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Getreide, Mehl und Schrot - TEXT...Roggen II: Von echtem Schrot und Korn 15 Hafer: Wertvolles...

Date post: 03-Jun-2020
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Getreide, Mehl und Schrot Vom Rohstoff zur Backqualität Fachinformationen aus Wissenschaft und Praxis für das Qualitätsmanagement im Backgewerbe Weizen · Roggen · Hafer · Gerste
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Page 1: Getreide, Mehl und Schrot - TEXT...Roggen II: Von echtem Schrot und Korn 15 Hafer: Wertvolles Getreide – vorzugsweise geflockt 19 Gerste: Interessanter Rohstoff – nicht nur für

Getreide, Mehl und SchrotVom Rohstoff zur BackqualitätFachinformationen aus Wissenschaft und Praxisfür das Qualitätsmanagement im Backgewerbe

Weizen · Roggen · Hafer · Gerste

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IMPRESSUM

Herausgeber:

GMF Vereinigung Getreide-,

Markt- und Ernährungsforschung

GmbH,

Postfach 30 01 65, 53181 Bonn,

Beueler Bahnhofsplatz 18,

53225 Bonn

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Fax: 02 28 / 4 79 75 59

Internet: www.gmf-info.de

E-Mail: [email protected]

Titelfotos: GMF

© GMF 2004

Entstanden in Zusammenarbeit mit dem

BÄKO-magazin

im Verlag Chmielorz GmbH,

Marktplatz 13, 65183 Wiesbaden

Telefon: 06 11 / 3 60 98-0

Fax: o6 11 / 30 13 03

Internet: www.baeko-magazin.de

E-Mail: [email protected]

Titelbild, Gestaltung & Layout:

Petra Zibuschka,

Verena Ehlert, Janneth Calimon

Redaktion:

Falk Steins,

Michael Reitz, Stephan Schubert

Fachdokumentation und Texte:

Dr. Heiko Zentgraf (GMF, Bonn)

unter Mitarbeit von Prof. Dr.

Jürgen-Michael Brümmer

(Detmold)

Druck:

Druck- und Verlagshaus Chmie-

lorz GmbH, D-65205 Wiesbaden

Die Verwertung der Texte und Bil-

der, auch auszugsweise, ist ohne

Zustimmung des Rechteinhabers

urheberrechtswidrig und strafbar.

Das gilt auch für Vervielfältigun-

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Die Informationsangebote dieses

Heftes sind jedoch zur Verwen-

dung durch Lehrkräfte und deren

Beauftragte für Zwecke der schu-

lischen Unterrichtsgestaltung so-

wie den Einsatz in der betriebli-

chen Ausbildung freigegeben.

VorwortWissen, verstehen und miteinander sprechen ...

... sind die Grundlagen, um auf jeder Stufe der Getreidekette vomAcker bis zum Verzehr durch den Verbraucher für Qualität sorgenzu können. Die in diesem Heft zusammengefassten Beiträge sollenin diesem Sinne nicht nur die viel zitierte Brücke zwischen Wissen-schaft und Praxis schlagen, sondern sie sollen auch zu mehr Kom-munikation zwischen den einzelnen Produktstufen der Getreide-kette anregen. Das „Miteinander“ klappt erfahrungsgemäß umsobesser, je größer Kenntnisse und Verständnis der Zusammenhängesind. Deshalb haben wir versucht, zu unseren vier wichtigsten Ge-treidearten das Know-how zusammenzustellen, das als Basisinfor-mation eines fachlichen Dialogs über den Hauptrohstoff, d. h. dieMahlerzeugnisse, dienen kann.

Unter den heutigen Marktverhältnissen sind aktives Handeln undvorbeugendes Qualitätsmanagement unverzichtbar. Dabei sind alleBeteiligten gemeinsam gefordert, die arbeitsteilig bei Herstellungund Vermarktung in der Getreidekette Verantwortung tragen.Natürlich kann ein solches Heft nicht alle Fachinformationen liefern,die Sie vielleicht brauchen – deshalb werden in jedem Kapitel ergänzende Surftipps zur weiterführenden Informationssuche ge-geben.Die Backstuben – in welcher Größe auch immer – stehen mit ihrenProdukten zwar den deutschen Brot- und Brötchenkunden amnächsten, aber letztendlich müssen alle vom Saatgut bis zur Sem-mel zusammenwirken ...

... um Vertrauen zu schaffen undQualität zu sichern!

Seite

Weizen I: Von einem Wildgras zum Getreide mit Backqualität 3

Weizen II: Ganz schön helle: Brote und Brötchen aus Weizen 7

Roggen I: Wichtigste Grundlage der deutschen Brotvielfalt 11

Roggen II: Von echtem Schrot und Korn 15

Hafer: Wertvolles Getreide – vorzugsweise geflockt 19

Gerste: Interessanter Rohstoff – nicht nur für Brauereien 23

Stichwort: Mehlqualität 27

Weitere Informationen und Anregungen für Wissenshungrige und Tatendurstige 28

Inhalt

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Warenkunde

Weizen I

Von einem Wildgras zumGetreide mit Backqualität

FOTO: GMF/GLOBUSPRESS

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D ie Weizenpflanze ist ein ein-jähriges, meist unbegrann-tes Ährengras, dessen auf-

rechte Ährenspindel zweizeilig alter-nierend mit Ährchen besetzt ist. JePflanze bilden sich zwei bis drei Ährentragende Halme aus. In jeder Ähre fin-det man je nach Vegetationsverlauf,Düngung und Sorte etwa 30 bis 50Körner. Als Selbstbefruchter weist derWeizen eine gute genetische Stabilitätauf, d. h. die verschiedenen Sortenbleiben im Anbau über Jahre hinwegrein und behalten damit ihre jeweilstypischen Eigenschaften.Die Unterarten des Weizens, bota-nisch „Triticum“, werden genetischnach ihrer Chromosomenzahl – dieein Vielfaches von 7 beträgt – in ver-schiedene Reihen eingeteilt. In fast je-der Reihe kommen sowohl Wildfor-men, Spelz- und Nacktformen vor (s. Tabelle unten). Unser heutiger Saat-weizen, auch als Weich- oder Brot-weizen bezeichnet, ging aus der Kreu-zung mehrerer Getreide- und Wild-grasarten hervor. Die ersten von Men-schen angebauten Weizenarten warenEinkorn und Emmer. Ihr Herkunfts-gebiet liegt im Vorderen Orient, dieältesten archäologischen Funde stam-men aus der Zeit um 5000 v. Chr.

„Weltfrucht“

Weizen

Weizen stellt an Klima, Boden sowieNährstoff- und Wasserversorgung hö-here Ansprüche als andere Getreide-arten. Ab dem Mittelalter wurde er in

Mitteleuropa nach und nach heimisch,jedoch übernahm er bei uns erst inden 1930er-Jahren die Spitzenstellungim Getreideanbau. Gute Nährstoffver-sorgung und Böden vorausgesetzt,verfügt er über eine hohe klimatischeAnpassungsfähigkeit. Seine Anbauge-biete reichen von Meereshöhe bisüber 2000 Meter und durch alleKlimazonen vom Polarkreis bis zuäquatornahen Gebieten.Weizen benötigt als minimale Vegeta-tionszeit etwa 90 Tage, eine Mindest-Niederschlagsmenge von 220 mmund zeigt auf neutralen, humusreichenBöden die besten Erträge. Zwar sinddie heute verbreiteten Weizensortenbis ca. minus 20 °C Frost resistent, siebevorzugen aber insgesamt eher ge-mäßigte Klimazonen.Weizen spielt weltweit als Nahrungs-und Futtermittel eine enorme Rolle.Im Jahre 2002 lag die Erntemenge bei573 Mio. Tonnen (t), damit entfielen28,2% der gesamten Weltgetreide-ernte auf Weizen – etwa gleich großeMengen entfielen auf Reis und Mais.Die Europäische Union ist mittlerwei-le zur führenden Anbauregion fürWeizen geworden (104,8 Mio. t),gefolgt von China (91,3 Mio. t). Wei-tere bedeutende Produzenten sindIndien, Pakistan, Russland, Ukraine,USA und Kanada. Die wichtigsten An-bauländer innerhalb der EU sindFrankreich mit einem Anteil von 38%,gefolgt von Deutschland (20%) undGroßbritannien (16%). Im Durch-schnitt der letzten Ernten wurden vonden deutschen Bauern 20,7 Mio. t

Weichweizen eingebracht, davon be-nötigen die Mühlen rund 6 Mio. tBrotweizen zur Vermahlung für denInlandsbedarf. Durch die Züchtungs-erfolge beim Weizen steht heute ge-nügend deutscher Qualitäts-Brot-weizen zur Verfügung; die Notwendig-keit für Importe aus den USA oderKanada gehört der Vergangenheit an.Im Gegenteil: Deutscher Qualitäts-weizen ist ein begehrter Mischungs-partner, sodass er zu einem wichtigenExportartikel wurde.

Im Märzen der

Bauer …?

Zumindest bei der Aussaat desWeizens liegt das alte Volkslied weit-gehend falsch, denn bei uns spielen sogenannte „Winterweizen“, die bereitsim Herbst ausgesät werden, dieHauptrolle im Anbau. Die Aussaat von„Sommerweizen“-Sorten findet imFrühjahr statt, sie spielen aber nur dorteine Rolle, wo die Kältefestigkeit derüblichen Wintersorten nicht ausreicht,oder wenn die Witterung im Herbsteine Aussaat verhindert hat bzw.Frostschäden eine Nachsaat notwen-dig machen. Weil die Sommersortenim Ertrag deutlich niedriger liegen,kommen sie hierzulande nur in Aus-nahmefällen auf den Acker – ihr Anteillag in den letzten Jahren unter 5%.Dies spiegelt sich auch wider bei derAnzahl von Weizensorten, die demLandwirt zur Auswahl stehen. 105zugelassenen Winterweizensortenstehen 18 Sommerweizen gegenüber.Stimmig ist das Volkslied dagegen,wenn es um die Stickstoffdüngunggeht. Sie erfolgt üblicherweise in dreiGaben: Die erste zum Vegetations-beginn im Februar/März, die zweiteetwa Mitte April, die letzte im Früh-sommer, nachdem sich Anfang Juni beider Pflanze die Blattscheiden geöffnethaben. Sie ist entscheidend für die Ent-wicklung der Eiweißwerte im Weizen-korn. Bei der Ernte muss der Landwirtdann den richtigen Zeitpunkt abpas-sen, wenn auf dem Feld der Feuchtig-keitsgehalt des Korns sowie die Ei-weißmenge und -qualität, also dasBackpotenzial, optimal für Qualitäts-weizen sind.Aufgrund ihrer agrar-, mühlen- undbacktechnischen Eigenschaften wer-

Weizen I

Warenkunde

Arten Einkornreihe Emmerreihe Dinkelreihe

Genom(e)/ AA (diploid) AABB (tetraploid) AABBDD (hexaploid)BezeichnungAnzahl der 2 x 7 = 14 4 x 7 = 28 6 x 7 = 42Chromosomen

T. boeoticum T. dicoccoides ?(wilder Einkorn) (wilder Emmer) (unbekannt)

T. monococcum T. dicoccum T. spelta(Einkorn) (Emmer) (Spelz-/Dinkelweizen)

T. turgidum(Rauweizen)

– T. durum T. aestivum(Hartweizen) (Saat-/Weichweizen)

Botanisch-genetische Einteilung der Weizenarten (Triticum)(modifiziert nach Klingler und Franke)

Wildformen

Spelzweizen

Nacktweizen

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� Als „Eliteweizen“ wird die E-Gruppe mit sehr hohen „innerenWerten“ bezeichnet, die für die meis-ten unserer typischen Brot- und Ge-bäckrezepturen fast „zu hoch“ sind.Sie können aber zum gezielten Aus-gleich von Backschwächen andererSorten genutzt werden. Zudem wirdein Großteil dieser Sorten in Länderexportiert, die für ihre spezifischenProdukte gerade solche hohen Wertebenötigen.� In die K-Gruppe (für „Keksweizen“)sind diejenigen Sorten eingruppiert,die diesem Verwendungszweck ent-sprechend niedrige Werte haben.� Die so genannten EU-Sorten wur-den nicht vom Bundessortenamt, son-dern in einem anderen EU-Land fürden Saatgutverkehr zugelassen; siedürfen somit auch bei uns angebautwerden und fallen meist in die B-, C-oder K-Gruppe.Eine ausführliche Übersicht überQualität und Menge der aktuellenWeizenernten liefert die von derCMA (Abt. Brot & Backwaren) jährlich

den die Weizensorten bei uns in Qua-litätsgruppen eingestuft, wobei daserzielbare Gebäckvolumen im Vorder-grund steht. Dazu sind für den Bäckerdie Proteingehalte und Sedimenta-tionswerte als Garanten für Backfähig-keit besonders wichtig.

Kleines ABC der

Weizenqualitäten

� Als A-Gruppe wird „Qualitäts-weizen“ bezeichnet, der über hoheProtein- und Sedimentationswerteverfügt. Die Bezeichnung „A“ stammtübrigens historisch von dem Begriff„Aufmischweizen“, der mit hohenEiweißqualitäten Defizite anderer Sor-ten ausgleichen konnte (und kann).� Die B-Gruppe umfasst diejenigenSorten, die als „Brotweizen“ für dieGebäckherstellung im Allgemeinen gutgeeignet sind: Hier liegen die Werteim mittleren Bereich, der den Anfor-derungen der Backpraxis entspricht.� In die C-Gruppe werden die„Sonstigen Weizen“ eingeordnet, die –von Ausnahmen abgesehen – haupt-sächlich als Futterweizen verwendetwerden. Sie haben zumeist relativniedrige Protein- und „Sedi“-Werte,die kein gutes Backverhalten erwartenlassen – aber ein hohes Ertrags-potenzial.

herausgegebene Broschüre „Qualitätdes deutschen Weizens“.

Rohstoffqualität

für den Bäcker?

Die Rohstoffqualität ist ein komplexerBegriff, den Erzeuger bzw. Verarbeiterunterschiedlich auslegen. So verbindetz. B. der Landwirt mit Qualität hoheErtragsleistung und Krankheitsresis-tenz. Der Müller achtet auf gute Mahl-fähigkeit und Mehlausbeute und wirdgleichermaßen den Anforderungender Bäcker nach hoher Wasserauf-nahme bei optimalen Teig- und Back-eigenschaften Rechnung tragen. Indem Funktionsnetz „Weizenqualität“(s. Grafik) sind die wichtigsten Para-meter mit ihren vielfältigen Abhängig-keiten dargestellt. Es verdeutlicht, dasses die „eine“ Qualität nicht gebenkann, sondern dass immer die ver-schiedenen Funktionalitäten des na-türlich gewachsenen Rohstoffs bezüg-lich seiner Verarbeitungsprodukte imAuge behalten werden sollten.Beim Weizen sind die sehr unter-schiedlich ausgeprägten Sorteneigen-schaften also nicht nur für den Land-wirt sehr wichtig, sondern auch fürMüllerei und Backgewerbe. Deshalbwerden für die in Deutschland vomBundessortenamt zugelassenen Sor-

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Weizen I

Warenkunde

Verankerung der Weizenqualität (Genuss- und Gebrauchswert) durchSorte und Umwelt (gültig für hefegelockertes Brot und Gebäcke)

Umwelt, Anbau, Ernte

Qualität

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Wichtige Weizenerzeugnisse(im Uhrzeigersinn):

Weizenvollkornschrot (mittelfein),Weizenvollkornmehl, Weizenmehl

Type 1050, Weizenmehl Type 405,Weizenkörner.

FOTO: GMF

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ten nicht nur agrartechnische Eigen-schaften beschrieben und bewertet,sondern auch diejenigen Qualitäts-eigenschaften, die das Backgewerbeinteressieren. Das BMVEL hat eineKommission „Backqualität“ damitbeauftragt, diese Eigenschaften Sortefür Sorte nach objektiven Kriterien zuprüfen und zu beschreiben. Daraufaufbauend werden die Mindestanfor-derungen formuliert, nach denen ein-zelne Weizensorten in das Schemader Qualitätsgruppen eingeordnetwerden. Die Veröffentlichung in der„Beschreibenden Sortenliste“ bieteteinerseits dem Landwirt eine Hilfe beiseiner marktgerechten Sortenwahl,andererseits können sich die Mühlendaran beim Rohstoffeinkauf orientie-ren – im Hinblick auf die Wünscheihrer Bäckerkunden.

Qualitäten auf

dem Prüfstand

Die in der „Beschreibenden Sorten-liste“ aufgeführten Eigenschaften ge-ben einen ersten Ausblick auf das, wasvon bestimmten Weizensorten beimBacken zu erwarten ist. Hier eine Aus-wahl der wichtigsten Prüfkriterien:� Proteingehalt und -qualität: ErstesPrüfkriterium ist die Menge des imMehlkörper vorhandenen Proteins(Eiweiß). Sie wird mit chemischenStandardmethoden (nach Kjeldahlbzw. Dumas) bestimmt. Der Roh-proteingehalt beim Weizen wird starkdurch Menge und Zeitpunkt derStickstoffdüngung beeinflusst, es be-stehen jedoch auch große sortenspe-zifische Unterschiede. Steigende Pro-teingehalte wirken sich bei „guten“Sorten in der Tendenz positiv auf dasBackverhalten aus. Die Bestimmungder Proteinqualität ist mindestensgenauso wichtig, denn die Menge unddas Potenzial der Kleber bildendenProteinfraktionen („Gluten“) ist maß-geblich für die Backeigenschaften. AlsMaß für die Eiweißqualität dient in derPraxis vor allem der Sedimentations-Wert (nach Zeleny): Er gibt Auskunftüber die Quellfähigkeit des Proteins.Eine Mehlsuspension (= Mischung ausFlüssigkeit und Feststoff) wird geschüt-telt, und nach vorbestimmter Zeit dasVolumen (in Milliliter) des gequollenenSediments gemessen. Die Quelleigen-

schaften des Proteins ermöglichenVoraussagen über Teigstand, Gashalte-vermögen und Volumenausbeute derGebäcke. Der „Sedi“ wurde daher zueinem Kriterium für die Eiweißqualität.Er ist in hohem Maße sortenspezifischund korreliert meist positiv mit Pro-teingehalt und Backvolumen.� Stärke und Enzymaktivität: Rück-schlüsse auf die zu erwartende Back-fähigkeit eines Weizens lassen die Ver-kleisterungseigenschaften der Stärkezu, vor allem was das Krumenbildungs-vermögen eines Mehles und die damitverbundene Teiglockerung betrifft. AlsSchnellmethode wird dazu die „Fall-zahl“ bestimmt. Ihre Höhe wird vor-wiegend durch die Verkleisterungs-bzw. Viskositätseigenschaften derStärke bestimmt. Bei niedrigen Fall-zahlen (gemessen in Sekunden) kanndie Backqualität durch Schwächungder Krumenelastizität beeinträchtigtsein, weil die Enzyme (Amylasen) zuaktiv waren. Umgekehrt: Ist die Fallzahlbei sehr geringer Enzymwirksamkeitzu hoch, besteht die Gefahr einertrocken-krümelnden Kruste. Aber dieFallzahl ist und bleibt nur ein Indiz: DieErfahrung zeigt, dass auch Mehle mitniedrigen Fallzahlen gut backen kön-nen, wenn gleichzeitig eine gute Kle-berqualität gegeben ist.� Backversuch: Als Standardback-versuch hat sich der Rapid-Mix-Test(RMT) bewährt. Unter definiertenBedingungen wird ein Teig geknetetund aus ihm Brötchen gebacken.Damit ist die zu erwartende Volumen-ausbeute bestimmbar, und es könnenElastizität sowie Oberflächenbeschaf-fenheit des Teigs nach den Definitio-nen des RMT in der „Bäckersprache“beschrieben werden. Weiterhin gibt

dieser Backversuch Hinweise zur Teig-ausbeute und zu einem ggf. notwendi-gen Backmitteleinsatz.Drei weitere, ergänzende Analyseme-thoden kommen durch ihre techni-schen Verfahren der Realität von Teig-bereitung und Backen immer näher:Mit dem Amylographen wird der Tem-peraturverlauf beim Backprozess si-muliert und der zeitliche Verlauf derStärkeverkleisterung gemessen. DerFarinograph bestimmt die Wasser-aufnahmefähigkeit eines Mehls undlässt Aussagen über die Kneteigen-schaften der daraus herzustellendenTeige zu. Extenso- bzw. Alveographenmessen die Dehneigenschaften desaus einer Mehlprobe hergestelltenTeigs. Danach lässt sich z. B. sagen, ob„nachlassende“, „normale“ oder „kur-ze“ Teige zu erwarten sind und wie sieverarbeitet werden müssen.Aufgrund der labortechnisch und imBackversuch ermittelten „Charaktere“der angelieferten Weizenpartien kön-nen anschließend durch die richtigeMühlenmischung der Rohstoffe undSorten die Backeigenschaften fürunterschiedlichste Verwendungs-zwecke optimiert werden. l

Weizen I

Warenkunde

In der Versuchsbäckerei (hier: Weihenstephan) werden die Back-eigenschaften der einzelnen Weizensorten und -jahrgänge überprüft.

FOTO: GMF/DELTAPRESS

Infotipp:Mehr über Mehl, Müller undMühlen sowie weitere Informa-tionsangebote finden Sie auf denWebseiten des Verbandes Deut-scher Mühlen. Dort besteht auchdie Möglichkeit, nach Betrieben inIhrer Nähe zu suchen: im nachPostleitzahlen geordneten Mit-gliederverzeichnis.www.muehlen.org

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Warenkunde

Weizen II

Ganz schön helle: Broteund Brötchen aus Weizen

FOTO: GMF

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D ie „weiße Ware“ aus Wei-zen dominiert in Deutsch-land mengenmäßig eindeu-

tig den Backwarenmarkt. Auch wenndie Verbraucher auf die Frage nachLieblingsbroten häufiger „dunkel“ und„Roggen“ nennen, genügt ein Blick indie Auslagen: Brote und Brötchen aus(oder mit hohen Anteilen an) Weizen-mehlen sind ein wesentlicher Sorti-mentsschwerpunkt. Besonders giltdies für den Bereich des Außer-Haus-Verzehrs, wo weizenhaltige Gebäckeund Sorten mit mediterranem Touchdas Angebot bestimmen.

„Who is Who“ bei

Weizenbrot

Einteilen und definieren lässt sich derProduktbereich durch die Verkehrsbe-zeichnungen gemäß den Leitsätzen fürBrot und Kleingebäck, wobei bezüglichder verwendeten Bestandteile keineDifferenzierung zwischen den beidenGruppen (außer bei Roggenbrötchen)vorgenommen wird. Kleingebäcke ent-sprechen den Definitionen für Brote,unterscheiden sich also allein durchGröße, Form und Gewicht, letzteresliegt unter 250 g.� Weizenbrot (Weißbrot) wird ausWeizenmahlerzeugnissen hergestellt,ein Roggenanteil oder Schrotanteil biszu 10% ist statthaft. Die Verwendungvon Fettstoffen und/oder Zuckerartenist bis zu 3% (auf Getreideerzeugnisseberechnet) zulässig. Bei höheren Men-gen (3–11%) lautet die Verkehrsbe-zeichnung „… mit Fett und Zucker“,die gleiche Höchstmenge gilt fürWeizentoastbrot.� Weizenmischbrote werden ausWeizen- und Roggenmahlerzeugnis-sen hergestellt, die Weizenanteile liegen zwischen 50 und 89%, die Schrotregelung bleibt unberührt.� Weizenschrotbrote, wie z. B.Grahambrot, werden aus Weizenback-oder -vollkornschrot hergestellt, An-teile anderer Weizen- und/oder Rog-generzeugnisse sind bis zu 10% er-laubt. Bei Weizen-Vollkornbroten sindMahlerzeugnisse zu verwenden, diesämtliche Bestandteile des gereinigtenWeizenkornes (bzw. ganze Körner)enthalten.Außerdem dürfen nur Back-hefe, Salz, Wasser und Milcherzeug-nisse eingesetzt werden. Anteile ande-

rer Weizen- bzw. Roggenerzeugnissesowie sämtlicher anderer Zugabensind zusammen nur bis 10% zulässig.Ein erheblicher Teil des Weizenmehlswandert auch in die dunkleren Brot-und Brötchensorten. Roggenmisch-brote und Roggenbrötchen könnenbis zu 49% Weizenmahlerzeugnisseenthalten, Roggenbrote bis zu 10%.

Klein und fein in

grosser Vielfalt

Die Vielfalt der Brötchen und Kleinge-bäcke ist angesichts regionaler und be-triebsspezifischer Spezialitäten kaumüberschaubar. Die meisten Kleinge-bäcksorten werden aus Weizen her-gestellt, obwohl es natürlich Spezial-brötchen aus Roggen-/Weizenmehlenbzw.Vollkornerzeugnissen gibt. Bei derwarenkundlichen (nicht lebensmittel-rechtlichen!) Darstellung gegenüberden Verbrauchern hat sich eine Syste-matik eingebürgert, die je nach Aus-sehen und Herstellungsart sechsHauptgruppen unterscheidet, mit u. a.folgenden typischen Sorten:� Kleingebäck „mit Geschmack“:Brötchen und Gebäcke, deren Ober-flächen z. B. mit Mohn, Kümmel oderSesam bestreut sind, oder die mitZwiebeln, Gewürzen oder Nüssen an-geteigt werden. Sie gibt es in Bröt-chen- und Stangenform, z. B als Se-samstange, Zwiebelbrötchen, Mohn-semmel, Kümmelstange, Käsebröt-chen, Kräuterbrötchen,Walnussweck.� Verfeinertes Kleingebäck: Wird derTeig durch etwas mehr Fett und/oderden Zusatz von Zucker verfeinert, be-kommt er dadurch besonderen Biss

oder Lockerung, so bei z. B. Croissant,Milchweck, Kieler Semmel, Butter-hörnchen, süßen Brötchen.� Ausbundgebäck: Mit „Ausbund“ be-zeichnet man den Eindruck oder Ein-schnitt im Gebäck, der den Krusten-anteil erhöht. Damit gewinnt der Ge-schmack an Aroma, z. B. bei BerlinerSchrippe, Bauern-, Baguette- undSpitzbrötchen, Kaisersemmel, meistauch beim „normalen“ Brötchen.� Glattes Kleingebäck: Diese rundenoder länglichen Brötchen mit glatterOberfläche werden sowohl als helleGebäcke als auch häufig mit Roggen-anteilen angeboten, z. B. RheinischesRöggelchen, Hamburger Rundstück,Wasserweck, Roggenbrötchen.� Besonders geformtes Kleingebäck:Dazu gehören alle Sorten, bei denender Teig besonders geformt odergerollt oder in Strängen verflochtenwird, z. B. Laugenbrezel, Zopfbrötchen,Flechtsemmel, Hörnchen.� Schrot- und Vollkornbrötchen: Siewerden aus Backschrot 1 700, Voll-kornmehl (fein) oder -schrot (grob)gebacken. Es gilt: Wo Vollkorn drauf-steht, ist auch (mindestens zu 90%)Vollkorn drin! Bei vielen „Körner-brötchen“ kommt oft nur eine „Hand-voll Schrot“ in die Rezeptur, dann han-delt es sich um schrothaltige Gebäcke:Graham-, Hafer-, Mehrkornbrötchen,Schrotsemmel,Vollkornstange.Im Getreidewirtschaftsjahr 2002/2003haben die deutschen Mühlen für denInlandsbedarf 4,7 Mio. Tonnen Mehleund Schrote aus Brotweizen herge-stellt (inkl. Dinkel). Der Löwenanteilentfiel mit drei Vierteln der Gesamt-menge auf die klassische Bäckermehl-

Weizen II

Warenkunde

Weizenbrote und Weizenmischbrote sind Sortimentsschwerpunkte jedes Bäckers. Im Bild: Stangenweißbrot (1), Kastenweißbrot (2),

Toastbrot (3), Weizenbrot (4), Mischbrot (5), Kasseler Brot (6),Schwarzwälder Brot (7), Krustenbrot (8).

FOTO: CMA

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qualitäten (Züchtung!), Mahl- undMischverfahren sowie besondere phy-sikalische Mehlbehandlungen, aberauch oxydative und enzymatischeMehlverbesserungen die Backqualitätin sehr unterschiedlicher Weise,sodass Formeln oder Erfahrungswertenicht immer ein „richtiges“ Bild liefern.

Zeit zum Führen

und Backen!

Vielmehr kommt es auf die tatsächli-che Backfähigkeit an, die an Zahlenschwer festzumachen ist – zumal auchdie betriebsspezifischen Produktions-abläufe mit ihren funktionalen Roh-stoffanforderungen immer stärker va-riieren. Hier einige Anhaltspunkte ausder Praxis:

Type 550, gefolgt von der Weizentype405 mit 12%, worin allerdings auchdas Haushaltsmehl für Endverbrau-cher enthalten ist. Rund 10% warenTypenmehle im mittleren Bereich,davon über die Hälfte 1 050, währendder Absatz der Typen 812 und 1 600in den letzten Jahren zurückging. Mitknapp 3% spielen beim Weizen Voll-kornerzeugnisse und Backschrot eineuntergeordnete Rolle. Zum Vergleich:Bei Roggen sind es über 20%.

Richtiges Mehl

für jeden Zweck

Das Vertrauen zwischen Verkäufer undKäufer ist sehr wichtig, denn „richtige“Lieferkriterien lassen sich nur schwerin Zahlen fassen. Getreide und Mahl-erzeugnisse sind biologische Rohstoffemit gewissen natürlichen Schwankun-gen. Dem Bäcker bekannt sein solltedie mühlenseitige Mehlbehandlung,z. B. mit Ascorbinsäure oder enzyma-tisch, etwa mit aktivem Malzmehl.„Helle Farbe = helles Gebäck“ sowie„gute Backfähigkeit = großes Volu-men“ sind die für den Bäcker wichtigs-ten Kriterien. Natürlich sind Protein-gehalte, Sedimentationswerte und/oder Feuchtklebergehalte als Maß-zahlen bzw. Kriterien für die Backfähig-keit bekannt, doch können die Korre-lationen dieser Messwerte zum Back-verhalten nur Orientierungshilfen sein.Zunehmend beeinflussen Rohstoff-

� Für ein Bäckermehl der Type 550 isteine RMT-Volumenausbeute (VA) von640 bis 660 ml als gute Basis für direktgeführte Brötchen,Weißbrote, Feinge-bäcke sowie für Weizen- und Roggen-mischbrote anzusehen. Die Fallzahlensollten etwa zwischen 270 und 300 sliegen, aber auch niedrigere oder hö-here Fallzahlen liefern oft gute Ergeb-nisse – eben je nach Ausgangsqualitätdes Rohstoffs und Verwendungszweck.� Als Grundlage für Gebäcke, dieüber die Kältetechnologie (Gärunter-brechung) laufen, sowie für Mehrkorn-rezepturen, Toastbrote, Stuten undStollen sind „stärkere“ Mehle miteiner RMT-VA von 680 bis 700 ml undFallzahlen von 300–330 s empfehlens-wert, was aber z. B. auch vom jeweili-gen Backmitteleinsatz nach Art undMenge abhängt.� Für die Mischbrotherstellung wer-den häufig auch Mehle der Type 1 050verwendet. Gerade in Verbindung miteinem Vorteig (mit Backhefe alsStarter) oder auch für Weizensauer-teige sind höher ausgemahlene Mehlegenauso gut geeignet. Dabei kann sichdas Aroma verstärken und die Porungetwas offener/gröber werden. Vieleregionale Spezialitäten werden tradi-tionell mit den dunklen Mehlen herge-stellt, aber sie „gedeihen“ natürlichauch mit helleren Mahlerzeugnissen.� Weizenvollkornbrote aus Schrotenund/oder Mehlen haben sich amMarkt nicht nennenswert durchsetzenkönnen. Das mag u. a. daran liegen,dass sie nicht so recht den Kunden-erwartungen in deutschen „Schwarz-brot“-Landen entsprechen. Außerdementtäuschen sie auch bäckerisch häufigin ihren Qualitätsergebnissen, beson-ders bei Weizenvollkorn-Schrotbro-ten. Rezepturen für die Verarbeitungvon Weizenvollkornmehlen, z. B. zuToastbrot oder zu Brötchen, liefernschon eher akzeptable Produkte, wo-bei Rohstoffqualitäten oder auch dieAscorbinsäurebehandlung des Wei-zenvollkornmehles eine besondereRolle spielen. Etwas Fett und/oderZucker unterstützen dabei die natürli-chen Backeigenschaften dieser Mahl-erzeugnisse.Auch Anteile von Weizen-vollkorn- plus Typenmehl (z. B. 550)bieten bäckereitechnologisch überra-schend gute Grundlagen für Klein-gebäckvariationen: Hier ist ein Anteil

9

Weizen II

Warenkunde

Ebenso beliebt wie die „Großen“: Weizenkleingebäck. Im Bild: Sesamstange(1), Zwiebelbrötchen (2), Croissant (3), einfaches Brötchen (4), Bauern-

brötchen (5), halbes Röggelchen (6), Laugenbrezel (7), Grahambrötchen (8).

FOTO: GMF

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fi

Anteil vonWeizenmahlerzeugnissenan der Inlandsherstellung (in %, 2002/03)

75,1

12,44,15,7

550 405 1050

andere Typenmehle Vollkorn und Backschrot

2,7

QUELLE: VDM

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von 3–5% (bzw. bei Brot von 5–10%)Weizenmehlsauerteig vorteilhaft fürGeschmack, Krumeneigenschaftenund Frischhaltung.Auch hier kommt es natürlich inerster Linie auf die Betriebsabläufe an.Die alte Bäckerweisheit zur Führung(„kühl und weich“) ist jedoch unbe-dingt durch den Faktor Zeit zu ergän-zen! Jede übermäßige Beschleunigungder Reifungs- und Gärungsvorgängeschadet der Qualität. Man sollte nichtzu viel Backhefe wählen, eine passen-de Backmitteldosierung und keine zuhohen Teigtemperaturen. Zu empfeh-len sind ausreichend lange Zeiten fürGärruhe bei Zwischen- und Endgareund ausreichende Teigausbeuten –trotz eventueller Schwierigkeiten beider maschinellen Teigbearbeitung.

Vorteil durch

Vorteig?

Krumenstruktur, Kauverhalten, Porungund Gebäckaroma werden beimBacken vollendet. Schon um Minutenzu kurze Backzeiten können die Arbeitvon Stunden zunichte machen – einbei Qualitätsprüfungen häufig ange-sprochener Fehler. Denn erst gegenEnde der Backzeit entstehen die wirk-lich aromabestimmenden Umsetzun-gen. Eine ausreichende Backzeit ist anBräunung, Dicke und Dichte der Krus-te erkennbar. Sie sollte goldbraun undnicht zu dunkel in der Farbe sein. Diesich deutlich von der Krume abheben-den Krustenbereiche sollten mindes-tens 1 mm, besser 1,5 mm betragen.Eine zu kurze Backzeit ist auch nichtdurch erhöhte Backtemperaturen aus-zugleichen. Zwar mag dann der Bräu-nungsgrad stimmen, aber nicht dieKrustendicke. Besonders die Bröt-chenqualität leidet leicht durch zuschnelle Herstellung und zu kurzesBacken, vor allem nach der Gärunter-brechung, wenn die Teiglinge nach derTK-Entnahme zu schnell, d. h. zu wenigaufgetaut und damit zu kühl, abge-backen werden. Zwar funktioniert einsolch „schnelles Handling“, aber denProdukten täte es besser, wenn auchhier genügend Zeit zur Verfügungstünde. Dann können sich Rösche,Geschmack und Genusswert nicht nurbesser entwickeln, sondern bleibenauch im Endprodukt länger erhalten.

Weizen II

Warenkunde

Brotprüfungen sind das besteMittel gegen„Betriebsblindheit“.

FOTO

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Indirekte Führungen, also dieVerwendung von gäraktiven Vor- bzw.Sauerteigen, sind seit einigen Jahrenauch bei weizenbetonten Gebäckendeutlich beliebter geworden, werdenallerdings kontrovers diskutiert. Wei-zenvorteige bzw. -sauerteige beein-flussen in erster Linie die Porung inRichtung gröberer, „romanisch-medi-terraner“ Art, haben aber meist nureinen relativ geringen Einfluss aufGeschmack und Brotaroma.Hier sind zwei praktische Tipps, umnegative Geschmackseindrücke beider Vorteigführung zu vermeiden,sowie drei Argumente aus der aktuel-len Diskussion, die es abzuwägen gilt:� Backhefe-Vorteige sollten kühl (23–25 °C), weich (TA 180–190) und miteiner Reifung über Nacht (etwa 15Stunden) geführt werden.� Ein Starteranteil von etwa 0,5%Backhefe sowie eine Dosierung jenach Gebäcktyp von etwa 10–20%bei Brötchen oder sogar 30–50% fürCiabatta, Baguette und Fladenbrot etc.unterstützen weiche Gebäckkrumenund produkttypische Grobporigkeit.� Speziell beim Einsatz von Weizen-sauerteigen ist zu bedenken, dass siedie Volumenausbeute vermindern,weil durch die Säureentwicklung Kle-berproteine verstärkt in Lösunggehen, dann von Enzymen abgebautwerden können, und somit als Volu-menträger verloren gehen.� Geschmacksveränderungen, beson-ders in den geschmacklich eher „neu-tralen“ Weizengebäcken, sind leichterüber die Rezepturzusammenstellungzu erzielen. Etwas mehr Zucker ver-schiebt den Geschmack sehr schnell inRichtung süß. Fingerspitzengefühl istbei der Zugabe von Salz oder Genuss-Säuren nötig, weil sie bei Weizenge-

bäcken schneller als im Roggenbereichdominieren.Auch bei Zugabe von Ge-würzen ist Vorsicht geboten, weil dieseleicht zu geschmacksintensiv werden.� Eine einfache, effiziente Möglichkeit,um gutes Gebäckaroma in diesemProduktbereich zu erzielen, ist der Ein-satz von Roggensauerteigen. Die be-sondere Konsistenz der Roggenmahl-erzeugnisse spielt hier eine Rolle. Einesäuerliche Geschmacksnote bei Wei-zengebäcken ist z. B. mit etwa 3–5%Roggenmehlsauerteig zu erreichen –ggf. auf Basis der Type 997, damit dieKrume nicht zu dunkel wird.

Qualität ist das

A und O

Betriebsinterne Qualitätsprüfungenbeginnen beim Endprodukt und ver-gleichen das Erscheinungsbild mit denWunschvorstellungen. Sind Ausbund,Bräunungsgrad, Krustenstärke, Kru-menelastizität und Porung in Ordnung,stimmen meist auch Kauverhalten undGeschmack. Ein gelegentlicher Quali-tätscheck von neutraler Seite schärftden Blick für etwaige Verbesserungs-möglichkeiten und vermindert dasRisiko einer „Betriebsblindheit“. l

Infotipp:Im Internetangebot der CMAkönnen Sie in den verschiedenenBereichen zu Brot, Mehl undBrotgetreide surfen.Zur „Direktwahl“ hängen Sie bei-spielsweise wissen_2924.php(= für Warenkundetipps) odergenuss_5605.php (= für Brotre-zepte) mit Slash an die Adresse.www.cma.de

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Warenkunde

Roggen I

Wichtigste Grundlage derdeutschen Brotvielfalt

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R oggen (botanischer Name:Secale cereale) ist eine ein-keimblättrige Pflanze und

gehört zur Familie der Gräser. DieSchließfrucht hat deutlich ausgeprägteFruchtstände, die hier – wie bei Wei-zen und Gerste – als Ähre bezeichnetwerden, im Gegensatz zu Rispen(Hafer, Reis, Hirsearten) oder Kolben(Mais, Hirsearten).Die geographische Heimat des Rog-gens als Kulturpflanze liegt im Gebietzwischen Kaspischem und SchwarzemMeer. Von dort breitete er sich überRussland bis nach Ost- und Nord-europa aus. Ein zweiter Weg führteüber Kleinasien, den Balkan und ent-lang der Donau ins südliche Mittel-europa. Die ältesten archäologischenRoggenfunde in Deutschland stam-men aus dem ersten vorchristlichenJahrhundert; bei Germanen, Keltenund Slawen war er die am weitestenverbreitete Getreideart.

Roggen als

Brotgetreide

Noch im 19. Jahrhundert spielte Rog-gen als Nahrungs- und Brotgetreide inDeutschland die Hauptrolle und erstin den 1930er-Jahren wurde er vomWeizen überflügelt. In den vergange-nen Jahrzehnten gingen Anbauflächen,Vermahlung und Verwendung kontinu-ierlich zurück, erst seit dem Getreide-wirtschaftsjahr 2001/2002 vermahlendie deutschen Mühlen wieder etwasmehr Roggen. Dabei ist der Roggenaus Sicht der Konsumenten und damitunter dem Aspekt der Sortiments-Profilierung auch für das Backgewerbe

unverzichtbar : Nur mit Roggen ist diedeutsche Brotvielfalt denkbar undmachbar.Weltweit spielt Roggen unter denGetreidearten eine sehr geringe Rolle,weil deutliche Anbauschwerpunktenur in Mittel-, Nord- und Osteuropazu finden sind. Größte Produzentensind Russland und Polen mit 7,5 bzw.5,3 Mio. Tonnen. Deutschland produ-ziert im Mittel 3,8 Mio. Tonnen. Derdeutsche Brotroggen ist überwiegendWintergetreide, d. h. seine Aussaaterfolgt im Herbst. Roggen ist einFremdbefruchter, im Gegensatz z. B.zum Selbstbefruchter Weizen. EineNachzüchtung gleicher Eigenschaftenist daher schwieriger. Die Wachstums-perioden wie Bestockung, Halment-wicklung, Ährenschieben und ver-schiedene Reifestadien sind denen deranderen Getreidearten ähnlich.Roggen reagiert auf gezielte Nähr-stoffzugaben während des Aufwuch-ses auch in Richtung Ertrag, z. B. indemmehr oder größere Körner in denÄhren gebildet werden. Die Intensität

seiner Düngung spiegelt sich abernicht so stark in verbesserten Ver-arbeitungseigenschaften wider wieetwa beim Weizen. Stärke- und Pro-teinanteile schwanken stärker auf-grund von Temperaturunterschiedenwährend des Wachstums: Bei durch-gehend wärmerer Witterung tendiertRoggen zu geringeren Stärkeanteilenund höheren Proteinmengen sowie zueiner gleichzeitigen Steigerung derErträge – bei kühleren Wetterbedin-gungen während der Entwicklung ent-sprechend umgekehrt. Besondersempfindlich reagier t der Roggengegen ein Übermaß von Niederschlä-gen zur Erntezeit. Während er imFrühstadium seines Aufwuchses relativwenig feuchtigkeitssensibel ist, hat einefeuchtwarme Witterung kurz oderwährend der Ernte häufig eine frühzei-tige Aktivierung der korneigenenEnzyme zur Folge. Dieser so genannteAuswuchs kann zu einer starken Be-einträchtigung der Verarbeitungs-eigenschaften, etwa beim Brotbacken,führen.

Nährstoffreich

und anspruchslos

Roggen gedeiht besonders gut auchauf wasserärmeren und qualitativ nichtso hoch eingestuften Böden. Er zeigtdort gute bis hohe Erträge, wenn eineentsprechende Wurzelleistung vor-handen ist. So ist die Ertragsleistungbeim Roggen weniger abhängig vonder Bodengüte. Neben seinen gerin-geren Temperatur- und Wasseran-sprüchen zeichnet sich Roggen durchdie höchste Nährstoffeffizienz unterden Wintergetreidearten aus. DieseFähigkeit wissen die Roggenbauern

Roggen I

Warenkunde

Der Roggen (hier: Ernte in Brandenburg) istüberall in Nord-, Mittel- und Osteuropa zu Hause.FO

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FOTO: GMF

Die wichtigstenRoggenmehle und -erzeugnisse aufeinen Blick.Im Uhrzeigersinn:Type 1150 (Mitte),Type 997, Type 1370,gereinigte Körner(= Speisegetreide),Vollkorn-Schrot(mittel), Vollkorn-Schrot (grob).

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ten im Bereich von 1,0 bis 1,2% i. Tr.,schon sozusagen „auf halbem Wegzum Vollkorn“. Die Mehltypen-Rege-lung (nach DIN-Norm 10355) bildetdie Grundlage für die Einteilung derMahlerzeugnisse und ihren Handel.Darüber hinaus können die Mühleneine Vielzahl funktionaler Qualitätenfür unterschiedlichste Produktanfor-derungen einstellen.Die wichtigsten Qualitätsparameter inder Roggencharakterisierung sindAmylogramm- und Fallzahlwerte. Inder Abbildung werden die wichtigstenQualitätsbeziehungen von Rohstoff-und Verwendungseigenschaften ge-zeigt (Roggenqualitätsrahmen, s. Grafik).Diese Parameter sind für eine guteRoggenbrotqualität von Bedeutung.Die eingerahmten Bereiche habensich als besonders vorteilhaft für eineausreichend gute Brotlockerung,

Saftigkeit und damit hohes Frisch-haltevermögen erwiesen – bei gleich-zeitig hohem Aromapotenzial. Es istdaher ratsam, eher abbaufreudigeRoggen-Mahlerzeugnisse, also solchemit tendenziell niedrigeren Fallzahl-werten bzw.Temperaturen im Amylo-gramm-Maximum zu verarbeiten, alsdie abbauträgeren, „trocken backen-den“, die mit ihren höheren Kenn-zahlen buchstäblich „aus dem Rah-men“ fallen. Dieses Qualitätsfensterkann als prinzipieller Leitfaden dienen.Natürlich ist aber von Ernte zu Erntedie rohstoffbedingte Verfügbarkeit zuberücksichtigen. In witterungsabhängi-gen Ausnahmefällen, wie z. B. bei derErnte 2003, können die Durch-

Backwaren, wobei Roggenmehle undRoggenschrote am häufigsten verar-beitet werden. Es dominiert die Mehl-type 1 150 mit 55%, gefolgt von Type997 (29%), Type 1 370 (10%), Type815 (4%) und Type 1 740 mit 2% (lautVerband Deutscher Mühlen 2003).Regionale Schwerpunkte bei der Her-stellung von Roggen-Typenmehlenzeigen gleichzeitig die unterschiedli-chen Vorlieben der Bäcker für be-stimmte Produkte: So wird über-durchschnittlich viel Roggentype 997in Hessen, Thüringen, Sachsen undBayern produziert, der Anteil an Rog-genmehlen der Type 1 150 liegt beiden Mühlen in Baden-Württemberg,Rheinland-Pfalz und Nordrhein-West-falen sowie in Mecklenburg-Vorpom-mern und Sachsen-Anhalt besondershoch. Die Type 815 ist vorwiegend imSaarland von Bedeutung, für 1 370 fin-

det sich ein Produktions-Schwerpunktin Berlin/Brandenburg. In Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Bremen undHamburg ist dagegen vor allem dieSchrotherstellung aus Roggen über-proportional hoch.Die Mineralstoffgehalte der verwen-deten Roggenerzeugnisse sind imAllgemeinen höher als bei denen ausWeizen. So sind auch die wichtigstenRoggen-Typenmehle mineralstoffrei-cher als die am häufigsten verwende-ten Weizenmehle. Dominiert beimWeizen die Mehltype 550 mit einemdurchschnittlichen Mineralstoffgehaltvon etwa 0,6% i. Tr., liegen die ent-sprechenden Roggenmehle der Typen997/1150, d. h. mit Mineralstoffgehal-

sehr zu schätzen, denn in manchenRegionen wäre aufgrund der einge-schränkten Bodengüte ein Anbauanderer Feldfrüchte wenig Erfolg ver-sprechend.

Stichwort

„Roggenqualität“

Die Getreidezüchtung hat beimRoggen in den letzten 50 Jahrenerhebliche Fortschritte gemacht.Während zunächst Ertragssteigerungund -sicherung als Zuchtziele im Vor-dergrund standen, liegt das Augen-merk seit etwa 25 Jahren auf weiter-führenden Qualitätskriterien. Nichtnur agronomische Aspekte, sondernauch wesentlich verbesserte Mahl-und Backeigenschaften konnten dieGetreidezüchter erfolgreich in neuenRoggensorten umsetzen. Dazu gehö-ren u. a. die verminderte Enzymakti-vität (Fallzahl, Amylogramm) unddamit etwas verbesserte Auswuchs-festigkeit. Heute stehen den deut-schen Landwirten 30 amtlich zugelas-sene, leistungsstarke Roggensortenzur Verfügung. Diese sind in derbeschreibenden Sortenliste des Bun-dessortenamtes mit den Ergebnissender Wertprüfungsverfahren dokumen-tiert. Dies erleichtert es dem Land-wirt, die für seine Standortbedingun-gen und Vermarktungsziele richtigeWahl zu treffen. Im Durchschnitt wur-den in Deutschland seit der Wieder-vereinigung pro Jahr 3,822 Mio.Tonnen Roggen eingefahren. Davonwaren 83% Brotroggen, bezogen aufdas EU-Interventionskriterium miteiner Roggen-Fallzahl über 120. VonErnte zu Ernte schwankt dieser Anteilallerdings beträchtlich: In den zurück-liegenden Jahren lag er zwischen 25%und 100%.

Über Roggen-

Mahlerzeugnisse

Bei der Betrachtung von Erntemengenund ihrer Verteilung in Deutschlandmuss man sich stets vor Augen halten,dass derzeit nur bis zu etwa 1 Mio.Tonnen des geernteten Roggens fürZwecke der Weiterverarbeitung inder menschlichen Ernährung benötigtwerden. Dazu zählen vor allem dieMahlerzeugnisse zur Herstellung von

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Roggen I

Warenkunde

Roggen-Amylogramm – Max.Temperaturen bzw.Fallzahlen und zu erwartende Backeignung

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120 180 240Fallzahl, s

Typenmehle ungünstig(zu feucht)

Grobschrot sehr günstig

Typenmehle sehr günstig

Typenmehle ungünstig(zu straff, zu trocken)

Vollkornmehl günstig

Aufmisch- undExportroggen

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schnittswerte einer Ernte völlig außer-halb der „Fensterwerte“ liegen. Den-noch gelingt es auch dann, gut backen-de Mehle und gute Brote herzustellen.Bei solchen Getreidequalitäten ist dashandwerkliche Geschick auf allenEbenen gefordert.

Roggenmehl

im Brot

Der Hauptverwendungszweck vonRoggenmehl, überwiegend der Typen997/1150, liegt im Mischbrotbereich.Gemäß den Definitionen in den Leit-sätzen für Brot und Kleingebäck giltfolgende Zuordnung zu Verkehrs-bezeichnungen (Prozentanteile jeweilsbezogen auf Getreideerzeugnisse):� Roggenbrot wird aus mindestens90% Roggenmehl hergestellt.� Roggenmischbrot wird aus mehr als50, jedoch weniger als 90% Roggen-mehl hergestellt.� Weizenmischbrot wird aus mehr als50, jedoch weniger als 90% Weizen-mehl hergestellt, d. h. auf Roggen be-zogen: Es sind bis zu 49% Roggenmehlim Rezept enthalten.� Roggenbrötchen werden aus min-destens 50% Roggenmehl hergestellt.Mischbrote stellt man heute meist mithöheren Weizenanteilen her als früher– ein Grund für die rückläufige Ver-wendung von Roggen in der Brother-stellung. So enthalten die Rezepturenfür Weizenmischbrote heute durch-schnittlich 20% Roggen und 80%Weizen, die für Roggenmischbrote um60% Roggen und 40% Weizen.

Verarbeitung von

Roggenmehlen

Für die Verarbeitung lassen sich ausder bäckereitechnologischen Praxisu. a. folgende Hinweise ableiten:� Bei der Teigbereitung für eine guteVerquellung ausreichend lange mi-schen, ausreichende Knetzeiten be-achten und Teigruhezeiten einhalten.� Teigausbeuten so wählen, dass wei-che, aber noch gut verarbeitungsfähigeTeige entstehen.� Backhefe nicht zu hoch dosieren,damit ausreichend Zeit für Quellungund Reifung der Teige verbleibt.� Die Kochsalz-Dosierung beläuftsich im Allgemeinen auf 1,5 bis 1,7%

(auf Mahlerzeugnisse berechnet), beiSchrotbroten etwa 1,7 bis 1,9% –besonders dann, wenn sehr hoheTeigausbeuten, d. h. weiche Teige, ver-arbeitet wurden.� Die Bestimmung der Gärzeiten, d. h.das Erzielen einer ausreichenden Gär-reife, setzt beim Bäcker Erfahrung vo-raus. Besonders bei der Herstellungvon Kastenbroten sollte sehr vollgariggeschoben werden, da sonst leicht einAbbacken der Kruste eintritt.� Backtemperatur, Backzeit undSchwadengabe in Abhängigkeit vonder Brotsorte wählen.� Der abschließende Backprozesssollte auf ausreichende Krustenstärkevon mindestens etwa 3 mm und einegute, wenn auch nicht übermäßig kräf-tige Krustenfarbe abgestellt sein. Dieswird prinzipiell durch kühleres undlängeres Backen erreicht. Schon weni-ge Minuten zu kurzes Backen machenleicht stundenlange Bemühungen umgute Brotqualität zunichte.� Als Indiz der Backintensität kannder sog. Ausbackverlust dienen, d. h.die Differenz zwischen Teiggewichtbeim Schießen und erhaltenem Brot-gewicht nach dem Backen. Freigescho-bene und im Kasten gebackene Broteweisen z. B. im Durchschnitt Ausback-verluste von etwa 14 bis 16%, Rog-genkleingebäcke von 18 bis 20% aufund sollten auch weiterhin in derPraxis realisiert werden. Nur so kön-nen die durch die Teigsäuerung undFührung angestrebten Geruchs- undGeschmackspotenziale backtechnischgesichert werden.� Als backverbessernde Zutatenkommen z. B. Hydrokolloide zum

Einsatz, das sind wasserbindendeSubstanzen wie Weizenkleber oderGuarkernmehl, die den Wasserhaus-halt in der Teigphase regulieren undunterstützen. Das zusätzlich gebunde-ne Wasser steht dann während desBackprozesses für eine bessere Ver-kleisterung der Stärke und auch fürdie Quellung der Protein- und Pen-tosankomplexe des Roggens zur Ver-fügung: Das trägt zu einer Verbes-serung der Brotqualität, insbesondereder Frischhaltung, bei. Auch die Zu-gabe von Enzymen, wie z. B. aktiveMalzprodukte oder auch isolier teEnzyme aus Mikroorganismen, wirdpraktiziert. Ihre Wirkung ist aber oftgeringer als erwartet, da bei einerTeigsäuerung ihre Aktivität deutlichvermindert wird.� Ein optimal geführter Sauerteig istdas beste derzeit bekannte „Roggen-Backmittel“. Denn Roggenmahlerzeug-nisse werden zur Erzielung einer gutenGebäckqualität gesäuert, und dieserfolgt traditionell über betriebseigeneSauerteige. l

Roggen 1

Warenkunde

Die Vielseitigkeit der Roggen- und Roggenmischbrote belegen vieleregionale Spezialitäten: 1) Roggenbrot, 2) Berliner Landbrot, 3) SchlesischesBrot, 4) Mecklenburger Landbrot, 5) Bauernbrot, 6) Thüringer Landbrot,7) Gersterbrot, 8) Paderborner Brot, 9) Frankenlaib, 10) Oberländer Brot.

FOTO: CMA

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Infotipp:Vielseitige Informationen der ver-schiedensten Anbieter rund umAgrarprodukte (und darüber hi-naus) lassen sich im Agranet-Portal suchen und finden: von derGetreidezüchtung über Land-wirtschaft und Marktforschungbis zu Verbraucherschutz undBackrezepten.www.agranet.de

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Warenkunde

Roggen II

Von echtem Schrot undvollem Korn

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B ei der Frage nach Lieblings-brotsorten nennt jede(r)fünfte Deutsche Schrot-

und Vollkornbrote als Favoriten, zu-meist in der Roggenvariante. InDeutschland spielen deshalb beimRoggen – neben den Typenmehlen –Schrot und Vollkorn eine wesentlicheRolle: 22% aller bei uns hergestelltenRoggenmahlerzeugnisse gehören da-zu. Dabei wird das traditionelle Nord-Süd-Gefälle bezüglich „Schwarzbrot“schon in den Mühlen sichtbar. DieHälfte dieser Mahlprodukte wird inSchleswig-Holstein, Niedersachsensowie den beiden Stadtstaaten Ham-burg und Bremen geschrotet – einweiterer Schwerpunkt liegt in Nord-rhein-Westfalen, wo ein weiteres Vier-tel davon hergestellt wird.Vollkornmahlerzeugnisse haben einenAnteil von 60%, der Rest sind Back-schrote mit der Type 1 800, d. h. eben-falls zumeist grob, aber ohne Keimling.

Sorgfältige

Rohstoffauswahl

Für die Herstellung von Vollkornback-waren ist eine sehr sorgfältige Roh-stoffauswahl notwendig. Die grund-sätzliche Backfähigkeit wird bei derEingangskontrolle in der Mühle ermit-telt, um Roggenpartien mit unter-schiedlichen Eigenschaften so mitei-nander kombinieren zu können, dass

die backtechnischen Notwendigkeitensichergestellt sind. Neben einer sorg-fältigen Untersuchung mit Blick aufmöglichen Mutterkorn-Besatz ist zu-dem die Prüfung eines einwandfreienGeruchs der angelieferten Rohstoffewichtig. Bei feucht-warmer Witterungwährend der Erntezeit kann es näm-lich neben dem Auswuchs auch zueiner geruchlichen Beeinträchtigungder Getreidekörner kommen, die eineWeiterverarbeitung zu Brotqualitätenunmöglich macht.Ebenso wesentlich ist – gerade beiVollkornprodukten – die sorgfältigemüllerische Reinigung. Diese kann,muss aber nicht, auch einen Wasch-prozess beinhalten. Das Anfeuchtender Getreidekörner ist unter mikrobi-ellen Aspekten allerdings nicht immerganz unproblematisch. Heute werdendie damit erzielten Reinigungseffekte(d. h. Entfernung von Schmutz, Staubetc. sowie teilweise Beseitigung derFremdflora auf den Kornoberflächen)in gleicher oder sogar gesteigerter Effi-zienz auch durch Trockenreinigungs-schritte vielfältigster Art erreicht.

Volles Korn von

fein bis grob

Die gut gereinigten Getreidepartienwerden dann zielgerichtet weiter zer-kleinert. Die Schrotung,Auflösung undggf. weitere Vermahlung des Roggensergibt Vollkornerzeugnisse verschiede-ner Granulation: von sehr fein (als Voll-kornmehl) über Feinschrote, Mittel-oder Grobschrote bis hin zu nur ge-schnittenen Körnern. Letztere werdenhäufig als „Vollkornschrot extrascharf“ bezeichnet. Die Schrote kön-nen nach den darin enthaltenen An-teilen von Partikeln unterschiedlicherGröße charakterisier t werden (s.Grafik S. 17).Hinsichtlich der analytischen Zusam-mensetzung zeigen sich zwischen den Handelsformen Vollkorn-Mehle/-Schrote/-Flocken keine Unterschiede.Sie alle sind Vollkornerzeugnisse, auchwenn man z. B. bei Vollkornmehlenoder feinen Schroten optisch kaum

noch das ganze Korn, aus dem siestammen, erkennen kann. Sie erfüllenaber die „Vollkorn“-Vorgaben derDIN-Norm 10 355, weil sie sämtlicheBestandteile der gereinigten Körnerenthalten. Da in jedem Vollkornpro-dukt jeweils so viele Mineralstoffe ent-halten sind, wie das Getreide vonNatur aus mitbringt, werden sie ohneTypenzahl gehandelt.Anders beim Roggenbackschrot derType 1 800, bei dem die Keimlinge inder Schrotung abgezogen werden: Esenthält um die 1,8% Mineralstoffe.Dieses Traditionsprodukt entstammteiner Zeit, in der es lagerungstech-nisch notwendig war, den fettreichenKeimling wegen der Gefahr des Ran-zigwerdens abzutrennen. Heute kön-nen auch die Vollkornerzeugnisse ausRoggen durch Feuchtigkeitsentzugund schonende Wärmebehandlung sostabilisiert werden, dass diese Gefahrgebannt ist.

Granulation und

Backverhalten

So ernährungsphysiologisch ähnlichdie verschiedenen Vollkorn-Granula-tionen von mehlfein bis grobschrotigsind, so unterschiedlich ist ihr Backver-halten. Je feiner auch der Mehlkörper(= das Innere als Hauptbestandteildes Getreidekorns) vermahlen wird,umso einfacher lassen sich aufgrundder besseren Gashaltung und derMöglichkeiten einer backtechnischenVerbesserung gut gelockerte, volu-minöse Brote mit weicher Krume her-stellen. Beim Roggen ist eine solcheBackverbesserung durch Zutaten zwarnicht in gleicher Weise wie beim Wei-zen zu erreichen, aber auch beim Rog-gen sind Brote aus Vollkornmehlen imVolumen größer als Schrotbrote.Grobe Roggenschrote – aber auch ge-schnittene bzw. ganze Körner oderFlocken – müssen bäckerisch sehrlange und intensiv bearbeitet werden.Dadurch wird eine gute Verquellungder groben Partikel erreicht, was dieVoraussetzung für Schrotbrote mitrelativ lockerer und saftig-aromati-scher Krume ist. Dies ist vor allemdurch Quellstufen mit kaltem oderheißem Wasser und natürlich durchSauerteigführungen zu erreichen(s. u.). Zusätzlich sind die einzelnen

Roggen II

Warenkunde

Dem „Roggenmüller“ obliegt diesorgfältige Eingangskontrolle der Rohstoffe.

FOTO: GMF

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AGKFHerstellungsschritte Kneten, Gären

und Backen zeitlich auszudehnen, umauch bei groben Schroten die Voraus-setzungen für optimale Brot- undKleingebäckqualitäten sicherzustellen.Gerade Roggenvollkornteige spre-chen nur in Grenzen auf backaktiveSubstanzen an, sodass hier – wie dieZutatenlisten in der Praxis zeigen –neben den Getreiderohstoffen meistnur Wasser,Triebmittel, Salz und even-tuell Gewürze gebraucht werden.

Tipps für Backen

und Verkaufen

Roggenschrotbrote werden heuteüberwiegend aus Vollkorn-Grobschrotmit gewissen Anteilen an Fein- undMittelschrot hergestellt, da so dieVoraussetzungen für eine bindige, gutkaufähige, saftig-aromatische Krumeam besten zu erreichen sind. Dazuwerden die Grobschrot-Anteile güns-tigerweise in den Quellstufen bzw. imSauerteig vorbereitet, und die verblei-benden Vollkornschrote feinerer Gra-nulation (oder auch Vollkornmehl-Anteile) direkt bei der Teigbereitungzugegeben, um optimale Verarbei-tungseigenschaften zu erzielen.� Beispiel 1: 70% Grobschrot und30% Mittel-/Feinschrot; jeweils dieHälfte des Grobschrots über Sauer-teig bzw. Quell-/Brühstück einbringen,Mittel-/Feinschrot dann direkt zumTeig.� Beispiel 2: 70% Mittel-/Feinschrotund 30% Grobschrot; letzteren überSauerteigführung vorbereiten.

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Roggen II

Warenkunde

� In beiden Beispielen können 10%der Roggen(vollkorn)schrote durchWeizenvollkornmehl (oder sogardurch Weizen-Typenmehle, z.B. 550)ersetzt werden, um Volumen undKrumeneigenschaften zu verbessern.Nach den Leitsätzen für Brot undKleingebäck müssen Vollkornbrotemindestens 90% Vollkornanteile ent-halten, Roggenbrote mindestens 90%Roggenmahlerzeugnisse.Bei Roggenvollkorn-Brot gilt also die90-Prozent-Marke sowohl für dasKriterium „Roggen“ als auch für „Voll-korn“! Nur bei den restlichen 10% derGetreidezutaten hat man die freieRohstoffwahl. Im Hinblick auf eine kor-rekte Einhaltung der Leitsätze solltenfür die Sauerteige, Quell- oder Brüh-stücke nur (Roggen-)Vollkornerzeug-nisse verwendet werden.Bei Roggenvollkorn-Brötchen könnendagegen mehrere Getreidearten zu-sammen die rezepturmäßig geforder-ten 90 Vollkorn-Prozente ergeben. Siemüssen aber mindestens 50% Rog-gen-Vollkornmahlerzeugnisse enthal-ten, weitere 40 % können durch ande-

re Vollkorn-Getreideprodukte ergänztwerden. Dazu wird dank guter „Voll-korn-Backfähigkeit“ meistens Weizen-vollkornmehl gewählt. Die noch feh-lenden 10% können auch hier wieder„Nicht-Vollkorn“ sein – wahlweiseRoggen- oder Weizen-Typenmehle.Bei Verwendung von Backschrot derRoggentype 1 800 gilt dies analog,dann darf es jedoch nicht „Vollkorn“heißen, sondern nur Roggenschrot-Brot bzw. -Brötchen.

Warum Sauerteig

bei Roggen?

Als für die Backbranche richtungswei-sende Definition steht in den Leitsät-zen für Brot und Kleingebäck: „Sauer-teig ist ein Teig, dessen Mikroorganis-men (z. B. Milchsäurebakterien, Hefen)aus Sauerteig oder Sauerteigstarternsich in aktivem Zustand befinden oderreaktivierbar sind. Sie sind nach Zu-gabe von Getreideerzeugnissen undWasser zur fortlaufenden Säuerungbefähigt.Teile eines Sauerteigs werdenals Anstellgut für neue Sauerteige ver-wendet. Die Lebenstätigkeit derMikroorganismen wird erst durchBacken oder Heißextrudieren been-det. Die Säurezunahme des Sauer-teiges beruht ausschließlich auf dessenGärungen. Den Säuregehalt (Säure-grad) erhöhende Bestandteile, ausge-nommen Sauerteigbrot, werden nichtverwendet.“Die Backfähigkeit des Roggens beruhtauf anderen Grundlagen als beimWeizen. Das Roggeneiweiß bildetunter normalen Bedingungen keinenKleber, obwohl es auch die Kleber bil-denden Proteinfraktionen Gliadin undGlutenin besitzt. Die Krumenbildungvon Roggenbroten basiert – im Ver-gleich zu Weizenbroten – stärker aufeinem Stärke- als auf einem Eiweiß-

Auch beim Roggen sind Brote aus Vollkornmehlen im Volumengrößer als Schrotbrote.

Typische Zusammensetzung von SchrotenProzentanteile verschiedener Teilchen nach Partikelgröße in Mikrometer

(nach Brümmer und Morgenstern)

fein (< 250)

mittel (250–710)

grob (710–1 400)

sehr grob (> 1 400)

Grobschrot Mittelschrot Feinschrot

75

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30

35

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1585

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gerüst. Die Hauptquellstoffe des Rog-gens, besonders seine Pentosane, tra-gen hier die Wasserbindung – im Kornebenso wie im Teig und der Brot-krume. Sie benötigen während derTeigphase ein saures Milieu, um eineoptimale Quellung und Wasserauf-nahme zu ermöglichen. Zusätzlich be-grenzt die Absenkung des pH-Wertesbei der Teigsäuerung die Aktivität derStärke abbauenden Enzyme (vorallem der Amylasen) und begünstigtso die Ausbildung und Erhaltung desStärkegerüsts für die Krumenstruktur.Deshalb werden Roggenmahlerzeug-nisse zur Erzielung einer guten Ge-bäckqualität gesäuert.Traditionell wirddies durch betriebseigene Sauerteigeerreicht. Diese indirekten Führungenprägen das Bäckerimage in besonde-rem Maße. Es besteht auch die Mög-lichkeit, Säure direkt, z. B. durch Zusatzvon Zitronen- oder Weinsäure, Milch-und Essigsäuregemischen, zuzuführen.Für die Backtechnik ergeben sich zwi-schen beiden Säuerungsarten lediglichgeringe Unterschiede, größere dage-gen für Geruch und Geschmack: MitSauerteig gesäuerte oder auch aus-schließlich damit gelockerte Roggen-und Roggenmischbrote besitzen einsehr hohes, abgerundetes Ge-schmacks- und Aromapotenzial.

Rezeptgestaltung

mit Sauerteig

Die notwendige Roggenversäuerungist bei den heutigen Rohstoffqualitätennicht mehr so sehr eine Frage ausrei-chender Krumenelastizitäten odereines geschlossenen Krumenbildes.Natürlich ist die Säuerung auch dafürnach wie vor wichtig, aber im Vor-dergrund steht die Ausrichtung derFührung auf geschmackliche Eigen-schaften. Die allgemein guten Roggen-qualitäten benötigen heutzutage nichtmehr eine so intensive Säuerung,sprich so tiefe pH-Werte und hoheSäuregrade, wie früher.Die Fermentation sollte vorwiegendauf Quellung und enzymatischenAufschluss der Rohstoffe ausgerichtetsein. Das ist praxisgerecht und sicherz. B. durch eine einstufige kühle Füh-rung über Nacht mit hohem Anteil anRoggenmahlerzeugnissen zu erzielen.Durch eine relativ niedrig gewählte

Sauerteigtemperatur wird zwar die(Milch-)Säurebildung gebremst, diesebleibt aber backtechnisch betrachtetvöllig ausreichend. Gleichzeitig wirddamit die Verarbeitungstoleranz derreifen Sauerteige deutlich verlängert.Typisch und in der Praxis weit ver-breitet ist die Detmolder Einstufen-führung (DEF).

Tipps für die

Sauerteig-Praxis

Aus der DEF lassen sich beispielhaftfolgende Hinweise für die täglicheSauerteig-Praxis ableiten:� Es empfiehlt sich, etwa 35% desrezepturmäßig vorhandenen Roggen-mehles oder -schrotes zu versäuern.Die Anstellgutmenge sollte 3 bis 5%vom Sauerteigmehl/-schrot betragen.� Durch eine relativ niedrige Ansatz-Temperatur von etwa 25 °C wird diezwar notwendige, aber begrenzte undauf Aromaentwicklung zielende Säue-rung erreicht.� Eine deutliche Erwärmung im wei-teren Verlauf wäre wegen zu hoherSäurebildung nachteilig. Der Tempera-turverlauf sollte daher am besten kon-tinuierlich, zumindest aber beim An-satz des Sauerteiges und nach seinerReifezeit, kontrolliert werden.� Bei einer solchen Führung arbeitetman vorzugsweise mit einer Teigaus-beute (Sauerteig-TA), die sich an dervorgesehenen Dosierweise orientiert:Von Hand etwa bis TA 180, zumKippen bis TA 200 und zum Pumpenüber TA 200.

� Eine einfache pH-Wertmessung(z. B. über Teststreifen) ist zur Kon-trolle empfehlenswert.� Ein Neuansatz des Anstellgutes mitfrischen Starterkulturen sollte etwaalle vier Wochen erfolgen.Auch zum Sauerteig als Wert bestim-mende Zutat geben die Leitsätze ent-sprechende Merkmale vor: Sauerteig-brot wird so hergestellt, dass die ge-samte Säuremenge aus Sauerteigstammt. Hinweise auf die Mitverwen-dung von Sauerteig sind nur üblich,wenn die zugesetzte Säuremenge zumehr als zwei Dritteln aus Sauerteigstammt.Über die Vorschriften hinaus zumSchluss noch zwei Empfehlungen:Durch die Verwendung betriebseige-ner Sauerteige können die Rezeptu-ren besonders zusatzstoffarm ausge-richtet werden. Und: Brotaroma ent-steht in erster Linie durch die selbstgewählten, indirekten Führungen – imFall der Roggenverarbeitung also ambesten mit Sauerteig! l

Roggen 1I

Warenkunde

Das Bäckerhandwerk benötigt Roggenvollkornerzeugnisseverschiedener Granulation.

FOTO

:GM

F

Roggen-Vollkorn-schrot (scharf)

grob

Roggen-Vollkorn-schrot (scharf)

mittel

Roggen-Vollkorn-schrot (scharf)

fein

Roggen-Vollkornmehl

Infotipp:Eine „Schnittstelle“ im Internetfür Informationen zu Getreide,Mehl und Brot bietet die Web-adresse der GMF: In der Media-thek gibt es Fachinfos, Multiplika-torenmaterial und Download-angebote, dazu Verbrauchertippsin der Infothek und eine virtuellePressestelle.www.gmf-info.de

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Wertvolles Getreide –vorzugsweise geflockt

FOTOS: PETER KÖLLN (1), IMA/AGRIKOM (1)

Warenkunde

Hafer

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D er Hafer, botanisch Avenasativa („Saathafer“), ist eineder jüngeren Kulturpflan-

zen unter den Getreidearten. In alter-tümlichen Getreidefunden tauchteHafer zunächst nie in Reinform, son-dern immer als Beimengung zu ande-ren Körnern auf und er wird daher zuden sekundären Kulturpflanzen ge-zählt. Optisch unterscheidet er sichauf dem Feld deutlich von allen ande-ren Getreidearten, obgleich er eben-falls zur Familie der Gräser zählt: DerFruchtstand des Hafers ist eine 15 bis30 cm lange Rispe, die aus einem zen-tralen Teil und seitlich verzweigten

Ästen besteht, die dann kleine Ährenmit zwei bis drei Körnern tragen.Hafer bevorzugt ein gemäßigtes Klimaund hat über die gesamte Vegetations-periode hinweg einen relativ hohen,gleichmäßigen Wasserbedarf. Er ge-deiht deshalb am besten in feucht-kühlen Klimagebieten, wie z. B. inMittel- und Nordeuropa. Seine An-sprüche an den Boden sind jedoch ge-ring, weshalb er bis in das 20. Jahr-hundert hinein auf deutschen Äckerneine der wichtigsten Getreideartenwar. Hafer wird fast ausschließlich alsSommergetreide angebaut, d. h. im

Frühjahr ausgesät und ab Mitte Augustgeerntet. Wegen seiner hohen Resis-tenz gegenüber Getreidekrankheitenist er günstig für den Anbau in getrei-dereichen Fruchtfolgen.Heute ist der Hafer in Deutschlandgegenüber den anderen Getreide-arten von untergeordneter Bedeu-tung, sein Anbau findet hauptsächlichin den Mittelgebirgen, im Alpenvor-land und in den Küstenregionen statt.Auf rund 200 000 ha erzeugen diedeutschen Landwirte etwa 1,2 Mio. tHafer pro Jahr, mit sinkender Tendenz:Das liegt zum Teil an den relativ nied-rigen Durchschnittserträgen, die denAnbau ökonomisch wenig interessantmachen. Der überwiegende Teil desdeutschen Hafers wird als Tierfutterverwendet und zumeist von denBauern selbst dafür angebaut und ver-braucht.Eine Besonderheit beim Hafer ist, dassdie Körner fest von Spelzen umschlos-sen sind, die sich nicht im Drusch von-einander trennen lassen. Für die Ver-wendung der Haferkörner in dermenschlichen Ernährung müssen da-her zunächst diese Spelzen entferntwerden. Relativ selten angebaut wer-den „Nackthafer“-Sorten ohne Spel-zen, deren Erträge geringer sind: Fürdie Verwendung in alternativen Kost-formen (z. B. „Frischkornbrei“) spielensie eine zwar geringe, aber vor allemim Bio-Bereich wachsende Rolle.Aufgrund der fehlenden Fähigkeit derHaferproteine zur Kleberbildung sindHafererzeugnisse zur Herstellung vonBrot und Backwaren nur bedingt ge-eignet, eine alleinige Verarbeitung istzumindest schwierig, wenn man die anBrot- und Brötchenkrumen üblichenAnforderungen stellt.

verarbeitung ist

Spezialistensache

Die Herstellung von Hafererzeug-nissen für die menschliche Ernährungist eine Sache für Spezialisten, denn essind besondere schälmüllerischeVerfahren und Geräte nötig. Bei derRohhaferreinigung wird neben den all-gemein in der Getreidereinigung übli-chen Verfahren zusätzlich eine Stutz-maschine zur Abtrennung der Gran-nen und Spitzen eingesetzt, die an-schließende Entfernung der Spelzen

geschieht zumeist mithilfe eines Flieh-kraftschälers.Bei der Verarbeitung zu Hafererzeug-nissen kommt der hydrothermischenBehandlung eine besondere Bedeu-tung zu. Traditionell kennt man dasDarren des Rohhafers zur Produktsta-bilisierung. Heute ist eine kombinierteBehandlung der Haferkerne durchDämpfen und Darren unmittelbar vordem Flockieren allgemein üblich. Mitdem Dämpfprozess („hydro“) werdendie physikalischen Eigenschaften derHaferkerne so verändert, dass ihreanschließende Verarbeitung in speziel-len Flocken-Walzenstühlen möglichist. Der „thermische" Teil, das Darren,hat eine doppelte Funktion: Es dientdazu, die fettspaltenden Enzyme desHafers zu inaktivieren und dadurchHaltbarkeit und Lagerfähigkeit derProdukte zu gewährleisten. Und esentwickeln sich bei 100 bis 110 °C dieRöststoffe, die für den typischen, ange-nehm-nussartigen Geschmack sorgen.

Hafer auf

deutschen Tellern

Nur etwa ein Sechstel des deutschenHafers wird für die menschliche Er-nährung verwendet. Herstellung undVerbrauch von Hafererzeugnissen ent-wickeln sich jedoch positiv, mit einemPlus von etwa 15% im Laufe der letz-ten zehn Jahre. Branchenkenner ausdem Schälmühlenbereich schätzen,dass derzeit in Deutschland etwa250 000 t pro Jahr verkauft werden,was einem Pro-Kopf-Verbrauch vonrund 3 kg entspricht. Etwa 30 000 t fin-den in unterschiedlicher Form ihrenWeg in die Backstuben.Früher war Hafergrütze als Grundlagefür die Breinahrung weit verbreitet. Einkultureller Rest davon ist das inSchottland zum Frühstück noch viel-fach zubereitete „Porridge“. Insgesamtspielen aber heute Haferflocken men-genmäßig die Hauptrolle in dermenschlichen Ernährung. Das gilt auchfür die Verwendung in den Bäckereien– als Teigzutat, wie als Aufstreu. Beiden Haferflocken sind drei Produktezu unterscheiden:� Großblattflocken („kernige“) ausganzen bzw. besonders großen Hafer-kernen mit einer Flockenstärke von ca.0,5 mm.

Hafer

Warenkunde

In einem Fliehkraftschäler werdendie Haferspelzen entfernt (hier in

der Müllerschule Stuttgart).

FOTO: GMF/PLEIL

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„Haferschleim“ als Klassiker der Kran-kenkost) und zweitens ihre adsorptiveWirkung auf die Gallensäuren, woraussich positive Effekte zur Beeinflussungverschiedener Zivilisationskrankheitenergeben (Senkung des Blutcholeste-rinspiegels, Ausgleich von Spitzen imBlutglukosespiegel).Hier spielt Haferkleie eine besondereRolle, wobei man jedoch genau unter-scheiden muss: Bei den als „Hafer-speisekleie“ im Handel befindlichenProdukten handelt es sich nicht – wieetwa bei Weizenspeisekleie – um dieabgetrennten Schalenteile des Korns:Ein vergleichbares Produkt wäre beimHafer aus den Spelzen herzustellenund dann korrekt als Haferspelz-Speisekleie (auch „Haferschälkleie“)zu bezeichnen. Die bei uns marktübli-che Haferkleie wird jedoch aus demganzen Korn hergestellt, enthält alsonicht nur die Randschichten der Korn-schale, sondern auch die Zellwand-Bestandteile der anderen Kornschich-ten und des Endosperms, wo sich diephysiologisch wirksamen Beta-Glu-kane finden. Haferspeisekleie wirdheute zumeist durch weitere Vermah-lungsgänge aus Flocken hergestellt, beieinem Teil der Hersteller werden dieanfallenden Mehlanteile abgesiebt.Möglich ist auch eine Gewinnung vonHaferspeisekleie als Nach-/Neben-produkt der Haferstärkefabrikation,wo besonders hohe Anteile löslicherBallaststoffe zu erzielen sind.Allen Nicht-Brotgetreidearten istgemeinsam, dass ihre Proteine keinen

� Kleinblattflocken aus geschnittenenHaferkernen („Hafergrütze“) werdenzumeist auf eine Flockenstärke von ca.0,3 mm ausgewalzt.� Instant-Haferflocken aus Hafermehl:Dieses wird durch weitere Vermah-lung der Flocken über Walzen- bzw.Prallmühlen hergestellt, um anschlie-ßend daraus die schmelzenden Flo-cken zu „reproduzieren", die in Flüs-sigkeit sofort löslich sind.Hafer ist eine ernährungsphysiologischwertvolle Getreideart. Zwar ist seinFettgehalt mit ca. 7% wesentlich höherals bei den anderen Getreidearten,positiv ist dabei aber der hohe Gehaltan Linolsäure und anderen mehrfachungesättigten Fettsäuren. Auch derabsolute Eiweißgehalt ist mit 15 bis20% (je nach Sorte) hoch und zudemim Hinblick auf die Proteinqualität fürdie menschliche Ernährung biologischsehr hochwertig. Vitamin- und Mine-ralstoffgehalte des Hafers sind eben-falls ernährungsphysiologisch interes-sant, vor allen Dingen die hohen An-teile an Kalzium, Zink und Vitamin B1.

Wichtig: Ballast-

stoffe und Kleie

Hafer enthält vergleichsweise hoheAnteile löslicher Ballaststoffe, vorallem sog. Beta-Glukane. Diesenschleimbildenden Hafer-Ballaststoffenwird eine doppelte Wirkung zuge-schrieben: Einmal die Abschirmungder Darmwand gegenüber alimentä-ren Reizen und Infekten (Stichwort

Kleber bilden können. Einige, vor allemder Hafer, haben aber die Fähigkeit,Schleime zu entwickeln, die dannbacktechnisch dem Pentosan-Kom-plex des Roggens ähneln. Aufgrunddessen besitzt der Hafer fürs Backengewisse Vorteile gegenüber anderenNicht-Brotgetreidearten bzw. Pseudo-Cerealien.

Hafer in der

Backstube

Grundsätzlich hat sich bei allen Nicht-Brotgetreidearten gezeigt, dass ihreSchrote in der Backstube besser zuverarbeiten sind als ihre Mehle, unddies gilt analog auch für Erzeugnisseaus Hafer. Dabei fallen dann dieNachteile bei Volumen, Krumenfarbe,Kaufähigkeit und Geschmack gegen-über den entsprechenden „gewohn-ten“ Roggen- bzw. Weizenbrotendeutlich geringer ins Gewicht als beider Verwendung feinerer Mahlerzeug-nisse. Für die verarbeitungstechnischeEignung in der Bäckerei sind die unter-schiedlichen Hafererzeugnisse zu diffe-renzieren (siehe Grafik S. 22):� Hafermehl ist zum Backen kaumgeeignet: In Backversuchen haben sichdeutliche Mängel bei der Volumen-bildung, eine grobe Krumenstrukturmit Trend zu gräulichem Farbeindruckund herb-bittere Geschmacksnotengezeigt. Ebenso sind Haferspeisekleienals Zutat wenig geeignet, sowohl ausbacktechnischen wie aus geschmack-lichen Gründen: Schon bei 10% Zuga-bemenge ist hier die Grenze erreicht.� Hafergrütze, von der Struktur denSchroten von Brotgetreide ähnlich, istbedingt geeignet: Geschmacklich las-sen sich gute Ergebnisse erzielen, dieTeigausbeute sinkt jedoch, das Brot-volumen ist relativ schwach undSchneid- bzw. Kaueigenschaften lasseneiniges zu wünschen übrig.� Haferflocken (auch angequetschteHaferkerne) liefern als Teigzutat rechtgute Backergebnisse, wenn auch inGrenzen. Gerade die Flocken bringenaufgrund der beim Darr- und Dämpf-prozess entstandenen Röststoffe eininteressantes Geschmacksprofil mit.Die Wahl zwischen Groß- und Klein-blattflocken ist in erster Linie abhängigdavon, welche Kaueigenschaften imBrot oder Brötchen erwünscht sind:

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Hafer

Warenkunde

Für diese Haferbrote werden kernige Haferflocken sowohl im Teig als auch zur Dekoration eingesetzt.

FOTO: PETER KÖLLN

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70 : 30 gequetschter Haferkerne zuGroßblattflocken mit Einsatz von 50%eines Brühstücks, das mit TA 200 überzwei bis drei Stunden geführt wird.Gemäß den Leitsätzen für Brot undKleingebäck müssen bei einer Aus-lobung als „Hafer ...“ mindestens 20Teile Hafererzeugnisse auf 100 TeileBrotgetreide verarbeitet werden. FürVollkorn gilt auch im Zusammenhangmit Hafer die Leitsatzregel, dass min-destens 90% Vollkornanteile enthaltensein müssen. Dies bedeutet z. B. für einHafervollkornbrot, dass neben derMindestmenge von 20% Hafervoll-kornerzeugnissen 70% andere Voll-kornerzeugnisse (in der Praxis vorwie-gend aus Weizen und/oder Roggen)verwendet werden müssen.Hafer wird vielfach auch für Mehr-kornbrote verwendet: Hier sehen dieLeitsätze vor, dass jede „Nicht-Brotgetreideart“ zumindest zu 5%enthalten sein muss. Diese Regelungfür Mehrkornbrote berücksichtigt,dass im Allgemeinen die Gesamt-Zugabemenge von Nicht-Brotgetrei-dearten backtechnisch maximal imBereich zwischen 20 und 30% liegt. l

rungen über Nacht bergen die Gefahrvon Fremdgärungen. Quellstücke kön-nen dagegen bei entsprechend kaltemAnsatz und kühleren Lagertempera-turen auch über Nacht geführt wer-den. Bei guter Verquellung sind deutli-che Teigausbeuteerhöhungen in der

Rezeptur möglich, was der Lager-fähigkeit zugute kommt und einenfrisch-saftigen Geschmackseindruckder Haferbrote ermöglicht. Die Her-stellung als Kastenbrot ist allerdingsempfehlenswert, um bei der zumeisthohen Teigausbeute eine stabile Formzu gewährleisten.

Was ist ein

„Haferbrot“?

Bei geschickter Auswahl und Kom-bination der verschiedenen Hafer-erzeugnisse ist es sogar möglich, einhundertprozentiges Hafervollkorn-brot zu backen. Dies bedarf aber be-sonderer Rezepturen und Führungs-weisen. Bewährt haben sich bei Back-versuchen in Detmold Anteile von

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angenehm stückig bei den großen,wenig spürbar bei den kleinen.Hafer braucht Quell- oder Brüh-stücke. Wie bei der Verarbeitung vonRoggen- oder Weizenschroten müs-sen auch die grobkörnigen Hafer-zutaten gut vorgequollen werden.Hierbei ist darauf zu achten, mitunternicht die volle Wasseraufnahme-fähigkeit der Hafererzeugnisse auszu-schöpfen, um noch ein gut gelocker-tes, nicht zu feuchtes Brot zu gewähr-leisten. In der Praxis hat sich ein Zuta-tenanteil von maximal 40% als sinnvollerwiesen, um den Ausgleich zwischenpositiven Geschmackseindrücken undVerarbeitungsnachteilen zu schaffen.Je gröber die Hafererzeugnisse sind,umso stärker ist der Zusammenhaltder Krume beeinträchtigt und dieSchneidbarkeit erschwert. Diesem„Hafer-Effekt“ muss durch die Verwen-

dung von Quell- oder Brühstückenbegegnet werden. Je nach verarbeite-ten Granulationen bzw. ihrer Anteile inder Rezeptur können die Quell- undBrühstücke variier t werden: Brüh-stücke sind empfehlenswert, wenn dieHaferrohstoffe besonders grobkörnigsind, d. h. bei Großblattflocken oderangequetschten Haferkernen. Klein-blättrige Haferflocken sind feiner undleichter löslich, sie sollten daher nichtüberbrüht, sondern in kalt geführtenQuellstücken verquollen werden.Es reicht im Allgemeinen aus, bei derVerquellung etwa gleiche Mengen vonWasser und Hafererzeugnissen einzu-setzen, was zu einer Teigausbeute um200 führt. Die Stehzeiten von Brüh-stücken sollten vier Stunden nichtübersteigen, vor allem längere Füh-

Hafer

Warenkunde

Dieses Bild zeigt die verschiedenen Hafererzeugnisse im Überblick.

FOTO

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Nackthafer alsSpeisegetreide

Haferspeisekleie

Instant-Flocken Kleinblatt-Flocken Großblatt-Flocken

Hafermehl Hafergrütze Kleinblatt-Flocke Großblatt-Flocke Vergleich

Volumenausbeuten bei 20% Zusatzzu Kastenweißbrot (= Vergleich)

Backergebnisse beim Einsatz unverquollenerHafererzeugnisse

510 510570 580

660

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199

3

Infotipp:Zur fachlichen Fortbildung veran-staltet die ArbeitsgemeinschaftGetreideforschung themenbezo-gene, wissenschaftliche Tagungen:u. a. zu Getreide, Getreidepro-dukten, Müllerei- und Bäckerei-Technologie. Der aktuelle Pro-grammkalender steht auch imInternet.www.agfdt.de

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Warenkunde

Gerste

Interessanter Rohstoff –nicht nur für Brauereien

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D ie Gerste, botanisch Hor-deum vulgare, ist vom Men-schen unter allen Getreide-

arten am frühesten in Kultur genom-men worden: Ihre ältesten Nachweiseim Vorderen Orient lassen sich auf10 000 v. Chr. zurückdatieren. DieGerste gehört zur Familie der Gräser,ihr Fruchtstand ist eine Ähre mit lan-gen Grannen, im reifen Zustand ge-neigt bis hängend.Die verschiedenen Gerstensortenwerden anhand ihrer unterschiedli-chen Ähren in zwei- und mehrzeiligeFormen unterteilt. Außerdem unter-scheidet man Winter- und Sommer-formen.Wintergerste ist ertragreicher,wird im September gesät und eröffnetin der Regel die Getreideernte. DieAussaat der Sommergerste erfolgt imFrühjahr. Sie reift in weniger als 100Tagen, benötigt deutlich wenigerWärme als die Wintergerste und istdeshalb auch in kühleren Regionen alsGetreide von Bedeutung.

Futter und

flüssiges Brot

Gerste gedeiht am besten auf tief-gründigen, gut durchfeuchteten Bö-den, kommt aber auch mit ungünsti-gen Bedingungen gut zurecht. Beson-ders Wintergerste liefert – auch aufanspruchsloseren Standorten – guteErträge. In Deutschland liegt Gerstehinter Weizen an zweiter Stelle unterden Getreidearten.Von 2 Mio. HektarAnbaufläche werden pro Jahr imDurchschnitt 12 bis 13 Mio. Tonnen

geerntet. Ein Teilgeht in den Export,etwa 10 Mio. Ton-nen (t) werden imInland verwendet, davon etwa 70% alsFuttergetreide, vor allem die Winter-gerste, die relativ viel Eiweiß enthält.Rund ein Viertel wird als Braugerstefür die Herstellung von Malz bei derBiererzeugung gebraucht: Dafür wer-den Sorten benötigt, die relativ wenigEiweiß (< 9%) und viel Kohlenhydrate(> 75%) enthalten. In erster Linie sindes entsprechende Sommergerste-Qualitäten, die diese Anforderungender Brauer am besten erfüllen.Früher war die Gerste für Getreide-breie und als Nährmittel in Deutsch-land von großer Bedeutung, heute flie-ßen jedoch nur noch etwa 130 000 tGerste pro Jahr in die menschlicheErnährung: zu Graupen, Grütze oderFlocken verarbeitet. Ein kleiner Teilwird zu Malzkaffee, ein etwas größererlandet in den Backstuben.Bei der Gerste sind die Spelzen – imGegensatz zu anderen Spelzgetreidenwie Dinkel oder Hafer – fest mit derFruchtschale verwachsen, sodass an-dersartige Schälverfahren eingesetztwerden müssen. Für die Verarbeitungvon Gerste zu Schälmühlenproduktenwerden großkörnige Sorten mithohen Kornhärten bevorzugt, derenSpelzengehalt relativ niedrig ist. DieseAnforderungen werden am bestenvon zweizeiligen Sommergersten er-füllt, die zudem meist hellschalig sind:Dies spielt für die „äußeren Werte“der Gerstenerzeugnisse eine wichtige

Rolle. Denn neben die-sen hellschaligen Gers-ten kommen auch(besonders bei Win-tersorten) blauschaligeVarietäten vor, derenSchälprodukte einevon den Verbrauchernnicht gewünschte,bläuliche Färbung zei-gen. In den vergange-nen Jahren habendurch Neuzüchtungenauch Nacktgersten anBedeutung gewonnen,die ebenfalls für die

Herstellung von Schälmühlenproduk-ten geeignet sind.

Vom Entspelzen

bis zum Walzen

Ähnlich wie beim Hafer ist die Her-stellung von Gerstenerzeugnissen fürdie menschliche Ernährung eine Sachefür die Spezialisten der Schälmüllerei.Nach dem Entfernen der Grannenund der weiteren Getreidereinigungist eine Sortierung nach Korndickebesonders wichtig, um bei der nach-folgenden Entspelzung Körner mög-lichst gleicher Größe bearbeiten zukönnen. Die zwei- bis dreistufige Ent-spelzung erfolgt mit speziellen Schäl-maschinen. Nach Abtrennung derSpelzen und feinen Schalenbestand-teile über einen Steigsichter steht dieentspelzte Gerste für die weitere Ver-arbeitung zur Verfügung. Für die Her-stellung von Grütze werden Trommel-grützeschneider verwendet. Die Grau-pen unterschiedlicher Körnung wer-den in mehreren Verfahrensstufen, dieman „Schleifen“ oder „Rollen“ nennt,hergestellt. Man kann sie über Plan-sichter nach Korngrößen sortieren,wobei dann unterschiedlich dickeGraupen entstehen – bis hin zu denbesonders feinen „Perlgraupen“.Aus entspelzter/gequetschter Gersteoder aus Graupen bzw. Grütze kön-nen durch hydrothermische Behand-

Gerste

Warenkunde

Die Gerste liegt in Deutschlandbei der Getreideerzeugung anzweiter Stelle. Selbst unter ungünstigen Bedingungen liefertsie gute Erträge.

FOTOS: CMA/GMF

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Ballaststoffquelle. Lange fand Bier-treber nur als Viehfutter Verwendung.Inzwischen wurde aber ein Weg ge-funden, ihn nach Trocknung und Ver-mahlung als Ballaststoffquelle für diemenschliche Ernährung zu nutzen.Bedingt durch den Mälzungs- und Ex-traktionsprozess ist der Anteil an lösli-chen Ballaststoffen gering, die Beta-Glukane sind weitgehend entfernt.Der Mineralstoffgehalt ist vermindert(= negativ), gleichzeitig ist jedoch einPhytinsäuregehalt – im Gegensatzz. B. zu Weizenkleie – praktischnicht mehr nachweisbar (= positiv).Biertreber-Ballaststoffezeigen vor allen Din-gen einen laxativen(= abführenden),weniger einenCholesterin bzw.Gallensäure redu-zierenden Effekt.Die Verarbeitungdes gemahlenenBiertrebers in Back-waren bereitet nor-malerweise keine tech-nologischen Schwie-rigkeiten, es können jedochein gräulicher Farbton undeine gewisse Geschmacksherbeauftreten, sodass seine Verwendungvorwiegend für Roggenmisch- undRoggenschrotbrote empfohlen wird:Bei Zugabemengen von 10 bis 15%(bezogen auf Mahlerzeugnisse) wer-den die Ballaststoffgehalte dieserBrote verdoppelt und die Teig- undGebäckausbeuten um etwa 5% er-höht. Derartige Teige verlangen einelängere Backzeit, ergeben jedochBrote mit relativ lang anhaltendemFeuchteeindruck.

Gerste in der

Backstube

Allen Nicht-Brotgetreidearten istgemeinsam, dass ihre Proteine keinenKleber bilden können. Das trifft auchbei Gerste zu, dennoch hat sie eine„Backtradition“. Diese ergab sich je-doch historisch eher daraus, dasswirklich gut backfähige Brotgetreide-arten knapp waren. So bestand bei-spielsweise im Zweiten Weltkriegsogar ein Beimischungszwang von

lung und anschließende Verflockung ineinem Flockenwalzenstuhl auch ausdieser Getreideart sowohl Großblatt-als auch Kleinblattflocken hergestelltwerden. Um gequetschte Gerste alsZwischenprodukt zu erhalten, werdenentspelzte Gerstenkörner zunächstauf einen Feuchtigkeitsgehalt von ca.16 bis 17% genetzt, stehen anschlie-ßend einige Stunden ab und werdendann zum Endprodukt ausgewalzt.Dieses muss wieder auf einen Feuch-tigkeitsgehalt von ca. 13% herunterge-trocknet werden, um die Lagerfähig-keit zu gewährleisten. Die Herstellungvon Gerstenmehl, die allerdings nursehr untergeordnete Bedeutung hat,erfolgt meist durch die Vermahlungvon Flocken. Aus entspelzter oder ge-quetschter Gerste lassen sich jedochdurch mehrfaches Mahlen und Siebenauch Vollkornerzeugnisse sowie Mehleund Speisekleien unterschiedlicherGranulationen herstellen.

Nährwert neu

erschlossen

Ernährungsphysiologisch betrachtet istdie Gerste eine gute Nährstoffquelle,allerdings sind die sortenabhängigenSchwankungen ihrer verschiedenerInhaltsstoffe sehr hoch. Sie liefertreichlich Mineralstoffe wie Kalium,Phosphor, Fluor und Jod. Der Fett-gehalt ist sehr niedrig, der Eiweißgehaltmeist relativ hoch. Aus technologi-schen Gründen muss aber z. B. Brau-gerste neben einem hohen Stärke-anteil gleichzeitig einen niedrigenEiweißgehalt aufweisen: Das wird übereine entsprechende Sortenselektionerreicht, häufig schon bei der Saatgut-wahl. Gerste hat im Durchschnittunter allen Getreidearten den höchs-ten Gehalt an Beta-Glukanen. Diesewirken als fermentierbare Ballaststoffeauf Stuhlgewicht und Transitzeit beider Verdauung, vor allem aber sind siewegen ihrer positiven, weil senkendenWirkung auf den Blutplasma-Choles-terinspiegel erwünscht. Leider unter-liegt aber der Anteil an Beta-Glukanenin Gersten sehr starken Sorten- bzw.Standorteinflüssen, mit Schwankungs-breiten zwischen 2 und 9%.Eine lebensmitteltechnologische Spe-zialität bei Gerste ist die Verwendungdes Trebers aus der Bierherstellung als

Gerste zur Streckung der Brotge-treidevorräte. Reine Gerstenback-waren waren ursprünglich eigentlicheher als Bevorratungsform von Ge-treidebrei üblich: Gerstenteige wur-den als Fladen getrocknet oder ge-backen und damit haltbar gemacht,um sie anschließend mit Wasser oderMilch wieder zu Brei aufzulösen.Gerstenprodukte können jedochinteressante Teigzutaten sein, um da-

raus Spezialbrote herzustellen, die sichin Geschmack und Kauverhalten vonanderen Klassikern des Brotsorti-ments abheben.Grundsätzlich hat sich bei allen Nicht-Brotgetreidearten gezeigt, dass sie alsgrobe Getreideerzeugnisse in derBackstufe besser zu verarbeiten sindals in Form fein gemahlener Mehle.Dies gilt auch für die Gerste, zumaldiese – anders als der Hafer – nichtüber entsprechende Schleimstoffeverfügt, die backtechnisch relevantsind. Ebenso sind offensichtlich die inder Gerste enthaltenen Pentosane beider Verarbeitung nicht in der gleichenForm wirksam wie der Pentosan-Komplex des Roggens.Generell führt die Verwendung vonGerstenerzeugnissen aufgrund der

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Gerste

Warenkunde

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Gerstenprodukte im Überblick:1 = Graupen, 2 = Mehl, 3 =Grütze, 4 = Flocken, 5 = Schrot,6 = Nacktgerste als Speisegetreide

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: GMF

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späteren Verkleisterung der Gersten-stärke immer zu einer verringertenVolumenbildung und recht trockenenKrumen mit geringer Saftigkeit. Des-halb sind für die verarbeitungstechni-sche Eignung in der Bäckerei nur Zu-gaben von zwischen 20 und 30% Ge-wichtsanteilen (bezogen auf andereGetreideerzeugnisse, vor allem aus gutbackenden Weizen-/Roggenmehlen)zu empfehlen; 20% als Untergrenze,wenn das Produkt noch „Gerste“ imNamen führen soll. Nach oben ist auf-grund von Backversuchen bei 30%Schluss, wenn die Brote von Volumenund Krumenqualität die üblichenAnforderungen von Bäckern undKonsumenten erfüllen sollen.

Was mit

Gerste geht ...

� Gerstenmehle, -schrote und -grüt-zen sind nur bedingt geeignet: DieTeigausbeute wird bei einem Zusatzvon 20% zu einem Weizenmischbrotkaum verändert: Bei in Detmolddurchgeführten Backversuchen ergabsich jedoch eine durchschnittlicheVolumenminderung von 12% mitdeutlichen Veränderungen der Kru-meneigenschaften in Richtung „etwastrocken“ bzw. bei der Elastizität inRichtung „etwas straff“. Diese Ver-suche haben auch erneut bestätigt,dass bei der Verwendung von Zutatenmit geringer Eigenbackfähigkeit dieSchrote den Mehlen vorzuziehen sind.Dann sind relativ gesehen die wahr-

nehmbaren Unterschiede in denBack- und Broteigenschaften geringer.Allerdings wurden bei Verwendungvon Schroten aus bespelzten Formen(gegenüber solchen aus Nacktgerste)negative Veränderungen im Krumen-bild und ein beeinträchtigtes Kauver-halten festgestellt. Bei Gerstengrützesinken sowohl Teig- als auch Volumen-ausbeute. Dazu kommt bei direkterZugabe ohne Vorquellung eine Be-einträchtigung der Kaubarkeit und ein„etwas herber“ Brotgeschmack.� Gerstenflocken sind bei entspre-chender Teigführung als Zutat rechtgut geeignet: Die Teigausbeute bleibtkonstant, eine geringere Volumenaus-beute muss jedoch auch hier in Kaufgenommen werden. Mit einer Ver-quellung der Gerstenflocken in einemQuell- oder Brühstück lassen sichbeachtliche Verbesserungen erzielen.Die Teigausbeuten liegen dann um 5bis 10% höher. Dies wirkt sich auchpositiv auf Gebäckvolumen, Bindigkeitder Krume, ihre Schneid- und Kau-barkeit aus. Diese kamen in Back-versuchen den Vergleichsbroten ohneGerstenflocken recht nahe. Brüh-stücke haben sich dabei als vorteilhafterwiesen, denn sie steigern die Teig-ausbeute und vermindern die sonstherbe Geschmacksnote deutlich.Bei der Verwendung von Gersten-erzeugnissen spielen die FaktorenFeuchtigkeit und Quellung in allenHerstellungsphasen eine zentraleRolle: Dies gilt in der Teigbereitungebenso wie in der Teigführung, bei derWahl der Gärraumbedingungen ge-nauso wie während des Backens. Beider Teigführung sollten entsprechendeVorteiganteile bei insgesamt etwamittlerer Säuerung vorgesehen wer-den. Günstig sind Kastenbrote, dafeuchtere, weichere Teige verarbeitetund diese mit guter Gärreife gebackenwerden können. Ausgeprägte Anback-temperaturen und ein insgesamt aufhohe Krumensaftigkeit ausgerichteterBackprozess runden die Herstellungs-empfehlungen ab.Gemäß den Leitsätzen für Brot undKleingebäck müssen für die Auslobungals „Gersten…“ mindestens 20 TeileGersten-Erzeugnisse auf 100 TeileBrotgetreide verarbeitet werden. FürVollkorn gilt auch im Zusammenhangmit Gerste die Regel, dass mindestens

90% Vollkornanteile enthalten seinmüssen. Dies bedeutet beispielsweisefür ein Gersten-Vollkornbrot, dassneben der Mindestmenge von 20%Gersten-Vollkornerzeugnissen 70%andere Vollkornerzeugnisse (in derPraxis vorwiegend aus Weizen und/oder Roggen) zu verwenden sind.

Gerste, aber

nicht Gerstel

Gerste wird vor allem als Zutat fürMehrkornbrote verwendet: Hier se-hen die Leitsätze vor, dass jede „Nicht-Brotgetreideart“ zumindest zu 5%enthalten sein muss. Diese Regelungfür Mehrkornbrote berücksichtigt,dass im Allgemeinen die Gesamt-Zu-gabemenge von Nicht-Brotgetreide-arten backtechnisch maximal im Be-reich zwischen 20 und 30% liegt.Ob man ein „gerstiges“ Produkt alsGerste- oder Gerstenbrot bezeichnet,bleibt dem Sprachgefühl überlassen.Nichts mit Gerste zu tun haben dage-gen die „Gersterbrote“ oder „Gers-telbrote“, eine norddeutsche Speziali-tät. Als „gerstern“ (bzw. „gersteln“)bezeichnet man im Niederdeutscheneine besondere Behandlung der Teig-stücke: Diese werden nach der Auf-arbeitung mit Wasser abgestrichenund nach der Endgare auf der Ober-fläche mit einem Gasbrenner (oderGersterapparat) kurzfristig, aber nichtflächendeckend geflämmt. Dadurchentstehen charakteristische dunkleSprenkelungen, in deren Bereich sichschon auf der Teigstufe zusätzliche, ty-pische Aromastoffe bilden. Danachwird die Teighaut mehrmals einge-schnitten und der Teigling im Kasten,frei- oder angeschoben gebacken. l

Gerste

Warenkunde

„Gersterbrot“ ist eine niedersäch-sische Spezialität, die mit Gersteprimär nichts zu tun hat. FürMehrkornbrötchen hingegen findetauch Gerste Verwendung.

FOTO. GMF

Infotipp:Warenkunde-Informationen zuallen weiteren Getreidearten, denPseudocerealien sowie den zurWeizenfamilie gehörenden Un-terarten Dinkel, Durum, Einkornund Emmer: Dazu gibt es eineLinkliste mit firmenneutralenWebseiten als PDF-Datei zumHerunterladen.www.muehlen.org/getreide-arten.pdf

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Die Backeigenschaften eines Mehlessind im Wesentlichen durch die In-haltsstoffe des Getreidekornes und

die anschließende Verarbeitung bestimmt.Die Grundlagen der Mehlqualität – unddamit auch guter Backeigenschaften – wer-den bereits in der Pflanzenzucht gelegt.Deshalb ist die richtige Sortenwahl so we-sentlich. Danach können die Landwirte durchihre Anbau- bzw. Kultivierungsmaßnahmendie sortenspezifischen Potenziale je nachWitterungs- und Bodenbedingungen mehroder weniger ausschöpfen. Nach der Erntewählt der Müller mit Blick auf die Verwen-dungszwecke seiner Kunden die „richtigen“Getreidepartien aus, analysiert ihre „innerenWerte“ und sortiert sie vor nach überprüf-ten Qualitätskriterien wie u. a. Proteinmengebzw. -qualität, Stärke-Verkleisterung undEmzymaktivität (siehe dazu das „Kleine ABCder Weizenqualitäten“ auf S. 5!).

Was dem Müllermöglich ist …

Um trotz der naturbedingt vorhandenenUnterschiede und Schwankungen beimRohstoff Getreide die gewünschten Eigen-schaften in den Mehlen zu erzielen, hat dieMühle verschiedene Möglichkeiten, um dieQualität zu steuern, die Streubreiten aufQualitätskorridore einzuengen oder auchgezielt auf einzelne Parameter Einfluss zunehmen.

… beim RohstoffGetreide:

� Mischen verschiedener Getreidepartien:Dies ist die zentral-wichtige Maßnahme, umgezielt sowohl gleichmäßige wie auch funk-tional-spezifische Produktqualitäten zu errei-chen.� Physikalische Bearbeitung des Getreides:Durch Wärme und Feuchtigkeit („Konditio-nierung“) können einzelne Eigenschaften, z. B.des Klebers, modifiziert werden.

… bei derVermahlung:

� Steuerung der Schalenanteile im Mehl:Mineralstoffgehalt, Mehltype und Farbe desMehles sind damit „einstellbar“. DieKorngrößenverteilung im Endprodukt istdurch das Mühlendiagramm weitgehend fest-gelegt und kann u. U. gewisse Differenzen in

den Mehleigenschaften aus unterschiedlichenMühlen erklären.� Vermahlungstechnik: Durch Einsatz ver-schiedener Mahlmaschinen und den dabeiausgeübten Druck kann die Produktqualitätbeeinflusst werden. In Deutschland befindensich überwiegend auf Walzenstühlen herge-stellte Mehle am Markt: Durch den Einsatzglatter oder unterschiedlich geriffelter Wal-zen, Einstellungen des Mahlspalts, spezielleDiagrammführungen und Siebauszüge sindPassagenmehle mit spezifischen Qualitätenherstellbar.

… bei der Mehl-herstellung:

� Mischen verschiedener Mehle: Mehle ausdifferenzierten Passagen, aus verschiedenenRohstoffpartien oder ggf. auch aus unter-schiedlichen Produktionslinien können unterQualitätsgesichtspunkten gemischt werden.Dies ist z. B. wichtig beim Übergang auf „neu-erntiges“ Getreide oder wenn Veränderun-gen der Korngrößenstruktur im Endproduktgewünscht werden.� Zugabe von Mehlbehandlungsmitteln:Ascorbinsäure (Vitamin C; Einsatzmenge< 0,01%) wird häufig für Bäckermehle ver-wendet. Solche Mikromengen sind zwar keinBeitrag zur Vitaminversorgung, aber lebens-mitteltechnologisch dennoch hoch wirksam:Sie sorgen für die Zunahme von Teig-widerstand und Gärtoleranz, Verbesserungvon Gashaltevermögen, Volumenausbeuteund Krumenstuktur.

Cystein ist eine Aminosäure (= Eiweiß-baustein; Einsatzmenge < 0,001%), die dieTeigentwicklungszeit verkürzt und die Teigedehnbarer, geschmeidiger macht. Sie wird inDeutschland praktisch gar nicht mehr einge-setzt – nur etwa für den Export oder bei sog.„kleberstarken“ Mehlen.Malzmehle sind Mehle aus „angekeimten“Getreidekörnern, deren Keimungsprozessdurch Hitze gestoppt wurde. Diese aktivenMalzmehle (zumeist aus Weizen- oderRoggenmalz; Einsatzmenge < 0,1%) enthal-ten das vom Getreidekeimling gebildeteEnzymspektrum. Im Mehl wird dessen Wir-kung zum Ausgleich etwaiger Enzymdefizitebeim Rohstoff genutzt, die durch Ernte undWitterung bedingt sind. Die Enzyme, inerster Linie die Amylasen, beeinflussen dieStärkeeigenschaften. Sie verbessern Teig-struktur,Teigviskosität und Kneteigenschaften,Krustenfarbe, Krustenrösche und Krumen-elastizität, sowie Gebäckvolumen und -frisch-haltung. Die gezielte Dosierung einzelnerEnzyme (Einsatzmenge < 0,01%) hat heuteteilweise die Verwendung von Malzmehl bzw.-konzentraten abgelöst: Es werden zumeistAmylasen, insbesondere ?-Amylase, undPentosanasen (Hemizellulase, Xylanase) ver-wendet.Dabei gilt in der Mühle: Es wird entweder dereine oder andere Weg gewählt, nie alle aufeinmal. Denn sie haben unterschiedlicheZielsetzungen, die sich in ihren Wirkungenteilweise widersprechen.Darüber hinaus kennt jeder Müller „seine“Mehle am besten. Er kann die gegebenenfallsbenötigten Mittel in der richtigen Dosierungeinsetzen und bei den verwendeten Mikro-mengen eine optimale Produktmischunggewährleisten.Für die Mehlqualität zählen gleichermaßenLabordaten, empirische Erfahrungen derMüller und der Backversuch. Deshalb sollteauch in sachlich-fachlichen Diskussionen derMarktpartner immer die Gesamtheit derRohstoff- und Produkteigenschaften betrach-tet werden. l

Stichwort: Mehlqualität

Noch mehr über Mehlqualitäten undihre Bedeutung auf dem Weg vomRohstoff Getreide zum fertigen Gebäckerfahren Sie in der 36-seitigenBroschüre „Mehl“: für Euro 1,50 (zzgl.MwSt. und Versandkosten) erhältlichbeim Verband Deutscher Mühlen,Postfach 300162, 53181 Bonn;Fax: 02 28/9 76 10 99; Bestellformularauch im Internet: www.muehlen.org

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Weitere Informationen und Anregungen

Schulpaket zum Thema „Getreidekette“Projektideen und Arbeitsmaterialien für den Unter-richt in der Sekundarstufe

Unter dem Titel „Klasse(n)-Reportagen“ wurde aus dem päda-gogischen Umfeld heraus ein Fächerübergreifender Ansatz entwickelt, umdas Lernfeld „Getreidekette“ zuerschließen. Journalistische Denk- undArbeitsansätze schlagen die Brückevom didaktischen Raster über die In-halte zu den Techniken, mit denen dasLernfeld erkundet wird. Das Heftund die ergänzende CD enthaltenu. a. weiterführende Unterlagen, Ma-terialien und Internetlinks für die in-haltliche Recherche,Arbeitsblätterzum Berufsbezug und ein PC-

Übungsprogramm für eine Verbrau-cherbefragung. Dazu vier Sachthemen,um Getreideprodukte mit der jugend-lichen Alltagswelt zu verknüpfen: Fitn-ess, Schönheit, „Brainfood“ und Ge-schmack, inkl. Rezept für eine „Klas-se(n)-Pizza“.Zum Schulpaket gehören das Lehr-kräfte-Infoheft mit 24 Seiten und dieArbeits-CD „Klasse(n)-Reportagen“sowie ein 28-seitiges „BerufsMaga-zin: Qualität ist ihr täglich’ Brot“, dasin acht Beispielen Menschen und Berufe entlangder Getreidekette vorstellt. Das Schulpaket gibt es gegen eineSchutzgebühr von Euro 5,00 (zzgl. MwSt. und Versandkosten) –für Lehrkräfte bei schriftlicher Bestellung mit Schulstempel ko-stenlos – von der GMF, Kennwort „Schulpaket Getreidekette“,Postfach 30 01 65, 53181 Bonn; E-Mail: [email protected]

Mehr Infos über die Mühlenbranche gibt es in der 28-seitigen Broschüre „Müller & Mühlen“ und in dem Faltblatt„Fakten zur Branche“: Zusammen für Euro 2,50 (zzgl.MwSt. und Versandkosten) vom Verband DeutscherMühlen, Postfach 30 01 62, 53181 Bonn;Fax: 02 28/9 76 10 99; E-Mail: [email protected]

Aktuelle Infos für Profis inden Backstuben, Fachbeiträgeund Rezepte bringt der drei-

mal jährlich erscheinendeMehlreport der GMF: Ko-stenlos zu abonnieren bei

GMF, Postfach 30 01 65,53181 Bonn; Fax:

02 28/4 79 75 59; E-Mail:[email protected]

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