12-TETGeschichtliches

Mikrotonale StimmungenKlavierstimmung in der Praxis

Anhang

Gleichstu�ge StimmungenVon der Suche nach dem Unmöglichen

Maximilian Jäger

Institut für MusikinformatikReferat im Hauptseminar Musikalische Stimmungen und Temperaturen

Dozent: Dr. Albert GräfSoSe 2010

02.06.2010

Maximilian Jäger Gleichstu�ge Stimmungen

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Ironie der Geschichte

Treppenwitz 1

Jede Stimmung vor der Gleichstu�gen versuchte, reine Intervalle zubewahren und zu scha�en. Mit Ausnahme der Oktave besitzt diegleichstu�ge Stimmung jedoch kein reines Intervall mehr. Das Zieljahrtausendelanger Temperierversuche ist damit verfehlt.

Treppenwitz 2

Im Zeitalter des Kontrapunkts waren Terz- und Sextkonsonanzen inmehrstimmiger Musik erwünscht.Ausgerechnet Terz und Sexte dissonieren in der gleichschwebendenStimmung am hörbarsten von der Reinstimmung.

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Fahrplan

1 12-TET

2 Geschichtliches

3 Mikrotonale Stimmungen

4 Klavierstimmung in der Praxis

5 Anhang

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Was ist das überhaupt?VorteileNachteile

Was ist die gleichstu�ge Stimmung?

�Gleichstu�ge Stimmung� = �Gleichschwebende Stimmung�= �Equal temperated tuning�

12-TET = 12-Tone Equal Temperament

Gleichschwebend = Die Obertöne der Oberquinte undUnterquarte eines Tones schweben stets gleich (a′ → e ′′ unda′ → d ′)

Oktaven rein gestimmt (21)

Formel für Intervalle n in p-stu�gem Tonsystemn = [1...p]: fn = f0 ∗ 2

np

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Was ist das überhaupt?VorteileNachteile

Vorteile der 12-TET

Welche Ziele hat die gleichstu�ge Stimmung erreicht?

Transponierbarkeit in alle 24 Tonarten√

Tolerierbare Di�erenzen zur reinen Stimmung und zu einfachenFrequenzverhältnissen

√

12 Halbtonschritte (nicht 19, 43 oder 53) ⇒ Umsetzung inherkömmlichem Tonsystem

√

Intervalle klingen in allen Tonarten gleich (keine�Wolfs�-Intervalle)

√

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Was ist das überhaupt?VorteileNachteile

Nachteile der 12-TET

Die Errungenschaften haben jedoch ihren Preis:

Tonartencharakteristiken gehen verloren

Streichinstrumenten müssen im Zusammenspiel umgestimmtwerden

Intervalle weichen von Reinstimmung ab (sogar Quinten)

Kritische Intervalle (Terz und Sexte) besonders unrein (13,69cent Abweichung von Reinstimmung)

Kl. Diesis128

125=

2

1

( 5

4 )3 = 128

64/ 125

64= 3 ∗ 13, 69 cent ≈ 41, 06 cent

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Was ist das überhaupt?VorteileNachteile

Abweichung von reinen Intervallen

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Was ist das überhaupt?VorteileNachteile

Passgenauigkeit

Addition aller 12 Intervallfehler

12∑n=0

zn = 103, 624 cent > 1Halbton

53-TET ist genauer

53∑n=0

zn = 10, 402 cent ≈ 1

10Halbton

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Was ist das überhaupt?VorteileNachteile

Bemerkung von Harry Partch(Er�nder der 43-Ton Stimmung)

aus "Genesis of a Music"(1947)

Nach dem Hören eines absolut richtig gestimmten Dreiklangs spürt man, dass dertemperierte Dreiklang auf seltsam unruhige Art und Weise einen starken Mannmarkiert. Was alles andere als bemerkenswert ist, denn mehr als alles andere will erlosgehen und sich irgendwo niedersetzen - er fordert tatsächlich Au�ösung! Somit istdas Komponieren von Musik für die temperierte Skala ein einziges quälendes undbeschwerliches Epos, eine wahrhaftige und vergebliche Pilgerreise, auf der Suche nachdiesem Wolkenkuckucksheim: einem Ort zum Niederlassen!

Partch kritisiert temperierte Stimmungen als Ganzes, da sie nieabsolut rein sein können

Akzeptiert die Fehler der 53-TET allerdings als�unbedeutend�

⇒ (siehe Kapitel �Mikrotonale Stimmungen�)

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Was ist das überhaupt?VorteileNachteile

Klangbeispiele der Fehlerhaftigkeit

Stimmung Intervall Töne

Mittelton (4x) - 12tet (4x)

(Piano)

Gr. Terz c' - e'

Mittelton (4x) - 12tet (4x)

(Cembalo)

Gr. Terz c' - e'

12tet (4x) - MT (4x) - 12tet Wolfsquinte as' - dis�

Mittelton: 12 verschiedene

Grundtöne

Moduliert durch

chromatische Tonleiter

C-Dur - F-Dur - G-Dur -

C-Dur

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Historische DiskussionRenaissanceEinführung der 12-TET

Diskussion um gleichstu�ge TemperaturGeschichte

Aristoxenos von Tarent (370 - 300 v.Chr.)

Präzise Zahlenverhältnisse sollten weniger wichtig sein als dieErfordernisse des Gehörs und der musikalischen Praxis. Er schlugvor, die Oktave könnte in eine gleiche Zahl von Intervallen geteiltwerden.

Prinz Chu Tsai-yu (1596)

Er berechnete die Stufen der gleichstu�gen Temperatur, was sich inChina aber nicht durchsetzte.

Leonhard Euler (1766)

Das Gehör gewöhnt sich daran, Abweichungen inZahlenverhältnissen zu tolerieren und sie im Gehirn anzugleichen.

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Historische DiskussionRenaissanceEinführung der 12-TET

Diskussion um gleichstu�ge TemperaturEinführung in Europa

16. Jhdt: Lauten wurden gleichstu�g gestimmt ⇒ Problemebeim Zusammenspiel mit TasteninstrumentenVincenzo Galilei (1581): Halbton 18

17 ≈ 99c wurde zugebräuchlicher Lautenstimmung, auch weil leicht zu stimmen

16. und 17. Jhdt: Diskussion und Kritik v.a. wegen verschärftenTerzen und Sexten (die als Konsonanzen betrachtet wurden)i.A. wurde Gleichstimmung als Nachteil der Lauten betrachtet⇒ Ablehnung

18. und 1. Hälfte 19. Jhdt: Streit der Gelehrten inMitteleuropa, ob gleichstu�ge oder unregelmäÿige (wiewohltemperierte) Stimmungen vorzuziehen seien

Im 19. Jhdt etablierte sich die Gleichstimmung, zuerst inDeutschland, später in England und Frankreich

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Historische DiskussionRenaissanceEinführung der 12-TET

Meinungen zur gleichstu�gen Temperatur

Nicola Vincentino (1511 - 1576)

�Von ihrer Er�ndung bis heute wurden Gamben und Lauten immermit einer Skaleneinteilung in gleichen Halbtönen gespielt.�

Giovanni Battista Doni (1594 - 1649)

Girolamo Frescobaldi habe sich �von einem gewissen zerlumpten altenHerrn� aus Sizilien �durch viele kostenlose Trinkereien gegen das Urteilseines eigenen Gehörs� zur Befürwortung der gleichstu�gen Temperatur(�dissonante Art der Temperatur�) der Basilica S. Lorenzo in Damasobewegen lassen.

Simon Stevin (um 1600)

Mathematische Berechnung einer gleichstu�gen Temperatur, dieaber mit Hinweis auf die schlechten Terzen abgelehnt wurde.

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Historische DiskussionRenaissanceEinführung der 12-TET

Noch mehr Meinungen zur gleichstu�gen Temperatur

Jean Denis (Traitè de l`accord de l`espinette, 1643/1650)

Wendet sich scharf gegen die für das Ohr �sehr schlechte undrauhe� gleichstu�ge Temperatur, an welche man sich genausowenig gewöhnen könne wie an den �Verzehr von faulem Fleischund Essig�.

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Historische DiskussionRenaissanceEinführung der 12-TET

Einführung und Kon�ikte

19. Jh: Lange Zeit Parallelverwendung beide Stimmsysteme

Beispiele- französischer Cembalobauer Armand-Francois Blanchetverwendete seit ca. 1775 gleichstu�ge Temperatur- Firma Broadwood (England) ging erst 1840 zurgleichstu�gen Temperatur über

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Historische DiskussionRenaissanceEinführung der 12-TET

Argumente der Kon�iktgegner

Gleichstu�ge Stimmung Unregelmäÿige Stimmungen

Unbeschränkte Modulations- undTranspositionsmöglichkeiten

Tonartencharakter

Abwechslung durch Ver�echtender Tonarten

Für gewöhnlich leichter zustimmen

VertreterJean Philippe Rameau

Friedrich Wilhelm MarpurgC.P.E. Bach

Jean Jacques RousseauJohann Philipp Kirnberger

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Vergleich19-TET53-TET43-Ton, 24-TET und andere

Mikrotonale Stimmungen

Idee

Durch mehr gleichstu�ge Intervalle die Chance erhöhen, dassdie Intervalle näher an der reinen Stimmung liegen.

Quintenzirkel sollte sich (beinahe) schlieÿen

Genau schlieÿt er sich aber nie

⇒ Es gibt kein geschlossenes Tonsystem, aber Annäherungen

19-TET 19Q − 11O = 137, 145 cent Abweichung

43-Ton Nicht gleichstu�g

53-TET 53Q − 31O = 3, 615 cent Abweichung

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Vergleich19-TET53-TET43-Ton, 24-TET und andere

Gra�k: Mikrotonale Stimmungen

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Vergleich19-TET53-TET43-Ton, 24-TET und andere

Giose�o Zarlinos 19-stu�ges CembaloLe istituzioni harmoniche (Ausgabe 1573)

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Vergleich19-TET53-TET43-Ton, 24-TET und andere

19-TETErklärung

19 Quinten über 11 Oktaven

Nach Francisco Salina (1577): 13-Komma mitteltönige Stimmung mit

Tonvorrat C, Cis, D, Es, E, F, Fis, G, Gis, A, B und H erweitert umenharmonische Varianten His, Des, Dis, Eis, Ges, As und Ais

Zeitzeugen sprachen davon, dass er auf einem derart gestimmtenInstrument sehr gewandt spielen

19-stu�ge Cembali waren im 16. Jh recht häu�g

Terzen und Sexten besser als 12-TET, Quinten schlechter

Prime kl. Terz gr. Terz Quarte Quinte kl. Sexte gr. Sexte Oktave

19-TET 0 0,15 -7,37 7,22 -7,22 7,37 -0,15 0

12-TET 0 -15,64 13,69 1,96 -1,96 -13,69 15,64 0

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19-TETHörbeispiele

Je� Harrington - Prelude 3 for 19-TET Piano

Je� Harrington - Tango #2 for Cello and Piano

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53-TETErklärung

53 Quinten über 31 Oktaven

Nach Nicolaus Mercator (1620 - 1687)∑53n=0 zn = 10, 402 cent < 1Halbton

Ungenauigkeiten in Cent

Intervall Okt Quinte Gr. T Kl. T GT HT

Rein 1200 701,96 386,31 315,64 203,91 111,73

53

Di�erenz

1200 701,89

(-0,07)

384,91

(-1,4)

316,98

(+1,34)

203,77

(-0,14)

113,21

(+1,48)

Halbtöne 31 17 14 9 5

12

Di�

1200 700

(-1,96)

400

(+13,69)

300

(-15,6)

200

(-3,91)

100

(-11,7)

Halbtöne 7 4 3 2 1

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53-TETHörbeispiele

James Kukula - Quartet

James Kukula - Voices

Prent Rogers - Whisper Song

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Vergleich19-TET53-TET43-Ton, 24-TET und andere

Harry Partch's 43-Tonsystem

Harry Partch (1901-1974)Amerikanischer Komponist und Instrumentenbauer

Nutzte hauptsächlich sein 43-Tonsystem

43-Ton-Stimmung ist aufgebaut aus rationalenFrequenzverhältnissen11 ist höchster Primfaktor (z.B. 11

10 oder 1811)

Alle reinen Intervalle der 12-Ton-Skala sind vertreten: 1615

(Halbton), 109 und 9

8 (kl. und gr. Ganzton), 65 ,

54 ,

43 , etc.

Desweiteren Intervalle wie: 1211 ,

97 ,

1411 , etc.

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Vergleich19-TET53-TET43-Ton, 24-TET und andere

Harry Partch's 43-Tonsystem

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24-TET (Vierteltonstimmung) und weitere

24-TET entstand als Teil der Neuen Musik ab den 1920ern.

Komponisten: György Ligeti, Clarence Barlow, KrzysztofPenderecki, Charles Ives, Alexander Skrjabin, etc.

Charles Ives - 3 Quarter Tone Pieces (Allegro) (24-TET)

Je� Harrington - Acid Bach I (24-TET)

Chris Vaisvil - Orchestral piece in 22 edo

Chris Vaisvil - 36 Hairs

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AblaufSchwebungen

Das Stimmen eines Klaviers im Hausgebrauch

1 a': 440 Hz (mit Stimmgerät)a: 220 Hz (nach Gehör)

2 Eingestrichene Oktave in Quintenzirkel und Quartenausstimmen (Schwebung nach Gehör überprüfen, z.B.a′ ↓ d ′ ≈ 3 Beats)a′ ↓ d ′a′ ↑ e ′′e ′′ ↓ e ′e ′ ↑ h′usw.

3 In Oktaven die restlichen Tonleitern abarbeiten (Schwebungenverdoppeln/halbieren sich nach oben/unten)

4 �Rollende� Terzen und Sexten als Kontrollintervalle

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AblaufSchwebungen

Schwebungen und �Rollen�

Wie hört ein Klavierstimmer, ob das Intervall die richtigeSchwebung hat?

f = f0 ∗(

1200√2)x

a′ ↓ d ′ a′ ↑ d ′′ a′ ↑ c#′′ a′′′ ↑ f #′′′′

Quinte Quarte Groÿe Terz Groÿe Sexte

Schwebung Schwebung �Rollen� �Rollen�

↑0,33143456 Hz ↑ 0,662869168 Hz ↑4,366337038 Hz ↑26,619867717 Hz

≈1 Beat pro 3 sec ≈2 Beats pro 3 sec ≈ 4 Beats / sec ≈ 27 Beats / sec

Anmerkung: Die Berechnungen der Schwebungen sind nicht richtig,das werde ich überprüfen.

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LinksWeitere Fragen?

Links

Kompositionen für 53-TEThttp://www.soundclick.com/bands

/default.cfm?bandID=784761

Musikerduo Szyzygys mit Kompositionen für 43-TEThttp://www.syzygys.jp/e_pages/index.html

Je� Harrington's Homepage mit vielen Downloads für 24-TETund 19-TEThttp://www.parnasse.com/jh/blog/

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