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Global, gerecht und zukunftsfähigSpring“ von Carson oder „The Tragedy of the Commons“ von...

Date post: 16-Oct-2020
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Global, gerecht und zukunftsfähig Eine kurze Einführung in die nachhaltige Entwicklung Was bedeutet "nachhaltige Entwicklung"? Wie erreichen wir diese Entwicklung? Wieso ist das so wichtig?
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Page 1: Global, gerecht und zukunftsfähigSpring“ von Carson oder „The Tragedy of the Commons“ von Hardin 1. In die-sen Publikationen wurden erstmals die persönliche Verantwortung und

Global, gerecht und zukunftsfähig Eine kurze Einführung in die nachhaltige Entwicklung

Was bedeutet "nachhaltige Entwicklung"? Wie erreichen wir diese Entwicklung? Wieso ist das so wichtig?

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Lehrmittel Gesellschaft und Umwelt Einführung in die nachhaltige Entwicklung

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Bild: BUWAL

Armut, Umweltzerstörung, Konflikte, Krisen – es vergeht fast kein Tag, an dem wir nicht mit schwerwiegenden globalen, regionalen oder lokalen Problemen konfrontiert werden. Eine Lösung scheint häufig nicht möglich, und oft führt die Lösung des einen Problems einfach nur zum nächsten Problem. – Was aber wäre, wenn es für solche komplexen Fragen eine einfache Lösung gäbe? Eine Lösung, hinter der alle Menschen der Welt stehen können und die niemanden wirklich benachteiligt? Quasi die perfekte „Win-Win-Situation“?

1992 passierte in der Brasilianischen Stadt Rio de Janeiro etwas Aufregendes: Fast alle Staaten dieser Welt taten auf einer Konferenz ihre Zustimmung zu einer Neuausrichtung der globalen Entwicklung kund. An die Stelle einer umfassenden Verfügungsgewalt über die Zukunft soll eine Zukunftsverantwortung auf der Basis der Gerechtigkeit zwischen den Generationen und den Weltregionen treten. Das Prinzip heisst auf Deutsch „nachhaltige Entwicklung“ (engl. „sustainable development“, franz. „développement durable“). Es setzt voraus, dass die Lebensgrundlagen für alle jetzt und künftig lebenden Menschen gesichert werden, und zwar unter menschenwürdigen und gerechten Bedingungen. Diesen Grundsatz der Zukunftsverantwortung hat die Staatengemeinschaft – und mit ihr auch die Schweiz – mit der Verabschiedung der Dokumente der Rio-Konferenz 1992 als verpflichtende Leit-idee anerkannt.

Natürlich ist damit nicht einfach alles in Ordnung. Man kann sich leicht vorstellen, dass ein Prinzip, das die Zustimmung der ganzen Welt erfährt, einen enormen Interpretationsspiel-raum aufweisen muss, damit alle zustimmen können. Und dass die Konkretisierung und die Umsetzung eines solchen allgemeinen Prinzips umso schwieriger werden. Und trotzdem: Mit der Deklaration von Rio wurde ein wichtiger erster Schritt getan. Damit weitere Schrit-te möglich werden, benötigen wir zunächst Informationen über das Konzept, dessen Um-setzung und darüber, was wir alle dazu tun können. Deshalb entstand dieses Lehrmittel.

Was bedeutet nachhaltige Entwicklung? Es gibt Dutzende von Definitionen. Immer noch richtig und aktuell ist jene Definition, die im Hinblick auf die Konferenz von Rio de Janeiro durch die „Weltkommission für Umwelt und Entwicklung“ 1987 erarbeitet wurde und die, nach der Vorsitzenden Gro Harlem Brundtland, als „Brundtland-Definition“ bekannt ist. Sie orientiert sich an den Bedürfnissen der Menschheit: „Danach ist eine Entwicklung nachhaltig, welche weltweit die Bedürfnisse

der heutigen Generation zu decken vermag, ohne für künftige Generationen die Möglichkeit

zu schmälern, ihre eigenen Bedürfnisse zu decken.“

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Aufgabe Diskutieren Sie in der Klasse, welches wohl die „Bedürfnisse der heutigen Generation“ sein könnten bzw. wie man so etwas feststellen kann! Diskutieren Sie zudem, was die „Bedürfnisse der künftigen Generationen“ sein könnten. Wie können wir diese mit Gewissheit festlegen?

Der deutsche Begriff „Nachhaltigkeit“ ist ur-sprünglich aus der Forstwirtschaft des 18. Jahrhun-derts überliefert und bezeichnet diejenige Form der Waldnutzung, bei der maximal so viel Holz in einem bestimmten Zeitraum geschlagen werden darf, wie unter natürlichen Bedingungen nach-wächst. Das Ziel der nachhaltigen Forstwirtschaft ist die Erhaltung des Grundbestandes (des Waldes) zugunsten der zukünftigen Nutzung.

Zukunftsverantwortung bedeutet, dass die Vorsorge-, Verursacher- und Haftungsprinzipien als grundlegende Rahmenbedingungen für langfristig tragfähiges wirtschaftliches, ökologi-sches und gesellschaftliches Handeln und Verhalten auf allen Ebenen zu fördern sind. Nachhaltige Entwicklung enthält damit auch eine ethische Komponente und rückt in die Nähe anderer grundlegender ethischer Konzepte wie z.B. desjenigen der Freiheit, die sich nicht endgültig und abschliessend festlegen lassen, sondern immer wieder neu, im jeweili-gen historischen Zusammenhang, zu interpretieren und festzulegen sind. Nachhaltige Ent-wicklung wird damit als „regulative Idee“ verstanden, welche als dauerhafte Aufgabe den gesellschaftlichen Lern- und Gestaltungsprozess inspirieren soll.

Aufgabe Das Prinzip, dass man von den Zinsen leben soll und nicht vom Kapital, kennen Sie bestimmt. Zählen Sie verschiedene Bereiche auf, in denen es gültig ist (oder eben auch nicht) und vergleichen Sie Ihre Liste mit dem Nachbarn!

Historische Meilensteine der nachhaltigen Entwicklung

1960… Umweltfragen werden in diesen Jahren erstmals zu einem breiter diskutierten Thema. Dies nicht zuletzt aufgrund spektakulärer Publikationen wie „The Silent Spring“ von Carson oder „The Tragedy of the Commons“ von Hardin1. In die-sen Publikationen wurden erstmals die persönliche Verantwortung und Betrof-fenheit sowie die Problematik einer „begrenzten Erde“ thematisiert.

1970… Wenige Jahre danach publizierten Dennis und Donella Meadows (via Club of Rome) das Buch „Grenzen des Wachstums“2, das ganz besondere Aufmerksam-keit erlangte, fiel es doch in die Zeit der ersten Erdölkrise. Interessant an dieser Publikation ist aus heutiger Sicht, dass sie erstmals die Kernbereiche nachhalti-ger Entwicklung, nämlich Umwelt- und Entwicklungsfragen zusammen mit der Infragestellung des unbegrenzten Wachstums auf einer begrenzten Erde, zusam-menführt.

1 Rachel Carson: Silent spring, Boston: Houghton Mifflin, 1994. Deutsch: Der stumme Frühling, München: Biederstein, 1962. Garrett Hardin: The Tragedy of the Commons, in: Science, Nr. 162, 1968, Seiten 1243-1248, oder auf: http://www.sciencemag.org/cgi/content/full/162/3859/1243 2 Dennis and Donella Meadows: The limits to growth: a report for the Club of Rome's project on the predicament of mankind, London: Potomac; 1972

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1972 In Stockholm findet die „UN Conference on Human Environment“ statt. Diese Konferenz war der Startpunkt für eine Reihe von Entwicklungen: Hier wurde u.a. der Beschluss gefasst, die UNEP – das Umwelt-Programm der Vereinten Nationen – zu begründen. Damit wurde der Umweltproblematik auch formell eine internationale Dimension zuerkannt.

1987 Im Bericht „Our Common Future“ der „Weltkommission für Umwelt und Ent-wicklung“ wird Sustainable Development als Leitbild definiert. Damit wurden dem Spannungsfeld Gesellschaft-Wirtschaft-Umwelt erstmals globale und inte-grative Ansätze entgegengestellt. Der nach der Kommissions-Vorsitzenden so genannte „Brundtland-Bericht“ sorgte dafür, dass in zunehmender Intensität über nachhaltige Entwicklung diskutiert wurde.

1992 Das Thema wurde schliesslich die wichtigste Grundlage für die „UN Conferen-ce on Environment and Development“ in Rio de Janeiro. Zur Einleitung einer nachhaltigen Entwicklung wurden hier Schlüsseldokumente wie die „Agenda 21“, die „Rio-Deklaration über die Verantwortung für kommende Generatio-nen“ sowie Konventionen zum Klimaschutz und zur Biodiversität verabschie-det.

1994 In diesem Jahr wuchs die Weltbevölkerung auf 5 Milliarden Menschen. Auf der Weltbevölkerungskonferenz in Kairo fanden insbesondere folgende Erkenntnis-se weltweit Anerkennung: Ein nachhaltiger Entwicklungsprozess setzt auch eine Stabilisierung der Weltbevölkerung voraus; alle bevölkerungspolitischen Mass-nahmen sollen auf dem Prinzip der Freiwilligkeit beruhen und die Menschen-würde wahren; die Notwendigkeit der Familienplanung wird weltweit gebilligt. Der Aktionsplan von Kairo sieht insbesondere die Stärkung (Empowerment) von Frauen vor. Auch hat sich die internationale Staatengemeinschaft verpflich-tet, mehr Geld für bevölkerungspolitische Massnahmen zur Verfügung zu stel-len.

1997 Im so genannten Kyoto-Protokoll, einem internationales Abkommen der UN-Organisation UNFCCC zum Klimaschutz, werden verbindliche Ziele für die Verringerung des Ausstosses von Treibhausgasen festgeschrieben, welche als Auslöser des Treibhauseffektes gelten. Das Abkommen sieht vor, dass die meis-ten Industrieländer ihre Emissionen bis zum Jahre 2012 um 6 bis 8 % unter das Niveau von 1990 senken müssen. Für China und die Entwicklungsländer sind keine Beschränkungen vorgesehen. Das Kyoto-Protokoll trat erst am 16.2.2005 in Kraft, nachdem 55 Staaten mit einem Ausstoss von mehr als 55 % der CO2-Emissionen des Jahres 1990 das Abkommen ratifiziert hatten.

2002 Der „World Summit on Sustainable Development“ in Johannesburg hatte zum Ziel, eine Bilanz der Umsetzung der Beschlüsse der Rio-Konferenz und insbe-sondere der Agenda 21 zu ziehen. Probleme wie soziale Gerechtigkeit, Dialog der Kulturen, Gesundheit und Entwicklung wurden stärker gewichtet als in den vorangehenden Konferenzen 1972 und 1992. Der Zusammenhang zwischen Armut und dem Zustand der Umwelt wurde klarer aufgezeigt.

Vgl. Geschichte der Nachhaltigkeit auf: www.umweltbildung.at (27.02.05)

Vgl. „Lexikon der Nachhaltigkeit“ auf: www.nachhaltigkeit.aachener-stiftung.de (dito)

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Dimensionen der nachhaltigen Entwicklung Globale nachhaltige Entwicklung ist eine enorm komplexe Angelegenheit. Um sie besser verstehen zu können, muss man sie modellieren. Am häufigsten ist gegenwärtig jenes Mo-dell anzutreffen, welches drei Dimensionen (eine ökologische, ökonomische und soziale) enthält: Nachhaltige Entwicklung bedeutet die Gewährung von menschenwürdigen Lebens-bedingungen im Sinne der Menschenrechte durch Schaffung und Aufrechterhaltung mög-lichst vieler Optionen zur freien Gestaltung der Lebensentwürfe. Bei der Nutzung der öko-logischen, ökonomischen und sozialen Ressourcen soll der Grundsatz der Fairness unter und zwischen gegenwärtigen und zukünftigen Generationen in der Schweiz und gegenüber dem Ausland berücksichtigt werden. Die Verwirklichung dieses Anspruchs bedingt den umfassenden Schutz der als Lebensgrundlage unverzichtbaren biologischen Vielfalt im Sinne von Ökosystemvielfalt, Artenvielfalt und genetischer Vielfalt.

Als Zieldimensionen wurden in der Schweiz die drei bereichsübergreifenden Intentionen „gesellschaftliche Solidarität“, „wirtschaftliche Leistungsfähigkeit“ und „ökologische Ver-antwortung“ gewählt3. Es gilt das Prinzip der Gleichrangigkeit der drei Zieldimensionen: Ökologische, ökonomische und soziale Ziele dürfen langfristig nicht auf Kosten der jeweils anderen Ziele erreicht werden. Das heisst, es gilt gleichzeitig das Verbot der Problemverla-gerung.

3 Vgl. Monitoring der nachhaltigen Entwicklung MONET. Schlussbericht, Bundesämter für Statistik, für Raumentwicklung und für Umwelt, Wald und Landschaft, Neuenburg 2003. www.monet.admin.ch

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Schweiz: Nachhaltigkeit ist Pflicht Welchen Stellenwert hat die nachhaltige Entwicklung nun wirklich in der Schweiz? Ist das eine wichtige Staatsaufgabe oder nur ein „nice to have“? – Nachhaltige Entwicklung kommt in der Schweizer Bundesverfassung an zwei Stellen ausdrücklich vor:

Art. 2 Zweck 2 Sie [die schweizerische Eidgenossenschaft] fördert die gemeinsame Wohlfahrt, die nach-haltige Entwicklung, den inneren Zusammenhalt und die kulturelle Vielfalt des Landes. 4 Sie setzt sich ein für die dauerhafte Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen und für eine friedliche und gerechte internationale Ordnung.

Art. 73 Nachhaltigkeit

Bund und Kantone streben ein auf Dauer ausgewogenes Verhältnis zwischen der Natur und ihrer Erneuerungsfähigkeit einerseits und ihrer Beanspruchung durch den Menschen ander-seits an.

Das bedeutet, dass die nachhaltige Entwicklung nicht freiwillig, sondern ein Verfassungs-auftrag ist. Zudem steht die Schweiz im internationalen Rampenlicht. Der Bundesrat hat schon nach der Konferenz von Rio, und erneut im Hinblick auf die Nachfolgekonferenz von Johannesburg (2002), eine nationale Nachhaltigkeitsstrategie

4 erarbeiten lassen, wel-che Schwerpunkte, Umsetzungsmöglichkeiten und Massnahmen auflistet. Die konkrete Umsetzung soll vor allem durch die Verwaltung und Behörden sowie in den Kantonen erfolgen.

Gebote und Verbote Marktwirtschaftli-che Instrumente

Service- und Infrastruk-turinstru-mente

Vereinbarungen Kommunika-tions- und Diffusions-instrumente

Umwelt-Qualitäts-Standards (Immissionsbegrenzungen

Emissionsbegrenzungen

Vorschriften für den Umgang mit umweltgefährdenden Stoffen und Produktestandards

Bewilligungspflichten

Haftungsrechtliche Vorschriften

Raumwirksame Vorschriften

Subventionen

Lenkungsabgaben

Gebühren und verwandte Abgaben

Pfandsysteme

Einrichtung von Märkten (Zertifikate)

Punktuelle Anreize im Rahmen von Aktionen und Kam-pagnen

Servicein-strumente

Infrastruktur-instrumente

Zwischen Staat und Wirtschaft (z.B. Ziel-werte oder Normen)

Zertifizierungen und Labels

Kommunika-tionsinstru-mente ohne direkte Auf-forderung

Kommunika-tionsinstru-mente mit direkter Aufforderung

Diffusionsin-strumente

So kann der Staat das Verhalten seiner BürgerInnen lenken; mehr unter: www.are.admin.ch.

Drei Stichworte zur Grafik:

Verbote: Im privaten Recht gilt der Grundsatz: Alles ist erlaubt, ausser, was verboten ist. Gebote: Das Recht kann auch Vorschriften machen, also einem vorschreiben, was man tun muss. Anreize: Und schliesslich können im Gesetz auch Anreize definiert sein, welche einen zu einem bestimmten Verhalten motivieren sollen.

4 Strategie Nachhaltige Entwicklung 2002, Bericht des Schweizerischen Bundesrates vom 27. März 2002, Bern 2002. www.are.admin.ch

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Abgeleitet aus seiner nationalen Nachhaltigkeitsstrategie4, führt der Bundesrat (2002) zur

Konkretisierung der jeweils anzustrebenden Ziele einige Kriterien auf:

Mit Bezug auf die Zieldimension „ökologische Verantwortung“ ist die Entwicklung dann nachhaltig, wenn der Lebensraum für Menschen, Tiere und Pflanzen erhalten bleibt und die natürlichen Ressourcen mit Rücksicht auf die zukünftigen Generationen genutzt werden. Dies bedeutet:

• Naturräume und Artenvielfalt erhalten

• Verbrauch der erneuerbaren Ressourcen unter dem Regenerationsniveau halten

• Verbrauch nicht-erneuerbarer Ressourcen tief halten

• Belastung der Umwelt und des Menschen durch Schadstoffe senken

• Auswirkungen von Umweltkatastrophen reduzieren

Mit Bezug auf die Zieldimension „wirtschaftliche Leistungsfähigkeit“ ist die Entwicklung dann nachhaltig, wenn Wohlstand und Entwicklungsfähigkeit der Wirtschaft erhalten blei-ben. Dies bedeutet:

• Sozial- und raumverträgliche Verteilung von Arbeitsplätzen

• Produktivkapital (Sozial- und Humankapital) erhalten und qualitativ mehren

• Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft der Wirtschaft verbessern

• Marktmechanismen wirken lassen (externe Kosten berücksichtigen)

• Wirtschaftliches Handeln langfristig ohne Schulden und werterhaltend

Mit Bezug auf die Zieldimension „gesellschaftliche Solidarität“ ist die Entwicklung dann nachhaltig, wenn ein Leben und eine Entwicklung der Menschen in Solidarität und Wohlbe-finden ermöglicht werden. Dies bedeutet:

• Gesundheit und Sicherheit der Menschen schützen und fördern

• Bildung, Entwicklung und Identität der Einzelnen gewährleisten

• Kultur und Sozialkapital fördern

• Gleiche Rechte und Rechtssicherheit für alle gewährleisten

• Solidarität innerhalb und zwischen den Generationen sowie global fördern

Aufgabe Diskutieren Sie zuerst in einer kleinen Gruppe, danach in der Klasse, was das alles wohl bedeuten könnte. Finden Sie Beispiele! Identifizieren Sie mögliche Zielkonflikte und diskutieren Sie Möglich-keiten zur Lösungsfindung.

Was können wir tun? – Lokale Agenda 21 Eines der wichtigsten konkreten Ergebnisse des Erdgipfels von Rio 1992 ist die Agenda 21 ein umfangreiches Arbeitsprogramm für das 21. Jahrhundert, die darauf abzielt, die dreifa-che Herausforderung einer qualitativ hoch stehenden Umwelt und einer gesunden Wirt-schaft für alle Menschen der Erde miteinander in Einklang zu bringen. Eine Schlüsselrolle bei der Umsetzung der Agenda 21 wird den Lokalbehörden zugesprochen, weshalb von ihnen die Ausarbeitung einer „Lokalen Agenda 21“ (LA 21) gefordert wird.

In LA 21-Prozessen gehen Leute aus Gemeinden, Städten oder Regionen partnerschaftlich den Weg in die Zukunft. Sie suchen Visionen, kreiieren Ideen, schmieden Pläne und reali-sieren Wege für eine zukunftsbeständige Entwicklung, die ökologisch nachhaltig, ökono-

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misch verträglich, sozial gerecht und weltweit solidarisch ist. Auf lokaler Ebene wird nach-haltige Entwicklung damit konkret.

Quelle: www.agenda21local.ch

Für den Erfolg von LA 21-Prozessen (siehe obige Abb. für deren schweizweite Verbrei-tung) braucht es das Zusammenwirken vieler Menschen. Für die Lancierung und Realisie-rung braucht es Leute aus Gemeindebehörden und -verwaltung, aus der lokalen Wirtschaft, aus der Bevölkerung, von Vereinen, Organisationen und weiteren, die initiativ werden und aktiv sind.

Eine Übersicht über die Lokale Agenden 21 in der Schweiz findet sich im Internet, unter www.agenda21local.ch.

Generationengerechtigkeit

Eine wichtige Dimension der nachhaltigen Entwicklung ist also die zeitliche: Die künftigen Generationen sollen dieselben Chancen haben wie wir. Was heisst das genau?

Generationengerechtigkeit geht vom Grundsatz aus, dass es ungerecht sei, Gleichartiges bzw. Gleichwertiges ungleich zu behandeln, denn, wie in der Bundesverfassung steht5: „Al-

le Menschen sind vor dem Gesetz gleich.“ Generationengerechtigkeit ist folglich so zu ver-stehen, dass die Chancen jeder zukünftigen bzw. nachrückenden Generation mindestens so gross wie die ihrer Vorgängergeneration sein sollten.

„Generation“ wird im Duden als die „Gesamtheit aller etwa zur gleichen Zeit geborenen Menschen“ beschrieben. Eine Generation umfasst im heutigen Verständnis ca. 30 Jahre. Intragenerationale Gerechtigkeit ist die Gerechtigkeit zwischen jungen und älteren heute

lebenden Menschen. Intergenerationale Gerechtigkeit wird hingegen definiert als die Ge-rechtigkeit zwischen Menschen, die früher lebten, die heute leben und die zukünftig leben werden.

Generationengerechtigkeit ist vor allem ein Gebot, alles zu tun, um das wirtschaftliche, soziale und ökologische Gleichgewicht für unsere Nachkommen zu bewahren. Das ‚Kapi-tal’, welches für die nachkommenden Generationen bewahrt werden soll, beinhaltet folgen-des:

Natürliches Kapital Bestand an Natur

Künstliches Kapital Produktionsanlagen, Infrastruktur, Institutionen und finanzielles Vermögen

Soziales Kapital Ausmass an Solidarität in der Gesellschaft, stabile Beziehungen zwischen Einzelnen und Gruppen, gefestigte Institutionen, Werte

Menschliches Kapital Gesundheit, Bildung, Fähigkeiten und Wissen

Kulturelles Kapital Kulturelle Vielfalt (v.a. Sprachenvielfalt), kulturelles Erbe

5 Artikel 8, Absatz 1 BV; vgl. http://www.admin.ch/ch/d/sr/101/a8.html

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Während intergenerationale Gerechtigkeit die Zustände und Lebensbedingungen verschie-dener Generationen vergleicht, befinden sich die Vergleichsobjekte bei intragenerationaler Gerechtigkeit in ein und derselben Generation6.

Diskussion Welche Konsequenzen führt die rechts abgebildete Altersstruktur der Schweizer Bevölkerung mit Bezug auf die Generationengerechtigkeit mit sich?

Lebensqualität und die Frage nach den Bedürfnissen Nachhaltige Entwicklung setzt sich also die Erhöhung oder Erhaltung von Lebensqualität zum Ziel. Lebensqualität ist ein hoch komplexer Begriff, zu dessen Inhalten es unterschied-liche Zugänge gibt. Dennoch besteht ein gemeinsames Grundverständnis. Alle Deutungen gehen davon aus, dass Lebensqualität „sowohl materielle wie auch immaterielle, objektive und subjektive, individuelle und kollektive Wohlfahrtskomponenten gleichzeitig umfasst“7. Was die Elemente der Lebensqualität betrifft, so erlaubt die Aufteilung in Haben – Lieben –

Sein8 eine Zuordnung der wichtigen Bestandteile:

• Zum Haben gehören die objektiven Lebensbedingungen wie Nahrung, Kleidung, Woh-nung, Bildung, Einkommen, Arbeitsbedingungen, Gesundheit.

• Zum Lieben gehören die soziale Zugehörigkeit, persönliche Beziehungen, soziale Auf-gaben.

• Zum Sein gehören die Selbstverwirklichung, die Möglichkeit und Fähigkeit, sich er-reichbare Ziele zu setzen, die Beteiligung an den für das Leben wichtigen Entscheidun-gen, und für viele sicher auch ein angemessenes Niveau von Kultur und Kunst.

6 Stiftung für die Rechte Zukünftiger Generationen (Hrsg.): Handbuch Generationengerechtigkeit, 2., überarb. Aufl., München: ökom-Verlag, 2003 7 Noll, Heinz-Herbert (1997). Konzepte der Wohlfahrtsentwicklung: Lebensqualität und „neue“ Wohl-fahrtskonzepte. Zentrum für Umfragen, Methoden und Analysen (ZUMA): Mannheim 8 Linz, Manfred (2004). Weder Mangel noch Überfluss. Über Suffizienz und Suffizienzforschung. Wuppertal Papers Nr. 145. Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie GmbH: Wuppertal

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Aufgabe Was hat Lebensqualität überhaupt mit nachhaltiger Entwicklung zu tun? Diskutieren Sie die Frage im Plenum! Achten Sie dabei insbesondere auf die Frage nach dem globalen Ausgleich der obgenannten drei Aspekte!

Objektive und subjektive Komponenten sind, jede für sich und alle zusammen, konstitutive Teile der Lebensqualität. Sie sind in unterschiedlicher Weise voneinander abhängig, auch stark bestimmt von Herkunft, Bildung, kultureller Prägung. Insgesamt sind sie aber in kom-plexen Beziehungen so miteinander verbunden, dass kein Teil ohne den anderen Lebens-qualität ergibt.

Aufgabe Was ist für Sie im Leben wichtig? Setzen Sie die für Sie 10 wichtigsten Bedürfnisse in eine Reihen-folge nach Priorität:

Gesundheit, seriöse Informationsquellen, Bildung, Freizeitangebot, Erholung, Schutz vor Bedrohung und Angst, Bewegungsfreiheit, ausreichendes Einkommen, sinnvolle Arbeit, kulturelles Angebot, sportliche Betätigung, ausreichende Alterssicherung, intakte Umwelt, Mobilität, Kommunikation, soziale Beziehungen, Familie, Wohnbedingungen, ausreichende Nahrung, Konsum, Beziehung zur Natur, Religion / Spiritualität, Teilnahme an gesellschaftlichen Entscheidungsprozessen

Welche Prioritäten würde wohl ein junger Mensch in Mozambique wählen?

Nachhaltige Entwicklung messen und bewerten Woran erkennt man nun, ob etwas oder jemand „nachhaltig“ ist oder sich so verhält? Und wie kann man Entwicklungen beobachten, und messen? − Auf dem Weg einer nachhaltigen Entwicklung braucht es regelmässige Standortbestimmungen. Dazu braucht es geeignete Ziele, Kriterien, Messinstrumente und Messgrössen (Indikatoren)9.

Output

Arten +/-

Abbauprodukte

Zufriedenheit

Wohlfahrt

Wohlstand Produkte

Prozesse

Bio-Dynamik

Evolution Landschafts-veränderung

Partizipation

Problemlösung Soziale Inter-

aktion

Produktion

Konsum Investition

Kapital (Zustand)

Ökolog. K.: Biodiversität

Umwelt-Qualität (Luft,

Wasser, Boden)

Soziales K.: Kultur

Vertrauen Kohäsion

Gesellschaftl. Strukturen

Ökonom. K.: Produktions-

mittel Know-How

Organisations-Infrastruktur

Umwelt / Natur

Gesellschaft

Wirtschaft

9 Vgl. MONET, Fussnote 3

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Nachhaltigkeitsindikatoren sind definierbare, messbare Kennwerte, deren absolute Werte bzw. deren Veränderungsgeschwindigkeit und -richtung aufzeigen sollen, ob sich ein Land, eine Region, eine Kommune oder ein Projekt im Zeitverlauf nachhaltig entwickelt. Es gibt sehr viele verschiedene Klassen von Indikatoren. Die oben stehende Grafik beschreibt eine mögliche Klassifikation im Rahmen des Nachhaltigkeitsmodells: Dabei werden drei Berei-che (Umwelt, Gesellschaft und Wirtschaft) sowie drei Ebenen unterschieden, die sich ge-genseitig beeinflussen. So beschreiben die entsprechend zusammengestellten Nachhaltig-keitsindikatoren sinngemäss den Zustand und die Weiterentwicklung eines Landes, einer Region etc. in Bezug auf die Nachhaltigkeit10.

Nachhaltige Entwicklung ist ein vielschichtiges Thema, das eine grosse Zahl an komplexen Informationen erfordert. So entsteht das Bedürfnis, diese Informationen systematisch zu einer konzentrierten Form zu verdichten, um effektive Entscheidungen fällen zu können.

Auch dabei spielen Indikatoren eine zentrale Rolle. Das Informationssystem kann man sich als Pyramide vorstellen: Rohe, detaillierte Daten bilden die Basis. Diese Daten werden in Statistiken zusammengefasst, welche mit ihren Inhalten die Grundlage für Indikato-ren liefern. Indikatoren können auch in ein Set grup-piert werden und viele Dimensionen umfassen. Ein Index ist ein hoch aggregierter Wert, der Indikatoren miteinander kombiniert.

Die Gültigkeit eines Indikators muss allerdings immer wieder kritisch hinterfragt werden. Da nachhaltige Entwicklung einen prozessualen und wandelbaren Charakter aufweist, gilt es Indikatorensysteme laufend an veränderte Bedürfnisse und Fragestellungen anzupassen.

Bild: Anonymes Benchmarking der Winterthurer Kernindikatoren im Ver-gleich mit anderen Schweizer Städten11.

Nachhaltigkeitsbewertungen sind, je nachdem welchen Detaillie-rungsgrad der Aussagen man anstrebt, schon mit einfachen Mitteln möglich. Wir möchten im Folgenden, auf der Basis des hier abgebildeten Kernindikatoren-Projektes, das verschiedene Kan-tone und Städte miteinander erar-beitet haben, ein einfaches Tool skizzieren, das auch für Laien einsetzbar ist.

10 Born, Manfred & de Haan, Herhard (2002): Methodik, Entwicklung und Anwendung von Nachhal-tigkeitsindikatoren. http://www.umweltschulen.de/ (27.2.2005) 11 Kernindikatoren für die Nachhaltigkeit von Städten und Kantonen, diverse Autoren, im Auftrag des Bundesamtes für Raumentwicklung, Zürich und Bern 2004. www.are.admin.ch

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Es handelt sich dabei um einen Kriterienraster, der als Grundlage eingesetzt werden kann, aber in jedem einzelnen Fall adaptiert werden muss:

Umwelt Wirtschaft Gesellschaft

Artenvielfalt/Lebensraum Einkommen/Vermögen Wohnqualität

Landschaft/Naturraum Preis Mobilität

Energieverbrauch Einkommensverteilung Gesundheit

Energiequalität Arbeitsplätze Sicherheit

Klima Investitionen Partizipation

Rohstoffverbrauch Verursacherprinzip Kultur

Wasserhaushalt Innovationen Bildung

Wasserqualität Wirtschaftsstruktur Soziale Unterstützung

Bodenqualität Know-how Solidarität

Bodenverbrauch Öffentlicher Haushalt Integration

Luftqualität Steuern Chancengleichheit

Mit diesem Kriterienraster als Grundlage sind auch Sie in der Lage, Beurteilungen der Nachhaltigkeit durchzuführen. Beschreiben wir den Ablauf anhand der Nachhaltigkeitsbe-wertung eines Projektes:

1. In einem ersten Schritt geht es darum, dass Sie herausfinden, welche Kriterien für die-ses Projekt relevant sind und wie sie im gegebenen Fall allenfalls genauer definiert oder angepasst werden müssen.

2. Danach geht es darum, die Kriterien allenfalls zu präzisieren und aufzuschlüsseln in Unterkriterien.

3. Im dritten Schritt müssen Indikatoren (beobachtbare Messgrössen) für jedes Kriterium bestimmt werden. Zudem ist zu diskutieren, was genau der entsprechende Indikator meint und wie er zu werten ist.

4. Anschliessend kann man sich an die Datensammlung machen: Man kann quantitative wie qualitative Messdaten verwenden. Eventuell sind, falls es der Aufwand zulässt, spezielle Daten zu erheben.

5. Sind die Daten ausgewertet, kann festgestellt werden, welche Auswirkungen des Pro-jektes auf die einzelnen Kriterien bestehen. Einerseits können die Wirkung und ande-rerseits der Trend abgeschätzt werden; dies kann mittels einfacher qualitativer Bewer-tung passieren: + = das Projekt hat eine positive Nachhaltigkeits-Auswirkung, 0 = gleich bleibende Nachhaltigkeit, - = das Projekt hat eine negative Nachhaltigkeits-Aus-wirkung.

6. Nun müsste man eine so genannte Aggregation vornehmen, das heisst, man muss die verschiedenen Wirkungen aufsummieren. Nicht immer ist dies allerdings aussagekräf-tig; es lohnt sich vor allem dort, wo man zwei Projektvarianten vergleichen will. Me-thodisch kann man das einfach machen, indem man der Wertung in Punkt 5 eine Zahl zuordnet (zum Beispiel 1, Null und -1) und am Schluss zusammenzählt.

7. Am Schluss ist das Ergebnis zu diskutieren. Das ganze Procedere ist nur dann sinnvoll, wenn es einerseits von vielen Beteiligten durchgeführt wird und andererseits im Ple-num besprochen wird. Subjektive Einschätzungen, mangelnde Reliabilität und unklare Interpretationen können so minimiert werden.

An diversen Stellen in diesem Buch werden Übungsbeispiele beschrieben. Verwenden Sie diesen Kriterienraster, um dort Nachhaltigkeitsbeurteilungen durchzuführen!

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Handlungsvorschläge für nachhaltige Entwicklung

Der weltweite Aktionsplan, der an der Rio-Konferenz von 1992 verabschiedet wurde, um-fasst 40 Aktionspunkte:

Sozial- und Wirtschaftsfragen

Internationale Zusammenarbeit; Kampf gegen die Armut; Konsumverhalten ändern; Be-völkerung; Schutz und Förderung der menschlichen Gesundheit; nachhaltige menschliche Siedlungsformen; Entscheidungen für eine nachhaltige Entwicklung

Erhaltung und Bewirtschaftung von Ressourcen für die Entwicklung

Schutz der Atmosphäre; nachhaltige Bewirtschaftung von Bodenressourcen; Bekämpfung der Entwaldung; Kampf gegen Desertifikation und Trockenheit; nachhaltige Entwicklung der Berggebiete; nachhaltige Landwirtschaft und Entwicklung des ländlichen Raums; Erhaltung der biologischen Vielfalt; Umweltgerechter Umgang mit Biotechnologie; Schutz und Nutzung der Ozeane sowie von Süsswasser; Sicherer Umgang mit giftigen Chemikalien; Umgang mit gefährlichen Abfällen; Umgang mit festen Abfällen und Ab-wässern; Sicherer Umgang mit radioaktiven Abfällen

Stärkung der Partnerschaft

Frauen, Kinder und Jugendliche bei einer nachhaltigen Entwicklung; Stärkung der Rolle der Eingeborenenvölker; Partnerschaften mit regierungsunabhängigen Organisationen; Lokalbehörden; Arbeiter und Gewerkschaften; Stärkung der Rolle von Handel und Indust-rie; Wissenschaftler und Technologien; Rolle der Bauern stärken

Mittel zur Umsetzung

Finanzierung einer nachhaltigen Entwicklung; Transfer umweltgerechter Technologien; Wissenschaft und nachhaltige Entwicklung; Ausbildung und Sensibilisierung; Schaffen der Kapazitäten; Organisation für eine nachhaltige Entwicklung; Internationale Gesetzge-bung; Informationen für die Entscheidungsfindung

Der Bundesrat (2002) hat in seiner Nachhaltigkeitsstrategie4 zehn Handlungsfelder mit

insgesamt 22 Massnahmen beschlossen:

1. Wirtschaftspolitik und Service Public 2. Finanzpolitik (u.a. fiskalische Anreize) 3. Bildung, Forschung und Technologie 4. Gesellschaftliche Kohäsion 5. Gesundheit

6. Umwelt und natürliche Ressourcen 7. Raum- und Siedlungsentwicklung 8. Mobilität (u.a. öffentlicher Verkehr) 9. Entwicklungszusammenarbeit 10. Methoden und Instrumente

Wissen und Handeln Oder: Warum verhalten sich Leute nicht „einfach“ nachhaltig? Eigentlich ist alles ja ganz einfach: Man muss nur „das Richtige“ erkennen und dann muss man es einfach tun. Und wenn dies alle so machen, bewegt sich die Welt „automatisch“ in die richtige Richtung. Aber ist dies wirklich derart einfach? Und warum geschieht es dann nicht? Um dies beantworten zu können, schalten wir ein Kapitel aus der Sozialpsychologie ein.

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Reflexion Aktion

Menschen

Kondition

Interaktion

Ökosystem

Kondition

Dieses Modell12 beschreibt allgemein, wie menschliches Verhalten funktioniert: Aus der Interaktion von Mensch und Umwelt entsteht ein gewisse Verhalten, zum Beispiel das Au-tofahren. Dieses kann, vor allem über weitere Einflüsse aus dem Umfeld eines Menschen, reflektiert werden, was zu einer Aktion führt, in unserem Beispiel die Reduktion der Fahr-kilometerzahl, dem Wechsel des Autotyps, usw. Von dieser Handlung aus besteht eine positive Rückkopplung auf das Umfeld des Ökosystems, in dem sich der Mensch befindet und das ihm wiederum den Rahmen für die Interaktion liefert - der Kreislauf hat sich ge-schlossen.

Es stellt sich die Frage, was ihn im Gange hält, was also die Handlungsmotivation ist. Mo-ral oder Geld, Gewohnheit oder Einstellungen – was bestimmt, ob wir uns zum Beispiel umweltfreundlich oder umweltschädigend verhalten? Umfragen zeigen immer wieder, dass das hohe Umweltbewusstsein der SchweizerInnen nicht notwendigerweise auch das ent-sprechende Verhalten nach sich zieht – ein Phänomen, das in den meisten Industrieländern zu beobachten ist. Über die Gründe dieser Kluft wird viel spekuliert. Klar ist einzig, dass Wissen alleine nicht genügt, um Verhaltensänderungen zu bewirken, dass also der reine Aufklärungsansatz scheitert. Aus einer bestimmten Einstellung (Bewusstsein, hellgelber Kasten links), die sich ihrerseits aus verschiedenen Teilen zusammensetzt, ergibt sich eine Verhaltensabsicht, die rein theo-retisch zu einem bestimmten Verhalten führen sollte. Verschiedene Barrieren führen aber dazu, dass das häufig nicht der Fall ist.

12 nach Hardi, Peter & Zdan, Terrence (1997): Assessing Sustainable Development: Principles in Practice. p.142. International Institute for Sustainable Development (IISD): Winnipeg, Manitoba.

Umwelt- wissen

Aspekte (Moral)

Einstellungen

Subjektive Normen

Verhaltens- Absicht

Ökologisches Verhalten

Wahrnehmung des eigenen Verhaltens

Verhaltensbarrieren

Situationale Einflüsse; Verhaltenskosten

Page 15: Global, gerecht und zukunftsfähigSpring“ von Carson oder „The Tragedy of the Commons“ von Hardin 1. In die-sen Publikationen wurden erstmals die persönliche Verantwortung und

Lehrmittel Gesellschaft und Umwelt Einführung in die nachhaltige Entwicklung

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Methodischer Hintergrund: Das Allmendedilemma Früher gab es noch in vielen Dörfern eine Allmende: eine Weide, die der Gemeinde ge-hörte, und auf der alle Bauern des Dorfes ihr Vieh gratis weiden lassen durften. Nehmen wir nun mal an, dass ein Bauer sich mehr Kühe kauft und sie auf der Allmende grasen lässt. Der Gewinn fliesst dann ihm zu, die anderen haben aber alle weniger Futter zur Verfügung und tragen so einen (vorerst noch kleinen) Verlust. Es ist nur folgerichtig, wenn sie sich denken: Ich kauf mir auch mehr Kühe! Aber wenn das alle tun, so wird die Allmende über-nutzt und bietet dem Vieh keine Nahrungsgrundlage mehr. Das rein rationale Verhalten eines Einzelnen führt also, wenn es zum Verhalten aller wird, zur Überlastung des Systems (Allmende). Interessenskonflikt: Partikulärinteressen vs. Allgemeine Interessen.

Dieser Prozess ist als „Allmendedilemma“ bekannt. Es tritt häufig bei sogenannten freien Gütern auf, also vor allem Umweltgüter wie die Weltmeere (Dilemma der Überfischung), die frische Luft oder das Wasser (Verschmutzungsproblematik).

Natürlich gibt es auch zahlreiche Ideen, wie man dem Allmendedilemma begegnen kann. Durchgesetzt haben sich vorab Methoden der sozialen Kontrolle, und der verstärkten Kom-munikation. Das funktioniert am leichtesten in überschaubaren Gemeinschaften und am schlechtesten in globalen Strukturen.

Welche freien Güter kennen Sie? Wie gehen Sie damit um? Kennen Sie eigene Beispiele von solchen

Dilemmata? Und wie könnte man sie lösen?

Internet-Quellen www.are.admin.ch; www.monet.admin.ch; www.deza.admin.ch

Ein eigentliches Nachhaltigkeitslexikon findet sich unter: www.nachhaltigkeit.info/

Eine gute Übersicht bieten: www.umweltbildung.at/nachhaltigkeit/, www.umweltschulen.de

Spielerischer Zugang auf: www.umweltspiele.ch

www.zukunftsrat.ch; www.14-19.ch; www.stadt-zuerich.ch/megaphon

Glossar

Intragenerative Gerechtigkeit

Unter dem Prinzip intragenerativer Gerechtigkeit ist die gerechte Verteilung von Ressour-cen, Kapital und Möglichkeiten innerhalb einer Generation zu verstehen. Die gerechte Verteilung zwischen heute lebenden Menschen, Kulturen und Staaten ist in diesem Zu-sammenhang eines der Kernthemen in den Diskussionen über Armut, Verschuldung, Nord-Süd-Konflikte und Welthandel. Verteilungsgerechtigkeit und der Kampf gegen Armut waren auch die wesentlichen sozialen Impulse am Beginn der Idee von sustainability.

Intergenerative Gerechtigkeit

Intergenerative Gerechtigkeit bedeutet die gerechte Verteilung von Ressourcen, Kapital und Möglichkeiten zwischen den Generationen. Diese Idee einer langzeitlichen Sicht distributi-ver Gerechtigkeit ist seit dem Brundtland-Report wesentliches Schlüsselprinzip nachhalti-ger Entwicklung. Es verbindet über die Verteilungsfragen von Rohstoffen, Einkommen, Umweltqualität, Berufszugang u.a. die ökologische, soziale und ökonomische Dimension. In diesem Sinne unterstreicht das Schlüsselprinzip der intergenerativen Gerechtigkeit den multi-dimensionalen und normativen Aspekt nachhaltiger Entwicklung.


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