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GrüneRegeln - Süddeutsche.de · von alexander mühlauer W...

Date post: 17-Jul-2020
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von alexander mühlauer W enn es um die Zukunft geht, spre- chen Manager und Politiker ger- ne von „Nachhaltigkeit“. Das klingt nicht nur gut, es sagt sich auch be- sonders leicht, weil niemand etwas gegen Nachhaltigkeit haben kann. Nachhaltig produzieren, nachhaltig investieren, nach- haltig leben wollen irgendwie alle. Doch wie das genau gelingen soll, wie man also diesen Zustand der Nachhaltigkeit errei- chen kann, darüber gehen die Meinungen stark auseinander. In Brüssel hat die Euro- päische Kommission versucht, all die Wor- te in eine konkrete Zahl zu fassen. Das Er- gebnis ist einigermaßen ernüchternd: Wenn die EU die Pariser Klimaziele errei- chen will, müssen 180 Milliarden Euro zu- sätzlich nachhaltig investiert werden – und zwar pro Jahr. Ohne privates Kapital wird das nicht möglich sein. Der zuständige Vizepräsi- dent der Kommission, Valdis Dombrov- skis, hat sich deshalb einen Umbau des Finanzsektors vorgenommen, um grüne Investitionen gezielt zu fördern. Es geht um neue Regeln für Banken, Vermögens- verwalter und Pensionskassen, strengere Transparenzpflichten sowie neue Befug- nisse für Aufsichtsbehörden. Dombrov- skis stützt sich bei seinen Reformvor- haben auf die Vorschläge einer „Hochrangi- gen Expertengruppe“,die von der Kommis- sion den Auftrag erhalten hat, einen Plan für mehr Nachhaltigkeit im Finanzsektor zu erarbeiten. Die Gruppe sollte aufzeigen, wie mehr Kapital in nachhaltige Investitio- nen gelenkt werden kann, und darlegen, wie das Finanzsystem besser vor Risiken geschützt werden kann, die sich etwa aus den Folgen des Klimawandels ergeben. Nachdem Dombrovskis seine Vorschläge im Frühjahr präsentierte, hat die Debatte über grüne Investitionen an Fahrt aufge- nommen. Allen voran das Europäische Par- lament dringt schon seit Längerem auf die Förderung nachhaltiger Geldanlage (siehe Interview mit dem Grünen-Europaabgeord- neten Sven Giegold auf dieser Seite). Aus Sicht der EU-Kommission geht es vor al- lem um neue Vorschriften für Finanzbera- ter sowie Erleichterungen bei den generel- len Kapitalvorschriften für grüne Finanz- produkte. Doch am Anfang muss natürlich eine Frage geklärt werden: Was ist über- haupt grün? Geht es nach der EU-Kommis- sion, sollen nachhaltige Investments klassi- fiziert werden, sodass Anbieter entspre- chende Geldanlageprodukte zusammen- stellen können. Zudem könnte ein Finanz- Ökolabel entwickelt werden, das auf dem bestehenden EU-Ökolabel aufbaut. So sol- len Kunden leicht erkennen können, ob sie mit einem bestimmten Produkt grün inves- tieren – oder eben nicht. Vermögensverwal- ter und institutionelle Anleger sollen au- ßerdem verpflichtet werden, „nachhaltige Erwägungen“ in ihre Beratung und Analy- sen mit einzubeziehen. Die Branche hält von diesem Vorstoß nicht gerade viel; schließlich führt das in den Augen der Be- troffenen nur zu einem zusätzlichen büro- kratischen Aufwand. Weitaus stärker umstritten ist aller- dings der Vorschlag, eine Art Spezialregel zugunsten grüner Investments einzufüh- ren. Demnach könnten Anbieter solcher Fi- nanzprodukte mit geringeren Kapitalan- forderungen rechnen. Die EU-Kommissi- on verweist auf ähnliche Vorschriften, von denen schon kleine und mittlere Unterneh- men profitieren. Dombrovskis verwahrt sich gegen den Eindruck, dass die Behörde mit dem Vorwand der Nachhaltigkeit plötz- lich laxere Kapitalvorschriften durchset- zen wolle. Nein, sagt der Kommissionsvize, wenn er darauf angesprochen wird, er wol- le auf gar keinen Fall die Stabilität des Welt- finanzsystems gefährden. Doch so sehr Dombrovskis auch be- müht ist, entsprechende Einwände zu ent- kräften, so stark hält sich die Kritik an sei- nen Überlegungen. Die deutsche Finanz- aufsicht Bafin sieht die Idee niedrigerer Ka- pitalanforderungen für grüne Finanzpro- dukte durchaus kritisch. Auch der Europa- abgeordnete Markus Ferber (CSU) warnte von Beginn an vor einem „gefährlichen Pa- radigmenwechsel“. Wenn bei Finanzauf- sicht, Bankenregulierung und Verbrau- cherschutz künftig nicht mehr allein das Ri- siko des Geschäftsmodells im Fokus stehe, sondern sich alles an der Förderung der Nachhaltigkeit orientiere, sei die Gefahr ei- ner „nächsten Blase“ groß. Eine Art „Vor- zugsregime“ für grüne Finanzprodukte bahne den Weg in die nächste Krise, kriti- siert Ferber. Nicht nur der EU-Parlamentarier wirft damit eine Grundsatzfrage auf: Sollte in der Banken- und Finanzmarktregulierung einzig und allein das Risiko als Kriterium gelten – oder kann die gute Absicht, das Kli- ma zu retten, etwas daran ändern? In der Kommission wird darauf hinter vorgehalte- ner Hand ausweichend geantwortet. Dabei gibt es bereits eine EU-Institution, die schon seit einiger Zeit ihre Erfahrungen mit „green bonds“ gemacht hat: die Euro- päische Investitionsbank (EIB) in Luxem- burg. Ihr Präsident Werner Hoyer stieß am Anfang auf die üblichen Widerstände. Als er zum ersten Mal mit Vertretern von Pensi- onskassen darüber sprach, erntete er un- gläubige Blicke. Doch das hat sich geän- dert. 2007 emittierte die EIB den ersten Climate Awareness Bond. Die Bank der EU- Staaten ist nun der größte multilaterale Geldgeber für den Klimaschutz. In einem Jahr vergab sie 19 Milliarden Euro für Kli- mavorhaben auf der ganzen Welt. Hoyers Bekenntnis ist klar: Die EIB wolle auch wei- terhin private Investoren gewinnen und Projekte finanzieren, „die dazu beitragen, die UN-Ziele für eine nachhaltige Entwick- lung zu verwirklichen sowie die Klimaver- einbarung von Paris umzusetzen“. Sven Giegold sitzt für die Grünen im Euro- paparlament. Im Interview erklärt er, warum er die Vorschläge der Expertenkom- mission zur nachhaltigen Finanzierung un- terstützt. Die EU-Kommission hat dazu ein Gesetz eingebracht. SZ: Herr Giegold, wie finden Sie die Vor- schläge der Expertenkommission? Sven Giegold: Das Ziel ist absolut richtig, vor allem, dass alle Unternehmen ab einer bestimmten Größe ihr Portfolio auf ökolo- gische Risiken überprüfen müssen. Es be- steht eine große Gefahr, dass es zu einer disruptiven Umschichtung kommt. In dem Moment, wo die Weltgemeinschaft be- schließt, ernsthaften Klimaschutz zu be- treiben, kann das eine neue Finanzkrise auslösen. Was könnte einen solchen disruptiven Mo- ment auslösen? Wir wissen nicht, wann die öffentliche Wahrnehmung der Klimakatastrophe kippt. Aber wir sehen, wie Politik leider meist funktioniert. Alle reden von Klima- schutz, aber wenn es darum geht, Braun- kohlekraftwerke abzuschalten, werden doch lieber wieder Bäume abgeholzt. So ähnlich ist es in vielen Staaten. Wenn die Folgen des Klimawandels so spürbar wer- den, dass ein Fukushima-Moment ent- steht, reagiert Politik in der Regel stärker. Und dann werden die wirtschaftlichen Risi- ken schlagend. Was sind solche Risiken genau? Industrieunternehmen, die an Rohstoffen oder Technologien hängen, die auf fossilen Energien beruhen, werden früher oder spä- ter einen Schock erleben, wenn sie sich nicht an die Spitze der Bewegung stellen und aus den fossilen Energiequellen aus- steigen. Das trifft auch diejenigen, die in solche Unternehmen investieren. Versiche- rungen und Pensionsfonds können dann etwa die Forderungen ihrer Anleger nicht erfüllen. Das ist ein potenzielles Systemri- siko. Umgekehrt haben jene enorme Ge- winnchancen, die frühzeitig in Zukunfts- energien investieren. Das müssen alle Unternehmen jetzt schon in ihre Strategie einbeziehen. Viele machen das bereits. Aber die, die es nicht machen, sind eine Ge- fahr für uns alle. Übertreiben Sie da nicht etwas? Die Risiken des Klimawandels kann nie- mand mehr leugnen. Es ist auch eine Frage des Anlegerschutzes. Wenn jemand Geld anlegt, sollte er gefragt werden, ob er auf Nachhaltigkeit Wert legt: auf ökologische Grundsätze, aber auch auf soziale und sol- che der guten Unternehmensführung. Es gehört zu den Pflichten eines Portfolioma- nagers, das zu überprüfen. Das war auch ei- ne wichtige Forderung der Expertengrup- pe, die sich in den Gesetzesvorschlägen der EU-Kommission wiederfindet. Anle- ger sollen entscheiden können, was ihr Geld in der Welt macht. Und die Portfolio- manager müssen das berücksichtigen. Da- bei wird ein grünes Finanzmarktlabel hel- fen. Es wird Investitionen in Nachhaltig- keit und soziale Verantwortung sichtbar machen und damit stärken. Ist es Ihr Ziel, dass jede Investition auf die- se Kriterien hinterfragt wird? Grüne Finanzmärkte können grüne Politik nicht ersetzen. Finanzmärkte können nur finanzieren, was sich rechnet. Wenn Ver- braucher weiter billiges Fleisch haben wol- len, können sie von den Finanzmärkten nicht erwarten, dass sie keine Investitio- nen in Massentierhaltung mehr finanzie- ren. Es ist eine Aufgabe der Verbraucher und der Politik, dafür zu sorgen, dass die Massentierhaltungsställe nicht mehr mög- lich oder rentabel sind. Das Finanzsystem kann Wandel unterstützen, aber nicht die Aktivitäten von Verbrauchern, Unterneh- mern und Politikern ersetzen. Am Ende müssen die Vorgaben immer von der Poli- tik gemacht werden. Was bringt das grüne Finanzmarktlabel? Wir hoffen, dass es so erfolgreich wird wie das Biosiegel. Früher gab es viele einzelne Siegel wie Bioland, Demeter und andere. Erst mit der Vereinheitlichung auf das EU- Biosiegel haben Bioprodukte ihren Sieges- zug angetreten. In Sachen Nachhaltigkeit ist das auch nicht neu, manche Unterneh- men haben Pionierarbeit geleistet. Man muss jetzt nur die stärksten Ideen verbin- den und zu einem europaweiten Siegel ver- dichten. Es kam immer wieder zu Fällen, in denen gut gemeinte Vorhaben Anleger geschä- digt haben. Der Solarboom hat zu Pleiten geführt. Es gab auch betrügerische Dinge wie bei der Windkraftfirma Prokon. Lässt sich so etwas mit den Vorschlägen der EU- Kommission künftig eher verhindern? Ökologische Unternehmen können genau- so schlecht geführt und betrügerisch sein wie andere. Das sind ja nicht alle gute Men- schen. Umgekehrt haben mit Solarenergie auch viele Anleger gutes Geld verdient, be- sonders auch mit dem Betrieb der Anla- gen. Dass Hersteller in Deutschland aus- konkurriert wurden, ist Teil der Marktwirt- schaft und zudem von der Bundesregie- rung unnötig beschleunigt worden. Wir wollen aber auch die Kraft des Wettbe- werbs, um die besten ökologischen Lösun- gen zu suchen. Man kann niemandem ver- sprechen, dass es, wenn es um soziale und ökologische Investitionen geht, nur noch ein Federbett voller Rendite gibt. Das ist weder gewollt noch ehrlich. Betrügereien wird es immer geben, dagegen muss man im Ökobereich natürlich genauso vorge- hen wie woanders auch. Bei Prokon haben in der ökologischen Finanzszene vorher viele gewarnt. Da muss man sich fragen, ob es nicht ein massives Aufsichtsversa- gen war, dass dieser Akteur am Markt blei- ben konnte. Auf Hauptversammlungen werden die Un- ternehmen oft kritisiert, weil sie Waffen- geschäfte finanzieren oder Menschen- rechte verletzen. Gibt es da eine Verbin- dung zu den Vorschlägen der EU-Kommis- sion? Ja, es geht nicht nur darum, dass Geld kli- mafreundlich ist, sondern genauso Men- schenrechte achtet und keine korrupten Regimes fördert. Das ist für Unternehmen ein großes Reputationsrisiko. Es ist klug, dies einzubeziehen. Viele Portfoliomana- ger machen das auch schon. Sie werden vorsichtiger bei Unternehmen, gegen die protestiert wird, weil das irgendwann das Geschäftsmodell zerstören kann. Was konkret? Es gibt im internationalen Handel immer noch Unternehmen, die Arbeitnehmer skla- venartig beschäftigen und damit Produkte herstellen. Das sind Grundrechtsverletzun- gen. Natürlich muss es Ziel der Politik sein, dass das irgendwann beendet wird. Aber es ist auch die Aufgabe von einzelnen Ver- brauchern, Unternehmern und Investo- ren, Grundrechtsverletzungen über die ge- samte Lieferkette auszuschließen. Was können die Vorschläge im besten Fall bewirken? Mehr Unternehmen werden aus den fossi- len Energien und sozial unverantwortli- chen Geschäftsfeldern aussteigen. Sie wer- den das jetzt tun und nicht warten, bis die Politik reagiert. Es wird leichter werden, Fi- nanzierungen für nachhaltige Investitio- nen zu finden. Und ich glaube, dass Bürge- rinnen und Bürger auch ruhiger schlafen können, weil sie wissen, dass ihre Rente nicht in Gefahr ist, wenn sich der Klima- wandel noch weiter beschleunigt. interview: harald freiberger „Umfassend“,„ambitioniert“, „detailliert“: Die Reaktionen auf den Bericht der High- Level Expert Group on Sustainable Finan- ce (HLEG) waren Beleg dafür, dass die Ar- beitsgruppe um den früheren Axa-Mana- ger des Bereichs Nachhaltigkeit, Christian Thimann, die Erwartungen und Hoffnun- gen erfüllte. Experten aus der Finanzindus- trie, von Umweltorganisationen und aus Unternehmen fanden weitgehend lobende Worte für den 100-seitigen Bericht, der zum Anfang des Jahres vorgestellt wurde und eines zum Ziel hat: Den Weg zu ebnen zu einer konsequenten Umstrukturierung des Finanzsektors der Europäischen Uni- on zum Wohle der Umwelt und des gesell- schaftlichen Zusammenlebens in der Welt. Als Fixpunkt dient mittelfristig das Pariser Klimaabkommen und dessen erklärtes Ziel, die Erderwärmung auf höchstens zwei Grad Celsius im Vergleich zum vorin- dustriellen Niveau zu begrenzen, besser noch auf 1,5 Grad. Nach einem Zwischenbericht im vergan- genen Jahr hatte es noch Kritik gehagelt für Thimann und seine Mannschaft: zu pra- xisfern und thematisch zu eng gesteckt. Die Experten nahmen die Kritik auf, führ- ten eine umfangreiche Befragung durch und ergänzten ihren Aktionsplan um zahl- reiche Aspekte. Entsprechend positiv äu- ßerten sich die Kritiker. Der Verein zur För- derung von Ethik und Nachhaltigkeit bei der Geldanlage, CRIC, „begrüßt den Ab- schlussbericht der Expertengruppe aus- drücklich. Im Vergleich zum Zwischenbe- richt sind deutliche Verbesserungen festzu- stellen.“ Der Rat für Nachhaltige Entwick- lung (RNE) bewertet den Bericht als „sehr gut, weil er deutliche Orientierung für die Zukunft der Finanzmärkte aufzeigt. Und er zeigt praxisorientiert, dass nachhaltige Finanzmärkte möglich sind.“ Im Kern geht es um eine nachhaltige Fi- nanzwirtschaft, die in all ihren Geschäfts- modellen Kriterien berücksichtigt, die bis- lang vernachlässigt werden. Laut dem Be- richt der Expertengruppe sind das in ers- ter Linie klimarelevante Kriterien, die da- für sorgen sollen, dass Investitionen und Firmen unterstützt werden, die dabei hel- fen, die CO2-Emissionen zu reduzieren. Das betrifft die Kreditvergabe von Banken genauso wie die Ausgabe von Unterneh- mensanleihen oder die Risikobewertun- gen durch Ratingagenturen. Dazu gehören auch Infrastrukturprojekte, die eine nach- haltige Industrie, Produktion oder Dienst- leistung ermöglichen. Statt eines kurzfris- tigen Strebens nach maximalen Profiten sollen langfristige Vorteile für Mensch und Natur maßgebend sein, wenn über Wohl und Weh von Investitionen in der Branche entschieden wird. Die Idee dahinter ist, die notorische Un- geduld der Finanzmärkte beim Geldverdie- nen zu regulieren. Stattdessen soll eine At- mosphäre geschaffen werden, in der ein Be- wusstsein vorherrscht, dass sich langfristi- ge Investitionen, die auf Nachhaltigkeit Wert legen, ebenso auszahlen. Nur später eben. Und dass sie darüber hinaus neben dem Umweltschutz auch das allgemeine Wohlbefinden des Einzelnen und der Ge- sellschaften in Europa, aber auch in ande- ren Teilen der Welt verbessern. Ausführlich stellt die Expertengruppe Werkzeuge vor, mit der die Umsetzung ge- lingen soll. Eine sogenannte Taxonomie oder Klassifizierung seitens der EU gibt der Finanzindustrie künftig einen Hand- lungsrahmen, mit dessen Hilfe alle Akteu- re zweifelsfrei feststellen sollen, wie „grün“ eine Investition wirklich ist. Eine In- vestition in erneuerbare Energien würde dann etwa das entsprechende Zertifikat grün erhalten, während Investitionen in die Luftfahrt eine geringere Wahrschein- lichkeit haben werden, dieses grüne Label zu bekommen. Der Idee nach wird so auch für die richtige Anreizwirkung für Investo- ren gesorgt. Allerdings ist die Konkretisie- rung der Taxonomie noch nicht ausgear- beitet durch die EU-Kommission. Wer sich mit dem Papier befasst, stellt schnell fest, dass die Verfasser bemüht sind, das Thema Nachhaltigkeit nicht auf einer technisch-bürokratischen Ebene ver- kümmern zu lassen. „Den Mitgliedern der Expertengruppe ist es wichtig, dass die Ar- beit der Gruppe zu wirklichen Veränderun- gen in der Finanzpolitik führt und Europas Nachhaltigkeitsbilanz verbessert“, heißt es in dem Bericht. Damit verbunden ist unbe- dingt ein Kulturwandel, der sich zu aller- erst in den Köpfen vollziehen muss und dann erst seine Kraft entfalten kann. Die Expertengruppe nimmt zwar die zentralen Akteure zuallererst in die Pflicht, gleichzei- tig aber entlässt sie auch private Investo- ren, die im Geldkreislauf eine prägnante Rolle spielen, nicht aus der Verantwor- tung. Stattdessen appelliert die Arbeits- gruppe an jeden potenziellen Investor, dass er sich sehr bewusst sein muss, wie wichtig es ist, dass jeder seinen Beitrag zu der Nachhaltigkeitsstrategie leistet, sei es als Versicherungsnehmer, Aktienkäufer oder Hausbauer. Trotz aller positiven Reaktionen sehen Organisationen wie die CRIC weiterhin Po- tenzial, die Strategie umfangreicher zu ge- stalten. „Wichtige Themen und Empfeh- lungen, die für eine nachhaltige Finanz- wirtschaft wichtig sind, fehlen“, heißt es. Der Report beiße sich zu sehr im Thema Kli- ma fest. Zwar lautet es an einer Stelle, dass Biodiversität, Ressourceneffizienz und So- zialwirtschaft gleichermaßen signifikant seien, aber es sei nicht gelungen, „gesell- schaftlich-soziale Aspekte der Nachhaltig- keit in den Blick zu nehmen“. Auch sei die Chance vertan, mehr wissenschaftliche Ex- pertise in das Papier einfließen zu lassen. Statt Fachleute aus den Universitäten und der Zivilgesellschaft seien Vertreter der Fi- nanzindustrie überproportional vertreten. Vielfach beklagt wird zudem, dass der Bericht sich nicht die neuen Optionen von Finanztechnologieunternehmen, soge- nannten Fintechs, zu Nutzen macht. Die di- gitale Revolution innerhalb der Finanzin- dustrie bietet einen neuen Werkzeugkas- ten, um Finanzierungen und Datenein- sicht für private Investoren günstiger und leichter zu gestalten. So könnten gerade Fintechs dabei helfen, schneller ein nach- haltiges Finanzsystem zu schaffen, sagen Kritiker. Aber sie kommen in dem Bericht gar nicht vor. marcel grzanna „Ökologische Unternehmen können genauso schlecht geführt und betrügerisch sein wie andere.“ Grüne Regeln Um die Pariser Klimaziele zu erreichen, will die EU nachhaltige Investitionen fördern. Doch dass dafür die Kapitalanforderungen für Banken gelockert werden könnten, stößt auf Widerstand Eine Frage bleibt noch zu klären: Was ist überhaupt grün? „Bürger können ruhiger schlafen“ Der Europaabgeordnete Sven Giegold hofft auf den Erfolg des neuen Finanzmarkt-Labels Den langfristigen Gewinn im Blick Eine Expertengruppe will die Ungeduld der Finanzmärkte beim Geldverdienen zügeln Es geht darum, das Finanzsystem besser vor den Folgen des Klimawandels zu schützen Sven Giegold, 48, ist Mitglied der Grünen im Europäischen Parlament. Er sitzt im Ausschuss für Wirtschaft und Währung und gilt als Experte für Finanzthemen. Giegold war Mitgründer von Attac Deutschland. FOTO: PRIVAT Ob Versicherungsnehmer, Aktienkäufer oder Hausbauer – an jeden richtet sich der Appell Bankenstadt Frankfurt: Ohne privates Kapital wird die EU die Pariser Klimaziele nicht erreichen können. FOTO: HENNING KREFT Die Europäische Kommission in Brüssel: Die EU arbeitet an einem Plan für mehr Nachhaltigkeit in der Finanzbranche. FOTO: DPA 22 SZ SPEZIAL – NACHHALTIGE FINANZIERUNG Donnerstag, 20. September 2018, Nr. 217 DEFGH
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Page 1: GrüneRegeln - Süddeutsche.de · von alexander mühlauer W ennesumdieZukunftgeht,spre-chenManagerundPolitikerger-ne von „Nachhaltigkeit“. Das klingtnichtnurgut,essagtsichauchbe-

von alexander mühlauer

W enn es um die Zukunft geht, spre-chen Manager und Politiker ger-ne von „Nachhaltigkeit“. Das

klingt nicht nur gut, es sagt sich auch be-sonders leicht, weil niemand etwas gegenNachhaltigkeit haben kann. Nachhaltigproduzieren, nachhaltig investieren, nach-haltig leben wollen irgendwie alle. Dochwie das genau gelingen soll, wie man alsodiesen Zustand der Nachhaltigkeit errei-chen kann, darüber gehen die Meinungenstark auseinander. In Brüssel hat die Euro-päische Kommission versucht, all die Wor-te in eine konkrete Zahl zu fassen. Das Er-gebnis ist einigermaßen ernüchternd:Wenn die EU die Pariser Klimaziele errei-chen will, müssen 180 Milliarden Euro zu-sätzlich nachhaltig investiert werden –und zwar pro Jahr.

Ohne privates Kapital wird das nichtmöglich sein. Der zuständige Vizepräsi-dent der Kommission, Valdis Dombrov-skis, hat sich deshalb einen Umbau des

Finanzsektors vorgenommen, um grüneInvestitionen gezielt zu fördern. Es gehtum neue Regeln für Banken, Vermögens-verwalter und Pensionskassen, strengereTransparenzpflichten sowie neue Befug-nisse für Aufsichtsbehörden. Dombrov-skis stützt sich bei seinen Reformvor-haben auf die Vorschläge einer „Hochrangi-gen Expertengruppe“, die von der Kommis-sion den Auftrag erhalten hat, einen Planfür mehr Nachhaltigkeit im Finanzsektorzu erarbeiten. Die Gruppe sollte aufzeigen,

wie mehr Kapital in nachhaltige Investitio-nen gelenkt werden kann, und darlegen,wie das Finanzsystem besser vor Risikengeschützt werden kann, die sich etwa ausden Folgen des Klimawandels ergeben.Nachdem Dombrovskis seine Vorschlägeim Frühjahr präsentierte, hat die Debatte

über grüne Investitionen an Fahrt aufge-nommen. Allen voran das Europäische Par-lament dringt schon seit Längerem auf dieFörderung nachhaltiger Geldanlage (sieheInterview mit dem Grünen-Europaabgeord-neten Sven Giegold auf dieser Seite). AusSicht der EU-Kommission geht es vor al-lem um neue Vorschriften für Finanzbera-ter sowie Erleichterungen bei den generel-len Kapitalvorschriften für grüne Finanz-produkte. Doch am Anfang muss natürlicheine Frage geklärt werden: Was ist über-haupt grün? Geht es nach der EU-Kommis-sion, sollen nachhaltige Investments klassi-fiziert werden, sodass Anbieter entspre-chende Geldanlageprodukte zusammen-stellen können. Zudem könnte ein Finanz-Ökolabel entwickelt werden, das auf dembestehenden EU-Ökolabel aufbaut. So sol-len Kunden leicht erkennen können, ob siemit einem bestimmten Produkt grün inves-tieren – oder eben nicht. Vermögensverwal-ter und institutionelle Anleger sollen au-ßerdem verpflichtet werden, „nachhaltigeErwägungen“ in ihre Beratung und Analy-

sen mit einzubeziehen. Die Branche hältvon diesem Vorstoß nicht gerade viel;schließlich führt das in den Augen der Be-troffenen nur zu einem zusätzlichen büro-kratischen Aufwand.

Weitaus stärker umstritten ist aller-dings der Vorschlag, eine Art Spezialregelzugunsten grüner Investments einzufüh-ren. Demnach könnten Anbieter solcher Fi-nanzprodukte mit geringeren Kapitalan-forderungen rechnen. Die EU-Kommissi-on verweist auf ähnliche Vorschriften, vondenen schon kleine und mittlere Unterneh-men profitieren. Dombrovskis verwahrtsich gegen den Eindruck, dass die Behördemit dem Vorwand der Nachhaltigkeit plötz-lich laxere Kapitalvorschriften durchset-zen wolle. Nein, sagt der Kommissionsvize,wenn er darauf angesprochen wird, er wol-le auf gar keinen Fall die Stabilität des Welt-finanzsystems gefährden.

Doch so sehr Dombrovskis auch be-müht ist, entsprechende Einwände zu ent-kräften, so stark hält sich die Kritik an sei-nen Überlegungen. Die deutsche Finanz-

aufsicht Bafin sieht die Idee niedrigerer Ka-pitalanforderungen für grüne Finanzpro-dukte durchaus kritisch. Auch der Europa-abgeordnete Markus Ferber (CSU) warntevon Beginn an vor einem „gefährlichen Pa-radigmenwechsel“. Wenn bei Finanzauf-sicht, Bankenregulierung und Verbrau-cherschutz künftig nicht mehr allein das Ri-siko des Geschäftsmodells im Fokus stehe,

sondern sich alles an der Förderung derNachhaltigkeit orientiere, sei die Gefahr ei-ner „nächsten Blase“ groß. Eine Art „Vor-zugsregime“ für grüne Finanzproduktebahne den Weg in die nächste Krise, kriti-siert Ferber.

Nicht nur der EU-Parlamentarier wirftdamit eine Grundsatzfrage auf: Sollte inder Banken- und Finanzmarktregulierungeinzig und allein das Risiko als Kriterium

gelten – oder kann die gute Absicht, das Kli-ma zu retten, etwas daran ändern? In derKommission wird darauf hinter vorgehalte-ner Hand ausweichend geantwortet. Dabeigibt es bereits eine EU-Institution, dieschon seit einiger Zeit ihre Erfahrungenmit „green bonds“ gemacht hat: die Euro-päische Investitionsbank (EIB) in Luxem-burg. Ihr Präsident Werner Hoyer stieß amAnfang auf die üblichen Widerstände. Alser zum ersten Mal mit Vertretern von Pensi-onskassen darüber sprach, erntete er un-gläubige Blicke. Doch das hat sich geän-dert. 2007 emittierte die EIB den erstenClimate Awareness Bond. Die Bank der EU-Staaten ist nun der größte multilateraleGeldgeber für den Klimaschutz. In einemJahr vergab sie 19 Milliarden Euro für Kli-mavorhaben auf der ganzen Welt. HoyersBekenntnis ist klar: Die EIB wolle auch wei-terhin private Investoren gewinnen undProjekte finanzieren, „die dazu beitragen,die UN-Ziele für eine nachhaltige Entwick-lung zu verwirklichen sowie die Klimaver-einbarung von Paris umzusetzen“.

Sven Giegold sitzt für die Grünen im Euro-paparlament. Im Interview erklärt er,warum er die Vorschläge der Expertenkom-mission zur nachhaltigen Finanzierung un-terstützt. Die EU-Kommission hat dazu einGesetz eingebracht.

SZ: Herr Giegold, wie finden Sie die Vor-schläge der Expertenkommission?Sven Giegold: Das Ziel ist absolut richtig,vor allem, dass alle Unternehmen ab einerbestimmten Größe ihr Portfolio auf ökolo-gische Risiken überprüfen müssen. Es be-steht eine große Gefahr, dass es zu einerdisruptiven Umschichtung kommt. In demMoment, wo die Weltgemeinschaft be-schließt, ernsthaften Klimaschutz zu be-treiben, kann das eine neue Finanzkriseauslösen.

Was könnte einen solchen disruptiven Mo-ment auslösen?Wir wissen nicht, wann die öffentlicheWahrnehmung der Klimakatastrophekippt. Aber wir sehen, wie Politik leidermeist funktioniert. Alle reden von Klima-schutz, aber wenn es darum geht, Braun-kohlekraftwerke abzuschalten, werdendoch lieber wieder Bäume abgeholzt. Soähnlich ist es in vielen Staaten. Wenn dieFolgen des Klimawandels so spürbar wer-den, dass ein Fukushima-Moment ent-steht, reagiert Politik in der Regel stärker.Und dann werden die wirtschaftlichen Risi-ken schlagend.

Was sind solche Risiken genau?Industrieunternehmen, die an Rohstoffenoder Technologien hängen, die auf fossilenEnergien beruhen, werden früher oder spä-ter einen Schock erleben, wenn sie sichnicht an die Spitze der Bewegung stellenund aus den fossilen Energiequellen aus-steigen. Das trifft auch diejenigen, die insolche Unternehmen investieren. Versiche-rungen und Pensionsfonds können dannetwa die Forderungen ihrer Anleger nichterfüllen. Das ist ein potenzielles Systemri-siko. Umgekehrt haben jene enorme Ge-winnchancen, die frühzeitig in Zukunfts-energien investieren. Das müssen alleUnternehmen jetzt schon in ihre Strategieeinbeziehen. Viele machen das bereits.Aber die, die es nicht machen, sind eine Ge-fahr für uns alle.

Übertreiben Sie da nicht etwas?Die Risiken des Klimawandels kann nie-mand mehr leugnen. Es ist auch eine Fragedes Anlegerschutzes. Wenn jemand Geldanlegt, sollte er gefragt werden, ob er aufNachhaltigkeit Wert legt: auf ökologischeGrundsätze, aber auch auf soziale und sol-che der guten Unternehmensführung. Esgehört zu den Pflichten eines Portfolioma-nagers, das zu überprüfen. Das war auch ei-ne wichtige Forderung der Expertengrup-pe, die sich in den Gesetzesvorschlägender EU-Kommission wiederfindet. Anle-ger sollen entscheiden können, was ihr

Geld in der Welt macht. Und die Portfolio-manager müssen das berücksichtigen. Da-bei wird ein grünes Finanzmarktlabel hel-fen. Es wird Investitionen in Nachhaltig-keit und soziale Verantwortung sichtbarmachen und damit stärken.

Ist es Ihr Ziel, dass jede Investition auf die-se Kriterien hinterfragt wird?Grüne Finanzmärkte können grüne Politiknicht ersetzen. Finanzmärkte können nurfinanzieren, was sich rechnet. Wenn Ver-braucher weiter billiges Fleisch haben wol-len, können sie von den Finanzmärkten

nicht erwarten, dass sie keine Investitio-nen in Massentierhaltung mehr finanzie-ren. Es ist eine Aufgabe der Verbraucherund der Politik, dafür zu sorgen, dass dieMassentierhaltungsställe nicht mehr mög-lich oder rentabel sind. Das Finanzsystemkann Wandel unterstützen, aber nicht dieAktivitäten von Verbrauchern, Unterneh-mern und Politikern ersetzen. Am Endemüssen die Vorgaben immer von der Poli-tik gemacht werden.

Was bringt das grüne Finanzmarktlabel?Wir hoffen, dass es so erfolgreich wird wiedas Biosiegel. Früher gab es viele einzelneSiegel wie Bioland, Demeter und andere.

Erst mit der Vereinheitlichung auf das EU-Biosiegel haben Bioprodukte ihren Sieges-zug angetreten. In Sachen Nachhaltigkeitist das auch nicht neu, manche Unterneh-men haben Pionierarbeit geleistet. Manmuss jetzt nur die stärksten Ideen verbin-den und zu einem europaweiten Siegel ver-dichten.

Es kam immer wieder zu Fällen, in denengut gemeinte Vorhaben Anleger geschä-digt haben. Der Solarboom hat zu Pleitengeführt. Es gab auch betrügerische Dingewie bei der Windkraftfirma Prokon. Lässtsich so etwas mit den Vorschlägen der EU-Kommission künftig eher verhindern?

Ökologische Unternehmen können genau-so schlecht geführt und betrügerisch seinwie andere. Das sind ja nicht alle gute Men-schen. Umgekehrt haben mit Solarenergieauch viele Anleger gutes Geld verdient, be-sonders auch mit dem Betrieb der Anla-gen. Dass Hersteller in Deutschland aus-konkurriert wurden, ist Teil der Marktwirt-schaft und zudem von der Bundesregie-rung unnötig beschleunigt worden. Wirwollen aber auch die Kraft des Wettbe-werbs, um die besten ökologischen Lösun-gen zu suchen. Man kann niemandem ver-sprechen, dass es, wenn es um soziale undökologische Investitionen geht, nur nochein Federbett voller Rendite gibt. Das istweder gewollt noch ehrlich. Betrügereienwird es immer geben, dagegen muss manim Ökobereich natürlich genauso vorge-hen wie woanders auch. Bei Prokon habenin der ökologischen Finanzszene vorherviele gewarnt. Da muss man sich fragen,ob es nicht ein massives Aufsichtsversa-gen war, dass dieser Akteur am Markt blei-ben konnte.

Auf Hauptversammlungen werden die Un-ternehmen oft kritisiert, weil sie Waffen-geschäfte finanzieren oder Menschen-rechte verletzen. Gibt es da eine Verbin-dung zu den Vorschlägen der EU-Kommis-sion?Ja, es geht nicht nur darum, dass Geld kli-mafreundlich ist, sondern genauso Men-schenrechte achtet und keine korruptenRegimes fördert. Das ist für Unternehmenein großes Reputationsrisiko. Es ist klug,dies einzubeziehen. Viele Portfoliomana-ger machen das auch schon. Sie werdenvorsichtiger bei Unternehmen, gegen dieprotestiert wird, weil das irgendwann dasGeschäftsmodell zerstören kann.

Was konkret?Es gibt im internationalen Handel immernoch Unternehmen, die Arbeitnehmer skla-venartig beschäftigen und damit Produkteherstellen. Das sind Grundrechtsverletzun-gen. Natürlich muss es Ziel der Politik sein,dass das irgendwann beendet wird. Aberes ist auch die Aufgabe von einzelnen Ver-brauchern, Unternehmern und Investo-ren, Grundrechtsverletzungen über die ge-samte Lieferkette auszuschließen.

Was können die Vorschläge im besten Fallbewirken?Mehr Unternehmen werden aus den fossi-len Energien und sozial unverantwortli-chen Geschäftsfeldern aussteigen. Sie wer-den das jetzt tun und nicht warten, bis diePolitik reagiert. Es wird leichter werden, Fi-nanzierungen für nachhaltige Investitio-nen zu finden. Und ich glaube, dass Bürge-rinnen und Bürger auch ruhiger schlafenkönnen, weil sie wissen, dass ihre Rentenicht in Gefahr ist, wenn sich der Klima-wandel noch weiter beschleunigt.

interview: harald freiberger

„Umfassend“, „ambitioniert“, „detailliert“:Die Reaktionen auf den Bericht der High-Level Expert Group on Sustainable Finan-ce (HLEG) waren Beleg dafür, dass die Ar-beitsgruppe um den früheren Axa-Mana-ger des Bereichs Nachhaltigkeit, ChristianThimann, die Erwartungen und Hoffnun-gen erfüllte. Experten aus der Finanzindus-trie, von Umweltorganisationen und ausUnternehmen fanden weitgehend lobendeWorte für den 100-seitigen Bericht, derzum Anfang des Jahres vorgestellt wurdeund eines zum Ziel hat: Den Weg zu ebnenzu einer konsequenten Umstrukturierungdes Finanzsektors der Europäischen Uni-on zum Wohle der Umwelt und des gesell-schaftlichen Zusammenlebens in der Welt.Als Fixpunkt dient mittelfristig das PariserKlimaabkommen und dessen erklärtesZiel, die Erderwärmung auf höchstenszwei Grad Celsius im Vergleich zum vorin-dustriellen Niveau zu begrenzen, bessernoch auf 1,5 Grad.

Nach einem Zwischenbericht im vergan-genen Jahr hatte es noch Kritik gehageltfür Thimann und seine Mannschaft: zu pra-xisfern und thematisch zu eng gesteckt.Die Experten nahmen die Kritik auf, führ-ten eine umfangreiche Befragung durchund ergänzten ihren Aktionsplan um zahl-reiche Aspekte. Entsprechend positiv äu-ßerten sich die Kritiker. Der Verein zur För-derung von Ethik und Nachhaltigkeit beider Geldanlage, CRIC, „begrüßt den Ab-schlussbericht der Expertengruppe aus-drücklich. Im Vergleich zum Zwischenbe-richt sind deutliche Verbesserungen festzu-stellen.“ Der Rat für Nachhaltige Entwick-lung (RNE) bewertet den Bericht als „sehrgut, weil er deutliche Orientierung für dieZukunft der Finanzmärkte aufzeigt. Under zeigt praxisorientiert, dass nachhaltigeFinanzmärkte möglich sind.“

Im Kern geht es um eine nachhaltige Fi-nanzwirtschaft, die in all ihren Geschäfts-modellen Kriterien berücksichtigt, die bis-lang vernachlässigt werden. Laut dem Be-richt der Expertengruppe sind das in ers-ter Linie klimarelevante Kriterien, die da-für sorgen sollen, dass Investitionen undFirmen unterstützt werden, die dabei hel-fen, die CO2-Emissionen zu reduzieren.Das betrifft die Kreditvergabe von Bankengenauso wie die Ausgabe von Unterneh-mensanleihen oder die Risikobewertun-gen durch Ratingagenturen. Dazu gehörenauch Infrastrukturprojekte, die eine nach-haltige Industrie, Produktion oder Dienst-leistung ermöglichen. Statt eines kurzfris-tigen Strebens nach maximalen Profitensollen langfristige Vorteile für Mensch undNatur maßgebend sein, wenn über Wohlund Weh von Investitionen in der Brancheentschieden wird.

Die Idee dahinter ist, die notorische Un-geduld der Finanzmärkte beim Geldverdie-nen zu regulieren. Stattdessen soll eine At-mosphäre geschaffen werden, in der ein Be-wusstsein vorherrscht, dass sich langfristi-ge Investitionen, die auf Nachhaltigkeit

Wert legen, ebenso auszahlen. Nur spätereben. Und dass sie darüber hinaus nebendem Umweltschutz auch das allgemeineWohlbefinden des Einzelnen und der Ge-sellschaften in Europa, aber auch in ande-ren Teilen der Welt verbessern.

Ausführlich stellt die ExpertengruppeWerkzeuge vor, mit der die Umsetzung ge-lingen soll. Eine sogenannte Taxonomieoder Klassifizierung seitens der EU gibtder Finanzindustrie künftig einen Hand-lungsrahmen, mit dessen Hilfe alle Akteu-re zweifelsfrei feststellen sollen, wie„grün“ eine Investition wirklich ist. Eine In-vestition in erneuerbare Energien würdedann etwa das entsprechende Zertifikatgrün erhalten, während Investitionen indie Luftfahrt eine geringere Wahrschein-lichkeit haben werden, dieses grüne Labelzu bekommen. Der Idee nach wird so auchfür die richtige Anreizwirkung für Investo-ren gesorgt. Allerdings ist die Konkretisie-rung der Taxonomie noch nicht ausgear-beitet durch die EU-Kommission.

Wer sich mit dem Papier befasst, stelltschnell fest, dass die Verfasser bemühtsind, das Thema Nachhaltigkeit nicht aufeiner technisch-bürokratischen Ebene ver-kümmern zu lassen. „Den Mitgliedern derExpertengruppe ist es wichtig, dass die Ar-beit der Gruppe zu wirklichen Veränderun-gen in der Finanzpolitik führt und EuropasNachhaltigkeitsbilanz verbessert“, heißt esin dem Bericht. Damit verbunden ist unbe-dingt ein Kulturwandel, der sich zu aller-erst in den Köpfen vollziehen muss unddann erst seine Kraft entfalten kann. Die

Expertengruppe nimmt zwar die zentralenAkteure zuallererst in die Pflicht, gleichzei-tig aber entlässt sie auch private Investo-ren, die im Geldkreislauf eine prägnanteRolle spielen, nicht aus der Verantwor-tung. Stattdessen appelliert die Arbeits-gruppe an jeden potenziellen Investor,dass er sich sehr bewusst sein muss, wiewichtig es ist, dass jeder seinen Beitrag zuder Nachhaltigkeitsstrategie leistet, sei esals Versicherungsnehmer, Aktienkäuferoder Hausbauer.

Trotz aller positiven Reaktionen sehenOrganisationen wie die CRIC weiterhin Po-tenzial, die Strategie umfangreicher zu ge-stalten. „Wichtige Themen und Empfeh-lungen, die für eine nachhaltige Finanz-wirtschaft wichtig sind, fehlen“, heißt es.Der Report beiße sich zu sehr im Thema Kli-ma fest. Zwar lautet es an einer Stelle, dassBiodiversität, Ressourceneffizienz und So-zialwirtschaft gleichermaßen signifikantseien, aber es sei nicht gelungen, „gesell-schaftlich-soziale Aspekte der Nachhaltig-keit in den Blick zu nehmen“. Auch sei dieChance vertan, mehr wissenschaftliche Ex-pertise in das Papier einfließen zu lassen.Statt Fachleute aus den Universitäten undder Zivilgesellschaft seien Vertreter der Fi-nanzindustrie überproportional vertreten.

Vielfach beklagt wird zudem, dass derBericht sich nicht die neuen Optionen vonFinanztechnologieunternehmen, soge-nannten Fintechs, zu Nutzen macht. Die di-gitale Revolution innerhalb der Finanzin-dustrie bietet einen neuen Werkzeugkas-ten, um Finanzierungen und Datenein-sicht für private Investoren günstiger undleichter zu gestalten. So könnten geradeFintechs dabei helfen, schneller ein nach-haltiges Finanzsystem zu schaffen, sagenKritiker. Aber sie kommen in dem Berichtgar nicht vor. marcel grzanna

„Ökologische Unternehmenkönnen genauso schlechtgeführt und betrügerisch

sein wie andere.“

Grüne RegelnUm die Pariser Klimaziele zu erreichen, will die EU nachhaltige Investitionen fördern. Doch dass dafür

die Kapitalanforderungen für Banken gelockert werden könnten, stößt auf Widerstand

Eine Frage bleibtnoch zu klären: Was istüberhaupt grün?

„Bürger können ruhiger schlafen“Der Europaabgeordnete Sven Giegold hofft auf den Erfolg des neuen Finanzmarkt-Labels

Den langfristigen Gewinn im BlickEine Expertengruppe will die Ungeduld der Finanzmärkte beim Geldverdienen zügeln

Es geht darum, das Finanzsystembesser vor den Folgendes Klimawandels zu schützen

Sven Giegold, 48, istMitglied der Grünen imEuropäischen Parlament.Er sitzt im Ausschuss fürWirtschaft und Währungund gilt als Experte fürFinanzthemen. Giegoldwar Mitgründer vonAttac Deutschland.FOTO: PRIVATOb Versicherungsnehmer,

Aktienkäufer oder Hausbauer –an jeden richtet sich der Appell

Bankenstadt Frankfurt: Ohne privates Kapital wird die EU die Pariser Klimaziele nicht erreichen können. FOTO: HENNING KREFT

Die Europäische Kommission in Brüssel: Die EU arbeitet an einem Plan für mehrNachhaltigkeit in der Finanzbranche. FOTO: DPA

22 SZ SPEZIAL – NACHHALTIGE FINANZIERUNG Donnerstag, 20. September 2018, Nr. 217 DEFGH

Page 2: GrüneRegeln - Süddeutsche.de · von alexander mühlauer W ennesumdieZukunftgeht,spre-chenManagerundPolitikerger-ne von „Nachhaltigkeit“. Das klingtnichtnurgut,essagtsichauchbe-

von marcel grzanna

W as benötigt Europa, um ein Fi-nanzsystem aufzubauen, das ei-ne nachhaltige Zukunft wert-

schätzt?“, fragt sich Andrew Voysey, Direk-tor vom Institut für Nachhaltige Finanz-wirtschaft an der Universität in Cam-bridge. Voysey beschäftigt diese Frage seitJahren. Bislang ist es ihm nicht gelungen,sie in ihrer gesamten Komplexität zu beant-worten. Denn Nachhaltigkeit bedeutetnicht nur, an ein paar finanzpolitischenSchrauben zu drehen, um Investitionen zufördern, deren Maß an C02-Emissionenfürs Klima verträglich sind. Nachhaltigkeitbedeutet, ein Wirtschaftssystem zu entwi-ckeln, das auch in allen anderen Bereichender Umweltpolitik, aber auch in sozialenund gesellschaftlichen Fragen das Be-wusstsein der Menschen verändert.

Voysey ist überzeugt: Sollte es der Euro-päischen Union gelingen, die Herausforde-rungen zu meistern, die der Wunsch einerwirksamen Nachhaltigkeit des Finanzsek-tors nach sich zieht, dann wird sich der Kon-tinent positiv verändern. Der 100-seitige-Bericht einer hochrangigen Expertengrup-pe lieferte Anfang des Jahres bereits vieleAnsatzpunkte. Doch das Papier fokussiertsich auf das Problem des Klimawandels.

Wie dagegen die knappen Wasserressour-cen besser genutzt oder die Bodenqualitätin der Landwirtschaft zur Versorgungssi-cherheit verbessert werden können, wirdweniger detailliert aufgegriffen. Auch derAspekt, wie künftige Investitionen sozialeUngleichheiten bekämpfen können, umden gesellschaftlichen Frieden wiederher-zustellen, ist unterrepräsentiert.

Zumindest aber sieht Andrew Voysey inder Veröffentlichung des Papiers einen„tief greifenden Moment in der Evolutioneines nachhaltigen Finanzsystems“. DieEU-Kommission stellte im März ihren Akti-onsplan vor. Nach der Arbeit der Experten-gruppe war dies der zweite Schritt auf ei-nem langem Weg. „Dieser Bericht bietetnur Hilfestellung an. Jetzt geht es darum,der Europäischen Kommission den Rück-halt zu geben, den es braucht, um diese am-bitionierte Agenda umsetzen“, sagt der Bri-

te. Rückhalt für die EU-Kommission bedeu-tet , dass alle Akteure aus der Finanzindus-trie, aber auch die Investoren geduldig undbereit dafür sind, Rückschläge, Verzöge-rungen und auch Fehler in Kauf zu neh-men. Die Umsetzung des Aktionsplanskann in kurzer Zeit nicht reibungslos funk-tionieren. Vor allem auch, weil die Anforde-rungen an jene zu groß sind, die seit Jahr-zehnten vornehmlich die Maximierungdes Profits als Messlatte ihrer Arbeit vorge-

lebt bekommen haben. Hier einen Sinnes-wandel einzuleiten, gilt als Kernaufgabe.

„Investitionen in Bildung, Infrastrukturoder Energie zahlen sich erst nach Jahrenoder Jahrzehnten aus und passen nicht zuvielen schnellen und spekulativen Akteu-ren der Finanzwirtschaft. Der so genannte'short-termism' ist ein klares Hindernisfür eine nachhaltigere Finanzwirtschaft“,sagt die Vorsitzende des Rates für Nachhal-tige Entwicklung (RND) der Bundesregie-

rung, Marlehn Thieme. Gelingen kann dieReform nur, wenn nachhaltige Finanzie-rung von allen Seiten als Handlungsmus-ter der Zukunft verstanden wird. Dazu ge-hört, dass Geldinstitute und Finanzdienst-leister ihre notorischen Reflexe der Ge-heimhaltung ablegen müssen. „Bezogenauf Transparenzanforderungen heißt das:die Wertschöpfungskette von Banken undFinanzdienstleistern gerät ins Blickfeld“,sagt RND-Vorsitzende Thieme. Die Angst

vor zu viel Transparenz dürfte manchemFirmenchef den Angstschweiß auf dieStirn treiben. Denn die Sorge vor einemVerlust der eigenen Wettbewerbsfähigkeitwegen zu großer Transparenz könnte hieund da für Widerstand sorgen.

Eine entsprechend Aus- und Weiterbil-dung in den Institutionen und Unterneh-men muss dafür die Grundlagen schaffen.Auch in den Schulen und Universitätenmüsste sich ein entsprechender Kultur-

wandel vollziehen. Doch die Zeit drängt,will die EU bis 2030 ihre Zusagen zur Ein-haltung des Pariser Klimaabkommens hal-ten. Gerade auch in den Unternehmen istdie Rückendeckung für die Umsetzung be-sonders wichtig, zumal auch kleine undmittelständische Betriebe ins Boot geholtwerden müssen. Jede neue Produktions-stätte, Lagerhalle oder Bürofläche kannheute schon nachhaltig gebaut werden.„Jetzt müssen Entscheidungen getroffenwerden für Immobilienprojekte, die gesell-schaftlich, ökologisch und ökonomischüberzeugen – kurzfristig und langfristig“,sagt RND-Vorsitzende Thieme.

Das alles kostet Geld und könnte die Um-strukturierung bremsen, zumal wenn esder EU nicht gelingt, in Kürze Klarheit undRechtssicherheit zu schaffen. Ein Meilen-stein bis 2020 soll die Taxonomie werden,die Klassifizierung von Investitionsprojek-ten nach ihrem Wert für eine nachhaltigeWirtschaft. Dann soll unter anderem fest-stehen, ob Banken zur Finanzierung vongrünen Projekten eine geringere Eigenka-pitalquote nachweisen müssen als zur Fi-nanzierung von braunen, also weniger um-weltfreundlichen Investitionen. Die Fragedabei ist, welche Risiken als höher einge-stuft werden: die höhere Belastung für dieUmwelt oder jene, die die Stabilität des Fi-nanzsystems ins Wanken bringen. GrüneZertifikate sind nur solange gut, wie sie ga-rantieren können, dass der Wirtschafts-kreislauf nicht in sich zusammenbricht.

Unternehmen, die sich durch die Taxo-nomie benachteiligt fühlen, könnten dieBrüsseler Vorgaben anfechten. Das würdewertvolle Zeit kosten. Doch weder kanndas Klima warten, noch sollte die EU dieChance vergeben, eine Vorreiterrolle in derWelt zu übernehmen. Auch weil Europa beiden alternativen Energien oder auch beiElektromobilität den Anschluss beispiels-weise an China zu verlieren droht. Wennsie mit gutem Beispiel erfolgreich voran-geht, kann sie die Eckpfeiler für andere Re-gionen in der Welt setzen, auch was das so-genannte Governance angeht, also die Wer-te, nach denen Wirtschaftsunternehmen,aber auch politische Akteure vom jeweili-gen Management geführt werden.

Kernaufgabe SinneswandelDie EU-Kommission hat nur dann die Chance, ein nachhaltiges Finanzsystem aufzubauen, wenn es ihr gelingt, alle Akteure ins Boot zu holen.Nicht nur in Banken und Unternehmen, auch in Schulen und Universitäten müsste ein Umdenken stattfinden

Zinn, Tantal, Wolfram und Gold sind wert-volle Rohstoffe, die in Autos und Maschi-nen ebenso Verwendung finden wie in Elek-trogeräten oder am Bau. Andererseitsstammen sie häufig aus Krisenregionenund werden nicht selten in einem Umfeldvon Menschenrechtsverletzungen oder be-waffneten Konflikten gefördert. Unterneh-men, so will es die EU-Verordnung zu Kon-fliktmineralien, sollen davor nicht die Au-gen verschließen. Ab Januar 2021 müssenImporteure, die diese vier Mineralien ingrößeren Mengen einführen, nachweisen,dass sie bei verantwortungsvollen Quelleneinkaufen.

Die Verordnung ist ein weiterer Bau-stein der EU-Strategie, die Wirtschaftnoch stärker in die gesellschaftliche, sozia-le und ökologische Verantwortung zunehmen. Wer die Konfliktmineralien nurverarbeitet und nicht importiert, ist zwarausgenommen. Dennoch müssen etwaauch kleinere Maschinenbauer davon aus-gehen, dass größere Kunden zur eigenenAbsicherung solche Auskünfte auch bei ih-nen anfragen. Auslöser dafür wiederum istdie von der EU initiierte Pflicht zur Nach-haltigkeitsberichterstattung, die größerekapitalmarktorientierte Unternehmenerstmals für das Geschäftsjahr 2017 anwen-den mussten. Dies geht zurück auf die CSR-Richtlinie der EU, das Kürzel steht für Cor-porate Social Responsibility, es geht alsoum soziale Verantwortung von Unterneh-men. „Aufgrund der durch den Gesetzge-ber hervorgehobenen Bedeutung dieses As-pekts im Lagebericht der Unternehmen istdavon auszugehen, dass auch Banken ver-stärkt nicht finanzielle Informationen da-zu in die Kreditvergabe einbeziehen wer-den“, sagt Christian Maier, Associate Part-ner bei der Beratungs- und Wirtschaftsprü-fungsgesellschaft Rödl & Partner.

Noch spielt das Kriterium beim Kredit-rating zwar eine untergeordnete Rolle. Ei-nige Investmentfonds aber geben schonheute nur noch solchen Kapitalgesellschaf-ten Geld, die bestimmte nachhaltige Aspek-te nachweisen können. „Im Bereich der In-vestoren lässt sich schon seit einer Weilebeobachten, dass CSR und Nachhaltigkeits-themen immer stärker in die Investment-entscheidung einfließen“, sagt Maier.

Der deutsche Gesetzgeber hat mit derUmsetzung der CSR-Richtlinie im HGB dieGrundlage für mehr Informationen ge-schaffen. Große kapitalmarktorientierteFirmen mit mehr als 500 Mitarbeitern,aber auch Banken und Versicherungen,müssen seit 2017 – in einem besonderenAbschnitt des Lageberichts oder in einemgesonderten Nachhaltigkeitsbericht – re-gelmäßig eine Erklärung abgeben. Dabeigeht es um Umweltthemen wie Treibhaus-gasemission, Wasserverbrauch oder Luft-verschmutzung ebenso wie um Geschlech-tergleichstellung, Entgelttransparenz undArbeitsbedingungen. Hinzu kommen dieAchtung der Menschenrechte sowie die Be-kämpfung von Korruption und Beste-

chung. Es ist jedoch nicht verpflichtend,auf alle im Gesetz genannten Aspekte ein-zugehen. Sie sind nur zu erläutern, soweitdies für das Verständnis der Lage des Unter-nehmens, des Geschäftsverlaufs oder des-ergebnisses erforderlich ist. Die Angabensind zudem notwendig, wenn sich die Tä-tigkeit auf CSR- oder Nachhaltigkeitsas-pekte auswirkt. „Die Unternehmen habendamit Ermessensspielräume darin, wassie erläutern“, sagt Christoph Brauchle,Partner bei der Prüfungs- und Beratungs-gesellschaft Ebner Stolz.

Entsprechend hoch ist bislang die Dis-krepanz zwischen Erwartungen und Um-setzung. Einer Studie von Ebner Stolz zufol-ge haben nur rund 47 Prozent der Firmenin ihrem ersten Berichtsjahr alle Aspekteeindeutig berücksichtigt. Insbesondere So-zialbelange und die Achtung der Men-schenrechte wurden – vor allem von Fir-men unterhalb des Dax-Segments – nichtklar benannt oder definiert. „Eine Nachjus-tierung von Seiten des Gesetzgebers wäresinnvoll, um das Grundverständnis für die-se Aspekte zu erhöhen und die Themen in-haltlich zu konkretisieren“, sagt Brauchle.

Auch mittelständische Betriebe, dienicht unter die CSR-Verpflichtungen desHGB fallen, sind von den gesetzlichen Vor-gaben indirekt betroffen. Sie werden zumBeispiel als Lieferanten zunehmend vonKonzernen in die Pflicht genommen, weildiese auch nachhaltigkeitsrelevante Aussa-gen zu ihrer Wertschöpfungskette machenwollen. „Berichtspflichtige Unternehmenhaben Nachhaltigkeitskriterien in die Ver-tragsbedingungen aufgenommen“, soBrauchle.

Der Informationsbedarf der Berichts-adressaten zum Thema Nachhaltigkeit,das belegt die Studie von Ebner Stolz, ist

hoch. Die CSR-Richtlinie will insbesondereauch Kapitalgeber bei der Entscheidungs-findung unterstützen. „Vor allem privateAnleger und institutionelle Investoren sol-len ein besseres Bild von den Unterneh-men bekommen und Gefahren für dieNachhaltigkeit erkennen können“ erläu-tert Hans-Werner Grunow, Chef der Unter-nehmensberatung Capmarcon. Hat dasaber auch positive Auswirkungen auf dieUnternehmensfinanzierung? Zunächst ein-mal nur sehr bedingt, und das gilt insbe-sondere für die Fremdkapitalbeschaffung.Denn Firmen winken Vorteile nur dann,wenn sich für die Kapitalgeber das Finan-zierungsrisiko verändert.

Allein Informationen zu Nachhaltig-keitsaspekten helfen da kaum weiter. Aller-dings kann die Analyse von Schwachstel-len und darauf basierend die Entwicklungeines umfassenden Nachhaltigkeitskon-zepts zu weniger Risiken führen. So sindbei mehr Produktqualität weniger Zah-lungsausfälle und Haftungsrisiken zu be-fürchten. Eine bessere Reputation stärktdie Kundenbindung, und ein wirksamesCompliance-System schützt vor potenziel-len Strafen bei Gesetzesverstößen etwa we-gen Korruption und Bestechung. „Wennnachhaltige Prävention möglichen Krisen-fällen vorbeugt und damit die Risiken imUnternehmen sinken, kann das zu günsti-geren Finanzierungskonditionen führen“,sagt Grunow.

Zu einem aussagekräftigen Nachhaltig-keitsbericht, so betont er, gehört deshalbauch das Aufzeigen realistischer Ziele so-wie der zu ihrem Erreichen notwendigenMaßnahmen. „Transparenz in den essenzi-ellen Bereichen Umwelt und Personal hilft,das Unternehmen in der Gesellschaft zustärken, als Arbeitgeber attraktiver zu ma-chen und mittelbar die Türen zu weitererFinanzierung zu öffnen“, sagt auch Christi-an Maier von Rödl & Partner.

Investoren und die Kreditprüfungsab-teilungen der Banken stehen vor dem Pro-blem, dass sich die CSR-Angaben der Un-ternehmen nur schwer vergleichen lassen.Eine wichtige Orientierungshilfe immer-hin sind die international etablierten Stan-dards der Global Reporting Initiative (GRI)für die Erstellung von Nachhaltigkeitsbe-richten. Die Firmen haben damit quasi ei-ne Checkliste zur Erfassung sämtlicherNachfrageaspekte in der Hand. Und wermöglichst viele Informationen hat, kannviel verbessern. „Die freiwilligen GRI-Stan-dards als das mit Abstand beste Rahmen-werk helfen damit auch, Risiken im Unter-nehmen zu reduzieren und positive Effek-te bei der Finanzierung zu erzielen“, sagtExperte Grunow. norbert hofmann

Autobauer sollen nachweisen, woher sieRohstoffe beziehen. FOTO: IMAGO STOCK & PEOPLE

Transparenz schaffenMenschenrechte und Umweltschutz: Firmen müssen auch über soziale Belange Auskunft geben

„Investitionen in Bildung,Infrastruktur oder Energiezahlen sich erst nach Jahren aus.“

Firmen, die sichbenachteiligt fühlen, könnten dieBrüsseler Vorgaben anfechten

Die Erwartungen sind hoch,die Umsetzung gelingtaber noch nicht immer

Wald oder Kohle? Ein Paraglider fliegt mit einem Greenpeace-Transparent „Klima retten, Kohle stoppen“ über den Hambacher Forst. Der Energiekonzern RWE willden Wald für den Braunkohleabbau roden lassen. FOTO: BERND LAUTER / IMAGO/COVERSPOT

Nachhaltige FinanzierungVerantwortlich: Peter FahrenholzRedaktion: Katharina WetzelAnzeigen: Jürgen Maukner

DEFGH Nr. 217, Donnerstag, 20. September 2018 SZ SPEZIAL – NACHHALTIGE FINANZIERUNG 23

Bei einem Fonds entscheidet die Performance. Auch in puncto Nachhaltigkeit.

SRI: Socially Responsable Investments, ESG: Environment Social Governance

Der Anlagewert der HSBC MSCI Select SRI Indexfonds kann Schwankungen unterworfen sein und Anleger erhalten ihren Anlagebetrag möglicherweise nicht zurück. Die Wert-entwicklung in der Vergangenheit ist kein verlässlicher Indikator für die zukünftige Wertentwicklung und bietet keine Garantie für einen Erfolg in der Zukunft. Anlagerisiken aus Kurs- und Währungsverlusten sowie aus erhöhter Volatilität und Marktkonzentration können nicht ausgeschlossen werden.

Mit den beiden Fonds HSBC MSCI World Select SRI Index und HSBC MSCI Europe Select SRI Index verankert HSBC bislang unerreichte Nachhaltigkeitsaspekte und ethische Standards in der Aktienanlage. Und bietet so eine ethisch nachhaltige Alternative zu traditionellen World- und Europe-Aktienexposures. Ohne Kompromisse setzen wir dabei auf besonders strenge SRI-Selektionskriterien, auch im Hinblick auf humane Arbeitsbedingungen, eine niedrige CO2-Bilanz und einen hohen ESG-Score. Mit Blick auf eine optimale Performance.

HSBC MSCI World Select SRI IndexWKN: A2H5YR

HSBC MSCI Europe Select SRI IndexWKN: A2DXMD Was können wir für Sie tun? hsbc.de/sustainable-indexfunds

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