumographieVerfahren zur Messung des Ablaufs der → mukoziliären Clearance. Dabei werden ma-gnetisch markierte unlösliche Aerosolpartikelüber wenige Minuten inhaliert. Im Anschlusswird aus der extern ermittelten zeitlichenAbnahme der Thoraxaktivität oder des Tho-raxmagnetfeldes auf die Ausscheidung derdeponierten Teilchen geschlossen.

MakrophagenFresszellen. Makrophagen sind wichtige Ver-mittler der Immunabwehr und können Mikro-organismen und Zellbestandteile nach Auf-nahme eliminieren (sog. Phagozytose). In denkleinen Bronchien und den Lungenbläschen(Alveolen) spielen sie eine wichtige Rolle beider Elimination von Feinstaub. Sie sind abernicht in der Lage, ultrafeine Partikel zu elimi-nieren.

NanopartikelFür die Anwendung in Wissenschaft, Medizinund Technik eigens entwickelte ultrafeinePartikel mit einem Durchmesser von kleinerals 100 Nanometern (<=0,1 Mikrometer, µm)und speziellen Eigenschaften.

Partikel, Particulate Matter (PM)Teil (lat.: pars). Man teilt partikelförmige Stoffenach dem aerodynamischen Durchmesser fol-gendermaßen ein:Gesamtschwebstaub (Total Suspended Parti-culates, TSP) umfasst bei der derzeit üblichenMessung mittels Beta-Absorption Partikel miteinem Durchmesser <15 µm. (Bei älteren gra-vimetrischen Messungen reichte der Partikel-durchmesser bis 35 µm).Der inhalierbare Schwebstaub umfasst Parti-kel <10 µm (PM10). Im deutschen Sprachraumspricht man auch vom PM10-Feinstaub.

Der lungengängige Feinstaub umfasst Partikel<2.5 µm (PM2.5). Im deutschen Sprachraumspricht man auch von PM2.5-Feinstaub.Im englischen Sprachraum hingegen unter-scheidet man zwischen fine particulates(PM2.5) und coarse particulates (PM10-PM2.5)Die ultrafeinen Partikel umfassen Partikel <0,1µm (UP). Sie können nicht nur tief in die Atem-wege eindringen sondern auch in die Blut-bahn übertreten.

PhotometrieMessung von optischen Strahlungsflüssen(Lichtintensitäten) mittels Photometern. Man unterscheidet in der Analysentechnikzwischen der Messung der Absorption, derStreuung (Streulicht) und der Fluoreszenz.

PrävalenzZahl erkrankter Personen im Verhältnis zurGesamtbevölkerung.

ProteaseBiokatalysator bzw. Enzym, das andere Protei-ne zerschneiden kann. Proteasen dienen ent-weder dem Abbau oder der Aktivierung vonProteinen.

RetentionHier: Rückhalt von Teilchen in der Lunge nachihrer Ablagerung.

RezeptorenCharakteristische Oberflächenstrukturen aufbestimmten Zellen des Immunsystems (z.B. → T-Helfer-Zellen → oder Makrophagen), an

welche u.a. Proteine passgenau andockenkönnen.

SchwebstaubSämtliche festen und flüssigen Teilchen in derAußenluft, die nicht sofort zu Boden sinken,sondern eine bestimmte Zeit in der Atmosphä-re verbleiben. → Partikel.

T - HelferzellenEine von zwei Arten der T-Effektor-Zellen, wel-che B-Zellen und Makrophagen aktivierenkönnen. Sie entwickeln sich nach Kontakt mitFremdkörpern aus T-Lymphozyten. T-Helfer-zellen können verschiedene Immunreaktionenauslösen bzw. verstärken.

ThoraxBrustkorb

ThromboseVerschluss eines Blutgefäßes durch ein Blut-gerinnsel.

ThrombozytenBlutplättchen; dünne, farblose Scheibchen miteinem Durchmesser von cirka drei Mikrome-tern (µm). Sie entstehen im Knochenmark undunterstützen die Blutgerinnung.

Tumor-Nekrose-Faktor (TNF)Entzündungsförderndes → Zytokin

Ultrafeine Partikel→ Partikel

ZilienKleine Härchen auf der Oberfläche der großenBronchien, die sich kontinuierlich RichtungNasen-Rachenraum bewegen und dadurchSchleim nach oben transportieren. Sie dienendienen u.a. der Elimination von (größeren)Partikeln.

ZytokineEiweißmoleküle, die u.a. von Immunzellengebildet werden. Sie funktionieren als Boten-stoffe und steuern die Abwehr von Krankheits-erregern. Sie wirken als Wachstumsfaktoren,aktivieren oder deaktivieren Zellen und dienenals Schutz vor Gewebeschädigungen.

BEI DER GSF KÖNNEN SIE ERHALTENAus der Reihe mensch+umwelt:

● Nahrungsmittel zwischen Natur und Retorte

(Heft 14/2000)

● Asthma und Allergien – Wenn die Luft zum Atmen fehlt

(Heft 15/2002)

● Was verraten unsere Gene?

(Heft 16/2003)

● Grüne Gentechnik in Forschung und Anwendung

(Heft 17/2004/5)

Informationsmaterial über das GSF – Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit:● Faltprospekt GSF in Kürze (deutsch und englisch)● GSF-Jahresbericht (deutsch/englisch)● Das Genomanalysezentrum im GSF – Forschungszentrum

Anforderung per Postkarte an:GSF - Forschungszentrum für Umwelt und GesundheitÖffentlichkeitsarbeitIngolstädter Landstraße 185764 NeuherbergE-Mail: [email protected]

GLOSSAR AEROSOLFORSCHUNG

Page 72: Großes Netzwerk für kleine Teilchen AEROSOLFORSCHUNG IN ...€¦ · Nature Immunology 6/2005 (modifiziert, S.39 oben), Deutsche Gesellschaft für Allergologie und Immunologie eV.

■ In Neuherberg, im Norden Münchens, befindet sich auf einem 50 ha großen Gelände der Hauptsitz des GSF –

Forschungszentrums für Umwelt und Gesundheit in der Helmholtz-Gemeinschaft. Zudem unterhält die GSF das

Forschungsbergwerk Asse in Remlingen bei Wolfenbüttel sowie Institute in der Stadt München.

■ Das Forschungs- und Entwicklungsprogramm des GSF – Forschungszentrums für Umwelt und Gesundheit

dient der Lösung öffentlicher Aufgaben im Bereich der Umwelt- und Gesundheitsforschung. Die Arbeiten kon-

zentrieren sich auf den Schutz des Menschen und seiner Umwelt vor schädigenden Einflüssen von Strahlung

und Chemikalien sowie auf die Nutzbarmachung von naturwissenschaftlich-technischen Erkenntnissen für die

Verbesserung der Gesundheit des Menschen in seiner Umwelt.

■ Gesellschafter der GSF sind die Bundesrepublik Deutschland zu 90 Prozent und der Freistaat Bayern zu zehn

Prozent. Das Gesamtbudget beträgt rund 164 Millionen Euro. Die Zahl der Beschäftigten liegt bei rund 1650 Mit-

arbeiterinnen und Mitarbeitern. Als Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren e.V.,

der größten öffentlichen Forschungsorganisation Deutschlands, bringt die GSF ihre Arbeiten in die Programme

der Forschungsbereiche „Gesundheit“ sowie „Erde und Umwelt“ ein.

■ Die Arbeiten des GSF – Forschungszentrums für Umwelt und Gesundheit sind am Bedarf von Wissenschaft,

Gesellschaft und Wirtschaft orientiert und dienen dem Schutz des Menschen und seines Lebensraumes. Vorran-

gig werden Fragestellungen bearbeitet, die einer langfristigen und disziplinenübergreifenden Bearbeitung bedür-

fen. Einmalig ist hier die multidisziplinäre Verknüpfung von Umwelt- und Gesundheitsforschung sowie die ein-

heitliche Betrachtungsweise der Belastung von Mensch und Umwelt. Die effiziente Vernetzung dieser fächer-

übergreifenden Forschung in der GSF, in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren und in

nationalen und internationalen Kooperationen schafft hohes Wissenspotenzial für effizientes Risikomanagement

und die Beratung gesellschaftlicher und politischer Entscheidungsträger.

■ In der GSF werden die grundlegenden Schutzmechanismen erforscht, die Mensch und Umwelt gesund erhal-

ten. Die GSF ist auf den Gebieten der Biomedizin und der Umweltforschung in der einzigartigen Position, diesen

übergreifenden Ansatz in den Mittelpunkt ihrer Forschungskonzeption zu stellen. Wichtige Schwerpunkte der

Gesundheitsforschung sind die genetischen und immunologischen Grundlagen von Schutz- und Abwehrfunk-

tionen sowie ihrer Dysfunktion bei der Krankheitsentstehung sowie die Identifizierung neuer Faktoren, die zu

Krankheit oder Gesundheit beitragen. Damit schlagen die Arbeiten der GSF den Bogen von der Erforschung

grundlegender Mechanismen zellulärer Funktion und Entwicklung bis hin zur Anwendung innovativer Therapie-

ansätze in klinischen Studien.

Forschung zum Schutz des Menschen und seiner Umwelt

www.gsf.de


Recommended