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Gewalt in Paarbeziehungen Prävention für Kinder und ...

Date post: 18-Nov-2021
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Gewalt in Paarbeziehungen Prävention für Kinder und Jugendliche im schulischen Bereich Prof. Dr. Barbara Kavemann Sozialwissenschaftliches FrauenForschungsInstitut Freiburg Katholische Hochschule für Sozialwesen Berlin
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Gewalt in Paarbeziehungen

Prävention für Kinder und Jugendliche im schulischen Bereich

Prof. Dr. Barbara Kavemann Sozialwissenschaftliches FrauenForschungsInstitut Freiburg Katholische Hochschule für Sozialwesen Berlin

Ergebnisse der Evaluation von Präventionsprojekten

Prävention bedeutet zuallererst Information Zentral ist Information über Rechte und Unterstützungsmöglichkeiten

Kinder schätzen Präventionsangebote Kinder schätzen es,

wenn Klartext geredet wird, wenn sie ernst genommen werden, wenn wichtige Themen mit ihnen erörtert werden, wenn es in der Schule um relevante Probleme des Lebens

geht.

Kinder machen das deutlich: „Es war einfach supermegahammer.“ „suuuuuper!!!!!!!!“ „einfach superduper“ „megacool“

3

Schulische Prävention an Berliner Grundschulen

BIG-Prävention Evaluation der Modellphase

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Das Modellprojekt aus Sicht der Lehrkräfte

Lehrkräfte: bewerteten das Konzept positiv, vor allem

die Einbettung des Themas in ein breiteres Themenspektrum das Anknüpfen an alltäglichem Gewalterleben in der Schule

bewerteten die pädagogische Umsetzung positiv nahmen wahr, dass ihre Schüler/innen vom Projekt

profitieren „Ich war überrascht, im Laufe des Workshops, über die

Ernsthaftigkeit der Kinder und darüber, dass ihnen das so viel ausgemacht hat, dass die Projektmitarbeiterinnen für sie da sind, positiv. Und das fand ich erstaunlich, also das hätte ich diesen Rabauken so nicht zugetraut.“ (Lehrerin)

Das Modellprojekt aus Sicht der Jugendämter

Jugendamtsmitarbeiterinnen: schätzten das Projekt sehr positiv ein, vor allem

die Kindersprechstunde die Einbindung der Jugendämter in die Fachveranstaltungen für

Lehrkräfte nahmen keine vermehrten Meldungen wahr wünschten sich mehr Einbindung und Kooperation „Zur Schule gibt es generell engen Kontakt, aber noch keine

Kooperation. Kooperation wäre es, wenn man sich treffen und besprechen würde auch wenn es nicht gerade brennt.“ (Jugendamtsmitarbeiterin)

Das Modellprojekt aus Sicht der Eltern (schriftliche Befragung, mehrsprachige Fragebögen)

Überwiegend Zustimmung zum Projekt und zum Thema des Projekts

Im Ausland geborene Eltern antworten etwas

zurückhaltender Geringe Beteiligung an den Elternabenden

Das Modellprojekt aus Sicht der Mädchen und Jungen

Hohe Akzeptanz: Workshops rundum gut bewertet Spielerische, entlastende Anteile und fordernde „schwerere“

Anteile gut bewertet Eigene Beteiligung und Aktivität war wichtig Sprechen über Streit und Gewalt fiel teilweise schwer Lösungsorientierte Elemente und konkrete Vorschläge für

Hilfesuche besonders positiv bewertet

Das Modellprojekt aus Sicht der Mädchen und Jungen

Trennung von Mädchen und Jungen wurde von beiden Geschlechtern gleichermaßen begrüßt

„Gut, denn die Jungs können über die Gefühle der Mädchen

lachen und das finde ich bescheuert.“ (Mädchen)

„Sehr gut, weil man sich nicht so schämt, weil wir unter uns

waren.“ (Junge)

Was haben die Mädchen und Jungen gelernt?

Ergebnisse der Gruppendiskussionen: Alle befragten Mädchen und Jungen konnten konkrete Vorschläge machen, was Kinder bei Gewalt

zwischen den Eltern tun können

Hatten eine eigene Strategie, was sie selbst tun und an wen sie sich wenden würden Zuerst im inneren Kreis der Familie Danach im weiteren Kreis von Familie und Bekanntschaft, auch

Freunde und Freundinnen Danach kommen Institutionen in Frage:

Kindernotdienst Polizei

Präventionsprojekte an Grundschulen in Baden-Württemberg

Modellprojekte an elf Standorten Evaluation der Modellphase

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Wie belastend ist das Thema für Kinder?

Mädchen und Jungen gehen mit dem Thema meist offener und unbelasteter um als Erwachsene.

Erleichterung scheint bei den Schüler/innen zu überwiegen; die Frage der Belastung ist vertieft zu untersuchen.

Angebote für betroffene S. sollten eingeplant werden.

„Was mich gewundert hat: in der Vorbereitung war ich immer belastet vor dem Thema, weil wenn man diese Filmbilder angeschaut hat oder auch die Bildgeschichte, dann hat uns das immer deprimiert. Für die Kinder war das gar nicht so, sondern die waren eher erleichtert.“

Wie direkt kann die Thematik behandelt werden?

Unmittelbare/direkte Thematisierung hat sich bewährt.

Alle Kinder kennen Abstufungen von Streit und Konflikten zwischen Eltern, so dass an die Lebenswelt der Schüler/innen angeknüpft werden kann.

Kinder wissen, wovon die Projekte reden wollen

Auch die Erkenntnis, dass „für Kinder der Alltag oft viel heftiger ist, als das, was wir sagen“, bewog die meisten Projekte, das Thema klar und unmittelbar zu behandeln.

Ergebnisse der Vorher-Befragung Kinder brauchen Handlungsmöglichkeiten (Seith / Kavemann 2009) „Was sollte ein Kind tun?“ Kinder sahen sich selbst in der Verantwortung:

versuchen den Streit zu stoppen (56,2%) Hilfe holen (30,1%)

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Kinder brauchen Prävention, sie kennen das Problem, aber verfügen über falsches oder fragmentarisches Wissen (Seith / Kavemann 2009) Ergebnisse der Vorab-Befragung:

Gewalt zwischen Eltern kann in jeder Familie vorkommen (70,2%)

Es ist eine Sache der Familie, geht andere nichts an (68,7%)

Lehrer/-innen geht das nichts an (50,4%)

Häusliche Gewalt ist verboten. Man kann die Polizei rufen (52,2)

Gewalt zwischen Eltern macht den Kindern nichts aus (3,9%)

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Ergebnisse der Nachher-Befragung: Die Mehrheit der Kinder lernt im Sinne der Projektziele:

• Deutlich weniger Kinder denken, es sei eine reine Privatsache (- 40,6%)

• Die Sorge vor sozialer Stigmatisierung bleibt bestehen (- 4,3%) • Die Möglichkeit, sich an externe, professionelle Stellen um

Hilfe zu wenden, ist deutlich gestiegen.

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Ergebnisse der Nachher-Befragung: Die Handlungsmöglichkeiten der Kinder wurden erweitert.

• Die Bereitschaft, sich im Notfall anderen mitzuteilen, ist gestiegen (+18,6%).

• Es nennen mehr Kinder Personen, die ihnen helfen könnten (+24,9%).

Das Wichtigste war für die Mehrheit der Kinder, dass sie

gelernt haben, wo sie Hilfe finden und was sie tun können.

Die Handlungsmöglichkeiten der Kinder wurden erweitert.

vorher %

n=220

nachher %

n=224

Veränderung %

Ja 129 58,6% 187 83,5% + 24,9

Nein 22 10,0% 16 7,1% - 2,9

Nicht wirklich 69 31,4% 21 9,4% - 22,0

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Weißt du, wer dir helfen könnte? (Vergleich Vorher-Nachher-Befragung)

Warum glaubst du, möchten manche Kinder nicht darüber reden? (Vergleich Vorher-Nachher-Befragung)

Gesamt vorher

(N=200)

% Gesamt nachher (N=200)

% Veränderung %

Weil sie Angst haben, dass die anderen…

… dann schlecht über das Kind und seine Eltern denken

112 56,0 110 55,0 - 1,0

…es weitererzählen 111 55,5 108 54,0 - 1,5 Weil sie denken, dass das niemand etwas angeht

74 37,0 36 18,0 - 19,0

Weil sie Angst haben, dass die anderen…

…etwas tun, das das Kind nicht möchte

31 15,5 51 25,5 + 10,0

… das Problem nicht verstehen 19 9,5 23 11,5 + 2,0 …nicht helfen 16 8,0 29 14,5 + 6,5 …dem Kind nicht glauben 13 6,5 22 11,0 + 4,5

19

Gründe nicht über häusliche Gewalt zu sprechen

Gründe, nicht mit Lehrkräften über häusliche Gewalt zu sprechen Weil sie...

Gesamt vorher

(n=192)

Gesamt vorher

%

Gesamt nachher (n=197)

Gesamt nachher

%

Veränderung %

... dann etwas tun, das man nicht will

97 50,5 112 56,9 + 6,4

... dann schlecht über die Familie reden

74 38,5 87 44,2 + 5,7

... nur für den Unterricht da sind

53 27,6 42 21,3 - 6,3

... einem nicht glauben 34 17,7 35 17,8 + 0,1

... einen dann bevorzugen 31 16,1 44 22,3 + 6,2

...einen dann schlecht behandeln

19 9,9 21 10,7 + 0,8

anderes 18 9,4 17 8,6 - 0,8

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Mit wen könntest du reden?

„Rosa, Heidi, Erich“

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Evaluation der Ausstellung „Echt fair“ in Schulen

Auswertung ausgelegter Evaluationsbögen aus Berlin und Kiel

Wer wurde befragt? Klassenstufen, n=1217

Signifikante Unterschiede nach Geschlecht beim Erleben der Ausstellung (in %, N=1.227)

Beispiele positiver Rückmeldungen:

„Es hat Spaß gemacht“, „Es war cool“, „Es war lustig“, „Es waren tolle Sachen zu sehen“, „Man konnte sich selbst testen und etwas ausprobieren“ .

„Es hat mich interessiert“, „Ich weiß jetzt, wann ich die

Polizei rufen darf“, „Ich fand es gut, dass es so viele Gesetze gegen Gewalt gibt“ oder „Ich habe gelernt, dass Gewalt keine Lösung ist“.

Beispiele negativer Rückmeldungen:

Sie konnten sich nicht konzentrieren oder die Sprachaufzeichnungen an den Spielstationen nicht hören, weil es zu laut war

der Raum war zu klein, sodass einige gar nicht alles sehen

oder ausprobieren konnten es gab keine ausreichenden Erklärungen die Zeit war zu kurz

Welche der verschiedenen Stationen findest du wichtig? (in %, N=1.227)

Signifikante Unterschiede nach Geschlecht bei der Gewichtung der Inhalte (in%, N=1.227)

Signifikante Unterschiede nach Alter bei der Gewichtung der Inhalte (in %, N=1.227)

Kenntnisstand zu häuslicher Gewalt im eigenen Umfeld nach Altersgruppen (in %, N=1.227)

Kenntnisstand zu Gewalt von Eltern gegen Kinder im eigenen Umfeld nach Altersgruppen (in %, N=1.227)

Mit wem können Mädchen und Jungen über Gewalt zwischen den Eltern reden? (Rangfolge der Antworten in %, N= 1.227)

Was würdest du einem Freund oder einer Freundin raten? (N=1.146 Nennungen)

Was würdest du raten? Schlichten

„Den Streit schlichten“ „dass sie sich beruhigen, und er soll fragen, wie der Streit

angefangen hat und darüber reden“ „dass sie sich mit den Eltern an einem Tisch setzen und

darüber reden“ „fragen, ob es sehr schlimm ist oder ob man das auch lösen

kann und sagen, dass man ruhig darüber reden kann“ „gehe nach Hause und sprich mit deinen Eltern, wie es dazu

gekommen ist“ „holt euch Hilfe, es gibt so viele Beratungsstellen, und wenn

wirklich nichts mehr geht, scheiden lassen“ „Ich würde sagen: versucht in Liebe wieder zusammen zu

kommen“.

Weitere Ratschläge: Intervenieren

„Dazwischen gehen“ „versuche den Streit zu stoppen“ „stoppen und klären“ „fragen, ob es wirklich nötig ist, dass sie sich schlagen oder

beschimpfen müssen“ „den Eltern sagen, dass er nicht will, dass sie sich streiten“ „er/sie soll mit ihnen reden, dass er es nicht gut findet“ „zwischen den Streit gehen und sagen: warum streitet ich

euch?“

Der Freundin / dem Freund helfen Trösten

„ich weiß, dass es schwer ist“ „ihn trösten“, „das wird schon“ „dass es bald besser wird“ „dass ich jederzeit für sie da bin“ „dass es mir leid tut“ „nach ein paar Tagen vertragen sich deine Eltern“ „ich würde ihr sagen, dass sie nicht schuld ist“ „ich würde zu ihr halten“, „ich würde zu meiner Freundin

stehen“, „ihr beistehen“ „Mut geben“, „versuchen sie zu beruhigen“.

Der Freundin / dem Freund helfen Praktische Hilfe

sie könnten bei ihnen schlafen, eine Weile dort bleiben, sie würden gemeinsam Telefonnummern und Adressen

heraussuchen sie würden sie zur Beratungsstelle, zum Jugendamt oder zur

Polizei begleiten sie würden mit ihren Eltern reden, weil diese vielleicht

wissen, was zu tun ist sie bieten an, mitzukommen und mit den Eltern des

Freundes oder der Freundin zu reden

Manche Mädchen und Jungen finden es schwierig, mit anderen über Gewalt zwischen den Eltern zu reden. Was glaubst du, wieso? (in % der Antworten, N=1.983)

…weil die anderen einen dann als Opfer sehen könnten, nach Altersgruppen (in %, N=1.983)

Opfer sein, was bedeutet das?

„ausgelacht und gemobbt zu werden“ „die könnten dann Lügen erzählen“ „weil die anderen einen dann ausgrenzen würden“ „weil die anderen einen dann kaum noch beachten“ „weil man gehänselt wird“ „weil sei einen auslachen oder es anderen erzählen, die sich

darüber lustig machen“ „weil dann vielleicht die Freunde nicht mehr mit einem

spielen“.

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Ergebnisse, die alle Evaluationen bestätigen

Von großer Bedeutung ist die aktive Beteiligung der Schülerinnen und Schüler in die Workshops.

Die Aktivitäten müssen altersgemäß sein, Spaß machen und sorgfältig bearbeitet werden.

Lernen durch Prävention führt zu Empowerment Lernen durch Prävention bestärkt im Sinne von Selbstwirksamkeit

Kern der Resilienz sind Selbstwirksamkeitsüberzeugungen, „das

heißt das Gefühl, etwas zu können und Einfluss zu haben auf seine Umgebung, in der Folge dann auch schwierige Aufgaben und Probleme erfolgreich bewältigen zu können.“

(Blum-Maurice 2006)

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Erwachsene müssen Verantwortung übernehmen – die Mädchen und Jungen tragen zu viel Verantwortung Kooperation entlastet und schützt

„Niemand alleine – keine Person und keine Institution alleine –

kann Gewalt gegen ein Kind erkennen, offen legen, das Kind schützen und die Folgen tragen“

Für mehr Kooperation und inter-institutionelle Verständigung!

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche Energie und Erfolg für Ihre Arbeit!


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