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Katholische Hochschule fuumlr Sozialwesen Berlin
Studiengang Heilpaumldagogik
Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung
in Werkstaumltten fuumlr behinderte Menschen
Bachelorarbeit zur Erlangung des akademischen Grades
Bachelor of Arts (BA)
vorgelegt von Michael Petrauschke
Matrikelnummer 801617
7 Fachsemester
Erstgutachter Prof Dr Reinhard Burtscher
Zweitgutachterin Prof Dr Sabine Michalek
Wintersemester 201516
Berlin 09012016
Michael Petrauschke
michaelpetrauschkeeh-berlinde
2
Inhalt
Abkuumlrzungsverzeichnis 3
1 Einleitung 4
2 Begriffsdefinitionen und Abgrenzungen 6
21 Menschen mit Behinderung 6
22 Gesundheit 7
23 Gesundheitsfoumlrderung und ihre Abgrenzung zur Praumlvention 8
3 Allgemeine Grundlagen der Gesundheitsfoumlrderung 10
31 Leitgedanken der Gesundheitsfoumlrderung 10
32 Auswirkungen von Gesundheitsfoumlrderung auf den Menschen 11
33 Rechtliche Grundlagen 12
34 Gesundheitsfoumlrderung in Settings 14
35 Gesundheitsfoumlrderung in der Lebenswelt bdquoArbeitldquo 15
351 Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung 15
352 Betriebliches Gesundheitsmanagement 17
4 Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung 19
41 Behinderte Menschen und Gesundheit und Krankheit ndash sozialmedizinische Erkenntnisse 19
42 Erreichbarkeit von Menschen mit Behinderungen fuumlr gesundheitsfoumlrdernde Maszlignahmen 21
421 Probleme bei der Erreichbarkeit 22
422 Potentiale fuumlr die Erreichbarkeit 23
43 Das Setting Werkstatt fuumlr behinderte Menschen 24
44 Gesundheitsfoumlrderung in Werkstaumltten fuumlr behinderte Menschen 25
441 Recherche zum aktuellen Stand 25
442 Konzepte und Leitbilder von Einrichtungen der Praxis 27
443 Gesundheitsfoumlrderung in der alltaumlglichen Praxis der Werkstaumltten ndash eine kleine
Feldbefragung 27
45 Anregungen fuumlr die Praxis 30
451 Partizipation und Empowerment in der Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit
Behinderung 30
452 Peer-Multiplikatorinnen und -Multiplikatoren 31
453 Verknuumlpfung von Betrieblicher Gesundheitsfoumlrderung und Gesundheitsfoumlrderung in
Werkstaumltten fuumlr behinderte Menschen 32
5 Fazit und Ausblick 34
6 Literatur 36
Anhang 41
3
Abkuumlrzungsverzeichnis
Abs Absatz
Aufl Auflage
BAG Bundesarbeitsgemeinschaft
BGF Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung
BMAS Bundesministerium fuumlr Arbeit und Soziales
bspw beispielsweise
BVPG Bundesvereinigung Praumlvention und Gesundheitsfoumlrderung eV
bzw beziehungsweise
et al und Weitere (lat et alii)
etc et cetera
Herv Hervorhebung
Hrsg Herausgeber
idR in der Regel
Jg Jahrgang
LAG Landesarbeitsgemeinschaft
Nr Nummer
oJ ohne Jahr
oJg ohne Jahrgang
oS ohne Seite
S Seite
SGB Sozialgesetzbuch
ua unter anderem
UN-BRK Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen
va vor allem
vgl vergleiche
WfbM Werkstatt fuumlr behinderte Menschen
WHO Weltgesundheitsorganisation (engl World Health Organisation)
WMVO Werkstaumltten-Mitwirkungsverordnung
ZDF Zweites Deutsches Fernsehen
zB zum Beispiel
zit zitiert
zT zum Teil
4
1 Einleitung
Auf Gesundheitsfoumlrderung trifft man heutzutage sehr haumlufig sei es im Unternehmen fuumlr das
man arbeitet auf Werbeplakaten an der Straszlige oder sogar gegen Ende der Sendung bdquoAktuelles
Sportstudioldquo im ZDF Maszlignahmen wie diese haben stets eine bestimmte Zielgruppe vor Au-
gen zB die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Unternehmens bestimmte Menschen im
Straszligenverkehr oder Sportfans die am Samstagabend gerne die Sportereignisse des Wochen-
endes im Fernsehen zusammengefasst sehen wollen
Auf alle diese Menschen hat das am 18 Juni dieses Jahres vom Deutschen Bundestag verab-
schiedete Gesetz zur Staumlrkung der Gesundheitsfoumlrderung und der Praumlvention (auch bekannt
als das bdquoPraumlventionsgesetzldquo) Auswirkungen Dieses wurde seit vielen Jahren und von ver-
schiedenen Koalitionen und Regierungen angestrebt aber regelmaumlszligig verschoben Nun regelt
es die gesetzlichen Bedingungen fuumlr die Gesundheitsfoumlrderung neu und versucht ihr einen
houmlheren Stellenwelt in der Landschaft der medizinischen Versorgung in Deutschland zukom-
men zu lassen
Jede Maszlignahme zur Foumlrderung der Gesundheit eines oder mehrerer Menschen versucht sich
an genau diesen bzw diese Menschen zu richten Menschen sind jedoch unterschiedlich und
so sind folglich auch Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung unterschiedlich ndash sie unterschei-
den sich in der Methodik im Inhalt und nicht zuletzt im Zugangsweg zur Zielgruppe Ge-
sundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung ist ein Thema welches erst in den letzten
Jahren an Bedeutung gewonnen hat Die Fachwelt hat sich langsam diesem Thema ange-
nommen es sind Publikationen erschienen und Projekte aufgebaut worden Die Anzahl ist
hier jedoch noch relativ uumlberschaubar und laumlsst den Bedarf an Forschung auf diesem Gebiet
erkennen
Gesundheitsfoumlrderung findet haumlufig in Lebenswelten von Menschen statt zB zuhause in der
Schule oder in der Arbeit In Deutschland arbeiten viele Menschen mit Behinderungen in
Werkstaumltten fuumlr behinderte Menschen (WfbMs) Fuumlr viele aus der sehr heterogenen Gruppe
der behinderten Menschen stellen diese also eine wichtige Lebenswelt ein sog Setting dar
Der Titel der Arbeit wurde bewusst gewaumlhlt Es ist nicht von Gesundheitsfoumlrderung fuumlr Men-
schen mit Behinderung die Rede sondern mit Menschen mit Behinderung Die Bedeutung
dieses kleinen Wortes ist dabei enorm denn es ist ein sehr groszliger Unterschied ob man etwas
fuumlr einen Menschen macht oder ob man es mit ihm macht Wichtig ist dies auch vor dem Hin-
tergrund der gesellschaftlichen Debatten unserer Zeit in denen Inklusion und Teilhabe behin-
derter Menschen eine immer wichtigere Rolle spielen
5
In der vorliegenden Arbeit soll nun ein Uumlberblick daruumlber gegeben werden ob es in WfbMs
gesundheitsfoumlrdernde Maszlignahmen gibt und wie Menschen mit Behinderung an ihnen teil-
nehmen und ndash ganz im Sinne des Wortes bdquomitldquo ndash teilhaben Es soll sowohl der aktuelle Stand
wiedergegeben werden als auch versucht werden Schwierigkeiten wie Potentiale zu identifi-
zieren
Dafuumlr werden zuerst die drei Begriffe Behinderung Gesundheit und Gesundheitsfoumlrderung
eingegrenzt (Kapitel 2) Anschlieszligend werden allgemeine Grundlagen der Gesundheitsfoumlrde-
rung vorgestellt (Kapitel 3) in denen ua Prinzipien und Leitideen hierfuumlr aufgezeigt und die
rechtliche Rahmung beleuchtet werden Auszligerdem wird naumlher auf Gesundheitsfoumlrderung in
Settings eingegangen Dabei liegt der Schwerpunkt auf dem Setting Arbeitswelt Aufbauend
darauf wird im Speziellen auf die Gesundheitsfoumlrderung bei Menschen mit Behinderungen
eingegangen (Kapitel 4) Hier werden sozialmedizinische Erkenntnisse praumlsentiert die Er-
reichbarkeit behinderter Menschen fuumlr die Maszlignahmen diskutiert und das Thema der Ge-
sundheitsfoumlrderung in Werkstaumltten besonders vertieft In diesem Zusammenhang werden auch
die Ergebnisse einer kleinen Feldbefragung vorgestellt die im Rahmen dieser Arbeit durchge-
fuumlhrt wurde Aufbauend auf den gewonnenen Erkenntnissen wird uumlberlegt wie Gesundheits-
foumlrderung in WfbMs besonders erfolgreich gestaltet werden kann Abgerundet wird die Arbeit
durch ein Fazit das eine Zusammenfassung der gewonnenen Erkenntnisse und gleichzeitig
ein Ausblick sein will (Kapitel 5)
6
2 Begriffsdefinitionen und Abgrenzungen
Fuumlr das Verstaumlndnis bestimmter Begriffe im weiteren Verlauf der Arbeit ist es sinnvoll diese
Auslegungen kurz darzustellen Fuumlr jeden der hier skizzierten Begriffe gibt es zahlreiche
Konzepte und Theorien die aufgrund des gegebenen Rahmens nicht in aller Ausfuumlhrlichkeit
diskutiert werden koumlnnen
21 Menschen mit Behinderung
Fuumlr den Begriff bdquoBehinderungldquo gibt es zahlreiche Definitionen Der in der Internationalen
Klassifikation der Funktionsfaumlhigkeit Behinderung und Gesundheit (ICF) der Weltgesund-
heitsorganisation WHO verankerten Sicht liegt ein bio-psycho-soziales Verstaumlndnis von Be-
hinderung zugrunde (vgl WHO 2005 S45) Behinderung wird hier nicht als rein biologisch-
medizinisches Konstrukt gesehen sondern der einzelne Mensch der eine koumlrperliche geistige
undoder seelische Beeintraumlchtigung hat wird auch durch seine Umwelt laumlngerfristig bzw
wiederkehrend behindert bzw nicht behindert1 Behinderung ist also kein festes Merkmal
einer Person sondern ein Wechselspiel zwischen Mensch und Umwelt Diese Auffassung teilt
die Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen (UN-BRK) die in Artikel 1 von
einer bdquoWechselwirkung mit verschiedenen Barrierenldquo spricht
Ausgehend von diesem Verstaumlndnis muss aufgrund der Thematik der vorliegenden Arbeit der
Begriff bdquoMenschen mit Behinderungldquo auch aus gesetzlicher Sicht betrachtet werden Fuumlr die
Aufnahme als Beschaumlftigter oder Beschaumlftigte2 bzw in den Berufsbildungsbereich in Werk-
staumltten fuumlr behinderte Menschen ist eine Behinderung wie sie in den Sozialgesetzbuumlchern
(SGB) verstanden wird Voraussetzung Diese ist definiert in sect 2 SGB IX bdquoMenschen sind
behindert wenn ihre koumlrperliche Funktion geistige Faumlhigkeit oder seelische Gesundheit mit
hoher Wahrscheinlichkeit laumlnger als sechs Monate von dem fuumlr das Lebensalter typischen
Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeintraumlchtigt istldquo
Dies muss fuumlr jeden Menschen individuell betrachtet werden
1 Die ICF kann nicht nur auf Menschen mit einer Behinderung sondern auf jeden Menschen bezogen werden
(vgl WHO 2005 S 13) 2 Aus Gruumlnden des einfacheren Verstaumlndnisses werden im weiteren Verlauf Menschen mit Behinderungen die in
WfbMs beschaumlftigt sind als Beschaumlftigte bezeichnet und festangestelltes Personal wie etwa Paumldagoginnen und
Paumldagogen bzw Arbeitsgruppenleitungen als Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
7
Auf das genaue Verfahren zur Feststellung wird an dieser Stelle nicht weiter eingegangen da
es fuumlr den weiteren Verlauf der Arbeit nicht relevant ist Es genuumlgt zu wissen dass sich der
Personenkreis der in der WfbM beschaumlftigt ist rechtlich gesehen nach dem SGB IX definiert
Diese Definition ist weniger umfassend als das Verstaumlndnis der ICF die die Kontextfaktoren
staumlrker betont (vgl WHO 2005 S 2122)
22 Gesundheit
Das traditionelle Bild von Gesundheit ist die Abwesenheit von Krankheit Jedoch erkannte
schon in ihrer Verfassung von 1946 die WHO dass Gesundheit mehr als nur das ist bdquoDie
Gesundheit ist ein Zustand des vollstaumlndigen koumlrperlichen geistigen und sozialen Wohlerge-
hens und nicht nur das Fehlen von Krankheit oder Gebrechenldquo (WHO 2014 S 1)
Fuumlr die Determinanten der Gesundheit von Menschen haben Margaret Whitehead und Goumlran
Dahlgren bereits 1991 ein Modell (siehe Anhang Nr 1) entwickelt das die Einflussfaktoren
in verschiedene Ebenen gliedert Neben den persoumlnlichen Merkmalen wie Alter Geschlecht
und Genen stehen in der naumlchsten Ebene die Faktoren individueller Lebensweisen (Sport
Konsum von Genussmitteln etc) Daran schlieszligen sich soziale und kommunale Netzwerke an
(va Familie Freundinnen und Freunde) und auf naumlchster Ebene die Lebens- und Arbeitsbe-
dingungen (zB Wohn- und Arbeitsumfeld Bildung) Abgeschlossen wird das Modell durch
allgemeine Bedingungen der soziooumlkonomischen kulturellen und physischen Umwelt wie
bspw Wirtschaft und Politik (vgl DahlgrenWhitehead 2007 S 11)
Die sehr breite Auffassung der WHO von Gesundheit entwickelte Aaron Antonovsky weiter
indem er sein Konzept der Salutogenese entwickelte Neu daran war zum einen dass er von
einem Gesundheits-Krankheits-Kontinuum ausgeht dessen Pole Gesundheit und Krankheit
sind Die Gesundheit eines Menschen laumlsst sich zu jedem Zeitpunkt seines Lebens individuell
an einem Punkt des Kontinuums festlegen je nachdem wie gesund der Mensch sich zum je-
weiligen Zeitpunkt fuumlhlt (vgl Antonovsky 1997 S 23) Auszligerdem stellt Antonovsky die Fra-
ge warum unter bestimmten (unguumlnstigen) Bedingungen also den Determinanten von Ge-
sundheit manche Menschen gesund bleiben und andere nicht (vgl Antonovsky 1997 S 15)
Als Antwort auf diese Frage praumlsentiert er das sog Kohaumlrenzgefuumlhl (SOC)3 bestehend aus
3 In der Literatur zT auch mit Kohaumlrenzsinn Kohaumlrenzempfinden etc uumlbersetzt Das englische Original bdquoSense
of Coherenceldquo ist schwer zu uumlbersetzen da es im Deutschen kein Wort gibt das der weiten Bedeutung des engli-
schen bdquosenseldquo gerecht werden koumlnnte
8
den drei Elementen Verstehbarkeit Handhabbarkeit und Bedeutsamkeit Verstehbarkeit be-
deutet seine Welt als stimmig und verstaumlndlich einzuordnen und Belastungen in einem groumlszlige-
ren Zusammenhang sehen zu koumlnnen Handhabbarkeit bezeichnet das Gefuumlhl die Aufgaben
und Probleme denen man begegnet mit seinen Ressourcen bewaumlltigen zu koumlnnen Bedeut-
samkeit ist die Uumlberzeugung von der eigenen Lebensfuumlhrung die mit Zielen verbunden ist
fuumlr die sich einzusetzen lohnenswert erscheint (vgl Antonovsky 1997 S 33 ndash 36) Legt man
den Fokus nun also auf die Aufrechterhaltung oder Verbesserung der Gesundheit sind die
dafuumlr in der Praxis konzipierten Maszlignahmen ndash ganz der Denktradition der Salutogenese fol-
gend ndash Schritte zur Gesundheitsfoumlrderung
23 Gesundheitsfoumlrderung und ihre Abgrenzung zur Praumlvention
Die Idee der Gesundheitsfoumlrderung fuszligt auf einem Gesundheitsverstaumlndnis wie es die Saluto-
genese aufzeigt Ein wichtiger Grundstein fuumlr unser heutiges Verstaumlndnis von Gesundheits-
foumlrderung wurde bereits 1986 mit der Ottawa-Charta der WHO gelegt bdquoGesundheitsfoumlrde-
rung zielt auf einen Prozess allen Menschen ein houmlheres Maszlig an Selbstbestimmung uumlber ihre
Gesundheit zu ermoumlglichen und sie damit zur Staumlrkung ihrer Gesundheit zu befaumlhigenldquo (WHO
1986 S 1) Gesundheitsfoumlrderung ist also bdquoeine Promotionsstrategie bei der Menschen durch
Verbesserung ihrer Lebensbedingungen eine Staumlrkung der gesundheitlichen Entfaltungsmoumlg-
lichkeiten erfahren sollenldquo (HurrelmannKlotzHaisch 2010 S 13 Herv weggelassen) Kon-
kret in der Praxis aumluszligert sich Gesundheitsfoumlrderung in unterschiedlichsten Maszlignahmen auf
den verschiedenen Ebenen Individuum Setting und PolitikGesamtgesellschaft (vgl Alt-
geldKolip 2010 S 4647) So sind etwa Schritte zur Steigerung des Selbstwertgefuumlhls (Indi-
viduumsebene) Ernaumlhrungsprogramme in Schulen (Setting) oder eine gesetzlich verankerte
finanzielle Unterstuumltzung zum Vereinsbeitrag fuumlr Kinder aus einkommensschwachen Fami-
lien in Sportvereinen (Politik) Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung Auf saumlmtlichen Ebenen
ist eine Partizipation der Zielgruppe fuumlr eine gelingende Gesundheitsfoumlrderung erstrebenswert
(vgl FaltermaierWihofszky 2012 S 102) Als Kernelemente der Gesundheitsfoumlrderung
weist die WHO in der Ottawa-Charta Ganzheitlichkeit oumlkologische Verantwortung und ge-
genseitige Fuumlrsorge aus (vgl WHO 1986 S 5) Dieser universelle Anspruch findet seine
Fortsetzung in der Jakarta-Erklaumlrung die als Ziele den groumlszligtmoumlglichen Gesundheitsgewinn
der Bevoumllkerung die Reduzierung gesundheitlicher Ungleichheiten und die Staumlrkung der
Menschenrechte formuliert (vgl WHO 1997 S 2)
9
Unterscheiden kann man gesundheitsfoumlrdernde Strategien zwischen Verhaltens- und Verhaumllt-
nisebene Verhaltensorientierte Maszlignahmen setzen beim Verhalten des einzelnen Menschen
oder einer Gruppe zB ihrer Ernaumlhrung oder der Haumlufigkeit von Bewegung an Verhaumlltnis-
bezogene Maszlignahmen setzen an den Verhaumlltnissen an in denen ein oder mehrere Menschen
leben Dies kann sich auf saumlmtliche Lebensbereiche beziehen zB Wohnen Arbeit oder Frei-
zeit Hier kann beispielhaft die Verfuumlgbarkeit von Gruumlnflaumlchen oder Spielplaumltzen aufgefuumlhrt
werden Eine Verbindung beider Ansaumltze ist durchaus moumlglich
Abzugrenzen ist die Gesundheitsfoumlrderung von der Praumlvention Als jene gelten Maszlignahmen
zur Vermeidung des Auftretens bzw Fortschreitens bestimmter Krankheiten Praumlvention und
Gesundheitsfoumlrderung zielen beide auf einen Gesundheitsgewinn ab jedoch setzt erstere beim
Verringern von Risikofaktoren an letztere beim Schaffen und Staumlrken von Ressourcen also
Schutzfaktoren (vgl HurrelmannKlotzHaisch 2010 S 1617) Anders ausgedruumlckt Praumlven-
tion ist pathogenetisch das bedeutet an der Entstehung von Krankheiten orientiert Gesund-
heitsfoumlrderung hingegen salutogenetisch orientiert Generell muumlssen Praumlvention und Gesund-
heitsfoumlrderung als sich ergaumlnzende nicht als konkurrierende Interventionsformen mit ver-
schiedener Sachlogik gesehen werden (vgl Hurrelmann 2006 S 150) Beide Strategien sind
in der Zielsetzung des Zugewinns an Gesundheit geeint jedoch unterscheiden sie sich als In-
terventionsformen durch verschiedenartige Wirkungsprinzipien In der Praxis sind nicht alle
konkreten Maszlignahmen trennscharf einer der beiden Strategien zuzuordnen Uumlberschneidun-
gen sind moumlglich
Zusammengefasst laumlsst sich konstatieren bdquoGesundheitsfoumlrderung bezeichnet alle Eingriffs-
handlungen die der Staumlrkung von individuellen Faumlhigkeiten der Lebensbewaumlltigung dienenldquo
(HurrelmannKlotzHaisch 2010 S 14 Herv weggelassen)
Vertiefende Problemstellungen wie etwa die Erreichbarkeit bestimmter Bevoumllkerungsgrup-
pen und rechtliche Rahmenbedingungen in Deutschland werden im weiteren Verlauf der Ar-
beit aufgegriffen
10
3 Allgemeine Grundlagen der Gesundheitsfoumlrderung
Es wurde bereits grob umrissen was Gesundheitsfoumlrderung kennzeichnet Nun sollen einzelne
Aspekte inhaltlich vertieft werden auf denen anschlieszligend eine (moumlgliche) Gesundheitsfoumlrde-
rung in WfbMs (siehe Kapitel 4) aufbauen kann
31 Leitgedanken der Gesundheitsfoumlrderung
In der Praxis koumlnnen gesundheitsfoumlrdernde Maszlignahmen ganz unterschiedlich aussehen Damit
sie fuumlr die Menschen die daran teilnehmen dauerhaft eine positive Wirkung aufweisen hat
die Bundesvereinigung Praumlvention und Gesundheitsfoumlrderung eV (BVPG)4 sieben bdquoPrinzi-
pien guter Praumlvention und Gesundheitsfoumlrderungldquo formuliert in ihrem Sinne gute Gesund-
heitsfoumlrderung ist demnach gekennzeichnet durch (1) Autonomie und Empowerment (2) Par-
tizipation (3) Lebenswelt- und Lebensstilbezug (4) Gesundheitliche Chancengleichheit
(5) Konzeptbasierung (6) Evaluation sowie (7) Nachhaltigkeit (vgl BVPG 2013 S 9091)
Das Prinzip (1) Autonomie und Empowerment bedeutet dass eine Maszlignahme durch Selbst-
bestimmung gepraumlgt ist und die Teilnehmenden zur Selbststaumlndigkeit befaumlhigt die eigene
Gesundheit und die anderer zu gestalten (vgl BVPG 2013 S 90) Die Idee Gesundheit ande-
rer mitzugestalten findet ua in den Strategien Peer Counseling und Multiplikatorinnen und
Multiplikatoren ihre praktische Umsetzung (siehe 452) Empowerment kann an dieser Stelle
uumlber die Ebene der persoumlnlichen Gesundheit hinaus gedacht werden Menschen werden nicht
nur dazu befaumlhigt ihre eigene Gesundheit selbst zu gestalten sondern koumlnnen als gesunde
Buumlrger ihre Interessen oder die bestimmter Bevoumllkerungsgruppen selbstbewusst vertreten
(vgl Laverack 2010 S 27) Im Sinne der (2) Partizipation sollen Vertreterinnen und Vertreter
der Zielgruppe in allen Phasen einer Maszlignahme aktiv mitgestalten und mitentscheiden Auf
die Partizipation von Menschen mit Behinderung wird in 451 noch detaillierter eingegangen
Der (3) Lebenswelt- und Lebensstilbezug betont den bereits erwaumlhnten Setting-Ansatz
schlieszligt jedoch gesamtgesellschaftliche bzw individualbezogene Strategien ebenfalls mit ein
Gelingende Gesundheitsfoumlrderung braucht immer einen konkreten Anknuumlpfungspunkt in der
Lebenswelt des bzw der Menschen (4) Gesundheitliche Chancengleichheit fordert dass va
4 Die BVPG ist ein gemeinnuumltziger politisch und konfessionell unabhaumlngiger Verbund bestehend aus Bundes-
verbaumlnden des Gesundheitswesens darunter die Bundesaumlrztekammer den Spitzenverbaumlnden der Sozialversiche-
rungstraumlger sowie Verbaumlnden der Heil- und Hilfsberufe Sozial- und Wohlfahrtsverbaumlnden und Bildungseinrich-
tungen mit Arbeitsschwerpunkt im Bereich Praumlvention und Gesundheitsfoumlrderung
11
sozial benachteiligte Menschen zu denen haumlufig auch behinderte Menschen gehoumlren beson-
ders in ihrer Gesundheit gefoumlrdert werden da mit einem niedrigeren soziooumlkonomischen Sta-
tus oft eine schlechtere Gesundheit einhergeht (vgl Lampert et al 2013 S 814) Diese Be-
voumllkerungsgruppen gelten jedoch als besonders schwer erreichbar fuumlr gesundheitsfoumlrdernde
Maszlignahmen insbesondere wenn diese fuumlr die Gesamtbevoumllkerung ausgelegt sind (vgl
Mielck 2010 S 113)
Generell sollten Programme zur Gesundheitsfoumlrderung stets auf einem (5) Konzept beruhen
in dem Mittel Zeit Ressourcen und Ziele festgelegt und eine Bedarfsanalyse und Beschrei-
bung des Wirkungsmodells verankert sind Auch der geplante Weg einer Verstetigung der
Maszlignahme soll hier aufgezeigt werden (vgl BVPG 2013 S 91) Durch das Prinzip der
(6) Evaluation soll eine Qualitaumltssicherung erfolgen von der durch Veroumlffentlichung auch
andere profitieren koumlnnen (7) Nachhaltig soll Gesundheitsfoumlrderung auf saumlmtlichen Ebenen
sein es muss auf moumlgliche negative (Spaumlt-)Folgen geachtet werden der Umgang mit den
Ressourcen und der Umwelt sollte nachhaltig sein und es sollte eine Wirkung uumlber die Dauer
der Maszlignahme hinaus entstehen (vgl BVPG 2013 S 91)
32 Auswirkungen von Gesundheitsfoumlrderung auf den Menschen
Wie bereits dargelegt soll Gesundheitsfoumlrderung die Gesundheit der Menschen verbessern
Dies kann auf ganz unterschiedliche Weise geschehen Als Strategien sind hier die schon er-
waumlhnten verhaltens- und verhaumlltnisorientierten Strategien moumlglich und die Interventionsebene
kann auf individueller Ebene liegen an einem bestimmten Setting ansetzen oder die gesamte
Gesellschaft als Ausgangspunkt nehmen
Da Gesundheit als bdquoZustand des vollstaumlndigen koumlrperlichen geistigen und sozialen Wohler-
gehensldquo (WHO 2014 S 1) betrachtet wird soll eine gesundheitsfoumlrdernde Maszlignahme das
Befinden in einem oder mehreren dieser Teilbereiche ndash in einer ganzheitlichen Betrachtung
haumlngen diese stark zusammen und beeinflussen sich gegenseitig ndash positiv beeinflussen Im
Sinne der Salutogenese werden also Ressourcen entwickelt undoder gestaumlrkt Verbreitete
Strategien der Gesundheitsfoumlrderung wie etwa Sport gesunde Ernaumlhrung und Entspannung
aber auch soziale Ausgewogenheit und Partizipation als strukturelle Verhaumlltnisse muumlssen von
der Zielgruppe als positiv erlebt werden (vgl Geene 2005 S 21) Andernfalls ist keine oder
nur eine geringere Annahme bzw Wirkung des Programms zu erwarten Am Ende einer
Maszlignahme sollte stets eine Evaluation erfolgen Hier sind mit passend ausgewaumlhlten Evalua-
12
tionsinstrumenten die Auswirkungen des Programmes meist in irgendeiner Form messbar
entweder durch subjektive Einschaumltzungen zB wenn Teilnehmende angeben sich nun ge-
sunder zu fuumlhlen oder auch durch objektiv messbare Werte So koumlnnen bspw Werte wie Ge-
wicht Body-Mass-Index Blutwerte oder Ausdauer zu Beginn einer Maszlignahme mit denen am
Ende verglichen werden Eine hier erfolgreich ansetzende Maszlignahme hat meist (nicht nur)
eine Verbesserung der koumlrperlichen Gesundheit zur Folge Das gesenkte Risiko fuumlr Herz-
Kreislauf-Erkrankungen Krebs Erkrankungen der Atemwege der Verdauungsorgane oder
des Muskel-Skelett-Systems koumlnnen exemplarisch als Verbesserung der physischen Gesund-
heit aufgefuumlhrt werden (vgl HurrelmannKlotzHaisch 2010 S 20) Dies sind Anzeichen
dass sich der bdquoStandpunktldquo eines Menschen auf dem Gesundheits-Krankheits-Kontinuum
nach Antonovskys Modell der Salutogenese ein Stuumlck weiter Richtung Gesundheit verscho-
ben hat
Auch die Foumlrderung der Selbstwirksamkeit also der Uumlberzeugung auch schwierige Situatio-
nen mit eigenen Ressourcen loumlsen zu koumlnnen hat vielfaumlltige positive Auswirkungen auf die
Gesundheit und foumlrdert so diese (DlugoschDahl 2013 S 370) Maszlignahmen zur Entspannung
und Stressbewaumlltigung wirken sich im ersten Moment auf das seelische und psychische
Wohlbefinden aus haben dadurch aber sehr oft auch positive Auswirkungen auf den Koumlrper
Bestimmte Methoden wie etwa Yoga verfolgen schon im Ansatz eine ganzheitliche Vorstel-
lung bei welchem das Wohlbefinden koumlrperlich psychisch und seelisch gestaumlrkt wird (vgl
SimonHegerReszies 2011 S 169)
Die aufgefuumlhrten positiven Auswirkungen durch gesundheitsfoumlrdernde Maszlignahmen auf die
Gesundheit von Menschen sind nur einige Beispiele von sehr vielen Allen diesen Effekten zu
eigen ist jedoch dass sie sich positiv auf das gesundheitliche Wohlbefinden der Menschen
auswirken In deren subjektiven Empfinden verschiebt sich dadurch ihr Punkt auf dem Ge-
sundheits-Krankheits-Kontinuum des Salutogenesemodells ein Stuumlck in Richtung des Ge-
sundheitspols
33 Rechtliche Grundlagen
Die rechtliche Verankerung der Gesundheitsfoumlrderung findet sich in Deutschland im SGB V
wieder So legt sect 20 Abs 1 SGB V fest bdquoDie Krankenkasse sieht in der Satzung Leistungen
zur Verhinderung und Verminderung von Krankheitsrisiken (primaumlre Praumlvention) sowie zur
Foumlrderung des selbstbestimmten gesundheitsorientierten Handelns der Versicherten (Gesund-
13
heitsfoumlrderung) vorldquo5 Zurecht weist die Bundesaumlrztekammer in ihrer Stellungnahme zum
neuen Praumlventionsgesetz darauf hin dass diese Definition von Gesundheitsfoumlrderung nicht
umfassend genug ist da die Staumlrkung von Gesundheitsressourcen und ndashpotenzialen unerwaumlhnt
bleibt (vgl Bundesaumlrztekammer 2014 S 3) Die gesetzliche Krankenversicherung ist in
Deutschland von den Sozialversicherungszweigen finanziell mit Abstand am staumlrksten an der
Gesundheitsfoumlrderung beteiligt Gesetzlich verpflichtet war auszligerdem bisher nur die gesetzli-
che Unfallversicherung sodass die Beteiligung nicht-oumlffentlicher gemeinnuumltziger Traumlger wie
bspw Stiftungen zunehmend an Bedeutung gewinnt Der groumlszligte Teil der finanziellen Mittel
stammt allerdings aus oumlffentlichen Mitteln (vgl AltgeldKolip 2010 S 54) Durch das Prauml-
ventionsgesetz sind die gesetzlichen Krankenkassen nun nach sect 20 Abs 6 SGB V verpflich-
tet ab dem Jahr 2016 pro Versicherten 700 Euro statt wie im Jahr 2015 317 Euro fuumlr Praumlven-
tion und Gesundheitsfoumlrderung auszugeben Davon entfallen je 200 Euro auf Leistungen zur
Gesundheitsfoumlrderung und Praumlvention in Lebenswelten nach sect 20a SGB V und Betriebliche
Gesundheitsfoumlrderung nach sect 20b SGB V Das Praumlventionsgesetz sieht dabei eine Betriebli-
che Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen in WfbMs vor bdquoMit den Leistungen
[primaumlre Praumlvention und Gesundheitsfoumlrderung MP] sollen auch Menschen mit Behinde-
rung erreicht werden zB mit Leistungen zur betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung in Werk-
staumltten fuumlr behinderte Menschenldquo (Deutscher Bundestag 2015 S 34) Dies geht aus der vom
Deutschen Bundestag veroumlffentlichten Erlaumluterung zum Gesetzentwurf hervor
Die gesetzlichen Krankenkassen (unter Umstaumlnden auch die privaten Krankenkassen) sollen
des Weiteren mit den Traumlgern der Pflegeversicherung der Unfallversicherung und der Gesetz-
lichen Rentenversicherung eine bdquoNationale Praumlventionsstrategieldquo entwickeln (sect 20d SGB V)
die in der bdquoNationalen Praumlventionskonferenzldquo (sect 20e SGB V) ausgearbeitet und weitergefuumlhrt
wird In beiden Paragraphen geht es auch um Strategien der Gesundheitsfoumlrderung
Die gesetzlichen Pflegekassen sind nach sect 5 SGB XI fortan verpflichtet im Jahr 030 Euro je
Versicherter und Versichertem zur Gesundheitsfoumlrderung und Praumlvention in stationaumlren Pfle-
geeinrichtungen zu investieren
Eine gesetzliche Verankerung der Partizipation in der Gesundheitsfoumlrderung durch das Prauml-
ventionsgesetz ist hingegen ausgeblieben Ausgehend von der Annahme dass Gesundheits-
foumlrderung effektiver ist wenn die Zielgruppe an der Planung Durchfuumlhrung und Evaluation
5 Die Novellierung der sectsect 20ff SGB V ist eine Folge des 2015 verabschiedeten Gesetzes zur Staumlrkung der Ge-
sundheitsfoumlrderung und der Praumlvention Dieses ist im Internet verfuumlgbar unter
httpwwwbgbldexaverbgblstartxavstartbk=Bundesanzeiger_BGBlampjumpTo=bgbl115s1368pdf__bgbl__
2F2F[40attr_id3D27bgbl115s1368pdf27]__1446046078671 (Abrufdatum 28102015)
14
der Maszlignahme partizipiert (vgl FaltermaierWihofszky 2012 S 108) waumlre eine gesetzliche
Verankerung der Partizipation vorteilhaft gewesen
Das Recht auf Leistungen zur Gesundheitsfoumlrderung ergibt sich fuumlr Menschen mit Behinde-
rung auch aus der UN-BRK welche im Jahre 2009 von der Bundesrepublik Deutschland rati-
fiziert wurde In Artikel 25 heiszligt es hier bdquoDie Vertragsstaaten anerkennen das Recht von
Menschen mit Behinderungen auf das erreichbare Houmlchstmaszlig an Gesundheit ohne Diskrimi-
nierung aufgrund von Behinderungldquo Dieses houmlchsterreichbare Maszlig kann nur erreicht werden
wenn Menschen mit Behinderung konsequent in Maszlignahmen der Gesundheitsfoumlrderung ein-
bezogen werden Deutschland verpflichtet sich in Artikel 25 a) der UN-BRK behinderten
Menschen bdquoeine unentgeltliche oder erschwingliche Gesundheitsversorgung in der derselben
Bandbreite von derselben Qualitaumlt und auf demselben Standard zur Verfuumlgung [zu stellen]
wie anderen Menschen [hellip]ldquo Dies umfasst nicht nur kurative und rehabilitative Maszlignahmen
sondern auch solche zur Praumlvention und Foumlrderung der Gesundheit
34 Gesundheitsfoumlrderung in Settings
Da der Fokus dieser Arbeit auf der Gesundheitsfoumlrderung in WfbMs liegt werden nun einige
Aspekte zur Gesundheitsfoumlrderung in Settings also Lebenswelten genauer thematisiert
bdquoEin Setting ist ein Sozialzusammenhang in dem Menschen sich in ihrem Alltag aufhalten
und der Einfluss auf ihre Gesundheit hat Dieser soziale Zusammenhang ist relativ dauerhaft
und seinen Mitgliedern auch subjektiv bewusstldquo (HartungRosenbrock 2015 oS) Diese kur-
ze Definition enthaumllt die wichtigsten Merkmale eines Settings Jeder Mensch bewegt sich
folglich in verschiedenen Settings zB seiner Arbeitswelt seinem Wohnumfeld oder seinem
Freizeitbereich Dabei hat jedes Setting Einfluss auf die Menschen die sich in ihm bewegen
wie auch jeder Mensch gleichzeitig das jeweilige Setting beeinflusst Gesundheit ist hierbei
als ein wichtiges alltaumlgliches Element des jeweiligen Settings zu sehen und nicht ausschlieszlig-
lich als essenzielles und abstraktes Ziel (vgl RoumlmischWalther 2015 S 5 AltgeldKolip
2010 S 49) Dies betont auch die salutogenetische Position nach der jeder Mensch zu jedem
Zeitpunkt zumindest ein gewisses Maszlig an Gesundheit inne hat (vgl Antonovsky 1997 S 23)
Bereits in der Ottawa-Charta wird als eine Strategie zur Gesundheitsfoumlrderung bdquoGesundheits-
foumlrderliche Lebenswelten schaffenldquo (WHO 1986 S 3) genannt Elf Jahre spaumlter verdeutlicht
die Jakarta-Erklaumlrung die Wirksamkeit dieser Strategie bdquoDer wissenschaftliche Erkenntnis-
15
stand zeigt deutlich daszlig [hellip] insbesondere Settings [hellip] gute Moumlglichkeiten zur praktischen
Umsetzung solcher umfassenden Strategien bietenldquo (WHO 1997 S 3)
Dies mag va daran liegen dass eher schwer erreichbare Zielgruppen der Gesundheitsfoumlrde-
rung in ihren Lebenswelten relativ gut erreicht werden koumlnnen (vgl FaltermaierWihofszky
2012 S 110) Zu diesen Zielgruppen gehoumlren va sozial benachteiligte Menschen wie etwa
Menschen mit Migrationshintergrund in Armut lebende Menschen oder Menschen mit Be-
hinderungen Da das deutsche Gesundheitssystem stark mittelschichtsorientiert ist sind diese
schwerer zu erreichen als wohlhabendere Bevoumllkerungsschichten (vgl Stickan-Verfuumlrth 2005
S 105106) Besonders problematisch ist dies vor dem Hintergrund zu sehen dass gerade
sozial benachteiligte Menschen wie bereits erwaumlhnt haumlufig uumlber eine schlechtere Gesundheit
verfuumlgen
35 Gesundheitsfoumlrderung in der Lebenswelt bdquoArbeitldquo
Fuumlr eine Gesundheitsfoumlrderung in der Lebenswelt bdquoArbeitldquo sind besonders zwei Strategien
relevant die Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung (BGF) und das Betriebliche Gesundheitsma-
nagement
Die Begriffe bdquoBetriebliche Gesundheitsfoumlrderungldquo und bdquoBetriebliches Gesundheitsmanage-
mentldquo werden in der Literatur zT sehr unterschiedlich interpretiert Die Bandbreite reicht
hier von einer beinahe synonymen Verwendung bis hin zu einer klaren Abgrenzung Die hier
vorgenommene Unterscheidung ist dabei nur eine Moumlglichkeit unter mehreren
351 Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung
Als Grundsatzdokument der Betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung in Deutschland gilt heute
die Luxemburger Deklaration zur betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung in der Europaumlischen
Union aus dem Jahr 1997 Sie legt Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung wie folgt fest bdquoBe-
triebliche Gesundheitsfoumlrderung (BGF) umfasst alle gemeinsamen Maszlignahmen von Arbeit-
gebern Arbeitnehmern und Gesellschaft zur Verbesserung von Gesundheit und Wohlbefinden
am Arbeitsplatzldquo (Unternehmensnetzwerk zur betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung in der Eu-
ropaumlischen Union eV 2007 S 2 eigene Paginierung) Als Wege hierfuumlr sieht die Luxem-
burger Deklaration va drei Pfade welche in ihrer Verknuumlpfung am effektivsten scheinen die
16
Verbesserung der Arbeitsorganisation und der Arbeitsbedingungen die Staumlrkung der Partizi-
pation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und die Unterstuumltzung im Aufbau und der Wei-
terentwicklung persoumlnlicher Kompetenzen (vgl Unternehmensnetzwerk zur betrieblichen
Gesundheitsfoumlrderung in der Europaumlischen Union eV 2007 S 2)
Die Auswirkungen Betrieblicher Gesundheitsfoumlrderung sind mannigfaltig und durch Studien
belegt So kann hier aufgrund der verbesserten Gesundheit und der staumlrkeren Gesundheitsres-
sourcen eine Verringerung der Fehltage aufgrund von Krankheit angefuumlhrt werden Aber auch
die Wertschaumltzung und Fuumlrsorge durch den Betrieb koumlnnen eine staumlrkere Identifikation der
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit dem jeweiligen Unternehmen hervorrufen (vgl Si-
monHegerReszies 2011 S 3738) Dies hat ua ein besseres Arbeitsklima eine houmlhere Mo-
tivation und Arbeitszufriedenheit und daraus resultierend eine Steigerung der Produktivitaumlt
zur Folge (vgl Unternehmensnetzwerk zur betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung in der Euro-
paumlischen Union eV 2007 S 3) Diese positiven Effekte entfalten teilweise erst laumlngerfristig
ihre Wirkung Somit sind sie fuumlr das Unternehmen eine langfristige Investition die allerdings
Gefahr laumluft kurzfristigen betriebswirtschaftlichen Interessen entgegenzulaufen (vgl Rosen-
brockHartung 2015 oS)
Als Maszlignahmen der Betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung eignen sich sowohl verhaltens- als
auch verhaumlltnisbezogene Maszlignahmen Eine Kombination aus beiden waumlre im Sinne der
Ganzheitlichkeit durchaus gewinnbringend
Eine gesetzliche Verpflichtung fuumlr Unternehmen zur Betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung gibt
es fuumlr Unternehmen in Deutschland nicht Wie in Punkt 33 bereits erwaumlhnt ist der rechtliche
Zusammenhang in sect 20b Abs 1 Satz 2 SGB V geregelt bdquoHierzu erheben sie [die Kranken-
kassen MP] unter Beteiligung der Versicherten und der Verantwortlichen fuumlr den Betrieb
sowie der Betriebsaumlrzte und der Fachkraumlfte fuumlr Arbeitssicherheit die gesundheitliche Situation
einschlieszliglich ihrer Risiken und Potenziale und entwickeln Vorschlaumlge zur Verbesserung der
gesundheitlichen Situation sowie zur Staumlrkung der gesundheitlichen Ressourcen und Faumlhig-
keiten und unterstuumltzen deren Umsetzungldquo Nach sect 20 Abs 6 Satz 2 sind die Krankenkassen
dazu verpflichtet pro Versicherter und Versichertem 200 Euro im Jahr in Maszlignahmen zur
Betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung zu investieren
Obwohl der Nutzen Betrieblicher Gesundheitsfoumlrderung sowohl fuumlr die Belegschaft als auch
fuumlr das jeweilige Unternehmen selbst nachgewiesen ist (vgl RosenbrockHartung 2015 oS)
es sich also um eine Win-Win-Situation handelt ist ihre Verbreitung in Deutschland noch
eher gering Das liegt zum einen daran dass Unternehmen nicht zur Betrieblichen Gesund-
heitsfoumlrderung verpflichtet sind und diese daher auf Freiwilligkeit aller Akteure beruht Zum
17
anderen liegt es daran dass es sich um einen vielschichtigen Prozess handelt der durch inter-
ne externe oumlkonomische oder betriebspolitische Veraumlnderungen beeintraumlchtigt werden kann
(vgl RosenbrockHartung 2015 oS)
Fuumlr eine gelingende BGF ist Partizipation unumgaumlnglich denn nur so wird sichergestellt dass
moumlglichst viele Akteure besonders die Zielgruppe der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter er-
reicht wird (SimonHegerReszies 2011 S 46) Ein wichtiges Element hierbei ist der sog
bdquoGesundheitszirkelldquo Dieser setzt sich zusammen aus Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des
Betriebs wobei moumlglichst verschiedene Arbeitsbereiche und Hierarchieebenen vertreten sein
sollten Die Groumlszlige sollte dabei uumlberschaubar bleiben zB zwischen fuumlnf und acht Teilneh-
menden evtl ergaumlnzt durch einen externen Experten Im Zuge einer angestrebten Versteti-
gung von Gesundheitsfoumlrderung im Betrieb sind regelmaumlszligige Treffen sinnvoll (vgl Si-
monHegerReszies 2011 S 64 ndash 69) Um eine moumlglichst umfassende Partizipation zu ge-
waumlhrleisten empfiehlt es sich den Gesundheitszirkel von Beginn an also der Phase der Pla-
nung mit einzubeziehen Fuumlr eine Gesundheitsfoumlrderung in WfbMs scheint eine analoge An-
wendung des Konzeptes Gesundheitszirkel sowohl moumlglich als auch sinnvoll um von Beginn
an partizipative Strukturen zu etablieren
352 Betriebliches Gesundheitsmanagement
In der Literatur wird der Begriff des Betrieblichen Gesundheitsmanagements sehr unter-
schiedlich interpretiert Schlummer interpretiert ihn beinahe synonym zur Betrieblichen Ge-
sundheitsfoumlrderung wobei lediglich der Faktor der Arbeitssicherheit eine staumlrke Beruumlcksichti-
gung im Gesundheitsmanagement findet (vgl Schlummer 2015 S 35) Die Luxemburger
Deklaration hingegen sieht Arbeits- und Gesundheitsschutz in Unternehmen als Teil der Be-
trieblichen Gesundheitsfoumlrderung (vgl Unternehmensnetzwerk zur betrieblichen Gesund-
heitsfoumlrderung in der Europaumlischen Union eV 2007 S 4) In der vorliegenden Arbeit wird
der Arbeits- und Gesundheitsschutz ebenfalls unter der Strategie der Betrieblichen Gesund-
heitsfoumlrderung gesehen da er dem Verstaumlndnis von BGF als bdquoMaszlignahmen von Arbeitgebern
Arbeitnehmern und Gesellschaft zur Verbesserung von Gesundheit und Wohlbefinden am
Arbeitsplatzldquo (Unternehmensnetzwerk zur betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung in der Europauml-
ischen Union eV 2007 S 2) entspricht Fuumlr die Abgrenzung zwischen den beiden Begriffen
scheint dieser Aspekt zweitrangig Im Vordergrund liegt eher der jeweilige Charakter der
Strategie
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Gesundheitsmanagement in Betrieben kann als bdquo[b]ewusste Steuerung und Integration aller
betrieblichen Prozesse mit dem Ziel der Erhaltung und Foumlrderung der Gesundheit und des
Wohlbefindens der Beschaumlftigtenldquo (HannackRaumlder 2011 S 434) gesehen werden Dieses
Konzept scheint mit Vor- und Nachteilen einherzugehen Da saumlmtliche betriebliche Prozesse
die als der Gesundheit foumlrderlich gelten hierunter fallen sind auch individuelle Maszlignahmen
wie bspw das Betriebliche Eingliederungsmanagement nach sect 84 Abs 2 SGB IX mit inbe-
griffen Bei diesem geht es in erster Linie nicht um eine Erhaltung oder Verbesserung der
Gesundheit sondern um eine Vorbeugung von Arbeitsunfaumlhigkeit undoder den Erhalt eines
Arbeitsplatzes Ebenfalls positiv kann die Implementierung gesundheitsorientierter Prozesse
und Strukturen in das generelle Management eines Unternehmens gesehen werden Dadurch
scheint auszligerdem die Dauerhaftigkeit von gesundheitsfoumlrderlichen Maszlignahmen besser er-
reichbar als bei der BGF Hier haben Maszlignahmen meist den Charakter eines zeitlich befriste-
ten Projektes (vgl SlesinaBohley 2011 S 627) Der groszlige Nachteil des Betrieblichen Ge-
sundheitsmanagements liegt in der Gefahr dass sog top-down-Strukturen die Uumlberhand ge-
winnen (vgl Faller 2010 S 25 zit nach RosenbrockHartung 2015 oS) Top-down-
Strukturen in der Gesundheitsfoumlrderung zeichnen sich dadurch aus dass eine Person von
bdquoobenldquo eine Maszlignahme einleitet und im schlimmsten Fall bdquoaufoktroyiertldquo Dies kann mangels
Partizipation der Zielgruppe zu Ablehnung bei dieser fuumlhren
Fuumlr eine Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung in WfbMs scheint ndash zumin-
dest im Moment ndash der Weg der BGF geeigneter Hier sind zum einen in der Theorie groszlige
Potentiale fuumlr Partizipation gegeben Zum anderen ist das Thema der systematischen Gesund-
heitsfoumlrderung mit behinderten Menschen in Institutionen der Behindertenhilfe bisher kaum
verbreitet (siehe 44) Eine sofortige Implementierung des Betrieblichen Gesundheitsmana-
gements wuumlrde die meisten Einrichtungen uumlberfordern und vor den Kopf stoszligen Auf lange
Sicht scheint dies aber ein wuumlnschenswertes Ziel zu sein welches Schritt fuumlr Schritt erreicht
werden sollte
19
4 Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung
Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen ist bisher in der Praxis der sog bdquoBehinder-
tenhilfeldquo6 nur aumluszligert selten integriert In der wissenschaftlichen Literatur sind in den letzten
Jahren einige Beitraumlge erschienen die sich diesem Thema widmen Es soll nun zuerst darge-
stellt werden in welchem Verhaumlltnis Gesundheit und Behinderung zueinander stehen bevor
auf die Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen eingegangen wird Der Fokus dieser
Arbeit liegt auf der Gesundheitsfoumlrderung in WfbMs In diesem Zusammenhang wird der
Stand der Literatur kurz dargestellt eine kurze Analyse von Leitbildern einzelner Werkstaumltten
vorgenommen und einige Stimmen aus der Praxis wiedergegeben Aufgrund des knappen
Rahmens dieser Arbeit muss sich dies auf das Bundesland Berlin beschraumlnken und erhebt kei-
nen Anspruch auf empirische Vollstaumlndigkeit Vielmehr versteht es sich als eine kleine Feld-
befragung die als ein erster Impuls gesehen werden kann
41 Behinderte Menschen und Gesundheit und Krankheit ndash sozialmedizinische Erkenntnisse
Zunaumlchst muss festgehalten werden dass eine Behinderung keine Krankheit ist Auch ein
schwer behinderter Mensch kann sich sehr gesund fuumlhlen Der wesentliche Unterschied zwi-
schen einer Behinderung und einer Krankheit liegt darin dass bei einer Behinderung die Teil-
habe am Leben in der Gesellschaft langfristig beeintraumlchtigt ist bei einer Erkrankung hinge-
gen nicht oder nur kurzfristig7 Das hier vorliegende Verstaumlndnis in der Unterscheidung bei-
der Begriffe ist vordergruumlndig eher ein soziales denn eine medizinische Abgrenzung
Es existieren verschiedene und teilweise weitreichende gesundheitliche Unterschiede zwi-
schen Menschen mit Behinderungen und Menschen ohne Behinderungen Um diese auch in
ihrem Ursprung erklaumlren zu koumlnnen reicht der bdquotraditionelleldquo bio-medizinische Blick nicht
aus da er zu kurz greift Er muss um die sozialmedizinische Sichtweise ergaumlnzt werden
An dieser Stelle sollte allerdings darauf hingewiesen werden dass die folgende Darstellung
den Gesundheitszustand groszliger heterogener Gruppen von Menschen abbildet und die ge-
troffenen Aussagen daher nicht auf jeden Einzelfall anwendbar sind
6 Dieser Begriff impliziert durch den Wortteil bdquo-hilfeldquo ein Maumlchteungleichgewicht welches einer wahren Parti-
zipation der behinderten Menschen im Wege steht 7 Sollte eine chronische Krankheit einen Menschen in seiner Teilhabe langfristig einschraumlnken kann sie durch-
aus auch als Behinderung gesehen werden
20
Der Teilhabebericht des Bundesministeriums fuumlr Arbeit und Soziales (BMAS) kommt zu dem
Ergebnis dass Menschen mit Behinderungen ihre Gesundheit haumlufig schlechter einschaumltzen
als Menschen ohne Behinderungen Dies gilt auch fuumlr das psychische Wohlbefinden welches
im ganzheitlichen Verstaumlndnis von Gesundheit das dieser Arbeit zugrunde liegt (siehe 22)
ebenfalls Teil der Gesundheit ist Auch hat ein Mensch mit Behinderung in Deutschland im
Durchschnitt mehr Krankheitstage8 als ein nicht behinderter Mensch Menschen mit Behinde-
rung konsultieren statistisch betrachtet in einem bestimmten Zeitraum haumlufiger einen Arzt als
die durchschnittliche Bevoumllkerung Dies duumlrfte ua an dem als schlechter wahrgenommenen
Gesundheitszustand liegen aber auch an der Komorbiditaumlt bestimmter Behinderungen Bzgl
des Rauchverhaltens Alkoholkonsums und einer gesundheitsbewussten Ernaumlhrung bestehen
nur relativ geringe Unterschiede zur Gesamtbevoumllkerung Auffaumlllig ist lediglich dass die
Gruppe der 18- bis 29-Jaumlhrigen Menschen mit Behinderung zu einem houmlheren Anteil regel-
maumlszligig raucht Alkohol trinkt und seltener auf gesunde Ernaumlhrung achtet In den anderen Al-
tersgruppen bestehen kaum nennenswerte Unterschiede (vgl BMAS 2013 S 192 ndash 204)
Menschen mit Behinderungen haben im Durchschnitt eine geringere Lebenserwartung wobei
es hier Unterschiede zwischen einzelnen Syndromen gibt (vgl MarksSisirakHeller 2010
S 3) Bei einigen kann die jeweilige Behinderung selbst der Ausloumlser sein jedoch besteht
besonders bei Menschen mit Lernschwierigkeiten die Gefahr dass Krankheiten nicht richtig
erkannt oder nur unzureichend behandelt werden (vgl Lennox 2002 S 230) Ausschlagge-
bend hierfuumlr duumlrfte sein dass im Gesundheitsbereich verschiedenste Barrieren existieren Zum
Beispiel ist nur ein Teil der Arztpraxen barrierefrei wobei besonders haumlufig passende Unter-
suchungsmoumlbel und Informationsmaterial in Leichter Sprache fehlen (vgl BMAS 2013
S 200201) Ebenfalls negativ wirkt sich aus dass Aumlrzte teilweise unsicher im Umgang mit
Menschen mit Lernschwierigkeiten sind und diese zT auszligerdem ihre Symptome nicht praumlzi-
se genug beschreiben koumlnnen oder uumlber eine geringer differenzierte Wahrnehmung des eige-
nen Koumlrpers verfuumlgen als Menschen ohne Behinderung (vgl SchmidtReker 2014 S 28)
Des Weiteren haben Menschen mit Lernschwierigkeiten statistisch gesehen haumlufiger Uumlberge-
wicht als der Durchschnitt der Bevoumllkerung Hier muss jedoch beruumlcksichtigt werden dass
mit bestimmten Syndromen wie bspw dem Down-Syndrom ein veraumlnderter Energiebedarf
aufgrund der geringeren Muskelspannung einhergeht oder das Saumlttigungsgefuumlhl zB beim
Prader-Willi-Syndrom veraumlndert ist (Beange 2002 S 3) Die houmlhere Wahrscheinlichkeit des
Uumlbergewichts besteht statistisch gesehen sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen mit
8 Krankheitstage werden an dieser Stelle des Bundesteilhabeberichtes verstanden als Tage in denen der Mensch
sich subjektiv zu krank gefuumlhlt hat um seinen normalen privaten und beruflichen Taumltigkeiten nachzugehen
21
Lernschwierigkeiten (vgl Reuter 2009 S 13) Eine moumlgliche Ursache hierfuumlr kann auch in
der Tatsache gesehen werden dass Menschen mit Behinderungen durchschnittlich seltener
Sport treiben als nicht behinderte Menschen (vgl BMAS 2013 S 221222)
Ein weiterer bedeutender Zusammenhang zwischen Krankheit und Behinderung ist dass viele
Behinderungen im Sinne von Einschraumlnkungen in der gesellschaftlichen Teilhabe wie auch im
gesetzlichen Verstaumlndnis nach dem SGB IX Folgen von schweren undoder chronischen
Krankheiten sind (vgl SchmidtReker 2014 S 26)
Trotz allem muumlssen auch die vorhandenen Gesundheitspotentiale behinderter Menschen be-
ruumlcksichtigt werden denn an ihnen kann eine gelingende Gesundheitsfoumlrderung ansetzen (vgl
Altgeld 2008 S 8)9 Ein ressourcenorientierter Blick achtet besonders auf die verschiedenen
Potentiale die jedem Menschen (oder auch einer Gruppe von Menschen) innewohnen
Das Verhaumlltnis zwischen Gesundheit und Behinderung haumlngt in Deutschland und vielen Tei-
len der sog westlichen Welt aus sozialmedizinischem Blickwinkel nach wie vor so zusam-
men bdquoWhile a large number of individuals who are in bad health end up with a disability a
large number of persons with disabilities end up with bad healthldquo10
(Rimmer 2009 zit nach
MarksSisirakHeller 2010 S 31) Dieser Chiasmus verdeutlicht zusammenfassend nicht nur
die vorherrschende enge Verbindung zwischen schlechterer Gesundheit und Behinderung
sondern impliziert auch die Notwendigkeit von Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Be-
hinderungen Wie in 31 beschrieben hat Gesundheitsfoumlrderung auch den Abbau gesundheit-
licher Chancenungleichheit zum Ziel
42 Erreichbarkeit von Menschen mit Behinderungen fuumlr gesundheitsfoumlrdernde Maszlignahmen
Fuumlr die Gesundheitsfoumlrderung gelten Menschen mit Behinderungen als schwer zu erreichen
Es sollen nun die wesentlichen Probleme aber auch die vorhandenen Potentiale beschrieben
werden
9 Altgeld bezieht sich in seiner Analyse auf den Gesundheitsmonitor 2007 der Bertelsmann Stiftung Da dieser
Menschen mit Lernschwierigkeiten nicht mit einbezieht sondern vorwiegend koumlrper- und sinnesbeeintraumlchtige
Menschen beruumlcksichtigt koumlnnen seine Schlussfolgerungen nicht fuumlr die gesamte sehr heterogene Gruppe der
behinderten Menschen angewendet werden 10
Waumlhrend eine groszlige Anzahl an Personen welche eine schlechte Gesundheit besitzen eine Behinderung er-
langt erlangt eine groszlige Anzahl an Personen mit Behinderungen eine schlechte Gesundheit (Uumlbersetzung des
Verfassers)
22
421 Probleme bei der Erreichbarkeit
In den bundesweiten Untersuchungen wie bspw dem Sozio-oumlkonomischen Panel (SOEP)
oder Gesundheit in Deutschland aktuell (GEDA) werden Menschen mit Lernschwierigkeiten
idR nicht erreicht Dies hat zur Folge dass sowohl gesundheitliche Potentiale als auch Be-
duumlrfnisse und Bedarfe von Menschen mit Lernschwierigkeiten in der Gesundheitsfoumlrderung
weitgehend unerkannt und dadurch ausgeklammert bleiben (vgl Burtscher 2014 S 4)
Generell gelten behinderte Menschen bisher als schwer zu erreichen fuumlr Maszlignahmen zur Ge-
sundheitsfoumlrderung was verschiedene Gruumlnde hat Sozial benachteiligte Menschen sind sehr
haumlufig eine schwer erreichbare Zielgruppe fuumlr die Gesundheitsfoumlrderung Maszlignahmen auf der
gesamtgesellschaftlichen Ebene werden eher von Menschen mit houmlherem sozialen Status an-
genommen (Hurrelmann 2006 S 164) und erst spaumlter von sozial Benachteiligten internali-
siert Es waumlre jedoch ein Fehler Menschen mit Behinderungen automatisch zur Gruppe der
sozial benachteiligten Menschen zu rechnen Jedoch zeigt der Bundesteilhabebericht dass
behinderte Menschen haumlufiger erwerbslos sind und durchschnittlich weniger Gehalt verdienen
(BMAS 2013 S 141 ndash 149) Dass die finanzielle Lage von Beschaumlftigten der WfbMs beson-
ders prekaumlr ist wird im Punkt 43 naumlher erlaumlutert Diese soziooumlkonomischen Merkmale sind
jedoch nur ein Aspekt Auch gilt es zu bedenken dass besonders Maszlignahmen auf der Verhal-
tensebene bei sozial benachteiligten Menschen oft wenig angenommen werden da sie mit den
eigenen dauerhaften Lebensvorstellungen nicht uumlbereinstimmen (vgl Hurrelmann 2006
S 164) So nehmen Menschen mit Behinderung nur sehr selten an Angeboten oumlffentlicher
Einrichtungen wie bspw Volkshochschulkursen oder Rehabilitations-Sport-Maszlignahmen teil
(vgl Burtscher 2014 S 5)
Ein weiterer Punkt ist dass das Thema Gesundheitsfoumlrderung in der Behindertenarbeit traditi-
onell kaum etabliert war Laut einer Studie aus dem Jahr 2004 sehen Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter in Behinderteneinrichtungen haumlufig wenig Relevanz in Sport Bewegung und Er-
naumlhrung fuumlr die Foumlrderung der Gesundheit behinderter Menschen Daruumlber hinaus schreiben
sie auch Selbstbewusstsein Selbststaumlndigkeit und Selbstbestimmung nur eine untergeordnete
Rolle zu (vgl Gembris-Nuumlbel 2004 S 144) Allerdings besteht die Chance dass diese Ein-
stellung sich in den letzten zehn Jahren veraumlndert hat Die Ergebnisse der im Rahmen dieser
Arbeit durchgefuumlhrten Feldbefragung geben Anlass zu dieser Annahme (siehe 443) Auszliger-
dem ist fuumlr viele Menschen mit Lernschwierigkeiten der Zugang zu Informationen welche
Gesundheitsfoumlrderung thematisieren nur schwer moumlglich Hier sind folglich Vermittlung und
Unterstuumltzung oft notwendig (vgl Gembris-Nuumlbel 2004 S 82)
23
Auch von der Politik wird das Thema der Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen
bisher nur sehr selten thematisiert Seltene Ausnahmen wie zB die 22 Landesgesundheits-
konferenz in Nordrhein-Westfalen weisen jedoch auf die Wichtigkeit von Gesundheitsfoumlrde-
rung hin welche die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben verbessern kann (vgl Ministerium
fuumlr Gesundheit Emanzipation Pflege und Alter des Landes Nordrhein-Westfalen 2013
S 31) Hervorgehoben wird hier auch die (zukuumlnftige) Gestaltung der Informationen damit
diese fuumlr alle zugaumlnglich sind Des Weiteren soll auch das Bewusstsein saumlmtlicher Beteiligten
im Bereich der Gesundheitsfoumlrderung sensibilisiert werden (vgl Ministerium fuumlr Gesundheit
Emanzipation Pflege und Alter des Landes Nordrhein-Westfalen 2013 S 32)
Schon im Grundschulalter werden behinderte Kinder oft nicht erreicht da Gesundheitsfoumlrde-
rung sehr haumlufig nur in Regelgrundschulen und weiterfuumlhrenden Schulen und nicht in separie-
renden Foumlrderschulen stattfindet (vgl Reuter 2009 S 1819)
422 Potentiale fuumlr die Erreichbarkeit
Allerdings muumlssen auch die Potentiale betrachtet werden die fuumlr eine Erreichbarkeit behin-
derter Menschen zur Gesundheitsfoumlrderung vorhanden sind Auch diese bestehen in allen Al-
tersgruppen zB im fruumlhen Schulalter Im Zuge der Inklusion bei der immer mehr Kinder
mit Behinderungen in Regelschulen unterrichtet werden ist zu hoffen dass sie zukuumlnftig haumlu-
figer an Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung teilhaben koumlnnen Solange es (noch) Foumlrder-
schulen gibt muss auch auf deren (oft ungenutztes) Potential fuumlr gesundheitsfoumlrdernde Maszlig-
nahmen hingewiesen werden das in ihrer oft ganztaumlgigen Betreuung und den damit verbun-
denen Ressourcen liegt
Nicht nur in der Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Kindern sind bereits Potentiale vor-
handen Generell weisen Gesundheitsfoumlrderung und Behindertenarbeit sehr groszlige Gemein-
samkeiten in Sprache Prinzipien und Zielen auf Beide zielen letztendlich ab auf Inklusion
Partizipation Empowerment Entwicklung persoumlnlicher Faumlhigkeiten Einbindung in die Ge-
meinde die Neuorientierung von Gesundheitsdienstleistungen und die Foumlrderung von Um-
welten welche Gesundheit und Lebensqualitaumlt verbessern (vgl Lennox 2002 S 231) Es soll
auch darauf hingewiesen werden dass viele behinderte Menschen sehr an Informationen uumlber
Gesundheit interessiert sind und aktiv nach Informationen suchen (vgl Altgeld 2008 S 8)
Abschlieszligend laumlsst sich auffuumlhren dass gerade der Setting-Ansatz wie er in Punkt 34 darge-
stellt wurde eine sehr gute Moumlglichkeit bietet Menschen mit Behinderungen zu erreichen Er
24
bietet einen Zugangspunkt und kann Ausgangslage sein sowohl fuumlr verhaltens- als auch fuumlr
verhaumlltnisorientierte Maszlignahmen zur Foumlrderung der Gesundheit von Menschen mit Behinde-
rungen
Obwohl behinderte Menschen in der Vergangenheit nur selten gezielt an Maszlignahmen zur
Gesundheitsfoumlrderung beteiligt wurden sind doch einige Potentiale vorhanden an denen an-
zuknuumlpfen lohnenswert scheint
43 Das Setting Werkstatt fuumlr behinderte Menschen
WfbMs sind spezielle Einrichtungen fuumlr Menschen mit Behinderungen die nach dem SGB IX
als behindert gelten (siehe 21) Nach sect 136 SGB IX dienen diese Einrichtungen der bdquoTeilhabe
behinderter Menschen am Arbeitsleben [hellip] und zur Eingliederung in das Arbeitslebenldquo
Dadurch sind sie nicht Teil des allgemeinen Arbeitsmarktes da ihre Beschaumlftigten bdquowegen
Art oder Schwere der Behinderung nicht noch nicht oder noch nicht wieder auf dem allge-
meinen Arbeitsmarkt beschaumlftigt werden koumlnnenldquo (sect 136 Abs 1 SGB IX) Ihr Ziel ist es be-
hinderte Menschen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt vorzubereiten Die Beschaumlftigten arbei-
ten in verschiedensten Bereichen zB im Handwerk oder in Taumltigkeiten der elektronischen
Datenverarbeitung je nach persoumlnlicher Neigung Da es sich um kein typisches sozialversi-
cherungspflichtiges Arbeitsverhaumlltnis handelt sondern um ein bdquoarbeitnehmeraumlhnliches
Rechtsverhaumlltnisldquo11
(sect 138 SGB IX) bekommen die Beschaumlftigten keinen Lohn der dem
Mindestlohn entspricht Nach sect 138 SGB IX setzt sich ihr Arbeitsentgelt zusammen aus ei-
nem Grundbetrag und einem leistungsbemessenen Steigerungsbetrag Im Jahr 2011 verdiente
ein Beschaumlftigter im Durchschnitt 180 Euro monatlich (vgl BAG WfbM 2014) bei 35 bis 40
Arbeitsstunden pro Woche Von einer groszligen Steigerung in den letzten Jahren ist nicht auszu-
gehen Somit benoumltigen Beschaumlftigte einer WfbM idR neben ihrem Arbeitsentgelt Grundsi-
cherung Dies hat zur Folge dass sie haumlufig in prekaumlren soziooumlkonomischen Verhaumlltnissen
leben
Jede Werkstatt ist soziologisch betrachtet ein eigenes System mit individuellen Merkmalen
die unter anderem vom Standort dem Fachpersonal dem Traumlger und den Beschaumlftigten ge-
kennzeichnet sind (vgl SchlummerSchuumltte 2006 S 81) Gesetzlich festgelegt ist in sect 139
11
Begruumlndet wird dieses Rechtsverhaumlltnis haumlufig durch den Kuumlndigungsschutz Eine Werkstatt kann einen
Werkstattvertrag mit einer Beschaumlftigten oder einem Beschaumlftigten nur in seltenen Faumlllen gegen ihren oder sei-
nen Willen aufheben
25
SGB IX dass die Beschaumlftigten aus ihrer Mitte heraus regelmaumlszligig einen Werkstattrat waumlhlen
Genaueres regelt hier die Werkstaumltten-Mitwirkungsverordnung (WMVO) Wie ihr Name al-
lerdings schon sagt handelt es sich hier um die Moumlglichkeit der Mitwirkung nicht der Mitbe-
stimmung Diese kann nur erreicht werden wenn Werkstatt und Werkstattrat nach sect 5 Abs 4
WMVO eine weitergehende Vereinbarung treffen Zu den Aufgaben des Werkstattrates ge-
houmlrt es die Interessen der Beschaumlftigten in verschiedenen Angelegenheiten gegenuumlber der
Werkstatt zu vertreten Diese sind in sect 5 Abs 1 WMVO aufgelistet Die Werkstatt muss den
Werkstattrat auszligerdem informieren wenn sie eine Maszlignahme durchfuumlhrt in der der Werk-
stattrat ein Mitwirkungsrecht besitzt12
Sollte kein Einverstaumlndnis in einer Beratung erzielt
werden koumlnnen beide Seiten sich an eine Vermittlungsstelle wenden (sect 5 Abs 3 WMVO)
Das tatsaumlchliche Ausmaszlig der Mitwirkung ist jedoch stets von der Werkstattleitung abhaumlngig
Solch eine fehlende gesetzliche Verankerung von Mitbestimmung steht der Partizipation be-
hinderter Menschen im Wege welche sowohl fuumlr die gesellschaftliche Inklusion als auch die
Gesundheitsfoumlrderung immens wichtig ist
44 Gesundheitsfoumlrderung in Werkstaumltten fuumlr behinderte Menschen
Zunaumlchst gilt es sich einen Uumlberblick uumlber den aktuellen Stand von Gesundheitsfoumlrderung in
WfbMs zu verschaffen Einen ersten Einblick soll die dazu vorhandene Literatur liefern Da-
nach soll ein Abgleich dieser mit der Praxis stattfinden der sich aufgrund des gesetzten Rah-
mens dieser Arbeit nur auf einige Werkstaumltten des Bundeslandes Berlin konzentriert Hierfuumlr
werden jeweils die Leitbilder untersucht und Stimmen aus der Werkstatt ausgewertet
441 Recherche zum aktuellen Stand
Die Literatur zum Thema Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen in WfbMs ist
noch sehr duumlnn Vollstaumlndig ausgearbeitete Konzepte gibt es bisher nicht veroumlffentlicht wur-
den Berichte von abgeschlossenen oder noch laufenden Projekten Werner Schlummer wis-
senschaftlicher Mitarbeiter der Universitaumlt zu Koumlln begleitete ein Projekt zum Betrieblichen
12
Eine ausfuumlhrliche Beschreibung der Mitwirkungs- und Unterrichtungsrechte des Werkstattrates ist bei
SchlummerSchuumltte 2006 S 71 ndash 82 nachzulesen
26
Gesundheitsmanagement13
in einer WfbM zusammen mit acht Studierenden der Universitaumlt
(vgl Schlummer 2015 S 33) Auch das Projekt GESUND als Teilprojekt von PartKomm-
Plus (Forschungsverbund fuumlr gesunde Kommunen) wird wissenschaftlich durch die Katholi-
sche Hochschule fuumlr Sozialwesen begleitet (vgl Burtscher 2014 S 6)
Als Ausnahme kann das Projekt bdquoSelbstbestimmt gesuumlnderldquo im Rahmen des Programmes
bdquoHealthy Athletesldquo gesehen werden Hier bringt Special Olympics Deutschland eV Maszlig-
nahmen zur Gesundheitsfoumlrderung in die Lebenswelten behinderter Menschen Bei Healthy
Athletes werden Sportlerinnen und Sportler bei Veranstaltungen von Special Olympics kos-
tenlose Beratungen und Kontrolluntersuchungen angeboten Diese Angebote werden jedoch
auch auf Wohnheime und WfbMs ausgeweitet (vgl Special Olympics Deutschland a) S 2
eigene Paginierung) Auch das Projekt bdquoSelbstbestimmt gesuumlnderldquo bringt gesundheitsfoumlrdern-
de Maszlignahmen in Werkstaumltten Dabei werden bdquoTeilnehmern individualisierte Handlungsemp-
fehlungen zum Gesundheitsverhalten zur Verfuumlgung gestelltldquo (Special Olympics Deutschland
b) oS) Das Projekt setzt auszligerdem auf die Wirkung von Peer-Multiplikatorinnen und
-Multiplikatoren
Weitere Projekte sind trotz intensiver Recherche nicht bekannt Auch die Bundesarbeitsge-
meinschaft Werkstaumltten fuumlr behinderte Menschen eV (BAG WfbM) hat auf ihrer Homepa-
ge14
keinen Artikel zur Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung in WfbMs
Gibt man in der Suchmaske bdquoGesundheitsfoumlrderungldquo ein erhaumllt man zwei Ergebnisse einen
Artikel uumlber ein neu entwickeltes Computerspiel das von Kindern mit unterschiedlichen Be-
hinderungen gespielt werden kann und einen Artikel zum Qualifizierungsprogramm bdquoGe-
sundheitsfoumlrderung durch Schluumlsselqualifikationenldquo das sich nicht an Beschaumlftigte sondern
an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in WfbMs richtet Dies legt den Schluss nahe dass Ge-
sundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen in WfbMs bisher kaum verbreitet ist
Das Thema Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung als solches wurde in den
letzten Jahren zunehmend in der Literatur behandelt wobei die Anzahl der Veroumlffentlichun-
gen nach wie vor auf einem uumlberschaubaren Stand ist
13
Schlummers Verstaumlndnis von Betrieblichem Gesundheitsmanagement und Betrieblicher Gesundheitsfoumlrderung
sind beinahe synonym Das beschriebene Projekt kann daher im erweiterten Rahmen durchaus als Projekt zur
Gesundheitsfoumlrderung gesehen werden 14
httpwwwbagwfbmde (Stand 11112015)
27
442 Konzepte und Leitbilder von Einrichtungen der Praxis
Betrachtet werden vier verschiedene WfbMs und ihre Leitbilder Es handelt sich um die vier
Werkstaumltten von denen auch im Rahmen der Feldbefragung Stimmen einer Mitarbeiterin oder
eines Mitarbeiters und zT von Beschaumlftigten gewonnen werden konnten (siehe 443 und
Anhang Nr 2)
Aufgrund der jeweiligen Traumlgerstrukturen besitzt lediglich eine der Werkstaumltten15
als solche
ein eigenes Leitbild Bei den anderen drei Werkstaumltten muss auf das Leitbild des jeweiligen
Traumlgers zuruumlckgegriffen werden Das Thema der Gesundheit der Klientinnen und Klienten
bzw Werkstattbeschaumlftigten wird allerdings in keinem Leitbild thematisiert Auch die Such-
funktionen auf den jeweiligen Homepages bzw intensive Recherchen auf diesen brachten
keine Ergebnisse zum Stichwort bdquoGesundheitsfoumlrderungldquo Daraus laumlsst sich schlieszligen dass
Gesundheitsfoumlrderung der Werkstattbeschaumlftigten in den theoretischen Konzeptionen von
WfbMs meist nicht verankert ist
443 Gesundheitsfoumlrderung in der alltaumlglichen Praxis der Werkstaumltten ndash eine kleine Feldbe-
fragung
Im Rahmen des Informationstages der Berliner Landesarbeitsgemeinschaft Werkstaumltten fuumlr
behinderte Menschen eV (LAG WfbM) am 17112015 im Estrel Hotel Berlin wurden je-
weils eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter von vier verschiedenen WfbMs zum Thema Ge-
sundheitsfoumlrderung mit den Beschaumlftigten in der Werkstatt befragt (siehe Anhang Nr 2) Die
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben alle eine vergleichbare Position Begleitender Dienst
Paumldagogischer Dienst oder Sozialdienst In einer der Werkstaumltten konnten uumlberdies auch
Stimmen von Beschaumlftigten gewonnen werden16
Die Ergebnisse weisen keine empirische
Repraumlsentativitaumlt auf da der knappe Rahmen dieser Arbeit eine repraumlsentative empirische
Forschungsarbeit kaum zulaumlsst Die Befragungen sollen dazu dienen einen Einblick in den
Alltag der WfbMs zu ermoumlglichen und die in der Literatur und den Leibildern gewonnenen
Perspektiven zu erweitern
15
Aus Gruumlnden des Datenschutzes duumlrfen in der hier publizierten Version die Namen der Werkstaumltten nicht
genannt werden 16
In zwei der Werkstaumltten konnten keine Stimmen von Beschaumlftigten erhoben werden da eine Befragung in der
Werkstatt von den befragten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern abgelehnt wurde Der Mitarbeiter der dritten
Werkstatt signalisierte zwar waumlhrend der Befragung Zustimmung jedoch fehlte diese spaumlter von Seiten der Lei-
tung
28
Der Begriff bdquoGesundheitsfoumlrderungldquo wird von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sehr
unterschiedlich interpretiert Die Spannbreite liegt von einem Verstaumlndnis aumlhnlich des hier
dargelegten bis hin zu therapeutischer und rehabilitativer Foumlrderung Die angebotenen Maszlig-
nahmen welche einer Foumlrderung der Gesundheit dienen sollen sind jedoch bei allen aumlhnlich
Meist handelt es sich um Musik- Sport- und Bewegungsangebote die im Rahmen von sog
Begleitenden Maszlignahmen verankert sind Daruumlber hinaus werden auch entlastende Bewegun-
gen in den Arbeitsgruppen angeboten und ein Gesundheitstag in Kooperation mit Special
Olympics Deutschland geplant (eine Werkstatt) Eine andere Werkstatt kooperiert mit der
Fitnessstudiokette Fitness First Kurse zu gesunder Ernaumlhrung und Kochen werden teilweise
angeboten oder sind in Planung Nach Aussagen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden
die Maszlignahmen meist gut angenommen In einer Werkstatt wird sogar gemeinsam mit dem
Werkstattrat an einer Peer-Beratung gearbeitet mit der den Beschaumlftigten der Zugang zu den
Themen Bildung und Gesundheit verbessert werden soll Schwierigkeiten bestehen besonders
bzgl der Raumlume zB bei Turnhallen fuumlr Fuszligball
Eine Partizipation bei der Entwicklung von Angeboten ist nur teilweise gegeben Es wird
zwar in allen befragten Werkstaumltten nach Interessen der Beschaumlftigten gefragt und dement-
sprechend die Kurse angeboten jedoch besteht nur selten die Moumlglichkeit fuumlr die Beschaumlftig-
ten aktiv den jeweiligen Kurs durch eigene Entscheidungen mitzugestalten In einer Werk-
statt ist das bspw abhaumlngig von der Kursart von der Kursleiterin bzw dem Kursleiter und
vom Konzept Evaluiert werden die Angebote meist nur durch Nachfrage in den idR jaumlhr-
lich stattfindenden Entwicklungsgespraumlchen mit den einzelnen Beschaumlftigten und teilweise
daruumlber hinaus mit Fragebogen oder durch die Kursleiterin bzw den Kursleiter Eine Werk-
statt fuumlhrt sogar Statistiken zur Nachfrage Eine partizipative Evaluation findet in keiner der
befragten Werkstaumltten statt
Die befragten Beschaumlftigten einer der Werkstaumltten zeigten sich mit dem Angebot an gesund-
heitsfoumlrdernden Maszlignahmen groumlszligtenteils sehr zufrieden und empfanden die Anzahl der An-
gebote als meist genuumlgend Geaumluszligert wurde lediglich der Wunsch nach weiteren Angeboten
zu gesunder Ernaumlhrung und nach einem besseren Angebot an gesunden Speisen Das Ver-
staumlndnis von Gesundheitsfoumlrderung ist unterschiedlich Auffaumlllig ist dass auf der einen Seite
Aumlrzte und Besuche bei diesen wichtig scheinen gleichzeitig aber auch das Achten auf die
eigene Gesundheit als Teil der Gesundheitsfoumlrderung gilt Besonders letzterer Aspekt weist
darauf hin dass bei den Befragten ein gewisses Grundverstaumlndnis von Gesundheitsfoumlrderung
vorhanden ist das dem in dieser Arbeit verwendeten aumlhnelt Die Wichtigkeit der aumlrztlichen
29
Betreuung laumlsst jedoch zugleich auch auf ein eher bdquotraditionellesldquo bio-medizinisches Gesund-
heitsverstaumlndnis schlieszligen
Als angebotene Maszlignahmen werden meist Sport- und Bewegungsangebote genannt aber
auch eine Apfelpause um kurz von der Arbeit entspannen zu koumlnnen Daruumlber hinaus gab es
Angebote zur Fuszlighygiene und zur Zahn- und Augengesundheit Hier ist der Uumlbergang zwi-
schen Gesundheitsfoumlrderung und Praumlvention flieszligend Bzgl (zukuumlnftiger) Angebote werden
die Beschaumlftigten nach ihren Wuumlnschen gefragt aber eine wirkliche Mitbestimmung in Kon-
zeption und Planung dieser scheint nicht gegeben Auch bei der Evaluation findet bisher keine
Partizipation statt Die Befragung hat jedoch den bisherigen Eindruck bestaumltigt dass gesund-
heitsfoumlrdernde Maszlignahmen in WfbMs von behinderten Menschen durchaus nachgefragt wer-
den und die Werkstaumltten versucht sind im Rahmen der begleitenden Maszlignahmen ein sehr
breites Feld abzudecken Negativ scheint besonders das weitgehende Fehlen partizipativer
Strukturen
In den Werkstaumltten werden viele Angebote im Rahmen begleitender Maszlignahmen offeriert die
fuumlr die Gesundheit foumlrderlich sind Als Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung die die Prinzi-
pien der BVPG verinnerlichen koumlnnen sie jedoch nicht gesehen werden da zB die Partizipa-
tion eine eher untergeordnete Rolle spielt und die Thematik meist auf Sport- und zT Ernaumlh-
rungsangebote beschraumlnkt bleibt Auch werden die Effekte der Maszlignahmen nicht evaluiert
Entspannungsangebote werden nur selten angeboten und der Fokus richtet sich meist nur auf
die koumlrperliche Gesundheit
Daruumlber hinaus zeigt die Befragung aber auch welch groszliges Potential zur Gesundheitsfoumlrde-
rung in den Werkstaumltten liegt Mit den begleitenden Maszlignahmen sind Strukturen verankert in
denen Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung leicht integriert werden koumlnnen Offenheit fuumlr
Kooperationen scheint vielfach gegeben (zB mit Special Olympics Deutschland Fitness
First) sodass auch eine Kooperation mit den Krankenkassen und weiteren Partnern vorstell-
bar scheint Dies wuumlrde den Vorteil finanzieller Foumlrderung und Expertise durch Erfahrungen
mit bereits durchgefuumlhrten Maszlignahmen einbringen Die befragten Mitarbeiterinnen und Mit-
arbeiter schienen Gesundheitsfoumlrderung gegenuumlber prinzipiell sehr positiv eingestellt
Auch wenn in den Leitbildern und auf den Homepages Gesundheitsfoumlrderung nicht themati-
siert wird gibt es in der Praxis schon verschiedene Maszlignahmen und Projekte mit der Intenti-
on die Gesundheit der Beschaumlftigten zu verbessern
30
45 Anregungen fuumlr die Praxis
Vor dem Hintergrund der zu Rate gezogenen Literatur und den gewonnen Erkenntnissen
durch die Feldbefragung werden nun einige Uumlberlegungen fuumlr die Praxis einer gelingenden
Gesundheitsfoumlrderung getroffen Diese koumlnnen als moumlgliche Anregungen zur Umsetzung ver-
standen werden
451 Partizipation und Empowerment in der Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behin-
derung
Erfolgreiche Gesundheitsfoumlrderung braucht Partizipationsmoumlglichkeiten fuumlr die jeweilige
Zielgruppe Partizipation ist schlieszliglich nicht nur Teilnahme sondern aktive Teilhabe und
damit einhergehend die Moumlglichkeit mitzubestimmen und mitzuentscheiden Dazu gehoumlrt
auch die Definitionsmacht also die Macht (mit)zubestimmen an welche die Gesundheit be-
treffenden Aspekte in einer Maszlignahme zur Gesundheitsfoumlrderung herangegangen werden soll
(vgl Wrightvon UngerBlock 2010 S 39) Diese aktive Teilhabe muss also bereits zu Be-
ginn einer Maszlignahme Teil dieser sein Partizipation bedeutet folglich auch Macht Partizipa-
tion zu ermoumlglichen bedeutet Empowerment also die Ermaumlchtigung eines Individuums oder
einer Gruppe So bekommt Partizipation in der Gesundheitsfoumlrderung auch eine gesellschaft-
liche und politische Komponente denn dadurch koumlnnen Menschen mit Behinderungen lernen
mitzubestimmen mitzuentscheiden und eigene Interessen zu vertreten Diese erlernten Faumlhig-
keiten lassen sich auf die Handlungsebene in einer demokratischen Gesellschaft uumlbertragen
Sowohl Empowerment als auch Partizipation gehoumlren zu den in 31 erwaumlhnten Prinzipien der
BVPG Diese weist darauf hin dass Partizipation in saumlmtlichen Phasen einer Maszlignahme ge-
geben sein muss beginnend mit der Bedarfsanalyse der Planung in der Durchfuumlhrung und
abschlieszligend in der BewertungEvaluation So kann die Wirksamkeit einer Maszlignahme erhoumlht
werden (vgl BVPG 2013 S 90) Teilhabe kann als ein wichtiger Bestandteil der Qualitaumltssi-
cherung gesehen werden Bisher finden Maszlignahmen zur Qualitaumltssicherung nur selten unter
Partizipation der Zielgruppe statt Diese partizipativ zu beteiligen hilft die Qualitaumlt der Ge-
sundheitsfoumlrderung aufrechtzuerhalten oder sogar zu verbessern (vgl Wrightvon Un-
gerBlock 2010 S 35)
Teilhabe ist bei behinderten Menschen besonders wichtig Ihr Leben ist haumlufig von Beginn an
stark fremdbestimmt und von Abhaumlngigkeit gepraumlgt Somit lernen sie seltener als nicht behin-
31
derte Menschen Verantwortung zu uumlbernehmen und selbststaumlndig zu agieren Dies kann bis
hin zur sog bdquoerlernten Hilflosigkeitldquo fuumlhren Vor diesem Hintergrund scheint Partizipation
umso wichtiger aber auch umso arbeitsintensiver Sie ist daher in der Praxis der Gesundheits-
foumlrderung haumlufig sehr arbeitsintensiv und benoumltigt folglich zeitliche Ressourcen und damit
einhergehend finanzielle Ressourcen (vgl Loss 2009 S 10)
Traditionell sind viele Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung top-down organisiert das be-
deutet eine Einrichtung ein Geldgeber etc plant eine Maszlignahme fuumlhrt diese durch und eva-
luiert sie Zur Erreichung der eigenen Ziele wird die Zielgruppe mobilisiert ohne ein Mitspra-
cherecht zu den einzelnen Bausteinen der Maszlignahme zu haben Diese Struktur verdeutlicht
das Maumlchteungleichwicht zwischen Anbieter und Zielgruppe und zementiert den Status be-
hinderter Menschen als Abhaumlngige und Ohnmaumlchtige Der Gegensatz zu top-down-
Programmen ist der bottom-up-Ansatz Hier findet eine Machtteilung statt da die Gesund-
heitsfoumlrderinnen und Gesundheitsfoumlrderer ihre Macht mit der Zielgruppe teilen und eher die
Rolle von Unterstuumltzerinnen und Unterstuumltzern einnehmen Die Zielgruppe soll unterstuumltzt
werden ihre eigenen Probleme festzustellen und Loumlsungen sowie Maszlignahmen zu erarbeiten
In der Planung Durchfuumlhrung und Evaluation kommt ihr damit eine aktive Rolle zu (vgl La-
verack 2010 S 77) Bottom-up-Programme scheinen daher fuumlr Partizipation und Empower-
ment geeigneter als top-down-Strukturen Allerdings schlieszligen sich beide Ansaumltze nicht
zwingend aus sondern Maszlignahmen koumlnnen Eigenschaften beider Ansaumltze aufweisen In
WfbMs scheinen Maszlignahmen sehr haumlufig top-down organisiert zu sein Die staumlrkere Veranke-
rung von bottom-up-Strukturen waumlre hier im Sinne einer Teilhabe ndash in der Werkstatt wie auch
daruumlber hinaus auf gesellschaftlicher Ebene ndash vorteilhaft und wuumlnschenswert
452 Peer-Multiplikatorinnen und -Multiplikatoren
Eine Strategie die in der Praxis der Gesundheitsfoumlrderung bereits mit positiven Ergebnissen
getestet wurde sind Peer-Multiplikatorinnen und -Multiplikatoren Das Modell der Multipli-
katorinnen und Multiplikatoren war bereits Grundlage vieler gesundheitsfoumlrdernder Maszlignah-
men mit sozial benachteiligten Menschen die auch in der Literatur vielfach dokumentiert
sind Auch in der Arbeit mit behinderten Menschen ist dieses Konzept nicht neu Auf Maszlig-
nahmen zur Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung wurde es bisher kaum an-
gewandt scheint jedoch erfolgsversprechend Das Projekt GESUND welches mit einer Ber-
liner WfbM durchgefuumlhrt wird arbeitet mit diesem Konzept (vgl Burtscher 2014 S 8) Die
32
Funktion von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren besteht darin Kenntnisse und Informa-
tionen zur Gesundheit(-sfoumlrderung) der Zielgruppe mit Hilfe der ihnen innewohnenden Ver-
trauensstellung naumlher zu bringen Sie haben daher eine bdquoMittlerfunktionldquo (BVPG 2013 S 92)
zwischen Durchfuumlhrenden und Zielgruppe Voraussetzung dafuumlr ist dass sie der Zielgruppe
angehoumlren oder zumindest eine sehr enge Verbindung zu ihr besitzen Im Zuge einer Maszlig-
nahme werden sie selbst gestaumlrkt sozusagen bdquoempowertldquo Ihre Mittlerfunktion funktioniert
allerdings auch in die andere Richtung Sie bringen den Durchfuumlhrenden die Perspektive der
Zielgruppe naumlher Im Idealfall fuumlhrt der Einsatz von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren
zur Aktivierung der Zielgruppe die ihr selbstbestimmtes Handeln auch auf andere Bereiche
ausdehnen kann (vgl Stickan-Verfuumlrth 2005 S 108) Diesem Modell sehr aumlhnlich ist das
Modell des Peer-Counseling Hier stehen Mitglieder der Zielgruppe in beratender Funktion
ihrer Peer-Gruppe zur Verfuumlgung
453 Verknuumlpfung von Betrieblicher Gesundheitsfoumlrderung und Gesundheitsfoumlrderung in
Werkstaumltten fuumlr behinderte Menschen
Eine Uumlbertragung der Idee der Betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung auf die Gesundheitsfoumlrde-
rung in WfbMs scheint in der Tat realisierbar Den rechtlichen und finanziellen Rahmen hier-
fuumlr hat das 2015 beschlossene Praumlventionsgesetz geschaffen (siehe 33) Im Entwurf der Bun-
desregierung wird in der Anmerkung zum neuen sect 20 Abs 4 SGB V explizit darauf hinge-
wiesen dass Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung auch in WfbMs zum Leistungsspektrum der
Krankenkassen gehoumlrt (vgl Deutscher Bundestag 2015 S 34) Eine Etablierung hiervon in
der Praxis haumlngt in erster Linie neben den Krankenkassen auch von den Leitungen der WfbMs
ab Sollten diese hierfuumlr und auch gegenuumlber partizipativen Strukturen offen sein waumlre der in
351 kurz vorgestellte Gesundheitszirkel ein passender Startpunkt um von Beginn an auch
die Partizipation der Beschaumlftigten zu gewaumlhrleisten Analog zum Konzept der BGF koumlnnten
gemeinsam Maszlignahmen erarbeitet werden die die Gesundheit der Beschaumlftigten foumlrdern wuumlr-
den Den Vertreterinnen und Vertretern der Beschaumlftigten die im Gesundheitszirkel mitwir-
ken koumlnnte dabei die Rolle von Peer-Multiplikatorinnen und -Multiplikatoren zukommen
Als Effekte duumlrften die in 351 beschriebenen auch hier zu erwarten sein eine Verbesserung
der Gesundheit und eine Staumlrkung der gesundheitlichen Ressourcen eine Verringerung der
krankheitsbedingten Fehltage eine staumlrkere Identifikation der Beschaumlftigten mit der Werk-
33
statt ein besseres Arbeitsklima eine houmlhere Motivation und Arbeitszufriedenheit und eine
Steigerung der Produktivitaumlt
Es empfiehlt sich im Sinne der Partizipation und des Empowerments kein reines top-down-
Programm zu starten sondern einen bottom-up-Ansatz zu waumlhlen bzw zumindest mehrere
Elemente dessen einzubauen Als Anknuumlpfungspunkt koumlnnen bereits bestehende begleitende
Maszlignahmen mit passender Thematik genommen werden
Wie bdquonormaleldquo Betriebe koumlnnten auch WfbMs Kooperationen in ihrem raumlumlichen Umfeld
aufbauen und von Vernetzungen profitieren Aufgrund ihrer Groumlszlige sind sie in ihrem Sozial-
raum ein meist nicht zu unterschaumltzender Akteur
34
5 Fazit und Ausblick
Ausgehend von einem bio-psycho-sozialen Verstaumlndnis von Gesundheit wurden verschiedene
Aspekte der Gesundheitsfoumlrderung vertieft und anschlieszligend eine Verknuumlpfung zur Gesund-
heitsfoumlrderung mit behinderten Menschen hergestellt Hierbei lag der Fokus auf gesundheits-
foumlrdernden Maszlignahmen in WfbMs Dabei wurde die aktuelle Literatur zu Rate gezogen In-
ternetauftritte einiger Werkstaumltten durchsucht und Stimmen aus dem Feld von Mitarbeiterin-
nen und Mitarbeitern sowie Beschaumlftigten von Werkstaumltten gewonnen
Die Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung ist noch immer relativ schwach
ausgebaut Dies stellt sich besonders vor dem Hintergrund als problematisch dass behinderte
Menschen haumlufig anfaumllliger fuumlr Krankheiten sind und durchschnittlich uumlber einen subjektiv als
schlechter bewerteten Gesundheitsstatus verfuumlgen als nichtbehinderte Menschen Wie viele
sozial benachteiligte Gruppen sind sie verhaumlltnismaumlszligig schwer zu erreichen fuumlr gesundheits-
foumlrdernde Maszlignahmen Obwohl es in der Erreichbarkeit mehrere Probleme gibt verfuumlgen
Menschen mit Behinderung auf der anderen Seite uumlber groszlige Potentiale Das neue Praumlventi-
onsgesetz ist ein erheblicher Fortschritt bei der Finanzierung gesundheitsfoumlrdernder Maszlignah-
men Sogar eine Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung in Werkstaumltten ist wenn auch nicht ex-
plizit verankert so doch zumindest gewuumlnscht
Gelingende Gesundheitsfoumlrderung muss sich im Allgemeinen und auch bei der Arbeit mit
behinderten Menschen an bestimmten Prinzipien messen lassen Besonders wichtig vor dem
gesellschaftlichen Hintergrund ist hier die Partizipation der Menschen mit Behinderung und
damit einhergehend das Empowerment dieser Beide wirken sich positiv auf die Qualitaumlt der
gesundheitsfoumlrdernden Maszlignahmen aus gehen jedoch auch daruumlber hinaus Sie koumlnnen Men-
schen mit Behinderungen auch auf gesellschaftlicher Ebene empowern sodass ihnen eine
groumlszligere gesellschaftliche Teilhabe zukommt Somit erlangt Gesundheitsfoumlrderung auch vor
dem Hintergrund der Inklusion eine hohe Relevanz
In WfbMs ist gezielte Gesundheitsfoumlrderung bisher wenig verbreitet Einzelne Projekte sind
eher die Ausnahme denn die Regel Jedoch sind die Potentiale der Werkstaumltten enorm Das
Personal scheint haumlufig offen fuumlr Maszlignahmen zu sein und gerade die Strukturen der beglei-
tenden Maszlignahmen lieszligen eine relativ einfache Integration von Maszlignahmen zur (betriebli-
chen) Gesundheitsfoumlrderung zu Bestehende begleitende Maszlignahmen in welchen Sport oder
Bildungsangebote zu gesunder Ernaumlhrung angeboten werden koumlnnten ohne uumlbermaumlszligigen
Aufwand zu gezielten Maszlignahmen fuumlr Gesundheitsfoumlrderung ausgebaut werden Nachholbe-
darf bestuumlnde hier vor allem auf dem Gebiet der Partizipation Nur selten scheinen die Be-
35
schaumlftigten in Konzeption Planung Durchfuumlhrung und Evaluation aktiv eingebunden zu sein
In bestimmten Phasen wie etwa der Konzeption und besonders der Evaluation scheint aktive
Teilhabe noch uumlberhaupt nicht verankert zu sein Eine staumlrkere Partizipation in allen Berei-
chen waumlre mit houmlherem Arbeits- und Kostenaufwand verbunden welcher durch eine Einbin-
dung der Krankenkassen moumlglicherweise aufgefangen werden koumlnnte Die Partizipation foumlr-
dern wuumlrde auch die Etablierung von Peer-Beratung und Peer-Multiplikatorinnen und
-Multiplikatoren Diesen kaumlme beim Zugang zur Zielgruppe eine Schluumlsselfunktion zu und
gleichzeitig koumlnnten sie Bedarfe und Beduumlrfnisse dieser gegenuumlber den anderen Akteuren
kommunizieren Auch wenn es bisher keine konkreten ausgearbeiteten Konzepte zur Gesund-
heitsfoumlrderung in WfbMs gibt koumlnnten bestehende Konzepte zur Betrieblichen Gesundheits-
foumlrderung eventuell leicht uumlberarbeitet fuumlr Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung in Werkstaumltten
analog angewendet werden
Die Potentiale und Moumlglichkeiten zur Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung
in WfbMs sind also mannigfaltig und haumlufig vorhanden Auf diesen koumlnnte aufgebaut werden
um behinderten Menschen das Recht auf das in Artikel 25 der UN-BRK festgeschriebene bdquoer-
reichbare Houmlchstmaszlig an Gesundheitldquo zu ermoumlglichen
Gesundheitsfoumlrderung ist mehr als Werbeplakate an Bus- oder Straszligenbahnhaltestellen und
Clips im Aktuellen Sportstudio sie ist mehr als Sportangebote und Angebote zu gesunder
Ernaumlhrung sie ist auch ein Weg zum Erreichen eines Menschenrechtes das Recht auf Ge-
sundheit
36
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41
Anhang
Nr 1 Abbildung zu den Hauptdeterminanten der Gesundheit nach DahlgreenWhitehead
2007 S 11
Nr 2 Befragung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Beschaumlftigten der WfbMs
42
Nr 1 Abbildung zu den Hauptdeterminanten der Gesundheit nach DahlgreenWhitehead
2007 S 11
43
Nr 2 Befragung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Beschaumlftigten der WfbMs
Um moumlglichst effizient die Stimmen aus vier WfbMs unterschiedlicher Traumlger zu erheben
wurden diese auf dem Infotag der LAG WfbM Berlin am 17112015 gesammelt Hier waren
verschiedene Werkstaumltten mit Informationsstaumlnden vertreten Gewaumlhlt wurden die Werkstaumlt-
ten an deren Staumlnden der Verfasser zuerst vorbeilief Die gestellten Fragen waren stets die-
selben
Den Vertretern der Werkstatt wurde zugesichert dass ihr Name nicht in der vorliegenden Ar-
beit genannt wird lediglich ihre Position in der Werkstatt wird erwaumlhnt Es wurden auszligerdem
keine weiteren Personendaten erhoben
Wenn moumlglich sollten auszligerdem fuumlnf Beschaumlftige pro WfbM befragt werden Hierfuumlr wurde
am Ende des kurzen Interviews um Erlaubnis gefragt Den Beschaumlftigten wurden andere Fra-
gen gestellt als dem Werkstattpersonal jedoch erhielten alle Beschaumlftigten dieselben Fragen
untereinander Den Beschaumlftigen wurde komplette Anonymitaumlt in der vorliegenden Arbeit
zugesichert und es wurden keine personenbezogenen Daten abgefragt Zuerst wurde nach
ihrem Verstaumlndnis von Gesundheitsfoumlrderung gefragt Vor den Fragen 2 bis 5 wurde kurz
erklaumlrt wie Gesundheitsfoumlrderung verstanden werden kann um davon ausgehend die restli-
chen Fragen zu beantworten
Bei saumlmtlichen Interviews wurde auf Transkriptionen verzichtet es wurden lediglich die
Kernaussagen mitgeschrieben
Im Folgenden finden sich exemplarisch die jeweils gestellten Fragen
44
Fragen an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der WfbM
Name der WfbM
Position der befragten Person Begleitender Dienst
1 Was verstehen Sie unter Gesundheitsfoumlrderung
2 Was bieten Sie im Rahmen der Gesundheitsfoumlrderung an
3 Wie werden die Maszlignahmen angenommen
4 Wuumlrden Sie gerne mehr anbieten oder finden Sie die Angebote ausreichend
5 Gibt es Schwierigkeiten
6 Wie steht es um die Partizipation in den Angeboten (Werden die Angebote von Beschaumlf-
tigten mitentwickelt mitevaluiert etc)
7 Werden die Angebote evaluiert
45
Fragen an die Beschaumlftigen der WfbM
Name der WfbM
Datum
1 Wissen Sie was Gesundheitsfoumlrderung ist Wenn ja wie wuumlrden sie es beschreiben
[Moumlgliche Erklaumlrung fuumlr Beschaumlftigte die sich nichts unter Gesundheitsfoumlrderung vorstellen
koumlnnen Zur Gesundheitsfoumlrderung gehoumlrt alles was fuumlr Ihre Gesundheit gut ist zB Kur-
seMaszlignahmen usw die mit Bewegung Ernaumlhrung Wohlfuumlhlen am Arbeitsplatz oder Ent-
spannen zu tun haben]
2 Welche Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung werden Ihnen von der Werkstatt angebo-
ten
3 Werden Ihrer Meinung nach genuumlgend Angebote zur Gesundheitsfoumlrderung in der Werk-
statt angeboten
4 Duumlrfen Sie bei der Entwicklung und Evaluation (Auswertung am Ende) mitbestimmen
5 Was sind Ihre Wuumlnsche bezuumlglich der Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung
2
Inhalt
Abkuumlrzungsverzeichnis 3
1 Einleitung 4
2 Begriffsdefinitionen und Abgrenzungen 6
21 Menschen mit Behinderung 6
22 Gesundheit 7
23 Gesundheitsfoumlrderung und ihre Abgrenzung zur Praumlvention 8
3 Allgemeine Grundlagen der Gesundheitsfoumlrderung 10
31 Leitgedanken der Gesundheitsfoumlrderung 10
32 Auswirkungen von Gesundheitsfoumlrderung auf den Menschen 11
33 Rechtliche Grundlagen 12
34 Gesundheitsfoumlrderung in Settings 14
35 Gesundheitsfoumlrderung in der Lebenswelt bdquoArbeitldquo 15
351 Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung 15
352 Betriebliches Gesundheitsmanagement 17
4 Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung 19
41 Behinderte Menschen und Gesundheit und Krankheit ndash sozialmedizinische Erkenntnisse 19
42 Erreichbarkeit von Menschen mit Behinderungen fuumlr gesundheitsfoumlrdernde Maszlignahmen 21
421 Probleme bei der Erreichbarkeit 22
422 Potentiale fuumlr die Erreichbarkeit 23
43 Das Setting Werkstatt fuumlr behinderte Menschen 24
44 Gesundheitsfoumlrderung in Werkstaumltten fuumlr behinderte Menschen 25
441 Recherche zum aktuellen Stand 25
442 Konzepte und Leitbilder von Einrichtungen der Praxis 27
443 Gesundheitsfoumlrderung in der alltaumlglichen Praxis der Werkstaumltten ndash eine kleine
Feldbefragung 27
45 Anregungen fuumlr die Praxis 30
451 Partizipation und Empowerment in der Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit
Behinderung 30
452 Peer-Multiplikatorinnen und -Multiplikatoren 31
453 Verknuumlpfung von Betrieblicher Gesundheitsfoumlrderung und Gesundheitsfoumlrderung in
Werkstaumltten fuumlr behinderte Menschen 32
5 Fazit und Ausblick 34
6 Literatur 36
Anhang 41
3
Abkuumlrzungsverzeichnis
Abs Absatz
Aufl Auflage
BAG Bundesarbeitsgemeinschaft
BGF Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung
BMAS Bundesministerium fuumlr Arbeit und Soziales
bspw beispielsweise
BVPG Bundesvereinigung Praumlvention und Gesundheitsfoumlrderung eV
bzw beziehungsweise
et al und Weitere (lat et alii)
etc et cetera
Herv Hervorhebung
Hrsg Herausgeber
idR in der Regel
Jg Jahrgang
LAG Landesarbeitsgemeinschaft
Nr Nummer
oJ ohne Jahr
oJg ohne Jahrgang
oS ohne Seite
S Seite
SGB Sozialgesetzbuch
ua unter anderem
UN-BRK Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen
va vor allem
vgl vergleiche
WfbM Werkstatt fuumlr behinderte Menschen
WHO Weltgesundheitsorganisation (engl World Health Organisation)
WMVO Werkstaumltten-Mitwirkungsverordnung
ZDF Zweites Deutsches Fernsehen
zB zum Beispiel
zit zitiert
zT zum Teil
4
1 Einleitung
Auf Gesundheitsfoumlrderung trifft man heutzutage sehr haumlufig sei es im Unternehmen fuumlr das
man arbeitet auf Werbeplakaten an der Straszlige oder sogar gegen Ende der Sendung bdquoAktuelles
Sportstudioldquo im ZDF Maszlignahmen wie diese haben stets eine bestimmte Zielgruppe vor Au-
gen zB die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Unternehmens bestimmte Menschen im
Straszligenverkehr oder Sportfans die am Samstagabend gerne die Sportereignisse des Wochen-
endes im Fernsehen zusammengefasst sehen wollen
Auf alle diese Menschen hat das am 18 Juni dieses Jahres vom Deutschen Bundestag verab-
schiedete Gesetz zur Staumlrkung der Gesundheitsfoumlrderung und der Praumlvention (auch bekannt
als das bdquoPraumlventionsgesetzldquo) Auswirkungen Dieses wurde seit vielen Jahren und von ver-
schiedenen Koalitionen und Regierungen angestrebt aber regelmaumlszligig verschoben Nun regelt
es die gesetzlichen Bedingungen fuumlr die Gesundheitsfoumlrderung neu und versucht ihr einen
houmlheren Stellenwelt in der Landschaft der medizinischen Versorgung in Deutschland zukom-
men zu lassen
Jede Maszlignahme zur Foumlrderung der Gesundheit eines oder mehrerer Menschen versucht sich
an genau diesen bzw diese Menschen zu richten Menschen sind jedoch unterschiedlich und
so sind folglich auch Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung unterschiedlich ndash sie unterschei-
den sich in der Methodik im Inhalt und nicht zuletzt im Zugangsweg zur Zielgruppe Ge-
sundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung ist ein Thema welches erst in den letzten
Jahren an Bedeutung gewonnen hat Die Fachwelt hat sich langsam diesem Thema ange-
nommen es sind Publikationen erschienen und Projekte aufgebaut worden Die Anzahl ist
hier jedoch noch relativ uumlberschaubar und laumlsst den Bedarf an Forschung auf diesem Gebiet
erkennen
Gesundheitsfoumlrderung findet haumlufig in Lebenswelten von Menschen statt zB zuhause in der
Schule oder in der Arbeit In Deutschland arbeiten viele Menschen mit Behinderungen in
Werkstaumltten fuumlr behinderte Menschen (WfbMs) Fuumlr viele aus der sehr heterogenen Gruppe
der behinderten Menschen stellen diese also eine wichtige Lebenswelt ein sog Setting dar
Der Titel der Arbeit wurde bewusst gewaumlhlt Es ist nicht von Gesundheitsfoumlrderung fuumlr Men-
schen mit Behinderung die Rede sondern mit Menschen mit Behinderung Die Bedeutung
dieses kleinen Wortes ist dabei enorm denn es ist ein sehr groszliger Unterschied ob man etwas
fuumlr einen Menschen macht oder ob man es mit ihm macht Wichtig ist dies auch vor dem Hin-
tergrund der gesellschaftlichen Debatten unserer Zeit in denen Inklusion und Teilhabe behin-
derter Menschen eine immer wichtigere Rolle spielen
5
In der vorliegenden Arbeit soll nun ein Uumlberblick daruumlber gegeben werden ob es in WfbMs
gesundheitsfoumlrdernde Maszlignahmen gibt und wie Menschen mit Behinderung an ihnen teil-
nehmen und ndash ganz im Sinne des Wortes bdquomitldquo ndash teilhaben Es soll sowohl der aktuelle Stand
wiedergegeben werden als auch versucht werden Schwierigkeiten wie Potentiale zu identifi-
zieren
Dafuumlr werden zuerst die drei Begriffe Behinderung Gesundheit und Gesundheitsfoumlrderung
eingegrenzt (Kapitel 2) Anschlieszligend werden allgemeine Grundlagen der Gesundheitsfoumlrde-
rung vorgestellt (Kapitel 3) in denen ua Prinzipien und Leitideen hierfuumlr aufgezeigt und die
rechtliche Rahmung beleuchtet werden Auszligerdem wird naumlher auf Gesundheitsfoumlrderung in
Settings eingegangen Dabei liegt der Schwerpunkt auf dem Setting Arbeitswelt Aufbauend
darauf wird im Speziellen auf die Gesundheitsfoumlrderung bei Menschen mit Behinderungen
eingegangen (Kapitel 4) Hier werden sozialmedizinische Erkenntnisse praumlsentiert die Er-
reichbarkeit behinderter Menschen fuumlr die Maszlignahmen diskutiert und das Thema der Ge-
sundheitsfoumlrderung in Werkstaumltten besonders vertieft In diesem Zusammenhang werden auch
die Ergebnisse einer kleinen Feldbefragung vorgestellt die im Rahmen dieser Arbeit durchge-
fuumlhrt wurde Aufbauend auf den gewonnenen Erkenntnissen wird uumlberlegt wie Gesundheits-
foumlrderung in WfbMs besonders erfolgreich gestaltet werden kann Abgerundet wird die Arbeit
durch ein Fazit das eine Zusammenfassung der gewonnenen Erkenntnisse und gleichzeitig
ein Ausblick sein will (Kapitel 5)
6
2 Begriffsdefinitionen und Abgrenzungen
Fuumlr das Verstaumlndnis bestimmter Begriffe im weiteren Verlauf der Arbeit ist es sinnvoll diese
Auslegungen kurz darzustellen Fuumlr jeden der hier skizzierten Begriffe gibt es zahlreiche
Konzepte und Theorien die aufgrund des gegebenen Rahmens nicht in aller Ausfuumlhrlichkeit
diskutiert werden koumlnnen
21 Menschen mit Behinderung
Fuumlr den Begriff bdquoBehinderungldquo gibt es zahlreiche Definitionen Der in der Internationalen
Klassifikation der Funktionsfaumlhigkeit Behinderung und Gesundheit (ICF) der Weltgesund-
heitsorganisation WHO verankerten Sicht liegt ein bio-psycho-soziales Verstaumlndnis von Be-
hinderung zugrunde (vgl WHO 2005 S45) Behinderung wird hier nicht als rein biologisch-
medizinisches Konstrukt gesehen sondern der einzelne Mensch der eine koumlrperliche geistige
undoder seelische Beeintraumlchtigung hat wird auch durch seine Umwelt laumlngerfristig bzw
wiederkehrend behindert bzw nicht behindert1 Behinderung ist also kein festes Merkmal
einer Person sondern ein Wechselspiel zwischen Mensch und Umwelt Diese Auffassung teilt
die Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen (UN-BRK) die in Artikel 1 von
einer bdquoWechselwirkung mit verschiedenen Barrierenldquo spricht
Ausgehend von diesem Verstaumlndnis muss aufgrund der Thematik der vorliegenden Arbeit der
Begriff bdquoMenschen mit Behinderungldquo auch aus gesetzlicher Sicht betrachtet werden Fuumlr die
Aufnahme als Beschaumlftigter oder Beschaumlftigte2 bzw in den Berufsbildungsbereich in Werk-
staumltten fuumlr behinderte Menschen ist eine Behinderung wie sie in den Sozialgesetzbuumlchern
(SGB) verstanden wird Voraussetzung Diese ist definiert in sect 2 SGB IX bdquoMenschen sind
behindert wenn ihre koumlrperliche Funktion geistige Faumlhigkeit oder seelische Gesundheit mit
hoher Wahrscheinlichkeit laumlnger als sechs Monate von dem fuumlr das Lebensalter typischen
Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeintraumlchtigt istldquo
Dies muss fuumlr jeden Menschen individuell betrachtet werden
1 Die ICF kann nicht nur auf Menschen mit einer Behinderung sondern auf jeden Menschen bezogen werden
(vgl WHO 2005 S 13) 2 Aus Gruumlnden des einfacheren Verstaumlndnisses werden im weiteren Verlauf Menschen mit Behinderungen die in
WfbMs beschaumlftigt sind als Beschaumlftigte bezeichnet und festangestelltes Personal wie etwa Paumldagoginnen und
Paumldagogen bzw Arbeitsgruppenleitungen als Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
7
Auf das genaue Verfahren zur Feststellung wird an dieser Stelle nicht weiter eingegangen da
es fuumlr den weiteren Verlauf der Arbeit nicht relevant ist Es genuumlgt zu wissen dass sich der
Personenkreis der in der WfbM beschaumlftigt ist rechtlich gesehen nach dem SGB IX definiert
Diese Definition ist weniger umfassend als das Verstaumlndnis der ICF die die Kontextfaktoren
staumlrker betont (vgl WHO 2005 S 2122)
22 Gesundheit
Das traditionelle Bild von Gesundheit ist die Abwesenheit von Krankheit Jedoch erkannte
schon in ihrer Verfassung von 1946 die WHO dass Gesundheit mehr als nur das ist bdquoDie
Gesundheit ist ein Zustand des vollstaumlndigen koumlrperlichen geistigen und sozialen Wohlerge-
hens und nicht nur das Fehlen von Krankheit oder Gebrechenldquo (WHO 2014 S 1)
Fuumlr die Determinanten der Gesundheit von Menschen haben Margaret Whitehead und Goumlran
Dahlgren bereits 1991 ein Modell (siehe Anhang Nr 1) entwickelt das die Einflussfaktoren
in verschiedene Ebenen gliedert Neben den persoumlnlichen Merkmalen wie Alter Geschlecht
und Genen stehen in der naumlchsten Ebene die Faktoren individueller Lebensweisen (Sport
Konsum von Genussmitteln etc) Daran schlieszligen sich soziale und kommunale Netzwerke an
(va Familie Freundinnen und Freunde) und auf naumlchster Ebene die Lebens- und Arbeitsbe-
dingungen (zB Wohn- und Arbeitsumfeld Bildung) Abgeschlossen wird das Modell durch
allgemeine Bedingungen der soziooumlkonomischen kulturellen und physischen Umwelt wie
bspw Wirtschaft und Politik (vgl DahlgrenWhitehead 2007 S 11)
Die sehr breite Auffassung der WHO von Gesundheit entwickelte Aaron Antonovsky weiter
indem er sein Konzept der Salutogenese entwickelte Neu daran war zum einen dass er von
einem Gesundheits-Krankheits-Kontinuum ausgeht dessen Pole Gesundheit und Krankheit
sind Die Gesundheit eines Menschen laumlsst sich zu jedem Zeitpunkt seines Lebens individuell
an einem Punkt des Kontinuums festlegen je nachdem wie gesund der Mensch sich zum je-
weiligen Zeitpunkt fuumlhlt (vgl Antonovsky 1997 S 23) Auszligerdem stellt Antonovsky die Fra-
ge warum unter bestimmten (unguumlnstigen) Bedingungen also den Determinanten von Ge-
sundheit manche Menschen gesund bleiben und andere nicht (vgl Antonovsky 1997 S 15)
Als Antwort auf diese Frage praumlsentiert er das sog Kohaumlrenzgefuumlhl (SOC)3 bestehend aus
3 In der Literatur zT auch mit Kohaumlrenzsinn Kohaumlrenzempfinden etc uumlbersetzt Das englische Original bdquoSense
of Coherenceldquo ist schwer zu uumlbersetzen da es im Deutschen kein Wort gibt das der weiten Bedeutung des engli-
schen bdquosenseldquo gerecht werden koumlnnte
8
den drei Elementen Verstehbarkeit Handhabbarkeit und Bedeutsamkeit Verstehbarkeit be-
deutet seine Welt als stimmig und verstaumlndlich einzuordnen und Belastungen in einem groumlszlige-
ren Zusammenhang sehen zu koumlnnen Handhabbarkeit bezeichnet das Gefuumlhl die Aufgaben
und Probleme denen man begegnet mit seinen Ressourcen bewaumlltigen zu koumlnnen Bedeut-
samkeit ist die Uumlberzeugung von der eigenen Lebensfuumlhrung die mit Zielen verbunden ist
fuumlr die sich einzusetzen lohnenswert erscheint (vgl Antonovsky 1997 S 33 ndash 36) Legt man
den Fokus nun also auf die Aufrechterhaltung oder Verbesserung der Gesundheit sind die
dafuumlr in der Praxis konzipierten Maszlignahmen ndash ganz der Denktradition der Salutogenese fol-
gend ndash Schritte zur Gesundheitsfoumlrderung
23 Gesundheitsfoumlrderung und ihre Abgrenzung zur Praumlvention
Die Idee der Gesundheitsfoumlrderung fuszligt auf einem Gesundheitsverstaumlndnis wie es die Saluto-
genese aufzeigt Ein wichtiger Grundstein fuumlr unser heutiges Verstaumlndnis von Gesundheits-
foumlrderung wurde bereits 1986 mit der Ottawa-Charta der WHO gelegt bdquoGesundheitsfoumlrde-
rung zielt auf einen Prozess allen Menschen ein houmlheres Maszlig an Selbstbestimmung uumlber ihre
Gesundheit zu ermoumlglichen und sie damit zur Staumlrkung ihrer Gesundheit zu befaumlhigenldquo (WHO
1986 S 1) Gesundheitsfoumlrderung ist also bdquoeine Promotionsstrategie bei der Menschen durch
Verbesserung ihrer Lebensbedingungen eine Staumlrkung der gesundheitlichen Entfaltungsmoumlg-
lichkeiten erfahren sollenldquo (HurrelmannKlotzHaisch 2010 S 13 Herv weggelassen) Kon-
kret in der Praxis aumluszligert sich Gesundheitsfoumlrderung in unterschiedlichsten Maszlignahmen auf
den verschiedenen Ebenen Individuum Setting und PolitikGesamtgesellschaft (vgl Alt-
geldKolip 2010 S 4647) So sind etwa Schritte zur Steigerung des Selbstwertgefuumlhls (Indi-
viduumsebene) Ernaumlhrungsprogramme in Schulen (Setting) oder eine gesetzlich verankerte
finanzielle Unterstuumltzung zum Vereinsbeitrag fuumlr Kinder aus einkommensschwachen Fami-
lien in Sportvereinen (Politik) Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung Auf saumlmtlichen Ebenen
ist eine Partizipation der Zielgruppe fuumlr eine gelingende Gesundheitsfoumlrderung erstrebenswert
(vgl FaltermaierWihofszky 2012 S 102) Als Kernelemente der Gesundheitsfoumlrderung
weist die WHO in der Ottawa-Charta Ganzheitlichkeit oumlkologische Verantwortung und ge-
genseitige Fuumlrsorge aus (vgl WHO 1986 S 5) Dieser universelle Anspruch findet seine
Fortsetzung in der Jakarta-Erklaumlrung die als Ziele den groumlszligtmoumlglichen Gesundheitsgewinn
der Bevoumllkerung die Reduzierung gesundheitlicher Ungleichheiten und die Staumlrkung der
Menschenrechte formuliert (vgl WHO 1997 S 2)
9
Unterscheiden kann man gesundheitsfoumlrdernde Strategien zwischen Verhaltens- und Verhaumllt-
nisebene Verhaltensorientierte Maszlignahmen setzen beim Verhalten des einzelnen Menschen
oder einer Gruppe zB ihrer Ernaumlhrung oder der Haumlufigkeit von Bewegung an Verhaumlltnis-
bezogene Maszlignahmen setzen an den Verhaumlltnissen an in denen ein oder mehrere Menschen
leben Dies kann sich auf saumlmtliche Lebensbereiche beziehen zB Wohnen Arbeit oder Frei-
zeit Hier kann beispielhaft die Verfuumlgbarkeit von Gruumlnflaumlchen oder Spielplaumltzen aufgefuumlhrt
werden Eine Verbindung beider Ansaumltze ist durchaus moumlglich
Abzugrenzen ist die Gesundheitsfoumlrderung von der Praumlvention Als jene gelten Maszlignahmen
zur Vermeidung des Auftretens bzw Fortschreitens bestimmter Krankheiten Praumlvention und
Gesundheitsfoumlrderung zielen beide auf einen Gesundheitsgewinn ab jedoch setzt erstere beim
Verringern von Risikofaktoren an letztere beim Schaffen und Staumlrken von Ressourcen also
Schutzfaktoren (vgl HurrelmannKlotzHaisch 2010 S 1617) Anders ausgedruumlckt Praumlven-
tion ist pathogenetisch das bedeutet an der Entstehung von Krankheiten orientiert Gesund-
heitsfoumlrderung hingegen salutogenetisch orientiert Generell muumlssen Praumlvention und Gesund-
heitsfoumlrderung als sich ergaumlnzende nicht als konkurrierende Interventionsformen mit ver-
schiedener Sachlogik gesehen werden (vgl Hurrelmann 2006 S 150) Beide Strategien sind
in der Zielsetzung des Zugewinns an Gesundheit geeint jedoch unterscheiden sie sich als In-
terventionsformen durch verschiedenartige Wirkungsprinzipien In der Praxis sind nicht alle
konkreten Maszlignahmen trennscharf einer der beiden Strategien zuzuordnen Uumlberschneidun-
gen sind moumlglich
Zusammengefasst laumlsst sich konstatieren bdquoGesundheitsfoumlrderung bezeichnet alle Eingriffs-
handlungen die der Staumlrkung von individuellen Faumlhigkeiten der Lebensbewaumlltigung dienenldquo
(HurrelmannKlotzHaisch 2010 S 14 Herv weggelassen)
Vertiefende Problemstellungen wie etwa die Erreichbarkeit bestimmter Bevoumllkerungsgrup-
pen und rechtliche Rahmenbedingungen in Deutschland werden im weiteren Verlauf der Ar-
beit aufgegriffen
10
3 Allgemeine Grundlagen der Gesundheitsfoumlrderung
Es wurde bereits grob umrissen was Gesundheitsfoumlrderung kennzeichnet Nun sollen einzelne
Aspekte inhaltlich vertieft werden auf denen anschlieszligend eine (moumlgliche) Gesundheitsfoumlrde-
rung in WfbMs (siehe Kapitel 4) aufbauen kann
31 Leitgedanken der Gesundheitsfoumlrderung
In der Praxis koumlnnen gesundheitsfoumlrdernde Maszlignahmen ganz unterschiedlich aussehen Damit
sie fuumlr die Menschen die daran teilnehmen dauerhaft eine positive Wirkung aufweisen hat
die Bundesvereinigung Praumlvention und Gesundheitsfoumlrderung eV (BVPG)4 sieben bdquoPrinzi-
pien guter Praumlvention und Gesundheitsfoumlrderungldquo formuliert in ihrem Sinne gute Gesund-
heitsfoumlrderung ist demnach gekennzeichnet durch (1) Autonomie und Empowerment (2) Par-
tizipation (3) Lebenswelt- und Lebensstilbezug (4) Gesundheitliche Chancengleichheit
(5) Konzeptbasierung (6) Evaluation sowie (7) Nachhaltigkeit (vgl BVPG 2013 S 9091)
Das Prinzip (1) Autonomie und Empowerment bedeutet dass eine Maszlignahme durch Selbst-
bestimmung gepraumlgt ist und die Teilnehmenden zur Selbststaumlndigkeit befaumlhigt die eigene
Gesundheit und die anderer zu gestalten (vgl BVPG 2013 S 90) Die Idee Gesundheit ande-
rer mitzugestalten findet ua in den Strategien Peer Counseling und Multiplikatorinnen und
Multiplikatoren ihre praktische Umsetzung (siehe 452) Empowerment kann an dieser Stelle
uumlber die Ebene der persoumlnlichen Gesundheit hinaus gedacht werden Menschen werden nicht
nur dazu befaumlhigt ihre eigene Gesundheit selbst zu gestalten sondern koumlnnen als gesunde
Buumlrger ihre Interessen oder die bestimmter Bevoumllkerungsgruppen selbstbewusst vertreten
(vgl Laverack 2010 S 27) Im Sinne der (2) Partizipation sollen Vertreterinnen und Vertreter
der Zielgruppe in allen Phasen einer Maszlignahme aktiv mitgestalten und mitentscheiden Auf
die Partizipation von Menschen mit Behinderung wird in 451 noch detaillierter eingegangen
Der (3) Lebenswelt- und Lebensstilbezug betont den bereits erwaumlhnten Setting-Ansatz
schlieszligt jedoch gesamtgesellschaftliche bzw individualbezogene Strategien ebenfalls mit ein
Gelingende Gesundheitsfoumlrderung braucht immer einen konkreten Anknuumlpfungspunkt in der
Lebenswelt des bzw der Menschen (4) Gesundheitliche Chancengleichheit fordert dass va
4 Die BVPG ist ein gemeinnuumltziger politisch und konfessionell unabhaumlngiger Verbund bestehend aus Bundes-
verbaumlnden des Gesundheitswesens darunter die Bundesaumlrztekammer den Spitzenverbaumlnden der Sozialversiche-
rungstraumlger sowie Verbaumlnden der Heil- und Hilfsberufe Sozial- und Wohlfahrtsverbaumlnden und Bildungseinrich-
tungen mit Arbeitsschwerpunkt im Bereich Praumlvention und Gesundheitsfoumlrderung
11
sozial benachteiligte Menschen zu denen haumlufig auch behinderte Menschen gehoumlren beson-
ders in ihrer Gesundheit gefoumlrdert werden da mit einem niedrigeren soziooumlkonomischen Sta-
tus oft eine schlechtere Gesundheit einhergeht (vgl Lampert et al 2013 S 814) Diese Be-
voumllkerungsgruppen gelten jedoch als besonders schwer erreichbar fuumlr gesundheitsfoumlrdernde
Maszlignahmen insbesondere wenn diese fuumlr die Gesamtbevoumllkerung ausgelegt sind (vgl
Mielck 2010 S 113)
Generell sollten Programme zur Gesundheitsfoumlrderung stets auf einem (5) Konzept beruhen
in dem Mittel Zeit Ressourcen und Ziele festgelegt und eine Bedarfsanalyse und Beschrei-
bung des Wirkungsmodells verankert sind Auch der geplante Weg einer Verstetigung der
Maszlignahme soll hier aufgezeigt werden (vgl BVPG 2013 S 91) Durch das Prinzip der
(6) Evaluation soll eine Qualitaumltssicherung erfolgen von der durch Veroumlffentlichung auch
andere profitieren koumlnnen (7) Nachhaltig soll Gesundheitsfoumlrderung auf saumlmtlichen Ebenen
sein es muss auf moumlgliche negative (Spaumlt-)Folgen geachtet werden der Umgang mit den
Ressourcen und der Umwelt sollte nachhaltig sein und es sollte eine Wirkung uumlber die Dauer
der Maszlignahme hinaus entstehen (vgl BVPG 2013 S 91)
32 Auswirkungen von Gesundheitsfoumlrderung auf den Menschen
Wie bereits dargelegt soll Gesundheitsfoumlrderung die Gesundheit der Menschen verbessern
Dies kann auf ganz unterschiedliche Weise geschehen Als Strategien sind hier die schon er-
waumlhnten verhaltens- und verhaumlltnisorientierten Strategien moumlglich und die Interventionsebene
kann auf individueller Ebene liegen an einem bestimmten Setting ansetzen oder die gesamte
Gesellschaft als Ausgangspunkt nehmen
Da Gesundheit als bdquoZustand des vollstaumlndigen koumlrperlichen geistigen und sozialen Wohler-
gehensldquo (WHO 2014 S 1) betrachtet wird soll eine gesundheitsfoumlrdernde Maszlignahme das
Befinden in einem oder mehreren dieser Teilbereiche ndash in einer ganzheitlichen Betrachtung
haumlngen diese stark zusammen und beeinflussen sich gegenseitig ndash positiv beeinflussen Im
Sinne der Salutogenese werden also Ressourcen entwickelt undoder gestaumlrkt Verbreitete
Strategien der Gesundheitsfoumlrderung wie etwa Sport gesunde Ernaumlhrung und Entspannung
aber auch soziale Ausgewogenheit und Partizipation als strukturelle Verhaumlltnisse muumlssen von
der Zielgruppe als positiv erlebt werden (vgl Geene 2005 S 21) Andernfalls ist keine oder
nur eine geringere Annahme bzw Wirkung des Programms zu erwarten Am Ende einer
Maszlignahme sollte stets eine Evaluation erfolgen Hier sind mit passend ausgewaumlhlten Evalua-
12
tionsinstrumenten die Auswirkungen des Programmes meist in irgendeiner Form messbar
entweder durch subjektive Einschaumltzungen zB wenn Teilnehmende angeben sich nun ge-
sunder zu fuumlhlen oder auch durch objektiv messbare Werte So koumlnnen bspw Werte wie Ge-
wicht Body-Mass-Index Blutwerte oder Ausdauer zu Beginn einer Maszlignahme mit denen am
Ende verglichen werden Eine hier erfolgreich ansetzende Maszlignahme hat meist (nicht nur)
eine Verbesserung der koumlrperlichen Gesundheit zur Folge Das gesenkte Risiko fuumlr Herz-
Kreislauf-Erkrankungen Krebs Erkrankungen der Atemwege der Verdauungsorgane oder
des Muskel-Skelett-Systems koumlnnen exemplarisch als Verbesserung der physischen Gesund-
heit aufgefuumlhrt werden (vgl HurrelmannKlotzHaisch 2010 S 20) Dies sind Anzeichen
dass sich der bdquoStandpunktldquo eines Menschen auf dem Gesundheits-Krankheits-Kontinuum
nach Antonovskys Modell der Salutogenese ein Stuumlck weiter Richtung Gesundheit verscho-
ben hat
Auch die Foumlrderung der Selbstwirksamkeit also der Uumlberzeugung auch schwierige Situatio-
nen mit eigenen Ressourcen loumlsen zu koumlnnen hat vielfaumlltige positive Auswirkungen auf die
Gesundheit und foumlrdert so diese (DlugoschDahl 2013 S 370) Maszlignahmen zur Entspannung
und Stressbewaumlltigung wirken sich im ersten Moment auf das seelische und psychische
Wohlbefinden aus haben dadurch aber sehr oft auch positive Auswirkungen auf den Koumlrper
Bestimmte Methoden wie etwa Yoga verfolgen schon im Ansatz eine ganzheitliche Vorstel-
lung bei welchem das Wohlbefinden koumlrperlich psychisch und seelisch gestaumlrkt wird (vgl
SimonHegerReszies 2011 S 169)
Die aufgefuumlhrten positiven Auswirkungen durch gesundheitsfoumlrdernde Maszlignahmen auf die
Gesundheit von Menschen sind nur einige Beispiele von sehr vielen Allen diesen Effekten zu
eigen ist jedoch dass sie sich positiv auf das gesundheitliche Wohlbefinden der Menschen
auswirken In deren subjektiven Empfinden verschiebt sich dadurch ihr Punkt auf dem Ge-
sundheits-Krankheits-Kontinuum des Salutogenesemodells ein Stuumlck in Richtung des Ge-
sundheitspols
33 Rechtliche Grundlagen
Die rechtliche Verankerung der Gesundheitsfoumlrderung findet sich in Deutschland im SGB V
wieder So legt sect 20 Abs 1 SGB V fest bdquoDie Krankenkasse sieht in der Satzung Leistungen
zur Verhinderung und Verminderung von Krankheitsrisiken (primaumlre Praumlvention) sowie zur
Foumlrderung des selbstbestimmten gesundheitsorientierten Handelns der Versicherten (Gesund-
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heitsfoumlrderung) vorldquo5 Zurecht weist die Bundesaumlrztekammer in ihrer Stellungnahme zum
neuen Praumlventionsgesetz darauf hin dass diese Definition von Gesundheitsfoumlrderung nicht
umfassend genug ist da die Staumlrkung von Gesundheitsressourcen und ndashpotenzialen unerwaumlhnt
bleibt (vgl Bundesaumlrztekammer 2014 S 3) Die gesetzliche Krankenversicherung ist in
Deutschland von den Sozialversicherungszweigen finanziell mit Abstand am staumlrksten an der
Gesundheitsfoumlrderung beteiligt Gesetzlich verpflichtet war auszligerdem bisher nur die gesetzli-
che Unfallversicherung sodass die Beteiligung nicht-oumlffentlicher gemeinnuumltziger Traumlger wie
bspw Stiftungen zunehmend an Bedeutung gewinnt Der groumlszligte Teil der finanziellen Mittel
stammt allerdings aus oumlffentlichen Mitteln (vgl AltgeldKolip 2010 S 54) Durch das Prauml-
ventionsgesetz sind die gesetzlichen Krankenkassen nun nach sect 20 Abs 6 SGB V verpflich-
tet ab dem Jahr 2016 pro Versicherten 700 Euro statt wie im Jahr 2015 317 Euro fuumlr Praumlven-
tion und Gesundheitsfoumlrderung auszugeben Davon entfallen je 200 Euro auf Leistungen zur
Gesundheitsfoumlrderung und Praumlvention in Lebenswelten nach sect 20a SGB V und Betriebliche
Gesundheitsfoumlrderung nach sect 20b SGB V Das Praumlventionsgesetz sieht dabei eine Betriebli-
che Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen in WfbMs vor bdquoMit den Leistungen
[primaumlre Praumlvention und Gesundheitsfoumlrderung MP] sollen auch Menschen mit Behinde-
rung erreicht werden zB mit Leistungen zur betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung in Werk-
staumltten fuumlr behinderte Menschenldquo (Deutscher Bundestag 2015 S 34) Dies geht aus der vom
Deutschen Bundestag veroumlffentlichten Erlaumluterung zum Gesetzentwurf hervor
Die gesetzlichen Krankenkassen (unter Umstaumlnden auch die privaten Krankenkassen) sollen
des Weiteren mit den Traumlgern der Pflegeversicherung der Unfallversicherung und der Gesetz-
lichen Rentenversicherung eine bdquoNationale Praumlventionsstrategieldquo entwickeln (sect 20d SGB V)
die in der bdquoNationalen Praumlventionskonferenzldquo (sect 20e SGB V) ausgearbeitet und weitergefuumlhrt
wird In beiden Paragraphen geht es auch um Strategien der Gesundheitsfoumlrderung
Die gesetzlichen Pflegekassen sind nach sect 5 SGB XI fortan verpflichtet im Jahr 030 Euro je
Versicherter und Versichertem zur Gesundheitsfoumlrderung und Praumlvention in stationaumlren Pfle-
geeinrichtungen zu investieren
Eine gesetzliche Verankerung der Partizipation in der Gesundheitsfoumlrderung durch das Prauml-
ventionsgesetz ist hingegen ausgeblieben Ausgehend von der Annahme dass Gesundheits-
foumlrderung effektiver ist wenn die Zielgruppe an der Planung Durchfuumlhrung und Evaluation
5 Die Novellierung der sectsect 20ff SGB V ist eine Folge des 2015 verabschiedeten Gesetzes zur Staumlrkung der Ge-
sundheitsfoumlrderung und der Praumlvention Dieses ist im Internet verfuumlgbar unter
httpwwwbgbldexaverbgblstartxavstartbk=Bundesanzeiger_BGBlampjumpTo=bgbl115s1368pdf__bgbl__
2F2F[40attr_id3D27bgbl115s1368pdf27]__1446046078671 (Abrufdatum 28102015)
14
der Maszlignahme partizipiert (vgl FaltermaierWihofszky 2012 S 108) waumlre eine gesetzliche
Verankerung der Partizipation vorteilhaft gewesen
Das Recht auf Leistungen zur Gesundheitsfoumlrderung ergibt sich fuumlr Menschen mit Behinde-
rung auch aus der UN-BRK welche im Jahre 2009 von der Bundesrepublik Deutschland rati-
fiziert wurde In Artikel 25 heiszligt es hier bdquoDie Vertragsstaaten anerkennen das Recht von
Menschen mit Behinderungen auf das erreichbare Houmlchstmaszlig an Gesundheit ohne Diskrimi-
nierung aufgrund von Behinderungldquo Dieses houmlchsterreichbare Maszlig kann nur erreicht werden
wenn Menschen mit Behinderung konsequent in Maszlignahmen der Gesundheitsfoumlrderung ein-
bezogen werden Deutschland verpflichtet sich in Artikel 25 a) der UN-BRK behinderten
Menschen bdquoeine unentgeltliche oder erschwingliche Gesundheitsversorgung in der derselben
Bandbreite von derselben Qualitaumlt und auf demselben Standard zur Verfuumlgung [zu stellen]
wie anderen Menschen [hellip]ldquo Dies umfasst nicht nur kurative und rehabilitative Maszlignahmen
sondern auch solche zur Praumlvention und Foumlrderung der Gesundheit
34 Gesundheitsfoumlrderung in Settings
Da der Fokus dieser Arbeit auf der Gesundheitsfoumlrderung in WfbMs liegt werden nun einige
Aspekte zur Gesundheitsfoumlrderung in Settings also Lebenswelten genauer thematisiert
bdquoEin Setting ist ein Sozialzusammenhang in dem Menschen sich in ihrem Alltag aufhalten
und der Einfluss auf ihre Gesundheit hat Dieser soziale Zusammenhang ist relativ dauerhaft
und seinen Mitgliedern auch subjektiv bewusstldquo (HartungRosenbrock 2015 oS) Diese kur-
ze Definition enthaumllt die wichtigsten Merkmale eines Settings Jeder Mensch bewegt sich
folglich in verschiedenen Settings zB seiner Arbeitswelt seinem Wohnumfeld oder seinem
Freizeitbereich Dabei hat jedes Setting Einfluss auf die Menschen die sich in ihm bewegen
wie auch jeder Mensch gleichzeitig das jeweilige Setting beeinflusst Gesundheit ist hierbei
als ein wichtiges alltaumlgliches Element des jeweiligen Settings zu sehen und nicht ausschlieszlig-
lich als essenzielles und abstraktes Ziel (vgl RoumlmischWalther 2015 S 5 AltgeldKolip
2010 S 49) Dies betont auch die salutogenetische Position nach der jeder Mensch zu jedem
Zeitpunkt zumindest ein gewisses Maszlig an Gesundheit inne hat (vgl Antonovsky 1997 S 23)
Bereits in der Ottawa-Charta wird als eine Strategie zur Gesundheitsfoumlrderung bdquoGesundheits-
foumlrderliche Lebenswelten schaffenldquo (WHO 1986 S 3) genannt Elf Jahre spaumlter verdeutlicht
die Jakarta-Erklaumlrung die Wirksamkeit dieser Strategie bdquoDer wissenschaftliche Erkenntnis-
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stand zeigt deutlich daszlig [hellip] insbesondere Settings [hellip] gute Moumlglichkeiten zur praktischen
Umsetzung solcher umfassenden Strategien bietenldquo (WHO 1997 S 3)
Dies mag va daran liegen dass eher schwer erreichbare Zielgruppen der Gesundheitsfoumlrde-
rung in ihren Lebenswelten relativ gut erreicht werden koumlnnen (vgl FaltermaierWihofszky
2012 S 110) Zu diesen Zielgruppen gehoumlren va sozial benachteiligte Menschen wie etwa
Menschen mit Migrationshintergrund in Armut lebende Menschen oder Menschen mit Be-
hinderungen Da das deutsche Gesundheitssystem stark mittelschichtsorientiert ist sind diese
schwerer zu erreichen als wohlhabendere Bevoumllkerungsschichten (vgl Stickan-Verfuumlrth 2005
S 105106) Besonders problematisch ist dies vor dem Hintergrund zu sehen dass gerade
sozial benachteiligte Menschen wie bereits erwaumlhnt haumlufig uumlber eine schlechtere Gesundheit
verfuumlgen
35 Gesundheitsfoumlrderung in der Lebenswelt bdquoArbeitldquo
Fuumlr eine Gesundheitsfoumlrderung in der Lebenswelt bdquoArbeitldquo sind besonders zwei Strategien
relevant die Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung (BGF) und das Betriebliche Gesundheitsma-
nagement
Die Begriffe bdquoBetriebliche Gesundheitsfoumlrderungldquo und bdquoBetriebliches Gesundheitsmanage-
mentldquo werden in der Literatur zT sehr unterschiedlich interpretiert Die Bandbreite reicht
hier von einer beinahe synonymen Verwendung bis hin zu einer klaren Abgrenzung Die hier
vorgenommene Unterscheidung ist dabei nur eine Moumlglichkeit unter mehreren
351 Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung
Als Grundsatzdokument der Betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung in Deutschland gilt heute
die Luxemburger Deklaration zur betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung in der Europaumlischen
Union aus dem Jahr 1997 Sie legt Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung wie folgt fest bdquoBe-
triebliche Gesundheitsfoumlrderung (BGF) umfasst alle gemeinsamen Maszlignahmen von Arbeit-
gebern Arbeitnehmern und Gesellschaft zur Verbesserung von Gesundheit und Wohlbefinden
am Arbeitsplatzldquo (Unternehmensnetzwerk zur betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung in der Eu-
ropaumlischen Union eV 2007 S 2 eigene Paginierung) Als Wege hierfuumlr sieht die Luxem-
burger Deklaration va drei Pfade welche in ihrer Verknuumlpfung am effektivsten scheinen die
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Verbesserung der Arbeitsorganisation und der Arbeitsbedingungen die Staumlrkung der Partizi-
pation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und die Unterstuumltzung im Aufbau und der Wei-
terentwicklung persoumlnlicher Kompetenzen (vgl Unternehmensnetzwerk zur betrieblichen
Gesundheitsfoumlrderung in der Europaumlischen Union eV 2007 S 2)
Die Auswirkungen Betrieblicher Gesundheitsfoumlrderung sind mannigfaltig und durch Studien
belegt So kann hier aufgrund der verbesserten Gesundheit und der staumlrkeren Gesundheitsres-
sourcen eine Verringerung der Fehltage aufgrund von Krankheit angefuumlhrt werden Aber auch
die Wertschaumltzung und Fuumlrsorge durch den Betrieb koumlnnen eine staumlrkere Identifikation der
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit dem jeweiligen Unternehmen hervorrufen (vgl Si-
monHegerReszies 2011 S 3738) Dies hat ua ein besseres Arbeitsklima eine houmlhere Mo-
tivation und Arbeitszufriedenheit und daraus resultierend eine Steigerung der Produktivitaumlt
zur Folge (vgl Unternehmensnetzwerk zur betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung in der Euro-
paumlischen Union eV 2007 S 3) Diese positiven Effekte entfalten teilweise erst laumlngerfristig
ihre Wirkung Somit sind sie fuumlr das Unternehmen eine langfristige Investition die allerdings
Gefahr laumluft kurzfristigen betriebswirtschaftlichen Interessen entgegenzulaufen (vgl Rosen-
brockHartung 2015 oS)
Als Maszlignahmen der Betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung eignen sich sowohl verhaltens- als
auch verhaumlltnisbezogene Maszlignahmen Eine Kombination aus beiden waumlre im Sinne der
Ganzheitlichkeit durchaus gewinnbringend
Eine gesetzliche Verpflichtung fuumlr Unternehmen zur Betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung gibt
es fuumlr Unternehmen in Deutschland nicht Wie in Punkt 33 bereits erwaumlhnt ist der rechtliche
Zusammenhang in sect 20b Abs 1 Satz 2 SGB V geregelt bdquoHierzu erheben sie [die Kranken-
kassen MP] unter Beteiligung der Versicherten und der Verantwortlichen fuumlr den Betrieb
sowie der Betriebsaumlrzte und der Fachkraumlfte fuumlr Arbeitssicherheit die gesundheitliche Situation
einschlieszliglich ihrer Risiken und Potenziale und entwickeln Vorschlaumlge zur Verbesserung der
gesundheitlichen Situation sowie zur Staumlrkung der gesundheitlichen Ressourcen und Faumlhig-
keiten und unterstuumltzen deren Umsetzungldquo Nach sect 20 Abs 6 Satz 2 sind die Krankenkassen
dazu verpflichtet pro Versicherter und Versichertem 200 Euro im Jahr in Maszlignahmen zur
Betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung zu investieren
Obwohl der Nutzen Betrieblicher Gesundheitsfoumlrderung sowohl fuumlr die Belegschaft als auch
fuumlr das jeweilige Unternehmen selbst nachgewiesen ist (vgl RosenbrockHartung 2015 oS)
es sich also um eine Win-Win-Situation handelt ist ihre Verbreitung in Deutschland noch
eher gering Das liegt zum einen daran dass Unternehmen nicht zur Betrieblichen Gesund-
heitsfoumlrderung verpflichtet sind und diese daher auf Freiwilligkeit aller Akteure beruht Zum
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anderen liegt es daran dass es sich um einen vielschichtigen Prozess handelt der durch inter-
ne externe oumlkonomische oder betriebspolitische Veraumlnderungen beeintraumlchtigt werden kann
(vgl RosenbrockHartung 2015 oS)
Fuumlr eine gelingende BGF ist Partizipation unumgaumlnglich denn nur so wird sichergestellt dass
moumlglichst viele Akteure besonders die Zielgruppe der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter er-
reicht wird (SimonHegerReszies 2011 S 46) Ein wichtiges Element hierbei ist der sog
bdquoGesundheitszirkelldquo Dieser setzt sich zusammen aus Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des
Betriebs wobei moumlglichst verschiedene Arbeitsbereiche und Hierarchieebenen vertreten sein
sollten Die Groumlszlige sollte dabei uumlberschaubar bleiben zB zwischen fuumlnf und acht Teilneh-
menden evtl ergaumlnzt durch einen externen Experten Im Zuge einer angestrebten Versteti-
gung von Gesundheitsfoumlrderung im Betrieb sind regelmaumlszligige Treffen sinnvoll (vgl Si-
monHegerReszies 2011 S 64 ndash 69) Um eine moumlglichst umfassende Partizipation zu ge-
waumlhrleisten empfiehlt es sich den Gesundheitszirkel von Beginn an also der Phase der Pla-
nung mit einzubeziehen Fuumlr eine Gesundheitsfoumlrderung in WfbMs scheint eine analoge An-
wendung des Konzeptes Gesundheitszirkel sowohl moumlglich als auch sinnvoll um von Beginn
an partizipative Strukturen zu etablieren
352 Betriebliches Gesundheitsmanagement
In der Literatur wird der Begriff des Betrieblichen Gesundheitsmanagements sehr unter-
schiedlich interpretiert Schlummer interpretiert ihn beinahe synonym zur Betrieblichen Ge-
sundheitsfoumlrderung wobei lediglich der Faktor der Arbeitssicherheit eine staumlrke Beruumlcksichti-
gung im Gesundheitsmanagement findet (vgl Schlummer 2015 S 35) Die Luxemburger
Deklaration hingegen sieht Arbeits- und Gesundheitsschutz in Unternehmen als Teil der Be-
trieblichen Gesundheitsfoumlrderung (vgl Unternehmensnetzwerk zur betrieblichen Gesund-
heitsfoumlrderung in der Europaumlischen Union eV 2007 S 4) In der vorliegenden Arbeit wird
der Arbeits- und Gesundheitsschutz ebenfalls unter der Strategie der Betrieblichen Gesund-
heitsfoumlrderung gesehen da er dem Verstaumlndnis von BGF als bdquoMaszlignahmen von Arbeitgebern
Arbeitnehmern und Gesellschaft zur Verbesserung von Gesundheit und Wohlbefinden am
Arbeitsplatzldquo (Unternehmensnetzwerk zur betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung in der Europauml-
ischen Union eV 2007 S 2) entspricht Fuumlr die Abgrenzung zwischen den beiden Begriffen
scheint dieser Aspekt zweitrangig Im Vordergrund liegt eher der jeweilige Charakter der
Strategie
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Gesundheitsmanagement in Betrieben kann als bdquo[b]ewusste Steuerung und Integration aller
betrieblichen Prozesse mit dem Ziel der Erhaltung und Foumlrderung der Gesundheit und des
Wohlbefindens der Beschaumlftigtenldquo (HannackRaumlder 2011 S 434) gesehen werden Dieses
Konzept scheint mit Vor- und Nachteilen einherzugehen Da saumlmtliche betriebliche Prozesse
die als der Gesundheit foumlrderlich gelten hierunter fallen sind auch individuelle Maszlignahmen
wie bspw das Betriebliche Eingliederungsmanagement nach sect 84 Abs 2 SGB IX mit inbe-
griffen Bei diesem geht es in erster Linie nicht um eine Erhaltung oder Verbesserung der
Gesundheit sondern um eine Vorbeugung von Arbeitsunfaumlhigkeit undoder den Erhalt eines
Arbeitsplatzes Ebenfalls positiv kann die Implementierung gesundheitsorientierter Prozesse
und Strukturen in das generelle Management eines Unternehmens gesehen werden Dadurch
scheint auszligerdem die Dauerhaftigkeit von gesundheitsfoumlrderlichen Maszlignahmen besser er-
reichbar als bei der BGF Hier haben Maszlignahmen meist den Charakter eines zeitlich befriste-
ten Projektes (vgl SlesinaBohley 2011 S 627) Der groszlige Nachteil des Betrieblichen Ge-
sundheitsmanagements liegt in der Gefahr dass sog top-down-Strukturen die Uumlberhand ge-
winnen (vgl Faller 2010 S 25 zit nach RosenbrockHartung 2015 oS) Top-down-
Strukturen in der Gesundheitsfoumlrderung zeichnen sich dadurch aus dass eine Person von
bdquoobenldquo eine Maszlignahme einleitet und im schlimmsten Fall bdquoaufoktroyiertldquo Dies kann mangels
Partizipation der Zielgruppe zu Ablehnung bei dieser fuumlhren
Fuumlr eine Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung in WfbMs scheint ndash zumin-
dest im Moment ndash der Weg der BGF geeigneter Hier sind zum einen in der Theorie groszlige
Potentiale fuumlr Partizipation gegeben Zum anderen ist das Thema der systematischen Gesund-
heitsfoumlrderung mit behinderten Menschen in Institutionen der Behindertenhilfe bisher kaum
verbreitet (siehe 44) Eine sofortige Implementierung des Betrieblichen Gesundheitsmana-
gements wuumlrde die meisten Einrichtungen uumlberfordern und vor den Kopf stoszligen Auf lange
Sicht scheint dies aber ein wuumlnschenswertes Ziel zu sein welches Schritt fuumlr Schritt erreicht
werden sollte
19
4 Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung
Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen ist bisher in der Praxis der sog bdquoBehinder-
tenhilfeldquo6 nur aumluszligert selten integriert In der wissenschaftlichen Literatur sind in den letzten
Jahren einige Beitraumlge erschienen die sich diesem Thema widmen Es soll nun zuerst darge-
stellt werden in welchem Verhaumlltnis Gesundheit und Behinderung zueinander stehen bevor
auf die Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen eingegangen wird Der Fokus dieser
Arbeit liegt auf der Gesundheitsfoumlrderung in WfbMs In diesem Zusammenhang wird der
Stand der Literatur kurz dargestellt eine kurze Analyse von Leitbildern einzelner Werkstaumltten
vorgenommen und einige Stimmen aus der Praxis wiedergegeben Aufgrund des knappen
Rahmens dieser Arbeit muss sich dies auf das Bundesland Berlin beschraumlnken und erhebt kei-
nen Anspruch auf empirische Vollstaumlndigkeit Vielmehr versteht es sich als eine kleine Feld-
befragung die als ein erster Impuls gesehen werden kann
41 Behinderte Menschen und Gesundheit und Krankheit ndash sozialmedizinische Erkenntnisse
Zunaumlchst muss festgehalten werden dass eine Behinderung keine Krankheit ist Auch ein
schwer behinderter Mensch kann sich sehr gesund fuumlhlen Der wesentliche Unterschied zwi-
schen einer Behinderung und einer Krankheit liegt darin dass bei einer Behinderung die Teil-
habe am Leben in der Gesellschaft langfristig beeintraumlchtigt ist bei einer Erkrankung hinge-
gen nicht oder nur kurzfristig7 Das hier vorliegende Verstaumlndnis in der Unterscheidung bei-
der Begriffe ist vordergruumlndig eher ein soziales denn eine medizinische Abgrenzung
Es existieren verschiedene und teilweise weitreichende gesundheitliche Unterschiede zwi-
schen Menschen mit Behinderungen und Menschen ohne Behinderungen Um diese auch in
ihrem Ursprung erklaumlren zu koumlnnen reicht der bdquotraditionelleldquo bio-medizinische Blick nicht
aus da er zu kurz greift Er muss um die sozialmedizinische Sichtweise ergaumlnzt werden
An dieser Stelle sollte allerdings darauf hingewiesen werden dass die folgende Darstellung
den Gesundheitszustand groszliger heterogener Gruppen von Menschen abbildet und die ge-
troffenen Aussagen daher nicht auf jeden Einzelfall anwendbar sind
6 Dieser Begriff impliziert durch den Wortteil bdquo-hilfeldquo ein Maumlchteungleichgewicht welches einer wahren Parti-
zipation der behinderten Menschen im Wege steht 7 Sollte eine chronische Krankheit einen Menschen in seiner Teilhabe langfristig einschraumlnken kann sie durch-
aus auch als Behinderung gesehen werden
20
Der Teilhabebericht des Bundesministeriums fuumlr Arbeit und Soziales (BMAS) kommt zu dem
Ergebnis dass Menschen mit Behinderungen ihre Gesundheit haumlufig schlechter einschaumltzen
als Menschen ohne Behinderungen Dies gilt auch fuumlr das psychische Wohlbefinden welches
im ganzheitlichen Verstaumlndnis von Gesundheit das dieser Arbeit zugrunde liegt (siehe 22)
ebenfalls Teil der Gesundheit ist Auch hat ein Mensch mit Behinderung in Deutschland im
Durchschnitt mehr Krankheitstage8 als ein nicht behinderter Mensch Menschen mit Behinde-
rung konsultieren statistisch betrachtet in einem bestimmten Zeitraum haumlufiger einen Arzt als
die durchschnittliche Bevoumllkerung Dies duumlrfte ua an dem als schlechter wahrgenommenen
Gesundheitszustand liegen aber auch an der Komorbiditaumlt bestimmter Behinderungen Bzgl
des Rauchverhaltens Alkoholkonsums und einer gesundheitsbewussten Ernaumlhrung bestehen
nur relativ geringe Unterschiede zur Gesamtbevoumllkerung Auffaumlllig ist lediglich dass die
Gruppe der 18- bis 29-Jaumlhrigen Menschen mit Behinderung zu einem houmlheren Anteil regel-
maumlszligig raucht Alkohol trinkt und seltener auf gesunde Ernaumlhrung achtet In den anderen Al-
tersgruppen bestehen kaum nennenswerte Unterschiede (vgl BMAS 2013 S 192 ndash 204)
Menschen mit Behinderungen haben im Durchschnitt eine geringere Lebenserwartung wobei
es hier Unterschiede zwischen einzelnen Syndromen gibt (vgl MarksSisirakHeller 2010
S 3) Bei einigen kann die jeweilige Behinderung selbst der Ausloumlser sein jedoch besteht
besonders bei Menschen mit Lernschwierigkeiten die Gefahr dass Krankheiten nicht richtig
erkannt oder nur unzureichend behandelt werden (vgl Lennox 2002 S 230) Ausschlagge-
bend hierfuumlr duumlrfte sein dass im Gesundheitsbereich verschiedenste Barrieren existieren Zum
Beispiel ist nur ein Teil der Arztpraxen barrierefrei wobei besonders haumlufig passende Unter-
suchungsmoumlbel und Informationsmaterial in Leichter Sprache fehlen (vgl BMAS 2013
S 200201) Ebenfalls negativ wirkt sich aus dass Aumlrzte teilweise unsicher im Umgang mit
Menschen mit Lernschwierigkeiten sind und diese zT auszligerdem ihre Symptome nicht praumlzi-
se genug beschreiben koumlnnen oder uumlber eine geringer differenzierte Wahrnehmung des eige-
nen Koumlrpers verfuumlgen als Menschen ohne Behinderung (vgl SchmidtReker 2014 S 28)
Des Weiteren haben Menschen mit Lernschwierigkeiten statistisch gesehen haumlufiger Uumlberge-
wicht als der Durchschnitt der Bevoumllkerung Hier muss jedoch beruumlcksichtigt werden dass
mit bestimmten Syndromen wie bspw dem Down-Syndrom ein veraumlnderter Energiebedarf
aufgrund der geringeren Muskelspannung einhergeht oder das Saumlttigungsgefuumlhl zB beim
Prader-Willi-Syndrom veraumlndert ist (Beange 2002 S 3) Die houmlhere Wahrscheinlichkeit des
Uumlbergewichts besteht statistisch gesehen sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen mit
8 Krankheitstage werden an dieser Stelle des Bundesteilhabeberichtes verstanden als Tage in denen der Mensch
sich subjektiv zu krank gefuumlhlt hat um seinen normalen privaten und beruflichen Taumltigkeiten nachzugehen
21
Lernschwierigkeiten (vgl Reuter 2009 S 13) Eine moumlgliche Ursache hierfuumlr kann auch in
der Tatsache gesehen werden dass Menschen mit Behinderungen durchschnittlich seltener
Sport treiben als nicht behinderte Menschen (vgl BMAS 2013 S 221222)
Ein weiterer bedeutender Zusammenhang zwischen Krankheit und Behinderung ist dass viele
Behinderungen im Sinne von Einschraumlnkungen in der gesellschaftlichen Teilhabe wie auch im
gesetzlichen Verstaumlndnis nach dem SGB IX Folgen von schweren undoder chronischen
Krankheiten sind (vgl SchmidtReker 2014 S 26)
Trotz allem muumlssen auch die vorhandenen Gesundheitspotentiale behinderter Menschen be-
ruumlcksichtigt werden denn an ihnen kann eine gelingende Gesundheitsfoumlrderung ansetzen (vgl
Altgeld 2008 S 8)9 Ein ressourcenorientierter Blick achtet besonders auf die verschiedenen
Potentiale die jedem Menschen (oder auch einer Gruppe von Menschen) innewohnen
Das Verhaumlltnis zwischen Gesundheit und Behinderung haumlngt in Deutschland und vielen Tei-
len der sog westlichen Welt aus sozialmedizinischem Blickwinkel nach wie vor so zusam-
men bdquoWhile a large number of individuals who are in bad health end up with a disability a
large number of persons with disabilities end up with bad healthldquo10
(Rimmer 2009 zit nach
MarksSisirakHeller 2010 S 31) Dieser Chiasmus verdeutlicht zusammenfassend nicht nur
die vorherrschende enge Verbindung zwischen schlechterer Gesundheit und Behinderung
sondern impliziert auch die Notwendigkeit von Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Be-
hinderungen Wie in 31 beschrieben hat Gesundheitsfoumlrderung auch den Abbau gesundheit-
licher Chancenungleichheit zum Ziel
42 Erreichbarkeit von Menschen mit Behinderungen fuumlr gesundheitsfoumlrdernde Maszlignahmen
Fuumlr die Gesundheitsfoumlrderung gelten Menschen mit Behinderungen als schwer zu erreichen
Es sollen nun die wesentlichen Probleme aber auch die vorhandenen Potentiale beschrieben
werden
9 Altgeld bezieht sich in seiner Analyse auf den Gesundheitsmonitor 2007 der Bertelsmann Stiftung Da dieser
Menschen mit Lernschwierigkeiten nicht mit einbezieht sondern vorwiegend koumlrper- und sinnesbeeintraumlchtige
Menschen beruumlcksichtigt koumlnnen seine Schlussfolgerungen nicht fuumlr die gesamte sehr heterogene Gruppe der
behinderten Menschen angewendet werden 10
Waumlhrend eine groszlige Anzahl an Personen welche eine schlechte Gesundheit besitzen eine Behinderung er-
langt erlangt eine groszlige Anzahl an Personen mit Behinderungen eine schlechte Gesundheit (Uumlbersetzung des
Verfassers)
22
421 Probleme bei der Erreichbarkeit
In den bundesweiten Untersuchungen wie bspw dem Sozio-oumlkonomischen Panel (SOEP)
oder Gesundheit in Deutschland aktuell (GEDA) werden Menschen mit Lernschwierigkeiten
idR nicht erreicht Dies hat zur Folge dass sowohl gesundheitliche Potentiale als auch Be-
duumlrfnisse und Bedarfe von Menschen mit Lernschwierigkeiten in der Gesundheitsfoumlrderung
weitgehend unerkannt und dadurch ausgeklammert bleiben (vgl Burtscher 2014 S 4)
Generell gelten behinderte Menschen bisher als schwer zu erreichen fuumlr Maszlignahmen zur Ge-
sundheitsfoumlrderung was verschiedene Gruumlnde hat Sozial benachteiligte Menschen sind sehr
haumlufig eine schwer erreichbare Zielgruppe fuumlr die Gesundheitsfoumlrderung Maszlignahmen auf der
gesamtgesellschaftlichen Ebene werden eher von Menschen mit houmlherem sozialen Status an-
genommen (Hurrelmann 2006 S 164) und erst spaumlter von sozial Benachteiligten internali-
siert Es waumlre jedoch ein Fehler Menschen mit Behinderungen automatisch zur Gruppe der
sozial benachteiligten Menschen zu rechnen Jedoch zeigt der Bundesteilhabebericht dass
behinderte Menschen haumlufiger erwerbslos sind und durchschnittlich weniger Gehalt verdienen
(BMAS 2013 S 141 ndash 149) Dass die finanzielle Lage von Beschaumlftigten der WfbMs beson-
ders prekaumlr ist wird im Punkt 43 naumlher erlaumlutert Diese soziooumlkonomischen Merkmale sind
jedoch nur ein Aspekt Auch gilt es zu bedenken dass besonders Maszlignahmen auf der Verhal-
tensebene bei sozial benachteiligten Menschen oft wenig angenommen werden da sie mit den
eigenen dauerhaften Lebensvorstellungen nicht uumlbereinstimmen (vgl Hurrelmann 2006
S 164) So nehmen Menschen mit Behinderung nur sehr selten an Angeboten oumlffentlicher
Einrichtungen wie bspw Volkshochschulkursen oder Rehabilitations-Sport-Maszlignahmen teil
(vgl Burtscher 2014 S 5)
Ein weiterer Punkt ist dass das Thema Gesundheitsfoumlrderung in der Behindertenarbeit traditi-
onell kaum etabliert war Laut einer Studie aus dem Jahr 2004 sehen Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter in Behinderteneinrichtungen haumlufig wenig Relevanz in Sport Bewegung und Er-
naumlhrung fuumlr die Foumlrderung der Gesundheit behinderter Menschen Daruumlber hinaus schreiben
sie auch Selbstbewusstsein Selbststaumlndigkeit und Selbstbestimmung nur eine untergeordnete
Rolle zu (vgl Gembris-Nuumlbel 2004 S 144) Allerdings besteht die Chance dass diese Ein-
stellung sich in den letzten zehn Jahren veraumlndert hat Die Ergebnisse der im Rahmen dieser
Arbeit durchgefuumlhrten Feldbefragung geben Anlass zu dieser Annahme (siehe 443) Auszliger-
dem ist fuumlr viele Menschen mit Lernschwierigkeiten der Zugang zu Informationen welche
Gesundheitsfoumlrderung thematisieren nur schwer moumlglich Hier sind folglich Vermittlung und
Unterstuumltzung oft notwendig (vgl Gembris-Nuumlbel 2004 S 82)
23
Auch von der Politik wird das Thema der Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen
bisher nur sehr selten thematisiert Seltene Ausnahmen wie zB die 22 Landesgesundheits-
konferenz in Nordrhein-Westfalen weisen jedoch auf die Wichtigkeit von Gesundheitsfoumlrde-
rung hin welche die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben verbessern kann (vgl Ministerium
fuumlr Gesundheit Emanzipation Pflege und Alter des Landes Nordrhein-Westfalen 2013
S 31) Hervorgehoben wird hier auch die (zukuumlnftige) Gestaltung der Informationen damit
diese fuumlr alle zugaumlnglich sind Des Weiteren soll auch das Bewusstsein saumlmtlicher Beteiligten
im Bereich der Gesundheitsfoumlrderung sensibilisiert werden (vgl Ministerium fuumlr Gesundheit
Emanzipation Pflege und Alter des Landes Nordrhein-Westfalen 2013 S 32)
Schon im Grundschulalter werden behinderte Kinder oft nicht erreicht da Gesundheitsfoumlrde-
rung sehr haumlufig nur in Regelgrundschulen und weiterfuumlhrenden Schulen und nicht in separie-
renden Foumlrderschulen stattfindet (vgl Reuter 2009 S 1819)
422 Potentiale fuumlr die Erreichbarkeit
Allerdings muumlssen auch die Potentiale betrachtet werden die fuumlr eine Erreichbarkeit behin-
derter Menschen zur Gesundheitsfoumlrderung vorhanden sind Auch diese bestehen in allen Al-
tersgruppen zB im fruumlhen Schulalter Im Zuge der Inklusion bei der immer mehr Kinder
mit Behinderungen in Regelschulen unterrichtet werden ist zu hoffen dass sie zukuumlnftig haumlu-
figer an Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung teilhaben koumlnnen Solange es (noch) Foumlrder-
schulen gibt muss auch auf deren (oft ungenutztes) Potential fuumlr gesundheitsfoumlrdernde Maszlig-
nahmen hingewiesen werden das in ihrer oft ganztaumlgigen Betreuung und den damit verbun-
denen Ressourcen liegt
Nicht nur in der Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Kindern sind bereits Potentiale vor-
handen Generell weisen Gesundheitsfoumlrderung und Behindertenarbeit sehr groszlige Gemein-
samkeiten in Sprache Prinzipien und Zielen auf Beide zielen letztendlich ab auf Inklusion
Partizipation Empowerment Entwicklung persoumlnlicher Faumlhigkeiten Einbindung in die Ge-
meinde die Neuorientierung von Gesundheitsdienstleistungen und die Foumlrderung von Um-
welten welche Gesundheit und Lebensqualitaumlt verbessern (vgl Lennox 2002 S 231) Es soll
auch darauf hingewiesen werden dass viele behinderte Menschen sehr an Informationen uumlber
Gesundheit interessiert sind und aktiv nach Informationen suchen (vgl Altgeld 2008 S 8)
Abschlieszligend laumlsst sich auffuumlhren dass gerade der Setting-Ansatz wie er in Punkt 34 darge-
stellt wurde eine sehr gute Moumlglichkeit bietet Menschen mit Behinderungen zu erreichen Er
24
bietet einen Zugangspunkt und kann Ausgangslage sein sowohl fuumlr verhaltens- als auch fuumlr
verhaumlltnisorientierte Maszlignahmen zur Foumlrderung der Gesundheit von Menschen mit Behinde-
rungen
Obwohl behinderte Menschen in der Vergangenheit nur selten gezielt an Maszlignahmen zur
Gesundheitsfoumlrderung beteiligt wurden sind doch einige Potentiale vorhanden an denen an-
zuknuumlpfen lohnenswert scheint
43 Das Setting Werkstatt fuumlr behinderte Menschen
WfbMs sind spezielle Einrichtungen fuumlr Menschen mit Behinderungen die nach dem SGB IX
als behindert gelten (siehe 21) Nach sect 136 SGB IX dienen diese Einrichtungen der bdquoTeilhabe
behinderter Menschen am Arbeitsleben [hellip] und zur Eingliederung in das Arbeitslebenldquo
Dadurch sind sie nicht Teil des allgemeinen Arbeitsmarktes da ihre Beschaumlftigten bdquowegen
Art oder Schwere der Behinderung nicht noch nicht oder noch nicht wieder auf dem allge-
meinen Arbeitsmarkt beschaumlftigt werden koumlnnenldquo (sect 136 Abs 1 SGB IX) Ihr Ziel ist es be-
hinderte Menschen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt vorzubereiten Die Beschaumlftigten arbei-
ten in verschiedensten Bereichen zB im Handwerk oder in Taumltigkeiten der elektronischen
Datenverarbeitung je nach persoumlnlicher Neigung Da es sich um kein typisches sozialversi-
cherungspflichtiges Arbeitsverhaumlltnis handelt sondern um ein bdquoarbeitnehmeraumlhnliches
Rechtsverhaumlltnisldquo11
(sect 138 SGB IX) bekommen die Beschaumlftigten keinen Lohn der dem
Mindestlohn entspricht Nach sect 138 SGB IX setzt sich ihr Arbeitsentgelt zusammen aus ei-
nem Grundbetrag und einem leistungsbemessenen Steigerungsbetrag Im Jahr 2011 verdiente
ein Beschaumlftigter im Durchschnitt 180 Euro monatlich (vgl BAG WfbM 2014) bei 35 bis 40
Arbeitsstunden pro Woche Von einer groszligen Steigerung in den letzten Jahren ist nicht auszu-
gehen Somit benoumltigen Beschaumlftigte einer WfbM idR neben ihrem Arbeitsentgelt Grundsi-
cherung Dies hat zur Folge dass sie haumlufig in prekaumlren soziooumlkonomischen Verhaumlltnissen
leben
Jede Werkstatt ist soziologisch betrachtet ein eigenes System mit individuellen Merkmalen
die unter anderem vom Standort dem Fachpersonal dem Traumlger und den Beschaumlftigten ge-
kennzeichnet sind (vgl SchlummerSchuumltte 2006 S 81) Gesetzlich festgelegt ist in sect 139
11
Begruumlndet wird dieses Rechtsverhaumlltnis haumlufig durch den Kuumlndigungsschutz Eine Werkstatt kann einen
Werkstattvertrag mit einer Beschaumlftigten oder einem Beschaumlftigten nur in seltenen Faumlllen gegen ihren oder sei-
nen Willen aufheben
25
SGB IX dass die Beschaumlftigten aus ihrer Mitte heraus regelmaumlszligig einen Werkstattrat waumlhlen
Genaueres regelt hier die Werkstaumltten-Mitwirkungsverordnung (WMVO) Wie ihr Name al-
lerdings schon sagt handelt es sich hier um die Moumlglichkeit der Mitwirkung nicht der Mitbe-
stimmung Diese kann nur erreicht werden wenn Werkstatt und Werkstattrat nach sect 5 Abs 4
WMVO eine weitergehende Vereinbarung treffen Zu den Aufgaben des Werkstattrates ge-
houmlrt es die Interessen der Beschaumlftigten in verschiedenen Angelegenheiten gegenuumlber der
Werkstatt zu vertreten Diese sind in sect 5 Abs 1 WMVO aufgelistet Die Werkstatt muss den
Werkstattrat auszligerdem informieren wenn sie eine Maszlignahme durchfuumlhrt in der der Werk-
stattrat ein Mitwirkungsrecht besitzt12
Sollte kein Einverstaumlndnis in einer Beratung erzielt
werden koumlnnen beide Seiten sich an eine Vermittlungsstelle wenden (sect 5 Abs 3 WMVO)
Das tatsaumlchliche Ausmaszlig der Mitwirkung ist jedoch stets von der Werkstattleitung abhaumlngig
Solch eine fehlende gesetzliche Verankerung von Mitbestimmung steht der Partizipation be-
hinderter Menschen im Wege welche sowohl fuumlr die gesellschaftliche Inklusion als auch die
Gesundheitsfoumlrderung immens wichtig ist
44 Gesundheitsfoumlrderung in Werkstaumltten fuumlr behinderte Menschen
Zunaumlchst gilt es sich einen Uumlberblick uumlber den aktuellen Stand von Gesundheitsfoumlrderung in
WfbMs zu verschaffen Einen ersten Einblick soll die dazu vorhandene Literatur liefern Da-
nach soll ein Abgleich dieser mit der Praxis stattfinden der sich aufgrund des gesetzten Rah-
mens dieser Arbeit nur auf einige Werkstaumltten des Bundeslandes Berlin konzentriert Hierfuumlr
werden jeweils die Leitbilder untersucht und Stimmen aus der Werkstatt ausgewertet
441 Recherche zum aktuellen Stand
Die Literatur zum Thema Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen in WfbMs ist
noch sehr duumlnn Vollstaumlndig ausgearbeitete Konzepte gibt es bisher nicht veroumlffentlicht wur-
den Berichte von abgeschlossenen oder noch laufenden Projekten Werner Schlummer wis-
senschaftlicher Mitarbeiter der Universitaumlt zu Koumlln begleitete ein Projekt zum Betrieblichen
12
Eine ausfuumlhrliche Beschreibung der Mitwirkungs- und Unterrichtungsrechte des Werkstattrates ist bei
SchlummerSchuumltte 2006 S 71 ndash 82 nachzulesen
26
Gesundheitsmanagement13
in einer WfbM zusammen mit acht Studierenden der Universitaumlt
(vgl Schlummer 2015 S 33) Auch das Projekt GESUND als Teilprojekt von PartKomm-
Plus (Forschungsverbund fuumlr gesunde Kommunen) wird wissenschaftlich durch die Katholi-
sche Hochschule fuumlr Sozialwesen begleitet (vgl Burtscher 2014 S 6)
Als Ausnahme kann das Projekt bdquoSelbstbestimmt gesuumlnderldquo im Rahmen des Programmes
bdquoHealthy Athletesldquo gesehen werden Hier bringt Special Olympics Deutschland eV Maszlig-
nahmen zur Gesundheitsfoumlrderung in die Lebenswelten behinderter Menschen Bei Healthy
Athletes werden Sportlerinnen und Sportler bei Veranstaltungen von Special Olympics kos-
tenlose Beratungen und Kontrolluntersuchungen angeboten Diese Angebote werden jedoch
auch auf Wohnheime und WfbMs ausgeweitet (vgl Special Olympics Deutschland a) S 2
eigene Paginierung) Auch das Projekt bdquoSelbstbestimmt gesuumlnderldquo bringt gesundheitsfoumlrdern-
de Maszlignahmen in Werkstaumltten Dabei werden bdquoTeilnehmern individualisierte Handlungsemp-
fehlungen zum Gesundheitsverhalten zur Verfuumlgung gestelltldquo (Special Olympics Deutschland
b) oS) Das Projekt setzt auszligerdem auf die Wirkung von Peer-Multiplikatorinnen und
-Multiplikatoren
Weitere Projekte sind trotz intensiver Recherche nicht bekannt Auch die Bundesarbeitsge-
meinschaft Werkstaumltten fuumlr behinderte Menschen eV (BAG WfbM) hat auf ihrer Homepa-
ge14
keinen Artikel zur Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung in WfbMs
Gibt man in der Suchmaske bdquoGesundheitsfoumlrderungldquo ein erhaumllt man zwei Ergebnisse einen
Artikel uumlber ein neu entwickeltes Computerspiel das von Kindern mit unterschiedlichen Be-
hinderungen gespielt werden kann und einen Artikel zum Qualifizierungsprogramm bdquoGe-
sundheitsfoumlrderung durch Schluumlsselqualifikationenldquo das sich nicht an Beschaumlftigte sondern
an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in WfbMs richtet Dies legt den Schluss nahe dass Ge-
sundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen in WfbMs bisher kaum verbreitet ist
Das Thema Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung als solches wurde in den
letzten Jahren zunehmend in der Literatur behandelt wobei die Anzahl der Veroumlffentlichun-
gen nach wie vor auf einem uumlberschaubaren Stand ist
13
Schlummers Verstaumlndnis von Betrieblichem Gesundheitsmanagement und Betrieblicher Gesundheitsfoumlrderung
sind beinahe synonym Das beschriebene Projekt kann daher im erweiterten Rahmen durchaus als Projekt zur
Gesundheitsfoumlrderung gesehen werden 14
httpwwwbagwfbmde (Stand 11112015)
27
442 Konzepte und Leitbilder von Einrichtungen der Praxis
Betrachtet werden vier verschiedene WfbMs und ihre Leitbilder Es handelt sich um die vier
Werkstaumltten von denen auch im Rahmen der Feldbefragung Stimmen einer Mitarbeiterin oder
eines Mitarbeiters und zT von Beschaumlftigten gewonnen werden konnten (siehe 443 und
Anhang Nr 2)
Aufgrund der jeweiligen Traumlgerstrukturen besitzt lediglich eine der Werkstaumltten15
als solche
ein eigenes Leitbild Bei den anderen drei Werkstaumltten muss auf das Leitbild des jeweiligen
Traumlgers zuruumlckgegriffen werden Das Thema der Gesundheit der Klientinnen und Klienten
bzw Werkstattbeschaumlftigten wird allerdings in keinem Leitbild thematisiert Auch die Such-
funktionen auf den jeweiligen Homepages bzw intensive Recherchen auf diesen brachten
keine Ergebnisse zum Stichwort bdquoGesundheitsfoumlrderungldquo Daraus laumlsst sich schlieszligen dass
Gesundheitsfoumlrderung der Werkstattbeschaumlftigten in den theoretischen Konzeptionen von
WfbMs meist nicht verankert ist
443 Gesundheitsfoumlrderung in der alltaumlglichen Praxis der Werkstaumltten ndash eine kleine Feldbe-
fragung
Im Rahmen des Informationstages der Berliner Landesarbeitsgemeinschaft Werkstaumltten fuumlr
behinderte Menschen eV (LAG WfbM) am 17112015 im Estrel Hotel Berlin wurden je-
weils eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter von vier verschiedenen WfbMs zum Thema Ge-
sundheitsfoumlrderung mit den Beschaumlftigten in der Werkstatt befragt (siehe Anhang Nr 2) Die
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben alle eine vergleichbare Position Begleitender Dienst
Paumldagogischer Dienst oder Sozialdienst In einer der Werkstaumltten konnten uumlberdies auch
Stimmen von Beschaumlftigten gewonnen werden16
Die Ergebnisse weisen keine empirische
Repraumlsentativitaumlt auf da der knappe Rahmen dieser Arbeit eine repraumlsentative empirische
Forschungsarbeit kaum zulaumlsst Die Befragungen sollen dazu dienen einen Einblick in den
Alltag der WfbMs zu ermoumlglichen und die in der Literatur und den Leibildern gewonnenen
Perspektiven zu erweitern
15
Aus Gruumlnden des Datenschutzes duumlrfen in der hier publizierten Version die Namen der Werkstaumltten nicht
genannt werden 16
In zwei der Werkstaumltten konnten keine Stimmen von Beschaumlftigten erhoben werden da eine Befragung in der
Werkstatt von den befragten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern abgelehnt wurde Der Mitarbeiter der dritten
Werkstatt signalisierte zwar waumlhrend der Befragung Zustimmung jedoch fehlte diese spaumlter von Seiten der Lei-
tung
28
Der Begriff bdquoGesundheitsfoumlrderungldquo wird von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sehr
unterschiedlich interpretiert Die Spannbreite liegt von einem Verstaumlndnis aumlhnlich des hier
dargelegten bis hin zu therapeutischer und rehabilitativer Foumlrderung Die angebotenen Maszlig-
nahmen welche einer Foumlrderung der Gesundheit dienen sollen sind jedoch bei allen aumlhnlich
Meist handelt es sich um Musik- Sport- und Bewegungsangebote die im Rahmen von sog
Begleitenden Maszlignahmen verankert sind Daruumlber hinaus werden auch entlastende Bewegun-
gen in den Arbeitsgruppen angeboten und ein Gesundheitstag in Kooperation mit Special
Olympics Deutschland geplant (eine Werkstatt) Eine andere Werkstatt kooperiert mit der
Fitnessstudiokette Fitness First Kurse zu gesunder Ernaumlhrung und Kochen werden teilweise
angeboten oder sind in Planung Nach Aussagen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden
die Maszlignahmen meist gut angenommen In einer Werkstatt wird sogar gemeinsam mit dem
Werkstattrat an einer Peer-Beratung gearbeitet mit der den Beschaumlftigten der Zugang zu den
Themen Bildung und Gesundheit verbessert werden soll Schwierigkeiten bestehen besonders
bzgl der Raumlume zB bei Turnhallen fuumlr Fuszligball
Eine Partizipation bei der Entwicklung von Angeboten ist nur teilweise gegeben Es wird
zwar in allen befragten Werkstaumltten nach Interessen der Beschaumlftigten gefragt und dement-
sprechend die Kurse angeboten jedoch besteht nur selten die Moumlglichkeit fuumlr die Beschaumlftig-
ten aktiv den jeweiligen Kurs durch eigene Entscheidungen mitzugestalten In einer Werk-
statt ist das bspw abhaumlngig von der Kursart von der Kursleiterin bzw dem Kursleiter und
vom Konzept Evaluiert werden die Angebote meist nur durch Nachfrage in den idR jaumlhr-
lich stattfindenden Entwicklungsgespraumlchen mit den einzelnen Beschaumlftigten und teilweise
daruumlber hinaus mit Fragebogen oder durch die Kursleiterin bzw den Kursleiter Eine Werk-
statt fuumlhrt sogar Statistiken zur Nachfrage Eine partizipative Evaluation findet in keiner der
befragten Werkstaumltten statt
Die befragten Beschaumlftigten einer der Werkstaumltten zeigten sich mit dem Angebot an gesund-
heitsfoumlrdernden Maszlignahmen groumlszligtenteils sehr zufrieden und empfanden die Anzahl der An-
gebote als meist genuumlgend Geaumluszligert wurde lediglich der Wunsch nach weiteren Angeboten
zu gesunder Ernaumlhrung und nach einem besseren Angebot an gesunden Speisen Das Ver-
staumlndnis von Gesundheitsfoumlrderung ist unterschiedlich Auffaumlllig ist dass auf der einen Seite
Aumlrzte und Besuche bei diesen wichtig scheinen gleichzeitig aber auch das Achten auf die
eigene Gesundheit als Teil der Gesundheitsfoumlrderung gilt Besonders letzterer Aspekt weist
darauf hin dass bei den Befragten ein gewisses Grundverstaumlndnis von Gesundheitsfoumlrderung
vorhanden ist das dem in dieser Arbeit verwendeten aumlhnelt Die Wichtigkeit der aumlrztlichen
29
Betreuung laumlsst jedoch zugleich auch auf ein eher bdquotraditionellesldquo bio-medizinisches Gesund-
heitsverstaumlndnis schlieszligen
Als angebotene Maszlignahmen werden meist Sport- und Bewegungsangebote genannt aber
auch eine Apfelpause um kurz von der Arbeit entspannen zu koumlnnen Daruumlber hinaus gab es
Angebote zur Fuszlighygiene und zur Zahn- und Augengesundheit Hier ist der Uumlbergang zwi-
schen Gesundheitsfoumlrderung und Praumlvention flieszligend Bzgl (zukuumlnftiger) Angebote werden
die Beschaumlftigten nach ihren Wuumlnschen gefragt aber eine wirkliche Mitbestimmung in Kon-
zeption und Planung dieser scheint nicht gegeben Auch bei der Evaluation findet bisher keine
Partizipation statt Die Befragung hat jedoch den bisherigen Eindruck bestaumltigt dass gesund-
heitsfoumlrdernde Maszlignahmen in WfbMs von behinderten Menschen durchaus nachgefragt wer-
den und die Werkstaumltten versucht sind im Rahmen der begleitenden Maszlignahmen ein sehr
breites Feld abzudecken Negativ scheint besonders das weitgehende Fehlen partizipativer
Strukturen
In den Werkstaumltten werden viele Angebote im Rahmen begleitender Maszlignahmen offeriert die
fuumlr die Gesundheit foumlrderlich sind Als Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung die die Prinzi-
pien der BVPG verinnerlichen koumlnnen sie jedoch nicht gesehen werden da zB die Partizipa-
tion eine eher untergeordnete Rolle spielt und die Thematik meist auf Sport- und zT Ernaumlh-
rungsangebote beschraumlnkt bleibt Auch werden die Effekte der Maszlignahmen nicht evaluiert
Entspannungsangebote werden nur selten angeboten und der Fokus richtet sich meist nur auf
die koumlrperliche Gesundheit
Daruumlber hinaus zeigt die Befragung aber auch welch groszliges Potential zur Gesundheitsfoumlrde-
rung in den Werkstaumltten liegt Mit den begleitenden Maszlignahmen sind Strukturen verankert in
denen Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung leicht integriert werden koumlnnen Offenheit fuumlr
Kooperationen scheint vielfach gegeben (zB mit Special Olympics Deutschland Fitness
First) sodass auch eine Kooperation mit den Krankenkassen und weiteren Partnern vorstell-
bar scheint Dies wuumlrde den Vorteil finanzieller Foumlrderung und Expertise durch Erfahrungen
mit bereits durchgefuumlhrten Maszlignahmen einbringen Die befragten Mitarbeiterinnen und Mit-
arbeiter schienen Gesundheitsfoumlrderung gegenuumlber prinzipiell sehr positiv eingestellt
Auch wenn in den Leitbildern und auf den Homepages Gesundheitsfoumlrderung nicht themati-
siert wird gibt es in der Praxis schon verschiedene Maszlignahmen und Projekte mit der Intenti-
on die Gesundheit der Beschaumlftigten zu verbessern
30
45 Anregungen fuumlr die Praxis
Vor dem Hintergrund der zu Rate gezogenen Literatur und den gewonnen Erkenntnissen
durch die Feldbefragung werden nun einige Uumlberlegungen fuumlr die Praxis einer gelingenden
Gesundheitsfoumlrderung getroffen Diese koumlnnen als moumlgliche Anregungen zur Umsetzung ver-
standen werden
451 Partizipation und Empowerment in der Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behin-
derung
Erfolgreiche Gesundheitsfoumlrderung braucht Partizipationsmoumlglichkeiten fuumlr die jeweilige
Zielgruppe Partizipation ist schlieszliglich nicht nur Teilnahme sondern aktive Teilhabe und
damit einhergehend die Moumlglichkeit mitzubestimmen und mitzuentscheiden Dazu gehoumlrt
auch die Definitionsmacht also die Macht (mit)zubestimmen an welche die Gesundheit be-
treffenden Aspekte in einer Maszlignahme zur Gesundheitsfoumlrderung herangegangen werden soll
(vgl Wrightvon UngerBlock 2010 S 39) Diese aktive Teilhabe muss also bereits zu Be-
ginn einer Maszlignahme Teil dieser sein Partizipation bedeutet folglich auch Macht Partizipa-
tion zu ermoumlglichen bedeutet Empowerment also die Ermaumlchtigung eines Individuums oder
einer Gruppe So bekommt Partizipation in der Gesundheitsfoumlrderung auch eine gesellschaft-
liche und politische Komponente denn dadurch koumlnnen Menschen mit Behinderungen lernen
mitzubestimmen mitzuentscheiden und eigene Interessen zu vertreten Diese erlernten Faumlhig-
keiten lassen sich auf die Handlungsebene in einer demokratischen Gesellschaft uumlbertragen
Sowohl Empowerment als auch Partizipation gehoumlren zu den in 31 erwaumlhnten Prinzipien der
BVPG Diese weist darauf hin dass Partizipation in saumlmtlichen Phasen einer Maszlignahme ge-
geben sein muss beginnend mit der Bedarfsanalyse der Planung in der Durchfuumlhrung und
abschlieszligend in der BewertungEvaluation So kann die Wirksamkeit einer Maszlignahme erhoumlht
werden (vgl BVPG 2013 S 90) Teilhabe kann als ein wichtiger Bestandteil der Qualitaumltssi-
cherung gesehen werden Bisher finden Maszlignahmen zur Qualitaumltssicherung nur selten unter
Partizipation der Zielgruppe statt Diese partizipativ zu beteiligen hilft die Qualitaumlt der Ge-
sundheitsfoumlrderung aufrechtzuerhalten oder sogar zu verbessern (vgl Wrightvon Un-
gerBlock 2010 S 35)
Teilhabe ist bei behinderten Menschen besonders wichtig Ihr Leben ist haumlufig von Beginn an
stark fremdbestimmt und von Abhaumlngigkeit gepraumlgt Somit lernen sie seltener als nicht behin-
31
derte Menschen Verantwortung zu uumlbernehmen und selbststaumlndig zu agieren Dies kann bis
hin zur sog bdquoerlernten Hilflosigkeitldquo fuumlhren Vor diesem Hintergrund scheint Partizipation
umso wichtiger aber auch umso arbeitsintensiver Sie ist daher in der Praxis der Gesundheits-
foumlrderung haumlufig sehr arbeitsintensiv und benoumltigt folglich zeitliche Ressourcen und damit
einhergehend finanzielle Ressourcen (vgl Loss 2009 S 10)
Traditionell sind viele Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung top-down organisiert das be-
deutet eine Einrichtung ein Geldgeber etc plant eine Maszlignahme fuumlhrt diese durch und eva-
luiert sie Zur Erreichung der eigenen Ziele wird die Zielgruppe mobilisiert ohne ein Mitspra-
cherecht zu den einzelnen Bausteinen der Maszlignahme zu haben Diese Struktur verdeutlicht
das Maumlchteungleichwicht zwischen Anbieter und Zielgruppe und zementiert den Status be-
hinderter Menschen als Abhaumlngige und Ohnmaumlchtige Der Gegensatz zu top-down-
Programmen ist der bottom-up-Ansatz Hier findet eine Machtteilung statt da die Gesund-
heitsfoumlrderinnen und Gesundheitsfoumlrderer ihre Macht mit der Zielgruppe teilen und eher die
Rolle von Unterstuumltzerinnen und Unterstuumltzern einnehmen Die Zielgruppe soll unterstuumltzt
werden ihre eigenen Probleme festzustellen und Loumlsungen sowie Maszlignahmen zu erarbeiten
In der Planung Durchfuumlhrung und Evaluation kommt ihr damit eine aktive Rolle zu (vgl La-
verack 2010 S 77) Bottom-up-Programme scheinen daher fuumlr Partizipation und Empower-
ment geeigneter als top-down-Strukturen Allerdings schlieszligen sich beide Ansaumltze nicht
zwingend aus sondern Maszlignahmen koumlnnen Eigenschaften beider Ansaumltze aufweisen In
WfbMs scheinen Maszlignahmen sehr haumlufig top-down organisiert zu sein Die staumlrkere Veranke-
rung von bottom-up-Strukturen waumlre hier im Sinne einer Teilhabe ndash in der Werkstatt wie auch
daruumlber hinaus auf gesellschaftlicher Ebene ndash vorteilhaft und wuumlnschenswert
452 Peer-Multiplikatorinnen und -Multiplikatoren
Eine Strategie die in der Praxis der Gesundheitsfoumlrderung bereits mit positiven Ergebnissen
getestet wurde sind Peer-Multiplikatorinnen und -Multiplikatoren Das Modell der Multipli-
katorinnen und Multiplikatoren war bereits Grundlage vieler gesundheitsfoumlrdernder Maszlignah-
men mit sozial benachteiligten Menschen die auch in der Literatur vielfach dokumentiert
sind Auch in der Arbeit mit behinderten Menschen ist dieses Konzept nicht neu Auf Maszlig-
nahmen zur Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung wurde es bisher kaum an-
gewandt scheint jedoch erfolgsversprechend Das Projekt GESUND welches mit einer Ber-
liner WfbM durchgefuumlhrt wird arbeitet mit diesem Konzept (vgl Burtscher 2014 S 8) Die
32
Funktion von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren besteht darin Kenntnisse und Informa-
tionen zur Gesundheit(-sfoumlrderung) der Zielgruppe mit Hilfe der ihnen innewohnenden Ver-
trauensstellung naumlher zu bringen Sie haben daher eine bdquoMittlerfunktionldquo (BVPG 2013 S 92)
zwischen Durchfuumlhrenden und Zielgruppe Voraussetzung dafuumlr ist dass sie der Zielgruppe
angehoumlren oder zumindest eine sehr enge Verbindung zu ihr besitzen Im Zuge einer Maszlig-
nahme werden sie selbst gestaumlrkt sozusagen bdquoempowertldquo Ihre Mittlerfunktion funktioniert
allerdings auch in die andere Richtung Sie bringen den Durchfuumlhrenden die Perspektive der
Zielgruppe naumlher Im Idealfall fuumlhrt der Einsatz von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren
zur Aktivierung der Zielgruppe die ihr selbstbestimmtes Handeln auch auf andere Bereiche
ausdehnen kann (vgl Stickan-Verfuumlrth 2005 S 108) Diesem Modell sehr aumlhnlich ist das
Modell des Peer-Counseling Hier stehen Mitglieder der Zielgruppe in beratender Funktion
ihrer Peer-Gruppe zur Verfuumlgung
453 Verknuumlpfung von Betrieblicher Gesundheitsfoumlrderung und Gesundheitsfoumlrderung in
Werkstaumltten fuumlr behinderte Menschen
Eine Uumlbertragung der Idee der Betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung auf die Gesundheitsfoumlrde-
rung in WfbMs scheint in der Tat realisierbar Den rechtlichen und finanziellen Rahmen hier-
fuumlr hat das 2015 beschlossene Praumlventionsgesetz geschaffen (siehe 33) Im Entwurf der Bun-
desregierung wird in der Anmerkung zum neuen sect 20 Abs 4 SGB V explizit darauf hinge-
wiesen dass Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung auch in WfbMs zum Leistungsspektrum der
Krankenkassen gehoumlrt (vgl Deutscher Bundestag 2015 S 34) Eine Etablierung hiervon in
der Praxis haumlngt in erster Linie neben den Krankenkassen auch von den Leitungen der WfbMs
ab Sollten diese hierfuumlr und auch gegenuumlber partizipativen Strukturen offen sein waumlre der in
351 kurz vorgestellte Gesundheitszirkel ein passender Startpunkt um von Beginn an auch
die Partizipation der Beschaumlftigten zu gewaumlhrleisten Analog zum Konzept der BGF koumlnnten
gemeinsam Maszlignahmen erarbeitet werden die die Gesundheit der Beschaumlftigten foumlrdern wuumlr-
den Den Vertreterinnen und Vertretern der Beschaumlftigten die im Gesundheitszirkel mitwir-
ken koumlnnte dabei die Rolle von Peer-Multiplikatorinnen und -Multiplikatoren zukommen
Als Effekte duumlrften die in 351 beschriebenen auch hier zu erwarten sein eine Verbesserung
der Gesundheit und eine Staumlrkung der gesundheitlichen Ressourcen eine Verringerung der
krankheitsbedingten Fehltage eine staumlrkere Identifikation der Beschaumlftigten mit der Werk-
33
statt ein besseres Arbeitsklima eine houmlhere Motivation und Arbeitszufriedenheit und eine
Steigerung der Produktivitaumlt
Es empfiehlt sich im Sinne der Partizipation und des Empowerments kein reines top-down-
Programm zu starten sondern einen bottom-up-Ansatz zu waumlhlen bzw zumindest mehrere
Elemente dessen einzubauen Als Anknuumlpfungspunkt koumlnnen bereits bestehende begleitende
Maszlignahmen mit passender Thematik genommen werden
Wie bdquonormaleldquo Betriebe koumlnnten auch WfbMs Kooperationen in ihrem raumlumlichen Umfeld
aufbauen und von Vernetzungen profitieren Aufgrund ihrer Groumlszlige sind sie in ihrem Sozial-
raum ein meist nicht zu unterschaumltzender Akteur
34
5 Fazit und Ausblick
Ausgehend von einem bio-psycho-sozialen Verstaumlndnis von Gesundheit wurden verschiedene
Aspekte der Gesundheitsfoumlrderung vertieft und anschlieszligend eine Verknuumlpfung zur Gesund-
heitsfoumlrderung mit behinderten Menschen hergestellt Hierbei lag der Fokus auf gesundheits-
foumlrdernden Maszlignahmen in WfbMs Dabei wurde die aktuelle Literatur zu Rate gezogen In-
ternetauftritte einiger Werkstaumltten durchsucht und Stimmen aus dem Feld von Mitarbeiterin-
nen und Mitarbeitern sowie Beschaumlftigten von Werkstaumltten gewonnen
Die Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung ist noch immer relativ schwach
ausgebaut Dies stellt sich besonders vor dem Hintergrund als problematisch dass behinderte
Menschen haumlufig anfaumllliger fuumlr Krankheiten sind und durchschnittlich uumlber einen subjektiv als
schlechter bewerteten Gesundheitsstatus verfuumlgen als nichtbehinderte Menschen Wie viele
sozial benachteiligte Gruppen sind sie verhaumlltnismaumlszligig schwer zu erreichen fuumlr gesundheits-
foumlrdernde Maszlignahmen Obwohl es in der Erreichbarkeit mehrere Probleme gibt verfuumlgen
Menschen mit Behinderung auf der anderen Seite uumlber groszlige Potentiale Das neue Praumlventi-
onsgesetz ist ein erheblicher Fortschritt bei der Finanzierung gesundheitsfoumlrdernder Maszlignah-
men Sogar eine Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung in Werkstaumltten ist wenn auch nicht ex-
plizit verankert so doch zumindest gewuumlnscht
Gelingende Gesundheitsfoumlrderung muss sich im Allgemeinen und auch bei der Arbeit mit
behinderten Menschen an bestimmten Prinzipien messen lassen Besonders wichtig vor dem
gesellschaftlichen Hintergrund ist hier die Partizipation der Menschen mit Behinderung und
damit einhergehend das Empowerment dieser Beide wirken sich positiv auf die Qualitaumlt der
gesundheitsfoumlrdernden Maszlignahmen aus gehen jedoch auch daruumlber hinaus Sie koumlnnen Men-
schen mit Behinderungen auch auf gesellschaftlicher Ebene empowern sodass ihnen eine
groumlszligere gesellschaftliche Teilhabe zukommt Somit erlangt Gesundheitsfoumlrderung auch vor
dem Hintergrund der Inklusion eine hohe Relevanz
In WfbMs ist gezielte Gesundheitsfoumlrderung bisher wenig verbreitet Einzelne Projekte sind
eher die Ausnahme denn die Regel Jedoch sind die Potentiale der Werkstaumltten enorm Das
Personal scheint haumlufig offen fuumlr Maszlignahmen zu sein und gerade die Strukturen der beglei-
tenden Maszlignahmen lieszligen eine relativ einfache Integration von Maszlignahmen zur (betriebli-
chen) Gesundheitsfoumlrderung zu Bestehende begleitende Maszlignahmen in welchen Sport oder
Bildungsangebote zu gesunder Ernaumlhrung angeboten werden koumlnnten ohne uumlbermaumlszligigen
Aufwand zu gezielten Maszlignahmen fuumlr Gesundheitsfoumlrderung ausgebaut werden Nachholbe-
darf bestuumlnde hier vor allem auf dem Gebiet der Partizipation Nur selten scheinen die Be-
35
schaumlftigten in Konzeption Planung Durchfuumlhrung und Evaluation aktiv eingebunden zu sein
In bestimmten Phasen wie etwa der Konzeption und besonders der Evaluation scheint aktive
Teilhabe noch uumlberhaupt nicht verankert zu sein Eine staumlrkere Partizipation in allen Berei-
chen waumlre mit houmlherem Arbeits- und Kostenaufwand verbunden welcher durch eine Einbin-
dung der Krankenkassen moumlglicherweise aufgefangen werden koumlnnte Die Partizipation foumlr-
dern wuumlrde auch die Etablierung von Peer-Beratung und Peer-Multiplikatorinnen und
-Multiplikatoren Diesen kaumlme beim Zugang zur Zielgruppe eine Schluumlsselfunktion zu und
gleichzeitig koumlnnten sie Bedarfe und Beduumlrfnisse dieser gegenuumlber den anderen Akteuren
kommunizieren Auch wenn es bisher keine konkreten ausgearbeiteten Konzepte zur Gesund-
heitsfoumlrderung in WfbMs gibt koumlnnten bestehende Konzepte zur Betrieblichen Gesundheits-
foumlrderung eventuell leicht uumlberarbeitet fuumlr Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung in Werkstaumltten
analog angewendet werden
Die Potentiale und Moumlglichkeiten zur Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung
in WfbMs sind also mannigfaltig und haumlufig vorhanden Auf diesen koumlnnte aufgebaut werden
um behinderten Menschen das Recht auf das in Artikel 25 der UN-BRK festgeschriebene bdquoer-
reichbare Houmlchstmaszlig an Gesundheitldquo zu ermoumlglichen
Gesundheitsfoumlrderung ist mehr als Werbeplakate an Bus- oder Straszligenbahnhaltestellen und
Clips im Aktuellen Sportstudio sie ist mehr als Sportangebote und Angebote zu gesunder
Ernaumlhrung sie ist auch ein Weg zum Erreichen eines Menschenrechtes das Recht auf Ge-
sundheit
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41
Anhang
Nr 1 Abbildung zu den Hauptdeterminanten der Gesundheit nach DahlgreenWhitehead
2007 S 11
Nr 2 Befragung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Beschaumlftigten der WfbMs
42
Nr 1 Abbildung zu den Hauptdeterminanten der Gesundheit nach DahlgreenWhitehead
2007 S 11
43
Nr 2 Befragung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Beschaumlftigten der WfbMs
Um moumlglichst effizient die Stimmen aus vier WfbMs unterschiedlicher Traumlger zu erheben
wurden diese auf dem Infotag der LAG WfbM Berlin am 17112015 gesammelt Hier waren
verschiedene Werkstaumltten mit Informationsstaumlnden vertreten Gewaumlhlt wurden die Werkstaumlt-
ten an deren Staumlnden der Verfasser zuerst vorbeilief Die gestellten Fragen waren stets die-
selben
Den Vertretern der Werkstatt wurde zugesichert dass ihr Name nicht in der vorliegenden Ar-
beit genannt wird lediglich ihre Position in der Werkstatt wird erwaumlhnt Es wurden auszligerdem
keine weiteren Personendaten erhoben
Wenn moumlglich sollten auszligerdem fuumlnf Beschaumlftige pro WfbM befragt werden Hierfuumlr wurde
am Ende des kurzen Interviews um Erlaubnis gefragt Den Beschaumlftigten wurden andere Fra-
gen gestellt als dem Werkstattpersonal jedoch erhielten alle Beschaumlftigten dieselben Fragen
untereinander Den Beschaumlftigen wurde komplette Anonymitaumlt in der vorliegenden Arbeit
zugesichert und es wurden keine personenbezogenen Daten abgefragt Zuerst wurde nach
ihrem Verstaumlndnis von Gesundheitsfoumlrderung gefragt Vor den Fragen 2 bis 5 wurde kurz
erklaumlrt wie Gesundheitsfoumlrderung verstanden werden kann um davon ausgehend die restli-
chen Fragen zu beantworten
Bei saumlmtlichen Interviews wurde auf Transkriptionen verzichtet es wurden lediglich die
Kernaussagen mitgeschrieben
Im Folgenden finden sich exemplarisch die jeweils gestellten Fragen
44
Fragen an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der WfbM
Name der WfbM
Position der befragten Person Begleitender Dienst
1 Was verstehen Sie unter Gesundheitsfoumlrderung
2 Was bieten Sie im Rahmen der Gesundheitsfoumlrderung an
3 Wie werden die Maszlignahmen angenommen
4 Wuumlrden Sie gerne mehr anbieten oder finden Sie die Angebote ausreichend
5 Gibt es Schwierigkeiten
6 Wie steht es um die Partizipation in den Angeboten (Werden die Angebote von Beschaumlf-
tigten mitentwickelt mitevaluiert etc)
7 Werden die Angebote evaluiert
45
Fragen an die Beschaumlftigen der WfbM
Name der WfbM
Datum
1 Wissen Sie was Gesundheitsfoumlrderung ist Wenn ja wie wuumlrden sie es beschreiben
[Moumlgliche Erklaumlrung fuumlr Beschaumlftigte die sich nichts unter Gesundheitsfoumlrderung vorstellen
koumlnnen Zur Gesundheitsfoumlrderung gehoumlrt alles was fuumlr Ihre Gesundheit gut ist zB Kur-
seMaszlignahmen usw die mit Bewegung Ernaumlhrung Wohlfuumlhlen am Arbeitsplatz oder Ent-
spannen zu tun haben]
2 Welche Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung werden Ihnen von der Werkstatt angebo-
ten
3 Werden Ihrer Meinung nach genuumlgend Angebote zur Gesundheitsfoumlrderung in der Werk-
statt angeboten
4 Duumlrfen Sie bei der Entwicklung und Evaluation (Auswertung am Ende) mitbestimmen
5 Was sind Ihre Wuumlnsche bezuumlglich der Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung
3
Abkuumlrzungsverzeichnis
Abs Absatz
Aufl Auflage
BAG Bundesarbeitsgemeinschaft
BGF Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung
BMAS Bundesministerium fuumlr Arbeit und Soziales
bspw beispielsweise
BVPG Bundesvereinigung Praumlvention und Gesundheitsfoumlrderung eV
bzw beziehungsweise
et al und Weitere (lat et alii)
etc et cetera
Herv Hervorhebung
Hrsg Herausgeber
idR in der Regel
Jg Jahrgang
LAG Landesarbeitsgemeinschaft
Nr Nummer
oJ ohne Jahr
oJg ohne Jahrgang
oS ohne Seite
S Seite
SGB Sozialgesetzbuch
ua unter anderem
UN-BRK Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen
va vor allem
vgl vergleiche
WfbM Werkstatt fuumlr behinderte Menschen
WHO Weltgesundheitsorganisation (engl World Health Organisation)
WMVO Werkstaumltten-Mitwirkungsverordnung
ZDF Zweites Deutsches Fernsehen
zB zum Beispiel
zit zitiert
zT zum Teil
4
1 Einleitung
Auf Gesundheitsfoumlrderung trifft man heutzutage sehr haumlufig sei es im Unternehmen fuumlr das
man arbeitet auf Werbeplakaten an der Straszlige oder sogar gegen Ende der Sendung bdquoAktuelles
Sportstudioldquo im ZDF Maszlignahmen wie diese haben stets eine bestimmte Zielgruppe vor Au-
gen zB die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Unternehmens bestimmte Menschen im
Straszligenverkehr oder Sportfans die am Samstagabend gerne die Sportereignisse des Wochen-
endes im Fernsehen zusammengefasst sehen wollen
Auf alle diese Menschen hat das am 18 Juni dieses Jahres vom Deutschen Bundestag verab-
schiedete Gesetz zur Staumlrkung der Gesundheitsfoumlrderung und der Praumlvention (auch bekannt
als das bdquoPraumlventionsgesetzldquo) Auswirkungen Dieses wurde seit vielen Jahren und von ver-
schiedenen Koalitionen und Regierungen angestrebt aber regelmaumlszligig verschoben Nun regelt
es die gesetzlichen Bedingungen fuumlr die Gesundheitsfoumlrderung neu und versucht ihr einen
houmlheren Stellenwelt in der Landschaft der medizinischen Versorgung in Deutschland zukom-
men zu lassen
Jede Maszlignahme zur Foumlrderung der Gesundheit eines oder mehrerer Menschen versucht sich
an genau diesen bzw diese Menschen zu richten Menschen sind jedoch unterschiedlich und
so sind folglich auch Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung unterschiedlich ndash sie unterschei-
den sich in der Methodik im Inhalt und nicht zuletzt im Zugangsweg zur Zielgruppe Ge-
sundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung ist ein Thema welches erst in den letzten
Jahren an Bedeutung gewonnen hat Die Fachwelt hat sich langsam diesem Thema ange-
nommen es sind Publikationen erschienen und Projekte aufgebaut worden Die Anzahl ist
hier jedoch noch relativ uumlberschaubar und laumlsst den Bedarf an Forschung auf diesem Gebiet
erkennen
Gesundheitsfoumlrderung findet haumlufig in Lebenswelten von Menschen statt zB zuhause in der
Schule oder in der Arbeit In Deutschland arbeiten viele Menschen mit Behinderungen in
Werkstaumltten fuumlr behinderte Menschen (WfbMs) Fuumlr viele aus der sehr heterogenen Gruppe
der behinderten Menschen stellen diese also eine wichtige Lebenswelt ein sog Setting dar
Der Titel der Arbeit wurde bewusst gewaumlhlt Es ist nicht von Gesundheitsfoumlrderung fuumlr Men-
schen mit Behinderung die Rede sondern mit Menschen mit Behinderung Die Bedeutung
dieses kleinen Wortes ist dabei enorm denn es ist ein sehr groszliger Unterschied ob man etwas
fuumlr einen Menschen macht oder ob man es mit ihm macht Wichtig ist dies auch vor dem Hin-
tergrund der gesellschaftlichen Debatten unserer Zeit in denen Inklusion und Teilhabe behin-
derter Menschen eine immer wichtigere Rolle spielen
5
In der vorliegenden Arbeit soll nun ein Uumlberblick daruumlber gegeben werden ob es in WfbMs
gesundheitsfoumlrdernde Maszlignahmen gibt und wie Menschen mit Behinderung an ihnen teil-
nehmen und ndash ganz im Sinne des Wortes bdquomitldquo ndash teilhaben Es soll sowohl der aktuelle Stand
wiedergegeben werden als auch versucht werden Schwierigkeiten wie Potentiale zu identifi-
zieren
Dafuumlr werden zuerst die drei Begriffe Behinderung Gesundheit und Gesundheitsfoumlrderung
eingegrenzt (Kapitel 2) Anschlieszligend werden allgemeine Grundlagen der Gesundheitsfoumlrde-
rung vorgestellt (Kapitel 3) in denen ua Prinzipien und Leitideen hierfuumlr aufgezeigt und die
rechtliche Rahmung beleuchtet werden Auszligerdem wird naumlher auf Gesundheitsfoumlrderung in
Settings eingegangen Dabei liegt der Schwerpunkt auf dem Setting Arbeitswelt Aufbauend
darauf wird im Speziellen auf die Gesundheitsfoumlrderung bei Menschen mit Behinderungen
eingegangen (Kapitel 4) Hier werden sozialmedizinische Erkenntnisse praumlsentiert die Er-
reichbarkeit behinderter Menschen fuumlr die Maszlignahmen diskutiert und das Thema der Ge-
sundheitsfoumlrderung in Werkstaumltten besonders vertieft In diesem Zusammenhang werden auch
die Ergebnisse einer kleinen Feldbefragung vorgestellt die im Rahmen dieser Arbeit durchge-
fuumlhrt wurde Aufbauend auf den gewonnenen Erkenntnissen wird uumlberlegt wie Gesundheits-
foumlrderung in WfbMs besonders erfolgreich gestaltet werden kann Abgerundet wird die Arbeit
durch ein Fazit das eine Zusammenfassung der gewonnenen Erkenntnisse und gleichzeitig
ein Ausblick sein will (Kapitel 5)
6
2 Begriffsdefinitionen und Abgrenzungen
Fuumlr das Verstaumlndnis bestimmter Begriffe im weiteren Verlauf der Arbeit ist es sinnvoll diese
Auslegungen kurz darzustellen Fuumlr jeden der hier skizzierten Begriffe gibt es zahlreiche
Konzepte und Theorien die aufgrund des gegebenen Rahmens nicht in aller Ausfuumlhrlichkeit
diskutiert werden koumlnnen
21 Menschen mit Behinderung
Fuumlr den Begriff bdquoBehinderungldquo gibt es zahlreiche Definitionen Der in der Internationalen
Klassifikation der Funktionsfaumlhigkeit Behinderung und Gesundheit (ICF) der Weltgesund-
heitsorganisation WHO verankerten Sicht liegt ein bio-psycho-soziales Verstaumlndnis von Be-
hinderung zugrunde (vgl WHO 2005 S45) Behinderung wird hier nicht als rein biologisch-
medizinisches Konstrukt gesehen sondern der einzelne Mensch der eine koumlrperliche geistige
undoder seelische Beeintraumlchtigung hat wird auch durch seine Umwelt laumlngerfristig bzw
wiederkehrend behindert bzw nicht behindert1 Behinderung ist also kein festes Merkmal
einer Person sondern ein Wechselspiel zwischen Mensch und Umwelt Diese Auffassung teilt
die Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen (UN-BRK) die in Artikel 1 von
einer bdquoWechselwirkung mit verschiedenen Barrierenldquo spricht
Ausgehend von diesem Verstaumlndnis muss aufgrund der Thematik der vorliegenden Arbeit der
Begriff bdquoMenschen mit Behinderungldquo auch aus gesetzlicher Sicht betrachtet werden Fuumlr die
Aufnahme als Beschaumlftigter oder Beschaumlftigte2 bzw in den Berufsbildungsbereich in Werk-
staumltten fuumlr behinderte Menschen ist eine Behinderung wie sie in den Sozialgesetzbuumlchern
(SGB) verstanden wird Voraussetzung Diese ist definiert in sect 2 SGB IX bdquoMenschen sind
behindert wenn ihre koumlrperliche Funktion geistige Faumlhigkeit oder seelische Gesundheit mit
hoher Wahrscheinlichkeit laumlnger als sechs Monate von dem fuumlr das Lebensalter typischen
Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeintraumlchtigt istldquo
Dies muss fuumlr jeden Menschen individuell betrachtet werden
1 Die ICF kann nicht nur auf Menschen mit einer Behinderung sondern auf jeden Menschen bezogen werden
(vgl WHO 2005 S 13) 2 Aus Gruumlnden des einfacheren Verstaumlndnisses werden im weiteren Verlauf Menschen mit Behinderungen die in
WfbMs beschaumlftigt sind als Beschaumlftigte bezeichnet und festangestelltes Personal wie etwa Paumldagoginnen und
Paumldagogen bzw Arbeitsgruppenleitungen als Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
7
Auf das genaue Verfahren zur Feststellung wird an dieser Stelle nicht weiter eingegangen da
es fuumlr den weiteren Verlauf der Arbeit nicht relevant ist Es genuumlgt zu wissen dass sich der
Personenkreis der in der WfbM beschaumlftigt ist rechtlich gesehen nach dem SGB IX definiert
Diese Definition ist weniger umfassend als das Verstaumlndnis der ICF die die Kontextfaktoren
staumlrker betont (vgl WHO 2005 S 2122)
22 Gesundheit
Das traditionelle Bild von Gesundheit ist die Abwesenheit von Krankheit Jedoch erkannte
schon in ihrer Verfassung von 1946 die WHO dass Gesundheit mehr als nur das ist bdquoDie
Gesundheit ist ein Zustand des vollstaumlndigen koumlrperlichen geistigen und sozialen Wohlerge-
hens und nicht nur das Fehlen von Krankheit oder Gebrechenldquo (WHO 2014 S 1)
Fuumlr die Determinanten der Gesundheit von Menschen haben Margaret Whitehead und Goumlran
Dahlgren bereits 1991 ein Modell (siehe Anhang Nr 1) entwickelt das die Einflussfaktoren
in verschiedene Ebenen gliedert Neben den persoumlnlichen Merkmalen wie Alter Geschlecht
und Genen stehen in der naumlchsten Ebene die Faktoren individueller Lebensweisen (Sport
Konsum von Genussmitteln etc) Daran schlieszligen sich soziale und kommunale Netzwerke an
(va Familie Freundinnen und Freunde) und auf naumlchster Ebene die Lebens- und Arbeitsbe-
dingungen (zB Wohn- und Arbeitsumfeld Bildung) Abgeschlossen wird das Modell durch
allgemeine Bedingungen der soziooumlkonomischen kulturellen und physischen Umwelt wie
bspw Wirtschaft und Politik (vgl DahlgrenWhitehead 2007 S 11)
Die sehr breite Auffassung der WHO von Gesundheit entwickelte Aaron Antonovsky weiter
indem er sein Konzept der Salutogenese entwickelte Neu daran war zum einen dass er von
einem Gesundheits-Krankheits-Kontinuum ausgeht dessen Pole Gesundheit und Krankheit
sind Die Gesundheit eines Menschen laumlsst sich zu jedem Zeitpunkt seines Lebens individuell
an einem Punkt des Kontinuums festlegen je nachdem wie gesund der Mensch sich zum je-
weiligen Zeitpunkt fuumlhlt (vgl Antonovsky 1997 S 23) Auszligerdem stellt Antonovsky die Fra-
ge warum unter bestimmten (unguumlnstigen) Bedingungen also den Determinanten von Ge-
sundheit manche Menschen gesund bleiben und andere nicht (vgl Antonovsky 1997 S 15)
Als Antwort auf diese Frage praumlsentiert er das sog Kohaumlrenzgefuumlhl (SOC)3 bestehend aus
3 In der Literatur zT auch mit Kohaumlrenzsinn Kohaumlrenzempfinden etc uumlbersetzt Das englische Original bdquoSense
of Coherenceldquo ist schwer zu uumlbersetzen da es im Deutschen kein Wort gibt das der weiten Bedeutung des engli-
schen bdquosenseldquo gerecht werden koumlnnte
8
den drei Elementen Verstehbarkeit Handhabbarkeit und Bedeutsamkeit Verstehbarkeit be-
deutet seine Welt als stimmig und verstaumlndlich einzuordnen und Belastungen in einem groumlszlige-
ren Zusammenhang sehen zu koumlnnen Handhabbarkeit bezeichnet das Gefuumlhl die Aufgaben
und Probleme denen man begegnet mit seinen Ressourcen bewaumlltigen zu koumlnnen Bedeut-
samkeit ist die Uumlberzeugung von der eigenen Lebensfuumlhrung die mit Zielen verbunden ist
fuumlr die sich einzusetzen lohnenswert erscheint (vgl Antonovsky 1997 S 33 ndash 36) Legt man
den Fokus nun also auf die Aufrechterhaltung oder Verbesserung der Gesundheit sind die
dafuumlr in der Praxis konzipierten Maszlignahmen ndash ganz der Denktradition der Salutogenese fol-
gend ndash Schritte zur Gesundheitsfoumlrderung
23 Gesundheitsfoumlrderung und ihre Abgrenzung zur Praumlvention
Die Idee der Gesundheitsfoumlrderung fuszligt auf einem Gesundheitsverstaumlndnis wie es die Saluto-
genese aufzeigt Ein wichtiger Grundstein fuumlr unser heutiges Verstaumlndnis von Gesundheits-
foumlrderung wurde bereits 1986 mit der Ottawa-Charta der WHO gelegt bdquoGesundheitsfoumlrde-
rung zielt auf einen Prozess allen Menschen ein houmlheres Maszlig an Selbstbestimmung uumlber ihre
Gesundheit zu ermoumlglichen und sie damit zur Staumlrkung ihrer Gesundheit zu befaumlhigenldquo (WHO
1986 S 1) Gesundheitsfoumlrderung ist also bdquoeine Promotionsstrategie bei der Menschen durch
Verbesserung ihrer Lebensbedingungen eine Staumlrkung der gesundheitlichen Entfaltungsmoumlg-
lichkeiten erfahren sollenldquo (HurrelmannKlotzHaisch 2010 S 13 Herv weggelassen) Kon-
kret in der Praxis aumluszligert sich Gesundheitsfoumlrderung in unterschiedlichsten Maszlignahmen auf
den verschiedenen Ebenen Individuum Setting und PolitikGesamtgesellschaft (vgl Alt-
geldKolip 2010 S 4647) So sind etwa Schritte zur Steigerung des Selbstwertgefuumlhls (Indi-
viduumsebene) Ernaumlhrungsprogramme in Schulen (Setting) oder eine gesetzlich verankerte
finanzielle Unterstuumltzung zum Vereinsbeitrag fuumlr Kinder aus einkommensschwachen Fami-
lien in Sportvereinen (Politik) Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung Auf saumlmtlichen Ebenen
ist eine Partizipation der Zielgruppe fuumlr eine gelingende Gesundheitsfoumlrderung erstrebenswert
(vgl FaltermaierWihofszky 2012 S 102) Als Kernelemente der Gesundheitsfoumlrderung
weist die WHO in der Ottawa-Charta Ganzheitlichkeit oumlkologische Verantwortung und ge-
genseitige Fuumlrsorge aus (vgl WHO 1986 S 5) Dieser universelle Anspruch findet seine
Fortsetzung in der Jakarta-Erklaumlrung die als Ziele den groumlszligtmoumlglichen Gesundheitsgewinn
der Bevoumllkerung die Reduzierung gesundheitlicher Ungleichheiten und die Staumlrkung der
Menschenrechte formuliert (vgl WHO 1997 S 2)
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Unterscheiden kann man gesundheitsfoumlrdernde Strategien zwischen Verhaltens- und Verhaumllt-
nisebene Verhaltensorientierte Maszlignahmen setzen beim Verhalten des einzelnen Menschen
oder einer Gruppe zB ihrer Ernaumlhrung oder der Haumlufigkeit von Bewegung an Verhaumlltnis-
bezogene Maszlignahmen setzen an den Verhaumlltnissen an in denen ein oder mehrere Menschen
leben Dies kann sich auf saumlmtliche Lebensbereiche beziehen zB Wohnen Arbeit oder Frei-
zeit Hier kann beispielhaft die Verfuumlgbarkeit von Gruumlnflaumlchen oder Spielplaumltzen aufgefuumlhrt
werden Eine Verbindung beider Ansaumltze ist durchaus moumlglich
Abzugrenzen ist die Gesundheitsfoumlrderung von der Praumlvention Als jene gelten Maszlignahmen
zur Vermeidung des Auftretens bzw Fortschreitens bestimmter Krankheiten Praumlvention und
Gesundheitsfoumlrderung zielen beide auf einen Gesundheitsgewinn ab jedoch setzt erstere beim
Verringern von Risikofaktoren an letztere beim Schaffen und Staumlrken von Ressourcen also
Schutzfaktoren (vgl HurrelmannKlotzHaisch 2010 S 1617) Anders ausgedruumlckt Praumlven-
tion ist pathogenetisch das bedeutet an der Entstehung von Krankheiten orientiert Gesund-
heitsfoumlrderung hingegen salutogenetisch orientiert Generell muumlssen Praumlvention und Gesund-
heitsfoumlrderung als sich ergaumlnzende nicht als konkurrierende Interventionsformen mit ver-
schiedener Sachlogik gesehen werden (vgl Hurrelmann 2006 S 150) Beide Strategien sind
in der Zielsetzung des Zugewinns an Gesundheit geeint jedoch unterscheiden sie sich als In-
terventionsformen durch verschiedenartige Wirkungsprinzipien In der Praxis sind nicht alle
konkreten Maszlignahmen trennscharf einer der beiden Strategien zuzuordnen Uumlberschneidun-
gen sind moumlglich
Zusammengefasst laumlsst sich konstatieren bdquoGesundheitsfoumlrderung bezeichnet alle Eingriffs-
handlungen die der Staumlrkung von individuellen Faumlhigkeiten der Lebensbewaumlltigung dienenldquo
(HurrelmannKlotzHaisch 2010 S 14 Herv weggelassen)
Vertiefende Problemstellungen wie etwa die Erreichbarkeit bestimmter Bevoumllkerungsgrup-
pen und rechtliche Rahmenbedingungen in Deutschland werden im weiteren Verlauf der Ar-
beit aufgegriffen
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3 Allgemeine Grundlagen der Gesundheitsfoumlrderung
Es wurde bereits grob umrissen was Gesundheitsfoumlrderung kennzeichnet Nun sollen einzelne
Aspekte inhaltlich vertieft werden auf denen anschlieszligend eine (moumlgliche) Gesundheitsfoumlrde-
rung in WfbMs (siehe Kapitel 4) aufbauen kann
31 Leitgedanken der Gesundheitsfoumlrderung
In der Praxis koumlnnen gesundheitsfoumlrdernde Maszlignahmen ganz unterschiedlich aussehen Damit
sie fuumlr die Menschen die daran teilnehmen dauerhaft eine positive Wirkung aufweisen hat
die Bundesvereinigung Praumlvention und Gesundheitsfoumlrderung eV (BVPG)4 sieben bdquoPrinzi-
pien guter Praumlvention und Gesundheitsfoumlrderungldquo formuliert in ihrem Sinne gute Gesund-
heitsfoumlrderung ist demnach gekennzeichnet durch (1) Autonomie und Empowerment (2) Par-
tizipation (3) Lebenswelt- und Lebensstilbezug (4) Gesundheitliche Chancengleichheit
(5) Konzeptbasierung (6) Evaluation sowie (7) Nachhaltigkeit (vgl BVPG 2013 S 9091)
Das Prinzip (1) Autonomie und Empowerment bedeutet dass eine Maszlignahme durch Selbst-
bestimmung gepraumlgt ist und die Teilnehmenden zur Selbststaumlndigkeit befaumlhigt die eigene
Gesundheit und die anderer zu gestalten (vgl BVPG 2013 S 90) Die Idee Gesundheit ande-
rer mitzugestalten findet ua in den Strategien Peer Counseling und Multiplikatorinnen und
Multiplikatoren ihre praktische Umsetzung (siehe 452) Empowerment kann an dieser Stelle
uumlber die Ebene der persoumlnlichen Gesundheit hinaus gedacht werden Menschen werden nicht
nur dazu befaumlhigt ihre eigene Gesundheit selbst zu gestalten sondern koumlnnen als gesunde
Buumlrger ihre Interessen oder die bestimmter Bevoumllkerungsgruppen selbstbewusst vertreten
(vgl Laverack 2010 S 27) Im Sinne der (2) Partizipation sollen Vertreterinnen und Vertreter
der Zielgruppe in allen Phasen einer Maszlignahme aktiv mitgestalten und mitentscheiden Auf
die Partizipation von Menschen mit Behinderung wird in 451 noch detaillierter eingegangen
Der (3) Lebenswelt- und Lebensstilbezug betont den bereits erwaumlhnten Setting-Ansatz
schlieszligt jedoch gesamtgesellschaftliche bzw individualbezogene Strategien ebenfalls mit ein
Gelingende Gesundheitsfoumlrderung braucht immer einen konkreten Anknuumlpfungspunkt in der
Lebenswelt des bzw der Menschen (4) Gesundheitliche Chancengleichheit fordert dass va
4 Die BVPG ist ein gemeinnuumltziger politisch und konfessionell unabhaumlngiger Verbund bestehend aus Bundes-
verbaumlnden des Gesundheitswesens darunter die Bundesaumlrztekammer den Spitzenverbaumlnden der Sozialversiche-
rungstraumlger sowie Verbaumlnden der Heil- und Hilfsberufe Sozial- und Wohlfahrtsverbaumlnden und Bildungseinrich-
tungen mit Arbeitsschwerpunkt im Bereich Praumlvention und Gesundheitsfoumlrderung
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sozial benachteiligte Menschen zu denen haumlufig auch behinderte Menschen gehoumlren beson-
ders in ihrer Gesundheit gefoumlrdert werden da mit einem niedrigeren soziooumlkonomischen Sta-
tus oft eine schlechtere Gesundheit einhergeht (vgl Lampert et al 2013 S 814) Diese Be-
voumllkerungsgruppen gelten jedoch als besonders schwer erreichbar fuumlr gesundheitsfoumlrdernde
Maszlignahmen insbesondere wenn diese fuumlr die Gesamtbevoumllkerung ausgelegt sind (vgl
Mielck 2010 S 113)
Generell sollten Programme zur Gesundheitsfoumlrderung stets auf einem (5) Konzept beruhen
in dem Mittel Zeit Ressourcen und Ziele festgelegt und eine Bedarfsanalyse und Beschrei-
bung des Wirkungsmodells verankert sind Auch der geplante Weg einer Verstetigung der
Maszlignahme soll hier aufgezeigt werden (vgl BVPG 2013 S 91) Durch das Prinzip der
(6) Evaluation soll eine Qualitaumltssicherung erfolgen von der durch Veroumlffentlichung auch
andere profitieren koumlnnen (7) Nachhaltig soll Gesundheitsfoumlrderung auf saumlmtlichen Ebenen
sein es muss auf moumlgliche negative (Spaumlt-)Folgen geachtet werden der Umgang mit den
Ressourcen und der Umwelt sollte nachhaltig sein und es sollte eine Wirkung uumlber die Dauer
der Maszlignahme hinaus entstehen (vgl BVPG 2013 S 91)
32 Auswirkungen von Gesundheitsfoumlrderung auf den Menschen
Wie bereits dargelegt soll Gesundheitsfoumlrderung die Gesundheit der Menschen verbessern
Dies kann auf ganz unterschiedliche Weise geschehen Als Strategien sind hier die schon er-
waumlhnten verhaltens- und verhaumlltnisorientierten Strategien moumlglich und die Interventionsebene
kann auf individueller Ebene liegen an einem bestimmten Setting ansetzen oder die gesamte
Gesellschaft als Ausgangspunkt nehmen
Da Gesundheit als bdquoZustand des vollstaumlndigen koumlrperlichen geistigen und sozialen Wohler-
gehensldquo (WHO 2014 S 1) betrachtet wird soll eine gesundheitsfoumlrdernde Maszlignahme das
Befinden in einem oder mehreren dieser Teilbereiche ndash in einer ganzheitlichen Betrachtung
haumlngen diese stark zusammen und beeinflussen sich gegenseitig ndash positiv beeinflussen Im
Sinne der Salutogenese werden also Ressourcen entwickelt undoder gestaumlrkt Verbreitete
Strategien der Gesundheitsfoumlrderung wie etwa Sport gesunde Ernaumlhrung und Entspannung
aber auch soziale Ausgewogenheit und Partizipation als strukturelle Verhaumlltnisse muumlssen von
der Zielgruppe als positiv erlebt werden (vgl Geene 2005 S 21) Andernfalls ist keine oder
nur eine geringere Annahme bzw Wirkung des Programms zu erwarten Am Ende einer
Maszlignahme sollte stets eine Evaluation erfolgen Hier sind mit passend ausgewaumlhlten Evalua-
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tionsinstrumenten die Auswirkungen des Programmes meist in irgendeiner Form messbar
entweder durch subjektive Einschaumltzungen zB wenn Teilnehmende angeben sich nun ge-
sunder zu fuumlhlen oder auch durch objektiv messbare Werte So koumlnnen bspw Werte wie Ge-
wicht Body-Mass-Index Blutwerte oder Ausdauer zu Beginn einer Maszlignahme mit denen am
Ende verglichen werden Eine hier erfolgreich ansetzende Maszlignahme hat meist (nicht nur)
eine Verbesserung der koumlrperlichen Gesundheit zur Folge Das gesenkte Risiko fuumlr Herz-
Kreislauf-Erkrankungen Krebs Erkrankungen der Atemwege der Verdauungsorgane oder
des Muskel-Skelett-Systems koumlnnen exemplarisch als Verbesserung der physischen Gesund-
heit aufgefuumlhrt werden (vgl HurrelmannKlotzHaisch 2010 S 20) Dies sind Anzeichen
dass sich der bdquoStandpunktldquo eines Menschen auf dem Gesundheits-Krankheits-Kontinuum
nach Antonovskys Modell der Salutogenese ein Stuumlck weiter Richtung Gesundheit verscho-
ben hat
Auch die Foumlrderung der Selbstwirksamkeit also der Uumlberzeugung auch schwierige Situatio-
nen mit eigenen Ressourcen loumlsen zu koumlnnen hat vielfaumlltige positive Auswirkungen auf die
Gesundheit und foumlrdert so diese (DlugoschDahl 2013 S 370) Maszlignahmen zur Entspannung
und Stressbewaumlltigung wirken sich im ersten Moment auf das seelische und psychische
Wohlbefinden aus haben dadurch aber sehr oft auch positive Auswirkungen auf den Koumlrper
Bestimmte Methoden wie etwa Yoga verfolgen schon im Ansatz eine ganzheitliche Vorstel-
lung bei welchem das Wohlbefinden koumlrperlich psychisch und seelisch gestaumlrkt wird (vgl
SimonHegerReszies 2011 S 169)
Die aufgefuumlhrten positiven Auswirkungen durch gesundheitsfoumlrdernde Maszlignahmen auf die
Gesundheit von Menschen sind nur einige Beispiele von sehr vielen Allen diesen Effekten zu
eigen ist jedoch dass sie sich positiv auf das gesundheitliche Wohlbefinden der Menschen
auswirken In deren subjektiven Empfinden verschiebt sich dadurch ihr Punkt auf dem Ge-
sundheits-Krankheits-Kontinuum des Salutogenesemodells ein Stuumlck in Richtung des Ge-
sundheitspols
33 Rechtliche Grundlagen
Die rechtliche Verankerung der Gesundheitsfoumlrderung findet sich in Deutschland im SGB V
wieder So legt sect 20 Abs 1 SGB V fest bdquoDie Krankenkasse sieht in der Satzung Leistungen
zur Verhinderung und Verminderung von Krankheitsrisiken (primaumlre Praumlvention) sowie zur
Foumlrderung des selbstbestimmten gesundheitsorientierten Handelns der Versicherten (Gesund-
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heitsfoumlrderung) vorldquo5 Zurecht weist die Bundesaumlrztekammer in ihrer Stellungnahme zum
neuen Praumlventionsgesetz darauf hin dass diese Definition von Gesundheitsfoumlrderung nicht
umfassend genug ist da die Staumlrkung von Gesundheitsressourcen und ndashpotenzialen unerwaumlhnt
bleibt (vgl Bundesaumlrztekammer 2014 S 3) Die gesetzliche Krankenversicherung ist in
Deutschland von den Sozialversicherungszweigen finanziell mit Abstand am staumlrksten an der
Gesundheitsfoumlrderung beteiligt Gesetzlich verpflichtet war auszligerdem bisher nur die gesetzli-
che Unfallversicherung sodass die Beteiligung nicht-oumlffentlicher gemeinnuumltziger Traumlger wie
bspw Stiftungen zunehmend an Bedeutung gewinnt Der groumlszligte Teil der finanziellen Mittel
stammt allerdings aus oumlffentlichen Mitteln (vgl AltgeldKolip 2010 S 54) Durch das Prauml-
ventionsgesetz sind die gesetzlichen Krankenkassen nun nach sect 20 Abs 6 SGB V verpflich-
tet ab dem Jahr 2016 pro Versicherten 700 Euro statt wie im Jahr 2015 317 Euro fuumlr Praumlven-
tion und Gesundheitsfoumlrderung auszugeben Davon entfallen je 200 Euro auf Leistungen zur
Gesundheitsfoumlrderung und Praumlvention in Lebenswelten nach sect 20a SGB V und Betriebliche
Gesundheitsfoumlrderung nach sect 20b SGB V Das Praumlventionsgesetz sieht dabei eine Betriebli-
che Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen in WfbMs vor bdquoMit den Leistungen
[primaumlre Praumlvention und Gesundheitsfoumlrderung MP] sollen auch Menschen mit Behinde-
rung erreicht werden zB mit Leistungen zur betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung in Werk-
staumltten fuumlr behinderte Menschenldquo (Deutscher Bundestag 2015 S 34) Dies geht aus der vom
Deutschen Bundestag veroumlffentlichten Erlaumluterung zum Gesetzentwurf hervor
Die gesetzlichen Krankenkassen (unter Umstaumlnden auch die privaten Krankenkassen) sollen
des Weiteren mit den Traumlgern der Pflegeversicherung der Unfallversicherung und der Gesetz-
lichen Rentenversicherung eine bdquoNationale Praumlventionsstrategieldquo entwickeln (sect 20d SGB V)
die in der bdquoNationalen Praumlventionskonferenzldquo (sect 20e SGB V) ausgearbeitet und weitergefuumlhrt
wird In beiden Paragraphen geht es auch um Strategien der Gesundheitsfoumlrderung
Die gesetzlichen Pflegekassen sind nach sect 5 SGB XI fortan verpflichtet im Jahr 030 Euro je
Versicherter und Versichertem zur Gesundheitsfoumlrderung und Praumlvention in stationaumlren Pfle-
geeinrichtungen zu investieren
Eine gesetzliche Verankerung der Partizipation in der Gesundheitsfoumlrderung durch das Prauml-
ventionsgesetz ist hingegen ausgeblieben Ausgehend von der Annahme dass Gesundheits-
foumlrderung effektiver ist wenn die Zielgruppe an der Planung Durchfuumlhrung und Evaluation
5 Die Novellierung der sectsect 20ff SGB V ist eine Folge des 2015 verabschiedeten Gesetzes zur Staumlrkung der Ge-
sundheitsfoumlrderung und der Praumlvention Dieses ist im Internet verfuumlgbar unter
httpwwwbgbldexaverbgblstartxavstartbk=Bundesanzeiger_BGBlampjumpTo=bgbl115s1368pdf__bgbl__
2F2F[40attr_id3D27bgbl115s1368pdf27]__1446046078671 (Abrufdatum 28102015)
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der Maszlignahme partizipiert (vgl FaltermaierWihofszky 2012 S 108) waumlre eine gesetzliche
Verankerung der Partizipation vorteilhaft gewesen
Das Recht auf Leistungen zur Gesundheitsfoumlrderung ergibt sich fuumlr Menschen mit Behinde-
rung auch aus der UN-BRK welche im Jahre 2009 von der Bundesrepublik Deutschland rati-
fiziert wurde In Artikel 25 heiszligt es hier bdquoDie Vertragsstaaten anerkennen das Recht von
Menschen mit Behinderungen auf das erreichbare Houmlchstmaszlig an Gesundheit ohne Diskrimi-
nierung aufgrund von Behinderungldquo Dieses houmlchsterreichbare Maszlig kann nur erreicht werden
wenn Menschen mit Behinderung konsequent in Maszlignahmen der Gesundheitsfoumlrderung ein-
bezogen werden Deutschland verpflichtet sich in Artikel 25 a) der UN-BRK behinderten
Menschen bdquoeine unentgeltliche oder erschwingliche Gesundheitsversorgung in der derselben
Bandbreite von derselben Qualitaumlt und auf demselben Standard zur Verfuumlgung [zu stellen]
wie anderen Menschen [hellip]ldquo Dies umfasst nicht nur kurative und rehabilitative Maszlignahmen
sondern auch solche zur Praumlvention und Foumlrderung der Gesundheit
34 Gesundheitsfoumlrderung in Settings
Da der Fokus dieser Arbeit auf der Gesundheitsfoumlrderung in WfbMs liegt werden nun einige
Aspekte zur Gesundheitsfoumlrderung in Settings also Lebenswelten genauer thematisiert
bdquoEin Setting ist ein Sozialzusammenhang in dem Menschen sich in ihrem Alltag aufhalten
und der Einfluss auf ihre Gesundheit hat Dieser soziale Zusammenhang ist relativ dauerhaft
und seinen Mitgliedern auch subjektiv bewusstldquo (HartungRosenbrock 2015 oS) Diese kur-
ze Definition enthaumllt die wichtigsten Merkmale eines Settings Jeder Mensch bewegt sich
folglich in verschiedenen Settings zB seiner Arbeitswelt seinem Wohnumfeld oder seinem
Freizeitbereich Dabei hat jedes Setting Einfluss auf die Menschen die sich in ihm bewegen
wie auch jeder Mensch gleichzeitig das jeweilige Setting beeinflusst Gesundheit ist hierbei
als ein wichtiges alltaumlgliches Element des jeweiligen Settings zu sehen und nicht ausschlieszlig-
lich als essenzielles und abstraktes Ziel (vgl RoumlmischWalther 2015 S 5 AltgeldKolip
2010 S 49) Dies betont auch die salutogenetische Position nach der jeder Mensch zu jedem
Zeitpunkt zumindest ein gewisses Maszlig an Gesundheit inne hat (vgl Antonovsky 1997 S 23)
Bereits in der Ottawa-Charta wird als eine Strategie zur Gesundheitsfoumlrderung bdquoGesundheits-
foumlrderliche Lebenswelten schaffenldquo (WHO 1986 S 3) genannt Elf Jahre spaumlter verdeutlicht
die Jakarta-Erklaumlrung die Wirksamkeit dieser Strategie bdquoDer wissenschaftliche Erkenntnis-
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stand zeigt deutlich daszlig [hellip] insbesondere Settings [hellip] gute Moumlglichkeiten zur praktischen
Umsetzung solcher umfassenden Strategien bietenldquo (WHO 1997 S 3)
Dies mag va daran liegen dass eher schwer erreichbare Zielgruppen der Gesundheitsfoumlrde-
rung in ihren Lebenswelten relativ gut erreicht werden koumlnnen (vgl FaltermaierWihofszky
2012 S 110) Zu diesen Zielgruppen gehoumlren va sozial benachteiligte Menschen wie etwa
Menschen mit Migrationshintergrund in Armut lebende Menschen oder Menschen mit Be-
hinderungen Da das deutsche Gesundheitssystem stark mittelschichtsorientiert ist sind diese
schwerer zu erreichen als wohlhabendere Bevoumllkerungsschichten (vgl Stickan-Verfuumlrth 2005
S 105106) Besonders problematisch ist dies vor dem Hintergrund zu sehen dass gerade
sozial benachteiligte Menschen wie bereits erwaumlhnt haumlufig uumlber eine schlechtere Gesundheit
verfuumlgen
35 Gesundheitsfoumlrderung in der Lebenswelt bdquoArbeitldquo
Fuumlr eine Gesundheitsfoumlrderung in der Lebenswelt bdquoArbeitldquo sind besonders zwei Strategien
relevant die Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung (BGF) und das Betriebliche Gesundheitsma-
nagement
Die Begriffe bdquoBetriebliche Gesundheitsfoumlrderungldquo und bdquoBetriebliches Gesundheitsmanage-
mentldquo werden in der Literatur zT sehr unterschiedlich interpretiert Die Bandbreite reicht
hier von einer beinahe synonymen Verwendung bis hin zu einer klaren Abgrenzung Die hier
vorgenommene Unterscheidung ist dabei nur eine Moumlglichkeit unter mehreren
351 Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung
Als Grundsatzdokument der Betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung in Deutschland gilt heute
die Luxemburger Deklaration zur betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung in der Europaumlischen
Union aus dem Jahr 1997 Sie legt Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung wie folgt fest bdquoBe-
triebliche Gesundheitsfoumlrderung (BGF) umfasst alle gemeinsamen Maszlignahmen von Arbeit-
gebern Arbeitnehmern und Gesellschaft zur Verbesserung von Gesundheit und Wohlbefinden
am Arbeitsplatzldquo (Unternehmensnetzwerk zur betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung in der Eu-
ropaumlischen Union eV 2007 S 2 eigene Paginierung) Als Wege hierfuumlr sieht die Luxem-
burger Deklaration va drei Pfade welche in ihrer Verknuumlpfung am effektivsten scheinen die
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Verbesserung der Arbeitsorganisation und der Arbeitsbedingungen die Staumlrkung der Partizi-
pation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und die Unterstuumltzung im Aufbau und der Wei-
terentwicklung persoumlnlicher Kompetenzen (vgl Unternehmensnetzwerk zur betrieblichen
Gesundheitsfoumlrderung in der Europaumlischen Union eV 2007 S 2)
Die Auswirkungen Betrieblicher Gesundheitsfoumlrderung sind mannigfaltig und durch Studien
belegt So kann hier aufgrund der verbesserten Gesundheit und der staumlrkeren Gesundheitsres-
sourcen eine Verringerung der Fehltage aufgrund von Krankheit angefuumlhrt werden Aber auch
die Wertschaumltzung und Fuumlrsorge durch den Betrieb koumlnnen eine staumlrkere Identifikation der
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit dem jeweiligen Unternehmen hervorrufen (vgl Si-
monHegerReszies 2011 S 3738) Dies hat ua ein besseres Arbeitsklima eine houmlhere Mo-
tivation und Arbeitszufriedenheit und daraus resultierend eine Steigerung der Produktivitaumlt
zur Folge (vgl Unternehmensnetzwerk zur betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung in der Euro-
paumlischen Union eV 2007 S 3) Diese positiven Effekte entfalten teilweise erst laumlngerfristig
ihre Wirkung Somit sind sie fuumlr das Unternehmen eine langfristige Investition die allerdings
Gefahr laumluft kurzfristigen betriebswirtschaftlichen Interessen entgegenzulaufen (vgl Rosen-
brockHartung 2015 oS)
Als Maszlignahmen der Betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung eignen sich sowohl verhaltens- als
auch verhaumlltnisbezogene Maszlignahmen Eine Kombination aus beiden waumlre im Sinne der
Ganzheitlichkeit durchaus gewinnbringend
Eine gesetzliche Verpflichtung fuumlr Unternehmen zur Betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung gibt
es fuumlr Unternehmen in Deutschland nicht Wie in Punkt 33 bereits erwaumlhnt ist der rechtliche
Zusammenhang in sect 20b Abs 1 Satz 2 SGB V geregelt bdquoHierzu erheben sie [die Kranken-
kassen MP] unter Beteiligung der Versicherten und der Verantwortlichen fuumlr den Betrieb
sowie der Betriebsaumlrzte und der Fachkraumlfte fuumlr Arbeitssicherheit die gesundheitliche Situation
einschlieszliglich ihrer Risiken und Potenziale und entwickeln Vorschlaumlge zur Verbesserung der
gesundheitlichen Situation sowie zur Staumlrkung der gesundheitlichen Ressourcen und Faumlhig-
keiten und unterstuumltzen deren Umsetzungldquo Nach sect 20 Abs 6 Satz 2 sind die Krankenkassen
dazu verpflichtet pro Versicherter und Versichertem 200 Euro im Jahr in Maszlignahmen zur
Betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung zu investieren
Obwohl der Nutzen Betrieblicher Gesundheitsfoumlrderung sowohl fuumlr die Belegschaft als auch
fuumlr das jeweilige Unternehmen selbst nachgewiesen ist (vgl RosenbrockHartung 2015 oS)
es sich also um eine Win-Win-Situation handelt ist ihre Verbreitung in Deutschland noch
eher gering Das liegt zum einen daran dass Unternehmen nicht zur Betrieblichen Gesund-
heitsfoumlrderung verpflichtet sind und diese daher auf Freiwilligkeit aller Akteure beruht Zum
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anderen liegt es daran dass es sich um einen vielschichtigen Prozess handelt der durch inter-
ne externe oumlkonomische oder betriebspolitische Veraumlnderungen beeintraumlchtigt werden kann
(vgl RosenbrockHartung 2015 oS)
Fuumlr eine gelingende BGF ist Partizipation unumgaumlnglich denn nur so wird sichergestellt dass
moumlglichst viele Akteure besonders die Zielgruppe der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter er-
reicht wird (SimonHegerReszies 2011 S 46) Ein wichtiges Element hierbei ist der sog
bdquoGesundheitszirkelldquo Dieser setzt sich zusammen aus Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des
Betriebs wobei moumlglichst verschiedene Arbeitsbereiche und Hierarchieebenen vertreten sein
sollten Die Groumlszlige sollte dabei uumlberschaubar bleiben zB zwischen fuumlnf und acht Teilneh-
menden evtl ergaumlnzt durch einen externen Experten Im Zuge einer angestrebten Versteti-
gung von Gesundheitsfoumlrderung im Betrieb sind regelmaumlszligige Treffen sinnvoll (vgl Si-
monHegerReszies 2011 S 64 ndash 69) Um eine moumlglichst umfassende Partizipation zu ge-
waumlhrleisten empfiehlt es sich den Gesundheitszirkel von Beginn an also der Phase der Pla-
nung mit einzubeziehen Fuumlr eine Gesundheitsfoumlrderung in WfbMs scheint eine analoge An-
wendung des Konzeptes Gesundheitszirkel sowohl moumlglich als auch sinnvoll um von Beginn
an partizipative Strukturen zu etablieren
352 Betriebliches Gesundheitsmanagement
In der Literatur wird der Begriff des Betrieblichen Gesundheitsmanagements sehr unter-
schiedlich interpretiert Schlummer interpretiert ihn beinahe synonym zur Betrieblichen Ge-
sundheitsfoumlrderung wobei lediglich der Faktor der Arbeitssicherheit eine staumlrke Beruumlcksichti-
gung im Gesundheitsmanagement findet (vgl Schlummer 2015 S 35) Die Luxemburger
Deklaration hingegen sieht Arbeits- und Gesundheitsschutz in Unternehmen als Teil der Be-
trieblichen Gesundheitsfoumlrderung (vgl Unternehmensnetzwerk zur betrieblichen Gesund-
heitsfoumlrderung in der Europaumlischen Union eV 2007 S 4) In der vorliegenden Arbeit wird
der Arbeits- und Gesundheitsschutz ebenfalls unter der Strategie der Betrieblichen Gesund-
heitsfoumlrderung gesehen da er dem Verstaumlndnis von BGF als bdquoMaszlignahmen von Arbeitgebern
Arbeitnehmern und Gesellschaft zur Verbesserung von Gesundheit und Wohlbefinden am
Arbeitsplatzldquo (Unternehmensnetzwerk zur betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung in der Europauml-
ischen Union eV 2007 S 2) entspricht Fuumlr die Abgrenzung zwischen den beiden Begriffen
scheint dieser Aspekt zweitrangig Im Vordergrund liegt eher der jeweilige Charakter der
Strategie
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Gesundheitsmanagement in Betrieben kann als bdquo[b]ewusste Steuerung und Integration aller
betrieblichen Prozesse mit dem Ziel der Erhaltung und Foumlrderung der Gesundheit und des
Wohlbefindens der Beschaumlftigtenldquo (HannackRaumlder 2011 S 434) gesehen werden Dieses
Konzept scheint mit Vor- und Nachteilen einherzugehen Da saumlmtliche betriebliche Prozesse
die als der Gesundheit foumlrderlich gelten hierunter fallen sind auch individuelle Maszlignahmen
wie bspw das Betriebliche Eingliederungsmanagement nach sect 84 Abs 2 SGB IX mit inbe-
griffen Bei diesem geht es in erster Linie nicht um eine Erhaltung oder Verbesserung der
Gesundheit sondern um eine Vorbeugung von Arbeitsunfaumlhigkeit undoder den Erhalt eines
Arbeitsplatzes Ebenfalls positiv kann die Implementierung gesundheitsorientierter Prozesse
und Strukturen in das generelle Management eines Unternehmens gesehen werden Dadurch
scheint auszligerdem die Dauerhaftigkeit von gesundheitsfoumlrderlichen Maszlignahmen besser er-
reichbar als bei der BGF Hier haben Maszlignahmen meist den Charakter eines zeitlich befriste-
ten Projektes (vgl SlesinaBohley 2011 S 627) Der groszlige Nachteil des Betrieblichen Ge-
sundheitsmanagements liegt in der Gefahr dass sog top-down-Strukturen die Uumlberhand ge-
winnen (vgl Faller 2010 S 25 zit nach RosenbrockHartung 2015 oS) Top-down-
Strukturen in der Gesundheitsfoumlrderung zeichnen sich dadurch aus dass eine Person von
bdquoobenldquo eine Maszlignahme einleitet und im schlimmsten Fall bdquoaufoktroyiertldquo Dies kann mangels
Partizipation der Zielgruppe zu Ablehnung bei dieser fuumlhren
Fuumlr eine Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung in WfbMs scheint ndash zumin-
dest im Moment ndash der Weg der BGF geeigneter Hier sind zum einen in der Theorie groszlige
Potentiale fuumlr Partizipation gegeben Zum anderen ist das Thema der systematischen Gesund-
heitsfoumlrderung mit behinderten Menschen in Institutionen der Behindertenhilfe bisher kaum
verbreitet (siehe 44) Eine sofortige Implementierung des Betrieblichen Gesundheitsmana-
gements wuumlrde die meisten Einrichtungen uumlberfordern und vor den Kopf stoszligen Auf lange
Sicht scheint dies aber ein wuumlnschenswertes Ziel zu sein welches Schritt fuumlr Schritt erreicht
werden sollte
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4 Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung
Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen ist bisher in der Praxis der sog bdquoBehinder-
tenhilfeldquo6 nur aumluszligert selten integriert In der wissenschaftlichen Literatur sind in den letzten
Jahren einige Beitraumlge erschienen die sich diesem Thema widmen Es soll nun zuerst darge-
stellt werden in welchem Verhaumlltnis Gesundheit und Behinderung zueinander stehen bevor
auf die Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen eingegangen wird Der Fokus dieser
Arbeit liegt auf der Gesundheitsfoumlrderung in WfbMs In diesem Zusammenhang wird der
Stand der Literatur kurz dargestellt eine kurze Analyse von Leitbildern einzelner Werkstaumltten
vorgenommen und einige Stimmen aus der Praxis wiedergegeben Aufgrund des knappen
Rahmens dieser Arbeit muss sich dies auf das Bundesland Berlin beschraumlnken und erhebt kei-
nen Anspruch auf empirische Vollstaumlndigkeit Vielmehr versteht es sich als eine kleine Feld-
befragung die als ein erster Impuls gesehen werden kann
41 Behinderte Menschen und Gesundheit und Krankheit ndash sozialmedizinische Erkenntnisse
Zunaumlchst muss festgehalten werden dass eine Behinderung keine Krankheit ist Auch ein
schwer behinderter Mensch kann sich sehr gesund fuumlhlen Der wesentliche Unterschied zwi-
schen einer Behinderung und einer Krankheit liegt darin dass bei einer Behinderung die Teil-
habe am Leben in der Gesellschaft langfristig beeintraumlchtigt ist bei einer Erkrankung hinge-
gen nicht oder nur kurzfristig7 Das hier vorliegende Verstaumlndnis in der Unterscheidung bei-
der Begriffe ist vordergruumlndig eher ein soziales denn eine medizinische Abgrenzung
Es existieren verschiedene und teilweise weitreichende gesundheitliche Unterschiede zwi-
schen Menschen mit Behinderungen und Menschen ohne Behinderungen Um diese auch in
ihrem Ursprung erklaumlren zu koumlnnen reicht der bdquotraditionelleldquo bio-medizinische Blick nicht
aus da er zu kurz greift Er muss um die sozialmedizinische Sichtweise ergaumlnzt werden
An dieser Stelle sollte allerdings darauf hingewiesen werden dass die folgende Darstellung
den Gesundheitszustand groszliger heterogener Gruppen von Menschen abbildet und die ge-
troffenen Aussagen daher nicht auf jeden Einzelfall anwendbar sind
6 Dieser Begriff impliziert durch den Wortteil bdquo-hilfeldquo ein Maumlchteungleichgewicht welches einer wahren Parti-
zipation der behinderten Menschen im Wege steht 7 Sollte eine chronische Krankheit einen Menschen in seiner Teilhabe langfristig einschraumlnken kann sie durch-
aus auch als Behinderung gesehen werden
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Der Teilhabebericht des Bundesministeriums fuumlr Arbeit und Soziales (BMAS) kommt zu dem
Ergebnis dass Menschen mit Behinderungen ihre Gesundheit haumlufig schlechter einschaumltzen
als Menschen ohne Behinderungen Dies gilt auch fuumlr das psychische Wohlbefinden welches
im ganzheitlichen Verstaumlndnis von Gesundheit das dieser Arbeit zugrunde liegt (siehe 22)
ebenfalls Teil der Gesundheit ist Auch hat ein Mensch mit Behinderung in Deutschland im
Durchschnitt mehr Krankheitstage8 als ein nicht behinderter Mensch Menschen mit Behinde-
rung konsultieren statistisch betrachtet in einem bestimmten Zeitraum haumlufiger einen Arzt als
die durchschnittliche Bevoumllkerung Dies duumlrfte ua an dem als schlechter wahrgenommenen
Gesundheitszustand liegen aber auch an der Komorbiditaumlt bestimmter Behinderungen Bzgl
des Rauchverhaltens Alkoholkonsums und einer gesundheitsbewussten Ernaumlhrung bestehen
nur relativ geringe Unterschiede zur Gesamtbevoumllkerung Auffaumlllig ist lediglich dass die
Gruppe der 18- bis 29-Jaumlhrigen Menschen mit Behinderung zu einem houmlheren Anteil regel-
maumlszligig raucht Alkohol trinkt und seltener auf gesunde Ernaumlhrung achtet In den anderen Al-
tersgruppen bestehen kaum nennenswerte Unterschiede (vgl BMAS 2013 S 192 ndash 204)
Menschen mit Behinderungen haben im Durchschnitt eine geringere Lebenserwartung wobei
es hier Unterschiede zwischen einzelnen Syndromen gibt (vgl MarksSisirakHeller 2010
S 3) Bei einigen kann die jeweilige Behinderung selbst der Ausloumlser sein jedoch besteht
besonders bei Menschen mit Lernschwierigkeiten die Gefahr dass Krankheiten nicht richtig
erkannt oder nur unzureichend behandelt werden (vgl Lennox 2002 S 230) Ausschlagge-
bend hierfuumlr duumlrfte sein dass im Gesundheitsbereich verschiedenste Barrieren existieren Zum
Beispiel ist nur ein Teil der Arztpraxen barrierefrei wobei besonders haumlufig passende Unter-
suchungsmoumlbel und Informationsmaterial in Leichter Sprache fehlen (vgl BMAS 2013
S 200201) Ebenfalls negativ wirkt sich aus dass Aumlrzte teilweise unsicher im Umgang mit
Menschen mit Lernschwierigkeiten sind und diese zT auszligerdem ihre Symptome nicht praumlzi-
se genug beschreiben koumlnnen oder uumlber eine geringer differenzierte Wahrnehmung des eige-
nen Koumlrpers verfuumlgen als Menschen ohne Behinderung (vgl SchmidtReker 2014 S 28)
Des Weiteren haben Menschen mit Lernschwierigkeiten statistisch gesehen haumlufiger Uumlberge-
wicht als der Durchschnitt der Bevoumllkerung Hier muss jedoch beruumlcksichtigt werden dass
mit bestimmten Syndromen wie bspw dem Down-Syndrom ein veraumlnderter Energiebedarf
aufgrund der geringeren Muskelspannung einhergeht oder das Saumlttigungsgefuumlhl zB beim
Prader-Willi-Syndrom veraumlndert ist (Beange 2002 S 3) Die houmlhere Wahrscheinlichkeit des
Uumlbergewichts besteht statistisch gesehen sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen mit
8 Krankheitstage werden an dieser Stelle des Bundesteilhabeberichtes verstanden als Tage in denen der Mensch
sich subjektiv zu krank gefuumlhlt hat um seinen normalen privaten und beruflichen Taumltigkeiten nachzugehen
21
Lernschwierigkeiten (vgl Reuter 2009 S 13) Eine moumlgliche Ursache hierfuumlr kann auch in
der Tatsache gesehen werden dass Menschen mit Behinderungen durchschnittlich seltener
Sport treiben als nicht behinderte Menschen (vgl BMAS 2013 S 221222)
Ein weiterer bedeutender Zusammenhang zwischen Krankheit und Behinderung ist dass viele
Behinderungen im Sinne von Einschraumlnkungen in der gesellschaftlichen Teilhabe wie auch im
gesetzlichen Verstaumlndnis nach dem SGB IX Folgen von schweren undoder chronischen
Krankheiten sind (vgl SchmidtReker 2014 S 26)
Trotz allem muumlssen auch die vorhandenen Gesundheitspotentiale behinderter Menschen be-
ruumlcksichtigt werden denn an ihnen kann eine gelingende Gesundheitsfoumlrderung ansetzen (vgl
Altgeld 2008 S 8)9 Ein ressourcenorientierter Blick achtet besonders auf die verschiedenen
Potentiale die jedem Menschen (oder auch einer Gruppe von Menschen) innewohnen
Das Verhaumlltnis zwischen Gesundheit und Behinderung haumlngt in Deutschland und vielen Tei-
len der sog westlichen Welt aus sozialmedizinischem Blickwinkel nach wie vor so zusam-
men bdquoWhile a large number of individuals who are in bad health end up with a disability a
large number of persons with disabilities end up with bad healthldquo10
(Rimmer 2009 zit nach
MarksSisirakHeller 2010 S 31) Dieser Chiasmus verdeutlicht zusammenfassend nicht nur
die vorherrschende enge Verbindung zwischen schlechterer Gesundheit und Behinderung
sondern impliziert auch die Notwendigkeit von Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Be-
hinderungen Wie in 31 beschrieben hat Gesundheitsfoumlrderung auch den Abbau gesundheit-
licher Chancenungleichheit zum Ziel
42 Erreichbarkeit von Menschen mit Behinderungen fuumlr gesundheitsfoumlrdernde Maszlignahmen
Fuumlr die Gesundheitsfoumlrderung gelten Menschen mit Behinderungen als schwer zu erreichen
Es sollen nun die wesentlichen Probleme aber auch die vorhandenen Potentiale beschrieben
werden
9 Altgeld bezieht sich in seiner Analyse auf den Gesundheitsmonitor 2007 der Bertelsmann Stiftung Da dieser
Menschen mit Lernschwierigkeiten nicht mit einbezieht sondern vorwiegend koumlrper- und sinnesbeeintraumlchtige
Menschen beruumlcksichtigt koumlnnen seine Schlussfolgerungen nicht fuumlr die gesamte sehr heterogene Gruppe der
behinderten Menschen angewendet werden 10
Waumlhrend eine groszlige Anzahl an Personen welche eine schlechte Gesundheit besitzen eine Behinderung er-
langt erlangt eine groszlige Anzahl an Personen mit Behinderungen eine schlechte Gesundheit (Uumlbersetzung des
Verfassers)
22
421 Probleme bei der Erreichbarkeit
In den bundesweiten Untersuchungen wie bspw dem Sozio-oumlkonomischen Panel (SOEP)
oder Gesundheit in Deutschland aktuell (GEDA) werden Menschen mit Lernschwierigkeiten
idR nicht erreicht Dies hat zur Folge dass sowohl gesundheitliche Potentiale als auch Be-
duumlrfnisse und Bedarfe von Menschen mit Lernschwierigkeiten in der Gesundheitsfoumlrderung
weitgehend unerkannt und dadurch ausgeklammert bleiben (vgl Burtscher 2014 S 4)
Generell gelten behinderte Menschen bisher als schwer zu erreichen fuumlr Maszlignahmen zur Ge-
sundheitsfoumlrderung was verschiedene Gruumlnde hat Sozial benachteiligte Menschen sind sehr
haumlufig eine schwer erreichbare Zielgruppe fuumlr die Gesundheitsfoumlrderung Maszlignahmen auf der
gesamtgesellschaftlichen Ebene werden eher von Menschen mit houmlherem sozialen Status an-
genommen (Hurrelmann 2006 S 164) und erst spaumlter von sozial Benachteiligten internali-
siert Es waumlre jedoch ein Fehler Menschen mit Behinderungen automatisch zur Gruppe der
sozial benachteiligten Menschen zu rechnen Jedoch zeigt der Bundesteilhabebericht dass
behinderte Menschen haumlufiger erwerbslos sind und durchschnittlich weniger Gehalt verdienen
(BMAS 2013 S 141 ndash 149) Dass die finanzielle Lage von Beschaumlftigten der WfbMs beson-
ders prekaumlr ist wird im Punkt 43 naumlher erlaumlutert Diese soziooumlkonomischen Merkmale sind
jedoch nur ein Aspekt Auch gilt es zu bedenken dass besonders Maszlignahmen auf der Verhal-
tensebene bei sozial benachteiligten Menschen oft wenig angenommen werden da sie mit den
eigenen dauerhaften Lebensvorstellungen nicht uumlbereinstimmen (vgl Hurrelmann 2006
S 164) So nehmen Menschen mit Behinderung nur sehr selten an Angeboten oumlffentlicher
Einrichtungen wie bspw Volkshochschulkursen oder Rehabilitations-Sport-Maszlignahmen teil
(vgl Burtscher 2014 S 5)
Ein weiterer Punkt ist dass das Thema Gesundheitsfoumlrderung in der Behindertenarbeit traditi-
onell kaum etabliert war Laut einer Studie aus dem Jahr 2004 sehen Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter in Behinderteneinrichtungen haumlufig wenig Relevanz in Sport Bewegung und Er-
naumlhrung fuumlr die Foumlrderung der Gesundheit behinderter Menschen Daruumlber hinaus schreiben
sie auch Selbstbewusstsein Selbststaumlndigkeit und Selbstbestimmung nur eine untergeordnete
Rolle zu (vgl Gembris-Nuumlbel 2004 S 144) Allerdings besteht die Chance dass diese Ein-
stellung sich in den letzten zehn Jahren veraumlndert hat Die Ergebnisse der im Rahmen dieser
Arbeit durchgefuumlhrten Feldbefragung geben Anlass zu dieser Annahme (siehe 443) Auszliger-
dem ist fuumlr viele Menschen mit Lernschwierigkeiten der Zugang zu Informationen welche
Gesundheitsfoumlrderung thematisieren nur schwer moumlglich Hier sind folglich Vermittlung und
Unterstuumltzung oft notwendig (vgl Gembris-Nuumlbel 2004 S 82)
23
Auch von der Politik wird das Thema der Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen
bisher nur sehr selten thematisiert Seltene Ausnahmen wie zB die 22 Landesgesundheits-
konferenz in Nordrhein-Westfalen weisen jedoch auf die Wichtigkeit von Gesundheitsfoumlrde-
rung hin welche die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben verbessern kann (vgl Ministerium
fuumlr Gesundheit Emanzipation Pflege und Alter des Landes Nordrhein-Westfalen 2013
S 31) Hervorgehoben wird hier auch die (zukuumlnftige) Gestaltung der Informationen damit
diese fuumlr alle zugaumlnglich sind Des Weiteren soll auch das Bewusstsein saumlmtlicher Beteiligten
im Bereich der Gesundheitsfoumlrderung sensibilisiert werden (vgl Ministerium fuumlr Gesundheit
Emanzipation Pflege und Alter des Landes Nordrhein-Westfalen 2013 S 32)
Schon im Grundschulalter werden behinderte Kinder oft nicht erreicht da Gesundheitsfoumlrde-
rung sehr haumlufig nur in Regelgrundschulen und weiterfuumlhrenden Schulen und nicht in separie-
renden Foumlrderschulen stattfindet (vgl Reuter 2009 S 1819)
422 Potentiale fuumlr die Erreichbarkeit
Allerdings muumlssen auch die Potentiale betrachtet werden die fuumlr eine Erreichbarkeit behin-
derter Menschen zur Gesundheitsfoumlrderung vorhanden sind Auch diese bestehen in allen Al-
tersgruppen zB im fruumlhen Schulalter Im Zuge der Inklusion bei der immer mehr Kinder
mit Behinderungen in Regelschulen unterrichtet werden ist zu hoffen dass sie zukuumlnftig haumlu-
figer an Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung teilhaben koumlnnen Solange es (noch) Foumlrder-
schulen gibt muss auch auf deren (oft ungenutztes) Potential fuumlr gesundheitsfoumlrdernde Maszlig-
nahmen hingewiesen werden das in ihrer oft ganztaumlgigen Betreuung und den damit verbun-
denen Ressourcen liegt
Nicht nur in der Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Kindern sind bereits Potentiale vor-
handen Generell weisen Gesundheitsfoumlrderung und Behindertenarbeit sehr groszlige Gemein-
samkeiten in Sprache Prinzipien und Zielen auf Beide zielen letztendlich ab auf Inklusion
Partizipation Empowerment Entwicklung persoumlnlicher Faumlhigkeiten Einbindung in die Ge-
meinde die Neuorientierung von Gesundheitsdienstleistungen und die Foumlrderung von Um-
welten welche Gesundheit und Lebensqualitaumlt verbessern (vgl Lennox 2002 S 231) Es soll
auch darauf hingewiesen werden dass viele behinderte Menschen sehr an Informationen uumlber
Gesundheit interessiert sind und aktiv nach Informationen suchen (vgl Altgeld 2008 S 8)
Abschlieszligend laumlsst sich auffuumlhren dass gerade der Setting-Ansatz wie er in Punkt 34 darge-
stellt wurde eine sehr gute Moumlglichkeit bietet Menschen mit Behinderungen zu erreichen Er
24
bietet einen Zugangspunkt und kann Ausgangslage sein sowohl fuumlr verhaltens- als auch fuumlr
verhaumlltnisorientierte Maszlignahmen zur Foumlrderung der Gesundheit von Menschen mit Behinde-
rungen
Obwohl behinderte Menschen in der Vergangenheit nur selten gezielt an Maszlignahmen zur
Gesundheitsfoumlrderung beteiligt wurden sind doch einige Potentiale vorhanden an denen an-
zuknuumlpfen lohnenswert scheint
43 Das Setting Werkstatt fuumlr behinderte Menschen
WfbMs sind spezielle Einrichtungen fuumlr Menschen mit Behinderungen die nach dem SGB IX
als behindert gelten (siehe 21) Nach sect 136 SGB IX dienen diese Einrichtungen der bdquoTeilhabe
behinderter Menschen am Arbeitsleben [hellip] und zur Eingliederung in das Arbeitslebenldquo
Dadurch sind sie nicht Teil des allgemeinen Arbeitsmarktes da ihre Beschaumlftigten bdquowegen
Art oder Schwere der Behinderung nicht noch nicht oder noch nicht wieder auf dem allge-
meinen Arbeitsmarkt beschaumlftigt werden koumlnnenldquo (sect 136 Abs 1 SGB IX) Ihr Ziel ist es be-
hinderte Menschen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt vorzubereiten Die Beschaumlftigten arbei-
ten in verschiedensten Bereichen zB im Handwerk oder in Taumltigkeiten der elektronischen
Datenverarbeitung je nach persoumlnlicher Neigung Da es sich um kein typisches sozialversi-
cherungspflichtiges Arbeitsverhaumlltnis handelt sondern um ein bdquoarbeitnehmeraumlhnliches
Rechtsverhaumlltnisldquo11
(sect 138 SGB IX) bekommen die Beschaumlftigten keinen Lohn der dem
Mindestlohn entspricht Nach sect 138 SGB IX setzt sich ihr Arbeitsentgelt zusammen aus ei-
nem Grundbetrag und einem leistungsbemessenen Steigerungsbetrag Im Jahr 2011 verdiente
ein Beschaumlftigter im Durchschnitt 180 Euro monatlich (vgl BAG WfbM 2014) bei 35 bis 40
Arbeitsstunden pro Woche Von einer groszligen Steigerung in den letzten Jahren ist nicht auszu-
gehen Somit benoumltigen Beschaumlftigte einer WfbM idR neben ihrem Arbeitsentgelt Grundsi-
cherung Dies hat zur Folge dass sie haumlufig in prekaumlren soziooumlkonomischen Verhaumlltnissen
leben
Jede Werkstatt ist soziologisch betrachtet ein eigenes System mit individuellen Merkmalen
die unter anderem vom Standort dem Fachpersonal dem Traumlger und den Beschaumlftigten ge-
kennzeichnet sind (vgl SchlummerSchuumltte 2006 S 81) Gesetzlich festgelegt ist in sect 139
11
Begruumlndet wird dieses Rechtsverhaumlltnis haumlufig durch den Kuumlndigungsschutz Eine Werkstatt kann einen
Werkstattvertrag mit einer Beschaumlftigten oder einem Beschaumlftigten nur in seltenen Faumlllen gegen ihren oder sei-
nen Willen aufheben
25
SGB IX dass die Beschaumlftigten aus ihrer Mitte heraus regelmaumlszligig einen Werkstattrat waumlhlen
Genaueres regelt hier die Werkstaumltten-Mitwirkungsverordnung (WMVO) Wie ihr Name al-
lerdings schon sagt handelt es sich hier um die Moumlglichkeit der Mitwirkung nicht der Mitbe-
stimmung Diese kann nur erreicht werden wenn Werkstatt und Werkstattrat nach sect 5 Abs 4
WMVO eine weitergehende Vereinbarung treffen Zu den Aufgaben des Werkstattrates ge-
houmlrt es die Interessen der Beschaumlftigten in verschiedenen Angelegenheiten gegenuumlber der
Werkstatt zu vertreten Diese sind in sect 5 Abs 1 WMVO aufgelistet Die Werkstatt muss den
Werkstattrat auszligerdem informieren wenn sie eine Maszlignahme durchfuumlhrt in der der Werk-
stattrat ein Mitwirkungsrecht besitzt12
Sollte kein Einverstaumlndnis in einer Beratung erzielt
werden koumlnnen beide Seiten sich an eine Vermittlungsstelle wenden (sect 5 Abs 3 WMVO)
Das tatsaumlchliche Ausmaszlig der Mitwirkung ist jedoch stets von der Werkstattleitung abhaumlngig
Solch eine fehlende gesetzliche Verankerung von Mitbestimmung steht der Partizipation be-
hinderter Menschen im Wege welche sowohl fuumlr die gesellschaftliche Inklusion als auch die
Gesundheitsfoumlrderung immens wichtig ist
44 Gesundheitsfoumlrderung in Werkstaumltten fuumlr behinderte Menschen
Zunaumlchst gilt es sich einen Uumlberblick uumlber den aktuellen Stand von Gesundheitsfoumlrderung in
WfbMs zu verschaffen Einen ersten Einblick soll die dazu vorhandene Literatur liefern Da-
nach soll ein Abgleich dieser mit der Praxis stattfinden der sich aufgrund des gesetzten Rah-
mens dieser Arbeit nur auf einige Werkstaumltten des Bundeslandes Berlin konzentriert Hierfuumlr
werden jeweils die Leitbilder untersucht und Stimmen aus der Werkstatt ausgewertet
441 Recherche zum aktuellen Stand
Die Literatur zum Thema Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen in WfbMs ist
noch sehr duumlnn Vollstaumlndig ausgearbeitete Konzepte gibt es bisher nicht veroumlffentlicht wur-
den Berichte von abgeschlossenen oder noch laufenden Projekten Werner Schlummer wis-
senschaftlicher Mitarbeiter der Universitaumlt zu Koumlln begleitete ein Projekt zum Betrieblichen
12
Eine ausfuumlhrliche Beschreibung der Mitwirkungs- und Unterrichtungsrechte des Werkstattrates ist bei
SchlummerSchuumltte 2006 S 71 ndash 82 nachzulesen
26
Gesundheitsmanagement13
in einer WfbM zusammen mit acht Studierenden der Universitaumlt
(vgl Schlummer 2015 S 33) Auch das Projekt GESUND als Teilprojekt von PartKomm-
Plus (Forschungsverbund fuumlr gesunde Kommunen) wird wissenschaftlich durch die Katholi-
sche Hochschule fuumlr Sozialwesen begleitet (vgl Burtscher 2014 S 6)
Als Ausnahme kann das Projekt bdquoSelbstbestimmt gesuumlnderldquo im Rahmen des Programmes
bdquoHealthy Athletesldquo gesehen werden Hier bringt Special Olympics Deutschland eV Maszlig-
nahmen zur Gesundheitsfoumlrderung in die Lebenswelten behinderter Menschen Bei Healthy
Athletes werden Sportlerinnen und Sportler bei Veranstaltungen von Special Olympics kos-
tenlose Beratungen und Kontrolluntersuchungen angeboten Diese Angebote werden jedoch
auch auf Wohnheime und WfbMs ausgeweitet (vgl Special Olympics Deutschland a) S 2
eigene Paginierung) Auch das Projekt bdquoSelbstbestimmt gesuumlnderldquo bringt gesundheitsfoumlrdern-
de Maszlignahmen in Werkstaumltten Dabei werden bdquoTeilnehmern individualisierte Handlungsemp-
fehlungen zum Gesundheitsverhalten zur Verfuumlgung gestelltldquo (Special Olympics Deutschland
b) oS) Das Projekt setzt auszligerdem auf die Wirkung von Peer-Multiplikatorinnen und
-Multiplikatoren
Weitere Projekte sind trotz intensiver Recherche nicht bekannt Auch die Bundesarbeitsge-
meinschaft Werkstaumltten fuumlr behinderte Menschen eV (BAG WfbM) hat auf ihrer Homepa-
ge14
keinen Artikel zur Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung in WfbMs
Gibt man in der Suchmaske bdquoGesundheitsfoumlrderungldquo ein erhaumllt man zwei Ergebnisse einen
Artikel uumlber ein neu entwickeltes Computerspiel das von Kindern mit unterschiedlichen Be-
hinderungen gespielt werden kann und einen Artikel zum Qualifizierungsprogramm bdquoGe-
sundheitsfoumlrderung durch Schluumlsselqualifikationenldquo das sich nicht an Beschaumlftigte sondern
an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in WfbMs richtet Dies legt den Schluss nahe dass Ge-
sundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen in WfbMs bisher kaum verbreitet ist
Das Thema Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung als solches wurde in den
letzten Jahren zunehmend in der Literatur behandelt wobei die Anzahl der Veroumlffentlichun-
gen nach wie vor auf einem uumlberschaubaren Stand ist
13
Schlummers Verstaumlndnis von Betrieblichem Gesundheitsmanagement und Betrieblicher Gesundheitsfoumlrderung
sind beinahe synonym Das beschriebene Projekt kann daher im erweiterten Rahmen durchaus als Projekt zur
Gesundheitsfoumlrderung gesehen werden 14
httpwwwbagwfbmde (Stand 11112015)
27
442 Konzepte und Leitbilder von Einrichtungen der Praxis
Betrachtet werden vier verschiedene WfbMs und ihre Leitbilder Es handelt sich um die vier
Werkstaumltten von denen auch im Rahmen der Feldbefragung Stimmen einer Mitarbeiterin oder
eines Mitarbeiters und zT von Beschaumlftigten gewonnen werden konnten (siehe 443 und
Anhang Nr 2)
Aufgrund der jeweiligen Traumlgerstrukturen besitzt lediglich eine der Werkstaumltten15
als solche
ein eigenes Leitbild Bei den anderen drei Werkstaumltten muss auf das Leitbild des jeweiligen
Traumlgers zuruumlckgegriffen werden Das Thema der Gesundheit der Klientinnen und Klienten
bzw Werkstattbeschaumlftigten wird allerdings in keinem Leitbild thematisiert Auch die Such-
funktionen auf den jeweiligen Homepages bzw intensive Recherchen auf diesen brachten
keine Ergebnisse zum Stichwort bdquoGesundheitsfoumlrderungldquo Daraus laumlsst sich schlieszligen dass
Gesundheitsfoumlrderung der Werkstattbeschaumlftigten in den theoretischen Konzeptionen von
WfbMs meist nicht verankert ist
443 Gesundheitsfoumlrderung in der alltaumlglichen Praxis der Werkstaumltten ndash eine kleine Feldbe-
fragung
Im Rahmen des Informationstages der Berliner Landesarbeitsgemeinschaft Werkstaumltten fuumlr
behinderte Menschen eV (LAG WfbM) am 17112015 im Estrel Hotel Berlin wurden je-
weils eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter von vier verschiedenen WfbMs zum Thema Ge-
sundheitsfoumlrderung mit den Beschaumlftigten in der Werkstatt befragt (siehe Anhang Nr 2) Die
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben alle eine vergleichbare Position Begleitender Dienst
Paumldagogischer Dienst oder Sozialdienst In einer der Werkstaumltten konnten uumlberdies auch
Stimmen von Beschaumlftigten gewonnen werden16
Die Ergebnisse weisen keine empirische
Repraumlsentativitaumlt auf da der knappe Rahmen dieser Arbeit eine repraumlsentative empirische
Forschungsarbeit kaum zulaumlsst Die Befragungen sollen dazu dienen einen Einblick in den
Alltag der WfbMs zu ermoumlglichen und die in der Literatur und den Leibildern gewonnenen
Perspektiven zu erweitern
15
Aus Gruumlnden des Datenschutzes duumlrfen in der hier publizierten Version die Namen der Werkstaumltten nicht
genannt werden 16
In zwei der Werkstaumltten konnten keine Stimmen von Beschaumlftigten erhoben werden da eine Befragung in der
Werkstatt von den befragten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern abgelehnt wurde Der Mitarbeiter der dritten
Werkstatt signalisierte zwar waumlhrend der Befragung Zustimmung jedoch fehlte diese spaumlter von Seiten der Lei-
tung
28
Der Begriff bdquoGesundheitsfoumlrderungldquo wird von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sehr
unterschiedlich interpretiert Die Spannbreite liegt von einem Verstaumlndnis aumlhnlich des hier
dargelegten bis hin zu therapeutischer und rehabilitativer Foumlrderung Die angebotenen Maszlig-
nahmen welche einer Foumlrderung der Gesundheit dienen sollen sind jedoch bei allen aumlhnlich
Meist handelt es sich um Musik- Sport- und Bewegungsangebote die im Rahmen von sog
Begleitenden Maszlignahmen verankert sind Daruumlber hinaus werden auch entlastende Bewegun-
gen in den Arbeitsgruppen angeboten und ein Gesundheitstag in Kooperation mit Special
Olympics Deutschland geplant (eine Werkstatt) Eine andere Werkstatt kooperiert mit der
Fitnessstudiokette Fitness First Kurse zu gesunder Ernaumlhrung und Kochen werden teilweise
angeboten oder sind in Planung Nach Aussagen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden
die Maszlignahmen meist gut angenommen In einer Werkstatt wird sogar gemeinsam mit dem
Werkstattrat an einer Peer-Beratung gearbeitet mit der den Beschaumlftigten der Zugang zu den
Themen Bildung und Gesundheit verbessert werden soll Schwierigkeiten bestehen besonders
bzgl der Raumlume zB bei Turnhallen fuumlr Fuszligball
Eine Partizipation bei der Entwicklung von Angeboten ist nur teilweise gegeben Es wird
zwar in allen befragten Werkstaumltten nach Interessen der Beschaumlftigten gefragt und dement-
sprechend die Kurse angeboten jedoch besteht nur selten die Moumlglichkeit fuumlr die Beschaumlftig-
ten aktiv den jeweiligen Kurs durch eigene Entscheidungen mitzugestalten In einer Werk-
statt ist das bspw abhaumlngig von der Kursart von der Kursleiterin bzw dem Kursleiter und
vom Konzept Evaluiert werden die Angebote meist nur durch Nachfrage in den idR jaumlhr-
lich stattfindenden Entwicklungsgespraumlchen mit den einzelnen Beschaumlftigten und teilweise
daruumlber hinaus mit Fragebogen oder durch die Kursleiterin bzw den Kursleiter Eine Werk-
statt fuumlhrt sogar Statistiken zur Nachfrage Eine partizipative Evaluation findet in keiner der
befragten Werkstaumltten statt
Die befragten Beschaumlftigten einer der Werkstaumltten zeigten sich mit dem Angebot an gesund-
heitsfoumlrdernden Maszlignahmen groumlszligtenteils sehr zufrieden und empfanden die Anzahl der An-
gebote als meist genuumlgend Geaumluszligert wurde lediglich der Wunsch nach weiteren Angeboten
zu gesunder Ernaumlhrung und nach einem besseren Angebot an gesunden Speisen Das Ver-
staumlndnis von Gesundheitsfoumlrderung ist unterschiedlich Auffaumlllig ist dass auf der einen Seite
Aumlrzte und Besuche bei diesen wichtig scheinen gleichzeitig aber auch das Achten auf die
eigene Gesundheit als Teil der Gesundheitsfoumlrderung gilt Besonders letzterer Aspekt weist
darauf hin dass bei den Befragten ein gewisses Grundverstaumlndnis von Gesundheitsfoumlrderung
vorhanden ist das dem in dieser Arbeit verwendeten aumlhnelt Die Wichtigkeit der aumlrztlichen
29
Betreuung laumlsst jedoch zugleich auch auf ein eher bdquotraditionellesldquo bio-medizinisches Gesund-
heitsverstaumlndnis schlieszligen
Als angebotene Maszlignahmen werden meist Sport- und Bewegungsangebote genannt aber
auch eine Apfelpause um kurz von der Arbeit entspannen zu koumlnnen Daruumlber hinaus gab es
Angebote zur Fuszlighygiene und zur Zahn- und Augengesundheit Hier ist der Uumlbergang zwi-
schen Gesundheitsfoumlrderung und Praumlvention flieszligend Bzgl (zukuumlnftiger) Angebote werden
die Beschaumlftigten nach ihren Wuumlnschen gefragt aber eine wirkliche Mitbestimmung in Kon-
zeption und Planung dieser scheint nicht gegeben Auch bei der Evaluation findet bisher keine
Partizipation statt Die Befragung hat jedoch den bisherigen Eindruck bestaumltigt dass gesund-
heitsfoumlrdernde Maszlignahmen in WfbMs von behinderten Menschen durchaus nachgefragt wer-
den und die Werkstaumltten versucht sind im Rahmen der begleitenden Maszlignahmen ein sehr
breites Feld abzudecken Negativ scheint besonders das weitgehende Fehlen partizipativer
Strukturen
In den Werkstaumltten werden viele Angebote im Rahmen begleitender Maszlignahmen offeriert die
fuumlr die Gesundheit foumlrderlich sind Als Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung die die Prinzi-
pien der BVPG verinnerlichen koumlnnen sie jedoch nicht gesehen werden da zB die Partizipa-
tion eine eher untergeordnete Rolle spielt und die Thematik meist auf Sport- und zT Ernaumlh-
rungsangebote beschraumlnkt bleibt Auch werden die Effekte der Maszlignahmen nicht evaluiert
Entspannungsangebote werden nur selten angeboten und der Fokus richtet sich meist nur auf
die koumlrperliche Gesundheit
Daruumlber hinaus zeigt die Befragung aber auch welch groszliges Potential zur Gesundheitsfoumlrde-
rung in den Werkstaumltten liegt Mit den begleitenden Maszlignahmen sind Strukturen verankert in
denen Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung leicht integriert werden koumlnnen Offenheit fuumlr
Kooperationen scheint vielfach gegeben (zB mit Special Olympics Deutschland Fitness
First) sodass auch eine Kooperation mit den Krankenkassen und weiteren Partnern vorstell-
bar scheint Dies wuumlrde den Vorteil finanzieller Foumlrderung und Expertise durch Erfahrungen
mit bereits durchgefuumlhrten Maszlignahmen einbringen Die befragten Mitarbeiterinnen und Mit-
arbeiter schienen Gesundheitsfoumlrderung gegenuumlber prinzipiell sehr positiv eingestellt
Auch wenn in den Leitbildern und auf den Homepages Gesundheitsfoumlrderung nicht themati-
siert wird gibt es in der Praxis schon verschiedene Maszlignahmen und Projekte mit der Intenti-
on die Gesundheit der Beschaumlftigten zu verbessern
30
45 Anregungen fuumlr die Praxis
Vor dem Hintergrund der zu Rate gezogenen Literatur und den gewonnen Erkenntnissen
durch die Feldbefragung werden nun einige Uumlberlegungen fuumlr die Praxis einer gelingenden
Gesundheitsfoumlrderung getroffen Diese koumlnnen als moumlgliche Anregungen zur Umsetzung ver-
standen werden
451 Partizipation und Empowerment in der Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behin-
derung
Erfolgreiche Gesundheitsfoumlrderung braucht Partizipationsmoumlglichkeiten fuumlr die jeweilige
Zielgruppe Partizipation ist schlieszliglich nicht nur Teilnahme sondern aktive Teilhabe und
damit einhergehend die Moumlglichkeit mitzubestimmen und mitzuentscheiden Dazu gehoumlrt
auch die Definitionsmacht also die Macht (mit)zubestimmen an welche die Gesundheit be-
treffenden Aspekte in einer Maszlignahme zur Gesundheitsfoumlrderung herangegangen werden soll
(vgl Wrightvon UngerBlock 2010 S 39) Diese aktive Teilhabe muss also bereits zu Be-
ginn einer Maszlignahme Teil dieser sein Partizipation bedeutet folglich auch Macht Partizipa-
tion zu ermoumlglichen bedeutet Empowerment also die Ermaumlchtigung eines Individuums oder
einer Gruppe So bekommt Partizipation in der Gesundheitsfoumlrderung auch eine gesellschaft-
liche und politische Komponente denn dadurch koumlnnen Menschen mit Behinderungen lernen
mitzubestimmen mitzuentscheiden und eigene Interessen zu vertreten Diese erlernten Faumlhig-
keiten lassen sich auf die Handlungsebene in einer demokratischen Gesellschaft uumlbertragen
Sowohl Empowerment als auch Partizipation gehoumlren zu den in 31 erwaumlhnten Prinzipien der
BVPG Diese weist darauf hin dass Partizipation in saumlmtlichen Phasen einer Maszlignahme ge-
geben sein muss beginnend mit der Bedarfsanalyse der Planung in der Durchfuumlhrung und
abschlieszligend in der BewertungEvaluation So kann die Wirksamkeit einer Maszlignahme erhoumlht
werden (vgl BVPG 2013 S 90) Teilhabe kann als ein wichtiger Bestandteil der Qualitaumltssi-
cherung gesehen werden Bisher finden Maszlignahmen zur Qualitaumltssicherung nur selten unter
Partizipation der Zielgruppe statt Diese partizipativ zu beteiligen hilft die Qualitaumlt der Ge-
sundheitsfoumlrderung aufrechtzuerhalten oder sogar zu verbessern (vgl Wrightvon Un-
gerBlock 2010 S 35)
Teilhabe ist bei behinderten Menschen besonders wichtig Ihr Leben ist haumlufig von Beginn an
stark fremdbestimmt und von Abhaumlngigkeit gepraumlgt Somit lernen sie seltener als nicht behin-
31
derte Menschen Verantwortung zu uumlbernehmen und selbststaumlndig zu agieren Dies kann bis
hin zur sog bdquoerlernten Hilflosigkeitldquo fuumlhren Vor diesem Hintergrund scheint Partizipation
umso wichtiger aber auch umso arbeitsintensiver Sie ist daher in der Praxis der Gesundheits-
foumlrderung haumlufig sehr arbeitsintensiv und benoumltigt folglich zeitliche Ressourcen und damit
einhergehend finanzielle Ressourcen (vgl Loss 2009 S 10)
Traditionell sind viele Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung top-down organisiert das be-
deutet eine Einrichtung ein Geldgeber etc plant eine Maszlignahme fuumlhrt diese durch und eva-
luiert sie Zur Erreichung der eigenen Ziele wird die Zielgruppe mobilisiert ohne ein Mitspra-
cherecht zu den einzelnen Bausteinen der Maszlignahme zu haben Diese Struktur verdeutlicht
das Maumlchteungleichwicht zwischen Anbieter und Zielgruppe und zementiert den Status be-
hinderter Menschen als Abhaumlngige und Ohnmaumlchtige Der Gegensatz zu top-down-
Programmen ist der bottom-up-Ansatz Hier findet eine Machtteilung statt da die Gesund-
heitsfoumlrderinnen und Gesundheitsfoumlrderer ihre Macht mit der Zielgruppe teilen und eher die
Rolle von Unterstuumltzerinnen und Unterstuumltzern einnehmen Die Zielgruppe soll unterstuumltzt
werden ihre eigenen Probleme festzustellen und Loumlsungen sowie Maszlignahmen zu erarbeiten
In der Planung Durchfuumlhrung und Evaluation kommt ihr damit eine aktive Rolle zu (vgl La-
verack 2010 S 77) Bottom-up-Programme scheinen daher fuumlr Partizipation und Empower-
ment geeigneter als top-down-Strukturen Allerdings schlieszligen sich beide Ansaumltze nicht
zwingend aus sondern Maszlignahmen koumlnnen Eigenschaften beider Ansaumltze aufweisen In
WfbMs scheinen Maszlignahmen sehr haumlufig top-down organisiert zu sein Die staumlrkere Veranke-
rung von bottom-up-Strukturen waumlre hier im Sinne einer Teilhabe ndash in der Werkstatt wie auch
daruumlber hinaus auf gesellschaftlicher Ebene ndash vorteilhaft und wuumlnschenswert
452 Peer-Multiplikatorinnen und -Multiplikatoren
Eine Strategie die in der Praxis der Gesundheitsfoumlrderung bereits mit positiven Ergebnissen
getestet wurde sind Peer-Multiplikatorinnen und -Multiplikatoren Das Modell der Multipli-
katorinnen und Multiplikatoren war bereits Grundlage vieler gesundheitsfoumlrdernder Maszlignah-
men mit sozial benachteiligten Menschen die auch in der Literatur vielfach dokumentiert
sind Auch in der Arbeit mit behinderten Menschen ist dieses Konzept nicht neu Auf Maszlig-
nahmen zur Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung wurde es bisher kaum an-
gewandt scheint jedoch erfolgsversprechend Das Projekt GESUND welches mit einer Ber-
liner WfbM durchgefuumlhrt wird arbeitet mit diesem Konzept (vgl Burtscher 2014 S 8) Die
32
Funktion von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren besteht darin Kenntnisse und Informa-
tionen zur Gesundheit(-sfoumlrderung) der Zielgruppe mit Hilfe der ihnen innewohnenden Ver-
trauensstellung naumlher zu bringen Sie haben daher eine bdquoMittlerfunktionldquo (BVPG 2013 S 92)
zwischen Durchfuumlhrenden und Zielgruppe Voraussetzung dafuumlr ist dass sie der Zielgruppe
angehoumlren oder zumindest eine sehr enge Verbindung zu ihr besitzen Im Zuge einer Maszlig-
nahme werden sie selbst gestaumlrkt sozusagen bdquoempowertldquo Ihre Mittlerfunktion funktioniert
allerdings auch in die andere Richtung Sie bringen den Durchfuumlhrenden die Perspektive der
Zielgruppe naumlher Im Idealfall fuumlhrt der Einsatz von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren
zur Aktivierung der Zielgruppe die ihr selbstbestimmtes Handeln auch auf andere Bereiche
ausdehnen kann (vgl Stickan-Verfuumlrth 2005 S 108) Diesem Modell sehr aumlhnlich ist das
Modell des Peer-Counseling Hier stehen Mitglieder der Zielgruppe in beratender Funktion
ihrer Peer-Gruppe zur Verfuumlgung
453 Verknuumlpfung von Betrieblicher Gesundheitsfoumlrderung und Gesundheitsfoumlrderung in
Werkstaumltten fuumlr behinderte Menschen
Eine Uumlbertragung der Idee der Betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung auf die Gesundheitsfoumlrde-
rung in WfbMs scheint in der Tat realisierbar Den rechtlichen und finanziellen Rahmen hier-
fuumlr hat das 2015 beschlossene Praumlventionsgesetz geschaffen (siehe 33) Im Entwurf der Bun-
desregierung wird in der Anmerkung zum neuen sect 20 Abs 4 SGB V explizit darauf hinge-
wiesen dass Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung auch in WfbMs zum Leistungsspektrum der
Krankenkassen gehoumlrt (vgl Deutscher Bundestag 2015 S 34) Eine Etablierung hiervon in
der Praxis haumlngt in erster Linie neben den Krankenkassen auch von den Leitungen der WfbMs
ab Sollten diese hierfuumlr und auch gegenuumlber partizipativen Strukturen offen sein waumlre der in
351 kurz vorgestellte Gesundheitszirkel ein passender Startpunkt um von Beginn an auch
die Partizipation der Beschaumlftigten zu gewaumlhrleisten Analog zum Konzept der BGF koumlnnten
gemeinsam Maszlignahmen erarbeitet werden die die Gesundheit der Beschaumlftigten foumlrdern wuumlr-
den Den Vertreterinnen und Vertretern der Beschaumlftigten die im Gesundheitszirkel mitwir-
ken koumlnnte dabei die Rolle von Peer-Multiplikatorinnen und -Multiplikatoren zukommen
Als Effekte duumlrften die in 351 beschriebenen auch hier zu erwarten sein eine Verbesserung
der Gesundheit und eine Staumlrkung der gesundheitlichen Ressourcen eine Verringerung der
krankheitsbedingten Fehltage eine staumlrkere Identifikation der Beschaumlftigten mit der Werk-
33
statt ein besseres Arbeitsklima eine houmlhere Motivation und Arbeitszufriedenheit und eine
Steigerung der Produktivitaumlt
Es empfiehlt sich im Sinne der Partizipation und des Empowerments kein reines top-down-
Programm zu starten sondern einen bottom-up-Ansatz zu waumlhlen bzw zumindest mehrere
Elemente dessen einzubauen Als Anknuumlpfungspunkt koumlnnen bereits bestehende begleitende
Maszlignahmen mit passender Thematik genommen werden
Wie bdquonormaleldquo Betriebe koumlnnten auch WfbMs Kooperationen in ihrem raumlumlichen Umfeld
aufbauen und von Vernetzungen profitieren Aufgrund ihrer Groumlszlige sind sie in ihrem Sozial-
raum ein meist nicht zu unterschaumltzender Akteur
34
5 Fazit und Ausblick
Ausgehend von einem bio-psycho-sozialen Verstaumlndnis von Gesundheit wurden verschiedene
Aspekte der Gesundheitsfoumlrderung vertieft und anschlieszligend eine Verknuumlpfung zur Gesund-
heitsfoumlrderung mit behinderten Menschen hergestellt Hierbei lag der Fokus auf gesundheits-
foumlrdernden Maszlignahmen in WfbMs Dabei wurde die aktuelle Literatur zu Rate gezogen In-
ternetauftritte einiger Werkstaumltten durchsucht und Stimmen aus dem Feld von Mitarbeiterin-
nen und Mitarbeitern sowie Beschaumlftigten von Werkstaumltten gewonnen
Die Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung ist noch immer relativ schwach
ausgebaut Dies stellt sich besonders vor dem Hintergrund als problematisch dass behinderte
Menschen haumlufig anfaumllliger fuumlr Krankheiten sind und durchschnittlich uumlber einen subjektiv als
schlechter bewerteten Gesundheitsstatus verfuumlgen als nichtbehinderte Menschen Wie viele
sozial benachteiligte Gruppen sind sie verhaumlltnismaumlszligig schwer zu erreichen fuumlr gesundheits-
foumlrdernde Maszlignahmen Obwohl es in der Erreichbarkeit mehrere Probleme gibt verfuumlgen
Menschen mit Behinderung auf der anderen Seite uumlber groszlige Potentiale Das neue Praumlventi-
onsgesetz ist ein erheblicher Fortschritt bei der Finanzierung gesundheitsfoumlrdernder Maszlignah-
men Sogar eine Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung in Werkstaumltten ist wenn auch nicht ex-
plizit verankert so doch zumindest gewuumlnscht
Gelingende Gesundheitsfoumlrderung muss sich im Allgemeinen und auch bei der Arbeit mit
behinderten Menschen an bestimmten Prinzipien messen lassen Besonders wichtig vor dem
gesellschaftlichen Hintergrund ist hier die Partizipation der Menschen mit Behinderung und
damit einhergehend das Empowerment dieser Beide wirken sich positiv auf die Qualitaumlt der
gesundheitsfoumlrdernden Maszlignahmen aus gehen jedoch auch daruumlber hinaus Sie koumlnnen Men-
schen mit Behinderungen auch auf gesellschaftlicher Ebene empowern sodass ihnen eine
groumlszligere gesellschaftliche Teilhabe zukommt Somit erlangt Gesundheitsfoumlrderung auch vor
dem Hintergrund der Inklusion eine hohe Relevanz
In WfbMs ist gezielte Gesundheitsfoumlrderung bisher wenig verbreitet Einzelne Projekte sind
eher die Ausnahme denn die Regel Jedoch sind die Potentiale der Werkstaumltten enorm Das
Personal scheint haumlufig offen fuumlr Maszlignahmen zu sein und gerade die Strukturen der beglei-
tenden Maszlignahmen lieszligen eine relativ einfache Integration von Maszlignahmen zur (betriebli-
chen) Gesundheitsfoumlrderung zu Bestehende begleitende Maszlignahmen in welchen Sport oder
Bildungsangebote zu gesunder Ernaumlhrung angeboten werden koumlnnten ohne uumlbermaumlszligigen
Aufwand zu gezielten Maszlignahmen fuumlr Gesundheitsfoumlrderung ausgebaut werden Nachholbe-
darf bestuumlnde hier vor allem auf dem Gebiet der Partizipation Nur selten scheinen die Be-
35
schaumlftigten in Konzeption Planung Durchfuumlhrung und Evaluation aktiv eingebunden zu sein
In bestimmten Phasen wie etwa der Konzeption und besonders der Evaluation scheint aktive
Teilhabe noch uumlberhaupt nicht verankert zu sein Eine staumlrkere Partizipation in allen Berei-
chen waumlre mit houmlherem Arbeits- und Kostenaufwand verbunden welcher durch eine Einbin-
dung der Krankenkassen moumlglicherweise aufgefangen werden koumlnnte Die Partizipation foumlr-
dern wuumlrde auch die Etablierung von Peer-Beratung und Peer-Multiplikatorinnen und
-Multiplikatoren Diesen kaumlme beim Zugang zur Zielgruppe eine Schluumlsselfunktion zu und
gleichzeitig koumlnnten sie Bedarfe und Beduumlrfnisse dieser gegenuumlber den anderen Akteuren
kommunizieren Auch wenn es bisher keine konkreten ausgearbeiteten Konzepte zur Gesund-
heitsfoumlrderung in WfbMs gibt koumlnnten bestehende Konzepte zur Betrieblichen Gesundheits-
foumlrderung eventuell leicht uumlberarbeitet fuumlr Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung in Werkstaumltten
analog angewendet werden
Die Potentiale und Moumlglichkeiten zur Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung
in WfbMs sind also mannigfaltig und haumlufig vorhanden Auf diesen koumlnnte aufgebaut werden
um behinderten Menschen das Recht auf das in Artikel 25 der UN-BRK festgeschriebene bdquoer-
reichbare Houmlchstmaszlig an Gesundheitldquo zu ermoumlglichen
Gesundheitsfoumlrderung ist mehr als Werbeplakate an Bus- oder Straszligenbahnhaltestellen und
Clips im Aktuellen Sportstudio sie ist mehr als Sportangebote und Angebote zu gesunder
Ernaumlhrung sie ist auch ein Weg zum Erreichen eines Menschenrechtes das Recht auf Ge-
sundheit
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41
Anhang
Nr 1 Abbildung zu den Hauptdeterminanten der Gesundheit nach DahlgreenWhitehead
2007 S 11
Nr 2 Befragung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Beschaumlftigten der WfbMs
42
Nr 1 Abbildung zu den Hauptdeterminanten der Gesundheit nach DahlgreenWhitehead
2007 S 11
43
Nr 2 Befragung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Beschaumlftigten der WfbMs
Um moumlglichst effizient die Stimmen aus vier WfbMs unterschiedlicher Traumlger zu erheben
wurden diese auf dem Infotag der LAG WfbM Berlin am 17112015 gesammelt Hier waren
verschiedene Werkstaumltten mit Informationsstaumlnden vertreten Gewaumlhlt wurden die Werkstaumlt-
ten an deren Staumlnden der Verfasser zuerst vorbeilief Die gestellten Fragen waren stets die-
selben
Den Vertretern der Werkstatt wurde zugesichert dass ihr Name nicht in der vorliegenden Ar-
beit genannt wird lediglich ihre Position in der Werkstatt wird erwaumlhnt Es wurden auszligerdem
keine weiteren Personendaten erhoben
Wenn moumlglich sollten auszligerdem fuumlnf Beschaumlftige pro WfbM befragt werden Hierfuumlr wurde
am Ende des kurzen Interviews um Erlaubnis gefragt Den Beschaumlftigten wurden andere Fra-
gen gestellt als dem Werkstattpersonal jedoch erhielten alle Beschaumlftigten dieselben Fragen
untereinander Den Beschaumlftigen wurde komplette Anonymitaumlt in der vorliegenden Arbeit
zugesichert und es wurden keine personenbezogenen Daten abgefragt Zuerst wurde nach
ihrem Verstaumlndnis von Gesundheitsfoumlrderung gefragt Vor den Fragen 2 bis 5 wurde kurz
erklaumlrt wie Gesundheitsfoumlrderung verstanden werden kann um davon ausgehend die restli-
chen Fragen zu beantworten
Bei saumlmtlichen Interviews wurde auf Transkriptionen verzichtet es wurden lediglich die
Kernaussagen mitgeschrieben
Im Folgenden finden sich exemplarisch die jeweils gestellten Fragen
44
Fragen an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der WfbM
Name der WfbM
Position der befragten Person Begleitender Dienst
1 Was verstehen Sie unter Gesundheitsfoumlrderung
2 Was bieten Sie im Rahmen der Gesundheitsfoumlrderung an
3 Wie werden die Maszlignahmen angenommen
4 Wuumlrden Sie gerne mehr anbieten oder finden Sie die Angebote ausreichend
5 Gibt es Schwierigkeiten
6 Wie steht es um die Partizipation in den Angeboten (Werden die Angebote von Beschaumlf-
tigten mitentwickelt mitevaluiert etc)
7 Werden die Angebote evaluiert
45
Fragen an die Beschaumlftigen der WfbM
Name der WfbM
Datum
1 Wissen Sie was Gesundheitsfoumlrderung ist Wenn ja wie wuumlrden sie es beschreiben
[Moumlgliche Erklaumlrung fuumlr Beschaumlftigte die sich nichts unter Gesundheitsfoumlrderung vorstellen
koumlnnen Zur Gesundheitsfoumlrderung gehoumlrt alles was fuumlr Ihre Gesundheit gut ist zB Kur-
seMaszlignahmen usw die mit Bewegung Ernaumlhrung Wohlfuumlhlen am Arbeitsplatz oder Ent-
spannen zu tun haben]
2 Welche Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung werden Ihnen von der Werkstatt angebo-
ten
3 Werden Ihrer Meinung nach genuumlgend Angebote zur Gesundheitsfoumlrderung in der Werk-
statt angeboten
4 Duumlrfen Sie bei der Entwicklung und Evaluation (Auswertung am Ende) mitbestimmen
5 Was sind Ihre Wuumlnsche bezuumlglich der Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung
4
1 Einleitung
Auf Gesundheitsfoumlrderung trifft man heutzutage sehr haumlufig sei es im Unternehmen fuumlr das
man arbeitet auf Werbeplakaten an der Straszlige oder sogar gegen Ende der Sendung bdquoAktuelles
Sportstudioldquo im ZDF Maszlignahmen wie diese haben stets eine bestimmte Zielgruppe vor Au-
gen zB die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Unternehmens bestimmte Menschen im
Straszligenverkehr oder Sportfans die am Samstagabend gerne die Sportereignisse des Wochen-
endes im Fernsehen zusammengefasst sehen wollen
Auf alle diese Menschen hat das am 18 Juni dieses Jahres vom Deutschen Bundestag verab-
schiedete Gesetz zur Staumlrkung der Gesundheitsfoumlrderung und der Praumlvention (auch bekannt
als das bdquoPraumlventionsgesetzldquo) Auswirkungen Dieses wurde seit vielen Jahren und von ver-
schiedenen Koalitionen und Regierungen angestrebt aber regelmaumlszligig verschoben Nun regelt
es die gesetzlichen Bedingungen fuumlr die Gesundheitsfoumlrderung neu und versucht ihr einen
houmlheren Stellenwelt in der Landschaft der medizinischen Versorgung in Deutschland zukom-
men zu lassen
Jede Maszlignahme zur Foumlrderung der Gesundheit eines oder mehrerer Menschen versucht sich
an genau diesen bzw diese Menschen zu richten Menschen sind jedoch unterschiedlich und
so sind folglich auch Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung unterschiedlich ndash sie unterschei-
den sich in der Methodik im Inhalt und nicht zuletzt im Zugangsweg zur Zielgruppe Ge-
sundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung ist ein Thema welches erst in den letzten
Jahren an Bedeutung gewonnen hat Die Fachwelt hat sich langsam diesem Thema ange-
nommen es sind Publikationen erschienen und Projekte aufgebaut worden Die Anzahl ist
hier jedoch noch relativ uumlberschaubar und laumlsst den Bedarf an Forschung auf diesem Gebiet
erkennen
Gesundheitsfoumlrderung findet haumlufig in Lebenswelten von Menschen statt zB zuhause in der
Schule oder in der Arbeit In Deutschland arbeiten viele Menschen mit Behinderungen in
Werkstaumltten fuumlr behinderte Menschen (WfbMs) Fuumlr viele aus der sehr heterogenen Gruppe
der behinderten Menschen stellen diese also eine wichtige Lebenswelt ein sog Setting dar
Der Titel der Arbeit wurde bewusst gewaumlhlt Es ist nicht von Gesundheitsfoumlrderung fuumlr Men-
schen mit Behinderung die Rede sondern mit Menschen mit Behinderung Die Bedeutung
dieses kleinen Wortes ist dabei enorm denn es ist ein sehr groszliger Unterschied ob man etwas
fuumlr einen Menschen macht oder ob man es mit ihm macht Wichtig ist dies auch vor dem Hin-
tergrund der gesellschaftlichen Debatten unserer Zeit in denen Inklusion und Teilhabe behin-
derter Menschen eine immer wichtigere Rolle spielen
5
In der vorliegenden Arbeit soll nun ein Uumlberblick daruumlber gegeben werden ob es in WfbMs
gesundheitsfoumlrdernde Maszlignahmen gibt und wie Menschen mit Behinderung an ihnen teil-
nehmen und ndash ganz im Sinne des Wortes bdquomitldquo ndash teilhaben Es soll sowohl der aktuelle Stand
wiedergegeben werden als auch versucht werden Schwierigkeiten wie Potentiale zu identifi-
zieren
Dafuumlr werden zuerst die drei Begriffe Behinderung Gesundheit und Gesundheitsfoumlrderung
eingegrenzt (Kapitel 2) Anschlieszligend werden allgemeine Grundlagen der Gesundheitsfoumlrde-
rung vorgestellt (Kapitel 3) in denen ua Prinzipien und Leitideen hierfuumlr aufgezeigt und die
rechtliche Rahmung beleuchtet werden Auszligerdem wird naumlher auf Gesundheitsfoumlrderung in
Settings eingegangen Dabei liegt der Schwerpunkt auf dem Setting Arbeitswelt Aufbauend
darauf wird im Speziellen auf die Gesundheitsfoumlrderung bei Menschen mit Behinderungen
eingegangen (Kapitel 4) Hier werden sozialmedizinische Erkenntnisse praumlsentiert die Er-
reichbarkeit behinderter Menschen fuumlr die Maszlignahmen diskutiert und das Thema der Ge-
sundheitsfoumlrderung in Werkstaumltten besonders vertieft In diesem Zusammenhang werden auch
die Ergebnisse einer kleinen Feldbefragung vorgestellt die im Rahmen dieser Arbeit durchge-
fuumlhrt wurde Aufbauend auf den gewonnenen Erkenntnissen wird uumlberlegt wie Gesundheits-
foumlrderung in WfbMs besonders erfolgreich gestaltet werden kann Abgerundet wird die Arbeit
durch ein Fazit das eine Zusammenfassung der gewonnenen Erkenntnisse und gleichzeitig
ein Ausblick sein will (Kapitel 5)
6
2 Begriffsdefinitionen und Abgrenzungen
Fuumlr das Verstaumlndnis bestimmter Begriffe im weiteren Verlauf der Arbeit ist es sinnvoll diese
Auslegungen kurz darzustellen Fuumlr jeden der hier skizzierten Begriffe gibt es zahlreiche
Konzepte und Theorien die aufgrund des gegebenen Rahmens nicht in aller Ausfuumlhrlichkeit
diskutiert werden koumlnnen
21 Menschen mit Behinderung
Fuumlr den Begriff bdquoBehinderungldquo gibt es zahlreiche Definitionen Der in der Internationalen
Klassifikation der Funktionsfaumlhigkeit Behinderung und Gesundheit (ICF) der Weltgesund-
heitsorganisation WHO verankerten Sicht liegt ein bio-psycho-soziales Verstaumlndnis von Be-
hinderung zugrunde (vgl WHO 2005 S45) Behinderung wird hier nicht als rein biologisch-
medizinisches Konstrukt gesehen sondern der einzelne Mensch der eine koumlrperliche geistige
undoder seelische Beeintraumlchtigung hat wird auch durch seine Umwelt laumlngerfristig bzw
wiederkehrend behindert bzw nicht behindert1 Behinderung ist also kein festes Merkmal
einer Person sondern ein Wechselspiel zwischen Mensch und Umwelt Diese Auffassung teilt
die Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen (UN-BRK) die in Artikel 1 von
einer bdquoWechselwirkung mit verschiedenen Barrierenldquo spricht
Ausgehend von diesem Verstaumlndnis muss aufgrund der Thematik der vorliegenden Arbeit der
Begriff bdquoMenschen mit Behinderungldquo auch aus gesetzlicher Sicht betrachtet werden Fuumlr die
Aufnahme als Beschaumlftigter oder Beschaumlftigte2 bzw in den Berufsbildungsbereich in Werk-
staumltten fuumlr behinderte Menschen ist eine Behinderung wie sie in den Sozialgesetzbuumlchern
(SGB) verstanden wird Voraussetzung Diese ist definiert in sect 2 SGB IX bdquoMenschen sind
behindert wenn ihre koumlrperliche Funktion geistige Faumlhigkeit oder seelische Gesundheit mit
hoher Wahrscheinlichkeit laumlnger als sechs Monate von dem fuumlr das Lebensalter typischen
Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeintraumlchtigt istldquo
Dies muss fuumlr jeden Menschen individuell betrachtet werden
1 Die ICF kann nicht nur auf Menschen mit einer Behinderung sondern auf jeden Menschen bezogen werden
(vgl WHO 2005 S 13) 2 Aus Gruumlnden des einfacheren Verstaumlndnisses werden im weiteren Verlauf Menschen mit Behinderungen die in
WfbMs beschaumlftigt sind als Beschaumlftigte bezeichnet und festangestelltes Personal wie etwa Paumldagoginnen und
Paumldagogen bzw Arbeitsgruppenleitungen als Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
7
Auf das genaue Verfahren zur Feststellung wird an dieser Stelle nicht weiter eingegangen da
es fuumlr den weiteren Verlauf der Arbeit nicht relevant ist Es genuumlgt zu wissen dass sich der
Personenkreis der in der WfbM beschaumlftigt ist rechtlich gesehen nach dem SGB IX definiert
Diese Definition ist weniger umfassend als das Verstaumlndnis der ICF die die Kontextfaktoren
staumlrker betont (vgl WHO 2005 S 2122)
22 Gesundheit
Das traditionelle Bild von Gesundheit ist die Abwesenheit von Krankheit Jedoch erkannte
schon in ihrer Verfassung von 1946 die WHO dass Gesundheit mehr als nur das ist bdquoDie
Gesundheit ist ein Zustand des vollstaumlndigen koumlrperlichen geistigen und sozialen Wohlerge-
hens und nicht nur das Fehlen von Krankheit oder Gebrechenldquo (WHO 2014 S 1)
Fuumlr die Determinanten der Gesundheit von Menschen haben Margaret Whitehead und Goumlran
Dahlgren bereits 1991 ein Modell (siehe Anhang Nr 1) entwickelt das die Einflussfaktoren
in verschiedene Ebenen gliedert Neben den persoumlnlichen Merkmalen wie Alter Geschlecht
und Genen stehen in der naumlchsten Ebene die Faktoren individueller Lebensweisen (Sport
Konsum von Genussmitteln etc) Daran schlieszligen sich soziale und kommunale Netzwerke an
(va Familie Freundinnen und Freunde) und auf naumlchster Ebene die Lebens- und Arbeitsbe-
dingungen (zB Wohn- und Arbeitsumfeld Bildung) Abgeschlossen wird das Modell durch
allgemeine Bedingungen der soziooumlkonomischen kulturellen und physischen Umwelt wie
bspw Wirtschaft und Politik (vgl DahlgrenWhitehead 2007 S 11)
Die sehr breite Auffassung der WHO von Gesundheit entwickelte Aaron Antonovsky weiter
indem er sein Konzept der Salutogenese entwickelte Neu daran war zum einen dass er von
einem Gesundheits-Krankheits-Kontinuum ausgeht dessen Pole Gesundheit und Krankheit
sind Die Gesundheit eines Menschen laumlsst sich zu jedem Zeitpunkt seines Lebens individuell
an einem Punkt des Kontinuums festlegen je nachdem wie gesund der Mensch sich zum je-
weiligen Zeitpunkt fuumlhlt (vgl Antonovsky 1997 S 23) Auszligerdem stellt Antonovsky die Fra-
ge warum unter bestimmten (unguumlnstigen) Bedingungen also den Determinanten von Ge-
sundheit manche Menschen gesund bleiben und andere nicht (vgl Antonovsky 1997 S 15)
Als Antwort auf diese Frage praumlsentiert er das sog Kohaumlrenzgefuumlhl (SOC)3 bestehend aus
3 In der Literatur zT auch mit Kohaumlrenzsinn Kohaumlrenzempfinden etc uumlbersetzt Das englische Original bdquoSense
of Coherenceldquo ist schwer zu uumlbersetzen da es im Deutschen kein Wort gibt das der weiten Bedeutung des engli-
schen bdquosenseldquo gerecht werden koumlnnte
8
den drei Elementen Verstehbarkeit Handhabbarkeit und Bedeutsamkeit Verstehbarkeit be-
deutet seine Welt als stimmig und verstaumlndlich einzuordnen und Belastungen in einem groumlszlige-
ren Zusammenhang sehen zu koumlnnen Handhabbarkeit bezeichnet das Gefuumlhl die Aufgaben
und Probleme denen man begegnet mit seinen Ressourcen bewaumlltigen zu koumlnnen Bedeut-
samkeit ist die Uumlberzeugung von der eigenen Lebensfuumlhrung die mit Zielen verbunden ist
fuumlr die sich einzusetzen lohnenswert erscheint (vgl Antonovsky 1997 S 33 ndash 36) Legt man
den Fokus nun also auf die Aufrechterhaltung oder Verbesserung der Gesundheit sind die
dafuumlr in der Praxis konzipierten Maszlignahmen ndash ganz der Denktradition der Salutogenese fol-
gend ndash Schritte zur Gesundheitsfoumlrderung
23 Gesundheitsfoumlrderung und ihre Abgrenzung zur Praumlvention
Die Idee der Gesundheitsfoumlrderung fuszligt auf einem Gesundheitsverstaumlndnis wie es die Saluto-
genese aufzeigt Ein wichtiger Grundstein fuumlr unser heutiges Verstaumlndnis von Gesundheits-
foumlrderung wurde bereits 1986 mit der Ottawa-Charta der WHO gelegt bdquoGesundheitsfoumlrde-
rung zielt auf einen Prozess allen Menschen ein houmlheres Maszlig an Selbstbestimmung uumlber ihre
Gesundheit zu ermoumlglichen und sie damit zur Staumlrkung ihrer Gesundheit zu befaumlhigenldquo (WHO
1986 S 1) Gesundheitsfoumlrderung ist also bdquoeine Promotionsstrategie bei der Menschen durch
Verbesserung ihrer Lebensbedingungen eine Staumlrkung der gesundheitlichen Entfaltungsmoumlg-
lichkeiten erfahren sollenldquo (HurrelmannKlotzHaisch 2010 S 13 Herv weggelassen) Kon-
kret in der Praxis aumluszligert sich Gesundheitsfoumlrderung in unterschiedlichsten Maszlignahmen auf
den verschiedenen Ebenen Individuum Setting und PolitikGesamtgesellschaft (vgl Alt-
geldKolip 2010 S 4647) So sind etwa Schritte zur Steigerung des Selbstwertgefuumlhls (Indi-
viduumsebene) Ernaumlhrungsprogramme in Schulen (Setting) oder eine gesetzlich verankerte
finanzielle Unterstuumltzung zum Vereinsbeitrag fuumlr Kinder aus einkommensschwachen Fami-
lien in Sportvereinen (Politik) Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung Auf saumlmtlichen Ebenen
ist eine Partizipation der Zielgruppe fuumlr eine gelingende Gesundheitsfoumlrderung erstrebenswert
(vgl FaltermaierWihofszky 2012 S 102) Als Kernelemente der Gesundheitsfoumlrderung
weist die WHO in der Ottawa-Charta Ganzheitlichkeit oumlkologische Verantwortung und ge-
genseitige Fuumlrsorge aus (vgl WHO 1986 S 5) Dieser universelle Anspruch findet seine
Fortsetzung in der Jakarta-Erklaumlrung die als Ziele den groumlszligtmoumlglichen Gesundheitsgewinn
der Bevoumllkerung die Reduzierung gesundheitlicher Ungleichheiten und die Staumlrkung der
Menschenrechte formuliert (vgl WHO 1997 S 2)
9
Unterscheiden kann man gesundheitsfoumlrdernde Strategien zwischen Verhaltens- und Verhaumllt-
nisebene Verhaltensorientierte Maszlignahmen setzen beim Verhalten des einzelnen Menschen
oder einer Gruppe zB ihrer Ernaumlhrung oder der Haumlufigkeit von Bewegung an Verhaumlltnis-
bezogene Maszlignahmen setzen an den Verhaumlltnissen an in denen ein oder mehrere Menschen
leben Dies kann sich auf saumlmtliche Lebensbereiche beziehen zB Wohnen Arbeit oder Frei-
zeit Hier kann beispielhaft die Verfuumlgbarkeit von Gruumlnflaumlchen oder Spielplaumltzen aufgefuumlhrt
werden Eine Verbindung beider Ansaumltze ist durchaus moumlglich
Abzugrenzen ist die Gesundheitsfoumlrderung von der Praumlvention Als jene gelten Maszlignahmen
zur Vermeidung des Auftretens bzw Fortschreitens bestimmter Krankheiten Praumlvention und
Gesundheitsfoumlrderung zielen beide auf einen Gesundheitsgewinn ab jedoch setzt erstere beim
Verringern von Risikofaktoren an letztere beim Schaffen und Staumlrken von Ressourcen also
Schutzfaktoren (vgl HurrelmannKlotzHaisch 2010 S 1617) Anders ausgedruumlckt Praumlven-
tion ist pathogenetisch das bedeutet an der Entstehung von Krankheiten orientiert Gesund-
heitsfoumlrderung hingegen salutogenetisch orientiert Generell muumlssen Praumlvention und Gesund-
heitsfoumlrderung als sich ergaumlnzende nicht als konkurrierende Interventionsformen mit ver-
schiedener Sachlogik gesehen werden (vgl Hurrelmann 2006 S 150) Beide Strategien sind
in der Zielsetzung des Zugewinns an Gesundheit geeint jedoch unterscheiden sie sich als In-
terventionsformen durch verschiedenartige Wirkungsprinzipien In der Praxis sind nicht alle
konkreten Maszlignahmen trennscharf einer der beiden Strategien zuzuordnen Uumlberschneidun-
gen sind moumlglich
Zusammengefasst laumlsst sich konstatieren bdquoGesundheitsfoumlrderung bezeichnet alle Eingriffs-
handlungen die der Staumlrkung von individuellen Faumlhigkeiten der Lebensbewaumlltigung dienenldquo
(HurrelmannKlotzHaisch 2010 S 14 Herv weggelassen)
Vertiefende Problemstellungen wie etwa die Erreichbarkeit bestimmter Bevoumllkerungsgrup-
pen und rechtliche Rahmenbedingungen in Deutschland werden im weiteren Verlauf der Ar-
beit aufgegriffen
10
3 Allgemeine Grundlagen der Gesundheitsfoumlrderung
Es wurde bereits grob umrissen was Gesundheitsfoumlrderung kennzeichnet Nun sollen einzelne
Aspekte inhaltlich vertieft werden auf denen anschlieszligend eine (moumlgliche) Gesundheitsfoumlrde-
rung in WfbMs (siehe Kapitel 4) aufbauen kann
31 Leitgedanken der Gesundheitsfoumlrderung
In der Praxis koumlnnen gesundheitsfoumlrdernde Maszlignahmen ganz unterschiedlich aussehen Damit
sie fuumlr die Menschen die daran teilnehmen dauerhaft eine positive Wirkung aufweisen hat
die Bundesvereinigung Praumlvention und Gesundheitsfoumlrderung eV (BVPG)4 sieben bdquoPrinzi-
pien guter Praumlvention und Gesundheitsfoumlrderungldquo formuliert in ihrem Sinne gute Gesund-
heitsfoumlrderung ist demnach gekennzeichnet durch (1) Autonomie und Empowerment (2) Par-
tizipation (3) Lebenswelt- und Lebensstilbezug (4) Gesundheitliche Chancengleichheit
(5) Konzeptbasierung (6) Evaluation sowie (7) Nachhaltigkeit (vgl BVPG 2013 S 9091)
Das Prinzip (1) Autonomie und Empowerment bedeutet dass eine Maszlignahme durch Selbst-
bestimmung gepraumlgt ist und die Teilnehmenden zur Selbststaumlndigkeit befaumlhigt die eigene
Gesundheit und die anderer zu gestalten (vgl BVPG 2013 S 90) Die Idee Gesundheit ande-
rer mitzugestalten findet ua in den Strategien Peer Counseling und Multiplikatorinnen und
Multiplikatoren ihre praktische Umsetzung (siehe 452) Empowerment kann an dieser Stelle
uumlber die Ebene der persoumlnlichen Gesundheit hinaus gedacht werden Menschen werden nicht
nur dazu befaumlhigt ihre eigene Gesundheit selbst zu gestalten sondern koumlnnen als gesunde
Buumlrger ihre Interessen oder die bestimmter Bevoumllkerungsgruppen selbstbewusst vertreten
(vgl Laverack 2010 S 27) Im Sinne der (2) Partizipation sollen Vertreterinnen und Vertreter
der Zielgruppe in allen Phasen einer Maszlignahme aktiv mitgestalten und mitentscheiden Auf
die Partizipation von Menschen mit Behinderung wird in 451 noch detaillierter eingegangen
Der (3) Lebenswelt- und Lebensstilbezug betont den bereits erwaumlhnten Setting-Ansatz
schlieszligt jedoch gesamtgesellschaftliche bzw individualbezogene Strategien ebenfalls mit ein
Gelingende Gesundheitsfoumlrderung braucht immer einen konkreten Anknuumlpfungspunkt in der
Lebenswelt des bzw der Menschen (4) Gesundheitliche Chancengleichheit fordert dass va
4 Die BVPG ist ein gemeinnuumltziger politisch und konfessionell unabhaumlngiger Verbund bestehend aus Bundes-
verbaumlnden des Gesundheitswesens darunter die Bundesaumlrztekammer den Spitzenverbaumlnden der Sozialversiche-
rungstraumlger sowie Verbaumlnden der Heil- und Hilfsberufe Sozial- und Wohlfahrtsverbaumlnden und Bildungseinrich-
tungen mit Arbeitsschwerpunkt im Bereich Praumlvention und Gesundheitsfoumlrderung
11
sozial benachteiligte Menschen zu denen haumlufig auch behinderte Menschen gehoumlren beson-
ders in ihrer Gesundheit gefoumlrdert werden da mit einem niedrigeren soziooumlkonomischen Sta-
tus oft eine schlechtere Gesundheit einhergeht (vgl Lampert et al 2013 S 814) Diese Be-
voumllkerungsgruppen gelten jedoch als besonders schwer erreichbar fuumlr gesundheitsfoumlrdernde
Maszlignahmen insbesondere wenn diese fuumlr die Gesamtbevoumllkerung ausgelegt sind (vgl
Mielck 2010 S 113)
Generell sollten Programme zur Gesundheitsfoumlrderung stets auf einem (5) Konzept beruhen
in dem Mittel Zeit Ressourcen und Ziele festgelegt und eine Bedarfsanalyse und Beschrei-
bung des Wirkungsmodells verankert sind Auch der geplante Weg einer Verstetigung der
Maszlignahme soll hier aufgezeigt werden (vgl BVPG 2013 S 91) Durch das Prinzip der
(6) Evaluation soll eine Qualitaumltssicherung erfolgen von der durch Veroumlffentlichung auch
andere profitieren koumlnnen (7) Nachhaltig soll Gesundheitsfoumlrderung auf saumlmtlichen Ebenen
sein es muss auf moumlgliche negative (Spaumlt-)Folgen geachtet werden der Umgang mit den
Ressourcen und der Umwelt sollte nachhaltig sein und es sollte eine Wirkung uumlber die Dauer
der Maszlignahme hinaus entstehen (vgl BVPG 2013 S 91)
32 Auswirkungen von Gesundheitsfoumlrderung auf den Menschen
Wie bereits dargelegt soll Gesundheitsfoumlrderung die Gesundheit der Menschen verbessern
Dies kann auf ganz unterschiedliche Weise geschehen Als Strategien sind hier die schon er-
waumlhnten verhaltens- und verhaumlltnisorientierten Strategien moumlglich und die Interventionsebene
kann auf individueller Ebene liegen an einem bestimmten Setting ansetzen oder die gesamte
Gesellschaft als Ausgangspunkt nehmen
Da Gesundheit als bdquoZustand des vollstaumlndigen koumlrperlichen geistigen und sozialen Wohler-
gehensldquo (WHO 2014 S 1) betrachtet wird soll eine gesundheitsfoumlrdernde Maszlignahme das
Befinden in einem oder mehreren dieser Teilbereiche ndash in einer ganzheitlichen Betrachtung
haumlngen diese stark zusammen und beeinflussen sich gegenseitig ndash positiv beeinflussen Im
Sinne der Salutogenese werden also Ressourcen entwickelt undoder gestaumlrkt Verbreitete
Strategien der Gesundheitsfoumlrderung wie etwa Sport gesunde Ernaumlhrung und Entspannung
aber auch soziale Ausgewogenheit und Partizipation als strukturelle Verhaumlltnisse muumlssen von
der Zielgruppe als positiv erlebt werden (vgl Geene 2005 S 21) Andernfalls ist keine oder
nur eine geringere Annahme bzw Wirkung des Programms zu erwarten Am Ende einer
Maszlignahme sollte stets eine Evaluation erfolgen Hier sind mit passend ausgewaumlhlten Evalua-
12
tionsinstrumenten die Auswirkungen des Programmes meist in irgendeiner Form messbar
entweder durch subjektive Einschaumltzungen zB wenn Teilnehmende angeben sich nun ge-
sunder zu fuumlhlen oder auch durch objektiv messbare Werte So koumlnnen bspw Werte wie Ge-
wicht Body-Mass-Index Blutwerte oder Ausdauer zu Beginn einer Maszlignahme mit denen am
Ende verglichen werden Eine hier erfolgreich ansetzende Maszlignahme hat meist (nicht nur)
eine Verbesserung der koumlrperlichen Gesundheit zur Folge Das gesenkte Risiko fuumlr Herz-
Kreislauf-Erkrankungen Krebs Erkrankungen der Atemwege der Verdauungsorgane oder
des Muskel-Skelett-Systems koumlnnen exemplarisch als Verbesserung der physischen Gesund-
heit aufgefuumlhrt werden (vgl HurrelmannKlotzHaisch 2010 S 20) Dies sind Anzeichen
dass sich der bdquoStandpunktldquo eines Menschen auf dem Gesundheits-Krankheits-Kontinuum
nach Antonovskys Modell der Salutogenese ein Stuumlck weiter Richtung Gesundheit verscho-
ben hat
Auch die Foumlrderung der Selbstwirksamkeit also der Uumlberzeugung auch schwierige Situatio-
nen mit eigenen Ressourcen loumlsen zu koumlnnen hat vielfaumlltige positive Auswirkungen auf die
Gesundheit und foumlrdert so diese (DlugoschDahl 2013 S 370) Maszlignahmen zur Entspannung
und Stressbewaumlltigung wirken sich im ersten Moment auf das seelische und psychische
Wohlbefinden aus haben dadurch aber sehr oft auch positive Auswirkungen auf den Koumlrper
Bestimmte Methoden wie etwa Yoga verfolgen schon im Ansatz eine ganzheitliche Vorstel-
lung bei welchem das Wohlbefinden koumlrperlich psychisch und seelisch gestaumlrkt wird (vgl
SimonHegerReszies 2011 S 169)
Die aufgefuumlhrten positiven Auswirkungen durch gesundheitsfoumlrdernde Maszlignahmen auf die
Gesundheit von Menschen sind nur einige Beispiele von sehr vielen Allen diesen Effekten zu
eigen ist jedoch dass sie sich positiv auf das gesundheitliche Wohlbefinden der Menschen
auswirken In deren subjektiven Empfinden verschiebt sich dadurch ihr Punkt auf dem Ge-
sundheits-Krankheits-Kontinuum des Salutogenesemodells ein Stuumlck in Richtung des Ge-
sundheitspols
33 Rechtliche Grundlagen
Die rechtliche Verankerung der Gesundheitsfoumlrderung findet sich in Deutschland im SGB V
wieder So legt sect 20 Abs 1 SGB V fest bdquoDie Krankenkasse sieht in der Satzung Leistungen
zur Verhinderung und Verminderung von Krankheitsrisiken (primaumlre Praumlvention) sowie zur
Foumlrderung des selbstbestimmten gesundheitsorientierten Handelns der Versicherten (Gesund-
13
heitsfoumlrderung) vorldquo5 Zurecht weist die Bundesaumlrztekammer in ihrer Stellungnahme zum
neuen Praumlventionsgesetz darauf hin dass diese Definition von Gesundheitsfoumlrderung nicht
umfassend genug ist da die Staumlrkung von Gesundheitsressourcen und ndashpotenzialen unerwaumlhnt
bleibt (vgl Bundesaumlrztekammer 2014 S 3) Die gesetzliche Krankenversicherung ist in
Deutschland von den Sozialversicherungszweigen finanziell mit Abstand am staumlrksten an der
Gesundheitsfoumlrderung beteiligt Gesetzlich verpflichtet war auszligerdem bisher nur die gesetzli-
che Unfallversicherung sodass die Beteiligung nicht-oumlffentlicher gemeinnuumltziger Traumlger wie
bspw Stiftungen zunehmend an Bedeutung gewinnt Der groumlszligte Teil der finanziellen Mittel
stammt allerdings aus oumlffentlichen Mitteln (vgl AltgeldKolip 2010 S 54) Durch das Prauml-
ventionsgesetz sind die gesetzlichen Krankenkassen nun nach sect 20 Abs 6 SGB V verpflich-
tet ab dem Jahr 2016 pro Versicherten 700 Euro statt wie im Jahr 2015 317 Euro fuumlr Praumlven-
tion und Gesundheitsfoumlrderung auszugeben Davon entfallen je 200 Euro auf Leistungen zur
Gesundheitsfoumlrderung und Praumlvention in Lebenswelten nach sect 20a SGB V und Betriebliche
Gesundheitsfoumlrderung nach sect 20b SGB V Das Praumlventionsgesetz sieht dabei eine Betriebli-
che Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen in WfbMs vor bdquoMit den Leistungen
[primaumlre Praumlvention und Gesundheitsfoumlrderung MP] sollen auch Menschen mit Behinde-
rung erreicht werden zB mit Leistungen zur betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung in Werk-
staumltten fuumlr behinderte Menschenldquo (Deutscher Bundestag 2015 S 34) Dies geht aus der vom
Deutschen Bundestag veroumlffentlichten Erlaumluterung zum Gesetzentwurf hervor
Die gesetzlichen Krankenkassen (unter Umstaumlnden auch die privaten Krankenkassen) sollen
des Weiteren mit den Traumlgern der Pflegeversicherung der Unfallversicherung und der Gesetz-
lichen Rentenversicherung eine bdquoNationale Praumlventionsstrategieldquo entwickeln (sect 20d SGB V)
die in der bdquoNationalen Praumlventionskonferenzldquo (sect 20e SGB V) ausgearbeitet und weitergefuumlhrt
wird In beiden Paragraphen geht es auch um Strategien der Gesundheitsfoumlrderung
Die gesetzlichen Pflegekassen sind nach sect 5 SGB XI fortan verpflichtet im Jahr 030 Euro je
Versicherter und Versichertem zur Gesundheitsfoumlrderung und Praumlvention in stationaumlren Pfle-
geeinrichtungen zu investieren
Eine gesetzliche Verankerung der Partizipation in der Gesundheitsfoumlrderung durch das Prauml-
ventionsgesetz ist hingegen ausgeblieben Ausgehend von der Annahme dass Gesundheits-
foumlrderung effektiver ist wenn die Zielgruppe an der Planung Durchfuumlhrung und Evaluation
5 Die Novellierung der sectsect 20ff SGB V ist eine Folge des 2015 verabschiedeten Gesetzes zur Staumlrkung der Ge-
sundheitsfoumlrderung und der Praumlvention Dieses ist im Internet verfuumlgbar unter
httpwwwbgbldexaverbgblstartxavstartbk=Bundesanzeiger_BGBlampjumpTo=bgbl115s1368pdf__bgbl__
2F2F[40attr_id3D27bgbl115s1368pdf27]__1446046078671 (Abrufdatum 28102015)
14
der Maszlignahme partizipiert (vgl FaltermaierWihofszky 2012 S 108) waumlre eine gesetzliche
Verankerung der Partizipation vorteilhaft gewesen
Das Recht auf Leistungen zur Gesundheitsfoumlrderung ergibt sich fuumlr Menschen mit Behinde-
rung auch aus der UN-BRK welche im Jahre 2009 von der Bundesrepublik Deutschland rati-
fiziert wurde In Artikel 25 heiszligt es hier bdquoDie Vertragsstaaten anerkennen das Recht von
Menschen mit Behinderungen auf das erreichbare Houmlchstmaszlig an Gesundheit ohne Diskrimi-
nierung aufgrund von Behinderungldquo Dieses houmlchsterreichbare Maszlig kann nur erreicht werden
wenn Menschen mit Behinderung konsequent in Maszlignahmen der Gesundheitsfoumlrderung ein-
bezogen werden Deutschland verpflichtet sich in Artikel 25 a) der UN-BRK behinderten
Menschen bdquoeine unentgeltliche oder erschwingliche Gesundheitsversorgung in der derselben
Bandbreite von derselben Qualitaumlt und auf demselben Standard zur Verfuumlgung [zu stellen]
wie anderen Menschen [hellip]ldquo Dies umfasst nicht nur kurative und rehabilitative Maszlignahmen
sondern auch solche zur Praumlvention und Foumlrderung der Gesundheit
34 Gesundheitsfoumlrderung in Settings
Da der Fokus dieser Arbeit auf der Gesundheitsfoumlrderung in WfbMs liegt werden nun einige
Aspekte zur Gesundheitsfoumlrderung in Settings also Lebenswelten genauer thematisiert
bdquoEin Setting ist ein Sozialzusammenhang in dem Menschen sich in ihrem Alltag aufhalten
und der Einfluss auf ihre Gesundheit hat Dieser soziale Zusammenhang ist relativ dauerhaft
und seinen Mitgliedern auch subjektiv bewusstldquo (HartungRosenbrock 2015 oS) Diese kur-
ze Definition enthaumllt die wichtigsten Merkmale eines Settings Jeder Mensch bewegt sich
folglich in verschiedenen Settings zB seiner Arbeitswelt seinem Wohnumfeld oder seinem
Freizeitbereich Dabei hat jedes Setting Einfluss auf die Menschen die sich in ihm bewegen
wie auch jeder Mensch gleichzeitig das jeweilige Setting beeinflusst Gesundheit ist hierbei
als ein wichtiges alltaumlgliches Element des jeweiligen Settings zu sehen und nicht ausschlieszlig-
lich als essenzielles und abstraktes Ziel (vgl RoumlmischWalther 2015 S 5 AltgeldKolip
2010 S 49) Dies betont auch die salutogenetische Position nach der jeder Mensch zu jedem
Zeitpunkt zumindest ein gewisses Maszlig an Gesundheit inne hat (vgl Antonovsky 1997 S 23)
Bereits in der Ottawa-Charta wird als eine Strategie zur Gesundheitsfoumlrderung bdquoGesundheits-
foumlrderliche Lebenswelten schaffenldquo (WHO 1986 S 3) genannt Elf Jahre spaumlter verdeutlicht
die Jakarta-Erklaumlrung die Wirksamkeit dieser Strategie bdquoDer wissenschaftliche Erkenntnis-
15
stand zeigt deutlich daszlig [hellip] insbesondere Settings [hellip] gute Moumlglichkeiten zur praktischen
Umsetzung solcher umfassenden Strategien bietenldquo (WHO 1997 S 3)
Dies mag va daran liegen dass eher schwer erreichbare Zielgruppen der Gesundheitsfoumlrde-
rung in ihren Lebenswelten relativ gut erreicht werden koumlnnen (vgl FaltermaierWihofszky
2012 S 110) Zu diesen Zielgruppen gehoumlren va sozial benachteiligte Menschen wie etwa
Menschen mit Migrationshintergrund in Armut lebende Menschen oder Menschen mit Be-
hinderungen Da das deutsche Gesundheitssystem stark mittelschichtsorientiert ist sind diese
schwerer zu erreichen als wohlhabendere Bevoumllkerungsschichten (vgl Stickan-Verfuumlrth 2005
S 105106) Besonders problematisch ist dies vor dem Hintergrund zu sehen dass gerade
sozial benachteiligte Menschen wie bereits erwaumlhnt haumlufig uumlber eine schlechtere Gesundheit
verfuumlgen
35 Gesundheitsfoumlrderung in der Lebenswelt bdquoArbeitldquo
Fuumlr eine Gesundheitsfoumlrderung in der Lebenswelt bdquoArbeitldquo sind besonders zwei Strategien
relevant die Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung (BGF) und das Betriebliche Gesundheitsma-
nagement
Die Begriffe bdquoBetriebliche Gesundheitsfoumlrderungldquo und bdquoBetriebliches Gesundheitsmanage-
mentldquo werden in der Literatur zT sehr unterschiedlich interpretiert Die Bandbreite reicht
hier von einer beinahe synonymen Verwendung bis hin zu einer klaren Abgrenzung Die hier
vorgenommene Unterscheidung ist dabei nur eine Moumlglichkeit unter mehreren
351 Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung
Als Grundsatzdokument der Betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung in Deutschland gilt heute
die Luxemburger Deklaration zur betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung in der Europaumlischen
Union aus dem Jahr 1997 Sie legt Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung wie folgt fest bdquoBe-
triebliche Gesundheitsfoumlrderung (BGF) umfasst alle gemeinsamen Maszlignahmen von Arbeit-
gebern Arbeitnehmern und Gesellschaft zur Verbesserung von Gesundheit und Wohlbefinden
am Arbeitsplatzldquo (Unternehmensnetzwerk zur betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung in der Eu-
ropaumlischen Union eV 2007 S 2 eigene Paginierung) Als Wege hierfuumlr sieht die Luxem-
burger Deklaration va drei Pfade welche in ihrer Verknuumlpfung am effektivsten scheinen die
16
Verbesserung der Arbeitsorganisation und der Arbeitsbedingungen die Staumlrkung der Partizi-
pation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und die Unterstuumltzung im Aufbau und der Wei-
terentwicklung persoumlnlicher Kompetenzen (vgl Unternehmensnetzwerk zur betrieblichen
Gesundheitsfoumlrderung in der Europaumlischen Union eV 2007 S 2)
Die Auswirkungen Betrieblicher Gesundheitsfoumlrderung sind mannigfaltig und durch Studien
belegt So kann hier aufgrund der verbesserten Gesundheit und der staumlrkeren Gesundheitsres-
sourcen eine Verringerung der Fehltage aufgrund von Krankheit angefuumlhrt werden Aber auch
die Wertschaumltzung und Fuumlrsorge durch den Betrieb koumlnnen eine staumlrkere Identifikation der
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit dem jeweiligen Unternehmen hervorrufen (vgl Si-
monHegerReszies 2011 S 3738) Dies hat ua ein besseres Arbeitsklima eine houmlhere Mo-
tivation und Arbeitszufriedenheit und daraus resultierend eine Steigerung der Produktivitaumlt
zur Folge (vgl Unternehmensnetzwerk zur betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung in der Euro-
paumlischen Union eV 2007 S 3) Diese positiven Effekte entfalten teilweise erst laumlngerfristig
ihre Wirkung Somit sind sie fuumlr das Unternehmen eine langfristige Investition die allerdings
Gefahr laumluft kurzfristigen betriebswirtschaftlichen Interessen entgegenzulaufen (vgl Rosen-
brockHartung 2015 oS)
Als Maszlignahmen der Betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung eignen sich sowohl verhaltens- als
auch verhaumlltnisbezogene Maszlignahmen Eine Kombination aus beiden waumlre im Sinne der
Ganzheitlichkeit durchaus gewinnbringend
Eine gesetzliche Verpflichtung fuumlr Unternehmen zur Betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung gibt
es fuumlr Unternehmen in Deutschland nicht Wie in Punkt 33 bereits erwaumlhnt ist der rechtliche
Zusammenhang in sect 20b Abs 1 Satz 2 SGB V geregelt bdquoHierzu erheben sie [die Kranken-
kassen MP] unter Beteiligung der Versicherten und der Verantwortlichen fuumlr den Betrieb
sowie der Betriebsaumlrzte und der Fachkraumlfte fuumlr Arbeitssicherheit die gesundheitliche Situation
einschlieszliglich ihrer Risiken und Potenziale und entwickeln Vorschlaumlge zur Verbesserung der
gesundheitlichen Situation sowie zur Staumlrkung der gesundheitlichen Ressourcen und Faumlhig-
keiten und unterstuumltzen deren Umsetzungldquo Nach sect 20 Abs 6 Satz 2 sind die Krankenkassen
dazu verpflichtet pro Versicherter und Versichertem 200 Euro im Jahr in Maszlignahmen zur
Betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung zu investieren
Obwohl der Nutzen Betrieblicher Gesundheitsfoumlrderung sowohl fuumlr die Belegschaft als auch
fuumlr das jeweilige Unternehmen selbst nachgewiesen ist (vgl RosenbrockHartung 2015 oS)
es sich also um eine Win-Win-Situation handelt ist ihre Verbreitung in Deutschland noch
eher gering Das liegt zum einen daran dass Unternehmen nicht zur Betrieblichen Gesund-
heitsfoumlrderung verpflichtet sind und diese daher auf Freiwilligkeit aller Akteure beruht Zum
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anderen liegt es daran dass es sich um einen vielschichtigen Prozess handelt der durch inter-
ne externe oumlkonomische oder betriebspolitische Veraumlnderungen beeintraumlchtigt werden kann
(vgl RosenbrockHartung 2015 oS)
Fuumlr eine gelingende BGF ist Partizipation unumgaumlnglich denn nur so wird sichergestellt dass
moumlglichst viele Akteure besonders die Zielgruppe der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter er-
reicht wird (SimonHegerReszies 2011 S 46) Ein wichtiges Element hierbei ist der sog
bdquoGesundheitszirkelldquo Dieser setzt sich zusammen aus Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des
Betriebs wobei moumlglichst verschiedene Arbeitsbereiche und Hierarchieebenen vertreten sein
sollten Die Groumlszlige sollte dabei uumlberschaubar bleiben zB zwischen fuumlnf und acht Teilneh-
menden evtl ergaumlnzt durch einen externen Experten Im Zuge einer angestrebten Versteti-
gung von Gesundheitsfoumlrderung im Betrieb sind regelmaumlszligige Treffen sinnvoll (vgl Si-
monHegerReszies 2011 S 64 ndash 69) Um eine moumlglichst umfassende Partizipation zu ge-
waumlhrleisten empfiehlt es sich den Gesundheitszirkel von Beginn an also der Phase der Pla-
nung mit einzubeziehen Fuumlr eine Gesundheitsfoumlrderung in WfbMs scheint eine analoge An-
wendung des Konzeptes Gesundheitszirkel sowohl moumlglich als auch sinnvoll um von Beginn
an partizipative Strukturen zu etablieren
352 Betriebliches Gesundheitsmanagement
In der Literatur wird der Begriff des Betrieblichen Gesundheitsmanagements sehr unter-
schiedlich interpretiert Schlummer interpretiert ihn beinahe synonym zur Betrieblichen Ge-
sundheitsfoumlrderung wobei lediglich der Faktor der Arbeitssicherheit eine staumlrke Beruumlcksichti-
gung im Gesundheitsmanagement findet (vgl Schlummer 2015 S 35) Die Luxemburger
Deklaration hingegen sieht Arbeits- und Gesundheitsschutz in Unternehmen als Teil der Be-
trieblichen Gesundheitsfoumlrderung (vgl Unternehmensnetzwerk zur betrieblichen Gesund-
heitsfoumlrderung in der Europaumlischen Union eV 2007 S 4) In der vorliegenden Arbeit wird
der Arbeits- und Gesundheitsschutz ebenfalls unter der Strategie der Betrieblichen Gesund-
heitsfoumlrderung gesehen da er dem Verstaumlndnis von BGF als bdquoMaszlignahmen von Arbeitgebern
Arbeitnehmern und Gesellschaft zur Verbesserung von Gesundheit und Wohlbefinden am
Arbeitsplatzldquo (Unternehmensnetzwerk zur betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung in der Europauml-
ischen Union eV 2007 S 2) entspricht Fuumlr die Abgrenzung zwischen den beiden Begriffen
scheint dieser Aspekt zweitrangig Im Vordergrund liegt eher der jeweilige Charakter der
Strategie
18
Gesundheitsmanagement in Betrieben kann als bdquo[b]ewusste Steuerung und Integration aller
betrieblichen Prozesse mit dem Ziel der Erhaltung und Foumlrderung der Gesundheit und des
Wohlbefindens der Beschaumlftigtenldquo (HannackRaumlder 2011 S 434) gesehen werden Dieses
Konzept scheint mit Vor- und Nachteilen einherzugehen Da saumlmtliche betriebliche Prozesse
die als der Gesundheit foumlrderlich gelten hierunter fallen sind auch individuelle Maszlignahmen
wie bspw das Betriebliche Eingliederungsmanagement nach sect 84 Abs 2 SGB IX mit inbe-
griffen Bei diesem geht es in erster Linie nicht um eine Erhaltung oder Verbesserung der
Gesundheit sondern um eine Vorbeugung von Arbeitsunfaumlhigkeit undoder den Erhalt eines
Arbeitsplatzes Ebenfalls positiv kann die Implementierung gesundheitsorientierter Prozesse
und Strukturen in das generelle Management eines Unternehmens gesehen werden Dadurch
scheint auszligerdem die Dauerhaftigkeit von gesundheitsfoumlrderlichen Maszlignahmen besser er-
reichbar als bei der BGF Hier haben Maszlignahmen meist den Charakter eines zeitlich befriste-
ten Projektes (vgl SlesinaBohley 2011 S 627) Der groszlige Nachteil des Betrieblichen Ge-
sundheitsmanagements liegt in der Gefahr dass sog top-down-Strukturen die Uumlberhand ge-
winnen (vgl Faller 2010 S 25 zit nach RosenbrockHartung 2015 oS) Top-down-
Strukturen in der Gesundheitsfoumlrderung zeichnen sich dadurch aus dass eine Person von
bdquoobenldquo eine Maszlignahme einleitet und im schlimmsten Fall bdquoaufoktroyiertldquo Dies kann mangels
Partizipation der Zielgruppe zu Ablehnung bei dieser fuumlhren
Fuumlr eine Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung in WfbMs scheint ndash zumin-
dest im Moment ndash der Weg der BGF geeigneter Hier sind zum einen in der Theorie groszlige
Potentiale fuumlr Partizipation gegeben Zum anderen ist das Thema der systematischen Gesund-
heitsfoumlrderung mit behinderten Menschen in Institutionen der Behindertenhilfe bisher kaum
verbreitet (siehe 44) Eine sofortige Implementierung des Betrieblichen Gesundheitsmana-
gements wuumlrde die meisten Einrichtungen uumlberfordern und vor den Kopf stoszligen Auf lange
Sicht scheint dies aber ein wuumlnschenswertes Ziel zu sein welches Schritt fuumlr Schritt erreicht
werden sollte
19
4 Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung
Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen ist bisher in der Praxis der sog bdquoBehinder-
tenhilfeldquo6 nur aumluszligert selten integriert In der wissenschaftlichen Literatur sind in den letzten
Jahren einige Beitraumlge erschienen die sich diesem Thema widmen Es soll nun zuerst darge-
stellt werden in welchem Verhaumlltnis Gesundheit und Behinderung zueinander stehen bevor
auf die Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen eingegangen wird Der Fokus dieser
Arbeit liegt auf der Gesundheitsfoumlrderung in WfbMs In diesem Zusammenhang wird der
Stand der Literatur kurz dargestellt eine kurze Analyse von Leitbildern einzelner Werkstaumltten
vorgenommen und einige Stimmen aus der Praxis wiedergegeben Aufgrund des knappen
Rahmens dieser Arbeit muss sich dies auf das Bundesland Berlin beschraumlnken und erhebt kei-
nen Anspruch auf empirische Vollstaumlndigkeit Vielmehr versteht es sich als eine kleine Feld-
befragung die als ein erster Impuls gesehen werden kann
41 Behinderte Menschen und Gesundheit und Krankheit ndash sozialmedizinische Erkenntnisse
Zunaumlchst muss festgehalten werden dass eine Behinderung keine Krankheit ist Auch ein
schwer behinderter Mensch kann sich sehr gesund fuumlhlen Der wesentliche Unterschied zwi-
schen einer Behinderung und einer Krankheit liegt darin dass bei einer Behinderung die Teil-
habe am Leben in der Gesellschaft langfristig beeintraumlchtigt ist bei einer Erkrankung hinge-
gen nicht oder nur kurzfristig7 Das hier vorliegende Verstaumlndnis in der Unterscheidung bei-
der Begriffe ist vordergruumlndig eher ein soziales denn eine medizinische Abgrenzung
Es existieren verschiedene und teilweise weitreichende gesundheitliche Unterschiede zwi-
schen Menschen mit Behinderungen und Menschen ohne Behinderungen Um diese auch in
ihrem Ursprung erklaumlren zu koumlnnen reicht der bdquotraditionelleldquo bio-medizinische Blick nicht
aus da er zu kurz greift Er muss um die sozialmedizinische Sichtweise ergaumlnzt werden
An dieser Stelle sollte allerdings darauf hingewiesen werden dass die folgende Darstellung
den Gesundheitszustand groszliger heterogener Gruppen von Menschen abbildet und die ge-
troffenen Aussagen daher nicht auf jeden Einzelfall anwendbar sind
6 Dieser Begriff impliziert durch den Wortteil bdquo-hilfeldquo ein Maumlchteungleichgewicht welches einer wahren Parti-
zipation der behinderten Menschen im Wege steht 7 Sollte eine chronische Krankheit einen Menschen in seiner Teilhabe langfristig einschraumlnken kann sie durch-
aus auch als Behinderung gesehen werden
20
Der Teilhabebericht des Bundesministeriums fuumlr Arbeit und Soziales (BMAS) kommt zu dem
Ergebnis dass Menschen mit Behinderungen ihre Gesundheit haumlufig schlechter einschaumltzen
als Menschen ohne Behinderungen Dies gilt auch fuumlr das psychische Wohlbefinden welches
im ganzheitlichen Verstaumlndnis von Gesundheit das dieser Arbeit zugrunde liegt (siehe 22)
ebenfalls Teil der Gesundheit ist Auch hat ein Mensch mit Behinderung in Deutschland im
Durchschnitt mehr Krankheitstage8 als ein nicht behinderter Mensch Menschen mit Behinde-
rung konsultieren statistisch betrachtet in einem bestimmten Zeitraum haumlufiger einen Arzt als
die durchschnittliche Bevoumllkerung Dies duumlrfte ua an dem als schlechter wahrgenommenen
Gesundheitszustand liegen aber auch an der Komorbiditaumlt bestimmter Behinderungen Bzgl
des Rauchverhaltens Alkoholkonsums und einer gesundheitsbewussten Ernaumlhrung bestehen
nur relativ geringe Unterschiede zur Gesamtbevoumllkerung Auffaumlllig ist lediglich dass die
Gruppe der 18- bis 29-Jaumlhrigen Menschen mit Behinderung zu einem houmlheren Anteil regel-
maumlszligig raucht Alkohol trinkt und seltener auf gesunde Ernaumlhrung achtet In den anderen Al-
tersgruppen bestehen kaum nennenswerte Unterschiede (vgl BMAS 2013 S 192 ndash 204)
Menschen mit Behinderungen haben im Durchschnitt eine geringere Lebenserwartung wobei
es hier Unterschiede zwischen einzelnen Syndromen gibt (vgl MarksSisirakHeller 2010
S 3) Bei einigen kann die jeweilige Behinderung selbst der Ausloumlser sein jedoch besteht
besonders bei Menschen mit Lernschwierigkeiten die Gefahr dass Krankheiten nicht richtig
erkannt oder nur unzureichend behandelt werden (vgl Lennox 2002 S 230) Ausschlagge-
bend hierfuumlr duumlrfte sein dass im Gesundheitsbereich verschiedenste Barrieren existieren Zum
Beispiel ist nur ein Teil der Arztpraxen barrierefrei wobei besonders haumlufig passende Unter-
suchungsmoumlbel und Informationsmaterial in Leichter Sprache fehlen (vgl BMAS 2013
S 200201) Ebenfalls negativ wirkt sich aus dass Aumlrzte teilweise unsicher im Umgang mit
Menschen mit Lernschwierigkeiten sind und diese zT auszligerdem ihre Symptome nicht praumlzi-
se genug beschreiben koumlnnen oder uumlber eine geringer differenzierte Wahrnehmung des eige-
nen Koumlrpers verfuumlgen als Menschen ohne Behinderung (vgl SchmidtReker 2014 S 28)
Des Weiteren haben Menschen mit Lernschwierigkeiten statistisch gesehen haumlufiger Uumlberge-
wicht als der Durchschnitt der Bevoumllkerung Hier muss jedoch beruumlcksichtigt werden dass
mit bestimmten Syndromen wie bspw dem Down-Syndrom ein veraumlnderter Energiebedarf
aufgrund der geringeren Muskelspannung einhergeht oder das Saumlttigungsgefuumlhl zB beim
Prader-Willi-Syndrom veraumlndert ist (Beange 2002 S 3) Die houmlhere Wahrscheinlichkeit des
Uumlbergewichts besteht statistisch gesehen sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen mit
8 Krankheitstage werden an dieser Stelle des Bundesteilhabeberichtes verstanden als Tage in denen der Mensch
sich subjektiv zu krank gefuumlhlt hat um seinen normalen privaten und beruflichen Taumltigkeiten nachzugehen
21
Lernschwierigkeiten (vgl Reuter 2009 S 13) Eine moumlgliche Ursache hierfuumlr kann auch in
der Tatsache gesehen werden dass Menschen mit Behinderungen durchschnittlich seltener
Sport treiben als nicht behinderte Menschen (vgl BMAS 2013 S 221222)
Ein weiterer bedeutender Zusammenhang zwischen Krankheit und Behinderung ist dass viele
Behinderungen im Sinne von Einschraumlnkungen in der gesellschaftlichen Teilhabe wie auch im
gesetzlichen Verstaumlndnis nach dem SGB IX Folgen von schweren undoder chronischen
Krankheiten sind (vgl SchmidtReker 2014 S 26)
Trotz allem muumlssen auch die vorhandenen Gesundheitspotentiale behinderter Menschen be-
ruumlcksichtigt werden denn an ihnen kann eine gelingende Gesundheitsfoumlrderung ansetzen (vgl
Altgeld 2008 S 8)9 Ein ressourcenorientierter Blick achtet besonders auf die verschiedenen
Potentiale die jedem Menschen (oder auch einer Gruppe von Menschen) innewohnen
Das Verhaumlltnis zwischen Gesundheit und Behinderung haumlngt in Deutschland und vielen Tei-
len der sog westlichen Welt aus sozialmedizinischem Blickwinkel nach wie vor so zusam-
men bdquoWhile a large number of individuals who are in bad health end up with a disability a
large number of persons with disabilities end up with bad healthldquo10
(Rimmer 2009 zit nach
MarksSisirakHeller 2010 S 31) Dieser Chiasmus verdeutlicht zusammenfassend nicht nur
die vorherrschende enge Verbindung zwischen schlechterer Gesundheit und Behinderung
sondern impliziert auch die Notwendigkeit von Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Be-
hinderungen Wie in 31 beschrieben hat Gesundheitsfoumlrderung auch den Abbau gesundheit-
licher Chancenungleichheit zum Ziel
42 Erreichbarkeit von Menschen mit Behinderungen fuumlr gesundheitsfoumlrdernde Maszlignahmen
Fuumlr die Gesundheitsfoumlrderung gelten Menschen mit Behinderungen als schwer zu erreichen
Es sollen nun die wesentlichen Probleme aber auch die vorhandenen Potentiale beschrieben
werden
9 Altgeld bezieht sich in seiner Analyse auf den Gesundheitsmonitor 2007 der Bertelsmann Stiftung Da dieser
Menschen mit Lernschwierigkeiten nicht mit einbezieht sondern vorwiegend koumlrper- und sinnesbeeintraumlchtige
Menschen beruumlcksichtigt koumlnnen seine Schlussfolgerungen nicht fuumlr die gesamte sehr heterogene Gruppe der
behinderten Menschen angewendet werden 10
Waumlhrend eine groszlige Anzahl an Personen welche eine schlechte Gesundheit besitzen eine Behinderung er-
langt erlangt eine groszlige Anzahl an Personen mit Behinderungen eine schlechte Gesundheit (Uumlbersetzung des
Verfassers)
22
421 Probleme bei der Erreichbarkeit
In den bundesweiten Untersuchungen wie bspw dem Sozio-oumlkonomischen Panel (SOEP)
oder Gesundheit in Deutschland aktuell (GEDA) werden Menschen mit Lernschwierigkeiten
idR nicht erreicht Dies hat zur Folge dass sowohl gesundheitliche Potentiale als auch Be-
duumlrfnisse und Bedarfe von Menschen mit Lernschwierigkeiten in der Gesundheitsfoumlrderung
weitgehend unerkannt und dadurch ausgeklammert bleiben (vgl Burtscher 2014 S 4)
Generell gelten behinderte Menschen bisher als schwer zu erreichen fuumlr Maszlignahmen zur Ge-
sundheitsfoumlrderung was verschiedene Gruumlnde hat Sozial benachteiligte Menschen sind sehr
haumlufig eine schwer erreichbare Zielgruppe fuumlr die Gesundheitsfoumlrderung Maszlignahmen auf der
gesamtgesellschaftlichen Ebene werden eher von Menschen mit houmlherem sozialen Status an-
genommen (Hurrelmann 2006 S 164) und erst spaumlter von sozial Benachteiligten internali-
siert Es waumlre jedoch ein Fehler Menschen mit Behinderungen automatisch zur Gruppe der
sozial benachteiligten Menschen zu rechnen Jedoch zeigt der Bundesteilhabebericht dass
behinderte Menschen haumlufiger erwerbslos sind und durchschnittlich weniger Gehalt verdienen
(BMAS 2013 S 141 ndash 149) Dass die finanzielle Lage von Beschaumlftigten der WfbMs beson-
ders prekaumlr ist wird im Punkt 43 naumlher erlaumlutert Diese soziooumlkonomischen Merkmale sind
jedoch nur ein Aspekt Auch gilt es zu bedenken dass besonders Maszlignahmen auf der Verhal-
tensebene bei sozial benachteiligten Menschen oft wenig angenommen werden da sie mit den
eigenen dauerhaften Lebensvorstellungen nicht uumlbereinstimmen (vgl Hurrelmann 2006
S 164) So nehmen Menschen mit Behinderung nur sehr selten an Angeboten oumlffentlicher
Einrichtungen wie bspw Volkshochschulkursen oder Rehabilitations-Sport-Maszlignahmen teil
(vgl Burtscher 2014 S 5)
Ein weiterer Punkt ist dass das Thema Gesundheitsfoumlrderung in der Behindertenarbeit traditi-
onell kaum etabliert war Laut einer Studie aus dem Jahr 2004 sehen Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter in Behinderteneinrichtungen haumlufig wenig Relevanz in Sport Bewegung und Er-
naumlhrung fuumlr die Foumlrderung der Gesundheit behinderter Menschen Daruumlber hinaus schreiben
sie auch Selbstbewusstsein Selbststaumlndigkeit und Selbstbestimmung nur eine untergeordnete
Rolle zu (vgl Gembris-Nuumlbel 2004 S 144) Allerdings besteht die Chance dass diese Ein-
stellung sich in den letzten zehn Jahren veraumlndert hat Die Ergebnisse der im Rahmen dieser
Arbeit durchgefuumlhrten Feldbefragung geben Anlass zu dieser Annahme (siehe 443) Auszliger-
dem ist fuumlr viele Menschen mit Lernschwierigkeiten der Zugang zu Informationen welche
Gesundheitsfoumlrderung thematisieren nur schwer moumlglich Hier sind folglich Vermittlung und
Unterstuumltzung oft notwendig (vgl Gembris-Nuumlbel 2004 S 82)
23
Auch von der Politik wird das Thema der Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen
bisher nur sehr selten thematisiert Seltene Ausnahmen wie zB die 22 Landesgesundheits-
konferenz in Nordrhein-Westfalen weisen jedoch auf die Wichtigkeit von Gesundheitsfoumlrde-
rung hin welche die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben verbessern kann (vgl Ministerium
fuumlr Gesundheit Emanzipation Pflege und Alter des Landes Nordrhein-Westfalen 2013
S 31) Hervorgehoben wird hier auch die (zukuumlnftige) Gestaltung der Informationen damit
diese fuumlr alle zugaumlnglich sind Des Weiteren soll auch das Bewusstsein saumlmtlicher Beteiligten
im Bereich der Gesundheitsfoumlrderung sensibilisiert werden (vgl Ministerium fuumlr Gesundheit
Emanzipation Pflege und Alter des Landes Nordrhein-Westfalen 2013 S 32)
Schon im Grundschulalter werden behinderte Kinder oft nicht erreicht da Gesundheitsfoumlrde-
rung sehr haumlufig nur in Regelgrundschulen und weiterfuumlhrenden Schulen und nicht in separie-
renden Foumlrderschulen stattfindet (vgl Reuter 2009 S 1819)
422 Potentiale fuumlr die Erreichbarkeit
Allerdings muumlssen auch die Potentiale betrachtet werden die fuumlr eine Erreichbarkeit behin-
derter Menschen zur Gesundheitsfoumlrderung vorhanden sind Auch diese bestehen in allen Al-
tersgruppen zB im fruumlhen Schulalter Im Zuge der Inklusion bei der immer mehr Kinder
mit Behinderungen in Regelschulen unterrichtet werden ist zu hoffen dass sie zukuumlnftig haumlu-
figer an Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung teilhaben koumlnnen Solange es (noch) Foumlrder-
schulen gibt muss auch auf deren (oft ungenutztes) Potential fuumlr gesundheitsfoumlrdernde Maszlig-
nahmen hingewiesen werden das in ihrer oft ganztaumlgigen Betreuung und den damit verbun-
denen Ressourcen liegt
Nicht nur in der Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Kindern sind bereits Potentiale vor-
handen Generell weisen Gesundheitsfoumlrderung und Behindertenarbeit sehr groszlige Gemein-
samkeiten in Sprache Prinzipien und Zielen auf Beide zielen letztendlich ab auf Inklusion
Partizipation Empowerment Entwicklung persoumlnlicher Faumlhigkeiten Einbindung in die Ge-
meinde die Neuorientierung von Gesundheitsdienstleistungen und die Foumlrderung von Um-
welten welche Gesundheit und Lebensqualitaumlt verbessern (vgl Lennox 2002 S 231) Es soll
auch darauf hingewiesen werden dass viele behinderte Menschen sehr an Informationen uumlber
Gesundheit interessiert sind und aktiv nach Informationen suchen (vgl Altgeld 2008 S 8)
Abschlieszligend laumlsst sich auffuumlhren dass gerade der Setting-Ansatz wie er in Punkt 34 darge-
stellt wurde eine sehr gute Moumlglichkeit bietet Menschen mit Behinderungen zu erreichen Er
24
bietet einen Zugangspunkt und kann Ausgangslage sein sowohl fuumlr verhaltens- als auch fuumlr
verhaumlltnisorientierte Maszlignahmen zur Foumlrderung der Gesundheit von Menschen mit Behinde-
rungen
Obwohl behinderte Menschen in der Vergangenheit nur selten gezielt an Maszlignahmen zur
Gesundheitsfoumlrderung beteiligt wurden sind doch einige Potentiale vorhanden an denen an-
zuknuumlpfen lohnenswert scheint
43 Das Setting Werkstatt fuumlr behinderte Menschen
WfbMs sind spezielle Einrichtungen fuumlr Menschen mit Behinderungen die nach dem SGB IX
als behindert gelten (siehe 21) Nach sect 136 SGB IX dienen diese Einrichtungen der bdquoTeilhabe
behinderter Menschen am Arbeitsleben [hellip] und zur Eingliederung in das Arbeitslebenldquo
Dadurch sind sie nicht Teil des allgemeinen Arbeitsmarktes da ihre Beschaumlftigten bdquowegen
Art oder Schwere der Behinderung nicht noch nicht oder noch nicht wieder auf dem allge-
meinen Arbeitsmarkt beschaumlftigt werden koumlnnenldquo (sect 136 Abs 1 SGB IX) Ihr Ziel ist es be-
hinderte Menschen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt vorzubereiten Die Beschaumlftigten arbei-
ten in verschiedensten Bereichen zB im Handwerk oder in Taumltigkeiten der elektronischen
Datenverarbeitung je nach persoumlnlicher Neigung Da es sich um kein typisches sozialversi-
cherungspflichtiges Arbeitsverhaumlltnis handelt sondern um ein bdquoarbeitnehmeraumlhnliches
Rechtsverhaumlltnisldquo11
(sect 138 SGB IX) bekommen die Beschaumlftigten keinen Lohn der dem
Mindestlohn entspricht Nach sect 138 SGB IX setzt sich ihr Arbeitsentgelt zusammen aus ei-
nem Grundbetrag und einem leistungsbemessenen Steigerungsbetrag Im Jahr 2011 verdiente
ein Beschaumlftigter im Durchschnitt 180 Euro monatlich (vgl BAG WfbM 2014) bei 35 bis 40
Arbeitsstunden pro Woche Von einer groszligen Steigerung in den letzten Jahren ist nicht auszu-
gehen Somit benoumltigen Beschaumlftigte einer WfbM idR neben ihrem Arbeitsentgelt Grundsi-
cherung Dies hat zur Folge dass sie haumlufig in prekaumlren soziooumlkonomischen Verhaumlltnissen
leben
Jede Werkstatt ist soziologisch betrachtet ein eigenes System mit individuellen Merkmalen
die unter anderem vom Standort dem Fachpersonal dem Traumlger und den Beschaumlftigten ge-
kennzeichnet sind (vgl SchlummerSchuumltte 2006 S 81) Gesetzlich festgelegt ist in sect 139
11
Begruumlndet wird dieses Rechtsverhaumlltnis haumlufig durch den Kuumlndigungsschutz Eine Werkstatt kann einen
Werkstattvertrag mit einer Beschaumlftigten oder einem Beschaumlftigten nur in seltenen Faumlllen gegen ihren oder sei-
nen Willen aufheben
25
SGB IX dass die Beschaumlftigten aus ihrer Mitte heraus regelmaumlszligig einen Werkstattrat waumlhlen
Genaueres regelt hier die Werkstaumltten-Mitwirkungsverordnung (WMVO) Wie ihr Name al-
lerdings schon sagt handelt es sich hier um die Moumlglichkeit der Mitwirkung nicht der Mitbe-
stimmung Diese kann nur erreicht werden wenn Werkstatt und Werkstattrat nach sect 5 Abs 4
WMVO eine weitergehende Vereinbarung treffen Zu den Aufgaben des Werkstattrates ge-
houmlrt es die Interessen der Beschaumlftigten in verschiedenen Angelegenheiten gegenuumlber der
Werkstatt zu vertreten Diese sind in sect 5 Abs 1 WMVO aufgelistet Die Werkstatt muss den
Werkstattrat auszligerdem informieren wenn sie eine Maszlignahme durchfuumlhrt in der der Werk-
stattrat ein Mitwirkungsrecht besitzt12
Sollte kein Einverstaumlndnis in einer Beratung erzielt
werden koumlnnen beide Seiten sich an eine Vermittlungsstelle wenden (sect 5 Abs 3 WMVO)
Das tatsaumlchliche Ausmaszlig der Mitwirkung ist jedoch stets von der Werkstattleitung abhaumlngig
Solch eine fehlende gesetzliche Verankerung von Mitbestimmung steht der Partizipation be-
hinderter Menschen im Wege welche sowohl fuumlr die gesellschaftliche Inklusion als auch die
Gesundheitsfoumlrderung immens wichtig ist
44 Gesundheitsfoumlrderung in Werkstaumltten fuumlr behinderte Menschen
Zunaumlchst gilt es sich einen Uumlberblick uumlber den aktuellen Stand von Gesundheitsfoumlrderung in
WfbMs zu verschaffen Einen ersten Einblick soll die dazu vorhandene Literatur liefern Da-
nach soll ein Abgleich dieser mit der Praxis stattfinden der sich aufgrund des gesetzten Rah-
mens dieser Arbeit nur auf einige Werkstaumltten des Bundeslandes Berlin konzentriert Hierfuumlr
werden jeweils die Leitbilder untersucht und Stimmen aus der Werkstatt ausgewertet
441 Recherche zum aktuellen Stand
Die Literatur zum Thema Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen in WfbMs ist
noch sehr duumlnn Vollstaumlndig ausgearbeitete Konzepte gibt es bisher nicht veroumlffentlicht wur-
den Berichte von abgeschlossenen oder noch laufenden Projekten Werner Schlummer wis-
senschaftlicher Mitarbeiter der Universitaumlt zu Koumlln begleitete ein Projekt zum Betrieblichen
12
Eine ausfuumlhrliche Beschreibung der Mitwirkungs- und Unterrichtungsrechte des Werkstattrates ist bei
SchlummerSchuumltte 2006 S 71 ndash 82 nachzulesen
26
Gesundheitsmanagement13
in einer WfbM zusammen mit acht Studierenden der Universitaumlt
(vgl Schlummer 2015 S 33) Auch das Projekt GESUND als Teilprojekt von PartKomm-
Plus (Forschungsverbund fuumlr gesunde Kommunen) wird wissenschaftlich durch die Katholi-
sche Hochschule fuumlr Sozialwesen begleitet (vgl Burtscher 2014 S 6)
Als Ausnahme kann das Projekt bdquoSelbstbestimmt gesuumlnderldquo im Rahmen des Programmes
bdquoHealthy Athletesldquo gesehen werden Hier bringt Special Olympics Deutschland eV Maszlig-
nahmen zur Gesundheitsfoumlrderung in die Lebenswelten behinderter Menschen Bei Healthy
Athletes werden Sportlerinnen und Sportler bei Veranstaltungen von Special Olympics kos-
tenlose Beratungen und Kontrolluntersuchungen angeboten Diese Angebote werden jedoch
auch auf Wohnheime und WfbMs ausgeweitet (vgl Special Olympics Deutschland a) S 2
eigene Paginierung) Auch das Projekt bdquoSelbstbestimmt gesuumlnderldquo bringt gesundheitsfoumlrdern-
de Maszlignahmen in Werkstaumltten Dabei werden bdquoTeilnehmern individualisierte Handlungsemp-
fehlungen zum Gesundheitsverhalten zur Verfuumlgung gestelltldquo (Special Olympics Deutschland
b) oS) Das Projekt setzt auszligerdem auf die Wirkung von Peer-Multiplikatorinnen und
-Multiplikatoren
Weitere Projekte sind trotz intensiver Recherche nicht bekannt Auch die Bundesarbeitsge-
meinschaft Werkstaumltten fuumlr behinderte Menschen eV (BAG WfbM) hat auf ihrer Homepa-
ge14
keinen Artikel zur Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung in WfbMs
Gibt man in der Suchmaske bdquoGesundheitsfoumlrderungldquo ein erhaumllt man zwei Ergebnisse einen
Artikel uumlber ein neu entwickeltes Computerspiel das von Kindern mit unterschiedlichen Be-
hinderungen gespielt werden kann und einen Artikel zum Qualifizierungsprogramm bdquoGe-
sundheitsfoumlrderung durch Schluumlsselqualifikationenldquo das sich nicht an Beschaumlftigte sondern
an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in WfbMs richtet Dies legt den Schluss nahe dass Ge-
sundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen in WfbMs bisher kaum verbreitet ist
Das Thema Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung als solches wurde in den
letzten Jahren zunehmend in der Literatur behandelt wobei die Anzahl der Veroumlffentlichun-
gen nach wie vor auf einem uumlberschaubaren Stand ist
13
Schlummers Verstaumlndnis von Betrieblichem Gesundheitsmanagement und Betrieblicher Gesundheitsfoumlrderung
sind beinahe synonym Das beschriebene Projekt kann daher im erweiterten Rahmen durchaus als Projekt zur
Gesundheitsfoumlrderung gesehen werden 14
httpwwwbagwfbmde (Stand 11112015)
27
442 Konzepte und Leitbilder von Einrichtungen der Praxis
Betrachtet werden vier verschiedene WfbMs und ihre Leitbilder Es handelt sich um die vier
Werkstaumltten von denen auch im Rahmen der Feldbefragung Stimmen einer Mitarbeiterin oder
eines Mitarbeiters und zT von Beschaumlftigten gewonnen werden konnten (siehe 443 und
Anhang Nr 2)
Aufgrund der jeweiligen Traumlgerstrukturen besitzt lediglich eine der Werkstaumltten15
als solche
ein eigenes Leitbild Bei den anderen drei Werkstaumltten muss auf das Leitbild des jeweiligen
Traumlgers zuruumlckgegriffen werden Das Thema der Gesundheit der Klientinnen und Klienten
bzw Werkstattbeschaumlftigten wird allerdings in keinem Leitbild thematisiert Auch die Such-
funktionen auf den jeweiligen Homepages bzw intensive Recherchen auf diesen brachten
keine Ergebnisse zum Stichwort bdquoGesundheitsfoumlrderungldquo Daraus laumlsst sich schlieszligen dass
Gesundheitsfoumlrderung der Werkstattbeschaumlftigten in den theoretischen Konzeptionen von
WfbMs meist nicht verankert ist
443 Gesundheitsfoumlrderung in der alltaumlglichen Praxis der Werkstaumltten ndash eine kleine Feldbe-
fragung
Im Rahmen des Informationstages der Berliner Landesarbeitsgemeinschaft Werkstaumltten fuumlr
behinderte Menschen eV (LAG WfbM) am 17112015 im Estrel Hotel Berlin wurden je-
weils eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter von vier verschiedenen WfbMs zum Thema Ge-
sundheitsfoumlrderung mit den Beschaumlftigten in der Werkstatt befragt (siehe Anhang Nr 2) Die
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben alle eine vergleichbare Position Begleitender Dienst
Paumldagogischer Dienst oder Sozialdienst In einer der Werkstaumltten konnten uumlberdies auch
Stimmen von Beschaumlftigten gewonnen werden16
Die Ergebnisse weisen keine empirische
Repraumlsentativitaumlt auf da der knappe Rahmen dieser Arbeit eine repraumlsentative empirische
Forschungsarbeit kaum zulaumlsst Die Befragungen sollen dazu dienen einen Einblick in den
Alltag der WfbMs zu ermoumlglichen und die in der Literatur und den Leibildern gewonnenen
Perspektiven zu erweitern
15
Aus Gruumlnden des Datenschutzes duumlrfen in der hier publizierten Version die Namen der Werkstaumltten nicht
genannt werden 16
In zwei der Werkstaumltten konnten keine Stimmen von Beschaumlftigten erhoben werden da eine Befragung in der
Werkstatt von den befragten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern abgelehnt wurde Der Mitarbeiter der dritten
Werkstatt signalisierte zwar waumlhrend der Befragung Zustimmung jedoch fehlte diese spaumlter von Seiten der Lei-
tung
28
Der Begriff bdquoGesundheitsfoumlrderungldquo wird von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sehr
unterschiedlich interpretiert Die Spannbreite liegt von einem Verstaumlndnis aumlhnlich des hier
dargelegten bis hin zu therapeutischer und rehabilitativer Foumlrderung Die angebotenen Maszlig-
nahmen welche einer Foumlrderung der Gesundheit dienen sollen sind jedoch bei allen aumlhnlich
Meist handelt es sich um Musik- Sport- und Bewegungsangebote die im Rahmen von sog
Begleitenden Maszlignahmen verankert sind Daruumlber hinaus werden auch entlastende Bewegun-
gen in den Arbeitsgruppen angeboten und ein Gesundheitstag in Kooperation mit Special
Olympics Deutschland geplant (eine Werkstatt) Eine andere Werkstatt kooperiert mit der
Fitnessstudiokette Fitness First Kurse zu gesunder Ernaumlhrung und Kochen werden teilweise
angeboten oder sind in Planung Nach Aussagen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden
die Maszlignahmen meist gut angenommen In einer Werkstatt wird sogar gemeinsam mit dem
Werkstattrat an einer Peer-Beratung gearbeitet mit der den Beschaumlftigten der Zugang zu den
Themen Bildung und Gesundheit verbessert werden soll Schwierigkeiten bestehen besonders
bzgl der Raumlume zB bei Turnhallen fuumlr Fuszligball
Eine Partizipation bei der Entwicklung von Angeboten ist nur teilweise gegeben Es wird
zwar in allen befragten Werkstaumltten nach Interessen der Beschaumlftigten gefragt und dement-
sprechend die Kurse angeboten jedoch besteht nur selten die Moumlglichkeit fuumlr die Beschaumlftig-
ten aktiv den jeweiligen Kurs durch eigene Entscheidungen mitzugestalten In einer Werk-
statt ist das bspw abhaumlngig von der Kursart von der Kursleiterin bzw dem Kursleiter und
vom Konzept Evaluiert werden die Angebote meist nur durch Nachfrage in den idR jaumlhr-
lich stattfindenden Entwicklungsgespraumlchen mit den einzelnen Beschaumlftigten und teilweise
daruumlber hinaus mit Fragebogen oder durch die Kursleiterin bzw den Kursleiter Eine Werk-
statt fuumlhrt sogar Statistiken zur Nachfrage Eine partizipative Evaluation findet in keiner der
befragten Werkstaumltten statt
Die befragten Beschaumlftigten einer der Werkstaumltten zeigten sich mit dem Angebot an gesund-
heitsfoumlrdernden Maszlignahmen groumlszligtenteils sehr zufrieden und empfanden die Anzahl der An-
gebote als meist genuumlgend Geaumluszligert wurde lediglich der Wunsch nach weiteren Angeboten
zu gesunder Ernaumlhrung und nach einem besseren Angebot an gesunden Speisen Das Ver-
staumlndnis von Gesundheitsfoumlrderung ist unterschiedlich Auffaumlllig ist dass auf der einen Seite
Aumlrzte und Besuche bei diesen wichtig scheinen gleichzeitig aber auch das Achten auf die
eigene Gesundheit als Teil der Gesundheitsfoumlrderung gilt Besonders letzterer Aspekt weist
darauf hin dass bei den Befragten ein gewisses Grundverstaumlndnis von Gesundheitsfoumlrderung
vorhanden ist das dem in dieser Arbeit verwendeten aumlhnelt Die Wichtigkeit der aumlrztlichen
29
Betreuung laumlsst jedoch zugleich auch auf ein eher bdquotraditionellesldquo bio-medizinisches Gesund-
heitsverstaumlndnis schlieszligen
Als angebotene Maszlignahmen werden meist Sport- und Bewegungsangebote genannt aber
auch eine Apfelpause um kurz von der Arbeit entspannen zu koumlnnen Daruumlber hinaus gab es
Angebote zur Fuszlighygiene und zur Zahn- und Augengesundheit Hier ist der Uumlbergang zwi-
schen Gesundheitsfoumlrderung und Praumlvention flieszligend Bzgl (zukuumlnftiger) Angebote werden
die Beschaumlftigten nach ihren Wuumlnschen gefragt aber eine wirkliche Mitbestimmung in Kon-
zeption und Planung dieser scheint nicht gegeben Auch bei der Evaluation findet bisher keine
Partizipation statt Die Befragung hat jedoch den bisherigen Eindruck bestaumltigt dass gesund-
heitsfoumlrdernde Maszlignahmen in WfbMs von behinderten Menschen durchaus nachgefragt wer-
den und die Werkstaumltten versucht sind im Rahmen der begleitenden Maszlignahmen ein sehr
breites Feld abzudecken Negativ scheint besonders das weitgehende Fehlen partizipativer
Strukturen
In den Werkstaumltten werden viele Angebote im Rahmen begleitender Maszlignahmen offeriert die
fuumlr die Gesundheit foumlrderlich sind Als Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung die die Prinzi-
pien der BVPG verinnerlichen koumlnnen sie jedoch nicht gesehen werden da zB die Partizipa-
tion eine eher untergeordnete Rolle spielt und die Thematik meist auf Sport- und zT Ernaumlh-
rungsangebote beschraumlnkt bleibt Auch werden die Effekte der Maszlignahmen nicht evaluiert
Entspannungsangebote werden nur selten angeboten und der Fokus richtet sich meist nur auf
die koumlrperliche Gesundheit
Daruumlber hinaus zeigt die Befragung aber auch welch groszliges Potential zur Gesundheitsfoumlrde-
rung in den Werkstaumltten liegt Mit den begleitenden Maszlignahmen sind Strukturen verankert in
denen Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung leicht integriert werden koumlnnen Offenheit fuumlr
Kooperationen scheint vielfach gegeben (zB mit Special Olympics Deutschland Fitness
First) sodass auch eine Kooperation mit den Krankenkassen und weiteren Partnern vorstell-
bar scheint Dies wuumlrde den Vorteil finanzieller Foumlrderung und Expertise durch Erfahrungen
mit bereits durchgefuumlhrten Maszlignahmen einbringen Die befragten Mitarbeiterinnen und Mit-
arbeiter schienen Gesundheitsfoumlrderung gegenuumlber prinzipiell sehr positiv eingestellt
Auch wenn in den Leitbildern und auf den Homepages Gesundheitsfoumlrderung nicht themati-
siert wird gibt es in der Praxis schon verschiedene Maszlignahmen und Projekte mit der Intenti-
on die Gesundheit der Beschaumlftigten zu verbessern
30
45 Anregungen fuumlr die Praxis
Vor dem Hintergrund der zu Rate gezogenen Literatur und den gewonnen Erkenntnissen
durch die Feldbefragung werden nun einige Uumlberlegungen fuumlr die Praxis einer gelingenden
Gesundheitsfoumlrderung getroffen Diese koumlnnen als moumlgliche Anregungen zur Umsetzung ver-
standen werden
451 Partizipation und Empowerment in der Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behin-
derung
Erfolgreiche Gesundheitsfoumlrderung braucht Partizipationsmoumlglichkeiten fuumlr die jeweilige
Zielgruppe Partizipation ist schlieszliglich nicht nur Teilnahme sondern aktive Teilhabe und
damit einhergehend die Moumlglichkeit mitzubestimmen und mitzuentscheiden Dazu gehoumlrt
auch die Definitionsmacht also die Macht (mit)zubestimmen an welche die Gesundheit be-
treffenden Aspekte in einer Maszlignahme zur Gesundheitsfoumlrderung herangegangen werden soll
(vgl Wrightvon UngerBlock 2010 S 39) Diese aktive Teilhabe muss also bereits zu Be-
ginn einer Maszlignahme Teil dieser sein Partizipation bedeutet folglich auch Macht Partizipa-
tion zu ermoumlglichen bedeutet Empowerment also die Ermaumlchtigung eines Individuums oder
einer Gruppe So bekommt Partizipation in der Gesundheitsfoumlrderung auch eine gesellschaft-
liche und politische Komponente denn dadurch koumlnnen Menschen mit Behinderungen lernen
mitzubestimmen mitzuentscheiden und eigene Interessen zu vertreten Diese erlernten Faumlhig-
keiten lassen sich auf die Handlungsebene in einer demokratischen Gesellschaft uumlbertragen
Sowohl Empowerment als auch Partizipation gehoumlren zu den in 31 erwaumlhnten Prinzipien der
BVPG Diese weist darauf hin dass Partizipation in saumlmtlichen Phasen einer Maszlignahme ge-
geben sein muss beginnend mit der Bedarfsanalyse der Planung in der Durchfuumlhrung und
abschlieszligend in der BewertungEvaluation So kann die Wirksamkeit einer Maszlignahme erhoumlht
werden (vgl BVPG 2013 S 90) Teilhabe kann als ein wichtiger Bestandteil der Qualitaumltssi-
cherung gesehen werden Bisher finden Maszlignahmen zur Qualitaumltssicherung nur selten unter
Partizipation der Zielgruppe statt Diese partizipativ zu beteiligen hilft die Qualitaumlt der Ge-
sundheitsfoumlrderung aufrechtzuerhalten oder sogar zu verbessern (vgl Wrightvon Un-
gerBlock 2010 S 35)
Teilhabe ist bei behinderten Menschen besonders wichtig Ihr Leben ist haumlufig von Beginn an
stark fremdbestimmt und von Abhaumlngigkeit gepraumlgt Somit lernen sie seltener als nicht behin-
31
derte Menschen Verantwortung zu uumlbernehmen und selbststaumlndig zu agieren Dies kann bis
hin zur sog bdquoerlernten Hilflosigkeitldquo fuumlhren Vor diesem Hintergrund scheint Partizipation
umso wichtiger aber auch umso arbeitsintensiver Sie ist daher in der Praxis der Gesundheits-
foumlrderung haumlufig sehr arbeitsintensiv und benoumltigt folglich zeitliche Ressourcen und damit
einhergehend finanzielle Ressourcen (vgl Loss 2009 S 10)
Traditionell sind viele Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung top-down organisiert das be-
deutet eine Einrichtung ein Geldgeber etc plant eine Maszlignahme fuumlhrt diese durch und eva-
luiert sie Zur Erreichung der eigenen Ziele wird die Zielgruppe mobilisiert ohne ein Mitspra-
cherecht zu den einzelnen Bausteinen der Maszlignahme zu haben Diese Struktur verdeutlicht
das Maumlchteungleichwicht zwischen Anbieter und Zielgruppe und zementiert den Status be-
hinderter Menschen als Abhaumlngige und Ohnmaumlchtige Der Gegensatz zu top-down-
Programmen ist der bottom-up-Ansatz Hier findet eine Machtteilung statt da die Gesund-
heitsfoumlrderinnen und Gesundheitsfoumlrderer ihre Macht mit der Zielgruppe teilen und eher die
Rolle von Unterstuumltzerinnen und Unterstuumltzern einnehmen Die Zielgruppe soll unterstuumltzt
werden ihre eigenen Probleme festzustellen und Loumlsungen sowie Maszlignahmen zu erarbeiten
In der Planung Durchfuumlhrung und Evaluation kommt ihr damit eine aktive Rolle zu (vgl La-
verack 2010 S 77) Bottom-up-Programme scheinen daher fuumlr Partizipation und Empower-
ment geeigneter als top-down-Strukturen Allerdings schlieszligen sich beide Ansaumltze nicht
zwingend aus sondern Maszlignahmen koumlnnen Eigenschaften beider Ansaumltze aufweisen In
WfbMs scheinen Maszlignahmen sehr haumlufig top-down organisiert zu sein Die staumlrkere Veranke-
rung von bottom-up-Strukturen waumlre hier im Sinne einer Teilhabe ndash in der Werkstatt wie auch
daruumlber hinaus auf gesellschaftlicher Ebene ndash vorteilhaft und wuumlnschenswert
452 Peer-Multiplikatorinnen und -Multiplikatoren
Eine Strategie die in der Praxis der Gesundheitsfoumlrderung bereits mit positiven Ergebnissen
getestet wurde sind Peer-Multiplikatorinnen und -Multiplikatoren Das Modell der Multipli-
katorinnen und Multiplikatoren war bereits Grundlage vieler gesundheitsfoumlrdernder Maszlignah-
men mit sozial benachteiligten Menschen die auch in der Literatur vielfach dokumentiert
sind Auch in der Arbeit mit behinderten Menschen ist dieses Konzept nicht neu Auf Maszlig-
nahmen zur Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung wurde es bisher kaum an-
gewandt scheint jedoch erfolgsversprechend Das Projekt GESUND welches mit einer Ber-
liner WfbM durchgefuumlhrt wird arbeitet mit diesem Konzept (vgl Burtscher 2014 S 8) Die
32
Funktion von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren besteht darin Kenntnisse und Informa-
tionen zur Gesundheit(-sfoumlrderung) der Zielgruppe mit Hilfe der ihnen innewohnenden Ver-
trauensstellung naumlher zu bringen Sie haben daher eine bdquoMittlerfunktionldquo (BVPG 2013 S 92)
zwischen Durchfuumlhrenden und Zielgruppe Voraussetzung dafuumlr ist dass sie der Zielgruppe
angehoumlren oder zumindest eine sehr enge Verbindung zu ihr besitzen Im Zuge einer Maszlig-
nahme werden sie selbst gestaumlrkt sozusagen bdquoempowertldquo Ihre Mittlerfunktion funktioniert
allerdings auch in die andere Richtung Sie bringen den Durchfuumlhrenden die Perspektive der
Zielgruppe naumlher Im Idealfall fuumlhrt der Einsatz von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren
zur Aktivierung der Zielgruppe die ihr selbstbestimmtes Handeln auch auf andere Bereiche
ausdehnen kann (vgl Stickan-Verfuumlrth 2005 S 108) Diesem Modell sehr aumlhnlich ist das
Modell des Peer-Counseling Hier stehen Mitglieder der Zielgruppe in beratender Funktion
ihrer Peer-Gruppe zur Verfuumlgung
453 Verknuumlpfung von Betrieblicher Gesundheitsfoumlrderung und Gesundheitsfoumlrderung in
Werkstaumltten fuumlr behinderte Menschen
Eine Uumlbertragung der Idee der Betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung auf die Gesundheitsfoumlrde-
rung in WfbMs scheint in der Tat realisierbar Den rechtlichen und finanziellen Rahmen hier-
fuumlr hat das 2015 beschlossene Praumlventionsgesetz geschaffen (siehe 33) Im Entwurf der Bun-
desregierung wird in der Anmerkung zum neuen sect 20 Abs 4 SGB V explizit darauf hinge-
wiesen dass Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung auch in WfbMs zum Leistungsspektrum der
Krankenkassen gehoumlrt (vgl Deutscher Bundestag 2015 S 34) Eine Etablierung hiervon in
der Praxis haumlngt in erster Linie neben den Krankenkassen auch von den Leitungen der WfbMs
ab Sollten diese hierfuumlr und auch gegenuumlber partizipativen Strukturen offen sein waumlre der in
351 kurz vorgestellte Gesundheitszirkel ein passender Startpunkt um von Beginn an auch
die Partizipation der Beschaumlftigten zu gewaumlhrleisten Analog zum Konzept der BGF koumlnnten
gemeinsam Maszlignahmen erarbeitet werden die die Gesundheit der Beschaumlftigten foumlrdern wuumlr-
den Den Vertreterinnen und Vertretern der Beschaumlftigten die im Gesundheitszirkel mitwir-
ken koumlnnte dabei die Rolle von Peer-Multiplikatorinnen und -Multiplikatoren zukommen
Als Effekte duumlrften die in 351 beschriebenen auch hier zu erwarten sein eine Verbesserung
der Gesundheit und eine Staumlrkung der gesundheitlichen Ressourcen eine Verringerung der
krankheitsbedingten Fehltage eine staumlrkere Identifikation der Beschaumlftigten mit der Werk-
33
statt ein besseres Arbeitsklima eine houmlhere Motivation und Arbeitszufriedenheit und eine
Steigerung der Produktivitaumlt
Es empfiehlt sich im Sinne der Partizipation und des Empowerments kein reines top-down-
Programm zu starten sondern einen bottom-up-Ansatz zu waumlhlen bzw zumindest mehrere
Elemente dessen einzubauen Als Anknuumlpfungspunkt koumlnnen bereits bestehende begleitende
Maszlignahmen mit passender Thematik genommen werden
Wie bdquonormaleldquo Betriebe koumlnnten auch WfbMs Kooperationen in ihrem raumlumlichen Umfeld
aufbauen und von Vernetzungen profitieren Aufgrund ihrer Groumlszlige sind sie in ihrem Sozial-
raum ein meist nicht zu unterschaumltzender Akteur
34
5 Fazit und Ausblick
Ausgehend von einem bio-psycho-sozialen Verstaumlndnis von Gesundheit wurden verschiedene
Aspekte der Gesundheitsfoumlrderung vertieft und anschlieszligend eine Verknuumlpfung zur Gesund-
heitsfoumlrderung mit behinderten Menschen hergestellt Hierbei lag der Fokus auf gesundheits-
foumlrdernden Maszlignahmen in WfbMs Dabei wurde die aktuelle Literatur zu Rate gezogen In-
ternetauftritte einiger Werkstaumltten durchsucht und Stimmen aus dem Feld von Mitarbeiterin-
nen und Mitarbeitern sowie Beschaumlftigten von Werkstaumltten gewonnen
Die Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung ist noch immer relativ schwach
ausgebaut Dies stellt sich besonders vor dem Hintergrund als problematisch dass behinderte
Menschen haumlufig anfaumllliger fuumlr Krankheiten sind und durchschnittlich uumlber einen subjektiv als
schlechter bewerteten Gesundheitsstatus verfuumlgen als nichtbehinderte Menschen Wie viele
sozial benachteiligte Gruppen sind sie verhaumlltnismaumlszligig schwer zu erreichen fuumlr gesundheits-
foumlrdernde Maszlignahmen Obwohl es in der Erreichbarkeit mehrere Probleme gibt verfuumlgen
Menschen mit Behinderung auf der anderen Seite uumlber groszlige Potentiale Das neue Praumlventi-
onsgesetz ist ein erheblicher Fortschritt bei der Finanzierung gesundheitsfoumlrdernder Maszlignah-
men Sogar eine Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung in Werkstaumltten ist wenn auch nicht ex-
plizit verankert so doch zumindest gewuumlnscht
Gelingende Gesundheitsfoumlrderung muss sich im Allgemeinen und auch bei der Arbeit mit
behinderten Menschen an bestimmten Prinzipien messen lassen Besonders wichtig vor dem
gesellschaftlichen Hintergrund ist hier die Partizipation der Menschen mit Behinderung und
damit einhergehend das Empowerment dieser Beide wirken sich positiv auf die Qualitaumlt der
gesundheitsfoumlrdernden Maszlignahmen aus gehen jedoch auch daruumlber hinaus Sie koumlnnen Men-
schen mit Behinderungen auch auf gesellschaftlicher Ebene empowern sodass ihnen eine
groumlszligere gesellschaftliche Teilhabe zukommt Somit erlangt Gesundheitsfoumlrderung auch vor
dem Hintergrund der Inklusion eine hohe Relevanz
In WfbMs ist gezielte Gesundheitsfoumlrderung bisher wenig verbreitet Einzelne Projekte sind
eher die Ausnahme denn die Regel Jedoch sind die Potentiale der Werkstaumltten enorm Das
Personal scheint haumlufig offen fuumlr Maszlignahmen zu sein und gerade die Strukturen der beglei-
tenden Maszlignahmen lieszligen eine relativ einfache Integration von Maszlignahmen zur (betriebli-
chen) Gesundheitsfoumlrderung zu Bestehende begleitende Maszlignahmen in welchen Sport oder
Bildungsangebote zu gesunder Ernaumlhrung angeboten werden koumlnnten ohne uumlbermaumlszligigen
Aufwand zu gezielten Maszlignahmen fuumlr Gesundheitsfoumlrderung ausgebaut werden Nachholbe-
darf bestuumlnde hier vor allem auf dem Gebiet der Partizipation Nur selten scheinen die Be-
35
schaumlftigten in Konzeption Planung Durchfuumlhrung und Evaluation aktiv eingebunden zu sein
In bestimmten Phasen wie etwa der Konzeption und besonders der Evaluation scheint aktive
Teilhabe noch uumlberhaupt nicht verankert zu sein Eine staumlrkere Partizipation in allen Berei-
chen waumlre mit houmlherem Arbeits- und Kostenaufwand verbunden welcher durch eine Einbin-
dung der Krankenkassen moumlglicherweise aufgefangen werden koumlnnte Die Partizipation foumlr-
dern wuumlrde auch die Etablierung von Peer-Beratung und Peer-Multiplikatorinnen und
-Multiplikatoren Diesen kaumlme beim Zugang zur Zielgruppe eine Schluumlsselfunktion zu und
gleichzeitig koumlnnten sie Bedarfe und Beduumlrfnisse dieser gegenuumlber den anderen Akteuren
kommunizieren Auch wenn es bisher keine konkreten ausgearbeiteten Konzepte zur Gesund-
heitsfoumlrderung in WfbMs gibt koumlnnten bestehende Konzepte zur Betrieblichen Gesundheits-
foumlrderung eventuell leicht uumlberarbeitet fuumlr Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung in Werkstaumltten
analog angewendet werden
Die Potentiale und Moumlglichkeiten zur Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung
in WfbMs sind also mannigfaltig und haumlufig vorhanden Auf diesen koumlnnte aufgebaut werden
um behinderten Menschen das Recht auf das in Artikel 25 der UN-BRK festgeschriebene bdquoer-
reichbare Houmlchstmaszlig an Gesundheitldquo zu ermoumlglichen
Gesundheitsfoumlrderung ist mehr als Werbeplakate an Bus- oder Straszligenbahnhaltestellen und
Clips im Aktuellen Sportstudio sie ist mehr als Sportangebote und Angebote zu gesunder
Ernaumlhrung sie ist auch ein Weg zum Erreichen eines Menschenrechtes das Recht auf Ge-
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Anhang
Nr 1 Abbildung zu den Hauptdeterminanten der Gesundheit nach DahlgreenWhitehead
2007 S 11
Nr 2 Befragung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Beschaumlftigten der WfbMs
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Nr 1 Abbildung zu den Hauptdeterminanten der Gesundheit nach DahlgreenWhitehead
2007 S 11
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Nr 2 Befragung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Beschaumlftigten der WfbMs
Um moumlglichst effizient die Stimmen aus vier WfbMs unterschiedlicher Traumlger zu erheben
wurden diese auf dem Infotag der LAG WfbM Berlin am 17112015 gesammelt Hier waren
verschiedene Werkstaumltten mit Informationsstaumlnden vertreten Gewaumlhlt wurden die Werkstaumlt-
ten an deren Staumlnden der Verfasser zuerst vorbeilief Die gestellten Fragen waren stets die-
selben
Den Vertretern der Werkstatt wurde zugesichert dass ihr Name nicht in der vorliegenden Ar-
beit genannt wird lediglich ihre Position in der Werkstatt wird erwaumlhnt Es wurden auszligerdem
keine weiteren Personendaten erhoben
Wenn moumlglich sollten auszligerdem fuumlnf Beschaumlftige pro WfbM befragt werden Hierfuumlr wurde
am Ende des kurzen Interviews um Erlaubnis gefragt Den Beschaumlftigten wurden andere Fra-
gen gestellt als dem Werkstattpersonal jedoch erhielten alle Beschaumlftigten dieselben Fragen
untereinander Den Beschaumlftigen wurde komplette Anonymitaumlt in der vorliegenden Arbeit
zugesichert und es wurden keine personenbezogenen Daten abgefragt Zuerst wurde nach
ihrem Verstaumlndnis von Gesundheitsfoumlrderung gefragt Vor den Fragen 2 bis 5 wurde kurz
erklaumlrt wie Gesundheitsfoumlrderung verstanden werden kann um davon ausgehend die restli-
chen Fragen zu beantworten
Bei saumlmtlichen Interviews wurde auf Transkriptionen verzichtet es wurden lediglich die
Kernaussagen mitgeschrieben
Im Folgenden finden sich exemplarisch die jeweils gestellten Fragen
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Fragen an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der WfbM
Name der WfbM
Position der befragten Person Begleitender Dienst
1 Was verstehen Sie unter Gesundheitsfoumlrderung
2 Was bieten Sie im Rahmen der Gesundheitsfoumlrderung an
3 Wie werden die Maszlignahmen angenommen
4 Wuumlrden Sie gerne mehr anbieten oder finden Sie die Angebote ausreichend
5 Gibt es Schwierigkeiten
6 Wie steht es um die Partizipation in den Angeboten (Werden die Angebote von Beschaumlf-
tigten mitentwickelt mitevaluiert etc)
7 Werden die Angebote evaluiert
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Fragen an die Beschaumlftigen der WfbM
Name der WfbM
Datum
1 Wissen Sie was Gesundheitsfoumlrderung ist Wenn ja wie wuumlrden sie es beschreiben
[Moumlgliche Erklaumlrung fuumlr Beschaumlftigte die sich nichts unter Gesundheitsfoumlrderung vorstellen
koumlnnen Zur Gesundheitsfoumlrderung gehoumlrt alles was fuumlr Ihre Gesundheit gut ist zB Kur-
seMaszlignahmen usw die mit Bewegung Ernaumlhrung Wohlfuumlhlen am Arbeitsplatz oder Ent-
spannen zu tun haben]
2 Welche Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung werden Ihnen von der Werkstatt angebo-
ten
3 Werden Ihrer Meinung nach genuumlgend Angebote zur Gesundheitsfoumlrderung in der Werk-
statt angeboten
4 Duumlrfen Sie bei der Entwicklung und Evaluation (Auswertung am Ende) mitbestimmen
5 Was sind Ihre Wuumlnsche bezuumlglich der Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung
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In der vorliegenden Arbeit soll nun ein Uumlberblick daruumlber gegeben werden ob es in WfbMs
gesundheitsfoumlrdernde Maszlignahmen gibt und wie Menschen mit Behinderung an ihnen teil-
nehmen und ndash ganz im Sinne des Wortes bdquomitldquo ndash teilhaben Es soll sowohl der aktuelle Stand
wiedergegeben werden als auch versucht werden Schwierigkeiten wie Potentiale zu identifi-
zieren
Dafuumlr werden zuerst die drei Begriffe Behinderung Gesundheit und Gesundheitsfoumlrderung
eingegrenzt (Kapitel 2) Anschlieszligend werden allgemeine Grundlagen der Gesundheitsfoumlrde-
rung vorgestellt (Kapitel 3) in denen ua Prinzipien und Leitideen hierfuumlr aufgezeigt und die
rechtliche Rahmung beleuchtet werden Auszligerdem wird naumlher auf Gesundheitsfoumlrderung in
Settings eingegangen Dabei liegt der Schwerpunkt auf dem Setting Arbeitswelt Aufbauend
darauf wird im Speziellen auf die Gesundheitsfoumlrderung bei Menschen mit Behinderungen
eingegangen (Kapitel 4) Hier werden sozialmedizinische Erkenntnisse praumlsentiert die Er-
reichbarkeit behinderter Menschen fuumlr die Maszlignahmen diskutiert und das Thema der Ge-
sundheitsfoumlrderung in Werkstaumltten besonders vertieft In diesem Zusammenhang werden auch
die Ergebnisse einer kleinen Feldbefragung vorgestellt die im Rahmen dieser Arbeit durchge-
fuumlhrt wurde Aufbauend auf den gewonnenen Erkenntnissen wird uumlberlegt wie Gesundheits-
foumlrderung in WfbMs besonders erfolgreich gestaltet werden kann Abgerundet wird die Arbeit
durch ein Fazit das eine Zusammenfassung der gewonnenen Erkenntnisse und gleichzeitig
ein Ausblick sein will (Kapitel 5)
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2 Begriffsdefinitionen und Abgrenzungen
Fuumlr das Verstaumlndnis bestimmter Begriffe im weiteren Verlauf der Arbeit ist es sinnvoll diese
Auslegungen kurz darzustellen Fuumlr jeden der hier skizzierten Begriffe gibt es zahlreiche
Konzepte und Theorien die aufgrund des gegebenen Rahmens nicht in aller Ausfuumlhrlichkeit
diskutiert werden koumlnnen
21 Menschen mit Behinderung
Fuumlr den Begriff bdquoBehinderungldquo gibt es zahlreiche Definitionen Der in der Internationalen
Klassifikation der Funktionsfaumlhigkeit Behinderung und Gesundheit (ICF) der Weltgesund-
heitsorganisation WHO verankerten Sicht liegt ein bio-psycho-soziales Verstaumlndnis von Be-
hinderung zugrunde (vgl WHO 2005 S45) Behinderung wird hier nicht als rein biologisch-
medizinisches Konstrukt gesehen sondern der einzelne Mensch der eine koumlrperliche geistige
undoder seelische Beeintraumlchtigung hat wird auch durch seine Umwelt laumlngerfristig bzw
wiederkehrend behindert bzw nicht behindert1 Behinderung ist also kein festes Merkmal
einer Person sondern ein Wechselspiel zwischen Mensch und Umwelt Diese Auffassung teilt
die Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen (UN-BRK) die in Artikel 1 von
einer bdquoWechselwirkung mit verschiedenen Barrierenldquo spricht
Ausgehend von diesem Verstaumlndnis muss aufgrund der Thematik der vorliegenden Arbeit der
Begriff bdquoMenschen mit Behinderungldquo auch aus gesetzlicher Sicht betrachtet werden Fuumlr die
Aufnahme als Beschaumlftigter oder Beschaumlftigte2 bzw in den Berufsbildungsbereich in Werk-
staumltten fuumlr behinderte Menschen ist eine Behinderung wie sie in den Sozialgesetzbuumlchern
(SGB) verstanden wird Voraussetzung Diese ist definiert in sect 2 SGB IX bdquoMenschen sind
behindert wenn ihre koumlrperliche Funktion geistige Faumlhigkeit oder seelische Gesundheit mit
hoher Wahrscheinlichkeit laumlnger als sechs Monate von dem fuumlr das Lebensalter typischen
Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeintraumlchtigt istldquo
Dies muss fuumlr jeden Menschen individuell betrachtet werden
1 Die ICF kann nicht nur auf Menschen mit einer Behinderung sondern auf jeden Menschen bezogen werden
(vgl WHO 2005 S 13) 2 Aus Gruumlnden des einfacheren Verstaumlndnisses werden im weiteren Verlauf Menschen mit Behinderungen die in
WfbMs beschaumlftigt sind als Beschaumlftigte bezeichnet und festangestelltes Personal wie etwa Paumldagoginnen und
Paumldagogen bzw Arbeitsgruppenleitungen als Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
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Auf das genaue Verfahren zur Feststellung wird an dieser Stelle nicht weiter eingegangen da
es fuumlr den weiteren Verlauf der Arbeit nicht relevant ist Es genuumlgt zu wissen dass sich der
Personenkreis der in der WfbM beschaumlftigt ist rechtlich gesehen nach dem SGB IX definiert
Diese Definition ist weniger umfassend als das Verstaumlndnis der ICF die die Kontextfaktoren
staumlrker betont (vgl WHO 2005 S 2122)
22 Gesundheit
Das traditionelle Bild von Gesundheit ist die Abwesenheit von Krankheit Jedoch erkannte
schon in ihrer Verfassung von 1946 die WHO dass Gesundheit mehr als nur das ist bdquoDie
Gesundheit ist ein Zustand des vollstaumlndigen koumlrperlichen geistigen und sozialen Wohlerge-
hens und nicht nur das Fehlen von Krankheit oder Gebrechenldquo (WHO 2014 S 1)
Fuumlr die Determinanten der Gesundheit von Menschen haben Margaret Whitehead und Goumlran
Dahlgren bereits 1991 ein Modell (siehe Anhang Nr 1) entwickelt das die Einflussfaktoren
in verschiedene Ebenen gliedert Neben den persoumlnlichen Merkmalen wie Alter Geschlecht
und Genen stehen in der naumlchsten Ebene die Faktoren individueller Lebensweisen (Sport
Konsum von Genussmitteln etc) Daran schlieszligen sich soziale und kommunale Netzwerke an
(va Familie Freundinnen und Freunde) und auf naumlchster Ebene die Lebens- und Arbeitsbe-
dingungen (zB Wohn- und Arbeitsumfeld Bildung) Abgeschlossen wird das Modell durch
allgemeine Bedingungen der soziooumlkonomischen kulturellen und physischen Umwelt wie
bspw Wirtschaft und Politik (vgl DahlgrenWhitehead 2007 S 11)
Die sehr breite Auffassung der WHO von Gesundheit entwickelte Aaron Antonovsky weiter
indem er sein Konzept der Salutogenese entwickelte Neu daran war zum einen dass er von
einem Gesundheits-Krankheits-Kontinuum ausgeht dessen Pole Gesundheit und Krankheit
sind Die Gesundheit eines Menschen laumlsst sich zu jedem Zeitpunkt seines Lebens individuell
an einem Punkt des Kontinuums festlegen je nachdem wie gesund der Mensch sich zum je-
weiligen Zeitpunkt fuumlhlt (vgl Antonovsky 1997 S 23) Auszligerdem stellt Antonovsky die Fra-
ge warum unter bestimmten (unguumlnstigen) Bedingungen also den Determinanten von Ge-
sundheit manche Menschen gesund bleiben und andere nicht (vgl Antonovsky 1997 S 15)
Als Antwort auf diese Frage praumlsentiert er das sog Kohaumlrenzgefuumlhl (SOC)3 bestehend aus
3 In der Literatur zT auch mit Kohaumlrenzsinn Kohaumlrenzempfinden etc uumlbersetzt Das englische Original bdquoSense
of Coherenceldquo ist schwer zu uumlbersetzen da es im Deutschen kein Wort gibt das der weiten Bedeutung des engli-
schen bdquosenseldquo gerecht werden koumlnnte
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den drei Elementen Verstehbarkeit Handhabbarkeit und Bedeutsamkeit Verstehbarkeit be-
deutet seine Welt als stimmig und verstaumlndlich einzuordnen und Belastungen in einem groumlszlige-
ren Zusammenhang sehen zu koumlnnen Handhabbarkeit bezeichnet das Gefuumlhl die Aufgaben
und Probleme denen man begegnet mit seinen Ressourcen bewaumlltigen zu koumlnnen Bedeut-
samkeit ist die Uumlberzeugung von der eigenen Lebensfuumlhrung die mit Zielen verbunden ist
fuumlr die sich einzusetzen lohnenswert erscheint (vgl Antonovsky 1997 S 33 ndash 36) Legt man
den Fokus nun also auf die Aufrechterhaltung oder Verbesserung der Gesundheit sind die
dafuumlr in der Praxis konzipierten Maszlignahmen ndash ganz der Denktradition der Salutogenese fol-
gend ndash Schritte zur Gesundheitsfoumlrderung
23 Gesundheitsfoumlrderung und ihre Abgrenzung zur Praumlvention
Die Idee der Gesundheitsfoumlrderung fuszligt auf einem Gesundheitsverstaumlndnis wie es die Saluto-
genese aufzeigt Ein wichtiger Grundstein fuumlr unser heutiges Verstaumlndnis von Gesundheits-
foumlrderung wurde bereits 1986 mit der Ottawa-Charta der WHO gelegt bdquoGesundheitsfoumlrde-
rung zielt auf einen Prozess allen Menschen ein houmlheres Maszlig an Selbstbestimmung uumlber ihre
Gesundheit zu ermoumlglichen und sie damit zur Staumlrkung ihrer Gesundheit zu befaumlhigenldquo (WHO
1986 S 1) Gesundheitsfoumlrderung ist also bdquoeine Promotionsstrategie bei der Menschen durch
Verbesserung ihrer Lebensbedingungen eine Staumlrkung der gesundheitlichen Entfaltungsmoumlg-
lichkeiten erfahren sollenldquo (HurrelmannKlotzHaisch 2010 S 13 Herv weggelassen) Kon-
kret in der Praxis aumluszligert sich Gesundheitsfoumlrderung in unterschiedlichsten Maszlignahmen auf
den verschiedenen Ebenen Individuum Setting und PolitikGesamtgesellschaft (vgl Alt-
geldKolip 2010 S 4647) So sind etwa Schritte zur Steigerung des Selbstwertgefuumlhls (Indi-
viduumsebene) Ernaumlhrungsprogramme in Schulen (Setting) oder eine gesetzlich verankerte
finanzielle Unterstuumltzung zum Vereinsbeitrag fuumlr Kinder aus einkommensschwachen Fami-
lien in Sportvereinen (Politik) Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung Auf saumlmtlichen Ebenen
ist eine Partizipation der Zielgruppe fuumlr eine gelingende Gesundheitsfoumlrderung erstrebenswert
(vgl FaltermaierWihofszky 2012 S 102) Als Kernelemente der Gesundheitsfoumlrderung
weist die WHO in der Ottawa-Charta Ganzheitlichkeit oumlkologische Verantwortung und ge-
genseitige Fuumlrsorge aus (vgl WHO 1986 S 5) Dieser universelle Anspruch findet seine
Fortsetzung in der Jakarta-Erklaumlrung die als Ziele den groumlszligtmoumlglichen Gesundheitsgewinn
der Bevoumllkerung die Reduzierung gesundheitlicher Ungleichheiten und die Staumlrkung der
Menschenrechte formuliert (vgl WHO 1997 S 2)
9
Unterscheiden kann man gesundheitsfoumlrdernde Strategien zwischen Verhaltens- und Verhaumllt-
nisebene Verhaltensorientierte Maszlignahmen setzen beim Verhalten des einzelnen Menschen
oder einer Gruppe zB ihrer Ernaumlhrung oder der Haumlufigkeit von Bewegung an Verhaumlltnis-
bezogene Maszlignahmen setzen an den Verhaumlltnissen an in denen ein oder mehrere Menschen
leben Dies kann sich auf saumlmtliche Lebensbereiche beziehen zB Wohnen Arbeit oder Frei-
zeit Hier kann beispielhaft die Verfuumlgbarkeit von Gruumlnflaumlchen oder Spielplaumltzen aufgefuumlhrt
werden Eine Verbindung beider Ansaumltze ist durchaus moumlglich
Abzugrenzen ist die Gesundheitsfoumlrderung von der Praumlvention Als jene gelten Maszlignahmen
zur Vermeidung des Auftretens bzw Fortschreitens bestimmter Krankheiten Praumlvention und
Gesundheitsfoumlrderung zielen beide auf einen Gesundheitsgewinn ab jedoch setzt erstere beim
Verringern von Risikofaktoren an letztere beim Schaffen und Staumlrken von Ressourcen also
Schutzfaktoren (vgl HurrelmannKlotzHaisch 2010 S 1617) Anders ausgedruumlckt Praumlven-
tion ist pathogenetisch das bedeutet an der Entstehung von Krankheiten orientiert Gesund-
heitsfoumlrderung hingegen salutogenetisch orientiert Generell muumlssen Praumlvention und Gesund-
heitsfoumlrderung als sich ergaumlnzende nicht als konkurrierende Interventionsformen mit ver-
schiedener Sachlogik gesehen werden (vgl Hurrelmann 2006 S 150) Beide Strategien sind
in der Zielsetzung des Zugewinns an Gesundheit geeint jedoch unterscheiden sie sich als In-
terventionsformen durch verschiedenartige Wirkungsprinzipien In der Praxis sind nicht alle
konkreten Maszlignahmen trennscharf einer der beiden Strategien zuzuordnen Uumlberschneidun-
gen sind moumlglich
Zusammengefasst laumlsst sich konstatieren bdquoGesundheitsfoumlrderung bezeichnet alle Eingriffs-
handlungen die der Staumlrkung von individuellen Faumlhigkeiten der Lebensbewaumlltigung dienenldquo
(HurrelmannKlotzHaisch 2010 S 14 Herv weggelassen)
Vertiefende Problemstellungen wie etwa die Erreichbarkeit bestimmter Bevoumllkerungsgrup-
pen und rechtliche Rahmenbedingungen in Deutschland werden im weiteren Verlauf der Ar-
beit aufgegriffen
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3 Allgemeine Grundlagen der Gesundheitsfoumlrderung
Es wurde bereits grob umrissen was Gesundheitsfoumlrderung kennzeichnet Nun sollen einzelne
Aspekte inhaltlich vertieft werden auf denen anschlieszligend eine (moumlgliche) Gesundheitsfoumlrde-
rung in WfbMs (siehe Kapitel 4) aufbauen kann
31 Leitgedanken der Gesundheitsfoumlrderung
In der Praxis koumlnnen gesundheitsfoumlrdernde Maszlignahmen ganz unterschiedlich aussehen Damit
sie fuumlr die Menschen die daran teilnehmen dauerhaft eine positive Wirkung aufweisen hat
die Bundesvereinigung Praumlvention und Gesundheitsfoumlrderung eV (BVPG)4 sieben bdquoPrinzi-
pien guter Praumlvention und Gesundheitsfoumlrderungldquo formuliert in ihrem Sinne gute Gesund-
heitsfoumlrderung ist demnach gekennzeichnet durch (1) Autonomie und Empowerment (2) Par-
tizipation (3) Lebenswelt- und Lebensstilbezug (4) Gesundheitliche Chancengleichheit
(5) Konzeptbasierung (6) Evaluation sowie (7) Nachhaltigkeit (vgl BVPG 2013 S 9091)
Das Prinzip (1) Autonomie und Empowerment bedeutet dass eine Maszlignahme durch Selbst-
bestimmung gepraumlgt ist und die Teilnehmenden zur Selbststaumlndigkeit befaumlhigt die eigene
Gesundheit und die anderer zu gestalten (vgl BVPG 2013 S 90) Die Idee Gesundheit ande-
rer mitzugestalten findet ua in den Strategien Peer Counseling und Multiplikatorinnen und
Multiplikatoren ihre praktische Umsetzung (siehe 452) Empowerment kann an dieser Stelle
uumlber die Ebene der persoumlnlichen Gesundheit hinaus gedacht werden Menschen werden nicht
nur dazu befaumlhigt ihre eigene Gesundheit selbst zu gestalten sondern koumlnnen als gesunde
Buumlrger ihre Interessen oder die bestimmter Bevoumllkerungsgruppen selbstbewusst vertreten
(vgl Laverack 2010 S 27) Im Sinne der (2) Partizipation sollen Vertreterinnen und Vertreter
der Zielgruppe in allen Phasen einer Maszlignahme aktiv mitgestalten und mitentscheiden Auf
die Partizipation von Menschen mit Behinderung wird in 451 noch detaillierter eingegangen
Der (3) Lebenswelt- und Lebensstilbezug betont den bereits erwaumlhnten Setting-Ansatz
schlieszligt jedoch gesamtgesellschaftliche bzw individualbezogene Strategien ebenfalls mit ein
Gelingende Gesundheitsfoumlrderung braucht immer einen konkreten Anknuumlpfungspunkt in der
Lebenswelt des bzw der Menschen (4) Gesundheitliche Chancengleichheit fordert dass va
4 Die BVPG ist ein gemeinnuumltziger politisch und konfessionell unabhaumlngiger Verbund bestehend aus Bundes-
verbaumlnden des Gesundheitswesens darunter die Bundesaumlrztekammer den Spitzenverbaumlnden der Sozialversiche-
rungstraumlger sowie Verbaumlnden der Heil- und Hilfsberufe Sozial- und Wohlfahrtsverbaumlnden und Bildungseinrich-
tungen mit Arbeitsschwerpunkt im Bereich Praumlvention und Gesundheitsfoumlrderung
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sozial benachteiligte Menschen zu denen haumlufig auch behinderte Menschen gehoumlren beson-
ders in ihrer Gesundheit gefoumlrdert werden da mit einem niedrigeren soziooumlkonomischen Sta-
tus oft eine schlechtere Gesundheit einhergeht (vgl Lampert et al 2013 S 814) Diese Be-
voumllkerungsgruppen gelten jedoch als besonders schwer erreichbar fuumlr gesundheitsfoumlrdernde
Maszlignahmen insbesondere wenn diese fuumlr die Gesamtbevoumllkerung ausgelegt sind (vgl
Mielck 2010 S 113)
Generell sollten Programme zur Gesundheitsfoumlrderung stets auf einem (5) Konzept beruhen
in dem Mittel Zeit Ressourcen und Ziele festgelegt und eine Bedarfsanalyse und Beschrei-
bung des Wirkungsmodells verankert sind Auch der geplante Weg einer Verstetigung der
Maszlignahme soll hier aufgezeigt werden (vgl BVPG 2013 S 91) Durch das Prinzip der
(6) Evaluation soll eine Qualitaumltssicherung erfolgen von der durch Veroumlffentlichung auch
andere profitieren koumlnnen (7) Nachhaltig soll Gesundheitsfoumlrderung auf saumlmtlichen Ebenen
sein es muss auf moumlgliche negative (Spaumlt-)Folgen geachtet werden der Umgang mit den
Ressourcen und der Umwelt sollte nachhaltig sein und es sollte eine Wirkung uumlber die Dauer
der Maszlignahme hinaus entstehen (vgl BVPG 2013 S 91)
32 Auswirkungen von Gesundheitsfoumlrderung auf den Menschen
Wie bereits dargelegt soll Gesundheitsfoumlrderung die Gesundheit der Menschen verbessern
Dies kann auf ganz unterschiedliche Weise geschehen Als Strategien sind hier die schon er-
waumlhnten verhaltens- und verhaumlltnisorientierten Strategien moumlglich und die Interventionsebene
kann auf individueller Ebene liegen an einem bestimmten Setting ansetzen oder die gesamte
Gesellschaft als Ausgangspunkt nehmen
Da Gesundheit als bdquoZustand des vollstaumlndigen koumlrperlichen geistigen und sozialen Wohler-
gehensldquo (WHO 2014 S 1) betrachtet wird soll eine gesundheitsfoumlrdernde Maszlignahme das
Befinden in einem oder mehreren dieser Teilbereiche ndash in einer ganzheitlichen Betrachtung
haumlngen diese stark zusammen und beeinflussen sich gegenseitig ndash positiv beeinflussen Im
Sinne der Salutogenese werden also Ressourcen entwickelt undoder gestaumlrkt Verbreitete
Strategien der Gesundheitsfoumlrderung wie etwa Sport gesunde Ernaumlhrung und Entspannung
aber auch soziale Ausgewogenheit und Partizipation als strukturelle Verhaumlltnisse muumlssen von
der Zielgruppe als positiv erlebt werden (vgl Geene 2005 S 21) Andernfalls ist keine oder
nur eine geringere Annahme bzw Wirkung des Programms zu erwarten Am Ende einer
Maszlignahme sollte stets eine Evaluation erfolgen Hier sind mit passend ausgewaumlhlten Evalua-
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tionsinstrumenten die Auswirkungen des Programmes meist in irgendeiner Form messbar
entweder durch subjektive Einschaumltzungen zB wenn Teilnehmende angeben sich nun ge-
sunder zu fuumlhlen oder auch durch objektiv messbare Werte So koumlnnen bspw Werte wie Ge-
wicht Body-Mass-Index Blutwerte oder Ausdauer zu Beginn einer Maszlignahme mit denen am
Ende verglichen werden Eine hier erfolgreich ansetzende Maszlignahme hat meist (nicht nur)
eine Verbesserung der koumlrperlichen Gesundheit zur Folge Das gesenkte Risiko fuumlr Herz-
Kreislauf-Erkrankungen Krebs Erkrankungen der Atemwege der Verdauungsorgane oder
des Muskel-Skelett-Systems koumlnnen exemplarisch als Verbesserung der physischen Gesund-
heit aufgefuumlhrt werden (vgl HurrelmannKlotzHaisch 2010 S 20) Dies sind Anzeichen
dass sich der bdquoStandpunktldquo eines Menschen auf dem Gesundheits-Krankheits-Kontinuum
nach Antonovskys Modell der Salutogenese ein Stuumlck weiter Richtung Gesundheit verscho-
ben hat
Auch die Foumlrderung der Selbstwirksamkeit also der Uumlberzeugung auch schwierige Situatio-
nen mit eigenen Ressourcen loumlsen zu koumlnnen hat vielfaumlltige positive Auswirkungen auf die
Gesundheit und foumlrdert so diese (DlugoschDahl 2013 S 370) Maszlignahmen zur Entspannung
und Stressbewaumlltigung wirken sich im ersten Moment auf das seelische und psychische
Wohlbefinden aus haben dadurch aber sehr oft auch positive Auswirkungen auf den Koumlrper
Bestimmte Methoden wie etwa Yoga verfolgen schon im Ansatz eine ganzheitliche Vorstel-
lung bei welchem das Wohlbefinden koumlrperlich psychisch und seelisch gestaumlrkt wird (vgl
SimonHegerReszies 2011 S 169)
Die aufgefuumlhrten positiven Auswirkungen durch gesundheitsfoumlrdernde Maszlignahmen auf die
Gesundheit von Menschen sind nur einige Beispiele von sehr vielen Allen diesen Effekten zu
eigen ist jedoch dass sie sich positiv auf das gesundheitliche Wohlbefinden der Menschen
auswirken In deren subjektiven Empfinden verschiebt sich dadurch ihr Punkt auf dem Ge-
sundheits-Krankheits-Kontinuum des Salutogenesemodells ein Stuumlck in Richtung des Ge-
sundheitspols
33 Rechtliche Grundlagen
Die rechtliche Verankerung der Gesundheitsfoumlrderung findet sich in Deutschland im SGB V
wieder So legt sect 20 Abs 1 SGB V fest bdquoDie Krankenkasse sieht in der Satzung Leistungen
zur Verhinderung und Verminderung von Krankheitsrisiken (primaumlre Praumlvention) sowie zur
Foumlrderung des selbstbestimmten gesundheitsorientierten Handelns der Versicherten (Gesund-
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heitsfoumlrderung) vorldquo5 Zurecht weist die Bundesaumlrztekammer in ihrer Stellungnahme zum
neuen Praumlventionsgesetz darauf hin dass diese Definition von Gesundheitsfoumlrderung nicht
umfassend genug ist da die Staumlrkung von Gesundheitsressourcen und ndashpotenzialen unerwaumlhnt
bleibt (vgl Bundesaumlrztekammer 2014 S 3) Die gesetzliche Krankenversicherung ist in
Deutschland von den Sozialversicherungszweigen finanziell mit Abstand am staumlrksten an der
Gesundheitsfoumlrderung beteiligt Gesetzlich verpflichtet war auszligerdem bisher nur die gesetzli-
che Unfallversicherung sodass die Beteiligung nicht-oumlffentlicher gemeinnuumltziger Traumlger wie
bspw Stiftungen zunehmend an Bedeutung gewinnt Der groumlszligte Teil der finanziellen Mittel
stammt allerdings aus oumlffentlichen Mitteln (vgl AltgeldKolip 2010 S 54) Durch das Prauml-
ventionsgesetz sind die gesetzlichen Krankenkassen nun nach sect 20 Abs 6 SGB V verpflich-
tet ab dem Jahr 2016 pro Versicherten 700 Euro statt wie im Jahr 2015 317 Euro fuumlr Praumlven-
tion und Gesundheitsfoumlrderung auszugeben Davon entfallen je 200 Euro auf Leistungen zur
Gesundheitsfoumlrderung und Praumlvention in Lebenswelten nach sect 20a SGB V und Betriebliche
Gesundheitsfoumlrderung nach sect 20b SGB V Das Praumlventionsgesetz sieht dabei eine Betriebli-
che Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen in WfbMs vor bdquoMit den Leistungen
[primaumlre Praumlvention und Gesundheitsfoumlrderung MP] sollen auch Menschen mit Behinde-
rung erreicht werden zB mit Leistungen zur betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung in Werk-
staumltten fuumlr behinderte Menschenldquo (Deutscher Bundestag 2015 S 34) Dies geht aus der vom
Deutschen Bundestag veroumlffentlichten Erlaumluterung zum Gesetzentwurf hervor
Die gesetzlichen Krankenkassen (unter Umstaumlnden auch die privaten Krankenkassen) sollen
des Weiteren mit den Traumlgern der Pflegeversicherung der Unfallversicherung und der Gesetz-
lichen Rentenversicherung eine bdquoNationale Praumlventionsstrategieldquo entwickeln (sect 20d SGB V)
die in der bdquoNationalen Praumlventionskonferenzldquo (sect 20e SGB V) ausgearbeitet und weitergefuumlhrt
wird In beiden Paragraphen geht es auch um Strategien der Gesundheitsfoumlrderung
Die gesetzlichen Pflegekassen sind nach sect 5 SGB XI fortan verpflichtet im Jahr 030 Euro je
Versicherter und Versichertem zur Gesundheitsfoumlrderung und Praumlvention in stationaumlren Pfle-
geeinrichtungen zu investieren
Eine gesetzliche Verankerung der Partizipation in der Gesundheitsfoumlrderung durch das Prauml-
ventionsgesetz ist hingegen ausgeblieben Ausgehend von der Annahme dass Gesundheits-
foumlrderung effektiver ist wenn die Zielgruppe an der Planung Durchfuumlhrung und Evaluation
5 Die Novellierung der sectsect 20ff SGB V ist eine Folge des 2015 verabschiedeten Gesetzes zur Staumlrkung der Ge-
sundheitsfoumlrderung und der Praumlvention Dieses ist im Internet verfuumlgbar unter
httpwwwbgbldexaverbgblstartxavstartbk=Bundesanzeiger_BGBlampjumpTo=bgbl115s1368pdf__bgbl__
2F2F[40attr_id3D27bgbl115s1368pdf27]__1446046078671 (Abrufdatum 28102015)
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der Maszlignahme partizipiert (vgl FaltermaierWihofszky 2012 S 108) waumlre eine gesetzliche
Verankerung der Partizipation vorteilhaft gewesen
Das Recht auf Leistungen zur Gesundheitsfoumlrderung ergibt sich fuumlr Menschen mit Behinde-
rung auch aus der UN-BRK welche im Jahre 2009 von der Bundesrepublik Deutschland rati-
fiziert wurde In Artikel 25 heiszligt es hier bdquoDie Vertragsstaaten anerkennen das Recht von
Menschen mit Behinderungen auf das erreichbare Houmlchstmaszlig an Gesundheit ohne Diskrimi-
nierung aufgrund von Behinderungldquo Dieses houmlchsterreichbare Maszlig kann nur erreicht werden
wenn Menschen mit Behinderung konsequent in Maszlignahmen der Gesundheitsfoumlrderung ein-
bezogen werden Deutschland verpflichtet sich in Artikel 25 a) der UN-BRK behinderten
Menschen bdquoeine unentgeltliche oder erschwingliche Gesundheitsversorgung in der derselben
Bandbreite von derselben Qualitaumlt und auf demselben Standard zur Verfuumlgung [zu stellen]
wie anderen Menschen [hellip]ldquo Dies umfasst nicht nur kurative und rehabilitative Maszlignahmen
sondern auch solche zur Praumlvention und Foumlrderung der Gesundheit
34 Gesundheitsfoumlrderung in Settings
Da der Fokus dieser Arbeit auf der Gesundheitsfoumlrderung in WfbMs liegt werden nun einige
Aspekte zur Gesundheitsfoumlrderung in Settings also Lebenswelten genauer thematisiert
bdquoEin Setting ist ein Sozialzusammenhang in dem Menschen sich in ihrem Alltag aufhalten
und der Einfluss auf ihre Gesundheit hat Dieser soziale Zusammenhang ist relativ dauerhaft
und seinen Mitgliedern auch subjektiv bewusstldquo (HartungRosenbrock 2015 oS) Diese kur-
ze Definition enthaumllt die wichtigsten Merkmale eines Settings Jeder Mensch bewegt sich
folglich in verschiedenen Settings zB seiner Arbeitswelt seinem Wohnumfeld oder seinem
Freizeitbereich Dabei hat jedes Setting Einfluss auf die Menschen die sich in ihm bewegen
wie auch jeder Mensch gleichzeitig das jeweilige Setting beeinflusst Gesundheit ist hierbei
als ein wichtiges alltaumlgliches Element des jeweiligen Settings zu sehen und nicht ausschlieszlig-
lich als essenzielles und abstraktes Ziel (vgl RoumlmischWalther 2015 S 5 AltgeldKolip
2010 S 49) Dies betont auch die salutogenetische Position nach der jeder Mensch zu jedem
Zeitpunkt zumindest ein gewisses Maszlig an Gesundheit inne hat (vgl Antonovsky 1997 S 23)
Bereits in der Ottawa-Charta wird als eine Strategie zur Gesundheitsfoumlrderung bdquoGesundheits-
foumlrderliche Lebenswelten schaffenldquo (WHO 1986 S 3) genannt Elf Jahre spaumlter verdeutlicht
die Jakarta-Erklaumlrung die Wirksamkeit dieser Strategie bdquoDer wissenschaftliche Erkenntnis-
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stand zeigt deutlich daszlig [hellip] insbesondere Settings [hellip] gute Moumlglichkeiten zur praktischen
Umsetzung solcher umfassenden Strategien bietenldquo (WHO 1997 S 3)
Dies mag va daran liegen dass eher schwer erreichbare Zielgruppen der Gesundheitsfoumlrde-
rung in ihren Lebenswelten relativ gut erreicht werden koumlnnen (vgl FaltermaierWihofszky
2012 S 110) Zu diesen Zielgruppen gehoumlren va sozial benachteiligte Menschen wie etwa
Menschen mit Migrationshintergrund in Armut lebende Menschen oder Menschen mit Be-
hinderungen Da das deutsche Gesundheitssystem stark mittelschichtsorientiert ist sind diese
schwerer zu erreichen als wohlhabendere Bevoumllkerungsschichten (vgl Stickan-Verfuumlrth 2005
S 105106) Besonders problematisch ist dies vor dem Hintergrund zu sehen dass gerade
sozial benachteiligte Menschen wie bereits erwaumlhnt haumlufig uumlber eine schlechtere Gesundheit
verfuumlgen
35 Gesundheitsfoumlrderung in der Lebenswelt bdquoArbeitldquo
Fuumlr eine Gesundheitsfoumlrderung in der Lebenswelt bdquoArbeitldquo sind besonders zwei Strategien
relevant die Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung (BGF) und das Betriebliche Gesundheitsma-
nagement
Die Begriffe bdquoBetriebliche Gesundheitsfoumlrderungldquo und bdquoBetriebliches Gesundheitsmanage-
mentldquo werden in der Literatur zT sehr unterschiedlich interpretiert Die Bandbreite reicht
hier von einer beinahe synonymen Verwendung bis hin zu einer klaren Abgrenzung Die hier
vorgenommene Unterscheidung ist dabei nur eine Moumlglichkeit unter mehreren
351 Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung
Als Grundsatzdokument der Betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung in Deutschland gilt heute
die Luxemburger Deklaration zur betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung in der Europaumlischen
Union aus dem Jahr 1997 Sie legt Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung wie folgt fest bdquoBe-
triebliche Gesundheitsfoumlrderung (BGF) umfasst alle gemeinsamen Maszlignahmen von Arbeit-
gebern Arbeitnehmern und Gesellschaft zur Verbesserung von Gesundheit und Wohlbefinden
am Arbeitsplatzldquo (Unternehmensnetzwerk zur betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung in der Eu-
ropaumlischen Union eV 2007 S 2 eigene Paginierung) Als Wege hierfuumlr sieht die Luxem-
burger Deklaration va drei Pfade welche in ihrer Verknuumlpfung am effektivsten scheinen die
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Verbesserung der Arbeitsorganisation und der Arbeitsbedingungen die Staumlrkung der Partizi-
pation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und die Unterstuumltzung im Aufbau und der Wei-
terentwicklung persoumlnlicher Kompetenzen (vgl Unternehmensnetzwerk zur betrieblichen
Gesundheitsfoumlrderung in der Europaumlischen Union eV 2007 S 2)
Die Auswirkungen Betrieblicher Gesundheitsfoumlrderung sind mannigfaltig und durch Studien
belegt So kann hier aufgrund der verbesserten Gesundheit und der staumlrkeren Gesundheitsres-
sourcen eine Verringerung der Fehltage aufgrund von Krankheit angefuumlhrt werden Aber auch
die Wertschaumltzung und Fuumlrsorge durch den Betrieb koumlnnen eine staumlrkere Identifikation der
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit dem jeweiligen Unternehmen hervorrufen (vgl Si-
monHegerReszies 2011 S 3738) Dies hat ua ein besseres Arbeitsklima eine houmlhere Mo-
tivation und Arbeitszufriedenheit und daraus resultierend eine Steigerung der Produktivitaumlt
zur Folge (vgl Unternehmensnetzwerk zur betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung in der Euro-
paumlischen Union eV 2007 S 3) Diese positiven Effekte entfalten teilweise erst laumlngerfristig
ihre Wirkung Somit sind sie fuumlr das Unternehmen eine langfristige Investition die allerdings
Gefahr laumluft kurzfristigen betriebswirtschaftlichen Interessen entgegenzulaufen (vgl Rosen-
brockHartung 2015 oS)
Als Maszlignahmen der Betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung eignen sich sowohl verhaltens- als
auch verhaumlltnisbezogene Maszlignahmen Eine Kombination aus beiden waumlre im Sinne der
Ganzheitlichkeit durchaus gewinnbringend
Eine gesetzliche Verpflichtung fuumlr Unternehmen zur Betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung gibt
es fuumlr Unternehmen in Deutschland nicht Wie in Punkt 33 bereits erwaumlhnt ist der rechtliche
Zusammenhang in sect 20b Abs 1 Satz 2 SGB V geregelt bdquoHierzu erheben sie [die Kranken-
kassen MP] unter Beteiligung der Versicherten und der Verantwortlichen fuumlr den Betrieb
sowie der Betriebsaumlrzte und der Fachkraumlfte fuumlr Arbeitssicherheit die gesundheitliche Situation
einschlieszliglich ihrer Risiken und Potenziale und entwickeln Vorschlaumlge zur Verbesserung der
gesundheitlichen Situation sowie zur Staumlrkung der gesundheitlichen Ressourcen und Faumlhig-
keiten und unterstuumltzen deren Umsetzungldquo Nach sect 20 Abs 6 Satz 2 sind die Krankenkassen
dazu verpflichtet pro Versicherter und Versichertem 200 Euro im Jahr in Maszlignahmen zur
Betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung zu investieren
Obwohl der Nutzen Betrieblicher Gesundheitsfoumlrderung sowohl fuumlr die Belegschaft als auch
fuumlr das jeweilige Unternehmen selbst nachgewiesen ist (vgl RosenbrockHartung 2015 oS)
es sich also um eine Win-Win-Situation handelt ist ihre Verbreitung in Deutschland noch
eher gering Das liegt zum einen daran dass Unternehmen nicht zur Betrieblichen Gesund-
heitsfoumlrderung verpflichtet sind und diese daher auf Freiwilligkeit aller Akteure beruht Zum
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anderen liegt es daran dass es sich um einen vielschichtigen Prozess handelt der durch inter-
ne externe oumlkonomische oder betriebspolitische Veraumlnderungen beeintraumlchtigt werden kann
(vgl RosenbrockHartung 2015 oS)
Fuumlr eine gelingende BGF ist Partizipation unumgaumlnglich denn nur so wird sichergestellt dass
moumlglichst viele Akteure besonders die Zielgruppe der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter er-
reicht wird (SimonHegerReszies 2011 S 46) Ein wichtiges Element hierbei ist der sog
bdquoGesundheitszirkelldquo Dieser setzt sich zusammen aus Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des
Betriebs wobei moumlglichst verschiedene Arbeitsbereiche und Hierarchieebenen vertreten sein
sollten Die Groumlszlige sollte dabei uumlberschaubar bleiben zB zwischen fuumlnf und acht Teilneh-
menden evtl ergaumlnzt durch einen externen Experten Im Zuge einer angestrebten Versteti-
gung von Gesundheitsfoumlrderung im Betrieb sind regelmaumlszligige Treffen sinnvoll (vgl Si-
monHegerReszies 2011 S 64 ndash 69) Um eine moumlglichst umfassende Partizipation zu ge-
waumlhrleisten empfiehlt es sich den Gesundheitszirkel von Beginn an also der Phase der Pla-
nung mit einzubeziehen Fuumlr eine Gesundheitsfoumlrderung in WfbMs scheint eine analoge An-
wendung des Konzeptes Gesundheitszirkel sowohl moumlglich als auch sinnvoll um von Beginn
an partizipative Strukturen zu etablieren
352 Betriebliches Gesundheitsmanagement
In der Literatur wird der Begriff des Betrieblichen Gesundheitsmanagements sehr unter-
schiedlich interpretiert Schlummer interpretiert ihn beinahe synonym zur Betrieblichen Ge-
sundheitsfoumlrderung wobei lediglich der Faktor der Arbeitssicherheit eine staumlrke Beruumlcksichti-
gung im Gesundheitsmanagement findet (vgl Schlummer 2015 S 35) Die Luxemburger
Deklaration hingegen sieht Arbeits- und Gesundheitsschutz in Unternehmen als Teil der Be-
trieblichen Gesundheitsfoumlrderung (vgl Unternehmensnetzwerk zur betrieblichen Gesund-
heitsfoumlrderung in der Europaumlischen Union eV 2007 S 4) In der vorliegenden Arbeit wird
der Arbeits- und Gesundheitsschutz ebenfalls unter der Strategie der Betrieblichen Gesund-
heitsfoumlrderung gesehen da er dem Verstaumlndnis von BGF als bdquoMaszlignahmen von Arbeitgebern
Arbeitnehmern und Gesellschaft zur Verbesserung von Gesundheit und Wohlbefinden am
Arbeitsplatzldquo (Unternehmensnetzwerk zur betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung in der Europauml-
ischen Union eV 2007 S 2) entspricht Fuumlr die Abgrenzung zwischen den beiden Begriffen
scheint dieser Aspekt zweitrangig Im Vordergrund liegt eher der jeweilige Charakter der
Strategie
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Gesundheitsmanagement in Betrieben kann als bdquo[b]ewusste Steuerung und Integration aller
betrieblichen Prozesse mit dem Ziel der Erhaltung und Foumlrderung der Gesundheit und des
Wohlbefindens der Beschaumlftigtenldquo (HannackRaumlder 2011 S 434) gesehen werden Dieses
Konzept scheint mit Vor- und Nachteilen einherzugehen Da saumlmtliche betriebliche Prozesse
die als der Gesundheit foumlrderlich gelten hierunter fallen sind auch individuelle Maszlignahmen
wie bspw das Betriebliche Eingliederungsmanagement nach sect 84 Abs 2 SGB IX mit inbe-
griffen Bei diesem geht es in erster Linie nicht um eine Erhaltung oder Verbesserung der
Gesundheit sondern um eine Vorbeugung von Arbeitsunfaumlhigkeit undoder den Erhalt eines
Arbeitsplatzes Ebenfalls positiv kann die Implementierung gesundheitsorientierter Prozesse
und Strukturen in das generelle Management eines Unternehmens gesehen werden Dadurch
scheint auszligerdem die Dauerhaftigkeit von gesundheitsfoumlrderlichen Maszlignahmen besser er-
reichbar als bei der BGF Hier haben Maszlignahmen meist den Charakter eines zeitlich befriste-
ten Projektes (vgl SlesinaBohley 2011 S 627) Der groszlige Nachteil des Betrieblichen Ge-
sundheitsmanagements liegt in der Gefahr dass sog top-down-Strukturen die Uumlberhand ge-
winnen (vgl Faller 2010 S 25 zit nach RosenbrockHartung 2015 oS) Top-down-
Strukturen in der Gesundheitsfoumlrderung zeichnen sich dadurch aus dass eine Person von
bdquoobenldquo eine Maszlignahme einleitet und im schlimmsten Fall bdquoaufoktroyiertldquo Dies kann mangels
Partizipation der Zielgruppe zu Ablehnung bei dieser fuumlhren
Fuumlr eine Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung in WfbMs scheint ndash zumin-
dest im Moment ndash der Weg der BGF geeigneter Hier sind zum einen in der Theorie groszlige
Potentiale fuumlr Partizipation gegeben Zum anderen ist das Thema der systematischen Gesund-
heitsfoumlrderung mit behinderten Menschen in Institutionen der Behindertenhilfe bisher kaum
verbreitet (siehe 44) Eine sofortige Implementierung des Betrieblichen Gesundheitsmana-
gements wuumlrde die meisten Einrichtungen uumlberfordern und vor den Kopf stoszligen Auf lange
Sicht scheint dies aber ein wuumlnschenswertes Ziel zu sein welches Schritt fuumlr Schritt erreicht
werden sollte
19
4 Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung
Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen ist bisher in der Praxis der sog bdquoBehinder-
tenhilfeldquo6 nur aumluszligert selten integriert In der wissenschaftlichen Literatur sind in den letzten
Jahren einige Beitraumlge erschienen die sich diesem Thema widmen Es soll nun zuerst darge-
stellt werden in welchem Verhaumlltnis Gesundheit und Behinderung zueinander stehen bevor
auf die Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen eingegangen wird Der Fokus dieser
Arbeit liegt auf der Gesundheitsfoumlrderung in WfbMs In diesem Zusammenhang wird der
Stand der Literatur kurz dargestellt eine kurze Analyse von Leitbildern einzelner Werkstaumltten
vorgenommen und einige Stimmen aus der Praxis wiedergegeben Aufgrund des knappen
Rahmens dieser Arbeit muss sich dies auf das Bundesland Berlin beschraumlnken und erhebt kei-
nen Anspruch auf empirische Vollstaumlndigkeit Vielmehr versteht es sich als eine kleine Feld-
befragung die als ein erster Impuls gesehen werden kann
41 Behinderte Menschen und Gesundheit und Krankheit ndash sozialmedizinische Erkenntnisse
Zunaumlchst muss festgehalten werden dass eine Behinderung keine Krankheit ist Auch ein
schwer behinderter Mensch kann sich sehr gesund fuumlhlen Der wesentliche Unterschied zwi-
schen einer Behinderung und einer Krankheit liegt darin dass bei einer Behinderung die Teil-
habe am Leben in der Gesellschaft langfristig beeintraumlchtigt ist bei einer Erkrankung hinge-
gen nicht oder nur kurzfristig7 Das hier vorliegende Verstaumlndnis in der Unterscheidung bei-
der Begriffe ist vordergruumlndig eher ein soziales denn eine medizinische Abgrenzung
Es existieren verschiedene und teilweise weitreichende gesundheitliche Unterschiede zwi-
schen Menschen mit Behinderungen und Menschen ohne Behinderungen Um diese auch in
ihrem Ursprung erklaumlren zu koumlnnen reicht der bdquotraditionelleldquo bio-medizinische Blick nicht
aus da er zu kurz greift Er muss um die sozialmedizinische Sichtweise ergaumlnzt werden
An dieser Stelle sollte allerdings darauf hingewiesen werden dass die folgende Darstellung
den Gesundheitszustand groszliger heterogener Gruppen von Menschen abbildet und die ge-
troffenen Aussagen daher nicht auf jeden Einzelfall anwendbar sind
6 Dieser Begriff impliziert durch den Wortteil bdquo-hilfeldquo ein Maumlchteungleichgewicht welches einer wahren Parti-
zipation der behinderten Menschen im Wege steht 7 Sollte eine chronische Krankheit einen Menschen in seiner Teilhabe langfristig einschraumlnken kann sie durch-
aus auch als Behinderung gesehen werden
20
Der Teilhabebericht des Bundesministeriums fuumlr Arbeit und Soziales (BMAS) kommt zu dem
Ergebnis dass Menschen mit Behinderungen ihre Gesundheit haumlufig schlechter einschaumltzen
als Menschen ohne Behinderungen Dies gilt auch fuumlr das psychische Wohlbefinden welches
im ganzheitlichen Verstaumlndnis von Gesundheit das dieser Arbeit zugrunde liegt (siehe 22)
ebenfalls Teil der Gesundheit ist Auch hat ein Mensch mit Behinderung in Deutschland im
Durchschnitt mehr Krankheitstage8 als ein nicht behinderter Mensch Menschen mit Behinde-
rung konsultieren statistisch betrachtet in einem bestimmten Zeitraum haumlufiger einen Arzt als
die durchschnittliche Bevoumllkerung Dies duumlrfte ua an dem als schlechter wahrgenommenen
Gesundheitszustand liegen aber auch an der Komorbiditaumlt bestimmter Behinderungen Bzgl
des Rauchverhaltens Alkoholkonsums und einer gesundheitsbewussten Ernaumlhrung bestehen
nur relativ geringe Unterschiede zur Gesamtbevoumllkerung Auffaumlllig ist lediglich dass die
Gruppe der 18- bis 29-Jaumlhrigen Menschen mit Behinderung zu einem houmlheren Anteil regel-
maumlszligig raucht Alkohol trinkt und seltener auf gesunde Ernaumlhrung achtet In den anderen Al-
tersgruppen bestehen kaum nennenswerte Unterschiede (vgl BMAS 2013 S 192 ndash 204)
Menschen mit Behinderungen haben im Durchschnitt eine geringere Lebenserwartung wobei
es hier Unterschiede zwischen einzelnen Syndromen gibt (vgl MarksSisirakHeller 2010
S 3) Bei einigen kann die jeweilige Behinderung selbst der Ausloumlser sein jedoch besteht
besonders bei Menschen mit Lernschwierigkeiten die Gefahr dass Krankheiten nicht richtig
erkannt oder nur unzureichend behandelt werden (vgl Lennox 2002 S 230) Ausschlagge-
bend hierfuumlr duumlrfte sein dass im Gesundheitsbereich verschiedenste Barrieren existieren Zum
Beispiel ist nur ein Teil der Arztpraxen barrierefrei wobei besonders haumlufig passende Unter-
suchungsmoumlbel und Informationsmaterial in Leichter Sprache fehlen (vgl BMAS 2013
S 200201) Ebenfalls negativ wirkt sich aus dass Aumlrzte teilweise unsicher im Umgang mit
Menschen mit Lernschwierigkeiten sind und diese zT auszligerdem ihre Symptome nicht praumlzi-
se genug beschreiben koumlnnen oder uumlber eine geringer differenzierte Wahrnehmung des eige-
nen Koumlrpers verfuumlgen als Menschen ohne Behinderung (vgl SchmidtReker 2014 S 28)
Des Weiteren haben Menschen mit Lernschwierigkeiten statistisch gesehen haumlufiger Uumlberge-
wicht als der Durchschnitt der Bevoumllkerung Hier muss jedoch beruumlcksichtigt werden dass
mit bestimmten Syndromen wie bspw dem Down-Syndrom ein veraumlnderter Energiebedarf
aufgrund der geringeren Muskelspannung einhergeht oder das Saumlttigungsgefuumlhl zB beim
Prader-Willi-Syndrom veraumlndert ist (Beange 2002 S 3) Die houmlhere Wahrscheinlichkeit des
Uumlbergewichts besteht statistisch gesehen sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen mit
8 Krankheitstage werden an dieser Stelle des Bundesteilhabeberichtes verstanden als Tage in denen der Mensch
sich subjektiv zu krank gefuumlhlt hat um seinen normalen privaten und beruflichen Taumltigkeiten nachzugehen
21
Lernschwierigkeiten (vgl Reuter 2009 S 13) Eine moumlgliche Ursache hierfuumlr kann auch in
der Tatsache gesehen werden dass Menschen mit Behinderungen durchschnittlich seltener
Sport treiben als nicht behinderte Menschen (vgl BMAS 2013 S 221222)
Ein weiterer bedeutender Zusammenhang zwischen Krankheit und Behinderung ist dass viele
Behinderungen im Sinne von Einschraumlnkungen in der gesellschaftlichen Teilhabe wie auch im
gesetzlichen Verstaumlndnis nach dem SGB IX Folgen von schweren undoder chronischen
Krankheiten sind (vgl SchmidtReker 2014 S 26)
Trotz allem muumlssen auch die vorhandenen Gesundheitspotentiale behinderter Menschen be-
ruumlcksichtigt werden denn an ihnen kann eine gelingende Gesundheitsfoumlrderung ansetzen (vgl
Altgeld 2008 S 8)9 Ein ressourcenorientierter Blick achtet besonders auf die verschiedenen
Potentiale die jedem Menschen (oder auch einer Gruppe von Menschen) innewohnen
Das Verhaumlltnis zwischen Gesundheit und Behinderung haumlngt in Deutschland und vielen Tei-
len der sog westlichen Welt aus sozialmedizinischem Blickwinkel nach wie vor so zusam-
men bdquoWhile a large number of individuals who are in bad health end up with a disability a
large number of persons with disabilities end up with bad healthldquo10
(Rimmer 2009 zit nach
MarksSisirakHeller 2010 S 31) Dieser Chiasmus verdeutlicht zusammenfassend nicht nur
die vorherrschende enge Verbindung zwischen schlechterer Gesundheit und Behinderung
sondern impliziert auch die Notwendigkeit von Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Be-
hinderungen Wie in 31 beschrieben hat Gesundheitsfoumlrderung auch den Abbau gesundheit-
licher Chancenungleichheit zum Ziel
42 Erreichbarkeit von Menschen mit Behinderungen fuumlr gesundheitsfoumlrdernde Maszlignahmen
Fuumlr die Gesundheitsfoumlrderung gelten Menschen mit Behinderungen als schwer zu erreichen
Es sollen nun die wesentlichen Probleme aber auch die vorhandenen Potentiale beschrieben
werden
9 Altgeld bezieht sich in seiner Analyse auf den Gesundheitsmonitor 2007 der Bertelsmann Stiftung Da dieser
Menschen mit Lernschwierigkeiten nicht mit einbezieht sondern vorwiegend koumlrper- und sinnesbeeintraumlchtige
Menschen beruumlcksichtigt koumlnnen seine Schlussfolgerungen nicht fuumlr die gesamte sehr heterogene Gruppe der
behinderten Menschen angewendet werden 10
Waumlhrend eine groszlige Anzahl an Personen welche eine schlechte Gesundheit besitzen eine Behinderung er-
langt erlangt eine groszlige Anzahl an Personen mit Behinderungen eine schlechte Gesundheit (Uumlbersetzung des
Verfassers)
22
421 Probleme bei der Erreichbarkeit
In den bundesweiten Untersuchungen wie bspw dem Sozio-oumlkonomischen Panel (SOEP)
oder Gesundheit in Deutschland aktuell (GEDA) werden Menschen mit Lernschwierigkeiten
idR nicht erreicht Dies hat zur Folge dass sowohl gesundheitliche Potentiale als auch Be-
duumlrfnisse und Bedarfe von Menschen mit Lernschwierigkeiten in der Gesundheitsfoumlrderung
weitgehend unerkannt und dadurch ausgeklammert bleiben (vgl Burtscher 2014 S 4)
Generell gelten behinderte Menschen bisher als schwer zu erreichen fuumlr Maszlignahmen zur Ge-
sundheitsfoumlrderung was verschiedene Gruumlnde hat Sozial benachteiligte Menschen sind sehr
haumlufig eine schwer erreichbare Zielgruppe fuumlr die Gesundheitsfoumlrderung Maszlignahmen auf der
gesamtgesellschaftlichen Ebene werden eher von Menschen mit houmlherem sozialen Status an-
genommen (Hurrelmann 2006 S 164) und erst spaumlter von sozial Benachteiligten internali-
siert Es waumlre jedoch ein Fehler Menschen mit Behinderungen automatisch zur Gruppe der
sozial benachteiligten Menschen zu rechnen Jedoch zeigt der Bundesteilhabebericht dass
behinderte Menschen haumlufiger erwerbslos sind und durchschnittlich weniger Gehalt verdienen
(BMAS 2013 S 141 ndash 149) Dass die finanzielle Lage von Beschaumlftigten der WfbMs beson-
ders prekaumlr ist wird im Punkt 43 naumlher erlaumlutert Diese soziooumlkonomischen Merkmale sind
jedoch nur ein Aspekt Auch gilt es zu bedenken dass besonders Maszlignahmen auf der Verhal-
tensebene bei sozial benachteiligten Menschen oft wenig angenommen werden da sie mit den
eigenen dauerhaften Lebensvorstellungen nicht uumlbereinstimmen (vgl Hurrelmann 2006
S 164) So nehmen Menschen mit Behinderung nur sehr selten an Angeboten oumlffentlicher
Einrichtungen wie bspw Volkshochschulkursen oder Rehabilitations-Sport-Maszlignahmen teil
(vgl Burtscher 2014 S 5)
Ein weiterer Punkt ist dass das Thema Gesundheitsfoumlrderung in der Behindertenarbeit traditi-
onell kaum etabliert war Laut einer Studie aus dem Jahr 2004 sehen Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter in Behinderteneinrichtungen haumlufig wenig Relevanz in Sport Bewegung und Er-
naumlhrung fuumlr die Foumlrderung der Gesundheit behinderter Menschen Daruumlber hinaus schreiben
sie auch Selbstbewusstsein Selbststaumlndigkeit und Selbstbestimmung nur eine untergeordnete
Rolle zu (vgl Gembris-Nuumlbel 2004 S 144) Allerdings besteht die Chance dass diese Ein-
stellung sich in den letzten zehn Jahren veraumlndert hat Die Ergebnisse der im Rahmen dieser
Arbeit durchgefuumlhrten Feldbefragung geben Anlass zu dieser Annahme (siehe 443) Auszliger-
dem ist fuumlr viele Menschen mit Lernschwierigkeiten der Zugang zu Informationen welche
Gesundheitsfoumlrderung thematisieren nur schwer moumlglich Hier sind folglich Vermittlung und
Unterstuumltzung oft notwendig (vgl Gembris-Nuumlbel 2004 S 82)
23
Auch von der Politik wird das Thema der Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen
bisher nur sehr selten thematisiert Seltene Ausnahmen wie zB die 22 Landesgesundheits-
konferenz in Nordrhein-Westfalen weisen jedoch auf die Wichtigkeit von Gesundheitsfoumlrde-
rung hin welche die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben verbessern kann (vgl Ministerium
fuumlr Gesundheit Emanzipation Pflege und Alter des Landes Nordrhein-Westfalen 2013
S 31) Hervorgehoben wird hier auch die (zukuumlnftige) Gestaltung der Informationen damit
diese fuumlr alle zugaumlnglich sind Des Weiteren soll auch das Bewusstsein saumlmtlicher Beteiligten
im Bereich der Gesundheitsfoumlrderung sensibilisiert werden (vgl Ministerium fuumlr Gesundheit
Emanzipation Pflege und Alter des Landes Nordrhein-Westfalen 2013 S 32)
Schon im Grundschulalter werden behinderte Kinder oft nicht erreicht da Gesundheitsfoumlrde-
rung sehr haumlufig nur in Regelgrundschulen und weiterfuumlhrenden Schulen und nicht in separie-
renden Foumlrderschulen stattfindet (vgl Reuter 2009 S 1819)
422 Potentiale fuumlr die Erreichbarkeit
Allerdings muumlssen auch die Potentiale betrachtet werden die fuumlr eine Erreichbarkeit behin-
derter Menschen zur Gesundheitsfoumlrderung vorhanden sind Auch diese bestehen in allen Al-
tersgruppen zB im fruumlhen Schulalter Im Zuge der Inklusion bei der immer mehr Kinder
mit Behinderungen in Regelschulen unterrichtet werden ist zu hoffen dass sie zukuumlnftig haumlu-
figer an Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung teilhaben koumlnnen Solange es (noch) Foumlrder-
schulen gibt muss auch auf deren (oft ungenutztes) Potential fuumlr gesundheitsfoumlrdernde Maszlig-
nahmen hingewiesen werden das in ihrer oft ganztaumlgigen Betreuung und den damit verbun-
denen Ressourcen liegt
Nicht nur in der Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Kindern sind bereits Potentiale vor-
handen Generell weisen Gesundheitsfoumlrderung und Behindertenarbeit sehr groszlige Gemein-
samkeiten in Sprache Prinzipien und Zielen auf Beide zielen letztendlich ab auf Inklusion
Partizipation Empowerment Entwicklung persoumlnlicher Faumlhigkeiten Einbindung in die Ge-
meinde die Neuorientierung von Gesundheitsdienstleistungen und die Foumlrderung von Um-
welten welche Gesundheit und Lebensqualitaumlt verbessern (vgl Lennox 2002 S 231) Es soll
auch darauf hingewiesen werden dass viele behinderte Menschen sehr an Informationen uumlber
Gesundheit interessiert sind und aktiv nach Informationen suchen (vgl Altgeld 2008 S 8)
Abschlieszligend laumlsst sich auffuumlhren dass gerade der Setting-Ansatz wie er in Punkt 34 darge-
stellt wurde eine sehr gute Moumlglichkeit bietet Menschen mit Behinderungen zu erreichen Er
24
bietet einen Zugangspunkt und kann Ausgangslage sein sowohl fuumlr verhaltens- als auch fuumlr
verhaumlltnisorientierte Maszlignahmen zur Foumlrderung der Gesundheit von Menschen mit Behinde-
rungen
Obwohl behinderte Menschen in der Vergangenheit nur selten gezielt an Maszlignahmen zur
Gesundheitsfoumlrderung beteiligt wurden sind doch einige Potentiale vorhanden an denen an-
zuknuumlpfen lohnenswert scheint
43 Das Setting Werkstatt fuumlr behinderte Menschen
WfbMs sind spezielle Einrichtungen fuumlr Menschen mit Behinderungen die nach dem SGB IX
als behindert gelten (siehe 21) Nach sect 136 SGB IX dienen diese Einrichtungen der bdquoTeilhabe
behinderter Menschen am Arbeitsleben [hellip] und zur Eingliederung in das Arbeitslebenldquo
Dadurch sind sie nicht Teil des allgemeinen Arbeitsmarktes da ihre Beschaumlftigten bdquowegen
Art oder Schwere der Behinderung nicht noch nicht oder noch nicht wieder auf dem allge-
meinen Arbeitsmarkt beschaumlftigt werden koumlnnenldquo (sect 136 Abs 1 SGB IX) Ihr Ziel ist es be-
hinderte Menschen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt vorzubereiten Die Beschaumlftigten arbei-
ten in verschiedensten Bereichen zB im Handwerk oder in Taumltigkeiten der elektronischen
Datenverarbeitung je nach persoumlnlicher Neigung Da es sich um kein typisches sozialversi-
cherungspflichtiges Arbeitsverhaumlltnis handelt sondern um ein bdquoarbeitnehmeraumlhnliches
Rechtsverhaumlltnisldquo11
(sect 138 SGB IX) bekommen die Beschaumlftigten keinen Lohn der dem
Mindestlohn entspricht Nach sect 138 SGB IX setzt sich ihr Arbeitsentgelt zusammen aus ei-
nem Grundbetrag und einem leistungsbemessenen Steigerungsbetrag Im Jahr 2011 verdiente
ein Beschaumlftigter im Durchschnitt 180 Euro monatlich (vgl BAG WfbM 2014) bei 35 bis 40
Arbeitsstunden pro Woche Von einer groszligen Steigerung in den letzten Jahren ist nicht auszu-
gehen Somit benoumltigen Beschaumlftigte einer WfbM idR neben ihrem Arbeitsentgelt Grundsi-
cherung Dies hat zur Folge dass sie haumlufig in prekaumlren soziooumlkonomischen Verhaumlltnissen
leben
Jede Werkstatt ist soziologisch betrachtet ein eigenes System mit individuellen Merkmalen
die unter anderem vom Standort dem Fachpersonal dem Traumlger und den Beschaumlftigten ge-
kennzeichnet sind (vgl SchlummerSchuumltte 2006 S 81) Gesetzlich festgelegt ist in sect 139
11
Begruumlndet wird dieses Rechtsverhaumlltnis haumlufig durch den Kuumlndigungsschutz Eine Werkstatt kann einen
Werkstattvertrag mit einer Beschaumlftigten oder einem Beschaumlftigten nur in seltenen Faumlllen gegen ihren oder sei-
nen Willen aufheben
25
SGB IX dass die Beschaumlftigten aus ihrer Mitte heraus regelmaumlszligig einen Werkstattrat waumlhlen
Genaueres regelt hier die Werkstaumltten-Mitwirkungsverordnung (WMVO) Wie ihr Name al-
lerdings schon sagt handelt es sich hier um die Moumlglichkeit der Mitwirkung nicht der Mitbe-
stimmung Diese kann nur erreicht werden wenn Werkstatt und Werkstattrat nach sect 5 Abs 4
WMVO eine weitergehende Vereinbarung treffen Zu den Aufgaben des Werkstattrates ge-
houmlrt es die Interessen der Beschaumlftigten in verschiedenen Angelegenheiten gegenuumlber der
Werkstatt zu vertreten Diese sind in sect 5 Abs 1 WMVO aufgelistet Die Werkstatt muss den
Werkstattrat auszligerdem informieren wenn sie eine Maszlignahme durchfuumlhrt in der der Werk-
stattrat ein Mitwirkungsrecht besitzt12
Sollte kein Einverstaumlndnis in einer Beratung erzielt
werden koumlnnen beide Seiten sich an eine Vermittlungsstelle wenden (sect 5 Abs 3 WMVO)
Das tatsaumlchliche Ausmaszlig der Mitwirkung ist jedoch stets von der Werkstattleitung abhaumlngig
Solch eine fehlende gesetzliche Verankerung von Mitbestimmung steht der Partizipation be-
hinderter Menschen im Wege welche sowohl fuumlr die gesellschaftliche Inklusion als auch die
Gesundheitsfoumlrderung immens wichtig ist
44 Gesundheitsfoumlrderung in Werkstaumltten fuumlr behinderte Menschen
Zunaumlchst gilt es sich einen Uumlberblick uumlber den aktuellen Stand von Gesundheitsfoumlrderung in
WfbMs zu verschaffen Einen ersten Einblick soll die dazu vorhandene Literatur liefern Da-
nach soll ein Abgleich dieser mit der Praxis stattfinden der sich aufgrund des gesetzten Rah-
mens dieser Arbeit nur auf einige Werkstaumltten des Bundeslandes Berlin konzentriert Hierfuumlr
werden jeweils die Leitbilder untersucht und Stimmen aus der Werkstatt ausgewertet
441 Recherche zum aktuellen Stand
Die Literatur zum Thema Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen in WfbMs ist
noch sehr duumlnn Vollstaumlndig ausgearbeitete Konzepte gibt es bisher nicht veroumlffentlicht wur-
den Berichte von abgeschlossenen oder noch laufenden Projekten Werner Schlummer wis-
senschaftlicher Mitarbeiter der Universitaumlt zu Koumlln begleitete ein Projekt zum Betrieblichen
12
Eine ausfuumlhrliche Beschreibung der Mitwirkungs- und Unterrichtungsrechte des Werkstattrates ist bei
SchlummerSchuumltte 2006 S 71 ndash 82 nachzulesen
26
Gesundheitsmanagement13
in einer WfbM zusammen mit acht Studierenden der Universitaumlt
(vgl Schlummer 2015 S 33) Auch das Projekt GESUND als Teilprojekt von PartKomm-
Plus (Forschungsverbund fuumlr gesunde Kommunen) wird wissenschaftlich durch die Katholi-
sche Hochschule fuumlr Sozialwesen begleitet (vgl Burtscher 2014 S 6)
Als Ausnahme kann das Projekt bdquoSelbstbestimmt gesuumlnderldquo im Rahmen des Programmes
bdquoHealthy Athletesldquo gesehen werden Hier bringt Special Olympics Deutschland eV Maszlig-
nahmen zur Gesundheitsfoumlrderung in die Lebenswelten behinderter Menschen Bei Healthy
Athletes werden Sportlerinnen und Sportler bei Veranstaltungen von Special Olympics kos-
tenlose Beratungen und Kontrolluntersuchungen angeboten Diese Angebote werden jedoch
auch auf Wohnheime und WfbMs ausgeweitet (vgl Special Olympics Deutschland a) S 2
eigene Paginierung) Auch das Projekt bdquoSelbstbestimmt gesuumlnderldquo bringt gesundheitsfoumlrdern-
de Maszlignahmen in Werkstaumltten Dabei werden bdquoTeilnehmern individualisierte Handlungsemp-
fehlungen zum Gesundheitsverhalten zur Verfuumlgung gestelltldquo (Special Olympics Deutschland
b) oS) Das Projekt setzt auszligerdem auf die Wirkung von Peer-Multiplikatorinnen und
-Multiplikatoren
Weitere Projekte sind trotz intensiver Recherche nicht bekannt Auch die Bundesarbeitsge-
meinschaft Werkstaumltten fuumlr behinderte Menschen eV (BAG WfbM) hat auf ihrer Homepa-
ge14
keinen Artikel zur Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung in WfbMs
Gibt man in der Suchmaske bdquoGesundheitsfoumlrderungldquo ein erhaumllt man zwei Ergebnisse einen
Artikel uumlber ein neu entwickeltes Computerspiel das von Kindern mit unterschiedlichen Be-
hinderungen gespielt werden kann und einen Artikel zum Qualifizierungsprogramm bdquoGe-
sundheitsfoumlrderung durch Schluumlsselqualifikationenldquo das sich nicht an Beschaumlftigte sondern
an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in WfbMs richtet Dies legt den Schluss nahe dass Ge-
sundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen in WfbMs bisher kaum verbreitet ist
Das Thema Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung als solches wurde in den
letzten Jahren zunehmend in der Literatur behandelt wobei die Anzahl der Veroumlffentlichun-
gen nach wie vor auf einem uumlberschaubaren Stand ist
13
Schlummers Verstaumlndnis von Betrieblichem Gesundheitsmanagement und Betrieblicher Gesundheitsfoumlrderung
sind beinahe synonym Das beschriebene Projekt kann daher im erweiterten Rahmen durchaus als Projekt zur
Gesundheitsfoumlrderung gesehen werden 14
httpwwwbagwfbmde (Stand 11112015)
27
442 Konzepte und Leitbilder von Einrichtungen der Praxis
Betrachtet werden vier verschiedene WfbMs und ihre Leitbilder Es handelt sich um die vier
Werkstaumltten von denen auch im Rahmen der Feldbefragung Stimmen einer Mitarbeiterin oder
eines Mitarbeiters und zT von Beschaumlftigten gewonnen werden konnten (siehe 443 und
Anhang Nr 2)
Aufgrund der jeweiligen Traumlgerstrukturen besitzt lediglich eine der Werkstaumltten15
als solche
ein eigenes Leitbild Bei den anderen drei Werkstaumltten muss auf das Leitbild des jeweiligen
Traumlgers zuruumlckgegriffen werden Das Thema der Gesundheit der Klientinnen und Klienten
bzw Werkstattbeschaumlftigten wird allerdings in keinem Leitbild thematisiert Auch die Such-
funktionen auf den jeweiligen Homepages bzw intensive Recherchen auf diesen brachten
keine Ergebnisse zum Stichwort bdquoGesundheitsfoumlrderungldquo Daraus laumlsst sich schlieszligen dass
Gesundheitsfoumlrderung der Werkstattbeschaumlftigten in den theoretischen Konzeptionen von
WfbMs meist nicht verankert ist
443 Gesundheitsfoumlrderung in der alltaumlglichen Praxis der Werkstaumltten ndash eine kleine Feldbe-
fragung
Im Rahmen des Informationstages der Berliner Landesarbeitsgemeinschaft Werkstaumltten fuumlr
behinderte Menschen eV (LAG WfbM) am 17112015 im Estrel Hotel Berlin wurden je-
weils eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter von vier verschiedenen WfbMs zum Thema Ge-
sundheitsfoumlrderung mit den Beschaumlftigten in der Werkstatt befragt (siehe Anhang Nr 2) Die
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben alle eine vergleichbare Position Begleitender Dienst
Paumldagogischer Dienst oder Sozialdienst In einer der Werkstaumltten konnten uumlberdies auch
Stimmen von Beschaumlftigten gewonnen werden16
Die Ergebnisse weisen keine empirische
Repraumlsentativitaumlt auf da der knappe Rahmen dieser Arbeit eine repraumlsentative empirische
Forschungsarbeit kaum zulaumlsst Die Befragungen sollen dazu dienen einen Einblick in den
Alltag der WfbMs zu ermoumlglichen und die in der Literatur und den Leibildern gewonnenen
Perspektiven zu erweitern
15
Aus Gruumlnden des Datenschutzes duumlrfen in der hier publizierten Version die Namen der Werkstaumltten nicht
genannt werden 16
In zwei der Werkstaumltten konnten keine Stimmen von Beschaumlftigten erhoben werden da eine Befragung in der
Werkstatt von den befragten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern abgelehnt wurde Der Mitarbeiter der dritten
Werkstatt signalisierte zwar waumlhrend der Befragung Zustimmung jedoch fehlte diese spaumlter von Seiten der Lei-
tung
28
Der Begriff bdquoGesundheitsfoumlrderungldquo wird von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sehr
unterschiedlich interpretiert Die Spannbreite liegt von einem Verstaumlndnis aumlhnlich des hier
dargelegten bis hin zu therapeutischer und rehabilitativer Foumlrderung Die angebotenen Maszlig-
nahmen welche einer Foumlrderung der Gesundheit dienen sollen sind jedoch bei allen aumlhnlich
Meist handelt es sich um Musik- Sport- und Bewegungsangebote die im Rahmen von sog
Begleitenden Maszlignahmen verankert sind Daruumlber hinaus werden auch entlastende Bewegun-
gen in den Arbeitsgruppen angeboten und ein Gesundheitstag in Kooperation mit Special
Olympics Deutschland geplant (eine Werkstatt) Eine andere Werkstatt kooperiert mit der
Fitnessstudiokette Fitness First Kurse zu gesunder Ernaumlhrung und Kochen werden teilweise
angeboten oder sind in Planung Nach Aussagen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden
die Maszlignahmen meist gut angenommen In einer Werkstatt wird sogar gemeinsam mit dem
Werkstattrat an einer Peer-Beratung gearbeitet mit der den Beschaumlftigten der Zugang zu den
Themen Bildung und Gesundheit verbessert werden soll Schwierigkeiten bestehen besonders
bzgl der Raumlume zB bei Turnhallen fuumlr Fuszligball
Eine Partizipation bei der Entwicklung von Angeboten ist nur teilweise gegeben Es wird
zwar in allen befragten Werkstaumltten nach Interessen der Beschaumlftigten gefragt und dement-
sprechend die Kurse angeboten jedoch besteht nur selten die Moumlglichkeit fuumlr die Beschaumlftig-
ten aktiv den jeweiligen Kurs durch eigene Entscheidungen mitzugestalten In einer Werk-
statt ist das bspw abhaumlngig von der Kursart von der Kursleiterin bzw dem Kursleiter und
vom Konzept Evaluiert werden die Angebote meist nur durch Nachfrage in den idR jaumlhr-
lich stattfindenden Entwicklungsgespraumlchen mit den einzelnen Beschaumlftigten und teilweise
daruumlber hinaus mit Fragebogen oder durch die Kursleiterin bzw den Kursleiter Eine Werk-
statt fuumlhrt sogar Statistiken zur Nachfrage Eine partizipative Evaluation findet in keiner der
befragten Werkstaumltten statt
Die befragten Beschaumlftigten einer der Werkstaumltten zeigten sich mit dem Angebot an gesund-
heitsfoumlrdernden Maszlignahmen groumlszligtenteils sehr zufrieden und empfanden die Anzahl der An-
gebote als meist genuumlgend Geaumluszligert wurde lediglich der Wunsch nach weiteren Angeboten
zu gesunder Ernaumlhrung und nach einem besseren Angebot an gesunden Speisen Das Ver-
staumlndnis von Gesundheitsfoumlrderung ist unterschiedlich Auffaumlllig ist dass auf der einen Seite
Aumlrzte und Besuche bei diesen wichtig scheinen gleichzeitig aber auch das Achten auf die
eigene Gesundheit als Teil der Gesundheitsfoumlrderung gilt Besonders letzterer Aspekt weist
darauf hin dass bei den Befragten ein gewisses Grundverstaumlndnis von Gesundheitsfoumlrderung
vorhanden ist das dem in dieser Arbeit verwendeten aumlhnelt Die Wichtigkeit der aumlrztlichen
29
Betreuung laumlsst jedoch zugleich auch auf ein eher bdquotraditionellesldquo bio-medizinisches Gesund-
heitsverstaumlndnis schlieszligen
Als angebotene Maszlignahmen werden meist Sport- und Bewegungsangebote genannt aber
auch eine Apfelpause um kurz von der Arbeit entspannen zu koumlnnen Daruumlber hinaus gab es
Angebote zur Fuszlighygiene und zur Zahn- und Augengesundheit Hier ist der Uumlbergang zwi-
schen Gesundheitsfoumlrderung und Praumlvention flieszligend Bzgl (zukuumlnftiger) Angebote werden
die Beschaumlftigten nach ihren Wuumlnschen gefragt aber eine wirkliche Mitbestimmung in Kon-
zeption und Planung dieser scheint nicht gegeben Auch bei der Evaluation findet bisher keine
Partizipation statt Die Befragung hat jedoch den bisherigen Eindruck bestaumltigt dass gesund-
heitsfoumlrdernde Maszlignahmen in WfbMs von behinderten Menschen durchaus nachgefragt wer-
den und die Werkstaumltten versucht sind im Rahmen der begleitenden Maszlignahmen ein sehr
breites Feld abzudecken Negativ scheint besonders das weitgehende Fehlen partizipativer
Strukturen
In den Werkstaumltten werden viele Angebote im Rahmen begleitender Maszlignahmen offeriert die
fuumlr die Gesundheit foumlrderlich sind Als Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung die die Prinzi-
pien der BVPG verinnerlichen koumlnnen sie jedoch nicht gesehen werden da zB die Partizipa-
tion eine eher untergeordnete Rolle spielt und die Thematik meist auf Sport- und zT Ernaumlh-
rungsangebote beschraumlnkt bleibt Auch werden die Effekte der Maszlignahmen nicht evaluiert
Entspannungsangebote werden nur selten angeboten und der Fokus richtet sich meist nur auf
die koumlrperliche Gesundheit
Daruumlber hinaus zeigt die Befragung aber auch welch groszliges Potential zur Gesundheitsfoumlrde-
rung in den Werkstaumltten liegt Mit den begleitenden Maszlignahmen sind Strukturen verankert in
denen Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung leicht integriert werden koumlnnen Offenheit fuumlr
Kooperationen scheint vielfach gegeben (zB mit Special Olympics Deutschland Fitness
First) sodass auch eine Kooperation mit den Krankenkassen und weiteren Partnern vorstell-
bar scheint Dies wuumlrde den Vorteil finanzieller Foumlrderung und Expertise durch Erfahrungen
mit bereits durchgefuumlhrten Maszlignahmen einbringen Die befragten Mitarbeiterinnen und Mit-
arbeiter schienen Gesundheitsfoumlrderung gegenuumlber prinzipiell sehr positiv eingestellt
Auch wenn in den Leitbildern und auf den Homepages Gesundheitsfoumlrderung nicht themati-
siert wird gibt es in der Praxis schon verschiedene Maszlignahmen und Projekte mit der Intenti-
on die Gesundheit der Beschaumlftigten zu verbessern
30
45 Anregungen fuumlr die Praxis
Vor dem Hintergrund der zu Rate gezogenen Literatur und den gewonnen Erkenntnissen
durch die Feldbefragung werden nun einige Uumlberlegungen fuumlr die Praxis einer gelingenden
Gesundheitsfoumlrderung getroffen Diese koumlnnen als moumlgliche Anregungen zur Umsetzung ver-
standen werden
451 Partizipation und Empowerment in der Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behin-
derung
Erfolgreiche Gesundheitsfoumlrderung braucht Partizipationsmoumlglichkeiten fuumlr die jeweilige
Zielgruppe Partizipation ist schlieszliglich nicht nur Teilnahme sondern aktive Teilhabe und
damit einhergehend die Moumlglichkeit mitzubestimmen und mitzuentscheiden Dazu gehoumlrt
auch die Definitionsmacht also die Macht (mit)zubestimmen an welche die Gesundheit be-
treffenden Aspekte in einer Maszlignahme zur Gesundheitsfoumlrderung herangegangen werden soll
(vgl Wrightvon UngerBlock 2010 S 39) Diese aktive Teilhabe muss also bereits zu Be-
ginn einer Maszlignahme Teil dieser sein Partizipation bedeutet folglich auch Macht Partizipa-
tion zu ermoumlglichen bedeutet Empowerment also die Ermaumlchtigung eines Individuums oder
einer Gruppe So bekommt Partizipation in der Gesundheitsfoumlrderung auch eine gesellschaft-
liche und politische Komponente denn dadurch koumlnnen Menschen mit Behinderungen lernen
mitzubestimmen mitzuentscheiden und eigene Interessen zu vertreten Diese erlernten Faumlhig-
keiten lassen sich auf die Handlungsebene in einer demokratischen Gesellschaft uumlbertragen
Sowohl Empowerment als auch Partizipation gehoumlren zu den in 31 erwaumlhnten Prinzipien der
BVPG Diese weist darauf hin dass Partizipation in saumlmtlichen Phasen einer Maszlignahme ge-
geben sein muss beginnend mit der Bedarfsanalyse der Planung in der Durchfuumlhrung und
abschlieszligend in der BewertungEvaluation So kann die Wirksamkeit einer Maszlignahme erhoumlht
werden (vgl BVPG 2013 S 90) Teilhabe kann als ein wichtiger Bestandteil der Qualitaumltssi-
cherung gesehen werden Bisher finden Maszlignahmen zur Qualitaumltssicherung nur selten unter
Partizipation der Zielgruppe statt Diese partizipativ zu beteiligen hilft die Qualitaumlt der Ge-
sundheitsfoumlrderung aufrechtzuerhalten oder sogar zu verbessern (vgl Wrightvon Un-
gerBlock 2010 S 35)
Teilhabe ist bei behinderten Menschen besonders wichtig Ihr Leben ist haumlufig von Beginn an
stark fremdbestimmt und von Abhaumlngigkeit gepraumlgt Somit lernen sie seltener als nicht behin-
31
derte Menschen Verantwortung zu uumlbernehmen und selbststaumlndig zu agieren Dies kann bis
hin zur sog bdquoerlernten Hilflosigkeitldquo fuumlhren Vor diesem Hintergrund scheint Partizipation
umso wichtiger aber auch umso arbeitsintensiver Sie ist daher in der Praxis der Gesundheits-
foumlrderung haumlufig sehr arbeitsintensiv und benoumltigt folglich zeitliche Ressourcen und damit
einhergehend finanzielle Ressourcen (vgl Loss 2009 S 10)
Traditionell sind viele Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung top-down organisiert das be-
deutet eine Einrichtung ein Geldgeber etc plant eine Maszlignahme fuumlhrt diese durch und eva-
luiert sie Zur Erreichung der eigenen Ziele wird die Zielgruppe mobilisiert ohne ein Mitspra-
cherecht zu den einzelnen Bausteinen der Maszlignahme zu haben Diese Struktur verdeutlicht
das Maumlchteungleichwicht zwischen Anbieter und Zielgruppe und zementiert den Status be-
hinderter Menschen als Abhaumlngige und Ohnmaumlchtige Der Gegensatz zu top-down-
Programmen ist der bottom-up-Ansatz Hier findet eine Machtteilung statt da die Gesund-
heitsfoumlrderinnen und Gesundheitsfoumlrderer ihre Macht mit der Zielgruppe teilen und eher die
Rolle von Unterstuumltzerinnen und Unterstuumltzern einnehmen Die Zielgruppe soll unterstuumltzt
werden ihre eigenen Probleme festzustellen und Loumlsungen sowie Maszlignahmen zu erarbeiten
In der Planung Durchfuumlhrung und Evaluation kommt ihr damit eine aktive Rolle zu (vgl La-
verack 2010 S 77) Bottom-up-Programme scheinen daher fuumlr Partizipation und Empower-
ment geeigneter als top-down-Strukturen Allerdings schlieszligen sich beide Ansaumltze nicht
zwingend aus sondern Maszlignahmen koumlnnen Eigenschaften beider Ansaumltze aufweisen In
WfbMs scheinen Maszlignahmen sehr haumlufig top-down organisiert zu sein Die staumlrkere Veranke-
rung von bottom-up-Strukturen waumlre hier im Sinne einer Teilhabe ndash in der Werkstatt wie auch
daruumlber hinaus auf gesellschaftlicher Ebene ndash vorteilhaft und wuumlnschenswert
452 Peer-Multiplikatorinnen und -Multiplikatoren
Eine Strategie die in der Praxis der Gesundheitsfoumlrderung bereits mit positiven Ergebnissen
getestet wurde sind Peer-Multiplikatorinnen und -Multiplikatoren Das Modell der Multipli-
katorinnen und Multiplikatoren war bereits Grundlage vieler gesundheitsfoumlrdernder Maszlignah-
men mit sozial benachteiligten Menschen die auch in der Literatur vielfach dokumentiert
sind Auch in der Arbeit mit behinderten Menschen ist dieses Konzept nicht neu Auf Maszlig-
nahmen zur Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung wurde es bisher kaum an-
gewandt scheint jedoch erfolgsversprechend Das Projekt GESUND welches mit einer Ber-
liner WfbM durchgefuumlhrt wird arbeitet mit diesem Konzept (vgl Burtscher 2014 S 8) Die
32
Funktion von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren besteht darin Kenntnisse und Informa-
tionen zur Gesundheit(-sfoumlrderung) der Zielgruppe mit Hilfe der ihnen innewohnenden Ver-
trauensstellung naumlher zu bringen Sie haben daher eine bdquoMittlerfunktionldquo (BVPG 2013 S 92)
zwischen Durchfuumlhrenden und Zielgruppe Voraussetzung dafuumlr ist dass sie der Zielgruppe
angehoumlren oder zumindest eine sehr enge Verbindung zu ihr besitzen Im Zuge einer Maszlig-
nahme werden sie selbst gestaumlrkt sozusagen bdquoempowertldquo Ihre Mittlerfunktion funktioniert
allerdings auch in die andere Richtung Sie bringen den Durchfuumlhrenden die Perspektive der
Zielgruppe naumlher Im Idealfall fuumlhrt der Einsatz von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren
zur Aktivierung der Zielgruppe die ihr selbstbestimmtes Handeln auch auf andere Bereiche
ausdehnen kann (vgl Stickan-Verfuumlrth 2005 S 108) Diesem Modell sehr aumlhnlich ist das
Modell des Peer-Counseling Hier stehen Mitglieder der Zielgruppe in beratender Funktion
ihrer Peer-Gruppe zur Verfuumlgung
453 Verknuumlpfung von Betrieblicher Gesundheitsfoumlrderung und Gesundheitsfoumlrderung in
Werkstaumltten fuumlr behinderte Menschen
Eine Uumlbertragung der Idee der Betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung auf die Gesundheitsfoumlrde-
rung in WfbMs scheint in der Tat realisierbar Den rechtlichen und finanziellen Rahmen hier-
fuumlr hat das 2015 beschlossene Praumlventionsgesetz geschaffen (siehe 33) Im Entwurf der Bun-
desregierung wird in der Anmerkung zum neuen sect 20 Abs 4 SGB V explizit darauf hinge-
wiesen dass Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung auch in WfbMs zum Leistungsspektrum der
Krankenkassen gehoumlrt (vgl Deutscher Bundestag 2015 S 34) Eine Etablierung hiervon in
der Praxis haumlngt in erster Linie neben den Krankenkassen auch von den Leitungen der WfbMs
ab Sollten diese hierfuumlr und auch gegenuumlber partizipativen Strukturen offen sein waumlre der in
351 kurz vorgestellte Gesundheitszirkel ein passender Startpunkt um von Beginn an auch
die Partizipation der Beschaumlftigten zu gewaumlhrleisten Analog zum Konzept der BGF koumlnnten
gemeinsam Maszlignahmen erarbeitet werden die die Gesundheit der Beschaumlftigten foumlrdern wuumlr-
den Den Vertreterinnen und Vertretern der Beschaumlftigten die im Gesundheitszirkel mitwir-
ken koumlnnte dabei die Rolle von Peer-Multiplikatorinnen und -Multiplikatoren zukommen
Als Effekte duumlrften die in 351 beschriebenen auch hier zu erwarten sein eine Verbesserung
der Gesundheit und eine Staumlrkung der gesundheitlichen Ressourcen eine Verringerung der
krankheitsbedingten Fehltage eine staumlrkere Identifikation der Beschaumlftigten mit der Werk-
33
statt ein besseres Arbeitsklima eine houmlhere Motivation und Arbeitszufriedenheit und eine
Steigerung der Produktivitaumlt
Es empfiehlt sich im Sinne der Partizipation und des Empowerments kein reines top-down-
Programm zu starten sondern einen bottom-up-Ansatz zu waumlhlen bzw zumindest mehrere
Elemente dessen einzubauen Als Anknuumlpfungspunkt koumlnnen bereits bestehende begleitende
Maszlignahmen mit passender Thematik genommen werden
Wie bdquonormaleldquo Betriebe koumlnnten auch WfbMs Kooperationen in ihrem raumlumlichen Umfeld
aufbauen und von Vernetzungen profitieren Aufgrund ihrer Groumlszlige sind sie in ihrem Sozial-
raum ein meist nicht zu unterschaumltzender Akteur
34
5 Fazit und Ausblick
Ausgehend von einem bio-psycho-sozialen Verstaumlndnis von Gesundheit wurden verschiedene
Aspekte der Gesundheitsfoumlrderung vertieft und anschlieszligend eine Verknuumlpfung zur Gesund-
heitsfoumlrderung mit behinderten Menschen hergestellt Hierbei lag der Fokus auf gesundheits-
foumlrdernden Maszlignahmen in WfbMs Dabei wurde die aktuelle Literatur zu Rate gezogen In-
ternetauftritte einiger Werkstaumltten durchsucht und Stimmen aus dem Feld von Mitarbeiterin-
nen und Mitarbeitern sowie Beschaumlftigten von Werkstaumltten gewonnen
Die Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung ist noch immer relativ schwach
ausgebaut Dies stellt sich besonders vor dem Hintergrund als problematisch dass behinderte
Menschen haumlufig anfaumllliger fuumlr Krankheiten sind und durchschnittlich uumlber einen subjektiv als
schlechter bewerteten Gesundheitsstatus verfuumlgen als nichtbehinderte Menschen Wie viele
sozial benachteiligte Gruppen sind sie verhaumlltnismaumlszligig schwer zu erreichen fuumlr gesundheits-
foumlrdernde Maszlignahmen Obwohl es in der Erreichbarkeit mehrere Probleme gibt verfuumlgen
Menschen mit Behinderung auf der anderen Seite uumlber groszlige Potentiale Das neue Praumlventi-
onsgesetz ist ein erheblicher Fortschritt bei der Finanzierung gesundheitsfoumlrdernder Maszlignah-
men Sogar eine Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung in Werkstaumltten ist wenn auch nicht ex-
plizit verankert so doch zumindest gewuumlnscht
Gelingende Gesundheitsfoumlrderung muss sich im Allgemeinen und auch bei der Arbeit mit
behinderten Menschen an bestimmten Prinzipien messen lassen Besonders wichtig vor dem
gesellschaftlichen Hintergrund ist hier die Partizipation der Menschen mit Behinderung und
damit einhergehend das Empowerment dieser Beide wirken sich positiv auf die Qualitaumlt der
gesundheitsfoumlrdernden Maszlignahmen aus gehen jedoch auch daruumlber hinaus Sie koumlnnen Men-
schen mit Behinderungen auch auf gesellschaftlicher Ebene empowern sodass ihnen eine
groumlszligere gesellschaftliche Teilhabe zukommt Somit erlangt Gesundheitsfoumlrderung auch vor
dem Hintergrund der Inklusion eine hohe Relevanz
In WfbMs ist gezielte Gesundheitsfoumlrderung bisher wenig verbreitet Einzelne Projekte sind
eher die Ausnahme denn die Regel Jedoch sind die Potentiale der Werkstaumltten enorm Das
Personal scheint haumlufig offen fuumlr Maszlignahmen zu sein und gerade die Strukturen der beglei-
tenden Maszlignahmen lieszligen eine relativ einfache Integration von Maszlignahmen zur (betriebli-
chen) Gesundheitsfoumlrderung zu Bestehende begleitende Maszlignahmen in welchen Sport oder
Bildungsangebote zu gesunder Ernaumlhrung angeboten werden koumlnnten ohne uumlbermaumlszligigen
Aufwand zu gezielten Maszlignahmen fuumlr Gesundheitsfoumlrderung ausgebaut werden Nachholbe-
darf bestuumlnde hier vor allem auf dem Gebiet der Partizipation Nur selten scheinen die Be-
35
schaumlftigten in Konzeption Planung Durchfuumlhrung und Evaluation aktiv eingebunden zu sein
In bestimmten Phasen wie etwa der Konzeption und besonders der Evaluation scheint aktive
Teilhabe noch uumlberhaupt nicht verankert zu sein Eine staumlrkere Partizipation in allen Berei-
chen waumlre mit houmlherem Arbeits- und Kostenaufwand verbunden welcher durch eine Einbin-
dung der Krankenkassen moumlglicherweise aufgefangen werden koumlnnte Die Partizipation foumlr-
dern wuumlrde auch die Etablierung von Peer-Beratung und Peer-Multiplikatorinnen und
-Multiplikatoren Diesen kaumlme beim Zugang zur Zielgruppe eine Schluumlsselfunktion zu und
gleichzeitig koumlnnten sie Bedarfe und Beduumlrfnisse dieser gegenuumlber den anderen Akteuren
kommunizieren Auch wenn es bisher keine konkreten ausgearbeiteten Konzepte zur Gesund-
heitsfoumlrderung in WfbMs gibt koumlnnten bestehende Konzepte zur Betrieblichen Gesundheits-
foumlrderung eventuell leicht uumlberarbeitet fuumlr Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung in Werkstaumltten
analog angewendet werden
Die Potentiale und Moumlglichkeiten zur Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung
in WfbMs sind also mannigfaltig und haumlufig vorhanden Auf diesen koumlnnte aufgebaut werden
um behinderten Menschen das Recht auf das in Artikel 25 der UN-BRK festgeschriebene bdquoer-
reichbare Houmlchstmaszlig an Gesundheitldquo zu ermoumlglichen
Gesundheitsfoumlrderung ist mehr als Werbeplakate an Bus- oder Straszligenbahnhaltestellen und
Clips im Aktuellen Sportstudio sie ist mehr als Sportangebote und Angebote zu gesunder
Ernaumlhrung sie ist auch ein Weg zum Erreichen eines Menschenrechtes das Recht auf Ge-
sundheit
36
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41
Anhang
Nr 1 Abbildung zu den Hauptdeterminanten der Gesundheit nach DahlgreenWhitehead
2007 S 11
Nr 2 Befragung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Beschaumlftigten der WfbMs
42
Nr 1 Abbildung zu den Hauptdeterminanten der Gesundheit nach DahlgreenWhitehead
2007 S 11
43
Nr 2 Befragung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Beschaumlftigten der WfbMs
Um moumlglichst effizient die Stimmen aus vier WfbMs unterschiedlicher Traumlger zu erheben
wurden diese auf dem Infotag der LAG WfbM Berlin am 17112015 gesammelt Hier waren
verschiedene Werkstaumltten mit Informationsstaumlnden vertreten Gewaumlhlt wurden die Werkstaumlt-
ten an deren Staumlnden der Verfasser zuerst vorbeilief Die gestellten Fragen waren stets die-
selben
Den Vertretern der Werkstatt wurde zugesichert dass ihr Name nicht in der vorliegenden Ar-
beit genannt wird lediglich ihre Position in der Werkstatt wird erwaumlhnt Es wurden auszligerdem
keine weiteren Personendaten erhoben
Wenn moumlglich sollten auszligerdem fuumlnf Beschaumlftige pro WfbM befragt werden Hierfuumlr wurde
am Ende des kurzen Interviews um Erlaubnis gefragt Den Beschaumlftigten wurden andere Fra-
gen gestellt als dem Werkstattpersonal jedoch erhielten alle Beschaumlftigten dieselben Fragen
untereinander Den Beschaumlftigen wurde komplette Anonymitaumlt in der vorliegenden Arbeit
zugesichert und es wurden keine personenbezogenen Daten abgefragt Zuerst wurde nach
ihrem Verstaumlndnis von Gesundheitsfoumlrderung gefragt Vor den Fragen 2 bis 5 wurde kurz
erklaumlrt wie Gesundheitsfoumlrderung verstanden werden kann um davon ausgehend die restli-
chen Fragen zu beantworten
Bei saumlmtlichen Interviews wurde auf Transkriptionen verzichtet es wurden lediglich die
Kernaussagen mitgeschrieben
Im Folgenden finden sich exemplarisch die jeweils gestellten Fragen
44
Fragen an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der WfbM
Name der WfbM
Position der befragten Person Begleitender Dienst
1 Was verstehen Sie unter Gesundheitsfoumlrderung
2 Was bieten Sie im Rahmen der Gesundheitsfoumlrderung an
3 Wie werden die Maszlignahmen angenommen
4 Wuumlrden Sie gerne mehr anbieten oder finden Sie die Angebote ausreichend
5 Gibt es Schwierigkeiten
6 Wie steht es um die Partizipation in den Angeboten (Werden die Angebote von Beschaumlf-
tigten mitentwickelt mitevaluiert etc)
7 Werden die Angebote evaluiert
45
Fragen an die Beschaumlftigen der WfbM
Name der WfbM
Datum
1 Wissen Sie was Gesundheitsfoumlrderung ist Wenn ja wie wuumlrden sie es beschreiben
[Moumlgliche Erklaumlrung fuumlr Beschaumlftigte die sich nichts unter Gesundheitsfoumlrderung vorstellen
koumlnnen Zur Gesundheitsfoumlrderung gehoumlrt alles was fuumlr Ihre Gesundheit gut ist zB Kur-
seMaszlignahmen usw die mit Bewegung Ernaumlhrung Wohlfuumlhlen am Arbeitsplatz oder Ent-
spannen zu tun haben]
2 Welche Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung werden Ihnen von der Werkstatt angebo-
ten
3 Werden Ihrer Meinung nach genuumlgend Angebote zur Gesundheitsfoumlrderung in der Werk-
statt angeboten
4 Duumlrfen Sie bei der Entwicklung und Evaluation (Auswertung am Ende) mitbestimmen
5 Was sind Ihre Wuumlnsche bezuumlglich der Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung
6
2 Begriffsdefinitionen und Abgrenzungen
Fuumlr das Verstaumlndnis bestimmter Begriffe im weiteren Verlauf der Arbeit ist es sinnvoll diese
Auslegungen kurz darzustellen Fuumlr jeden der hier skizzierten Begriffe gibt es zahlreiche
Konzepte und Theorien die aufgrund des gegebenen Rahmens nicht in aller Ausfuumlhrlichkeit
diskutiert werden koumlnnen
21 Menschen mit Behinderung
Fuumlr den Begriff bdquoBehinderungldquo gibt es zahlreiche Definitionen Der in der Internationalen
Klassifikation der Funktionsfaumlhigkeit Behinderung und Gesundheit (ICF) der Weltgesund-
heitsorganisation WHO verankerten Sicht liegt ein bio-psycho-soziales Verstaumlndnis von Be-
hinderung zugrunde (vgl WHO 2005 S45) Behinderung wird hier nicht als rein biologisch-
medizinisches Konstrukt gesehen sondern der einzelne Mensch der eine koumlrperliche geistige
undoder seelische Beeintraumlchtigung hat wird auch durch seine Umwelt laumlngerfristig bzw
wiederkehrend behindert bzw nicht behindert1 Behinderung ist also kein festes Merkmal
einer Person sondern ein Wechselspiel zwischen Mensch und Umwelt Diese Auffassung teilt
die Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen (UN-BRK) die in Artikel 1 von
einer bdquoWechselwirkung mit verschiedenen Barrierenldquo spricht
Ausgehend von diesem Verstaumlndnis muss aufgrund der Thematik der vorliegenden Arbeit der
Begriff bdquoMenschen mit Behinderungldquo auch aus gesetzlicher Sicht betrachtet werden Fuumlr die
Aufnahme als Beschaumlftigter oder Beschaumlftigte2 bzw in den Berufsbildungsbereich in Werk-
staumltten fuumlr behinderte Menschen ist eine Behinderung wie sie in den Sozialgesetzbuumlchern
(SGB) verstanden wird Voraussetzung Diese ist definiert in sect 2 SGB IX bdquoMenschen sind
behindert wenn ihre koumlrperliche Funktion geistige Faumlhigkeit oder seelische Gesundheit mit
hoher Wahrscheinlichkeit laumlnger als sechs Monate von dem fuumlr das Lebensalter typischen
Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeintraumlchtigt istldquo
Dies muss fuumlr jeden Menschen individuell betrachtet werden
1 Die ICF kann nicht nur auf Menschen mit einer Behinderung sondern auf jeden Menschen bezogen werden
(vgl WHO 2005 S 13) 2 Aus Gruumlnden des einfacheren Verstaumlndnisses werden im weiteren Verlauf Menschen mit Behinderungen die in
WfbMs beschaumlftigt sind als Beschaumlftigte bezeichnet und festangestelltes Personal wie etwa Paumldagoginnen und
Paumldagogen bzw Arbeitsgruppenleitungen als Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
7
Auf das genaue Verfahren zur Feststellung wird an dieser Stelle nicht weiter eingegangen da
es fuumlr den weiteren Verlauf der Arbeit nicht relevant ist Es genuumlgt zu wissen dass sich der
Personenkreis der in der WfbM beschaumlftigt ist rechtlich gesehen nach dem SGB IX definiert
Diese Definition ist weniger umfassend als das Verstaumlndnis der ICF die die Kontextfaktoren
staumlrker betont (vgl WHO 2005 S 2122)
22 Gesundheit
Das traditionelle Bild von Gesundheit ist die Abwesenheit von Krankheit Jedoch erkannte
schon in ihrer Verfassung von 1946 die WHO dass Gesundheit mehr als nur das ist bdquoDie
Gesundheit ist ein Zustand des vollstaumlndigen koumlrperlichen geistigen und sozialen Wohlerge-
hens und nicht nur das Fehlen von Krankheit oder Gebrechenldquo (WHO 2014 S 1)
Fuumlr die Determinanten der Gesundheit von Menschen haben Margaret Whitehead und Goumlran
Dahlgren bereits 1991 ein Modell (siehe Anhang Nr 1) entwickelt das die Einflussfaktoren
in verschiedene Ebenen gliedert Neben den persoumlnlichen Merkmalen wie Alter Geschlecht
und Genen stehen in der naumlchsten Ebene die Faktoren individueller Lebensweisen (Sport
Konsum von Genussmitteln etc) Daran schlieszligen sich soziale und kommunale Netzwerke an
(va Familie Freundinnen und Freunde) und auf naumlchster Ebene die Lebens- und Arbeitsbe-
dingungen (zB Wohn- und Arbeitsumfeld Bildung) Abgeschlossen wird das Modell durch
allgemeine Bedingungen der soziooumlkonomischen kulturellen und physischen Umwelt wie
bspw Wirtschaft und Politik (vgl DahlgrenWhitehead 2007 S 11)
Die sehr breite Auffassung der WHO von Gesundheit entwickelte Aaron Antonovsky weiter
indem er sein Konzept der Salutogenese entwickelte Neu daran war zum einen dass er von
einem Gesundheits-Krankheits-Kontinuum ausgeht dessen Pole Gesundheit und Krankheit
sind Die Gesundheit eines Menschen laumlsst sich zu jedem Zeitpunkt seines Lebens individuell
an einem Punkt des Kontinuums festlegen je nachdem wie gesund der Mensch sich zum je-
weiligen Zeitpunkt fuumlhlt (vgl Antonovsky 1997 S 23) Auszligerdem stellt Antonovsky die Fra-
ge warum unter bestimmten (unguumlnstigen) Bedingungen also den Determinanten von Ge-
sundheit manche Menschen gesund bleiben und andere nicht (vgl Antonovsky 1997 S 15)
Als Antwort auf diese Frage praumlsentiert er das sog Kohaumlrenzgefuumlhl (SOC)3 bestehend aus
3 In der Literatur zT auch mit Kohaumlrenzsinn Kohaumlrenzempfinden etc uumlbersetzt Das englische Original bdquoSense
of Coherenceldquo ist schwer zu uumlbersetzen da es im Deutschen kein Wort gibt das der weiten Bedeutung des engli-
schen bdquosenseldquo gerecht werden koumlnnte
8
den drei Elementen Verstehbarkeit Handhabbarkeit und Bedeutsamkeit Verstehbarkeit be-
deutet seine Welt als stimmig und verstaumlndlich einzuordnen und Belastungen in einem groumlszlige-
ren Zusammenhang sehen zu koumlnnen Handhabbarkeit bezeichnet das Gefuumlhl die Aufgaben
und Probleme denen man begegnet mit seinen Ressourcen bewaumlltigen zu koumlnnen Bedeut-
samkeit ist die Uumlberzeugung von der eigenen Lebensfuumlhrung die mit Zielen verbunden ist
fuumlr die sich einzusetzen lohnenswert erscheint (vgl Antonovsky 1997 S 33 ndash 36) Legt man
den Fokus nun also auf die Aufrechterhaltung oder Verbesserung der Gesundheit sind die
dafuumlr in der Praxis konzipierten Maszlignahmen ndash ganz der Denktradition der Salutogenese fol-
gend ndash Schritte zur Gesundheitsfoumlrderung
23 Gesundheitsfoumlrderung und ihre Abgrenzung zur Praumlvention
Die Idee der Gesundheitsfoumlrderung fuszligt auf einem Gesundheitsverstaumlndnis wie es die Saluto-
genese aufzeigt Ein wichtiger Grundstein fuumlr unser heutiges Verstaumlndnis von Gesundheits-
foumlrderung wurde bereits 1986 mit der Ottawa-Charta der WHO gelegt bdquoGesundheitsfoumlrde-
rung zielt auf einen Prozess allen Menschen ein houmlheres Maszlig an Selbstbestimmung uumlber ihre
Gesundheit zu ermoumlglichen und sie damit zur Staumlrkung ihrer Gesundheit zu befaumlhigenldquo (WHO
1986 S 1) Gesundheitsfoumlrderung ist also bdquoeine Promotionsstrategie bei der Menschen durch
Verbesserung ihrer Lebensbedingungen eine Staumlrkung der gesundheitlichen Entfaltungsmoumlg-
lichkeiten erfahren sollenldquo (HurrelmannKlotzHaisch 2010 S 13 Herv weggelassen) Kon-
kret in der Praxis aumluszligert sich Gesundheitsfoumlrderung in unterschiedlichsten Maszlignahmen auf
den verschiedenen Ebenen Individuum Setting und PolitikGesamtgesellschaft (vgl Alt-
geldKolip 2010 S 4647) So sind etwa Schritte zur Steigerung des Selbstwertgefuumlhls (Indi-
viduumsebene) Ernaumlhrungsprogramme in Schulen (Setting) oder eine gesetzlich verankerte
finanzielle Unterstuumltzung zum Vereinsbeitrag fuumlr Kinder aus einkommensschwachen Fami-
lien in Sportvereinen (Politik) Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung Auf saumlmtlichen Ebenen
ist eine Partizipation der Zielgruppe fuumlr eine gelingende Gesundheitsfoumlrderung erstrebenswert
(vgl FaltermaierWihofszky 2012 S 102) Als Kernelemente der Gesundheitsfoumlrderung
weist die WHO in der Ottawa-Charta Ganzheitlichkeit oumlkologische Verantwortung und ge-
genseitige Fuumlrsorge aus (vgl WHO 1986 S 5) Dieser universelle Anspruch findet seine
Fortsetzung in der Jakarta-Erklaumlrung die als Ziele den groumlszligtmoumlglichen Gesundheitsgewinn
der Bevoumllkerung die Reduzierung gesundheitlicher Ungleichheiten und die Staumlrkung der
Menschenrechte formuliert (vgl WHO 1997 S 2)
9
Unterscheiden kann man gesundheitsfoumlrdernde Strategien zwischen Verhaltens- und Verhaumllt-
nisebene Verhaltensorientierte Maszlignahmen setzen beim Verhalten des einzelnen Menschen
oder einer Gruppe zB ihrer Ernaumlhrung oder der Haumlufigkeit von Bewegung an Verhaumlltnis-
bezogene Maszlignahmen setzen an den Verhaumlltnissen an in denen ein oder mehrere Menschen
leben Dies kann sich auf saumlmtliche Lebensbereiche beziehen zB Wohnen Arbeit oder Frei-
zeit Hier kann beispielhaft die Verfuumlgbarkeit von Gruumlnflaumlchen oder Spielplaumltzen aufgefuumlhrt
werden Eine Verbindung beider Ansaumltze ist durchaus moumlglich
Abzugrenzen ist die Gesundheitsfoumlrderung von der Praumlvention Als jene gelten Maszlignahmen
zur Vermeidung des Auftretens bzw Fortschreitens bestimmter Krankheiten Praumlvention und
Gesundheitsfoumlrderung zielen beide auf einen Gesundheitsgewinn ab jedoch setzt erstere beim
Verringern von Risikofaktoren an letztere beim Schaffen und Staumlrken von Ressourcen also
Schutzfaktoren (vgl HurrelmannKlotzHaisch 2010 S 1617) Anders ausgedruumlckt Praumlven-
tion ist pathogenetisch das bedeutet an der Entstehung von Krankheiten orientiert Gesund-
heitsfoumlrderung hingegen salutogenetisch orientiert Generell muumlssen Praumlvention und Gesund-
heitsfoumlrderung als sich ergaumlnzende nicht als konkurrierende Interventionsformen mit ver-
schiedener Sachlogik gesehen werden (vgl Hurrelmann 2006 S 150) Beide Strategien sind
in der Zielsetzung des Zugewinns an Gesundheit geeint jedoch unterscheiden sie sich als In-
terventionsformen durch verschiedenartige Wirkungsprinzipien In der Praxis sind nicht alle
konkreten Maszlignahmen trennscharf einer der beiden Strategien zuzuordnen Uumlberschneidun-
gen sind moumlglich
Zusammengefasst laumlsst sich konstatieren bdquoGesundheitsfoumlrderung bezeichnet alle Eingriffs-
handlungen die der Staumlrkung von individuellen Faumlhigkeiten der Lebensbewaumlltigung dienenldquo
(HurrelmannKlotzHaisch 2010 S 14 Herv weggelassen)
Vertiefende Problemstellungen wie etwa die Erreichbarkeit bestimmter Bevoumllkerungsgrup-
pen und rechtliche Rahmenbedingungen in Deutschland werden im weiteren Verlauf der Ar-
beit aufgegriffen
10
3 Allgemeine Grundlagen der Gesundheitsfoumlrderung
Es wurde bereits grob umrissen was Gesundheitsfoumlrderung kennzeichnet Nun sollen einzelne
Aspekte inhaltlich vertieft werden auf denen anschlieszligend eine (moumlgliche) Gesundheitsfoumlrde-
rung in WfbMs (siehe Kapitel 4) aufbauen kann
31 Leitgedanken der Gesundheitsfoumlrderung
In der Praxis koumlnnen gesundheitsfoumlrdernde Maszlignahmen ganz unterschiedlich aussehen Damit
sie fuumlr die Menschen die daran teilnehmen dauerhaft eine positive Wirkung aufweisen hat
die Bundesvereinigung Praumlvention und Gesundheitsfoumlrderung eV (BVPG)4 sieben bdquoPrinzi-
pien guter Praumlvention und Gesundheitsfoumlrderungldquo formuliert in ihrem Sinne gute Gesund-
heitsfoumlrderung ist demnach gekennzeichnet durch (1) Autonomie und Empowerment (2) Par-
tizipation (3) Lebenswelt- und Lebensstilbezug (4) Gesundheitliche Chancengleichheit
(5) Konzeptbasierung (6) Evaluation sowie (7) Nachhaltigkeit (vgl BVPG 2013 S 9091)
Das Prinzip (1) Autonomie und Empowerment bedeutet dass eine Maszlignahme durch Selbst-
bestimmung gepraumlgt ist und die Teilnehmenden zur Selbststaumlndigkeit befaumlhigt die eigene
Gesundheit und die anderer zu gestalten (vgl BVPG 2013 S 90) Die Idee Gesundheit ande-
rer mitzugestalten findet ua in den Strategien Peer Counseling und Multiplikatorinnen und
Multiplikatoren ihre praktische Umsetzung (siehe 452) Empowerment kann an dieser Stelle
uumlber die Ebene der persoumlnlichen Gesundheit hinaus gedacht werden Menschen werden nicht
nur dazu befaumlhigt ihre eigene Gesundheit selbst zu gestalten sondern koumlnnen als gesunde
Buumlrger ihre Interessen oder die bestimmter Bevoumllkerungsgruppen selbstbewusst vertreten
(vgl Laverack 2010 S 27) Im Sinne der (2) Partizipation sollen Vertreterinnen und Vertreter
der Zielgruppe in allen Phasen einer Maszlignahme aktiv mitgestalten und mitentscheiden Auf
die Partizipation von Menschen mit Behinderung wird in 451 noch detaillierter eingegangen
Der (3) Lebenswelt- und Lebensstilbezug betont den bereits erwaumlhnten Setting-Ansatz
schlieszligt jedoch gesamtgesellschaftliche bzw individualbezogene Strategien ebenfalls mit ein
Gelingende Gesundheitsfoumlrderung braucht immer einen konkreten Anknuumlpfungspunkt in der
Lebenswelt des bzw der Menschen (4) Gesundheitliche Chancengleichheit fordert dass va
4 Die BVPG ist ein gemeinnuumltziger politisch und konfessionell unabhaumlngiger Verbund bestehend aus Bundes-
verbaumlnden des Gesundheitswesens darunter die Bundesaumlrztekammer den Spitzenverbaumlnden der Sozialversiche-
rungstraumlger sowie Verbaumlnden der Heil- und Hilfsberufe Sozial- und Wohlfahrtsverbaumlnden und Bildungseinrich-
tungen mit Arbeitsschwerpunkt im Bereich Praumlvention und Gesundheitsfoumlrderung
11
sozial benachteiligte Menschen zu denen haumlufig auch behinderte Menschen gehoumlren beson-
ders in ihrer Gesundheit gefoumlrdert werden da mit einem niedrigeren soziooumlkonomischen Sta-
tus oft eine schlechtere Gesundheit einhergeht (vgl Lampert et al 2013 S 814) Diese Be-
voumllkerungsgruppen gelten jedoch als besonders schwer erreichbar fuumlr gesundheitsfoumlrdernde
Maszlignahmen insbesondere wenn diese fuumlr die Gesamtbevoumllkerung ausgelegt sind (vgl
Mielck 2010 S 113)
Generell sollten Programme zur Gesundheitsfoumlrderung stets auf einem (5) Konzept beruhen
in dem Mittel Zeit Ressourcen und Ziele festgelegt und eine Bedarfsanalyse und Beschrei-
bung des Wirkungsmodells verankert sind Auch der geplante Weg einer Verstetigung der
Maszlignahme soll hier aufgezeigt werden (vgl BVPG 2013 S 91) Durch das Prinzip der
(6) Evaluation soll eine Qualitaumltssicherung erfolgen von der durch Veroumlffentlichung auch
andere profitieren koumlnnen (7) Nachhaltig soll Gesundheitsfoumlrderung auf saumlmtlichen Ebenen
sein es muss auf moumlgliche negative (Spaumlt-)Folgen geachtet werden der Umgang mit den
Ressourcen und der Umwelt sollte nachhaltig sein und es sollte eine Wirkung uumlber die Dauer
der Maszlignahme hinaus entstehen (vgl BVPG 2013 S 91)
32 Auswirkungen von Gesundheitsfoumlrderung auf den Menschen
Wie bereits dargelegt soll Gesundheitsfoumlrderung die Gesundheit der Menschen verbessern
Dies kann auf ganz unterschiedliche Weise geschehen Als Strategien sind hier die schon er-
waumlhnten verhaltens- und verhaumlltnisorientierten Strategien moumlglich und die Interventionsebene
kann auf individueller Ebene liegen an einem bestimmten Setting ansetzen oder die gesamte
Gesellschaft als Ausgangspunkt nehmen
Da Gesundheit als bdquoZustand des vollstaumlndigen koumlrperlichen geistigen und sozialen Wohler-
gehensldquo (WHO 2014 S 1) betrachtet wird soll eine gesundheitsfoumlrdernde Maszlignahme das
Befinden in einem oder mehreren dieser Teilbereiche ndash in einer ganzheitlichen Betrachtung
haumlngen diese stark zusammen und beeinflussen sich gegenseitig ndash positiv beeinflussen Im
Sinne der Salutogenese werden also Ressourcen entwickelt undoder gestaumlrkt Verbreitete
Strategien der Gesundheitsfoumlrderung wie etwa Sport gesunde Ernaumlhrung und Entspannung
aber auch soziale Ausgewogenheit und Partizipation als strukturelle Verhaumlltnisse muumlssen von
der Zielgruppe als positiv erlebt werden (vgl Geene 2005 S 21) Andernfalls ist keine oder
nur eine geringere Annahme bzw Wirkung des Programms zu erwarten Am Ende einer
Maszlignahme sollte stets eine Evaluation erfolgen Hier sind mit passend ausgewaumlhlten Evalua-
12
tionsinstrumenten die Auswirkungen des Programmes meist in irgendeiner Form messbar
entweder durch subjektive Einschaumltzungen zB wenn Teilnehmende angeben sich nun ge-
sunder zu fuumlhlen oder auch durch objektiv messbare Werte So koumlnnen bspw Werte wie Ge-
wicht Body-Mass-Index Blutwerte oder Ausdauer zu Beginn einer Maszlignahme mit denen am
Ende verglichen werden Eine hier erfolgreich ansetzende Maszlignahme hat meist (nicht nur)
eine Verbesserung der koumlrperlichen Gesundheit zur Folge Das gesenkte Risiko fuumlr Herz-
Kreislauf-Erkrankungen Krebs Erkrankungen der Atemwege der Verdauungsorgane oder
des Muskel-Skelett-Systems koumlnnen exemplarisch als Verbesserung der physischen Gesund-
heit aufgefuumlhrt werden (vgl HurrelmannKlotzHaisch 2010 S 20) Dies sind Anzeichen
dass sich der bdquoStandpunktldquo eines Menschen auf dem Gesundheits-Krankheits-Kontinuum
nach Antonovskys Modell der Salutogenese ein Stuumlck weiter Richtung Gesundheit verscho-
ben hat
Auch die Foumlrderung der Selbstwirksamkeit also der Uumlberzeugung auch schwierige Situatio-
nen mit eigenen Ressourcen loumlsen zu koumlnnen hat vielfaumlltige positive Auswirkungen auf die
Gesundheit und foumlrdert so diese (DlugoschDahl 2013 S 370) Maszlignahmen zur Entspannung
und Stressbewaumlltigung wirken sich im ersten Moment auf das seelische und psychische
Wohlbefinden aus haben dadurch aber sehr oft auch positive Auswirkungen auf den Koumlrper
Bestimmte Methoden wie etwa Yoga verfolgen schon im Ansatz eine ganzheitliche Vorstel-
lung bei welchem das Wohlbefinden koumlrperlich psychisch und seelisch gestaumlrkt wird (vgl
SimonHegerReszies 2011 S 169)
Die aufgefuumlhrten positiven Auswirkungen durch gesundheitsfoumlrdernde Maszlignahmen auf die
Gesundheit von Menschen sind nur einige Beispiele von sehr vielen Allen diesen Effekten zu
eigen ist jedoch dass sie sich positiv auf das gesundheitliche Wohlbefinden der Menschen
auswirken In deren subjektiven Empfinden verschiebt sich dadurch ihr Punkt auf dem Ge-
sundheits-Krankheits-Kontinuum des Salutogenesemodells ein Stuumlck in Richtung des Ge-
sundheitspols
33 Rechtliche Grundlagen
Die rechtliche Verankerung der Gesundheitsfoumlrderung findet sich in Deutschland im SGB V
wieder So legt sect 20 Abs 1 SGB V fest bdquoDie Krankenkasse sieht in der Satzung Leistungen
zur Verhinderung und Verminderung von Krankheitsrisiken (primaumlre Praumlvention) sowie zur
Foumlrderung des selbstbestimmten gesundheitsorientierten Handelns der Versicherten (Gesund-
13
heitsfoumlrderung) vorldquo5 Zurecht weist die Bundesaumlrztekammer in ihrer Stellungnahme zum
neuen Praumlventionsgesetz darauf hin dass diese Definition von Gesundheitsfoumlrderung nicht
umfassend genug ist da die Staumlrkung von Gesundheitsressourcen und ndashpotenzialen unerwaumlhnt
bleibt (vgl Bundesaumlrztekammer 2014 S 3) Die gesetzliche Krankenversicherung ist in
Deutschland von den Sozialversicherungszweigen finanziell mit Abstand am staumlrksten an der
Gesundheitsfoumlrderung beteiligt Gesetzlich verpflichtet war auszligerdem bisher nur die gesetzli-
che Unfallversicherung sodass die Beteiligung nicht-oumlffentlicher gemeinnuumltziger Traumlger wie
bspw Stiftungen zunehmend an Bedeutung gewinnt Der groumlszligte Teil der finanziellen Mittel
stammt allerdings aus oumlffentlichen Mitteln (vgl AltgeldKolip 2010 S 54) Durch das Prauml-
ventionsgesetz sind die gesetzlichen Krankenkassen nun nach sect 20 Abs 6 SGB V verpflich-
tet ab dem Jahr 2016 pro Versicherten 700 Euro statt wie im Jahr 2015 317 Euro fuumlr Praumlven-
tion und Gesundheitsfoumlrderung auszugeben Davon entfallen je 200 Euro auf Leistungen zur
Gesundheitsfoumlrderung und Praumlvention in Lebenswelten nach sect 20a SGB V und Betriebliche
Gesundheitsfoumlrderung nach sect 20b SGB V Das Praumlventionsgesetz sieht dabei eine Betriebli-
che Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen in WfbMs vor bdquoMit den Leistungen
[primaumlre Praumlvention und Gesundheitsfoumlrderung MP] sollen auch Menschen mit Behinde-
rung erreicht werden zB mit Leistungen zur betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung in Werk-
staumltten fuumlr behinderte Menschenldquo (Deutscher Bundestag 2015 S 34) Dies geht aus der vom
Deutschen Bundestag veroumlffentlichten Erlaumluterung zum Gesetzentwurf hervor
Die gesetzlichen Krankenkassen (unter Umstaumlnden auch die privaten Krankenkassen) sollen
des Weiteren mit den Traumlgern der Pflegeversicherung der Unfallversicherung und der Gesetz-
lichen Rentenversicherung eine bdquoNationale Praumlventionsstrategieldquo entwickeln (sect 20d SGB V)
die in der bdquoNationalen Praumlventionskonferenzldquo (sect 20e SGB V) ausgearbeitet und weitergefuumlhrt
wird In beiden Paragraphen geht es auch um Strategien der Gesundheitsfoumlrderung
Die gesetzlichen Pflegekassen sind nach sect 5 SGB XI fortan verpflichtet im Jahr 030 Euro je
Versicherter und Versichertem zur Gesundheitsfoumlrderung und Praumlvention in stationaumlren Pfle-
geeinrichtungen zu investieren
Eine gesetzliche Verankerung der Partizipation in der Gesundheitsfoumlrderung durch das Prauml-
ventionsgesetz ist hingegen ausgeblieben Ausgehend von der Annahme dass Gesundheits-
foumlrderung effektiver ist wenn die Zielgruppe an der Planung Durchfuumlhrung und Evaluation
5 Die Novellierung der sectsect 20ff SGB V ist eine Folge des 2015 verabschiedeten Gesetzes zur Staumlrkung der Ge-
sundheitsfoumlrderung und der Praumlvention Dieses ist im Internet verfuumlgbar unter
httpwwwbgbldexaverbgblstartxavstartbk=Bundesanzeiger_BGBlampjumpTo=bgbl115s1368pdf__bgbl__
2F2F[40attr_id3D27bgbl115s1368pdf27]__1446046078671 (Abrufdatum 28102015)
14
der Maszlignahme partizipiert (vgl FaltermaierWihofszky 2012 S 108) waumlre eine gesetzliche
Verankerung der Partizipation vorteilhaft gewesen
Das Recht auf Leistungen zur Gesundheitsfoumlrderung ergibt sich fuumlr Menschen mit Behinde-
rung auch aus der UN-BRK welche im Jahre 2009 von der Bundesrepublik Deutschland rati-
fiziert wurde In Artikel 25 heiszligt es hier bdquoDie Vertragsstaaten anerkennen das Recht von
Menschen mit Behinderungen auf das erreichbare Houmlchstmaszlig an Gesundheit ohne Diskrimi-
nierung aufgrund von Behinderungldquo Dieses houmlchsterreichbare Maszlig kann nur erreicht werden
wenn Menschen mit Behinderung konsequent in Maszlignahmen der Gesundheitsfoumlrderung ein-
bezogen werden Deutschland verpflichtet sich in Artikel 25 a) der UN-BRK behinderten
Menschen bdquoeine unentgeltliche oder erschwingliche Gesundheitsversorgung in der derselben
Bandbreite von derselben Qualitaumlt und auf demselben Standard zur Verfuumlgung [zu stellen]
wie anderen Menschen [hellip]ldquo Dies umfasst nicht nur kurative und rehabilitative Maszlignahmen
sondern auch solche zur Praumlvention und Foumlrderung der Gesundheit
34 Gesundheitsfoumlrderung in Settings
Da der Fokus dieser Arbeit auf der Gesundheitsfoumlrderung in WfbMs liegt werden nun einige
Aspekte zur Gesundheitsfoumlrderung in Settings also Lebenswelten genauer thematisiert
bdquoEin Setting ist ein Sozialzusammenhang in dem Menschen sich in ihrem Alltag aufhalten
und der Einfluss auf ihre Gesundheit hat Dieser soziale Zusammenhang ist relativ dauerhaft
und seinen Mitgliedern auch subjektiv bewusstldquo (HartungRosenbrock 2015 oS) Diese kur-
ze Definition enthaumllt die wichtigsten Merkmale eines Settings Jeder Mensch bewegt sich
folglich in verschiedenen Settings zB seiner Arbeitswelt seinem Wohnumfeld oder seinem
Freizeitbereich Dabei hat jedes Setting Einfluss auf die Menschen die sich in ihm bewegen
wie auch jeder Mensch gleichzeitig das jeweilige Setting beeinflusst Gesundheit ist hierbei
als ein wichtiges alltaumlgliches Element des jeweiligen Settings zu sehen und nicht ausschlieszlig-
lich als essenzielles und abstraktes Ziel (vgl RoumlmischWalther 2015 S 5 AltgeldKolip
2010 S 49) Dies betont auch die salutogenetische Position nach der jeder Mensch zu jedem
Zeitpunkt zumindest ein gewisses Maszlig an Gesundheit inne hat (vgl Antonovsky 1997 S 23)
Bereits in der Ottawa-Charta wird als eine Strategie zur Gesundheitsfoumlrderung bdquoGesundheits-
foumlrderliche Lebenswelten schaffenldquo (WHO 1986 S 3) genannt Elf Jahre spaumlter verdeutlicht
die Jakarta-Erklaumlrung die Wirksamkeit dieser Strategie bdquoDer wissenschaftliche Erkenntnis-
15
stand zeigt deutlich daszlig [hellip] insbesondere Settings [hellip] gute Moumlglichkeiten zur praktischen
Umsetzung solcher umfassenden Strategien bietenldquo (WHO 1997 S 3)
Dies mag va daran liegen dass eher schwer erreichbare Zielgruppen der Gesundheitsfoumlrde-
rung in ihren Lebenswelten relativ gut erreicht werden koumlnnen (vgl FaltermaierWihofszky
2012 S 110) Zu diesen Zielgruppen gehoumlren va sozial benachteiligte Menschen wie etwa
Menschen mit Migrationshintergrund in Armut lebende Menschen oder Menschen mit Be-
hinderungen Da das deutsche Gesundheitssystem stark mittelschichtsorientiert ist sind diese
schwerer zu erreichen als wohlhabendere Bevoumllkerungsschichten (vgl Stickan-Verfuumlrth 2005
S 105106) Besonders problematisch ist dies vor dem Hintergrund zu sehen dass gerade
sozial benachteiligte Menschen wie bereits erwaumlhnt haumlufig uumlber eine schlechtere Gesundheit
verfuumlgen
35 Gesundheitsfoumlrderung in der Lebenswelt bdquoArbeitldquo
Fuumlr eine Gesundheitsfoumlrderung in der Lebenswelt bdquoArbeitldquo sind besonders zwei Strategien
relevant die Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung (BGF) und das Betriebliche Gesundheitsma-
nagement
Die Begriffe bdquoBetriebliche Gesundheitsfoumlrderungldquo und bdquoBetriebliches Gesundheitsmanage-
mentldquo werden in der Literatur zT sehr unterschiedlich interpretiert Die Bandbreite reicht
hier von einer beinahe synonymen Verwendung bis hin zu einer klaren Abgrenzung Die hier
vorgenommene Unterscheidung ist dabei nur eine Moumlglichkeit unter mehreren
351 Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung
Als Grundsatzdokument der Betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung in Deutschland gilt heute
die Luxemburger Deklaration zur betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung in der Europaumlischen
Union aus dem Jahr 1997 Sie legt Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung wie folgt fest bdquoBe-
triebliche Gesundheitsfoumlrderung (BGF) umfasst alle gemeinsamen Maszlignahmen von Arbeit-
gebern Arbeitnehmern und Gesellschaft zur Verbesserung von Gesundheit und Wohlbefinden
am Arbeitsplatzldquo (Unternehmensnetzwerk zur betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung in der Eu-
ropaumlischen Union eV 2007 S 2 eigene Paginierung) Als Wege hierfuumlr sieht die Luxem-
burger Deklaration va drei Pfade welche in ihrer Verknuumlpfung am effektivsten scheinen die
16
Verbesserung der Arbeitsorganisation und der Arbeitsbedingungen die Staumlrkung der Partizi-
pation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und die Unterstuumltzung im Aufbau und der Wei-
terentwicklung persoumlnlicher Kompetenzen (vgl Unternehmensnetzwerk zur betrieblichen
Gesundheitsfoumlrderung in der Europaumlischen Union eV 2007 S 2)
Die Auswirkungen Betrieblicher Gesundheitsfoumlrderung sind mannigfaltig und durch Studien
belegt So kann hier aufgrund der verbesserten Gesundheit und der staumlrkeren Gesundheitsres-
sourcen eine Verringerung der Fehltage aufgrund von Krankheit angefuumlhrt werden Aber auch
die Wertschaumltzung und Fuumlrsorge durch den Betrieb koumlnnen eine staumlrkere Identifikation der
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit dem jeweiligen Unternehmen hervorrufen (vgl Si-
monHegerReszies 2011 S 3738) Dies hat ua ein besseres Arbeitsklima eine houmlhere Mo-
tivation und Arbeitszufriedenheit und daraus resultierend eine Steigerung der Produktivitaumlt
zur Folge (vgl Unternehmensnetzwerk zur betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung in der Euro-
paumlischen Union eV 2007 S 3) Diese positiven Effekte entfalten teilweise erst laumlngerfristig
ihre Wirkung Somit sind sie fuumlr das Unternehmen eine langfristige Investition die allerdings
Gefahr laumluft kurzfristigen betriebswirtschaftlichen Interessen entgegenzulaufen (vgl Rosen-
brockHartung 2015 oS)
Als Maszlignahmen der Betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung eignen sich sowohl verhaltens- als
auch verhaumlltnisbezogene Maszlignahmen Eine Kombination aus beiden waumlre im Sinne der
Ganzheitlichkeit durchaus gewinnbringend
Eine gesetzliche Verpflichtung fuumlr Unternehmen zur Betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung gibt
es fuumlr Unternehmen in Deutschland nicht Wie in Punkt 33 bereits erwaumlhnt ist der rechtliche
Zusammenhang in sect 20b Abs 1 Satz 2 SGB V geregelt bdquoHierzu erheben sie [die Kranken-
kassen MP] unter Beteiligung der Versicherten und der Verantwortlichen fuumlr den Betrieb
sowie der Betriebsaumlrzte und der Fachkraumlfte fuumlr Arbeitssicherheit die gesundheitliche Situation
einschlieszliglich ihrer Risiken und Potenziale und entwickeln Vorschlaumlge zur Verbesserung der
gesundheitlichen Situation sowie zur Staumlrkung der gesundheitlichen Ressourcen und Faumlhig-
keiten und unterstuumltzen deren Umsetzungldquo Nach sect 20 Abs 6 Satz 2 sind die Krankenkassen
dazu verpflichtet pro Versicherter und Versichertem 200 Euro im Jahr in Maszlignahmen zur
Betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung zu investieren
Obwohl der Nutzen Betrieblicher Gesundheitsfoumlrderung sowohl fuumlr die Belegschaft als auch
fuumlr das jeweilige Unternehmen selbst nachgewiesen ist (vgl RosenbrockHartung 2015 oS)
es sich also um eine Win-Win-Situation handelt ist ihre Verbreitung in Deutschland noch
eher gering Das liegt zum einen daran dass Unternehmen nicht zur Betrieblichen Gesund-
heitsfoumlrderung verpflichtet sind und diese daher auf Freiwilligkeit aller Akteure beruht Zum
17
anderen liegt es daran dass es sich um einen vielschichtigen Prozess handelt der durch inter-
ne externe oumlkonomische oder betriebspolitische Veraumlnderungen beeintraumlchtigt werden kann
(vgl RosenbrockHartung 2015 oS)
Fuumlr eine gelingende BGF ist Partizipation unumgaumlnglich denn nur so wird sichergestellt dass
moumlglichst viele Akteure besonders die Zielgruppe der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter er-
reicht wird (SimonHegerReszies 2011 S 46) Ein wichtiges Element hierbei ist der sog
bdquoGesundheitszirkelldquo Dieser setzt sich zusammen aus Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des
Betriebs wobei moumlglichst verschiedene Arbeitsbereiche und Hierarchieebenen vertreten sein
sollten Die Groumlszlige sollte dabei uumlberschaubar bleiben zB zwischen fuumlnf und acht Teilneh-
menden evtl ergaumlnzt durch einen externen Experten Im Zuge einer angestrebten Versteti-
gung von Gesundheitsfoumlrderung im Betrieb sind regelmaumlszligige Treffen sinnvoll (vgl Si-
monHegerReszies 2011 S 64 ndash 69) Um eine moumlglichst umfassende Partizipation zu ge-
waumlhrleisten empfiehlt es sich den Gesundheitszirkel von Beginn an also der Phase der Pla-
nung mit einzubeziehen Fuumlr eine Gesundheitsfoumlrderung in WfbMs scheint eine analoge An-
wendung des Konzeptes Gesundheitszirkel sowohl moumlglich als auch sinnvoll um von Beginn
an partizipative Strukturen zu etablieren
352 Betriebliches Gesundheitsmanagement
In der Literatur wird der Begriff des Betrieblichen Gesundheitsmanagements sehr unter-
schiedlich interpretiert Schlummer interpretiert ihn beinahe synonym zur Betrieblichen Ge-
sundheitsfoumlrderung wobei lediglich der Faktor der Arbeitssicherheit eine staumlrke Beruumlcksichti-
gung im Gesundheitsmanagement findet (vgl Schlummer 2015 S 35) Die Luxemburger
Deklaration hingegen sieht Arbeits- und Gesundheitsschutz in Unternehmen als Teil der Be-
trieblichen Gesundheitsfoumlrderung (vgl Unternehmensnetzwerk zur betrieblichen Gesund-
heitsfoumlrderung in der Europaumlischen Union eV 2007 S 4) In der vorliegenden Arbeit wird
der Arbeits- und Gesundheitsschutz ebenfalls unter der Strategie der Betrieblichen Gesund-
heitsfoumlrderung gesehen da er dem Verstaumlndnis von BGF als bdquoMaszlignahmen von Arbeitgebern
Arbeitnehmern und Gesellschaft zur Verbesserung von Gesundheit und Wohlbefinden am
Arbeitsplatzldquo (Unternehmensnetzwerk zur betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung in der Europauml-
ischen Union eV 2007 S 2) entspricht Fuumlr die Abgrenzung zwischen den beiden Begriffen
scheint dieser Aspekt zweitrangig Im Vordergrund liegt eher der jeweilige Charakter der
Strategie
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Gesundheitsmanagement in Betrieben kann als bdquo[b]ewusste Steuerung und Integration aller
betrieblichen Prozesse mit dem Ziel der Erhaltung und Foumlrderung der Gesundheit und des
Wohlbefindens der Beschaumlftigtenldquo (HannackRaumlder 2011 S 434) gesehen werden Dieses
Konzept scheint mit Vor- und Nachteilen einherzugehen Da saumlmtliche betriebliche Prozesse
die als der Gesundheit foumlrderlich gelten hierunter fallen sind auch individuelle Maszlignahmen
wie bspw das Betriebliche Eingliederungsmanagement nach sect 84 Abs 2 SGB IX mit inbe-
griffen Bei diesem geht es in erster Linie nicht um eine Erhaltung oder Verbesserung der
Gesundheit sondern um eine Vorbeugung von Arbeitsunfaumlhigkeit undoder den Erhalt eines
Arbeitsplatzes Ebenfalls positiv kann die Implementierung gesundheitsorientierter Prozesse
und Strukturen in das generelle Management eines Unternehmens gesehen werden Dadurch
scheint auszligerdem die Dauerhaftigkeit von gesundheitsfoumlrderlichen Maszlignahmen besser er-
reichbar als bei der BGF Hier haben Maszlignahmen meist den Charakter eines zeitlich befriste-
ten Projektes (vgl SlesinaBohley 2011 S 627) Der groszlige Nachteil des Betrieblichen Ge-
sundheitsmanagements liegt in der Gefahr dass sog top-down-Strukturen die Uumlberhand ge-
winnen (vgl Faller 2010 S 25 zit nach RosenbrockHartung 2015 oS) Top-down-
Strukturen in der Gesundheitsfoumlrderung zeichnen sich dadurch aus dass eine Person von
bdquoobenldquo eine Maszlignahme einleitet und im schlimmsten Fall bdquoaufoktroyiertldquo Dies kann mangels
Partizipation der Zielgruppe zu Ablehnung bei dieser fuumlhren
Fuumlr eine Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung in WfbMs scheint ndash zumin-
dest im Moment ndash der Weg der BGF geeigneter Hier sind zum einen in der Theorie groszlige
Potentiale fuumlr Partizipation gegeben Zum anderen ist das Thema der systematischen Gesund-
heitsfoumlrderung mit behinderten Menschen in Institutionen der Behindertenhilfe bisher kaum
verbreitet (siehe 44) Eine sofortige Implementierung des Betrieblichen Gesundheitsmana-
gements wuumlrde die meisten Einrichtungen uumlberfordern und vor den Kopf stoszligen Auf lange
Sicht scheint dies aber ein wuumlnschenswertes Ziel zu sein welches Schritt fuumlr Schritt erreicht
werden sollte
19
4 Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung
Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen ist bisher in der Praxis der sog bdquoBehinder-
tenhilfeldquo6 nur aumluszligert selten integriert In der wissenschaftlichen Literatur sind in den letzten
Jahren einige Beitraumlge erschienen die sich diesem Thema widmen Es soll nun zuerst darge-
stellt werden in welchem Verhaumlltnis Gesundheit und Behinderung zueinander stehen bevor
auf die Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen eingegangen wird Der Fokus dieser
Arbeit liegt auf der Gesundheitsfoumlrderung in WfbMs In diesem Zusammenhang wird der
Stand der Literatur kurz dargestellt eine kurze Analyse von Leitbildern einzelner Werkstaumltten
vorgenommen und einige Stimmen aus der Praxis wiedergegeben Aufgrund des knappen
Rahmens dieser Arbeit muss sich dies auf das Bundesland Berlin beschraumlnken und erhebt kei-
nen Anspruch auf empirische Vollstaumlndigkeit Vielmehr versteht es sich als eine kleine Feld-
befragung die als ein erster Impuls gesehen werden kann
41 Behinderte Menschen und Gesundheit und Krankheit ndash sozialmedizinische Erkenntnisse
Zunaumlchst muss festgehalten werden dass eine Behinderung keine Krankheit ist Auch ein
schwer behinderter Mensch kann sich sehr gesund fuumlhlen Der wesentliche Unterschied zwi-
schen einer Behinderung und einer Krankheit liegt darin dass bei einer Behinderung die Teil-
habe am Leben in der Gesellschaft langfristig beeintraumlchtigt ist bei einer Erkrankung hinge-
gen nicht oder nur kurzfristig7 Das hier vorliegende Verstaumlndnis in der Unterscheidung bei-
der Begriffe ist vordergruumlndig eher ein soziales denn eine medizinische Abgrenzung
Es existieren verschiedene und teilweise weitreichende gesundheitliche Unterschiede zwi-
schen Menschen mit Behinderungen und Menschen ohne Behinderungen Um diese auch in
ihrem Ursprung erklaumlren zu koumlnnen reicht der bdquotraditionelleldquo bio-medizinische Blick nicht
aus da er zu kurz greift Er muss um die sozialmedizinische Sichtweise ergaumlnzt werden
An dieser Stelle sollte allerdings darauf hingewiesen werden dass die folgende Darstellung
den Gesundheitszustand groszliger heterogener Gruppen von Menschen abbildet und die ge-
troffenen Aussagen daher nicht auf jeden Einzelfall anwendbar sind
6 Dieser Begriff impliziert durch den Wortteil bdquo-hilfeldquo ein Maumlchteungleichgewicht welches einer wahren Parti-
zipation der behinderten Menschen im Wege steht 7 Sollte eine chronische Krankheit einen Menschen in seiner Teilhabe langfristig einschraumlnken kann sie durch-
aus auch als Behinderung gesehen werden
20
Der Teilhabebericht des Bundesministeriums fuumlr Arbeit und Soziales (BMAS) kommt zu dem
Ergebnis dass Menschen mit Behinderungen ihre Gesundheit haumlufig schlechter einschaumltzen
als Menschen ohne Behinderungen Dies gilt auch fuumlr das psychische Wohlbefinden welches
im ganzheitlichen Verstaumlndnis von Gesundheit das dieser Arbeit zugrunde liegt (siehe 22)
ebenfalls Teil der Gesundheit ist Auch hat ein Mensch mit Behinderung in Deutschland im
Durchschnitt mehr Krankheitstage8 als ein nicht behinderter Mensch Menschen mit Behinde-
rung konsultieren statistisch betrachtet in einem bestimmten Zeitraum haumlufiger einen Arzt als
die durchschnittliche Bevoumllkerung Dies duumlrfte ua an dem als schlechter wahrgenommenen
Gesundheitszustand liegen aber auch an der Komorbiditaumlt bestimmter Behinderungen Bzgl
des Rauchverhaltens Alkoholkonsums und einer gesundheitsbewussten Ernaumlhrung bestehen
nur relativ geringe Unterschiede zur Gesamtbevoumllkerung Auffaumlllig ist lediglich dass die
Gruppe der 18- bis 29-Jaumlhrigen Menschen mit Behinderung zu einem houmlheren Anteil regel-
maumlszligig raucht Alkohol trinkt und seltener auf gesunde Ernaumlhrung achtet In den anderen Al-
tersgruppen bestehen kaum nennenswerte Unterschiede (vgl BMAS 2013 S 192 ndash 204)
Menschen mit Behinderungen haben im Durchschnitt eine geringere Lebenserwartung wobei
es hier Unterschiede zwischen einzelnen Syndromen gibt (vgl MarksSisirakHeller 2010
S 3) Bei einigen kann die jeweilige Behinderung selbst der Ausloumlser sein jedoch besteht
besonders bei Menschen mit Lernschwierigkeiten die Gefahr dass Krankheiten nicht richtig
erkannt oder nur unzureichend behandelt werden (vgl Lennox 2002 S 230) Ausschlagge-
bend hierfuumlr duumlrfte sein dass im Gesundheitsbereich verschiedenste Barrieren existieren Zum
Beispiel ist nur ein Teil der Arztpraxen barrierefrei wobei besonders haumlufig passende Unter-
suchungsmoumlbel und Informationsmaterial in Leichter Sprache fehlen (vgl BMAS 2013
S 200201) Ebenfalls negativ wirkt sich aus dass Aumlrzte teilweise unsicher im Umgang mit
Menschen mit Lernschwierigkeiten sind und diese zT auszligerdem ihre Symptome nicht praumlzi-
se genug beschreiben koumlnnen oder uumlber eine geringer differenzierte Wahrnehmung des eige-
nen Koumlrpers verfuumlgen als Menschen ohne Behinderung (vgl SchmidtReker 2014 S 28)
Des Weiteren haben Menschen mit Lernschwierigkeiten statistisch gesehen haumlufiger Uumlberge-
wicht als der Durchschnitt der Bevoumllkerung Hier muss jedoch beruumlcksichtigt werden dass
mit bestimmten Syndromen wie bspw dem Down-Syndrom ein veraumlnderter Energiebedarf
aufgrund der geringeren Muskelspannung einhergeht oder das Saumlttigungsgefuumlhl zB beim
Prader-Willi-Syndrom veraumlndert ist (Beange 2002 S 3) Die houmlhere Wahrscheinlichkeit des
Uumlbergewichts besteht statistisch gesehen sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen mit
8 Krankheitstage werden an dieser Stelle des Bundesteilhabeberichtes verstanden als Tage in denen der Mensch
sich subjektiv zu krank gefuumlhlt hat um seinen normalen privaten und beruflichen Taumltigkeiten nachzugehen
21
Lernschwierigkeiten (vgl Reuter 2009 S 13) Eine moumlgliche Ursache hierfuumlr kann auch in
der Tatsache gesehen werden dass Menschen mit Behinderungen durchschnittlich seltener
Sport treiben als nicht behinderte Menschen (vgl BMAS 2013 S 221222)
Ein weiterer bedeutender Zusammenhang zwischen Krankheit und Behinderung ist dass viele
Behinderungen im Sinne von Einschraumlnkungen in der gesellschaftlichen Teilhabe wie auch im
gesetzlichen Verstaumlndnis nach dem SGB IX Folgen von schweren undoder chronischen
Krankheiten sind (vgl SchmidtReker 2014 S 26)
Trotz allem muumlssen auch die vorhandenen Gesundheitspotentiale behinderter Menschen be-
ruumlcksichtigt werden denn an ihnen kann eine gelingende Gesundheitsfoumlrderung ansetzen (vgl
Altgeld 2008 S 8)9 Ein ressourcenorientierter Blick achtet besonders auf die verschiedenen
Potentiale die jedem Menschen (oder auch einer Gruppe von Menschen) innewohnen
Das Verhaumlltnis zwischen Gesundheit und Behinderung haumlngt in Deutschland und vielen Tei-
len der sog westlichen Welt aus sozialmedizinischem Blickwinkel nach wie vor so zusam-
men bdquoWhile a large number of individuals who are in bad health end up with a disability a
large number of persons with disabilities end up with bad healthldquo10
(Rimmer 2009 zit nach
MarksSisirakHeller 2010 S 31) Dieser Chiasmus verdeutlicht zusammenfassend nicht nur
die vorherrschende enge Verbindung zwischen schlechterer Gesundheit und Behinderung
sondern impliziert auch die Notwendigkeit von Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Be-
hinderungen Wie in 31 beschrieben hat Gesundheitsfoumlrderung auch den Abbau gesundheit-
licher Chancenungleichheit zum Ziel
42 Erreichbarkeit von Menschen mit Behinderungen fuumlr gesundheitsfoumlrdernde Maszlignahmen
Fuumlr die Gesundheitsfoumlrderung gelten Menschen mit Behinderungen als schwer zu erreichen
Es sollen nun die wesentlichen Probleme aber auch die vorhandenen Potentiale beschrieben
werden
9 Altgeld bezieht sich in seiner Analyse auf den Gesundheitsmonitor 2007 der Bertelsmann Stiftung Da dieser
Menschen mit Lernschwierigkeiten nicht mit einbezieht sondern vorwiegend koumlrper- und sinnesbeeintraumlchtige
Menschen beruumlcksichtigt koumlnnen seine Schlussfolgerungen nicht fuumlr die gesamte sehr heterogene Gruppe der
behinderten Menschen angewendet werden 10
Waumlhrend eine groszlige Anzahl an Personen welche eine schlechte Gesundheit besitzen eine Behinderung er-
langt erlangt eine groszlige Anzahl an Personen mit Behinderungen eine schlechte Gesundheit (Uumlbersetzung des
Verfassers)
22
421 Probleme bei der Erreichbarkeit
In den bundesweiten Untersuchungen wie bspw dem Sozio-oumlkonomischen Panel (SOEP)
oder Gesundheit in Deutschland aktuell (GEDA) werden Menschen mit Lernschwierigkeiten
idR nicht erreicht Dies hat zur Folge dass sowohl gesundheitliche Potentiale als auch Be-
duumlrfnisse und Bedarfe von Menschen mit Lernschwierigkeiten in der Gesundheitsfoumlrderung
weitgehend unerkannt und dadurch ausgeklammert bleiben (vgl Burtscher 2014 S 4)
Generell gelten behinderte Menschen bisher als schwer zu erreichen fuumlr Maszlignahmen zur Ge-
sundheitsfoumlrderung was verschiedene Gruumlnde hat Sozial benachteiligte Menschen sind sehr
haumlufig eine schwer erreichbare Zielgruppe fuumlr die Gesundheitsfoumlrderung Maszlignahmen auf der
gesamtgesellschaftlichen Ebene werden eher von Menschen mit houmlherem sozialen Status an-
genommen (Hurrelmann 2006 S 164) und erst spaumlter von sozial Benachteiligten internali-
siert Es waumlre jedoch ein Fehler Menschen mit Behinderungen automatisch zur Gruppe der
sozial benachteiligten Menschen zu rechnen Jedoch zeigt der Bundesteilhabebericht dass
behinderte Menschen haumlufiger erwerbslos sind und durchschnittlich weniger Gehalt verdienen
(BMAS 2013 S 141 ndash 149) Dass die finanzielle Lage von Beschaumlftigten der WfbMs beson-
ders prekaumlr ist wird im Punkt 43 naumlher erlaumlutert Diese soziooumlkonomischen Merkmale sind
jedoch nur ein Aspekt Auch gilt es zu bedenken dass besonders Maszlignahmen auf der Verhal-
tensebene bei sozial benachteiligten Menschen oft wenig angenommen werden da sie mit den
eigenen dauerhaften Lebensvorstellungen nicht uumlbereinstimmen (vgl Hurrelmann 2006
S 164) So nehmen Menschen mit Behinderung nur sehr selten an Angeboten oumlffentlicher
Einrichtungen wie bspw Volkshochschulkursen oder Rehabilitations-Sport-Maszlignahmen teil
(vgl Burtscher 2014 S 5)
Ein weiterer Punkt ist dass das Thema Gesundheitsfoumlrderung in der Behindertenarbeit traditi-
onell kaum etabliert war Laut einer Studie aus dem Jahr 2004 sehen Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter in Behinderteneinrichtungen haumlufig wenig Relevanz in Sport Bewegung und Er-
naumlhrung fuumlr die Foumlrderung der Gesundheit behinderter Menschen Daruumlber hinaus schreiben
sie auch Selbstbewusstsein Selbststaumlndigkeit und Selbstbestimmung nur eine untergeordnete
Rolle zu (vgl Gembris-Nuumlbel 2004 S 144) Allerdings besteht die Chance dass diese Ein-
stellung sich in den letzten zehn Jahren veraumlndert hat Die Ergebnisse der im Rahmen dieser
Arbeit durchgefuumlhrten Feldbefragung geben Anlass zu dieser Annahme (siehe 443) Auszliger-
dem ist fuumlr viele Menschen mit Lernschwierigkeiten der Zugang zu Informationen welche
Gesundheitsfoumlrderung thematisieren nur schwer moumlglich Hier sind folglich Vermittlung und
Unterstuumltzung oft notwendig (vgl Gembris-Nuumlbel 2004 S 82)
23
Auch von der Politik wird das Thema der Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen
bisher nur sehr selten thematisiert Seltene Ausnahmen wie zB die 22 Landesgesundheits-
konferenz in Nordrhein-Westfalen weisen jedoch auf die Wichtigkeit von Gesundheitsfoumlrde-
rung hin welche die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben verbessern kann (vgl Ministerium
fuumlr Gesundheit Emanzipation Pflege und Alter des Landes Nordrhein-Westfalen 2013
S 31) Hervorgehoben wird hier auch die (zukuumlnftige) Gestaltung der Informationen damit
diese fuumlr alle zugaumlnglich sind Des Weiteren soll auch das Bewusstsein saumlmtlicher Beteiligten
im Bereich der Gesundheitsfoumlrderung sensibilisiert werden (vgl Ministerium fuumlr Gesundheit
Emanzipation Pflege und Alter des Landes Nordrhein-Westfalen 2013 S 32)
Schon im Grundschulalter werden behinderte Kinder oft nicht erreicht da Gesundheitsfoumlrde-
rung sehr haumlufig nur in Regelgrundschulen und weiterfuumlhrenden Schulen und nicht in separie-
renden Foumlrderschulen stattfindet (vgl Reuter 2009 S 1819)
422 Potentiale fuumlr die Erreichbarkeit
Allerdings muumlssen auch die Potentiale betrachtet werden die fuumlr eine Erreichbarkeit behin-
derter Menschen zur Gesundheitsfoumlrderung vorhanden sind Auch diese bestehen in allen Al-
tersgruppen zB im fruumlhen Schulalter Im Zuge der Inklusion bei der immer mehr Kinder
mit Behinderungen in Regelschulen unterrichtet werden ist zu hoffen dass sie zukuumlnftig haumlu-
figer an Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung teilhaben koumlnnen Solange es (noch) Foumlrder-
schulen gibt muss auch auf deren (oft ungenutztes) Potential fuumlr gesundheitsfoumlrdernde Maszlig-
nahmen hingewiesen werden das in ihrer oft ganztaumlgigen Betreuung und den damit verbun-
denen Ressourcen liegt
Nicht nur in der Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Kindern sind bereits Potentiale vor-
handen Generell weisen Gesundheitsfoumlrderung und Behindertenarbeit sehr groszlige Gemein-
samkeiten in Sprache Prinzipien und Zielen auf Beide zielen letztendlich ab auf Inklusion
Partizipation Empowerment Entwicklung persoumlnlicher Faumlhigkeiten Einbindung in die Ge-
meinde die Neuorientierung von Gesundheitsdienstleistungen und die Foumlrderung von Um-
welten welche Gesundheit und Lebensqualitaumlt verbessern (vgl Lennox 2002 S 231) Es soll
auch darauf hingewiesen werden dass viele behinderte Menschen sehr an Informationen uumlber
Gesundheit interessiert sind und aktiv nach Informationen suchen (vgl Altgeld 2008 S 8)
Abschlieszligend laumlsst sich auffuumlhren dass gerade der Setting-Ansatz wie er in Punkt 34 darge-
stellt wurde eine sehr gute Moumlglichkeit bietet Menschen mit Behinderungen zu erreichen Er
24
bietet einen Zugangspunkt und kann Ausgangslage sein sowohl fuumlr verhaltens- als auch fuumlr
verhaumlltnisorientierte Maszlignahmen zur Foumlrderung der Gesundheit von Menschen mit Behinde-
rungen
Obwohl behinderte Menschen in der Vergangenheit nur selten gezielt an Maszlignahmen zur
Gesundheitsfoumlrderung beteiligt wurden sind doch einige Potentiale vorhanden an denen an-
zuknuumlpfen lohnenswert scheint
43 Das Setting Werkstatt fuumlr behinderte Menschen
WfbMs sind spezielle Einrichtungen fuumlr Menschen mit Behinderungen die nach dem SGB IX
als behindert gelten (siehe 21) Nach sect 136 SGB IX dienen diese Einrichtungen der bdquoTeilhabe
behinderter Menschen am Arbeitsleben [hellip] und zur Eingliederung in das Arbeitslebenldquo
Dadurch sind sie nicht Teil des allgemeinen Arbeitsmarktes da ihre Beschaumlftigten bdquowegen
Art oder Schwere der Behinderung nicht noch nicht oder noch nicht wieder auf dem allge-
meinen Arbeitsmarkt beschaumlftigt werden koumlnnenldquo (sect 136 Abs 1 SGB IX) Ihr Ziel ist es be-
hinderte Menschen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt vorzubereiten Die Beschaumlftigten arbei-
ten in verschiedensten Bereichen zB im Handwerk oder in Taumltigkeiten der elektronischen
Datenverarbeitung je nach persoumlnlicher Neigung Da es sich um kein typisches sozialversi-
cherungspflichtiges Arbeitsverhaumlltnis handelt sondern um ein bdquoarbeitnehmeraumlhnliches
Rechtsverhaumlltnisldquo11
(sect 138 SGB IX) bekommen die Beschaumlftigten keinen Lohn der dem
Mindestlohn entspricht Nach sect 138 SGB IX setzt sich ihr Arbeitsentgelt zusammen aus ei-
nem Grundbetrag und einem leistungsbemessenen Steigerungsbetrag Im Jahr 2011 verdiente
ein Beschaumlftigter im Durchschnitt 180 Euro monatlich (vgl BAG WfbM 2014) bei 35 bis 40
Arbeitsstunden pro Woche Von einer groszligen Steigerung in den letzten Jahren ist nicht auszu-
gehen Somit benoumltigen Beschaumlftigte einer WfbM idR neben ihrem Arbeitsentgelt Grundsi-
cherung Dies hat zur Folge dass sie haumlufig in prekaumlren soziooumlkonomischen Verhaumlltnissen
leben
Jede Werkstatt ist soziologisch betrachtet ein eigenes System mit individuellen Merkmalen
die unter anderem vom Standort dem Fachpersonal dem Traumlger und den Beschaumlftigten ge-
kennzeichnet sind (vgl SchlummerSchuumltte 2006 S 81) Gesetzlich festgelegt ist in sect 139
11
Begruumlndet wird dieses Rechtsverhaumlltnis haumlufig durch den Kuumlndigungsschutz Eine Werkstatt kann einen
Werkstattvertrag mit einer Beschaumlftigten oder einem Beschaumlftigten nur in seltenen Faumlllen gegen ihren oder sei-
nen Willen aufheben
25
SGB IX dass die Beschaumlftigten aus ihrer Mitte heraus regelmaumlszligig einen Werkstattrat waumlhlen
Genaueres regelt hier die Werkstaumltten-Mitwirkungsverordnung (WMVO) Wie ihr Name al-
lerdings schon sagt handelt es sich hier um die Moumlglichkeit der Mitwirkung nicht der Mitbe-
stimmung Diese kann nur erreicht werden wenn Werkstatt und Werkstattrat nach sect 5 Abs 4
WMVO eine weitergehende Vereinbarung treffen Zu den Aufgaben des Werkstattrates ge-
houmlrt es die Interessen der Beschaumlftigten in verschiedenen Angelegenheiten gegenuumlber der
Werkstatt zu vertreten Diese sind in sect 5 Abs 1 WMVO aufgelistet Die Werkstatt muss den
Werkstattrat auszligerdem informieren wenn sie eine Maszlignahme durchfuumlhrt in der der Werk-
stattrat ein Mitwirkungsrecht besitzt12
Sollte kein Einverstaumlndnis in einer Beratung erzielt
werden koumlnnen beide Seiten sich an eine Vermittlungsstelle wenden (sect 5 Abs 3 WMVO)
Das tatsaumlchliche Ausmaszlig der Mitwirkung ist jedoch stets von der Werkstattleitung abhaumlngig
Solch eine fehlende gesetzliche Verankerung von Mitbestimmung steht der Partizipation be-
hinderter Menschen im Wege welche sowohl fuumlr die gesellschaftliche Inklusion als auch die
Gesundheitsfoumlrderung immens wichtig ist
44 Gesundheitsfoumlrderung in Werkstaumltten fuumlr behinderte Menschen
Zunaumlchst gilt es sich einen Uumlberblick uumlber den aktuellen Stand von Gesundheitsfoumlrderung in
WfbMs zu verschaffen Einen ersten Einblick soll die dazu vorhandene Literatur liefern Da-
nach soll ein Abgleich dieser mit der Praxis stattfinden der sich aufgrund des gesetzten Rah-
mens dieser Arbeit nur auf einige Werkstaumltten des Bundeslandes Berlin konzentriert Hierfuumlr
werden jeweils die Leitbilder untersucht und Stimmen aus der Werkstatt ausgewertet
441 Recherche zum aktuellen Stand
Die Literatur zum Thema Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen in WfbMs ist
noch sehr duumlnn Vollstaumlndig ausgearbeitete Konzepte gibt es bisher nicht veroumlffentlicht wur-
den Berichte von abgeschlossenen oder noch laufenden Projekten Werner Schlummer wis-
senschaftlicher Mitarbeiter der Universitaumlt zu Koumlln begleitete ein Projekt zum Betrieblichen
12
Eine ausfuumlhrliche Beschreibung der Mitwirkungs- und Unterrichtungsrechte des Werkstattrates ist bei
SchlummerSchuumltte 2006 S 71 ndash 82 nachzulesen
26
Gesundheitsmanagement13
in einer WfbM zusammen mit acht Studierenden der Universitaumlt
(vgl Schlummer 2015 S 33) Auch das Projekt GESUND als Teilprojekt von PartKomm-
Plus (Forschungsverbund fuumlr gesunde Kommunen) wird wissenschaftlich durch die Katholi-
sche Hochschule fuumlr Sozialwesen begleitet (vgl Burtscher 2014 S 6)
Als Ausnahme kann das Projekt bdquoSelbstbestimmt gesuumlnderldquo im Rahmen des Programmes
bdquoHealthy Athletesldquo gesehen werden Hier bringt Special Olympics Deutschland eV Maszlig-
nahmen zur Gesundheitsfoumlrderung in die Lebenswelten behinderter Menschen Bei Healthy
Athletes werden Sportlerinnen und Sportler bei Veranstaltungen von Special Olympics kos-
tenlose Beratungen und Kontrolluntersuchungen angeboten Diese Angebote werden jedoch
auch auf Wohnheime und WfbMs ausgeweitet (vgl Special Olympics Deutschland a) S 2
eigene Paginierung) Auch das Projekt bdquoSelbstbestimmt gesuumlnderldquo bringt gesundheitsfoumlrdern-
de Maszlignahmen in Werkstaumltten Dabei werden bdquoTeilnehmern individualisierte Handlungsemp-
fehlungen zum Gesundheitsverhalten zur Verfuumlgung gestelltldquo (Special Olympics Deutschland
b) oS) Das Projekt setzt auszligerdem auf die Wirkung von Peer-Multiplikatorinnen und
-Multiplikatoren
Weitere Projekte sind trotz intensiver Recherche nicht bekannt Auch die Bundesarbeitsge-
meinschaft Werkstaumltten fuumlr behinderte Menschen eV (BAG WfbM) hat auf ihrer Homepa-
ge14
keinen Artikel zur Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung in WfbMs
Gibt man in der Suchmaske bdquoGesundheitsfoumlrderungldquo ein erhaumllt man zwei Ergebnisse einen
Artikel uumlber ein neu entwickeltes Computerspiel das von Kindern mit unterschiedlichen Be-
hinderungen gespielt werden kann und einen Artikel zum Qualifizierungsprogramm bdquoGe-
sundheitsfoumlrderung durch Schluumlsselqualifikationenldquo das sich nicht an Beschaumlftigte sondern
an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in WfbMs richtet Dies legt den Schluss nahe dass Ge-
sundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen in WfbMs bisher kaum verbreitet ist
Das Thema Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung als solches wurde in den
letzten Jahren zunehmend in der Literatur behandelt wobei die Anzahl der Veroumlffentlichun-
gen nach wie vor auf einem uumlberschaubaren Stand ist
13
Schlummers Verstaumlndnis von Betrieblichem Gesundheitsmanagement und Betrieblicher Gesundheitsfoumlrderung
sind beinahe synonym Das beschriebene Projekt kann daher im erweiterten Rahmen durchaus als Projekt zur
Gesundheitsfoumlrderung gesehen werden 14
httpwwwbagwfbmde (Stand 11112015)
27
442 Konzepte und Leitbilder von Einrichtungen der Praxis
Betrachtet werden vier verschiedene WfbMs und ihre Leitbilder Es handelt sich um die vier
Werkstaumltten von denen auch im Rahmen der Feldbefragung Stimmen einer Mitarbeiterin oder
eines Mitarbeiters und zT von Beschaumlftigten gewonnen werden konnten (siehe 443 und
Anhang Nr 2)
Aufgrund der jeweiligen Traumlgerstrukturen besitzt lediglich eine der Werkstaumltten15
als solche
ein eigenes Leitbild Bei den anderen drei Werkstaumltten muss auf das Leitbild des jeweiligen
Traumlgers zuruumlckgegriffen werden Das Thema der Gesundheit der Klientinnen und Klienten
bzw Werkstattbeschaumlftigten wird allerdings in keinem Leitbild thematisiert Auch die Such-
funktionen auf den jeweiligen Homepages bzw intensive Recherchen auf diesen brachten
keine Ergebnisse zum Stichwort bdquoGesundheitsfoumlrderungldquo Daraus laumlsst sich schlieszligen dass
Gesundheitsfoumlrderung der Werkstattbeschaumlftigten in den theoretischen Konzeptionen von
WfbMs meist nicht verankert ist
443 Gesundheitsfoumlrderung in der alltaumlglichen Praxis der Werkstaumltten ndash eine kleine Feldbe-
fragung
Im Rahmen des Informationstages der Berliner Landesarbeitsgemeinschaft Werkstaumltten fuumlr
behinderte Menschen eV (LAG WfbM) am 17112015 im Estrel Hotel Berlin wurden je-
weils eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter von vier verschiedenen WfbMs zum Thema Ge-
sundheitsfoumlrderung mit den Beschaumlftigten in der Werkstatt befragt (siehe Anhang Nr 2) Die
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben alle eine vergleichbare Position Begleitender Dienst
Paumldagogischer Dienst oder Sozialdienst In einer der Werkstaumltten konnten uumlberdies auch
Stimmen von Beschaumlftigten gewonnen werden16
Die Ergebnisse weisen keine empirische
Repraumlsentativitaumlt auf da der knappe Rahmen dieser Arbeit eine repraumlsentative empirische
Forschungsarbeit kaum zulaumlsst Die Befragungen sollen dazu dienen einen Einblick in den
Alltag der WfbMs zu ermoumlglichen und die in der Literatur und den Leibildern gewonnenen
Perspektiven zu erweitern
15
Aus Gruumlnden des Datenschutzes duumlrfen in der hier publizierten Version die Namen der Werkstaumltten nicht
genannt werden 16
In zwei der Werkstaumltten konnten keine Stimmen von Beschaumlftigten erhoben werden da eine Befragung in der
Werkstatt von den befragten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern abgelehnt wurde Der Mitarbeiter der dritten
Werkstatt signalisierte zwar waumlhrend der Befragung Zustimmung jedoch fehlte diese spaumlter von Seiten der Lei-
tung
28
Der Begriff bdquoGesundheitsfoumlrderungldquo wird von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sehr
unterschiedlich interpretiert Die Spannbreite liegt von einem Verstaumlndnis aumlhnlich des hier
dargelegten bis hin zu therapeutischer und rehabilitativer Foumlrderung Die angebotenen Maszlig-
nahmen welche einer Foumlrderung der Gesundheit dienen sollen sind jedoch bei allen aumlhnlich
Meist handelt es sich um Musik- Sport- und Bewegungsangebote die im Rahmen von sog
Begleitenden Maszlignahmen verankert sind Daruumlber hinaus werden auch entlastende Bewegun-
gen in den Arbeitsgruppen angeboten und ein Gesundheitstag in Kooperation mit Special
Olympics Deutschland geplant (eine Werkstatt) Eine andere Werkstatt kooperiert mit der
Fitnessstudiokette Fitness First Kurse zu gesunder Ernaumlhrung und Kochen werden teilweise
angeboten oder sind in Planung Nach Aussagen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden
die Maszlignahmen meist gut angenommen In einer Werkstatt wird sogar gemeinsam mit dem
Werkstattrat an einer Peer-Beratung gearbeitet mit der den Beschaumlftigten der Zugang zu den
Themen Bildung und Gesundheit verbessert werden soll Schwierigkeiten bestehen besonders
bzgl der Raumlume zB bei Turnhallen fuumlr Fuszligball
Eine Partizipation bei der Entwicklung von Angeboten ist nur teilweise gegeben Es wird
zwar in allen befragten Werkstaumltten nach Interessen der Beschaumlftigten gefragt und dement-
sprechend die Kurse angeboten jedoch besteht nur selten die Moumlglichkeit fuumlr die Beschaumlftig-
ten aktiv den jeweiligen Kurs durch eigene Entscheidungen mitzugestalten In einer Werk-
statt ist das bspw abhaumlngig von der Kursart von der Kursleiterin bzw dem Kursleiter und
vom Konzept Evaluiert werden die Angebote meist nur durch Nachfrage in den idR jaumlhr-
lich stattfindenden Entwicklungsgespraumlchen mit den einzelnen Beschaumlftigten und teilweise
daruumlber hinaus mit Fragebogen oder durch die Kursleiterin bzw den Kursleiter Eine Werk-
statt fuumlhrt sogar Statistiken zur Nachfrage Eine partizipative Evaluation findet in keiner der
befragten Werkstaumltten statt
Die befragten Beschaumlftigten einer der Werkstaumltten zeigten sich mit dem Angebot an gesund-
heitsfoumlrdernden Maszlignahmen groumlszligtenteils sehr zufrieden und empfanden die Anzahl der An-
gebote als meist genuumlgend Geaumluszligert wurde lediglich der Wunsch nach weiteren Angeboten
zu gesunder Ernaumlhrung und nach einem besseren Angebot an gesunden Speisen Das Ver-
staumlndnis von Gesundheitsfoumlrderung ist unterschiedlich Auffaumlllig ist dass auf der einen Seite
Aumlrzte und Besuche bei diesen wichtig scheinen gleichzeitig aber auch das Achten auf die
eigene Gesundheit als Teil der Gesundheitsfoumlrderung gilt Besonders letzterer Aspekt weist
darauf hin dass bei den Befragten ein gewisses Grundverstaumlndnis von Gesundheitsfoumlrderung
vorhanden ist das dem in dieser Arbeit verwendeten aumlhnelt Die Wichtigkeit der aumlrztlichen
29
Betreuung laumlsst jedoch zugleich auch auf ein eher bdquotraditionellesldquo bio-medizinisches Gesund-
heitsverstaumlndnis schlieszligen
Als angebotene Maszlignahmen werden meist Sport- und Bewegungsangebote genannt aber
auch eine Apfelpause um kurz von der Arbeit entspannen zu koumlnnen Daruumlber hinaus gab es
Angebote zur Fuszlighygiene und zur Zahn- und Augengesundheit Hier ist der Uumlbergang zwi-
schen Gesundheitsfoumlrderung und Praumlvention flieszligend Bzgl (zukuumlnftiger) Angebote werden
die Beschaumlftigten nach ihren Wuumlnschen gefragt aber eine wirkliche Mitbestimmung in Kon-
zeption und Planung dieser scheint nicht gegeben Auch bei der Evaluation findet bisher keine
Partizipation statt Die Befragung hat jedoch den bisherigen Eindruck bestaumltigt dass gesund-
heitsfoumlrdernde Maszlignahmen in WfbMs von behinderten Menschen durchaus nachgefragt wer-
den und die Werkstaumltten versucht sind im Rahmen der begleitenden Maszlignahmen ein sehr
breites Feld abzudecken Negativ scheint besonders das weitgehende Fehlen partizipativer
Strukturen
In den Werkstaumltten werden viele Angebote im Rahmen begleitender Maszlignahmen offeriert die
fuumlr die Gesundheit foumlrderlich sind Als Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung die die Prinzi-
pien der BVPG verinnerlichen koumlnnen sie jedoch nicht gesehen werden da zB die Partizipa-
tion eine eher untergeordnete Rolle spielt und die Thematik meist auf Sport- und zT Ernaumlh-
rungsangebote beschraumlnkt bleibt Auch werden die Effekte der Maszlignahmen nicht evaluiert
Entspannungsangebote werden nur selten angeboten und der Fokus richtet sich meist nur auf
die koumlrperliche Gesundheit
Daruumlber hinaus zeigt die Befragung aber auch welch groszliges Potential zur Gesundheitsfoumlrde-
rung in den Werkstaumltten liegt Mit den begleitenden Maszlignahmen sind Strukturen verankert in
denen Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung leicht integriert werden koumlnnen Offenheit fuumlr
Kooperationen scheint vielfach gegeben (zB mit Special Olympics Deutschland Fitness
First) sodass auch eine Kooperation mit den Krankenkassen und weiteren Partnern vorstell-
bar scheint Dies wuumlrde den Vorteil finanzieller Foumlrderung und Expertise durch Erfahrungen
mit bereits durchgefuumlhrten Maszlignahmen einbringen Die befragten Mitarbeiterinnen und Mit-
arbeiter schienen Gesundheitsfoumlrderung gegenuumlber prinzipiell sehr positiv eingestellt
Auch wenn in den Leitbildern und auf den Homepages Gesundheitsfoumlrderung nicht themati-
siert wird gibt es in der Praxis schon verschiedene Maszlignahmen und Projekte mit der Intenti-
on die Gesundheit der Beschaumlftigten zu verbessern
30
45 Anregungen fuumlr die Praxis
Vor dem Hintergrund der zu Rate gezogenen Literatur und den gewonnen Erkenntnissen
durch die Feldbefragung werden nun einige Uumlberlegungen fuumlr die Praxis einer gelingenden
Gesundheitsfoumlrderung getroffen Diese koumlnnen als moumlgliche Anregungen zur Umsetzung ver-
standen werden
451 Partizipation und Empowerment in der Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behin-
derung
Erfolgreiche Gesundheitsfoumlrderung braucht Partizipationsmoumlglichkeiten fuumlr die jeweilige
Zielgruppe Partizipation ist schlieszliglich nicht nur Teilnahme sondern aktive Teilhabe und
damit einhergehend die Moumlglichkeit mitzubestimmen und mitzuentscheiden Dazu gehoumlrt
auch die Definitionsmacht also die Macht (mit)zubestimmen an welche die Gesundheit be-
treffenden Aspekte in einer Maszlignahme zur Gesundheitsfoumlrderung herangegangen werden soll
(vgl Wrightvon UngerBlock 2010 S 39) Diese aktive Teilhabe muss also bereits zu Be-
ginn einer Maszlignahme Teil dieser sein Partizipation bedeutet folglich auch Macht Partizipa-
tion zu ermoumlglichen bedeutet Empowerment also die Ermaumlchtigung eines Individuums oder
einer Gruppe So bekommt Partizipation in der Gesundheitsfoumlrderung auch eine gesellschaft-
liche und politische Komponente denn dadurch koumlnnen Menschen mit Behinderungen lernen
mitzubestimmen mitzuentscheiden und eigene Interessen zu vertreten Diese erlernten Faumlhig-
keiten lassen sich auf die Handlungsebene in einer demokratischen Gesellschaft uumlbertragen
Sowohl Empowerment als auch Partizipation gehoumlren zu den in 31 erwaumlhnten Prinzipien der
BVPG Diese weist darauf hin dass Partizipation in saumlmtlichen Phasen einer Maszlignahme ge-
geben sein muss beginnend mit der Bedarfsanalyse der Planung in der Durchfuumlhrung und
abschlieszligend in der BewertungEvaluation So kann die Wirksamkeit einer Maszlignahme erhoumlht
werden (vgl BVPG 2013 S 90) Teilhabe kann als ein wichtiger Bestandteil der Qualitaumltssi-
cherung gesehen werden Bisher finden Maszlignahmen zur Qualitaumltssicherung nur selten unter
Partizipation der Zielgruppe statt Diese partizipativ zu beteiligen hilft die Qualitaumlt der Ge-
sundheitsfoumlrderung aufrechtzuerhalten oder sogar zu verbessern (vgl Wrightvon Un-
gerBlock 2010 S 35)
Teilhabe ist bei behinderten Menschen besonders wichtig Ihr Leben ist haumlufig von Beginn an
stark fremdbestimmt und von Abhaumlngigkeit gepraumlgt Somit lernen sie seltener als nicht behin-
31
derte Menschen Verantwortung zu uumlbernehmen und selbststaumlndig zu agieren Dies kann bis
hin zur sog bdquoerlernten Hilflosigkeitldquo fuumlhren Vor diesem Hintergrund scheint Partizipation
umso wichtiger aber auch umso arbeitsintensiver Sie ist daher in der Praxis der Gesundheits-
foumlrderung haumlufig sehr arbeitsintensiv und benoumltigt folglich zeitliche Ressourcen und damit
einhergehend finanzielle Ressourcen (vgl Loss 2009 S 10)
Traditionell sind viele Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung top-down organisiert das be-
deutet eine Einrichtung ein Geldgeber etc plant eine Maszlignahme fuumlhrt diese durch und eva-
luiert sie Zur Erreichung der eigenen Ziele wird die Zielgruppe mobilisiert ohne ein Mitspra-
cherecht zu den einzelnen Bausteinen der Maszlignahme zu haben Diese Struktur verdeutlicht
das Maumlchteungleichwicht zwischen Anbieter und Zielgruppe und zementiert den Status be-
hinderter Menschen als Abhaumlngige und Ohnmaumlchtige Der Gegensatz zu top-down-
Programmen ist der bottom-up-Ansatz Hier findet eine Machtteilung statt da die Gesund-
heitsfoumlrderinnen und Gesundheitsfoumlrderer ihre Macht mit der Zielgruppe teilen und eher die
Rolle von Unterstuumltzerinnen und Unterstuumltzern einnehmen Die Zielgruppe soll unterstuumltzt
werden ihre eigenen Probleme festzustellen und Loumlsungen sowie Maszlignahmen zu erarbeiten
In der Planung Durchfuumlhrung und Evaluation kommt ihr damit eine aktive Rolle zu (vgl La-
verack 2010 S 77) Bottom-up-Programme scheinen daher fuumlr Partizipation und Empower-
ment geeigneter als top-down-Strukturen Allerdings schlieszligen sich beide Ansaumltze nicht
zwingend aus sondern Maszlignahmen koumlnnen Eigenschaften beider Ansaumltze aufweisen In
WfbMs scheinen Maszlignahmen sehr haumlufig top-down organisiert zu sein Die staumlrkere Veranke-
rung von bottom-up-Strukturen waumlre hier im Sinne einer Teilhabe ndash in der Werkstatt wie auch
daruumlber hinaus auf gesellschaftlicher Ebene ndash vorteilhaft und wuumlnschenswert
452 Peer-Multiplikatorinnen und -Multiplikatoren
Eine Strategie die in der Praxis der Gesundheitsfoumlrderung bereits mit positiven Ergebnissen
getestet wurde sind Peer-Multiplikatorinnen und -Multiplikatoren Das Modell der Multipli-
katorinnen und Multiplikatoren war bereits Grundlage vieler gesundheitsfoumlrdernder Maszlignah-
men mit sozial benachteiligten Menschen die auch in der Literatur vielfach dokumentiert
sind Auch in der Arbeit mit behinderten Menschen ist dieses Konzept nicht neu Auf Maszlig-
nahmen zur Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung wurde es bisher kaum an-
gewandt scheint jedoch erfolgsversprechend Das Projekt GESUND welches mit einer Ber-
liner WfbM durchgefuumlhrt wird arbeitet mit diesem Konzept (vgl Burtscher 2014 S 8) Die
32
Funktion von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren besteht darin Kenntnisse und Informa-
tionen zur Gesundheit(-sfoumlrderung) der Zielgruppe mit Hilfe der ihnen innewohnenden Ver-
trauensstellung naumlher zu bringen Sie haben daher eine bdquoMittlerfunktionldquo (BVPG 2013 S 92)
zwischen Durchfuumlhrenden und Zielgruppe Voraussetzung dafuumlr ist dass sie der Zielgruppe
angehoumlren oder zumindest eine sehr enge Verbindung zu ihr besitzen Im Zuge einer Maszlig-
nahme werden sie selbst gestaumlrkt sozusagen bdquoempowertldquo Ihre Mittlerfunktion funktioniert
allerdings auch in die andere Richtung Sie bringen den Durchfuumlhrenden die Perspektive der
Zielgruppe naumlher Im Idealfall fuumlhrt der Einsatz von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren
zur Aktivierung der Zielgruppe die ihr selbstbestimmtes Handeln auch auf andere Bereiche
ausdehnen kann (vgl Stickan-Verfuumlrth 2005 S 108) Diesem Modell sehr aumlhnlich ist das
Modell des Peer-Counseling Hier stehen Mitglieder der Zielgruppe in beratender Funktion
ihrer Peer-Gruppe zur Verfuumlgung
453 Verknuumlpfung von Betrieblicher Gesundheitsfoumlrderung und Gesundheitsfoumlrderung in
Werkstaumltten fuumlr behinderte Menschen
Eine Uumlbertragung der Idee der Betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung auf die Gesundheitsfoumlrde-
rung in WfbMs scheint in der Tat realisierbar Den rechtlichen und finanziellen Rahmen hier-
fuumlr hat das 2015 beschlossene Praumlventionsgesetz geschaffen (siehe 33) Im Entwurf der Bun-
desregierung wird in der Anmerkung zum neuen sect 20 Abs 4 SGB V explizit darauf hinge-
wiesen dass Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung auch in WfbMs zum Leistungsspektrum der
Krankenkassen gehoumlrt (vgl Deutscher Bundestag 2015 S 34) Eine Etablierung hiervon in
der Praxis haumlngt in erster Linie neben den Krankenkassen auch von den Leitungen der WfbMs
ab Sollten diese hierfuumlr und auch gegenuumlber partizipativen Strukturen offen sein waumlre der in
351 kurz vorgestellte Gesundheitszirkel ein passender Startpunkt um von Beginn an auch
die Partizipation der Beschaumlftigten zu gewaumlhrleisten Analog zum Konzept der BGF koumlnnten
gemeinsam Maszlignahmen erarbeitet werden die die Gesundheit der Beschaumlftigten foumlrdern wuumlr-
den Den Vertreterinnen und Vertretern der Beschaumlftigten die im Gesundheitszirkel mitwir-
ken koumlnnte dabei die Rolle von Peer-Multiplikatorinnen und -Multiplikatoren zukommen
Als Effekte duumlrften die in 351 beschriebenen auch hier zu erwarten sein eine Verbesserung
der Gesundheit und eine Staumlrkung der gesundheitlichen Ressourcen eine Verringerung der
krankheitsbedingten Fehltage eine staumlrkere Identifikation der Beschaumlftigten mit der Werk-
33
statt ein besseres Arbeitsklima eine houmlhere Motivation und Arbeitszufriedenheit und eine
Steigerung der Produktivitaumlt
Es empfiehlt sich im Sinne der Partizipation und des Empowerments kein reines top-down-
Programm zu starten sondern einen bottom-up-Ansatz zu waumlhlen bzw zumindest mehrere
Elemente dessen einzubauen Als Anknuumlpfungspunkt koumlnnen bereits bestehende begleitende
Maszlignahmen mit passender Thematik genommen werden
Wie bdquonormaleldquo Betriebe koumlnnten auch WfbMs Kooperationen in ihrem raumlumlichen Umfeld
aufbauen und von Vernetzungen profitieren Aufgrund ihrer Groumlszlige sind sie in ihrem Sozial-
raum ein meist nicht zu unterschaumltzender Akteur
34
5 Fazit und Ausblick
Ausgehend von einem bio-psycho-sozialen Verstaumlndnis von Gesundheit wurden verschiedene
Aspekte der Gesundheitsfoumlrderung vertieft und anschlieszligend eine Verknuumlpfung zur Gesund-
heitsfoumlrderung mit behinderten Menschen hergestellt Hierbei lag der Fokus auf gesundheits-
foumlrdernden Maszlignahmen in WfbMs Dabei wurde die aktuelle Literatur zu Rate gezogen In-
ternetauftritte einiger Werkstaumltten durchsucht und Stimmen aus dem Feld von Mitarbeiterin-
nen und Mitarbeitern sowie Beschaumlftigten von Werkstaumltten gewonnen
Die Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung ist noch immer relativ schwach
ausgebaut Dies stellt sich besonders vor dem Hintergrund als problematisch dass behinderte
Menschen haumlufig anfaumllliger fuumlr Krankheiten sind und durchschnittlich uumlber einen subjektiv als
schlechter bewerteten Gesundheitsstatus verfuumlgen als nichtbehinderte Menschen Wie viele
sozial benachteiligte Gruppen sind sie verhaumlltnismaumlszligig schwer zu erreichen fuumlr gesundheits-
foumlrdernde Maszlignahmen Obwohl es in der Erreichbarkeit mehrere Probleme gibt verfuumlgen
Menschen mit Behinderung auf der anderen Seite uumlber groszlige Potentiale Das neue Praumlventi-
onsgesetz ist ein erheblicher Fortschritt bei der Finanzierung gesundheitsfoumlrdernder Maszlignah-
men Sogar eine Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung in Werkstaumltten ist wenn auch nicht ex-
plizit verankert so doch zumindest gewuumlnscht
Gelingende Gesundheitsfoumlrderung muss sich im Allgemeinen und auch bei der Arbeit mit
behinderten Menschen an bestimmten Prinzipien messen lassen Besonders wichtig vor dem
gesellschaftlichen Hintergrund ist hier die Partizipation der Menschen mit Behinderung und
damit einhergehend das Empowerment dieser Beide wirken sich positiv auf die Qualitaumlt der
gesundheitsfoumlrdernden Maszlignahmen aus gehen jedoch auch daruumlber hinaus Sie koumlnnen Men-
schen mit Behinderungen auch auf gesellschaftlicher Ebene empowern sodass ihnen eine
groumlszligere gesellschaftliche Teilhabe zukommt Somit erlangt Gesundheitsfoumlrderung auch vor
dem Hintergrund der Inklusion eine hohe Relevanz
In WfbMs ist gezielte Gesundheitsfoumlrderung bisher wenig verbreitet Einzelne Projekte sind
eher die Ausnahme denn die Regel Jedoch sind die Potentiale der Werkstaumltten enorm Das
Personal scheint haumlufig offen fuumlr Maszlignahmen zu sein und gerade die Strukturen der beglei-
tenden Maszlignahmen lieszligen eine relativ einfache Integration von Maszlignahmen zur (betriebli-
chen) Gesundheitsfoumlrderung zu Bestehende begleitende Maszlignahmen in welchen Sport oder
Bildungsangebote zu gesunder Ernaumlhrung angeboten werden koumlnnten ohne uumlbermaumlszligigen
Aufwand zu gezielten Maszlignahmen fuumlr Gesundheitsfoumlrderung ausgebaut werden Nachholbe-
darf bestuumlnde hier vor allem auf dem Gebiet der Partizipation Nur selten scheinen die Be-
35
schaumlftigten in Konzeption Planung Durchfuumlhrung und Evaluation aktiv eingebunden zu sein
In bestimmten Phasen wie etwa der Konzeption und besonders der Evaluation scheint aktive
Teilhabe noch uumlberhaupt nicht verankert zu sein Eine staumlrkere Partizipation in allen Berei-
chen waumlre mit houmlherem Arbeits- und Kostenaufwand verbunden welcher durch eine Einbin-
dung der Krankenkassen moumlglicherweise aufgefangen werden koumlnnte Die Partizipation foumlr-
dern wuumlrde auch die Etablierung von Peer-Beratung und Peer-Multiplikatorinnen und
-Multiplikatoren Diesen kaumlme beim Zugang zur Zielgruppe eine Schluumlsselfunktion zu und
gleichzeitig koumlnnten sie Bedarfe und Beduumlrfnisse dieser gegenuumlber den anderen Akteuren
kommunizieren Auch wenn es bisher keine konkreten ausgearbeiteten Konzepte zur Gesund-
heitsfoumlrderung in WfbMs gibt koumlnnten bestehende Konzepte zur Betrieblichen Gesundheits-
foumlrderung eventuell leicht uumlberarbeitet fuumlr Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung in Werkstaumltten
analog angewendet werden
Die Potentiale und Moumlglichkeiten zur Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung
in WfbMs sind also mannigfaltig und haumlufig vorhanden Auf diesen koumlnnte aufgebaut werden
um behinderten Menschen das Recht auf das in Artikel 25 der UN-BRK festgeschriebene bdquoer-
reichbare Houmlchstmaszlig an Gesundheitldquo zu ermoumlglichen
Gesundheitsfoumlrderung ist mehr als Werbeplakate an Bus- oder Straszligenbahnhaltestellen und
Clips im Aktuellen Sportstudio sie ist mehr als Sportangebote und Angebote zu gesunder
Ernaumlhrung sie ist auch ein Weg zum Erreichen eines Menschenrechtes das Recht auf Ge-
sundheit
36
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Anhang
Nr 1 Abbildung zu den Hauptdeterminanten der Gesundheit nach DahlgreenWhitehead
2007 S 11
Nr 2 Befragung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Beschaumlftigten der WfbMs
42
Nr 1 Abbildung zu den Hauptdeterminanten der Gesundheit nach DahlgreenWhitehead
2007 S 11
43
Nr 2 Befragung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Beschaumlftigten der WfbMs
Um moumlglichst effizient die Stimmen aus vier WfbMs unterschiedlicher Traumlger zu erheben
wurden diese auf dem Infotag der LAG WfbM Berlin am 17112015 gesammelt Hier waren
verschiedene Werkstaumltten mit Informationsstaumlnden vertreten Gewaumlhlt wurden die Werkstaumlt-
ten an deren Staumlnden der Verfasser zuerst vorbeilief Die gestellten Fragen waren stets die-
selben
Den Vertretern der Werkstatt wurde zugesichert dass ihr Name nicht in der vorliegenden Ar-
beit genannt wird lediglich ihre Position in der Werkstatt wird erwaumlhnt Es wurden auszligerdem
keine weiteren Personendaten erhoben
Wenn moumlglich sollten auszligerdem fuumlnf Beschaumlftige pro WfbM befragt werden Hierfuumlr wurde
am Ende des kurzen Interviews um Erlaubnis gefragt Den Beschaumlftigten wurden andere Fra-
gen gestellt als dem Werkstattpersonal jedoch erhielten alle Beschaumlftigten dieselben Fragen
untereinander Den Beschaumlftigen wurde komplette Anonymitaumlt in der vorliegenden Arbeit
zugesichert und es wurden keine personenbezogenen Daten abgefragt Zuerst wurde nach
ihrem Verstaumlndnis von Gesundheitsfoumlrderung gefragt Vor den Fragen 2 bis 5 wurde kurz
erklaumlrt wie Gesundheitsfoumlrderung verstanden werden kann um davon ausgehend die restli-
chen Fragen zu beantworten
Bei saumlmtlichen Interviews wurde auf Transkriptionen verzichtet es wurden lediglich die
Kernaussagen mitgeschrieben
Im Folgenden finden sich exemplarisch die jeweils gestellten Fragen
44
Fragen an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der WfbM
Name der WfbM
Position der befragten Person Begleitender Dienst
1 Was verstehen Sie unter Gesundheitsfoumlrderung
2 Was bieten Sie im Rahmen der Gesundheitsfoumlrderung an
3 Wie werden die Maszlignahmen angenommen
4 Wuumlrden Sie gerne mehr anbieten oder finden Sie die Angebote ausreichend
5 Gibt es Schwierigkeiten
6 Wie steht es um die Partizipation in den Angeboten (Werden die Angebote von Beschaumlf-
tigten mitentwickelt mitevaluiert etc)
7 Werden die Angebote evaluiert
45
Fragen an die Beschaumlftigen der WfbM
Name der WfbM
Datum
1 Wissen Sie was Gesundheitsfoumlrderung ist Wenn ja wie wuumlrden sie es beschreiben
[Moumlgliche Erklaumlrung fuumlr Beschaumlftigte die sich nichts unter Gesundheitsfoumlrderung vorstellen
koumlnnen Zur Gesundheitsfoumlrderung gehoumlrt alles was fuumlr Ihre Gesundheit gut ist zB Kur-
seMaszlignahmen usw die mit Bewegung Ernaumlhrung Wohlfuumlhlen am Arbeitsplatz oder Ent-
spannen zu tun haben]
2 Welche Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung werden Ihnen von der Werkstatt angebo-
ten
3 Werden Ihrer Meinung nach genuumlgend Angebote zur Gesundheitsfoumlrderung in der Werk-
statt angeboten
4 Duumlrfen Sie bei der Entwicklung und Evaluation (Auswertung am Ende) mitbestimmen
5 Was sind Ihre Wuumlnsche bezuumlglich der Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung
7
Auf das genaue Verfahren zur Feststellung wird an dieser Stelle nicht weiter eingegangen da
es fuumlr den weiteren Verlauf der Arbeit nicht relevant ist Es genuumlgt zu wissen dass sich der
Personenkreis der in der WfbM beschaumlftigt ist rechtlich gesehen nach dem SGB IX definiert
Diese Definition ist weniger umfassend als das Verstaumlndnis der ICF die die Kontextfaktoren
staumlrker betont (vgl WHO 2005 S 2122)
22 Gesundheit
Das traditionelle Bild von Gesundheit ist die Abwesenheit von Krankheit Jedoch erkannte
schon in ihrer Verfassung von 1946 die WHO dass Gesundheit mehr als nur das ist bdquoDie
Gesundheit ist ein Zustand des vollstaumlndigen koumlrperlichen geistigen und sozialen Wohlerge-
hens und nicht nur das Fehlen von Krankheit oder Gebrechenldquo (WHO 2014 S 1)
Fuumlr die Determinanten der Gesundheit von Menschen haben Margaret Whitehead und Goumlran
Dahlgren bereits 1991 ein Modell (siehe Anhang Nr 1) entwickelt das die Einflussfaktoren
in verschiedene Ebenen gliedert Neben den persoumlnlichen Merkmalen wie Alter Geschlecht
und Genen stehen in der naumlchsten Ebene die Faktoren individueller Lebensweisen (Sport
Konsum von Genussmitteln etc) Daran schlieszligen sich soziale und kommunale Netzwerke an
(va Familie Freundinnen und Freunde) und auf naumlchster Ebene die Lebens- und Arbeitsbe-
dingungen (zB Wohn- und Arbeitsumfeld Bildung) Abgeschlossen wird das Modell durch
allgemeine Bedingungen der soziooumlkonomischen kulturellen und physischen Umwelt wie
bspw Wirtschaft und Politik (vgl DahlgrenWhitehead 2007 S 11)
Die sehr breite Auffassung der WHO von Gesundheit entwickelte Aaron Antonovsky weiter
indem er sein Konzept der Salutogenese entwickelte Neu daran war zum einen dass er von
einem Gesundheits-Krankheits-Kontinuum ausgeht dessen Pole Gesundheit und Krankheit
sind Die Gesundheit eines Menschen laumlsst sich zu jedem Zeitpunkt seines Lebens individuell
an einem Punkt des Kontinuums festlegen je nachdem wie gesund der Mensch sich zum je-
weiligen Zeitpunkt fuumlhlt (vgl Antonovsky 1997 S 23) Auszligerdem stellt Antonovsky die Fra-
ge warum unter bestimmten (unguumlnstigen) Bedingungen also den Determinanten von Ge-
sundheit manche Menschen gesund bleiben und andere nicht (vgl Antonovsky 1997 S 15)
Als Antwort auf diese Frage praumlsentiert er das sog Kohaumlrenzgefuumlhl (SOC)3 bestehend aus
3 In der Literatur zT auch mit Kohaumlrenzsinn Kohaumlrenzempfinden etc uumlbersetzt Das englische Original bdquoSense
of Coherenceldquo ist schwer zu uumlbersetzen da es im Deutschen kein Wort gibt das der weiten Bedeutung des engli-
schen bdquosenseldquo gerecht werden koumlnnte
8
den drei Elementen Verstehbarkeit Handhabbarkeit und Bedeutsamkeit Verstehbarkeit be-
deutet seine Welt als stimmig und verstaumlndlich einzuordnen und Belastungen in einem groumlszlige-
ren Zusammenhang sehen zu koumlnnen Handhabbarkeit bezeichnet das Gefuumlhl die Aufgaben
und Probleme denen man begegnet mit seinen Ressourcen bewaumlltigen zu koumlnnen Bedeut-
samkeit ist die Uumlberzeugung von der eigenen Lebensfuumlhrung die mit Zielen verbunden ist
fuumlr die sich einzusetzen lohnenswert erscheint (vgl Antonovsky 1997 S 33 ndash 36) Legt man
den Fokus nun also auf die Aufrechterhaltung oder Verbesserung der Gesundheit sind die
dafuumlr in der Praxis konzipierten Maszlignahmen ndash ganz der Denktradition der Salutogenese fol-
gend ndash Schritte zur Gesundheitsfoumlrderung
23 Gesundheitsfoumlrderung und ihre Abgrenzung zur Praumlvention
Die Idee der Gesundheitsfoumlrderung fuszligt auf einem Gesundheitsverstaumlndnis wie es die Saluto-
genese aufzeigt Ein wichtiger Grundstein fuumlr unser heutiges Verstaumlndnis von Gesundheits-
foumlrderung wurde bereits 1986 mit der Ottawa-Charta der WHO gelegt bdquoGesundheitsfoumlrde-
rung zielt auf einen Prozess allen Menschen ein houmlheres Maszlig an Selbstbestimmung uumlber ihre
Gesundheit zu ermoumlglichen und sie damit zur Staumlrkung ihrer Gesundheit zu befaumlhigenldquo (WHO
1986 S 1) Gesundheitsfoumlrderung ist also bdquoeine Promotionsstrategie bei der Menschen durch
Verbesserung ihrer Lebensbedingungen eine Staumlrkung der gesundheitlichen Entfaltungsmoumlg-
lichkeiten erfahren sollenldquo (HurrelmannKlotzHaisch 2010 S 13 Herv weggelassen) Kon-
kret in der Praxis aumluszligert sich Gesundheitsfoumlrderung in unterschiedlichsten Maszlignahmen auf
den verschiedenen Ebenen Individuum Setting und PolitikGesamtgesellschaft (vgl Alt-
geldKolip 2010 S 4647) So sind etwa Schritte zur Steigerung des Selbstwertgefuumlhls (Indi-
viduumsebene) Ernaumlhrungsprogramme in Schulen (Setting) oder eine gesetzlich verankerte
finanzielle Unterstuumltzung zum Vereinsbeitrag fuumlr Kinder aus einkommensschwachen Fami-
lien in Sportvereinen (Politik) Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung Auf saumlmtlichen Ebenen
ist eine Partizipation der Zielgruppe fuumlr eine gelingende Gesundheitsfoumlrderung erstrebenswert
(vgl FaltermaierWihofszky 2012 S 102) Als Kernelemente der Gesundheitsfoumlrderung
weist die WHO in der Ottawa-Charta Ganzheitlichkeit oumlkologische Verantwortung und ge-
genseitige Fuumlrsorge aus (vgl WHO 1986 S 5) Dieser universelle Anspruch findet seine
Fortsetzung in der Jakarta-Erklaumlrung die als Ziele den groumlszligtmoumlglichen Gesundheitsgewinn
der Bevoumllkerung die Reduzierung gesundheitlicher Ungleichheiten und die Staumlrkung der
Menschenrechte formuliert (vgl WHO 1997 S 2)
9
Unterscheiden kann man gesundheitsfoumlrdernde Strategien zwischen Verhaltens- und Verhaumllt-
nisebene Verhaltensorientierte Maszlignahmen setzen beim Verhalten des einzelnen Menschen
oder einer Gruppe zB ihrer Ernaumlhrung oder der Haumlufigkeit von Bewegung an Verhaumlltnis-
bezogene Maszlignahmen setzen an den Verhaumlltnissen an in denen ein oder mehrere Menschen
leben Dies kann sich auf saumlmtliche Lebensbereiche beziehen zB Wohnen Arbeit oder Frei-
zeit Hier kann beispielhaft die Verfuumlgbarkeit von Gruumlnflaumlchen oder Spielplaumltzen aufgefuumlhrt
werden Eine Verbindung beider Ansaumltze ist durchaus moumlglich
Abzugrenzen ist die Gesundheitsfoumlrderung von der Praumlvention Als jene gelten Maszlignahmen
zur Vermeidung des Auftretens bzw Fortschreitens bestimmter Krankheiten Praumlvention und
Gesundheitsfoumlrderung zielen beide auf einen Gesundheitsgewinn ab jedoch setzt erstere beim
Verringern von Risikofaktoren an letztere beim Schaffen und Staumlrken von Ressourcen also
Schutzfaktoren (vgl HurrelmannKlotzHaisch 2010 S 1617) Anders ausgedruumlckt Praumlven-
tion ist pathogenetisch das bedeutet an der Entstehung von Krankheiten orientiert Gesund-
heitsfoumlrderung hingegen salutogenetisch orientiert Generell muumlssen Praumlvention und Gesund-
heitsfoumlrderung als sich ergaumlnzende nicht als konkurrierende Interventionsformen mit ver-
schiedener Sachlogik gesehen werden (vgl Hurrelmann 2006 S 150) Beide Strategien sind
in der Zielsetzung des Zugewinns an Gesundheit geeint jedoch unterscheiden sie sich als In-
terventionsformen durch verschiedenartige Wirkungsprinzipien In der Praxis sind nicht alle
konkreten Maszlignahmen trennscharf einer der beiden Strategien zuzuordnen Uumlberschneidun-
gen sind moumlglich
Zusammengefasst laumlsst sich konstatieren bdquoGesundheitsfoumlrderung bezeichnet alle Eingriffs-
handlungen die der Staumlrkung von individuellen Faumlhigkeiten der Lebensbewaumlltigung dienenldquo
(HurrelmannKlotzHaisch 2010 S 14 Herv weggelassen)
Vertiefende Problemstellungen wie etwa die Erreichbarkeit bestimmter Bevoumllkerungsgrup-
pen und rechtliche Rahmenbedingungen in Deutschland werden im weiteren Verlauf der Ar-
beit aufgegriffen
10
3 Allgemeine Grundlagen der Gesundheitsfoumlrderung
Es wurde bereits grob umrissen was Gesundheitsfoumlrderung kennzeichnet Nun sollen einzelne
Aspekte inhaltlich vertieft werden auf denen anschlieszligend eine (moumlgliche) Gesundheitsfoumlrde-
rung in WfbMs (siehe Kapitel 4) aufbauen kann
31 Leitgedanken der Gesundheitsfoumlrderung
In der Praxis koumlnnen gesundheitsfoumlrdernde Maszlignahmen ganz unterschiedlich aussehen Damit
sie fuumlr die Menschen die daran teilnehmen dauerhaft eine positive Wirkung aufweisen hat
die Bundesvereinigung Praumlvention und Gesundheitsfoumlrderung eV (BVPG)4 sieben bdquoPrinzi-
pien guter Praumlvention und Gesundheitsfoumlrderungldquo formuliert in ihrem Sinne gute Gesund-
heitsfoumlrderung ist demnach gekennzeichnet durch (1) Autonomie und Empowerment (2) Par-
tizipation (3) Lebenswelt- und Lebensstilbezug (4) Gesundheitliche Chancengleichheit
(5) Konzeptbasierung (6) Evaluation sowie (7) Nachhaltigkeit (vgl BVPG 2013 S 9091)
Das Prinzip (1) Autonomie und Empowerment bedeutet dass eine Maszlignahme durch Selbst-
bestimmung gepraumlgt ist und die Teilnehmenden zur Selbststaumlndigkeit befaumlhigt die eigene
Gesundheit und die anderer zu gestalten (vgl BVPG 2013 S 90) Die Idee Gesundheit ande-
rer mitzugestalten findet ua in den Strategien Peer Counseling und Multiplikatorinnen und
Multiplikatoren ihre praktische Umsetzung (siehe 452) Empowerment kann an dieser Stelle
uumlber die Ebene der persoumlnlichen Gesundheit hinaus gedacht werden Menschen werden nicht
nur dazu befaumlhigt ihre eigene Gesundheit selbst zu gestalten sondern koumlnnen als gesunde
Buumlrger ihre Interessen oder die bestimmter Bevoumllkerungsgruppen selbstbewusst vertreten
(vgl Laverack 2010 S 27) Im Sinne der (2) Partizipation sollen Vertreterinnen und Vertreter
der Zielgruppe in allen Phasen einer Maszlignahme aktiv mitgestalten und mitentscheiden Auf
die Partizipation von Menschen mit Behinderung wird in 451 noch detaillierter eingegangen
Der (3) Lebenswelt- und Lebensstilbezug betont den bereits erwaumlhnten Setting-Ansatz
schlieszligt jedoch gesamtgesellschaftliche bzw individualbezogene Strategien ebenfalls mit ein
Gelingende Gesundheitsfoumlrderung braucht immer einen konkreten Anknuumlpfungspunkt in der
Lebenswelt des bzw der Menschen (4) Gesundheitliche Chancengleichheit fordert dass va
4 Die BVPG ist ein gemeinnuumltziger politisch und konfessionell unabhaumlngiger Verbund bestehend aus Bundes-
verbaumlnden des Gesundheitswesens darunter die Bundesaumlrztekammer den Spitzenverbaumlnden der Sozialversiche-
rungstraumlger sowie Verbaumlnden der Heil- und Hilfsberufe Sozial- und Wohlfahrtsverbaumlnden und Bildungseinrich-
tungen mit Arbeitsschwerpunkt im Bereich Praumlvention und Gesundheitsfoumlrderung
11
sozial benachteiligte Menschen zu denen haumlufig auch behinderte Menschen gehoumlren beson-
ders in ihrer Gesundheit gefoumlrdert werden da mit einem niedrigeren soziooumlkonomischen Sta-
tus oft eine schlechtere Gesundheit einhergeht (vgl Lampert et al 2013 S 814) Diese Be-
voumllkerungsgruppen gelten jedoch als besonders schwer erreichbar fuumlr gesundheitsfoumlrdernde
Maszlignahmen insbesondere wenn diese fuumlr die Gesamtbevoumllkerung ausgelegt sind (vgl
Mielck 2010 S 113)
Generell sollten Programme zur Gesundheitsfoumlrderung stets auf einem (5) Konzept beruhen
in dem Mittel Zeit Ressourcen und Ziele festgelegt und eine Bedarfsanalyse und Beschrei-
bung des Wirkungsmodells verankert sind Auch der geplante Weg einer Verstetigung der
Maszlignahme soll hier aufgezeigt werden (vgl BVPG 2013 S 91) Durch das Prinzip der
(6) Evaluation soll eine Qualitaumltssicherung erfolgen von der durch Veroumlffentlichung auch
andere profitieren koumlnnen (7) Nachhaltig soll Gesundheitsfoumlrderung auf saumlmtlichen Ebenen
sein es muss auf moumlgliche negative (Spaumlt-)Folgen geachtet werden der Umgang mit den
Ressourcen und der Umwelt sollte nachhaltig sein und es sollte eine Wirkung uumlber die Dauer
der Maszlignahme hinaus entstehen (vgl BVPG 2013 S 91)
32 Auswirkungen von Gesundheitsfoumlrderung auf den Menschen
Wie bereits dargelegt soll Gesundheitsfoumlrderung die Gesundheit der Menschen verbessern
Dies kann auf ganz unterschiedliche Weise geschehen Als Strategien sind hier die schon er-
waumlhnten verhaltens- und verhaumlltnisorientierten Strategien moumlglich und die Interventionsebene
kann auf individueller Ebene liegen an einem bestimmten Setting ansetzen oder die gesamte
Gesellschaft als Ausgangspunkt nehmen
Da Gesundheit als bdquoZustand des vollstaumlndigen koumlrperlichen geistigen und sozialen Wohler-
gehensldquo (WHO 2014 S 1) betrachtet wird soll eine gesundheitsfoumlrdernde Maszlignahme das
Befinden in einem oder mehreren dieser Teilbereiche ndash in einer ganzheitlichen Betrachtung
haumlngen diese stark zusammen und beeinflussen sich gegenseitig ndash positiv beeinflussen Im
Sinne der Salutogenese werden also Ressourcen entwickelt undoder gestaumlrkt Verbreitete
Strategien der Gesundheitsfoumlrderung wie etwa Sport gesunde Ernaumlhrung und Entspannung
aber auch soziale Ausgewogenheit und Partizipation als strukturelle Verhaumlltnisse muumlssen von
der Zielgruppe als positiv erlebt werden (vgl Geene 2005 S 21) Andernfalls ist keine oder
nur eine geringere Annahme bzw Wirkung des Programms zu erwarten Am Ende einer
Maszlignahme sollte stets eine Evaluation erfolgen Hier sind mit passend ausgewaumlhlten Evalua-
12
tionsinstrumenten die Auswirkungen des Programmes meist in irgendeiner Form messbar
entweder durch subjektive Einschaumltzungen zB wenn Teilnehmende angeben sich nun ge-
sunder zu fuumlhlen oder auch durch objektiv messbare Werte So koumlnnen bspw Werte wie Ge-
wicht Body-Mass-Index Blutwerte oder Ausdauer zu Beginn einer Maszlignahme mit denen am
Ende verglichen werden Eine hier erfolgreich ansetzende Maszlignahme hat meist (nicht nur)
eine Verbesserung der koumlrperlichen Gesundheit zur Folge Das gesenkte Risiko fuumlr Herz-
Kreislauf-Erkrankungen Krebs Erkrankungen der Atemwege der Verdauungsorgane oder
des Muskel-Skelett-Systems koumlnnen exemplarisch als Verbesserung der physischen Gesund-
heit aufgefuumlhrt werden (vgl HurrelmannKlotzHaisch 2010 S 20) Dies sind Anzeichen
dass sich der bdquoStandpunktldquo eines Menschen auf dem Gesundheits-Krankheits-Kontinuum
nach Antonovskys Modell der Salutogenese ein Stuumlck weiter Richtung Gesundheit verscho-
ben hat
Auch die Foumlrderung der Selbstwirksamkeit also der Uumlberzeugung auch schwierige Situatio-
nen mit eigenen Ressourcen loumlsen zu koumlnnen hat vielfaumlltige positive Auswirkungen auf die
Gesundheit und foumlrdert so diese (DlugoschDahl 2013 S 370) Maszlignahmen zur Entspannung
und Stressbewaumlltigung wirken sich im ersten Moment auf das seelische und psychische
Wohlbefinden aus haben dadurch aber sehr oft auch positive Auswirkungen auf den Koumlrper
Bestimmte Methoden wie etwa Yoga verfolgen schon im Ansatz eine ganzheitliche Vorstel-
lung bei welchem das Wohlbefinden koumlrperlich psychisch und seelisch gestaumlrkt wird (vgl
SimonHegerReszies 2011 S 169)
Die aufgefuumlhrten positiven Auswirkungen durch gesundheitsfoumlrdernde Maszlignahmen auf die
Gesundheit von Menschen sind nur einige Beispiele von sehr vielen Allen diesen Effekten zu
eigen ist jedoch dass sie sich positiv auf das gesundheitliche Wohlbefinden der Menschen
auswirken In deren subjektiven Empfinden verschiebt sich dadurch ihr Punkt auf dem Ge-
sundheits-Krankheits-Kontinuum des Salutogenesemodells ein Stuumlck in Richtung des Ge-
sundheitspols
33 Rechtliche Grundlagen
Die rechtliche Verankerung der Gesundheitsfoumlrderung findet sich in Deutschland im SGB V
wieder So legt sect 20 Abs 1 SGB V fest bdquoDie Krankenkasse sieht in der Satzung Leistungen
zur Verhinderung und Verminderung von Krankheitsrisiken (primaumlre Praumlvention) sowie zur
Foumlrderung des selbstbestimmten gesundheitsorientierten Handelns der Versicherten (Gesund-
13
heitsfoumlrderung) vorldquo5 Zurecht weist die Bundesaumlrztekammer in ihrer Stellungnahme zum
neuen Praumlventionsgesetz darauf hin dass diese Definition von Gesundheitsfoumlrderung nicht
umfassend genug ist da die Staumlrkung von Gesundheitsressourcen und ndashpotenzialen unerwaumlhnt
bleibt (vgl Bundesaumlrztekammer 2014 S 3) Die gesetzliche Krankenversicherung ist in
Deutschland von den Sozialversicherungszweigen finanziell mit Abstand am staumlrksten an der
Gesundheitsfoumlrderung beteiligt Gesetzlich verpflichtet war auszligerdem bisher nur die gesetzli-
che Unfallversicherung sodass die Beteiligung nicht-oumlffentlicher gemeinnuumltziger Traumlger wie
bspw Stiftungen zunehmend an Bedeutung gewinnt Der groumlszligte Teil der finanziellen Mittel
stammt allerdings aus oumlffentlichen Mitteln (vgl AltgeldKolip 2010 S 54) Durch das Prauml-
ventionsgesetz sind die gesetzlichen Krankenkassen nun nach sect 20 Abs 6 SGB V verpflich-
tet ab dem Jahr 2016 pro Versicherten 700 Euro statt wie im Jahr 2015 317 Euro fuumlr Praumlven-
tion und Gesundheitsfoumlrderung auszugeben Davon entfallen je 200 Euro auf Leistungen zur
Gesundheitsfoumlrderung und Praumlvention in Lebenswelten nach sect 20a SGB V und Betriebliche
Gesundheitsfoumlrderung nach sect 20b SGB V Das Praumlventionsgesetz sieht dabei eine Betriebli-
che Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen in WfbMs vor bdquoMit den Leistungen
[primaumlre Praumlvention und Gesundheitsfoumlrderung MP] sollen auch Menschen mit Behinde-
rung erreicht werden zB mit Leistungen zur betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung in Werk-
staumltten fuumlr behinderte Menschenldquo (Deutscher Bundestag 2015 S 34) Dies geht aus der vom
Deutschen Bundestag veroumlffentlichten Erlaumluterung zum Gesetzentwurf hervor
Die gesetzlichen Krankenkassen (unter Umstaumlnden auch die privaten Krankenkassen) sollen
des Weiteren mit den Traumlgern der Pflegeversicherung der Unfallversicherung und der Gesetz-
lichen Rentenversicherung eine bdquoNationale Praumlventionsstrategieldquo entwickeln (sect 20d SGB V)
die in der bdquoNationalen Praumlventionskonferenzldquo (sect 20e SGB V) ausgearbeitet und weitergefuumlhrt
wird In beiden Paragraphen geht es auch um Strategien der Gesundheitsfoumlrderung
Die gesetzlichen Pflegekassen sind nach sect 5 SGB XI fortan verpflichtet im Jahr 030 Euro je
Versicherter und Versichertem zur Gesundheitsfoumlrderung und Praumlvention in stationaumlren Pfle-
geeinrichtungen zu investieren
Eine gesetzliche Verankerung der Partizipation in der Gesundheitsfoumlrderung durch das Prauml-
ventionsgesetz ist hingegen ausgeblieben Ausgehend von der Annahme dass Gesundheits-
foumlrderung effektiver ist wenn die Zielgruppe an der Planung Durchfuumlhrung und Evaluation
5 Die Novellierung der sectsect 20ff SGB V ist eine Folge des 2015 verabschiedeten Gesetzes zur Staumlrkung der Ge-
sundheitsfoumlrderung und der Praumlvention Dieses ist im Internet verfuumlgbar unter
httpwwwbgbldexaverbgblstartxavstartbk=Bundesanzeiger_BGBlampjumpTo=bgbl115s1368pdf__bgbl__
2F2F[40attr_id3D27bgbl115s1368pdf27]__1446046078671 (Abrufdatum 28102015)
14
der Maszlignahme partizipiert (vgl FaltermaierWihofszky 2012 S 108) waumlre eine gesetzliche
Verankerung der Partizipation vorteilhaft gewesen
Das Recht auf Leistungen zur Gesundheitsfoumlrderung ergibt sich fuumlr Menschen mit Behinde-
rung auch aus der UN-BRK welche im Jahre 2009 von der Bundesrepublik Deutschland rati-
fiziert wurde In Artikel 25 heiszligt es hier bdquoDie Vertragsstaaten anerkennen das Recht von
Menschen mit Behinderungen auf das erreichbare Houmlchstmaszlig an Gesundheit ohne Diskrimi-
nierung aufgrund von Behinderungldquo Dieses houmlchsterreichbare Maszlig kann nur erreicht werden
wenn Menschen mit Behinderung konsequent in Maszlignahmen der Gesundheitsfoumlrderung ein-
bezogen werden Deutschland verpflichtet sich in Artikel 25 a) der UN-BRK behinderten
Menschen bdquoeine unentgeltliche oder erschwingliche Gesundheitsversorgung in der derselben
Bandbreite von derselben Qualitaumlt und auf demselben Standard zur Verfuumlgung [zu stellen]
wie anderen Menschen [hellip]ldquo Dies umfasst nicht nur kurative und rehabilitative Maszlignahmen
sondern auch solche zur Praumlvention und Foumlrderung der Gesundheit
34 Gesundheitsfoumlrderung in Settings
Da der Fokus dieser Arbeit auf der Gesundheitsfoumlrderung in WfbMs liegt werden nun einige
Aspekte zur Gesundheitsfoumlrderung in Settings also Lebenswelten genauer thematisiert
bdquoEin Setting ist ein Sozialzusammenhang in dem Menschen sich in ihrem Alltag aufhalten
und der Einfluss auf ihre Gesundheit hat Dieser soziale Zusammenhang ist relativ dauerhaft
und seinen Mitgliedern auch subjektiv bewusstldquo (HartungRosenbrock 2015 oS) Diese kur-
ze Definition enthaumllt die wichtigsten Merkmale eines Settings Jeder Mensch bewegt sich
folglich in verschiedenen Settings zB seiner Arbeitswelt seinem Wohnumfeld oder seinem
Freizeitbereich Dabei hat jedes Setting Einfluss auf die Menschen die sich in ihm bewegen
wie auch jeder Mensch gleichzeitig das jeweilige Setting beeinflusst Gesundheit ist hierbei
als ein wichtiges alltaumlgliches Element des jeweiligen Settings zu sehen und nicht ausschlieszlig-
lich als essenzielles und abstraktes Ziel (vgl RoumlmischWalther 2015 S 5 AltgeldKolip
2010 S 49) Dies betont auch die salutogenetische Position nach der jeder Mensch zu jedem
Zeitpunkt zumindest ein gewisses Maszlig an Gesundheit inne hat (vgl Antonovsky 1997 S 23)
Bereits in der Ottawa-Charta wird als eine Strategie zur Gesundheitsfoumlrderung bdquoGesundheits-
foumlrderliche Lebenswelten schaffenldquo (WHO 1986 S 3) genannt Elf Jahre spaumlter verdeutlicht
die Jakarta-Erklaumlrung die Wirksamkeit dieser Strategie bdquoDer wissenschaftliche Erkenntnis-
15
stand zeigt deutlich daszlig [hellip] insbesondere Settings [hellip] gute Moumlglichkeiten zur praktischen
Umsetzung solcher umfassenden Strategien bietenldquo (WHO 1997 S 3)
Dies mag va daran liegen dass eher schwer erreichbare Zielgruppen der Gesundheitsfoumlrde-
rung in ihren Lebenswelten relativ gut erreicht werden koumlnnen (vgl FaltermaierWihofszky
2012 S 110) Zu diesen Zielgruppen gehoumlren va sozial benachteiligte Menschen wie etwa
Menschen mit Migrationshintergrund in Armut lebende Menschen oder Menschen mit Be-
hinderungen Da das deutsche Gesundheitssystem stark mittelschichtsorientiert ist sind diese
schwerer zu erreichen als wohlhabendere Bevoumllkerungsschichten (vgl Stickan-Verfuumlrth 2005
S 105106) Besonders problematisch ist dies vor dem Hintergrund zu sehen dass gerade
sozial benachteiligte Menschen wie bereits erwaumlhnt haumlufig uumlber eine schlechtere Gesundheit
verfuumlgen
35 Gesundheitsfoumlrderung in der Lebenswelt bdquoArbeitldquo
Fuumlr eine Gesundheitsfoumlrderung in der Lebenswelt bdquoArbeitldquo sind besonders zwei Strategien
relevant die Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung (BGF) und das Betriebliche Gesundheitsma-
nagement
Die Begriffe bdquoBetriebliche Gesundheitsfoumlrderungldquo und bdquoBetriebliches Gesundheitsmanage-
mentldquo werden in der Literatur zT sehr unterschiedlich interpretiert Die Bandbreite reicht
hier von einer beinahe synonymen Verwendung bis hin zu einer klaren Abgrenzung Die hier
vorgenommene Unterscheidung ist dabei nur eine Moumlglichkeit unter mehreren
351 Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung
Als Grundsatzdokument der Betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung in Deutschland gilt heute
die Luxemburger Deklaration zur betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung in der Europaumlischen
Union aus dem Jahr 1997 Sie legt Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung wie folgt fest bdquoBe-
triebliche Gesundheitsfoumlrderung (BGF) umfasst alle gemeinsamen Maszlignahmen von Arbeit-
gebern Arbeitnehmern und Gesellschaft zur Verbesserung von Gesundheit und Wohlbefinden
am Arbeitsplatzldquo (Unternehmensnetzwerk zur betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung in der Eu-
ropaumlischen Union eV 2007 S 2 eigene Paginierung) Als Wege hierfuumlr sieht die Luxem-
burger Deklaration va drei Pfade welche in ihrer Verknuumlpfung am effektivsten scheinen die
16
Verbesserung der Arbeitsorganisation und der Arbeitsbedingungen die Staumlrkung der Partizi-
pation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und die Unterstuumltzung im Aufbau und der Wei-
terentwicklung persoumlnlicher Kompetenzen (vgl Unternehmensnetzwerk zur betrieblichen
Gesundheitsfoumlrderung in der Europaumlischen Union eV 2007 S 2)
Die Auswirkungen Betrieblicher Gesundheitsfoumlrderung sind mannigfaltig und durch Studien
belegt So kann hier aufgrund der verbesserten Gesundheit und der staumlrkeren Gesundheitsres-
sourcen eine Verringerung der Fehltage aufgrund von Krankheit angefuumlhrt werden Aber auch
die Wertschaumltzung und Fuumlrsorge durch den Betrieb koumlnnen eine staumlrkere Identifikation der
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit dem jeweiligen Unternehmen hervorrufen (vgl Si-
monHegerReszies 2011 S 3738) Dies hat ua ein besseres Arbeitsklima eine houmlhere Mo-
tivation und Arbeitszufriedenheit und daraus resultierend eine Steigerung der Produktivitaumlt
zur Folge (vgl Unternehmensnetzwerk zur betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung in der Euro-
paumlischen Union eV 2007 S 3) Diese positiven Effekte entfalten teilweise erst laumlngerfristig
ihre Wirkung Somit sind sie fuumlr das Unternehmen eine langfristige Investition die allerdings
Gefahr laumluft kurzfristigen betriebswirtschaftlichen Interessen entgegenzulaufen (vgl Rosen-
brockHartung 2015 oS)
Als Maszlignahmen der Betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung eignen sich sowohl verhaltens- als
auch verhaumlltnisbezogene Maszlignahmen Eine Kombination aus beiden waumlre im Sinne der
Ganzheitlichkeit durchaus gewinnbringend
Eine gesetzliche Verpflichtung fuumlr Unternehmen zur Betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung gibt
es fuumlr Unternehmen in Deutschland nicht Wie in Punkt 33 bereits erwaumlhnt ist der rechtliche
Zusammenhang in sect 20b Abs 1 Satz 2 SGB V geregelt bdquoHierzu erheben sie [die Kranken-
kassen MP] unter Beteiligung der Versicherten und der Verantwortlichen fuumlr den Betrieb
sowie der Betriebsaumlrzte und der Fachkraumlfte fuumlr Arbeitssicherheit die gesundheitliche Situation
einschlieszliglich ihrer Risiken und Potenziale und entwickeln Vorschlaumlge zur Verbesserung der
gesundheitlichen Situation sowie zur Staumlrkung der gesundheitlichen Ressourcen und Faumlhig-
keiten und unterstuumltzen deren Umsetzungldquo Nach sect 20 Abs 6 Satz 2 sind die Krankenkassen
dazu verpflichtet pro Versicherter und Versichertem 200 Euro im Jahr in Maszlignahmen zur
Betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung zu investieren
Obwohl der Nutzen Betrieblicher Gesundheitsfoumlrderung sowohl fuumlr die Belegschaft als auch
fuumlr das jeweilige Unternehmen selbst nachgewiesen ist (vgl RosenbrockHartung 2015 oS)
es sich also um eine Win-Win-Situation handelt ist ihre Verbreitung in Deutschland noch
eher gering Das liegt zum einen daran dass Unternehmen nicht zur Betrieblichen Gesund-
heitsfoumlrderung verpflichtet sind und diese daher auf Freiwilligkeit aller Akteure beruht Zum
17
anderen liegt es daran dass es sich um einen vielschichtigen Prozess handelt der durch inter-
ne externe oumlkonomische oder betriebspolitische Veraumlnderungen beeintraumlchtigt werden kann
(vgl RosenbrockHartung 2015 oS)
Fuumlr eine gelingende BGF ist Partizipation unumgaumlnglich denn nur so wird sichergestellt dass
moumlglichst viele Akteure besonders die Zielgruppe der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter er-
reicht wird (SimonHegerReszies 2011 S 46) Ein wichtiges Element hierbei ist der sog
bdquoGesundheitszirkelldquo Dieser setzt sich zusammen aus Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des
Betriebs wobei moumlglichst verschiedene Arbeitsbereiche und Hierarchieebenen vertreten sein
sollten Die Groumlszlige sollte dabei uumlberschaubar bleiben zB zwischen fuumlnf und acht Teilneh-
menden evtl ergaumlnzt durch einen externen Experten Im Zuge einer angestrebten Versteti-
gung von Gesundheitsfoumlrderung im Betrieb sind regelmaumlszligige Treffen sinnvoll (vgl Si-
monHegerReszies 2011 S 64 ndash 69) Um eine moumlglichst umfassende Partizipation zu ge-
waumlhrleisten empfiehlt es sich den Gesundheitszirkel von Beginn an also der Phase der Pla-
nung mit einzubeziehen Fuumlr eine Gesundheitsfoumlrderung in WfbMs scheint eine analoge An-
wendung des Konzeptes Gesundheitszirkel sowohl moumlglich als auch sinnvoll um von Beginn
an partizipative Strukturen zu etablieren
352 Betriebliches Gesundheitsmanagement
In der Literatur wird der Begriff des Betrieblichen Gesundheitsmanagements sehr unter-
schiedlich interpretiert Schlummer interpretiert ihn beinahe synonym zur Betrieblichen Ge-
sundheitsfoumlrderung wobei lediglich der Faktor der Arbeitssicherheit eine staumlrke Beruumlcksichti-
gung im Gesundheitsmanagement findet (vgl Schlummer 2015 S 35) Die Luxemburger
Deklaration hingegen sieht Arbeits- und Gesundheitsschutz in Unternehmen als Teil der Be-
trieblichen Gesundheitsfoumlrderung (vgl Unternehmensnetzwerk zur betrieblichen Gesund-
heitsfoumlrderung in der Europaumlischen Union eV 2007 S 4) In der vorliegenden Arbeit wird
der Arbeits- und Gesundheitsschutz ebenfalls unter der Strategie der Betrieblichen Gesund-
heitsfoumlrderung gesehen da er dem Verstaumlndnis von BGF als bdquoMaszlignahmen von Arbeitgebern
Arbeitnehmern und Gesellschaft zur Verbesserung von Gesundheit und Wohlbefinden am
Arbeitsplatzldquo (Unternehmensnetzwerk zur betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung in der Europauml-
ischen Union eV 2007 S 2) entspricht Fuumlr die Abgrenzung zwischen den beiden Begriffen
scheint dieser Aspekt zweitrangig Im Vordergrund liegt eher der jeweilige Charakter der
Strategie
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Gesundheitsmanagement in Betrieben kann als bdquo[b]ewusste Steuerung und Integration aller
betrieblichen Prozesse mit dem Ziel der Erhaltung und Foumlrderung der Gesundheit und des
Wohlbefindens der Beschaumlftigtenldquo (HannackRaumlder 2011 S 434) gesehen werden Dieses
Konzept scheint mit Vor- und Nachteilen einherzugehen Da saumlmtliche betriebliche Prozesse
die als der Gesundheit foumlrderlich gelten hierunter fallen sind auch individuelle Maszlignahmen
wie bspw das Betriebliche Eingliederungsmanagement nach sect 84 Abs 2 SGB IX mit inbe-
griffen Bei diesem geht es in erster Linie nicht um eine Erhaltung oder Verbesserung der
Gesundheit sondern um eine Vorbeugung von Arbeitsunfaumlhigkeit undoder den Erhalt eines
Arbeitsplatzes Ebenfalls positiv kann die Implementierung gesundheitsorientierter Prozesse
und Strukturen in das generelle Management eines Unternehmens gesehen werden Dadurch
scheint auszligerdem die Dauerhaftigkeit von gesundheitsfoumlrderlichen Maszlignahmen besser er-
reichbar als bei der BGF Hier haben Maszlignahmen meist den Charakter eines zeitlich befriste-
ten Projektes (vgl SlesinaBohley 2011 S 627) Der groszlige Nachteil des Betrieblichen Ge-
sundheitsmanagements liegt in der Gefahr dass sog top-down-Strukturen die Uumlberhand ge-
winnen (vgl Faller 2010 S 25 zit nach RosenbrockHartung 2015 oS) Top-down-
Strukturen in der Gesundheitsfoumlrderung zeichnen sich dadurch aus dass eine Person von
bdquoobenldquo eine Maszlignahme einleitet und im schlimmsten Fall bdquoaufoktroyiertldquo Dies kann mangels
Partizipation der Zielgruppe zu Ablehnung bei dieser fuumlhren
Fuumlr eine Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung in WfbMs scheint ndash zumin-
dest im Moment ndash der Weg der BGF geeigneter Hier sind zum einen in der Theorie groszlige
Potentiale fuumlr Partizipation gegeben Zum anderen ist das Thema der systematischen Gesund-
heitsfoumlrderung mit behinderten Menschen in Institutionen der Behindertenhilfe bisher kaum
verbreitet (siehe 44) Eine sofortige Implementierung des Betrieblichen Gesundheitsmana-
gements wuumlrde die meisten Einrichtungen uumlberfordern und vor den Kopf stoszligen Auf lange
Sicht scheint dies aber ein wuumlnschenswertes Ziel zu sein welches Schritt fuumlr Schritt erreicht
werden sollte
19
4 Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung
Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen ist bisher in der Praxis der sog bdquoBehinder-
tenhilfeldquo6 nur aumluszligert selten integriert In der wissenschaftlichen Literatur sind in den letzten
Jahren einige Beitraumlge erschienen die sich diesem Thema widmen Es soll nun zuerst darge-
stellt werden in welchem Verhaumlltnis Gesundheit und Behinderung zueinander stehen bevor
auf die Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen eingegangen wird Der Fokus dieser
Arbeit liegt auf der Gesundheitsfoumlrderung in WfbMs In diesem Zusammenhang wird der
Stand der Literatur kurz dargestellt eine kurze Analyse von Leitbildern einzelner Werkstaumltten
vorgenommen und einige Stimmen aus der Praxis wiedergegeben Aufgrund des knappen
Rahmens dieser Arbeit muss sich dies auf das Bundesland Berlin beschraumlnken und erhebt kei-
nen Anspruch auf empirische Vollstaumlndigkeit Vielmehr versteht es sich als eine kleine Feld-
befragung die als ein erster Impuls gesehen werden kann
41 Behinderte Menschen und Gesundheit und Krankheit ndash sozialmedizinische Erkenntnisse
Zunaumlchst muss festgehalten werden dass eine Behinderung keine Krankheit ist Auch ein
schwer behinderter Mensch kann sich sehr gesund fuumlhlen Der wesentliche Unterschied zwi-
schen einer Behinderung und einer Krankheit liegt darin dass bei einer Behinderung die Teil-
habe am Leben in der Gesellschaft langfristig beeintraumlchtigt ist bei einer Erkrankung hinge-
gen nicht oder nur kurzfristig7 Das hier vorliegende Verstaumlndnis in der Unterscheidung bei-
der Begriffe ist vordergruumlndig eher ein soziales denn eine medizinische Abgrenzung
Es existieren verschiedene und teilweise weitreichende gesundheitliche Unterschiede zwi-
schen Menschen mit Behinderungen und Menschen ohne Behinderungen Um diese auch in
ihrem Ursprung erklaumlren zu koumlnnen reicht der bdquotraditionelleldquo bio-medizinische Blick nicht
aus da er zu kurz greift Er muss um die sozialmedizinische Sichtweise ergaumlnzt werden
An dieser Stelle sollte allerdings darauf hingewiesen werden dass die folgende Darstellung
den Gesundheitszustand groszliger heterogener Gruppen von Menschen abbildet und die ge-
troffenen Aussagen daher nicht auf jeden Einzelfall anwendbar sind
6 Dieser Begriff impliziert durch den Wortteil bdquo-hilfeldquo ein Maumlchteungleichgewicht welches einer wahren Parti-
zipation der behinderten Menschen im Wege steht 7 Sollte eine chronische Krankheit einen Menschen in seiner Teilhabe langfristig einschraumlnken kann sie durch-
aus auch als Behinderung gesehen werden
20
Der Teilhabebericht des Bundesministeriums fuumlr Arbeit und Soziales (BMAS) kommt zu dem
Ergebnis dass Menschen mit Behinderungen ihre Gesundheit haumlufig schlechter einschaumltzen
als Menschen ohne Behinderungen Dies gilt auch fuumlr das psychische Wohlbefinden welches
im ganzheitlichen Verstaumlndnis von Gesundheit das dieser Arbeit zugrunde liegt (siehe 22)
ebenfalls Teil der Gesundheit ist Auch hat ein Mensch mit Behinderung in Deutschland im
Durchschnitt mehr Krankheitstage8 als ein nicht behinderter Mensch Menschen mit Behinde-
rung konsultieren statistisch betrachtet in einem bestimmten Zeitraum haumlufiger einen Arzt als
die durchschnittliche Bevoumllkerung Dies duumlrfte ua an dem als schlechter wahrgenommenen
Gesundheitszustand liegen aber auch an der Komorbiditaumlt bestimmter Behinderungen Bzgl
des Rauchverhaltens Alkoholkonsums und einer gesundheitsbewussten Ernaumlhrung bestehen
nur relativ geringe Unterschiede zur Gesamtbevoumllkerung Auffaumlllig ist lediglich dass die
Gruppe der 18- bis 29-Jaumlhrigen Menschen mit Behinderung zu einem houmlheren Anteil regel-
maumlszligig raucht Alkohol trinkt und seltener auf gesunde Ernaumlhrung achtet In den anderen Al-
tersgruppen bestehen kaum nennenswerte Unterschiede (vgl BMAS 2013 S 192 ndash 204)
Menschen mit Behinderungen haben im Durchschnitt eine geringere Lebenserwartung wobei
es hier Unterschiede zwischen einzelnen Syndromen gibt (vgl MarksSisirakHeller 2010
S 3) Bei einigen kann die jeweilige Behinderung selbst der Ausloumlser sein jedoch besteht
besonders bei Menschen mit Lernschwierigkeiten die Gefahr dass Krankheiten nicht richtig
erkannt oder nur unzureichend behandelt werden (vgl Lennox 2002 S 230) Ausschlagge-
bend hierfuumlr duumlrfte sein dass im Gesundheitsbereich verschiedenste Barrieren existieren Zum
Beispiel ist nur ein Teil der Arztpraxen barrierefrei wobei besonders haumlufig passende Unter-
suchungsmoumlbel und Informationsmaterial in Leichter Sprache fehlen (vgl BMAS 2013
S 200201) Ebenfalls negativ wirkt sich aus dass Aumlrzte teilweise unsicher im Umgang mit
Menschen mit Lernschwierigkeiten sind und diese zT auszligerdem ihre Symptome nicht praumlzi-
se genug beschreiben koumlnnen oder uumlber eine geringer differenzierte Wahrnehmung des eige-
nen Koumlrpers verfuumlgen als Menschen ohne Behinderung (vgl SchmidtReker 2014 S 28)
Des Weiteren haben Menschen mit Lernschwierigkeiten statistisch gesehen haumlufiger Uumlberge-
wicht als der Durchschnitt der Bevoumllkerung Hier muss jedoch beruumlcksichtigt werden dass
mit bestimmten Syndromen wie bspw dem Down-Syndrom ein veraumlnderter Energiebedarf
aufgrund der geringeren Muskelspannung einhergeht oder das Saumlttigungsgefuumlhl zB beim
Prader-Willi-Syndrom veraumlndert ist (Beange 2002 S 3) Die houmlhere Wahrscheinlichkeit des
Uumlbergewichts besteht statistisch gesehen sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen mit
8 Krankheitstage werden an dieser Stelle des Bundesteilhabeberichtes verstanden als Tage in denen der Mensch
sich subjektiv zu krank gefuumlhlt hat um seinen normalen privaten und beruflichen Taumltigkeiten nachzugehen
21
Lernschwierigkeiten (vgl Reuter 2009 S 13) Eine moumlgliche Ursache hierfuumlr kann auch in
der Tatsache gesehen werden dass Menschen mit Behinderungen durchschnittlich seltener
Sport treiben als nicht behinderte Menschen (vgl BMAS 2013 S 221222)
Ein weiterer bedeutender Zusammenhang zwischen Krankheit und Behinderung ist dass viele
Behinderungen im Sinne von Einschraumlnkungen in der gesellschaftlichen Teilhabe wie auch im
gesetzlichen Verstaumlndnis nach dem SGB IX Folgen von schweren undoder chronischen
Krankheiten sind (vgl SchmidtReker 2014 S 26)
Trotz allem muumlssen auch die vorhandenen Gesundheitspotentiale behinderter Menschen be-
ruumlcksichtigt werden denn an ihnen kann eine gelingende Gesundheitsfoumlrderung ansetzen (vgl
Altgeld 2008 S 8)9 Ein ressourcenorientierter Blick achtet besonders auf die verschiedenen
Potentiale die jedem Menschen (oder auch einer Gruppe von Menschen) innewohnen
Das Verhaumlltnis zwischen Gesundheit und Behinderung haumlngt in Deutschland und vielen Tei-
len der sog westlichen Welt aus sozialmedizinischem Blickwinkel nach wie vor so zusam-
men bdquoWhile a large number of individuals who are in bad health end up with a disability a
large number of persons with disabilities end up with bad healthldquo10
(Rimmer 2009 zit nach
MarksSisirakHeller 2010 S 31) Dieser Chiasmus verdeutlicht zusammenfassend nicht nur
die vorherrschende enge Verbindung zwischen schlechterer Gesundheit und Behinderung
sondern impliziert auch die Notwendigkeit von Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Be-
hinderungen Wie in 31 beschrieben hat Gesundheitsfoumlrderung auch den Abbau gesundheit-
licher Chancenungleichheit zum Ziel
42 Erreichbarkeit von Menschen mit Behinderungen fuumlr gesundheitsfoumlrdernde Maszlignahmen
Fuumlr die Gesundheitsfoumlrderung gelten Menschen mit Behinderungen als schwer zu erreichen
Es sollen nun die wesentlichen Probleme aber auch die vorhandenen Potentiale beschrieben
werden
9 Altgeld bezieht sich in seiner Analyse auf den Gesundheitsmonitor 2007 der Bertelsmann Stiftung Da dieser
Menschen mit Lernschwierigkeiten nicht mit einbezieht sondern vorwiegend koumlrper- und sinnesbeeintraumlchtige
Menschen beruumlcksichtigt koumlnnen seine Schlussfolgerungen nicht fuumlr die gesamte sehr heterogene Gruppe der
behinderten Menschen angewendet werden 10
Waumlhrend eine groszlige Anzahl an Personen welche eine schlechte Gesundheit besitzen eine Behinderung er-
langt erlangt eine groszlige Anzahl an Personen mit Behinderungen eine schlechte Gesundheit (Uumlbersetzung des
Verfassers)
22
421 Probleme bei der Erreichbarkeit
In den bundesweiten Untersuchungen wie bspw dem Sozio-oumlkonomischen Panel (SOEP)
oder Gesundheit in Deutschland aktuell (GEDA) werden Menschen mit Lernschwierigkeiten
idR nicht erreicht Dies hat zur Folge dass sowohl gesundheitliche Potentiale als auch Be-
duumlrfnisse und Bedarfe von Menschen mit Lernschwierigkeiten in der Gesundheitsfoumlrderung
weitgehend unerkannt und dadurch ausgeklammert bleiben (vgl Burtscher 2014 S 4)
Generell gelten behinderte Menschen bisher als schwer zu erreichen fuumlr Maszlignahmen zur Ge-
sundheitsfoumlrderung was verschiedene Gruumlnde hat Sozial benachteiligte Menschen sind sehr
haumlufig eine schwer erreichbare Zielgruppe fuumlr die Gesundheitsfoumlrderung Maszlignahmen auf der
gesamtgesellschaftlichen Ebene werden eher von Menschen mit houmlherem sozialen Status an-
genommen (Hurrelmann 2006 S 164) und erst spaumlter von sozial Benachteiligten internali-
siert Es waumlre jedoch ein Fehler Menschen mit Behinderungen automatisch zur Gruppe der
sozial benachteiligten Menschen zu rechnen Jedoch zeigt der Bundesteilhabebericht dass
behinderte Menschen haumlufiger erwerbslos sind und durchschnittlich weniger Gehalt verdienen
(BMAS 2013 S 141 ndash 149) Dass die finanzielle Lage von Beschaumlftigten der WfbMs beson-
ders prekaumlr ist wird im Punkt 43 naumlher erlaumlutert Diese soziooumlkonomischen Merkmale sind
jedoch nur ein Aspekt Auch gilt es zu bedenken dass besonders Maszlignahmen auf der Verhal-
tensebene bei sozial benachteiligten Menschen oft wenig angenommen werden da sie mit den
eigenen dauerhaften Lebensvorstellungen nicht uumlbereinstimmen (vgl Hurrelmann 2006
S 164) So nehmen Menschen mit Behinderung nur sehr selten an Angeboten oumlffentlicher
Einrichtungen wie bspw Volkshochschulkursen oder Rehabilitations-Sport-Maszlignahmen teil
(vgl Burtscher 2014 S 5)
Ein weiterer Punkt ist dass das Thema Gesundheitsfoumlrderung in der Behindertenarbeit traditi-
onell kaum etabliert war Laut einer Studie aus dem Jahr 2004 sehen Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter in Behinderteneinrichtungen haumlufig wenig Relevanz in Sport Bewegung und Er-
naumlhrung fuumlr die Foumlrderung der Gesundheit behinderter Menschen Daruumlber hinaus schreiben
sie auch Selbstbewusstsein Selbststaumlndigkeit und Selbstbestimmung nur eine untergeordnete
Rolle zu (vgl Gembris-Nuumlbel 2004 S 144) Allerdings besteht die Chance dass diese Ein-
stellung sich in den letzten zehn Jahren veraumlndert hat Die Ergebnisse der im Rahmen dieser
Arbeit durchgefuumlhrten Feldbefragung geben Anlass zu dieser Annahme (siehe 443) Auszliger-
dem ist fuumlr viele Menschen mit Lernschwierigkeiten der Zugang zu Informationen welche
Gesundheitsfoumlrderung thematisieren nur schwer moumlglich Hier sind folglich Vermittlung und
Unterstuumltzung oft notwendig (vgl Gembris-Nuumlbel 2004 S 82)
23
Auch von der Politik wird das Thema der Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen
bisher nur sehr selten thematisiert Seltene Ausnahmen wie zB die 22 Landesgesundheits-
konferenz in Nordrhein-Westfalen weisen jedoch auf die Wichtigkeit von Gesundheitsfoumlrde-
rung hin welche die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben verbessern kann (vgl Ministerium
fuumlr Gesundheit Emanzipation Pflege und Alter des Landes Nordrhein-Westfalen 2013
S 31) Hervorgehoben wird hier auch die (zukuumlnftige) Gestaltung der Informationen damit
diese fuumlr alle zugaumlnglich sind Des Weiteren soll auch das Bewusstsein saumlmtlicher Beteiligten
im Bereich der Gesundheitsfoumlrderung sensibilisiert werden (vgl Ministerium fuumlr Gesundheit
Emanzipation Pflege und Alter des Landes Nordrhein-Westfalen 2013 S 32)
Schon im Grundschulalter werden behinderte Kinder oft nicht erreicht da Gesundheitsfoumlrde-
rung sehr haumlufig nur in Regelgrundschulen und weiterfuumlhrenden Schulen und nicht in separie-
renden Foumlrderschulen stattfindet (vgl Reuter 2009 S 1819)
422 Potentiale fuumlr die Erreichbarkeit
Allerdings muumlssen auch die Potentiale betrachtet werden die fuumlr eine Erreichbarkeit behin-
derter Menschen zur Gesundheitsfoumlrderung vorhanden sind Auch diese bestehen in allen Al-
tersgruppen zB im fruumlhen Schulalter Im Zuge der Inklusion bei der immer mehr Kinder
mit Behinderungen in Regelschulen unterrichtet werden ist zu hoffen dass sie zukuumlnftig haumlu-
figer an Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung teilhaben koumlnnen Solange es (noch) Foumlrder-
schulen gibt muss auch auf deren (oft ungenutztes) Potential fuumlr gesundheitsfoumlrdernde Maszlig-
nahmen hingewiesen werden das in ihrer oft ganztaumlgigen Betreuung und den damit verbun-
denen Ressourcen liegt
Nicht nur in der Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Kindern sind bereits Potentiale vor-
handen Generell weisen Gesundheitsfoumlrderung und Behindertenarbeit sehr groszlige Gemein-
samkeiten in Sprache Prinzipien und Zielen auf Beide zielen letztendlich ab auf Inklusion
Partizipation Empowerment Entwicklung persoumlnlicher Faumlhigkeiten Einbindung in die Ge-
meinde die Neuorientierung von Gesundheitsdienstleistungen und die Foumlrderung von Um-
welten welche Gesundheit und Lebensqualitaumlt verbessern (vgl Lennox 2002 S 231) Es soll
auch darauf hingewiesen werden dass viele behinderte Menschen sehr an Informationen uumlber
Gesundheit interessiert sind und aktiv nach Informationen suchen (vgl Altgeld 2008 S 8)
Abschlieszligend laumlsst sich auffuumlhren dass gerade der Setting-Ansatz wie er in Punkt 34 darge-
stellt wurde eine sehr gute Moumlglichkeit bietet Menschen mit Behinderungen zu erreichen Er
24
bietet einen Zugangspunkt und kann Ausgangslage sein sowohl fuumlr verhaltens- als auch fuumlr
verhaumlltnisorientierte Maszlignahmen zur Foumlrderung der Gesundheit von Menschen mit Behinde-
rungen
Obwohl behinderte Menschen in der Vergangenheit nur selten gezielt an Maszlignahmen zur
Gesundheitsfoumlrderung beteiligt wurden sind doch einige Potentiale vorhanden an denen an-
zuknuumlpfen lohnenswert scheint
43 Das Setting Werkstatt fuumlr behinderte Menschen
WfbMs sind spezielle Einrichtungen fuumlr Menschen mit Behinderungen die nach dem SGB IX
als behindert gelten (siehe 21) Nach sect 136 SGB IX dienen diese Einrichtungen der bdquoTeilhabe
behinderter Menschen am Arbeitsleben [hellip] und zur Eingliederung in das Arbeitslebenldquo
Dadurch sind sie nicht Teil des allgemeinen Arbeitsmarktes da ihre Beschaumlftigten bdquowegen
Art oder Schwere der Behinderung nicht noch nicht oder noch nicht wieder auf dem allge-
meinen Arbeitsmarkt beschaumlftigt werden koumlnnenldquo (sect 136 Abs 1 SGB IX) Ihr Ziel ist es be-
hinderte Menschen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt vorzubereiten Die Beschaumlftigten arbei-
ten in verschiedensten Bereichen zB im Handwerk oder in Taumltigkeiten der elektronischen
Datenverarbeitung je nach persoumlnlicher Neigung Da es sich um kein typisches sozialversi-
cherungspflichtiges Arbeitsverhaumlltnis handelt sondern um ein bdquoarbeitnehmeraumlhnliches
Rechtsverhaumlltnisldquo11
(sect 138 SGB IX) bekommen die Beschaumlftigten keinen Lohn der dem
Mindestlohn entspricht Nach sect 138 SGB IX setzt sich ihr Arbeitsentgelt zusammen aus ei-
nem Grundbetrag und einem leistungsbemessenen Steigerungsbetrag Im Jahr 2011 verdiente
ein Beschaumlftigter im Durchschnitt 180 Euro monatlich (vgl BAG WfbM 2014) bei 35 bis 40
Arbeitsstunden pro Woche Von einer groszligen Steigerung in den letzten Jahren ist nicht auszu-
gehen Somit benoumltigen Beschaumlftigte einer WfbM idR neben ihrem Arbeitsentgelt Grundsi-
cherung Dies hat zur Folge dass sie haumlufig in prekaumlren soziooumlkonomischen Verhaumlltnissen
leben
Jede Werkstatt ist soziologisch betrachtet ein eigenes System mit individuellen Merkmalen
die unter anderem vom Standort dem Fachpersonal dem Traumlger und den Beschaumlftigten ge-
kennzeichnet sind (vgl SchlummerSchuumltte 2006 S 81) Gesetzlich festgelegt ist in sect 139
11
Begruumlndet wird dieses Rechtsverhaumlltnis haumlufig durch den Kuumlndigungsschutz Eine Werkstatt kann einen
Werkstattvertrag mit einer Beschaumlftigten oder einem Beschaumlftigten nur in seltenen Faumlllen gegen ihren oder sei-
nen Willen aufheben
25
SGB IX dass die Beschaumlftigten aus ihrer Mitte heraus regelmaumlszligig einen Werkstattrat waumlhlen
Genaueres regelt hier die Werkstaumltten-Mitwirkungsverordnung (WMVO) Wie ihr Name al-
lerdings schon sagt handelt es sich hier um die Moumlglichkeit der Mitwirkung nicht der Mitbe-
stimmung Diese kann nur erreicht werden wenn Werkstatt und Werkstattrat nach sect 5 Abs 4
WMVO eine weitergehende Vereinbarung treffen Zu den Aufgaben des Werkstattrates ge-
houmlrt es die Interessen der Beschaumlftigten in verschiedenen Angelegenheiten gegenuumlber der
Werkstatt zu vertreten Diese sind in sect 5 Abs 1 WMVO aufgelistet Die Werkstatt muss den
Werkstattrat auszligerdem informieren wenn sie eine Maszlignahme durchfuumlhrt in der der Werk-
stattrat ein Mitwirkungsrecht besitzt12
Sollte kein Einverstaumlndnis in einer Beratung erzielt
werden koumlnnen beide Seiten sich an eine Vermittlungsstelle wenden (sect 5 Abs 3 WMVO)
Das tatsaumlchliche Ausmaszlig der Mitwirkung ist jedoch stets von der Werkstattleitung abhaumlngig
Solch eine fehlende gesetzliche Verankerung von Mitbestimmung steht der Partizipation be-
hinderter Menschen im Wege welche sowohl fuumlr die gesellschaftliche Inklusion als auch die
Gesundheitsfoumlrderung immens wichtig ist
44 Gesundheitsfoumlrderung in Werkstaumltten fuumlr behinderte Menschen
Zunaumlchst gilt es sich einen Uumlberblick uumlber den aktuellen Stand von Gesundheitsfoumlrderung in
WfbMs zu verschaffen Einen ersten Einblick soll die dazu vorhandene Literatur liefern Da-
nach soll ein Abgleich dieser mit der Praxis stattfinden der sich aufgrund des gesetzten Rah-
mens dieser Arbeit nur auf einige Werkstaumltten des Bundeslandes Berlin konzentriert Hierfuumlr
werden jeweils die Leitbilder untersucht und Stimmen aus der Werkstatt ausgewertet
441 Recherche zum aktuellen Stand
Die Literatur zum Thema Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen in WfbMs ist
noch sehr duumlnn Vollstaumlndig ausgearbeitete Konzepte gibt es bisher nicht veroumlffentlicht wur-
den Berichte von abgeschlossenen oder noch laufenden Projekten Werner Schlummer wis-
senschaftlicher Mitarbeiter der Universitaumlt zu Koumlln begleitete ein Projekt zum Betrieblichen
12
Eine ausfuumlhrliche Beschreibung der Mitwirkungs- und Unterrichtungsrechte des Werkstattrates ist bei
SchlummerSchuumltte 2006 S 71 ndash 82 nachzulesen
26
Gesundheitsmanagement13
in einer WfbM zusammen mit acht Studierenden der Universitaumlt
(vgl Schlummer 2015 S 33) Auch das Projekt GESUND als Teilprojekt von PartKomm-
Plus (Forschungsverbund fuumlr gesunde Kommunen) wird wissenschaftlich durch die Katholi-
sche Hochschule fuumlr Sozialwesen begleitet (vgl Burtscher 2014 S 6)
Als Ausnahme kann das Projekt bdquoSelbstbestimmt gesuumlnderldquo im Rahmen des Programmes
bdquoHealthy Athletesldquo gesehen werden Hier bringt Special Olympics Deutschland eV Maszlig-
nahmen zur Gesundheitsfoumlrderung in die Lebenswelten behinderter Menschen Bei Healthy
Athletes werden Sportlerinnen und Sportler bei Veranstaltungen von Special Olympics kos-
tenlose Beratungen und Kontrolluntersuchungen angeboten Diese Angebote werden jedoch
auch auf Wohnheime und WfbMs ausgeweitet (vgl Special Olympics Deutschland a) S 2
eigene Paginierung) Auch das Projekt bdquoSelbstbestimmt gesuumlnderldquo bringt gesundheitsfoumlrdern-
de Maszlignahmen in Werkstaumltten Dabei werden bdquoTeilnehmern individualisierte Handlungsemp-
fehlungen zum Gesundheitsverhalten zur Verfuumlgung gestelltldquo (Special Olympics Deutschland
b) oS) Das Projekt setzt auszligerdem auf die Wirkung von Peer-Multiplikatorinnen und
-Multiplikatoren
Weitere Projekte sind trotz intensiver Recherche nicht bekannt Auch die Bundesarbeitsge-
meinschaft Werkstaumltten fuumlr behinderte Menschen eV (BAG WfbM) hat auf ihrer Homepa-
ge14
keinen Artikel zur Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung in WfbMs
Gibt man in der Suchmaske bdquoGesundheitsfoumlrderungldquo ein erhaumllt man zwei Ergebnisse einen
Artikel uumlber ein neu entwickeltes Computerspiel das von Kindern mit unterschiedlichen Be-
hinderungen gespielt werden kann und einen Artikel zum Qualifizierungsprogramm bdquoGe-
sundheitsfoumlrderung durch Schluumlsselqualifikationenldquo das sich nicht an Beschaumlftigte sondern
an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in WfbMs richtet Dies legt den Schluss nahe dass Ge-
sundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen in WfbMs bisher kaum verbreitet ist
Das Thema Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung als solches wurde in den
letzten Jahren zunehmend in der Literatur behandelt wobei die Anzahl der Veroumlffentlichun-
gen nach wie vor auf einem uumlberschaubaren Stand ist
13
Schlummers Verstaumlndnis von Betrieblichem Gesundheitsmanagement und Betrieblicher Gesundheitsfoumlrderung
sind beinahe synonym Das beschriebene Projekt kann daher im erweiterten Rahmen durchaus als Projekt zur
Gesundheitsfoumlrderung gesehen werden 14
httpwwwbagwfbmde (Stand 11112015)
27
442 Konzepte und Leitbilder von Einrichtungen der Praxis
Betrachtet werden vier verschiedene WfbMs und ihre Leitbilder Es handelt sich um die vier
Werkstaumltten von denen auch im Rahmen der Feldbefragung Stimmen einer Mitarbeiterin oder
eines Mitarbeiters und zT von Beschaumlftigten gewonnen werden konnten (siehe 443 und
Anhang Nr 2)
Aufgrund der jeweiligen Traumlgerstrukturen besitzt lediglich eine der Werkstaumltten15
als solche
ein eigenes Leitbild Bei den anderen drei Werkstaumltten muss auf das Leitbild des jeweiligen
Traumlgers zuruumlckgegriffen werden Das Thema der Gesundheit der Klientinnen und Klienten
bzw Werkstattbeschaumlftigten wird allerdings in keinem Leitbild thematisiert Auch die Such-
funktionen auf den jeweiligen Homepages bzw intensive Recherchen auf diesen brachten
keine Ergebnisse zum Stichwort bdquoGesundheitsfoumlrderungldquo Daraus laumlsst sich schlieszligen dass
Gesundheitsfoumlrderung der Werkstattbeschaumlftigten in den theoretischen Konzeptionen von
WfbMs meist nicht verankert ist
443 Gesundheitsfoumlrderung in der alltaumlglichen Praxis der Werkstaumltten ndash eine kleine Feldbe-
fragung
Im Rahmen des Informationstages der Berliner Landesarbeitsgemeinschaft Werkstaumltten fuumlr
behinderte Menschen eV (LAG WfbM) am 17112015 im Estrel Hotel Berlin wurden je-
weils eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter von vier verschiedenen WfbMs zum Thema Ge-
sundheitsfoumlrderung mit den Beschaumlftigten in der Werkstatt befragt (siehe Anhang Nr 2) Die
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben alle eine vergleichbare Position Begleitender Dienst
Paumldagogischer Dienst oder Sozialdienst In einer der Werkstaumltten konnten uumlberdies auch
Stimmen von Beschaumlftigten gewonnen werden16
Die Ergebnisse weisen keine empirische
Repraumlsentativitaumlt auf da der knappe Rahmen dieser Arbeit eine repraumlsentative empirische
Forschungsarbeit kaum zulaumlsst Die Befragungen sollen dazu dienen einen Einblick in den
Alltag der WfbMs zu ermoumlglichen und die in der Literatur und den Leibildern gewonnenen
Perspektiven zu erweitern
15
Aus Gruumlnden des Datenschutzes duumlrfen in der hier publizierten Version die Namen der Werkstaumltten nicht
genannt werden 16
In zwei der Werkstaumltten konnten keine Stimmen von Beschaumlftigten erhoben werden da eine Befragung in der
Werkstatt von den befragten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern abgelehnt wurde Der Mitarbeiter der dritten
Werkstatt signalisierte zwar waumlhrend der Befragung Zustimmung jedoch fehlte diese spaumlter von Seiten der Lei-
tung
28
Der Begriff bdquoGesundheitsfoumlrderungldquo wird von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sehr
unterschiedlich interpretiert Die Spannbreite liegt von einem Verstaumlndnis aumlhnlich des hier
dargelegten bis hin zu therapeutischer und rehabilitativer Foumlrderung Die angebotenen Maszlig-
nahmen welche einer Foumlrderung der Gesundheit dienen sollen sind jedoch bei allen aumlhnlich
Meist handelt es sich um Musik- Sport- und Bewegungsangebote die im Rahmen von sog
Begleitenden Maszlignahmen verankert sind Daruumlber hinaus werden auch entlastende Bewegun-
gen in den Arbeitsgruppen angeboten und ein Gesundheitstag in Kooperation mit Special
Olympics Deutschland geplant (eine Werkstatt) Eine andere Werkstatt kooperiert mit der
Fitnessstudiokette Fitness First Kurse zu gesunder Ernaumlhrung und Kochen werden teilweise
angeboten oder sind in Planung Nach Aussagen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden
die Maszlignahmen meist gut angenommen In einer Werkstatt wird sogar gemeinsam mit dem
Werkstattrat an einer Peer-Beratung gearbeitet mit der den Beschaumlftigten der Zugang zu den
Themen Bildung und Gesundheit verbessert werden soll Schwierigkeiten bestehen besonders
bzgl der Raumlume zB bei Turnhallen fuumlr Fuszligball
Eine Partizipation bei der Entwicklung von Angeboten ist nur teilweise gegeben Es wird
zwar in allen befragten Werkstaumltten nach Interessen der Beschaumlftigten gefragt und dement-
sprechend die Kurse angeboten jedoch besteht nur selten die Moumlglichkeit fuumlr die Beschaumlftig-
ten aktiv den jeweiligen Kurs durch eigene Entscheidungen mitzugestalten In einer Werk-
statt ist das bspw abhaumlngig von der Kursart von der Kursleiterin bzw dem Kursleiter und
vom Konzept Evaluiert werden die Angebote meist nur durch Nachfrage in den idR jaumlhr-
lich stattfindenden Entwicklungsgespraumlchen mit den einzelnen Beschaumlftigten und teilweise
daruumlber hinaus mit Fragebogen oder durch die Kursleiterin bzw den Kursleiter Eine Werk-
statt fuumlhrt sogar Statistiken zur Nachfrage Eine partizipative Evaluation findet in keiner der
befragten Werkstaumltten statt
Die befragten Beschaumlftigten einer der Werkstaumltten zeigten sich mit dem Angebot an gesund-
heitsfoumlrdernden Maszlignahmen groumlszligtenteils sehr zufrieden und empfanden die Anzahl der An-
gebote als meist genuumlgend Geaumluszligert wurde lediglich der Wunsch nach weiteren Angeboten
zu gesunder Ernaumlhrung und nach einem besseren Angebot an gesunden Speisen Das Ver-
staumlndnis von Gesundheitsfoumlrderung ist unterschiedlich Auffaumlllig ist dass auf der einen Seite
Aumlrzte und Besuche bei diesen wichtig scheinen gleichzeitig aber auch das Achten auf die
eigene Gesundheit als Teil der Gesundheitsfoumlrderung gilt Besonders letzterer Aspekt weist
darauf hin dass bei den Befragten ein gewisses Grundverstaumlndnis von Gesundheitsfoumlrderung
vorhanden ist das dem in dieser Arbeit verwendeten aumlhnelt Die Wichtigkeit der aumlrztlichen
29
Betreuung laumlsst jedoch zugleich auch auf ein eher bdquotraditionellesldquo bio-medizinisches Gesund-
heitsverstaumlndnis schlieszligen
Als angebotene Maszlignahmen werden meist Sport- und Bewegungsangebote genannt aber
auch eine Apfelpause um kurz von der Arbeit entspannen zu koumlnnen Daruumlber hinaus gab es
Angebote zur Fuszlighygiene und zur Zahn- und Augengesundheit Hier ist der Uumlbergang zwi-
schen Gesundheitsfoumlrderung und Praumlvention flieszligend Bzgl (zukuumlnftiger) Angebote werden
die Beschaumlftigten nach ihren Wuumlnschen gefragt aber eine wirkliche Mitbestimmung in Kon-
zeption und Planung dieser scheint nicht gegeben Auch bei der Evaluation findet bisher keine
Partizipation statt Die Befragung hat jedoch den bisherigen Eindruck bestaumltigt dass gesund-
heitsfoumlrdernde Maszlignahmen in WfbMs von behinderten Menschen durchaus nachgefragt wer-
den und die Werkstaumltten versucht sind im Rahmen der begleitenden Maszlignahmen ein sehr
breites Feld abzudecken Negativ scheint besonders das weitgehende Fehlen partizipativer
Strukturen
In den Werkstaumltten werden viele Angebote im Rahmen begleitender Maszlignahmen offeriert die
fuumlr die Gesundheit foumlrderlich sind Als Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung die die Prinzi-
pien der BVPG verinnerlichen koumlnnen sie jedoch nicht gesehen werden da zB die Partizipa-
tion eine eher untergeordnete Rolle spielt und die Thematik meist auf Sport- und zT Ernaumlh-
rungsangebote beschraumlnkt bleibt Auch werden die Effekte der Maszlignahmen nicht evaluiert
Entspannungsangebote werden nur selten angeboten und der Fokus richtet sich meist nur auf
die koumlrperliche Gesundheit
Daruumlber hinaus zeigt die Befragung aber auch welch groszliges Potential zur Gesundheitsfoumlrde-
rung in den Werkstaumltten liegt Mit den begleitenden Maszlignahmen sind Strukturen verankert in
denen Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung leicht integriert werden koumlnnen Offenheit fuumlr
Kooperationen scheint vielfach gegeben (zB mit Special Olympics Deutschland Fitness
First) sodass auch eine Kooperation mit den Krankenkassen und weiteren Partnern vorstell-
bar scheint Dies wuumlrde den Vorteil finanzieller Foumlrderung und Expertise durch Erfahrungen
mit bereits durchgefuumlhrten Maszlignahmen einbringen Die befragten Mitarbeiterinnen und Mit-
arbeiter schienen Gesundheitsfoumlrderung gegenuumlber prinzipiell sehr positiv eingestellt
Auch wenn in den Leitbildern und auf den Homepages Gesundheitsfoumlrderung nicht themati-
siert wird gibt es in der Praxis schon verschiedene Maszlignahmen und Projekte mit der Intenti-
on die Gesundheit der Beschaumlftigten zu verbessern
30
45 Anregungen fuumlr die Praxis
Vor dem Hintergrund der zu Rate gezogenen Literatur und den gewonnen Erkenntnissen
durch die Feldbefragung werden nun einige Uumlberlegungen fuumlr die Praxis einer gelingenden
Gesundheitsfoumlrderung getroffen Diese koumlnnen als moumlgliche Anregungen zur Umsetzung ver-
standen werden
451 Partizipation und Empowerment in der Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behin-
derung
Erfolgreiche Gesundheitsfoumlrderung braucht Partizipationsmoumlglichkeiten fuumlr die jeweilige
Zielgruppe Partizipation ist schlieszliglich nicht nur Teilnahme sondern aktive Teilhabe und
damit einhergehend die Moumlglichkeit mitzubestimmen und mitzuentscheiden Dazu gehoumlrt
auch die Definitionsmacht also die Macht (mit)zubestimmen an welche die Gesundheit be-
treffenden Aspekte in einer Maszlignahme zur Gesundheitsfoumlrderung herangegangen werden soll
(vgl Wrightvon UngerBlock 2010 S 39) Diese aktive Teilhabe muss also bereits zu Be-
ginn einer Maszlignahme Teil dieser sein Partizipation bedeutet folglich auch Macht Partizipa-
tion zu ermoumlglichen bedeutet Empowerment also die Ermaumlchtigung eines Individuums oder
einer Gruppe So bekommt Partizipation in der Gesundheitsfoumlrderung auch eine gesellschaft-
liche und politische Komponente denn dadurch koumlnnen Menschen mit Behinderungen lernen
mitzubestimmen mitzuentscheiden und eigene Interessen zu vertreten Diese erlernten Faumlhig-
keiten lassen sich auf die Handlungsebene in einer demokratischen Gesellschaft uumlbertragen
Sowohl Empowerment als auch Partizipation gehoumlren zu den in 31 erwaumlhnten Prinzipien der
BVPG Diese weist darauf hin dass Partizipation in saumlmtlichen Phasen einer Maszlignahme ge-
geben sein muss beginnend mit der Bedarfsanalyse der Planung in der Durchfuumlhrung und
abschlieszligend in der BewertungEvaluation So kann die Wirksamkeit einer Maszlignahme erhoumlht
werden (vgl BVPG 2013 S 90) Teilhabe kann als ein wichtiger Bestandteil der Qualitaumltssi-
cherung gesehen werden Bisher finden Maszlignahmen zur Qualitaumltssicherung nur selten unter
Partizipation der Zielgruppe statt Diese partizipativ zu beteiligen hilft die Qualitaumlt der Ge-
sundheitsfoumlrderung aufrechtzuerhalten oder sogar zu verbessern (vgl Wrightvon Un-
gerBlock 2010 S 35)
Teilhabe ist bei behinderten Menschen besonders wichtig Ihr Leben ist haumlufig von Beginn an
stark fremdbestimmt und von Abhaumlngigkeit gepraumlgt Somit lernen sie seltener als nicht behin-
31
derte Menschen Verantwortung zu uumlbernehmen und selbststaumlndig zu agieren Dies kann bis
hin zur sog bdquoerlernten Hilflosigkeitldquo fuumlhren Vor diesem Hintergrund scheint Partizipation
umso wichtiger aber auch umso arbeitsintensiver Sie ist daher in der Praxis der Gesundheits-
foumlrderung haumlufig sehr arbeitsintensiv und benoumltigt folglich zeitliche Ressourcen und damit
einhergehend finanzielle Ressourcen (vgl Loss 2009 S 10)
Traditionell sind viele Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung top-down organisiert das be-
deutet eine Einrichtung ein Geldgeber etc plant eine Maszlignahme fuumlhrt diese durch und eva-
luiert sie Zur Erreichung der eigenen Ziele wird die Zielgruppe mobilisiert ohne ein Mitspra-
cherecht zu den einzelnen Bausteinen der Maszlignahme zu haben Diese Struktur verdeutlicht
das Maumlchteungleichwicht zwischen Anbieter und Zielgruppe und zementiert den Status be-
hinderter Menschen als Abhaumlngige und Ohnmaumlchtige Der Gegensatz zu top-down-
Programmen ist der bottom-up-Ansatz Hier findet eine Machtteilung statt da die Gesund-
heitsfoumlrderinnen und Gesundheitsfoumlrderer ihre Macht mit der Zielgruppe teilen und eher die
Rolle von Unterstuumltzerinnen und Unterstuumltzern einnehmen Die Zielgruppe soll unterstuumltzt
werden ihre eigenen Probleme festzustellen und Loumlsungen sowie Maszlignahmen zu erarbeiten
In der Planung Durchfuumlhrung und Evaluation kommt ihr damit eine aktive Rolle zu (vgl La-
verack 2010 S 77) Bottom-up-Programme scheinen daher fuumlr Partizipation und Empower-
ment geeigneter als top-down-Strukturen Allerdings schlieszligen sich beide Ansaumltze nicht
zwingend aus sondern Maszlignahmen koumlnnen Eigenschaften beider Ansaumltze aufweisen In
WfbMs scheinen Maszlignahmen sehr haumlufig top-down organisiert zu sein Die staumlrkere Veranke-
rung von bottom-up-Strukturen waumlre hier im Sinne einer Teilhabe ndash in der Werkstatt wie auch
daruumlber hinaus auf gesellschaftlicher Ebene ndash vorteilhaft und wuumlnschenswert
452 Peer-Multiplikatorinnen und -Multiplikatoren
Eine Strategie die in der Praxis der Gesundheitsfoumlrderung bereits mit positiven Ergebnissen
getestet wurde sind Peer-Multiplikatorinnen und -Multiplikatoren Das Modell der Multipli-
katorinnen und Multiplikatoren war bereits Grundlage vieler gesundheitsfoumlrdernder Maszlignah-
men mit sozial benachteiligten Menschen die auch in der Literatur vielfach dokumentiert
sind Auch in der Arbeit mit behinderten Menschen ist dieses Konzept nicht neu Auf Maszlig-
nahmen zur Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung wurde es bisher kaum an-
gewandt scheint jedoch erfolgsversprechend Das Projekt GESUND welches mit einer Ber-
liner WfbM durchgefuumlhrt wird arbeitet mit diesem Konzept (vgl Burtscher 2014 S 8) Die
32
Funktion von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren besteht darin Kenntnisse und Informa-
tionen zur Gesundheit(-sfoumlrderung) der Zielgruppe mit Hilfe der ihnen innewohnenden Ver-
trauensstellung naumlher zu bringen Sie haben daher eine bdquoMittlerfunktionldquo (BVPG 2013 S 92)
zwischen Durchfuumlhrenden und Zielgruppe Voraussetzung dafuumlr ist dass sie der Zielgruppe
angehoumlren oder zumindest eine sehr enge Verbindung zu ihr besitzen Im Zuge einer Maszlig-
nahme werden sie selbst gestaumlrkt sozusagen bdquoempowertldquo Ihre Mittlerfunktion funktioniert
allerdings auch in die andere Richtung Sie bringen den Durchfuumlhrenden die Perspektive der
Zielgruppe naumlher Im Idealfall fuumlhrt der Einsatz von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren
zur Aktivierung der Zielgruppe die ihr selbstbestimmtes Handeln auch auf andere Bereiche
ausdehnen kann (vgl Stickan-Verfuumlrth 2005 S 108) Diesem Modell sehr aumlhnlich ist das
Modell des Peer-Counseling Hier stehen Mitglieder der Zielgruppe in beratender Funktion
ihrer Peer-Gruppe zur Verfuumlgung
453 Verknuumlpfung von Betrieblicher Gesundheitsfoumlrderung und Gesundheitsfoumlrderung in
Werkstaumltten fuumlr behinderte Menschen
Eine Uumlbertragung der Idee der Betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung auf die Gesundheitsfoumlrde-
rung in WfbMs scheint in der Tat realisierbar Den rechtlichen und finanziellen Rahmen hier-
fuumlr hat das 2015 beschlossene Praumlventionsgesetz geschaffen (siehe 33) Im Entwurf der Bun-
desregierung wird in der Anmerkung zum neuen sect 20 Abs 4 SGB V explizit darauf hinge-
wiesen dass Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung auch in WfbMs zum Leistungsspektrum der
Krankenkassen gehoumlrt (vgl Deutscher Bundestag 2015 S 34) Eine Etablierung hiervon in
der Praxis haumlngt in erster Linie neben den Krankenkassen auch von den Leitungen der WfbMs
ab Sollten diese hierfuumlr und auch gegenuumlber partizipativen Strukturen offen sein waumlre der in
351 kurz vorgestellte Gesundheitszirkel ein passender Startpunkt um von Beginn an auch
die Partizipation der Beschaumlftigten zu gewaumlhrleisten Analog zum Konzept der BGF koumlnnten
gemeinsam Maszlignahmen erarbeitet werden die die Gesundheit der Beschaumlftigten foumlrdern wuumlr-
den Den Vertreterinnen und Vertretern der Beschaumlftigten die im Gesundheitszirkel mitwir-
ken koumlnnte dabei die Rolle von Peer-Multiplikatorinnen und -Multiplikatoren zukommen
Als Effekte duumlrften die in 351 beschriebenen auch hier zu erwarten sein eine Verbesserung
der Gesundheit und eine Staumlrkung der gesundheitlichen Ressourcen eine Verringerung der
krankheitsbedingten Fehltage eine staumlrkere Identifikation der Beschaumlftigten mit der Werk-
33
statt ein besseres Arbeitsklima eine houmlhere Motivation und Arbeitszufriedenheit und eine
Steigerung der Produktivitaumlt
Es empfiehlt sich im Sinne der Partizipation und des Empowerments kein reines top-down-
Programm zu starten sondern einen bottom-up-Ansatz zu waumlhlen bzw zumindest mehrere
Elemente dessen einzubauen Als Anknuumlpfungspunkt koumlnnen bereits bestehende begleitende
Maszlignahmen mit passender Thematik genommen werden
Wie bdquonormaleldquo Betriebe koumlnnten auch WfbMs Kooperationen in ihrem raumlumlichen Umfeld
aufbauen und von Vernetzungen profitieren Aufgrund ihrer Groumlszlige sind sie in ihrem Sozial-
raum ein meist nicht zu unterschaumltzender Akteur
34
5 Fazit und Ausblick
Ausgehend von einem bio-psycho-sozialen Verstaumlndnis von Gesundheit wurden verschiedene
Aspekte der Gesundheitsfoumlrderung vertieft und anschlieszligend eine Verknuumlpfung zur Gesund-
heitsfoumlrderung mit behinderten Menschen hergestellt Hierbei lag der Fokus auf gesundheits-
foumlrdernden Maszlignahmen in WfbMs Dabei wurde die aktuelle Literatur zu Rate gezogen In-
ternetauftritte einiger Werkstaumltten durchsucht und Stimmen aus dem Feld von Mitarbeiterin-
nen und Mitarbeitern sowie Beschaumlftigten von Werkstaumltten gewonnen
Die Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung ist noch immer relativ schwach
ausgebaut Dies stellt sich besonders vor dem Hintergrund als problematisch dass behinderte
Menschen haumlufig anfaumllliger fuumlr Krankheiten sind und durchschnittlich uumlber einen subjektiv als
schlechter bewerteten Gesundheitsstatus verfuumlgen als nichtbehinderte Menschen Wie viele
sozial benachteiligte Gruppen sind sie verhaumlltnismaumlszligig schwer zu erreichen fuumlr gesundheits-
foumlrdernde Maszlignahmen Obwohl es in der Erreichbarkeit mehrere Probleme gibt verfuumlgen
Menschen mit Behinderung auf der anderen Seite uumlber groszlige Potentiale Das neue Praumlventi-
onsgesetz ist ein erheblicher Fortschritt bei der Finanzierung gesundheitsfoumlrdernder Maszlignah-
men Sogar eine Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung in Werkstaumltten ist wenn auch nicht ex-
plizit verankert so doch zumindest gewuumlnscht
Gelingende Gesundheitsfoumlrderung muss sich im Allgemeinen und auch bei der Arbeit mit
behinderten Menschen an bestimmten Prinzipien messen lassen Besonders wichtig vor dem
gesellschaftlichen Hintergrund ist hier die Partizipation der Menschen mit Behinderung und
damit einhergehend das Empowerment dieser Beide wirken sich positiv auf die Qualitaumlt der
gesundheitsfoumlrdernden Maszlignahmen aus gehen jedoch auch daruumlber hinaus Sie koumlnnen Men-
schen mit Behinderungen auch auf gesellschaftlicher Ebene empowern sodass ihnen eine
groumlszligere gesellschaftliche Teilhabe zukommt Somit erlangt Gesundheitsfoumlrderung auch vor
dem Hintergrund der Inklusion eine hohe Relevanz
In WfbMs ist gezielte Gesundheitsfoumlrderung bisher wenig verbreitet Einzelne Projekte sind
eher die Ausnahme denn die Regel Jedoch sind die Potentiale der Werkstaumltten enorm Das
Personal scheint haumlufig offen fuumlr Maszlignahmen zu sein und gerade die Strukturen der beglei-
tenden Maszlignahmen lieszligen eine relativ einfache Integration von Maszlignahmen zur (betriebli-
chen) Gesundheitsfoumlrderung zu Bestehende begleitende Maszlignahmen in welchen Sport oder
Bildungsangebote zu gesunder Ernaumlhrung angeboten werden koumlnnten ohne uumlbermaumlszligigen
Aufwand zu gezielten Maszlignahmen fuumlr Gesundheitsfoumlrderung ausgebaut werden Nachholbe-
darf bestuumlnde hier vor allem auf dem Gebiet der Partizipation Nur selten scheinen die Be-
35
schaumlftigten in Konzeption Planung Durchfuumlhrung und Evaluation aktiv eingebunden zu sein
In bestimmten Phasen wie etwa der Konzeption und besonders der Evaluation scheint aktive
Teilhabe noch uumlberhaupt nicht verankert zu sein Eine staumlrkere Partizipation in allen Berei-
chen waumlre mit houmlherem Arbeits- und Kostenaufwand verbunden welcher durch eine Einbin-
dung der Krankenkassen moumlglicherweise aufgefangen werden koumlnnte Die Partizipation foumlr-
dern wuumlrde auch die Etablierung von Peer-Beratung und Peer-Multiplikatorinnen und
-Multiplikatoren Diesen kaumlme beim Zugang zur Zielgruppe eine Schluumlsselfunktion zu und
gleichzeitig koumlnnten sie Bedarfe und Beduumlrfnisse dieser gegenuumlber den anderen Akteuren
kommunizieren Auch wenn es bisher keine konkreten ausgearbeiteten Konzepte zur Gesund-
heitsfoumlrderung in WfbMs gibt koumlnnten bestehende Konzepte zur Betrieblichen Gesundheits-
foumlrderung eventuell leicht uumlberarbeitet fuumlr Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung in Werkstaumltten
analog angewendet werden
Die Potentiale und Moumlglichkeiten zur Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung
in WfbMs sind also mannigfaltig und haumlufig vorhanden Auf diesen koumlnnte aufgebaut werden
um behinderten Menschen das Recht auf das in Artikel 25 der UN-BRK festgeschriebene bdquoer-
reichbare Houmlchstmaszlig an Gesundheitldquo zu ermoumlglichen
Gesundheitsfoumlrderung ist mehr als Werbeplakate an Bus- oder Straszligenbahnhaltestellen und
Clips im Aktuellen Sportstudio sie ist mehr als Sportangebote und Angebote zu gesunder
Ernaumlhrung sie ist auch ein Weg zum Erreichen eines Menschenrechtes das Recht auf Ge-
sundheit
36
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41
Anhang
Nr 1 Abbildung zu den Hauptdeterminanten der Gesundheit nach DahlgreenWhitehead
2007 S 11
Nr 2 Befragung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Beschaumlftigten der WfbMs
42
Nr 1 Abbildung zu den Hauptdeterminanten der Gesundheit nach DahlgreenWhitehead
2007 S 11
43
Nr 2 Befragung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Beschaumlftigten der WfbMs
Um moumlglichst effizient die Stimmen aus vier WfbMs unterschiedlicher Traumlger zu erheben
wurden diese auf dem Infotag der LAG WfbM Berlin am 17112015 gesammelt Hier waren
verschiedene Werkstaumltten mit Informationsstaumlnden vertreten Gewaumlhlt wurden die Werkstaumlt-
ten an deren Staumlnden der Verfasser zuerst vorbeilief Die gestellten Fragen waren stets die-
selben
Den Vertretern der Werkstatt wurde zugesichert dass ihr Name nicht in der vorliegenden Ar-
beit genannt wird lediglich ihre Position in der Werkstatt wird erwaumlhnt Es wurden auszligerdem
keine weiteren Personendaten erhoben
Wenn moumlglich sollten auszligerdem fuumlnf Beschaumlftige pro WfbM befragt werden Hierfuumlr wurde
am Ende des kurzen Interviews um Erlaubnis gefragt Den Beschaumlftigten wurden andere Fra-
gen gestellt als dem Werkstattpersonal jedoch erhielten alle Beschaumlftigten dieselben Fragen
untereinander Den Beschaumlftigen wurde komplette Anonymitaumlt in der vorliegenden Arbeit
zugesichert und es wurden keine personenbezogenen Daten abgefragt Zuerst wurde nach
ihrem Verstaumlndnis von Gesundheitsfoumlrderung gefragt Vor den Fragen 2 bis 5 wurde kurz
erklaumlrt wie Gesundheitsfoumlrderung verstanden werden kann um davon ausgehend die restli-
chen Fragen zu beantworten
Bei saumlmtlichen Interviews wurde auf Transkriptionen verzichtet es wurden lediglich die
Kernaussagen mitgeschrieben
Im Folgenden finden sich exemplarisch die jeweils gestellten Fragen
44
Fragen an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der WfbM
Name der WfbM
Position der befragten Person Begleitender Dienst
1 Was verstehen Sie unter Gesundheitsfoumlrderung
2 Was bieten Sie im Rahmen der Gesundheitsfoumlrderung an
3 Wie werden die Maszlignahmen angenommen
4 Wuumlrden Sie gerne mehr anbieten oder finden Sie die Angebote ausreichend
5 Gibt es Schwierigkeiten
6 Wie steht es um die Partizipation in den Angeboten (Werden die Angebote von Beschaumlf-
tigten mitentwickelt mitevaluiert etc)
7 Werden die Angebote evaluiert
45
Fragen an die Beschaumlftigen der WfbM
Name der WfbM
Datum
1 Wissen Sie was Gesundheitsfoumlrderung ist Wenn ja wie wuumlrden sie es beschreiben
[Moumlgliche Erklaumlrung fuumlr Beschaumlftigte die sich nichts unter Gesundheitsfoumlrderung vorstellen
koumlnnen Zur Gesundheitsfoumlrderung gehoumlrt alles was fuumlr Ihre Gesundheit gut ist zB Kur-
seMaszlignahmen usw die mit Bewegung Ernaumlhrung Wohlfuumlhlen am Arbeitsplatz oder Ent-
spannen zu tun haben]
2 Welche Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung werden Ihnen von der Werkstatt angebo-
ten
3 Werden Ihrer Meinung nach genuumlgend Angebote zur Gesundheitsfoumlrderung in der Werk-
statt angeboten
4 Duumlrfen Sie bei der Entwicklung und Evaluation (Auswertung am Ende) mitbestimmen
5 Was sind Ihre Wuumlnsche bezuumlglich der Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung
8
den drei Elementen Verstehbarkeit Handhabbarkeit und Bedeutsamkeit Verstehbarkeit be-
deutet seine Welt als stimmig und verstaumlndlich einzuordnen und Belastungen in einem groumlszlige-
ren Zusammenhang sehen zu koumlnnen Handhabbarkeit bezeichnet das Gefuumlhl die Aufgaben
und Probleme denen man begegnet mit seinen Ressourcen bewaumlltigen zu koumlnnen Bedeut-
samkeit ist die Uumlberzeugung von der eigenen Lebensfuumlhrung die mit Zielen verbunden ist
fuumlr die sich einzusetzen lohnenswert erscheint (vgl Antonovsky 1997 S 33 ndash 36) Legt man
den Fokus nun also auf die Aufrechterhaltung oder Verbesserung der Gesundheit sind die
dafuumlr in der Praxis konzipierten Maszlignahmen ndash ganz der Denktradition der Salutogenese fol-
gend ndash Schritte zur Gesundheitsfoumlrderung
23 Gesundheitsfoumlrderung und ihre Abgrenzung zur Praumlvention
Die Idee der Gesundheitsfoumlrderung fuszligt auf einem Gesundheitsverstaumlndnis wie es die Saluto-
genese aufzeigt Ein wichtiger Grundstein fuumlr unser heutiges Verstaumlndnis von Gesundheits-
foumlrderung wurde bereits 1986 mit der Ottawa-Charta der WHO gelegt bdquoGesundheitsfoumlrde-
rung zielt auf einen Prozess allen Menschen ein houmlheres Maszlig an Selbstbestimmung uumlber ihre
Gesundheit zu ermoumlglichen und sie damit zur Staumlrkung ihrer Gesundheit zu befaumlhigenldquo (WHO
1986 S 1) Gesundheitsfoumlrderung ist also bdquoeine Promotionsstrategie bei der Menschen durch
Verbesserung ihrer Lebensbedingungen eine Staumlrkung der gesundheitlichen Entfaltungsmoumlg-
lichkeiten erfahren sollenldquo (HurrelmannKlotzHaisch 2010 S 13 Herv weggelassen) Kon-
kret in der Praxis aumluszligert sich Gesundheitsfoumlrderung in unterschiedlichsten Maszlignahmen auf
den verschiedenen Ebenen Individuum Setting und PolitikGesamtgesellschaft (vgl Alt-
geldKolip 2010 S 4647) So sind etwa Schritte zur Steigerung des Selbstwertgefuumlhls (Indi-
viduumsebene) Ernaumlhrungsprogramme in Schulen (Setting) oder eine gesetzlich verankerte
finanzielle Unterstuumltzung zum Vereinsbeitrag fuumlr Kinder aus einkommensschwachen Fami-
lien in Sportvereinen (Politik) Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung Auf saumlmtlichen Ebenen
ist eine Partizipation der Zielgruppe fuumlr eine gelingende Gesundheitsfoumlrderung erstrebenswert
(vgl FaltermaierWihofszky 2012 S 102) Als Kernelemente der Gesundheitsfoumlrderung
weist die WHO in der Ottawa-Charta Ganzheitlichkeit oumlkologische Verantwortung und ge-
genseitige Fuumlrsorge aus (vgl WHO 1986 S 5) Dieser universelle Anspruch findet seine
Fortsetzung in der Jakarta-Erklaumlrung die als Ziele den groumlszligtmoumlglichen Gesundheitsgewinn
der Bevoumllkerung die Reduzierung gesundheitlicher Ungleichheiten und die Staumlrkung der
Menschenrechte formuliert (vgl WHO 1997 S 2)
9
Unterscheiden kann man gesundheitsfoumlrdernde Strategien zwischen Verhaltens- und Verhaumllt-
nisebene Verhaltensorientierte Maszlignahmen setzen beim Verhalten des einzelnen Menschen
oder einer Gruppe zB ihrer Ernaumlhrung oder der Haumlufigkeit von Bewegung an Verhaumlltnis-
bezogene Maszlignahmen setzen an den Verhaumlltnissen an in denen ein oder mehrere Menschen
leben Dies kann sich auf saumlmtliche Lebensbereiche beziehen zB Wohnen Arbeit oder Frei-
zeit Hier kann beispielhaft die Verfuumlgbarkeit von Gruumlnflaumlchen oder Spielplaumltzen aufgefuumlhrt
werden Eine Verbindung beider Ansaumltze ist durchaus moumlglich
Abzugrenzen ist die Gesundheitsfoumlrderung von der Praumlvention Als jene gelten Maszlignahmen
zur Vermeidung des Auftretens bzw Fortschreitens bestimmter Krankheiten Praumlvention und
Gesundheitsfoumlrderung zielen beide auf einen Gesundheitsgewinn ab jedoch setzt erstere beim
Verringern von Risikofaktoren an letztere beim Schaffen und Staumlrken von Ressourcen also
Schutzfaktoren (vgl HurrelmannKlotzHaisch 2010 S 1617) Anders ausgedruumlckt Praumlven-
tion ist pathogenetisch das bedeutet an der Entstehung von Krankheiten orientiert Gesund-
heitsfoumlrderung hingegen salutogenetisch orientiert Generell muumlssen Praumlvention und Gesund-
heitsfoumlrderung als sich ergaumlnzende nicht als konkurrierende Interventionsformen mit ver-
schiedener Sachlogik gesehen werden (vgl Hurrelmann 2006 S 150) Beide Strategien sind
in der Zielsetzung des Zugewinns an Gesundheit geeint jedoch unterscheiden sie sich als In-
terventionsformen durch verschiedenartige Wirkungsprinzipien In der Praxis sind nicht alle
konkreten Maszlignahmen trennscharf einer der beiden Strategien zuzuordnen Uumlberschneidun-
gen sind moumlglich
Zusammengefasst laumlsst sich konstatieren bdquoGesundheitsfoumlrderung bezeichnet alle Eingriffs-
handlungen die der Staumlrkung von individuellen Faumlhigkeiten der Lebensbewaumlltigung dienenldquo
(HurrelmannKlotzHaisch 2010 S 14 Herv weggelassen)
Vertiefende Problemstellungen wie etwa die Erreichbarkeit bestimmter Bevoumllkerungsgrup-
pen und rechtliche Rahmenbedingungen in Deutschland werden im weiteren Verlauf der Ar-
beit aufgegriffen
10
3 Allgemeine Grundlagen der Gesundheitsfoumlrderung
Es wurde bereits grob umrissen was Gesundheitsfoumlrderung kennzeichnet Nun sollen einzelne
Aspekte inhaltlich vertieft werden auf denen anschlieszligend eine (moumlgliche) Gesundheitsfoumlrde-
rung in WfbMs (siehe Kapitel 4) aufbauen kann
31 Leitgedanken der Gesundheitsfoumlrderung
In der Praxis koumlnnen gesundheitsfoumlrdernde Maszlignahmen ganz unterschiedlich aussehen Damit
sie fuumlr die Menschen die daran teilnehmen dauerhaft eine positive Wirkung aufweisen hat
die Bundesvereinigung Praumlvention und Gesundheitsfoumlrderung eV (BVPG)4 sieben bdquoPrinzi-
pien guter Praumlvention und Gesundheitsfoumlrderungldquo formuliert in ihrem Sinne gute Gesund-
heitsfoumlrderung ist demnach gekennzeichnet durch (1) Autonomie und Empowerment (2) Par-
tizipation (3) Lebenswelt- und Lebensstilbezug (4) Gesundheitliche Chancengleichheit
(5) Konzeptbasierung (6) Evaluation sowie (7) Nachhaltigkeit (vgl BVPG 2013 S 9091)
Das Prinzip (1) Autonomie und Empowerment bedeutet dass eine Maszlignahme durch Selbst-
bestimmung gepraumlgt ist und die Teilnehmenden zur Selbststaumlndigkeit befaumlhigt die eigene
Gesundheit und die anderer zu gestalten (vgl BVPG 2013 S 90) Die Idee Gesundheit ande-
rer mitzugestalten findet ua in den Strategien Peer Counseling und Multiplikatorinnen und
Multiplikatoren ihre praktische Umsetzung (siehe 452) Empowerment kann an dieser Stelle
uumlber die Ebene der persoumlnlichen Gesundheit hinaus gedacht werden Menschen werden nicht
nur dazu befaumlhigt ihre eigene Gesundheit selbst zu gestalten sondern koumlnnen als gesunde
Buumlrger ihre Interessen oder die bestimmter Bevoumllkerungsgruppen selbstbewusst vertreten
(vgl Laverack 2010 S 27) Im Sinne der (2) Partizipation sollen Vertreterinnen und Vertreter
der Zielgruppe in allen Phasen einer Maszlignahme aktiv mitgestalten und mitentscheiden Auf
die Partizipation von Menschen mit Behinderung wird in 451 noch detaillierter eingegangen
Der (3) Lebenswelt- und Lebensstilbezug betont den bereits erwaumlhnten Setting-Ansatz
schlieszligt jedoch gesamtgesellschaftliche bzw individualbezogene Strategien ebenfalls mit ein
Gelingende Gesundheitsfoumlrderung braucht immer einen konkreten Anknuumlpfungspunkt in der
Lebenswelt des bzw der Menschen (4) Gesundheitliche Chancengleichheit fordert dass va
4 Die BVPG ist ein gemeinnuumltziger politisch und konfessionell unabhaumlngiger Verbund bestehend aus Bundes-
verbaumlnden des Gesundheitswesens darunter die Bundesaumlrztekammer den Spitzenverbaumlnden der Sozialversiche-
rungstraumlger sowie Verbaumlnden der Heil- und Hilfsberufe Sozial- und Wohlfahrtsverbaumlnden und Bildungseinrich-
tungen mit Arbeitsschwerpunkt im Bereich Praumlvention und Gesundheitsfoumlrderung
11
sozial benachteiligte Menschen zu denen haumlufig auch behinderte Menschen gehoumlren beson-
ders in ihrer Gesundheit gefoumlrdert werden da mit einem niedrigeren soziooumlkonomischen Sta-
tus oft eine schlechtere Gesundheit einhergeht (vgl Lampert et al 2013 S 814) Diese Be-
voumllkerungsgruppen gelten jedoch als besonders schwer erreichbar fuumlr gesundheitsfoumlrdernde
Maszlignahmen insbesondere wenn diese fuumlr die Gesamtbevoumllkerung ausgelegt sind (vgl
Mielck 2010 S 113)
Generell sollten Programme zur Gesundheitsfoumlrderung stets auf einem (5) Konzept beruhen
in dem Mittel Zeit Ressourcen und Ziele festgelegt und eine Bedarfsanalyse und Beschrei-
bung des Wirkungsmodells verankert sind Auch der geplante Weg einer Verstetigung der
Maszlignahme soll hier aufgezeigt werden (vgl BVPG 2013 S 91) Durch das Prinzip der
(6) Evaluation soll eine Qualitaumltssicherung erfolgen von der durch Veroumlffentlichung auch
andere profitieren koumlnnen (7) Nachhaltig soll Gesundheitsfoumlrderung auf saumlmtlichen Ebenen
sein es muss auf moumlgliche negative (Spaumlt-)Folgen geachtet werden der Umgang mit den
Ressourcen und der Umwelt sollte nachhaltig sein und es sollte eine Wirkung uumlber die Dauer
der Maszlignahme hinaus entstehen (vgl BVPG 2013 S 91)
32 Auswirkungen von Gesundheitsfoumlrderung auf den Menschen
Wie bereits dargelegt soll Gesundheitsfoumlrderung die Gesundheit der Menschen verbessern
Dies kann auf ganz unterschiedliche Weise geschehen Als Strategien sind hier die schon er-
waumlhnten verhaltens- und verhaumlltnisorientierten Strategien moumlglich und die Interventionsebene
kann auf individueller Ebene liegen an einem bestimmten Setting ansetzen oder die gesamte
Gesellschaft als Ausgangspunkt nehmen
Da Gesundheit als bdquoZustand des vollstaumlndigen koumlrperlichen geistigen und sozialen Wohler-
gehensldquo (WHO 2014 S 1) betrachtet wird soll eine gesundheitsfoumlrdernde Maszlignahme das
Befinden in einem oder mehreren dieser Teilbereiche ndash in einer ganzheitlichen Betrachtung
haumlngen diese stark zusammen und beeinflussen sich gegenseitig ndash positiv beeinflussen Im
Sinne der Salutogenese werden also Ressourcen entwickelt undoder gestaumlrkt Verbreitete
Strategien der Gesundheitsfoumlrderung wie etwa Sport gesunde Ernaumlhrung und Entspannung
aber auch soziale Ausgewogenheit und Partizipation als strukturelle Verhaumlltnisse muumlssen von
der Zielgruppe als positiv erlebt werden (vgl Geene 2005 S 21) Andernfalls ist keine oder
nur eine geringere Annahme bzw Wirkung des Programms zu erwarten Am Ende einer
Maszlignahme sollte stets eine Evaluation erfolgen Hier sind mit passend ausgewaumlhlten Evalua-
12
tionsinstrumenten die Auswirkungen des Programmes meist in irgendeiner Form messbar
entweder durch subjektive Einschaumltzungen zB wenn Teilnehmende angeben sich nun ge-
sunder zu fuumlhlen oder auch durch objektiv messbare Werte So koumlnnen bspw Werte wie Ge-
wicht Body-Mass-Index Blutwerte oder Ausdauer zu Beginn einer Maszlignahme mit denen am
Ende verglichen werden Eine hier erfolgreich ansetzende Maszlignahme hat meist (nicht nur)
eine Verbesserung der koumlrperlichen Gesundheit zur Folge Das gesenkte Risiko fuumlr Herz-
Kreislauf-Erkrankungen Krebs Erkrankungen der Atemwege der Verdauungsorgane oder
des Muskel-Skelett-Systems koumlnnen exemplarisch als Verbesserung der physischen Gesund-
heit aufgefuumlhrt werden (vgl HurrelmannKlotzHaisch 2010 S 20) Dies sind Anzeichen
dass sich der bdquoStandpunktldquo eines Menschen auf dem Gesundheits-Krankheits-Kontinuum
nach Antonovskys Modell der Salutogenese ein Stuumlck weiter Richtung Gesundheit verscho-
ben hat
Auch die Foumlrderung der Selbstwirksamkeit also der Uumlberzeugung auch schwierige Situatio-
nen mit eigenen Ressourcen loumlsen zu koumlnnen hat vielfaumlltige positive Auswirkungen auf die
Gesundheit und foumlrdert so diese (DlugoschDahl 2013 S 370) Maszlignahmen zur Entspannung
und Stressbewaumlltigung wirken sich im ersten Moment auf das seelische und psychische
Wohlbefinden aus haben dadurch aber sehr oft auch positive Auswirkungen auf den Koumlrper
Bestimmte Methoden wie etwa Yoga verfolgen schon im Ansatz eine ganzheitliche Vorstel-
lung bei welchem das Wohlbefinden koumlrperlich psychisch und seelisch gestaumlrkt wird (vgl
SimonHegerReszies 2011 S 169)
Die aufgefuumlhrten positiven Auswirkungen durch gesundheitsfoumlrdernde Maszlignahmen auf die
Gesundheit von Menschen sind nur einige Beispiele von sehr vielen Allen diesen Effekten zu
eigen ist jedoch dass sie sich positiv auf das gesundheitliche Wohlbefinden der Menschen
auswirken In deren subjektiven Empfinden verschiebt sich dadurch ihr Punkt auf dem Ge-
sundheits-Krankheits-Kontinuum des Salutogenesemodells ein Stuumlck in Richtung des Ge-
sundheitspols
33 Rechtliche Grundlagen
Die rechtliche Verankerung der Gesundheitsfoumlrderung findet sich in Deutschland im SGB V
wieder So legt sect 20 Abs 1 SGB V fest bdquoDie Krankenkasse sieht in der Satzung Leistungen
zur Verhinderung und Verminderung von Krankheitsrisiken (primaumlre Praumlvention) sowie zur
Foumlrderung des selbstbestimmten gesundheitsorientierten Handelns der Versicherten (Gesund-
13
heitsfoumlrderung) vorldquo5 Zurecht weist die Bundesaumlrztekammer in ihrer Stellungnahme zum
neuen Praumlventionsgesetz darauf hin dass diese Definition von Gesundheitsfoumlrderung nicht
umfassend genug ist da die Staumlrkung von Gesundheitsressourcen und ndashpotenzialen unerwaumlhnt
bleibt (vgl Bundesaumlrztekammer 2014 S 3) Die gesetzliche Krankenversicherung ist in
Deutschland von den Sozialversicherungszweigen finanziell mit Abstand am staumlrksten an der
Gesundheitsfoumlrderung beteiligt Gesetzlich verpflichtet war auszligerdem bisher nur die gesetzli-
che Unfallversicherung sodass die Beteiligung nicht-oumlffentlicher gemeinnuumltziger Traumlger wie
bspw Stiftungen zunehmend an Bedeutung gewinnt Der groumlszligte Teil der finanziellen Mittel
stammt allerdings aus oumlffentlichen Mitteln (vgl AltgeldKolip 2010 S 54) Durch das Prauml-
ventionsgesetz sind die gesetzlichen Krankenkassen nun nach sect 20 Abs 6 SGB V verpflich-
tet ab dem Jahr 2016 pro Versicherten 700 Euro statt wie im Jahr 2015 317 Euro fuumlr Praumlven-
tion und Gesundheitsfoumlrderung auszugeben Davon entfallen je 200 Euro auf Leistungen zur
Gesundheitsfoumlrderung und Praumlvention in Lebenswelten nach sect 20a SGB V und Betriebliche
Gesundheitsfoumlrderung nach sect 20b SGB V Das Praumlventionsgesetz sieht dabei eine Betriebli-
che Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen in WfbMs vor bdquoMit den Leistungen
[primaumlre Praumlvention und Gesundheitsfoumlrderung MP] sollen auch Menschen mit Behinde-
rung erreicht werden zB mit Leistungen zur betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung in Werk-
staumltten fuumlr behinderte Menschenldquo (Deutscher Bundestag 2015 S 34) Dies geht aus der vom
Deutschen Bundestag veroumlffentlichten Erlaumluterung zum Gesetzentwurf hervor
Die gesetzlichen Krankenkassen (unter Umstaumlnden auch die privaten Krankenkassen) sollen
des Weiteren mit den Traumlgern der Pflegeversicherung der Unfallversicherung und der Gesetz-
lichen Rentenversicherung eine bdquoNationale Praumlventionsstrategieldquo entwickeln (sect 20d SGB V)
die in der bdquoNationalen Praumlventionskonferenzldquo (sect 20e SGB V) ausgearbeitet und weitergefuumlhrt
wird In beiden Paragraphen geht es auch um Strategien der Gesundheitsfoumlrderung
Die gesetzlichen Pflegekassen sind nach sect 5 SGB XI fortan verpflichtet im Jahr 030 Euro je
Versicherter und Versichertem zur Gesundheitsfoumlrderung und Praumlvention in stationaumlren Pfle-
geeinrichtungen zu investieren
Eine gesetzliche Verankerung der Partizipation in der Gesundheitsfoumlrderung durch das Prauml-
ventionsgesetz ist hingegen ausgeblieben Ausgehend von der Annahme dass Gesundheits-
foumlrderung effektiver ist wenn die Zielgruppe an der Planung Durchfuumlhrung und Evaluation
5 Die Novellierung der sectsect 20ff SGB V ist eine Folge des 2015 verabschiedeten Gesetzes zur Staumlrkung der Ge-
sundheitsfoumlrderung und der Praumlvention Dieses ist im Internet verfuumlgbar unter
httpwwwbgbldexaverbgblstartxavstartbk=Bundesanzeiger_BGBlampjumpTo=bgbl115s1368pdf__bgbl__
2F2F[40attr_id3D27bgbl115s1368pdf27]__1446046078671 (Abrufdatum 28102015)
14
der Maszlignahme partizipiert (vgl FaltermaierWihofszky 2012 S 108) waumlre eine gesetzliche
Verankerung der Partizipation vorteilhaft gewesen
Das Recht auf Leistungen zur Gesundheitsfoumlrderung ergibt sich fuumlr Menschen mit Behinde-
rung auch aus der UN-BRK welche im Jahre 2009 von der Bundesrepublik Deutschland rati-
fiziert wurde In Artikel 25 heiszligt es hier bdquoDie Vertragsstaaten anerkennen das Recht von
Menschen mit Behinderungen auf das erreichbare Houmlchstmaszlig an Gesundheit ohne Diskrimi-
nierung aufgrund von Behinderungldquo Dieses houmlchsterreichbare Maszlig kann nur erreicht werden
wenn Menschen mit Behinderung konsequent in Maszlignahmen der Gesundheitsfoumlrderung ein-
bezogen werden Deutschland verpflichtet sich in Artikel 25 a) der UN-BRK behinderten
Menschen bdquoeine unentgeltliche oder erschwingliche Gesundheitsversorgung in der derselben
Bandbreite von derselben Qualitaumlt und auf demselben Standard zur Verfuumlgung [zu stellen]
wie anderen Menschen [hellip]ldquo Dies umfasst nicht nur kurative und rehabilitative Maszlignahmen
sondern auch solche zur Praumlvention und Foumlrderung der Gesundheit
34 Gesundheitsfoumlrderung in Settings
Da der Fokus dieser Arbeit auf der Gesundheitsfoumlrderung in WfbMs liegt werden nun einige
Aspekte zur Gesundheitsfoumlrderung in Settings also Lebenswelten genauer thematisiert
bdquoEin Setting ist ein Sozialzusammenhang in dem Menschen sich in ihrem Alltag aufhalten
und der Einfluss auf ihre Gesundheit hat Dieser soziale Zusammenhang ist relativ dauerhaft
und seinen Mitgliedern auch subjektiv bewusstldquo (HartungRosenbrock 2015 oS) Diese kur-
ze Definition enthaumllt die wichtigsten Merkmale eines Settings Jeder Mensch bewegt sich
folglich in verschiedenen Settings zB seiner Arbeitswelt seinem Wohnumfeld oder seinem
Freizeitbereich Dabei hat jedes Setting Einfluss auf die Menschen die sich in ihm bewegen
wie auch jeder Mensch gleichzeitig das jeweilige Setting beeinflusst Gesundheit ist hierbei
als ein wichtiges alltaumlgliches Element des jeweiligen Settings zu sehen und nicht ausschlieszlig-
lich als essenzielles und abstraktes Ziel (vgl RoumlmischWalther 2015 S 5 AltgeldKolip
2010 S 49) Dies betont auch die salutogenetische Position nach der jeder Mensch zu jedem
Zeitpunkt zumindest ein gewisses Maszlig an Gesundheit inne hat (vgl Antonovsky 1997 S 23)
Bereits in der Ottawa-Charta wird als eine Strategie zur Gesundheitsfoumlrderung bdquoGesundheits-
foumlrderliche Lebenswelten schaffenldquo (WHO 1986 S 3) genannt Elf Jahre spaumlter verdeutlicht
die Jakarta-Erklaumlrung die Wirksamkeit dieser Strategie bdquoDer wissenschaftliche Erkenntnis-
15
stand zeigt deutlich daszlig [hellip] insbesondere Settings [hellip] gute Moumlglichkeiten zur praktischen
Umsetzung solcher umfassenden Strategien bietenldquo (WHO 1997 S 3)
Dies mag va daran liegen dass eher schwer erreichbare Zielgruppen der Gesundheitsfoumlrde-
rung in ihren Lebenswelten relativ gut erreicht werden koumlnnen (vgl FaltermaierWihofszky
2012 S 110) Zu diesen Zielgruppen gehoumlren va sozial benachteiligte Menschen wie etwa
Menschen mit Migrationshintergrund in Armut lebende Menschen oder Menschen mit Be-
hinderungen Da das deutsche Gesundheitssystem stark mittelschichtsorientiert ist sind diese
schwerer zu erreichen als wohlhabendere Bevoumllkerungsschichten (vgl Stickan-Verfuumlrth 2005
S 105106) Besonders problematisch ist dies vor dem Hintergrund zu sehen dass gerade
sozial benachteiligte Menschen wie bereits erwaumlhnt haumlufig uumlber eine schlechtere Gesundheit
verfuumlgen
35 Gesundheitsfoumlrderung in der Lebenswelt bdquoArbeitldquo
Fuumlr eine Gesundheitsfoumlrderung in der Lebenswelt bdquoArbeitldquo sind besonders zwei Strategien
relevant die Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung (BGF) und das Betriebliche Gesundheitsma-
nagement
Die Begriffe bdquoBetriebliche Gesundheitsfoumlrderungldquo und bdquoBetriebliches Gesundheitsmanage-
mentldquo werden in der Literatur zT sehr unterschiedlich interpretiert Die Bandbreite reicht
hier von einer beinahe synonymen Verwendung bis hin zu einer klaren Abgrenzung Die hier
vorgenommene Unterscheidung ist dabei nur eine Moumlglichkeit unter mehreren
351 Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung
Als Grundsatzdokument der Betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung in Deutschland gilt heute
die Luxemburger Deklaration zur betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung in der Europaumlischen
Union aus dem Jahr 1997 Sie legt Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung wie folgt fest bdquoBe-
triebliche Gesundheitsfoumlrderung (BGF) umfasst alle gemeinsamen Maszlignahmen von Arbeit-
gebern Arbeitnehmern und Gesellschaft zur Verbesserung von Gesundheit und Wohlbefinden
am Arbeitsplatzldquo (Unternehmensnetzwerk zur betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung in der Eu-
ropaumlischen Union eV 2007 S 2 eigene Paginierung) Als Wege hierfuumlr sieht die Luxem-
burger Deklaration va drei Pfade welche in ihrer Verknuumlpfung am effektivsten scheinen die
16
Verbesserung der Arbeitsorganisation und der Arbeitsbedingungen die Staumlrkung der Partizi-
pation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und die Unterstuumltzung im Aufbau und der Wei-
terentwicklung persoumlnlicher Kompetenzen (vgl Unternehmensnetzwerk zur betrieblichen
Gesundheitsfoumlrderung in der Europaumlischen Union eV 2007 S 2)
Die Auswirkungen Betrieblicher Gesundheitsfoumlrderung sind mannigfaltig und durch Studien
belegt So kann hier aufgrund der verbesserten Gesundheit und der staumlrkeren Gesundheitsres-
sourcen eine Verringerung der Fehltage aufgrund von Krankheit angefuumlhrt werden Aber auch
die Wertschaumltzung und Fuumlrsorge durch den Betrieb koumlnnen eine staumlrkere Identifikation der
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit dem jeweiligen Unternehmen hervorrufen (vgl Si-
monHegerReszies 2011 S 3738) Dies hat ua ein besseres Arbeitsklima eine houmlhere Mo-
tivation und Arbeitszufriedenheit und daraus resultierend eine Steigerung der Produktivitaumlt
zur Folge (vgl Unternehmensnetzwerk zur betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung in der Euro-
paumlischen Union eV 2007 S 3) Diese positiven Effekte entfalten teilweise erst laumlngerfristig
ihre Wirkung Somit sind sie fuumlr das Unternehmen eine langfristige Investition die allerdings
Gefahr laumluft kurzfristigen betriebswirtschaftlichen Interessen entgegenzulaufen (vgl Rosen-
brockHartung 2015 oS)
Als Maszlignahmen der Betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung eignen sich sowohl verhaltens- als
auch verhaumlltnisbezogene Maszlignahmen Eine Kombination aus beiden waumlre im Sinne der
Ganzheitlichkeit durchaus gewinnbringend
Eine gesetzliche Verpflichtung fuumlr Unternehmen zur Betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung gibt
es fuumlr Unternehmen in Deutschland nicht Wie in Punkt 33 bereits erwaumlhnt ist der rechtliche
Zusammenhang in sect 20b Abs 1 Satz 2 SGB V geregelt bdquoHierzu erheben sie [die Kranken-
kassen MP] unter Beteiligung der Versicherten und der Verantwortlichen fuumlr den Betrieb
sowie der Betriebsaumlrzte und der Fachkraumlfte fuumlr Arbeitssicherheit die gesundheitliche Situation
einschlieszliglich ihrer Risiken und Potenziale und entwickeln Vorschlaumlge zur Verbesserung der
gesundheitlichen Situation sowie zur Staumlrkung der gesundheitlichen Ressourcen und Faumlhig-
keiten und unterstuumltzen deren Umsetzungldquo Nach sect 20 Abs 6 Satz 2 sind die Krankenkassen
dazu verpflichtet pro Versicherter und Versichertem 200 Euro im Jahr in Maszlignahmen zur
Betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung zu investieren
Obwohl der Nutzen Betrieblicher Gesundheitsfoumlrderung sowohl fuumlr die Belegschaft als auch
fuumlr das jeweilige Unternehmen selbst nachgewiesen ist (vgl RosenbrockHartung 2015 oS)
es sich also um eine Win-Win-Situation handelt ist ihre Verbreitung in Deutschland noch
eher gering Das liegt zum einen daran dass Unternehmen nicht zur Betrieblichen Gesund-
heitsfoumlrderung verpflichtet sind und diese daher auf Freiwilligkeit aller Akteure beruht Zum
17
anderen liegt es daran dass es sich um einen vielschichtigen Prozess handelt der durch inter-
ne externe oumlkonomische oder betriebspolitische Veraumlnderungen beeintraumlchtigt werden kann
(vgl RosenbrockHartung 2015 oS)
Fuumlr eine gelingende BGF ist Partizipation unumgaumlnglich denn nur so wird sichergestellt dass
moumlglichst viele Akteure besonders die Zielgruppe der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter er-
reicht wird (SimonHegerReszies 2011 S 46) Ein wichtiges Element hierbei ist der sog
bdquoGesundheitszirkelldquo Dieser setzt sich zusammen aus Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des
Betriebs wobei moumlglichst verschiedene Arbeitsbereiche und Hierarchieebenen vertreten sein
sollten Die Groumlszlige sollte dabei uumlberschaubar bleiben zB zwischen fuumlnf und acht Teilneh-
menden evtl ergaumlnzt durch einen externen Experten Im Zuge einer angestrebten Versteti-
gung von Gesundheitsfoumlrderung im Betrieb sind regelmaumlszligige Treffen sinnvoll (vgl Si-
monHegerReszies 2011 S 64 ndash 69) Um eine moumlglichst umfassende Partizipation zu ge-
waumlhrleisten empfiehlt es sich den Gesundheitszirkel von Beginn an also der Phase der Pla-
nung mit einzubeziehen Fuumlr eine Gesundheitsfoumlrderung in WfbMs scheint eine analoge An-
wendung des Konzeptes Gesundheitszirkel sowohl moumlglich als auch sinnvoll um von Beginn
an partizipative Strukturen zu etablieren
352 Betriebliches Gesundheitsmanagement
In der Literatur wird der Begriff des Betrieblichen Gesundheitsmanagements sehr unter-
schiedlich interpretiert Schlummer interpretiert ihn beinahe synonym zur Betrieblichen Ge-
sundheitsfoumlrderung wobei lediglich der Faktor der Arbeitssicherheit eine staumlrke Beruumlcksichti-
gung im Gesundheitsmanagement findet (vgl Schlummer 2015 S 35) Die Luxemburger
Deklaration hingegen sieht Arbeits- und Gesundheitsschutz in Unternehmen als Teil der Be-
trieblichen Gesundheitsfoumlrderung (vgl Unternehmensnetzwerk zur betrieblichen Gesund-
heitsfoumlrderung in der Europaumlischen Union eV 2007 S 4) In der vorliegenden Arbeit wird
der Arbeits- und Gesundheitsschutz ebenfalls unter der Strategie der Betrieblichen Gesund-
heitsfoumlrderung gesehen da er dem Verstaumlndnis von BGF als bdquoMaszlignahmen von Arbeitgebern
Arbeitnehmern und Gesellschaft zur Verbesserung von Gesundheit und Wohlbefinden am
Arbeitsplatzldquo (Unternehmensnetzwerk zur betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung in der Europauml-
ischen Union eV 2007 S 2) entspricht Fuumlr die Abgrenzung zwischen den beiden Begriffen
scheint dieser Aspekt zweitrangig Im Vordergrund liegt eher der jeweilige Charakter der
Strategie
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Gesundheitsmanagement in Betrieben kann als bdquo[b]ewusste Steuerung und Integration aller
betrieblichen Prozesse mit dem Ziel der Erhaltung und Foumlrderung der Gesundheit und des
Wohlbefindens der Beschaumlftigtenldquo (HannackRaumlder 2011 S 434) gesehen werden Dieses
Konzept scheint mit Vor- und Nachteilen einherzugehen Da saumlmtliche betriebliche Prozesse
die als der Gesundheit foumlrderlich gelten hierunter fallen sind auch individuelle Maszlignahmen
wie bspw das Betriebliche Eingliederungsmanagement nach sect 84 Abs 2 SGB IX mit inbe-
griffen Bei diesem geht es in erster Linie nicht um eine Erhaltung oder Verbesserung der
Gesundheit sondern um eine Vorbeugung von Arbeitsunfaumlhigkeit undoder den Erhalt eines
Arbeitsplatzes Ebenfalls positiv kann die Implementierung gesundheitsorientierter Prozesse
und Strukturen in das generelle Management eines Unternehmens gesehen werden Dadurch
scheint auszligerdem die Dauerhaftigkeit von gesundheitsfoumlrderlichen Maszlignahmen besser er-
reichbar als bei der BGF Hier haben Maszlignahmen meist den Charakter eines zeitlich befriste-
ten Projektes (vgl SlesinaBohley 2011 S 627) Der groszlige Nachteil des Betrieblichen Ge-
sundheitsmanagements liegt in der Gefahr dass sog top-down-Strukturen die Uumlberhand ge-
winnen (vgl Faller 2010 S 25 zit nach RosenbrockHartung 2015 oS) Top-down-
Strukturen in der Gesundheitsfoumlrderung zeichnen sich dadurch aus dass eine Person von
bdquoobenldquo eine Maszlignahme einleitet und im schlimmsten Fall bdquoaufoktroyiertldquo Dies kann mangels
Partizipation der Zielgruppe zu Ablehnung bei dieser fuumlhren
Fuumlr eine Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung in WfbMs scheint ndash zumin-
dest im Moment ndash der Weg der BGF geeigneter Hier sind zum einen in der Theorie groszlige
Potentiale fuumlr Partizipation gegeben Zum anderen ist das Thema der systematischen Gesund-
heitsfoumlrderung mit behinderten Menschen in Institutionen der Behindertenhilfe bisher kaum
verbreitet (siehe 44) Eine sofortige Implementierung des Betrieblichen Gesundheitsmana-
gements wuumlrde die meisten Einrichtungen uumlberfordern und vor den Kopf stoszligen Auf lange
Sicht scheint dies aber ein wuumlnschenswertes Ziel zu sein welches Schritt fuumlr Schritt erreicht
werden sollte
19
4 Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung
Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen ist bisher in der Praxis der sog bdquoBehinder-
tenhilfeldquo6 nur aumluszligert selten integriert In der wissenschaftlichen Literatur sind in den letzten
Jahren einige Beitraumlge erschienen die sich diesem Thema widmen Es soll nun zuerst darge-
stellt werden in welchem Verhaumlltnis Gesundheit und Behinderung zueinander stehen bevor
auf die Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen eingegangen wird Der Fokus dieser
Arbeit liegt auf der Gesundheitsfoumlrderung in WfbMs In diesem Zusammenhang wird der
Stand der Literatur kurz dargestellt eine kurze Analyse von Leitbildern einzelner Werkstaumltten
vorgenommen und einige Stimmen aus der Praxis wiedergegeben Aufgrund des knappen
Rahmens dieser Arbeit muss sich dies auf das Bundesland Berlin beschraumlnken und erhebt kei-
nen Anspruch auf empirische Vollstaumlndigkeit Vielmehr versteht es sich als eine kleine Feld-
befragung die als ein erster Impuls gesehen werden kann
41 Behinderte Menschen und Gesundheit und Krankheit ndash sozialmedizinische Erkenntnisse
Zunaumlchst muss festgehalten werden dass eine Behinderung keine Krankheit ist Auch ein
schwer behinderter Mensch kann sich sehr gesund fuumlhlen Der wesentliche Unterschied zwi-
schen einer Behinderung und einer Krankheit liegt darin dass bei einer Behinderung die Teil-
habe am Leben in der Gesellschaft langfristig beeintraumlchtigt ist bei einer Erkrankung hinge-
gen nicht oder nur kurzfristig7 Das hier vorliegende Verstaumlndnis in der Unterscheidung bei-
der Begriffe ist vordergruumlndig eher ein soziales denn eine medizinische Abgrenzung
Es existieren verschiedene und teilweise weitreichende gesundheitliche Unterschiede zwi-
schen Menschen mit Behinderungen und Menschen ohne Behinderungen Um diese auch in
ihrem Ursprung erklaumlren zu koumlnnen reicht der bdquotraditionelleldquo bio-medizinische Blick nicht
aus da er zu kurz greift Er muss um die sozialmedizinische Sichtweise ergaumlnzt werden
An dieser Stelle sollte allerdings darauf hingewiesen werden dass die folgende Darstellung
den Gesundheitszustand groszliger heterogener Gruppen von Menschen abbildet und die ge-
troffenen Aussagen daher nicht auf jeden Einzelfall anwendbar sind
6 Dieser Begriff impliziert durch den Wortteil bdquo-hilfeldquo ein Maumlchteungleichgewicht welches einer wahren Parti-
zipation der behinderten Menschen im Wege steht 7 Sollte eine chronische Krankheit einen Menschen in seiner Teilhabe langfristig einschraumlnken kann sie durch-
aus auch als Behinderung gesehen werden
20
Der Teilhabebericht des Bundesministeriums fuumlr Arbeit und Soziales (BMAS) kommt zu dem
Ergebnis dass Menschen mit Behinderungen ihre Gesundheit haumlufig schlechter einschaumltzen
als Menschen ohne Behinderungen Dies gilt auch fuumlr das psychische Wohlbefinden welches
im ganzheitlichen Verstaumlndnis von Gesundheit das dieser Arbeit zugrunde liegt (siehe 22)
ebenfalls Teil der Gesundheit ist Auch hat ein Mensch mit Behinderung in Deutschland im
Durchschnitt mehr Krankheitstage8 als ein nicht behinderter Mensch Menschen mit Behinde-
rung konsultieren statistisch betrachtet in einem bestimmten Zeitraum haumlufiger einen Arzt als
die durchschnittliche Bevoumllkerung Dies duumlrfte ua an dem als schlechter wahrgenommenen
Gesundheitszustand liegen aber auch an der Komorbiditaumlt bestimmter Behinderungen Bzgl
des Rauchverhaltens Alkoholkonsums und einer gesundheitsbewussten Ernaumlhrung bestehen
nur relativ geringe Unterschiede zur Gesamtbevoumllkerung Auffaumlllig ist lediglich dass die
Gruppe der 18- bis 29-Jaumlhrigen Menschen mit Behinderung zu einem houmlheren Anteil regel-
maumlszligig raucht Alkohol trinkt und seltener auf gesunde Ernaumlhrung achtet In den anderen Al-
tersgruppen bestehen kaum nennenswerte Unterschiede (vgl BMAS 2013 S 192 ndash 204)
Menschen mit Behinderungen haben im Durchschnitt eine geringere Lebenserwartung wobei
es hier Unterschiede zwischen einzelnen Syndromen gibt (vgl MarksSisirakHeller 2010
S 3) Bei einigen kann die jeweilige Behinderung selbst der Ausloumlser sein jedoch besteht
besonders bei Menschen mit Lernschwierigkeiten die Gefahr dass Krankheiten nicht richtig
erkannt oder nur unzureichend behandelt werden (vgl Lennox 2002 S 230) Ausschlagge-
bend hierfuumlr duumlrfte sein dass im Gesundheitsbereich verschiedenste Barrieren existieren Zum
Beispiel ist nur ein Teil der Arztpraxen barrierefrei wobei besonders haumlufig passende Unter-
suchungsmoumlbel und Informationsmaterial in Leichter Sprache fehlen (vgl BMAS 2013
S 200201) Ebenfalls negativ wirkt sich aus dass Aumlrzte teilweise unsicher im Umgang mit
Menschen mit Lernschwierigkeiten sind und diese zT auszligerdem ihre Symptome nicht praumlzi-
se genug beschreiben koumlnnen oder uumlber eine geringer differenzierte Wahrnehmung des eige-
nen Koumlrpers verfuumlgen als Menschen ohne Behinderung (vgl SchmidtReker 2014 S 28)
Des Weiteren haben Menschen mit Lernschwierigkeiten statistisch gesehen haumlufiger Uumlberge-
wicht als der Durchschnitt der Bevoumllkerung Hier muss jedoch beruumlcksichtigt werden dass
mit bestimmten Syndromen wie bspw dem Down-Syndrom ein veraumlnderter Energiebedarf
aufgrund der geringeren Muskelspannung einhergeht oder das Saumlttigungsgefuumlhl zB beim
Prader-Willi-Syndrom veraumlndert ist (Beange 2002 S 3) Die houmlhere Wahrscheinlichkeit des
Uumlbergewichts besteht statistisch gesehen sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen mit
8 Krankheitstage werden an dieser Stelle des Bundesteilhabeberichtes verstanden als Tage in denen der Mensch
sich subjektiv zu krank gefuumlhlt hat um seinen normalen privaten und beruflichen Taumltigkeiten nachzugehen
21
Lernschwierigkeiten (vgl Reuter 2009 S 13) Eine moumlgliche Ursache hierfuumlr kann auch in
der Tatsache gesehen werden dass Menschen mit Behinderungen durchschnittlich seltener
Sport treiben als nicht behinderte Menschen (vgl BMAS 2013 S 221222)
Ein weiterer bedeutender Zusammenhang zwischen Krankheit und Behinderung ist dass viele
Behinderungen im Sinne von Einschraumlnkungen in der gesellschaftlichen Teilhabe wie auch im
gesetzlichen Verstaumlndnis nach dem SGB IX Folgen von schweren undoder chronischen
Krankheiten sind (vgl SchmidtReker 2014 S 26)
Trotz allem muumlssen auch die vorhandenen Gesundheitspotentiale behinderter Menschen be-
ruumlcksichtigt werden denn an ihnen kann eine gelingende Gesundheitsfoumlrderung ansetzen (vgl
Altgeld 2008 S 8)9 Ein ressourcenorientierter Blick achtet besonders auf die verschiedenen
Potentiale die jedem Menschen (oder auch einer Gruppe von Menschen) innewohnen
Das Verhaumlltnis zwischen Gesundheit und Behinderung haumlngt in Deutschland und vielen Tei-
len der sog westlichen Welt aus sozialmedizinischem Blickwinkel nach wie vor so zusam-
men bdquoWhile a large number of individuals who are in bad health end up with a disability a
large number of persons with disabilities end up with bad healthldquo10
(Rimmer 2009 zit nach
MarksSisirakHeller 2010 S 31) Dieser Chiasmus verdeutlicht zusammenfassend nicht nur
die vorherrschende enge Verbindung zwischen schlechterer Gesundheit und Behinderung
sondern impliziert auch die Notwendigkeit von Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Be-
hinderungen Wie in 31 beschrieben hat Gesundheitsfoumlrderung auch den Abbau gesundheit-
licher Chancenungleichheit zum Ziel
42 Erreichbarkeit von Menschen mit Behinderungen fuumlr gesundheitsfoumlrdernde Maszlignahmen
Fuumlr die Gesundheitsfoumlrderung gelten Menschen mit Behinderungen als schwer zu erreichen
Es sollen nun die wesentlichen Probleme aber auch die vorhandenen Potentiale beschrieben
werden
9 Altgeld bezieht sich in seiner Analyse auf den Gesundheitsmonitor 2007 der Bertelsmann Stiftung Da dieser
Menschen mit Lernschwierigkeiten nicht mit einbezieht sondern vorwiegend koumlrper- und sinnesbeeintraumlchtige
Menschen beruumlcksichtigt koumlnnen seine Schlussfolgerungen nicht fuumlr die gesamte sehr heterogene Gruppe der
behinderten Menschen angewendet werden 10
Waumlhrend eine groszlige Anzahl an Personen welche eine schlechte Gesundheit besitzen eine Behinderung er-
langt erlangt eine groszlige Anzahl an Personen mit Behinderungen eine schlechte Gesundheit (Uumlbersetzung des
Verfassers)
22
421 Probleme bei der Erreichbarkeit
In den bundesweiten Untersuchungen wie bspw dem Sozio-oumlkonomischen Panel (SOEP)
oder Gesundheit in Deutschland aktuell (GEDA) werden Menschen mit Lernschwierigkeiten
idR nicht erreicht Dies hat zur Folge dass sowohl gesundheitliche Potentiale als auch Be-
duumlrfnisse und Bedarfe von Menschen mit Lernschwierigkeiten in der Gesundheitsfoumlrderung
weitgehend unerkannt und dadurch ausgeklammert bleiben (vgl Burtscher 2014 S 4)
Generell gelten behinderte Menschen bisher als schwer zu erreichen fuumlr Maszlignahmen zur Ge-
sundheitsfoumlrderung was verschiedene Gruumlnde hat Sozial benachteiligte Menschen sind sehr
haumlufig eine schwer erreichbare Zielgruppe fuumlr die Gesundheitsfoumlrderung Maszlignahmen auf der
gesamtgesellschaftlichen Ebene werden eher von Menschen mit houmlherem sozialen Status an-
genommen (Hurrelmann 2006 S 164) und erst spaumlter von sozial Benachteiligten internali-
siert Es waumlre jedoch ein Fehler Menschen mit Behinderungen automatisch zur Gruppe der
sozial benachteiligten Menschen zu rechnen Jedoch zeigt der Bundesteilhabebericht dass
behinderte Menschen haumlufiger erwerbslos sind und durchschnittlich weniger Gehalt verdienen
(BMAS 2013 S 141 ndash 149) Dass die finanzielle Lage von Beschaumlftigten der WfbMs beson-
ders prekaumlr ist wird im Punkt 43 naumlher erlaumlutert Diese soziooumlkonomischen Merkmale sind
jedoch nur ein Aspekt Auch gilt es zu bedenken dass besonders Maszlignahmen auf der Verhal-
tensebene bei sozial benachteiligten Menschen oft wenig angenommen werden da sie mit den
eigenen dauerhaften Lebensvorstellungen nicht uumlbereinstimmen (vgl Hurrelmann 2006
S 164) So nehmen Menschen mit Behinderung nur sehr selten an Angeboten oumlffentlicher
Einrichtungen wie bspw Volkshochschulkursen oder Rehabilitations-Sport-Maszlignahmen teil
(vgl Burtscher 2014 S 5)
Ein weiterer Punkt ist dass das Thema Gesundheitsfoumlrderung in der Behindertenarbeit traditi-
onell kaum etabliert war Laut einer Studie aus dem Jahr 2004 sehen Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter in Behinderteneinrichtungen haumlufig wenig Relevanz in Sport Bewegung und Er-
naumlhrung fuumlr die Foumlrderung der Gesundheit behinderter Menschen Daruumlber hinaus schreiben
sie auch Selbstbewusstsein Selbststaumlndigkeit und Selbstbestimmung nur eine untergeordnete
Rolle zu (vgl Gembris-Nuumlbel 2004 S 144) Allerdings besteht die Chance dass diese Ein-
stellung sich in den letzten zehn Jahren veraumlndert hat Die Ergebnisse der im Rahmen dieser
Arbeit durchgefuumlhrten Feldbefragung geben Anlass zu dieser Annahme (siehe 443) Auszliger-
dem ist fuumlr viele Menschen mit Lernschwierigkeiten der Zugang zu Informationen welche
Gesundheitsfoumlrderung thematisieren nur schwer moumlglich Hier sind folglich Vermittlung und
Unterstuumltzung oft notwendig (vgl Gembris-Nuumlbel 2004 S 82)
23
Auch von der Politik wird das Thema der Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen
bisher nur sehr selten thematisiert Seltene Ausnahmen wie zB die 22 Landesgesundheits-
konferenz in Nordrhein-Westfalen weisen jedoch auf die Wichtigkeit von Gesundheitsfoumlrde-
rung hin welche die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben verbessern kann (vgl Ministerium
fuumlr Gesundheit Emanzipation Pflege und Alter des Landes Nordrhein-Westfalen 2013
S 31) Hervorgehoben wird hier auch die (zukuumlnftige) Gestaltung der Informationen damit
diese fuumlr alle zugaumlnglich sind Des Weiteren soll auch das Bewusstsein saumlmtlicher Beteiligten
im Bereich der Gesundheitsfoumlrderung sensibilisiert werden (vgl Ministerium fuumlr Gesundheit
Emanzipation Pflege und Alter des Landes Nordrhein-Westfalen 2013 S 32)
Schon im Grundschulalter werden behinderte Kinder oft nicht erreicht da Gesundheitsfoumlrde-
rung sehr haumlufig nur in Regelgrundschulen und weiterfuumlhrenden Schulen und nicht in separie-
renden Foumlrderschulen stattfindet (vgl Reuter 2009 S 1819)
422 Potentiale fuumlr die Erreichbarkeit
Allerdings muumlssen auch die Potentiale betrachtet werden die fuumlr eine Erreichbarkeit behin-
derter Menschen zur Gesundheitsfoumlrderung vorhanden sind Auch diese bestehen in allen Al-
tersgruppen zB im fruumlhen Schulalter Im Zuge der Inklusion bei der immer mehr Kinder
mit Behinderungen in Regelschulen unterrichtet werden ist zu hoffen dass sie zukuumlnftig haumlu-
figer an Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung teilhaben koumlnnen Solange es (noch) Foumlrder-
schulen gibt muss auch auf deren (oft ungenutztes) Potential fuumlr gesundheitsfoumlrdernde Maszlig-
nahmen hingewiesen werden das in ihrer oft ganztaumlgigen Betreuung und den damit verbun-
denen Ressourcen liegt
Nicht nur in der Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Kindern sind bereits Potentiale vor-
handen Generell weisen Gesundheitsfoumlrderung und Behindertenarbeit sehr groszlige Gemein-
samkeiten in Sprache Prinzipien und Zielen auf Beide zielen letztendlich ab auf Inklusion
Partizipation Empowerment Entwicklung persoumlnlicher Faumlhigkeiten Einbindung in die Ge-
meinde die Neuorientierung von Gesundheitsdienstleistungen und die Foumlrderung von Um-
welten welche Gesundheit und Lebensqualitaumlt verbessern (vgl Lennox 2002 S 231) Es soll
auch darauf hingewiesen werden dass viele behinderte Menschen sehr an Informationen uumlber
Gesundheit interessiert sind und aktiv nach Informationen suchen (vgl Altgeld 2008 S 8)
Abschlieszligend laumlsst sich auffuumlhren dass gerade der Setting-Ansatz wie er in Punkt 34 darge-
stellt wurde eine sehr gute Moumlglichkeit bietet Menschen mit Behinderungen zu erreichen Er
24
bietet einen Zugangspunkt und kann Ausgangslage sein sowohl fuumlr verhaltens- als auch fuumlr
verhaumlltnisorientierte Maszlignahmen zur Foumlrderung der Gesundheit von Menschen mit Behinde-
rungen
Obwohl behinderte Menschen in der Vergangenheit nur selten gezielt an Maszlignahmen zur
Gesundheitsfoumlrderung beteiligt wurden sind doch einige Potentiale vorhanden an denen an-
zuknuumlpfen lohnenswert scheint
43 Das Setting Werkstatt fuumlr behinderte Menschen
WfbMs sind spezielle Einrichtungen fuumlr Menschen mit Behinderungen die nach dem SGB IX
als behindert gelten (siehe 21) Nach sect 136 SGB IX dienen diese Einrichtungen der bdquoTeilhabe
behinderter Menschen am Arbeitsleben [hellip] und zur Eingliederung in das Arbeitslebenldquo
Dadurch sind sie nicht Teil des allgemeinen Arbeitsmarktes da ihre Beschaumlftigten bdquowegen
Art oder Schwere der Behinderung nicht noch nicht oder noch nicht wieder auf dem allge-
meinen Arbeitsmarkt beschaumlftigt werden koumlnnenldquo (sect 136 Abs 1 SGB IX) Ihr Ziel ist es be-
hinderte Menschen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt vorzubereiten Die Beschaumlftigten arbei-
ten in verschiedensten Bereichen zB im Handwerk oder in Taumltigkeiten der elektronischen
Datenverarbeitung je nach persoumlnlicher Neigung Da es sich um kein typisches sozialversi-
cherungspflichtiges Arbeitsverhaumlltnis handelt sondern um ein bdquoarbeitnehmeraumlhnliches
Rechtsverhaumlltnisldquo11
(sect 138 SGB IX) bekommen die Beschaumlftigten keinen Lohn der dem
Mindestlohn entspricht Nach sect 138 SGB IX setzt sich ihr Arbeitsentgelt zusammen aus ei-
nem Grundbetrag und einem leistungsbemessenen Steigerungsbetrag Im Jahr 2011 verdiente
ein Beschaumlftigter im Durchschnitt 180 Euro monatlich (vgl BAG WfbM 2014) bei 35 bis 40
Arbeitsstunden pro Woche Von einer groszligen Steigerung in den letzten Jahren ist nicht auszu-
gehen Somit benoumltigen Beschaumlftigte einer WfbM idR neben ihrem Arbeitsentgelt Grundsi-
cherung Dies hat zur Folge dass sie haumlufig in prekaumlren soziooumlkonomischen Verhaumlltnissen
leben
Jede Werkstatt ist soziologisch betrachtet ein eigenes System mit individuellen Merkmalen
die unter anderem vom Standort dem Fachpersonal dem Traumlger und den Beschaumlftigten ge-
kennzeichnet sind (vgl SchlummerSchuumltte 2006 S 81) Gesetzlich festgelegt ist in sect 139
11
Begruumlndet wird dieses Rechtsverhaumlltnis haumlufig durch den Kuumlndigungsschutz Eine Werkstatt kann einen
Werkstattvertrag mit einer Beschaumlftigten oder einem Beschaumlftigten nur in seltenen Faumlllen gegen ihren oder sei-
nen Willen aufheben
25
SGB IX dass die Beschaumlftigten aus ihrer Mitte heraus regelmaumlszligig einen Werkstattrat waumlhlen
Genaueres regelt hier die Werkstaumltten-Mitwirkungsverordnung (WMVO) Wie ihr Name al-
lerdings schon sagt handelt es sich hier um die Moumlglichkeit der Mitwirkung nicht der Mitbe-
stimmung Diese kann nur erreicht werden wenn Werkstatt und Werkstattrat nach sect 5 Abs 4
WMVO eine weitergehende Vereinbarung treffen Zu den Aufgaben des Werkstattrates ge-
houmlrt es die Interessen der Beschaumlftigten in verschiedenen Angelegenheiten gegenuumlber der
Werkstatt zu vertreten Diese sind in sect 5 Abs 1 WMVO aufgelistet Die Werkstatt muss den
Werkstattrat auszligerdem informieren wenn sie eine Maszlignahme durchfuumlhrt in der der Werk-
stattrat ein Mitwirkungsrecht besitzt12
Sollte kein Einverstaumlndnis in einer Beratung erzielt
werden koumlnnen beide Seiten sich an eine Vermittlungsstelle wenden (sect 5 Abs 3 WMVO)
Das tatsaumlchliche Ausmaszlig der Mitwirkung ist jedoch stets von der Werkstattleitung abhaumlngig
Solch eine fehlende gesetzliche Verankerung von Mitbestimmung steht der Partizipation be-
hinderter Menschen im Wege welche sowohl fuumlr die gesellschaftliche Inklusion als auch die
Gesundheitsfoumlrderung immens wichtig ist
44 Gesundheitsfoumlrderung in Werkstaumltten fuumlr behinderte Menschen
Zunaumlchst gilt es sich einen Uumlberblick uumlber den aktuellen Stand von Gesundheitsfoumlrderung in
WfbMs zu verschaffen Einen ersten Einblick soll die dazu vorhandene Literatur liefern Da-
nach soll ein Abgleich dieser mit der Praxis stattfinden der sich aufgrund des gesetzten Rah-
mens dieser Arbeit nur auf einige Werkstaumltten des Bundeslandes Berlin konzentriert Hierfuumlr
werden jeweils die Leitbilder untersucht und Stimmen aus der Werkstatt ausgewertet
441 Recherche zum aktuellen Stand
Die Literatur zum Thema Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen in WfbMs ist
noch sehr duumlnn Vollstaumlndig ausgearbeitete Konzepte gibt es bisher nicht veroumlffentlicht wur-
den Berichte von abgeschlossenen oder noch laufenden Projekten Werner Schlummer wis-
senschaftlicher Mitarbeiter der Universitaumlt zu Koumlln begleitete ein Projekt zum Betrieblichen
12
Eine ausfuumlhrliche Beschreibung der Mitwirkungs- und Unterrichtungsrechte des Werkstattrates ist bei
SchlummerSchuumltte 2006 S 71 ndash 82 nachzulesen
26
Gesundheitsmanagement13
in einer WfbM zusammen mit acht Studierenden der Universitaumlt
(vgl Schlummer 2015 S 33) Auch das Projekt GESUND als Teilprojekt von PartKomm-
Plus (Forschungsverbund fuumlr gesunde Kommunen) wird wissenschaftlich durch die Katholi-
sche Hochschule fuumlr Sozialwesen begleitet (vgl Burtscher 2014 S 6)
Als Ausnahme kann das Projekt bdquoSelbstbestimmt gesuumlnderldquo im Rahmen des Programmes
bdquoHealthy Athletesldquo gesehen werden Hier bringt Special Olympics Deutschland eV Maszlig-
nahmen zur Gesundheitsfoumlrderung in die Lebenswelten behinderter Menschen Bei Healthy
Athletes werden Sportlerinnen und Sportler bei Veranstaltungen von Special Olympics kos-
tenlose Beratungen und Kontrolluntersuchungen angeboten Diese Angebote werden jedoch
auch auf Wohnheime und WfbMs ausgeweitet (vgl Special Olympics Deutschland a) S 2
eigene Paginierung) Auch das Projekt bdquoSelbstbestimmt gesuumlnderldquo bringt gesundheitsfoumlrdern-
de Maszlignahmen in Werkstaumltten Dabei werden bdquoTeilnehmern individualisierte Handlungsemp-
fehlungen zum Gesundheitsverhalten zur Verfuumlgung gestelltldquo (Special Olympics Deutschland
b) oS) Das Projekt setzt auszligerdem auf die Wirkung von Peer-Multiplikatorinnen und
-Multiplikatoren
Weitere Projekte sind trotz intensiver Recherche nicht bekannt Auch die Bundesarbeitsge-
meinschaft Werkstaumltten fuumlr behinderte Menschen eV (BAG WfbM) hat auf ihrer Homepa-
ge14
keinen Artikel zur Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung in WfbMs
Gibt man in der Suchmaske bdquoGesundheitsfoumlrderungldquo ein erhaumllt man zwei Ergebnisse einen
Artikel uumlber ein neu entwickeltes Computerspiel das von Kindern mit unterschiedlichen Be-
hinderungen gespielt werden kann und einen Artikel zum Qualifizierungsprogramm bdquoGe-
sundheitsfoumlrderung durch Schluumlsselqualifikationenldquo das sich nicht an Beschaumlftigte sondern
an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in WfbMs richtet Dies legt den Schluss nahe dass Ge-
sundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen in WfbMs bisher kaum verbreitet ist
Das Thema Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung als solches wurde in den
letzten Jahren zunehmend in der Literatur behandelt wobei die Anzahl der Veroumlffentlichun-
gen nach wie vor auf einem uumlberschaubaren Stand ist
13
Schlummers Verstaumlndnis von Betrieblichem Gesundheitsmanagement und Betrieblicher Gesundheitsfoumlrderung
sind beinahe synonym Das beschriebene Projekt kann daher im erweiterten Rahmen durchaus als Projekt zur
Gesundheitsfoumlrderung gesehen werden 14
httpwwwbagwfbmde (Stand 11112015)
27
442 Konzepte und Leitbilder von Einrichtungen der Praxis
Betrachtet werden vier verschiedene WfbMs und ihre Leitbilder Es handelt sich um die vier
Werkstaumltten von denen auch im Rahmen der Feldbefragung Stimmen einer Mitarbeiterin oder
eines Mitarbeiters und zT von Beschaumlftigten gewonnen werden konnten (siehe 443 und
Anhang Nr 2)
Aufgrund der jeweiligen Traumlgerstrukturen besitzt lediglich eine der Werkstaumltten15
als solche
ein eigenes Leitbild Bei den anderen drei Werkstaumltten muss auf das Leitbild des jeweiligen
Traumlgers zuruumlckgegriffen werden Das Thema der Gesundheit der Klientinnen und Klienten
bzw Werkstattbeschaumlftigten wird allerdings in keinem Leitbild thematisiert Auch die Such-
funktionen auf den jeweiligen Homepages bzw intensive Recherchen auf diesen brachten
keine Ergebnisse zum Stichwort bdquoGesundheitsfoumlrderungldquo Daraus laumlsst sich schlieszligen dass
Gesundheitsfoumlrderung der Werkstattbeschaumlftigten in den theoretischen Konzeptionen von
WfbMs meist nicht verankert ist
443 Gesundheitsfoumlrderung in der alltaumlglichen Praxis der Werkstaumltten ndash eine kleine Feldbe-
fragung
Im Rahmen des Informationstages der Berliner Landesarbeitsgemeinschaft Werkstaumltten fuumlr
behinderte Menschen eV (LAG WfbM) am 17112015 im Estrel Hotel Berlin wurden je-
weils eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter von vier verschiedenen WfbMs zum Thema Ge-
sundheitsfoumlrderung mit den Beschaumlftigten in der Werkstatt befragt (siehe Anhang Nr 2) Die
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben alle eine vergleichbare Position Begleitender Dienst
Paumldagogischer Dienst oder Sozialdienst In einer der Werkstaumltten konnten uumlberdies auch
Stimmen von Beschaumlftigten gewonnen werden16
Die Ergebnisse weisen keine empirische
Repraumlsentativitaumlt auf da der knappe Rahmen dieser Arbeit eine repraumlsentative empirische
Forschungsarbeit kaum zulaumlsst Die Befragungen sollen dazu dienen einen Einblick in den
Alltag der WfbMs zu ermoumlglichen und die in der Literatur und den Leibildern gewonnenen
Perspektiven zu erweitern
15
Aus Gruumlnden des Datenschutzes duumlrfen in der hier publizierten Version die Namen der Werkstaumltten nicht
genannt werden 16
In zwei der Werkstaumltten konnten keine Stimmen von Beschaumlftigten erhoben werden da eine Befragung in der
Werkstatt von den befragten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern abgelehnt wurde Der Mitarbeiter der dritten
Werkstatt signalisierte zwar waumlhrend der Befragung Zustimmung jedoch fehlte diese spaumlter von Seiten der Lei-
tung
28
Der Begriff bdquoGesundheitsfoumlrderungldquo wird von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sehr
unterschiedlich interpretiert Die Spannbreite liegt von einem Verstaumlndnis aumlhnlich des hier
dargelegten bis hin zu therapeutischer und rehabilitativer Foumlrderung Die angebotenen Maszlig-
nahmen welche einer Foumlrderung der Gesundheit dienen sollen sind jedoch bei allen aumlhnlich
Meist handelt es sich um Musik- Sport- und Bewegungsangebote die im Rahmen von sog
Begleitenden Maszlignahmen verankert sind Daruumlber hinaus werden auch entlastende Bewegun-
gen in den Arbeitsgruppen angeboten und ein Gesundheitstag in Kooperation mit Special
Olympics Deutschland geplant (eine Werkstatt) Eine andere Werkstatt kooperiert mit der
Fitnessstudiokette Fitness First Kurse zu gesunder Ernaumlhrung und Kochen werden teilweise
angeboten oder sind in Planung Nach Aussagen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden
die Maszlignahmen meist gut angenommen In einer Werkstatt wird sogar gemeinsam mit dem
Werkstattrat an einer Peer-Beratung gearbeitet mit der den Beschaumlftigten der Zugang zu den
Themen Bildung und Gesundheit verbessert werden soll Schwierigkeiten bestehen besonders
bzgl der Raumlume zB bei Turnhallen fuumlr Fuszligball
Eine Partizipation bei der Entwicklung von Angeboten ist nur teilweise gegeben Es wird
zwar in allen befragten Werkstaumltten nach Interessen der Beschaumlftigten gefragt und dement-
sprechend die Kurse angeboten jedoch besteht nur selten die Moumlglichkeit fuumlr die Beschaumlftig-
ten aktiv den jeweiligen Kurs durch eigene Entscheidungen mitzugestalten In einer Werk-
statt ist das bspw abhaumlngig von der Kursart von der Kursleiterin bzw dem Kursleiter und
vom Konzept Evaluiert werden die Angebote meist nur durch Nachfrage in den idR jaumlhr-
lich stattfindenden Entwicklungsgespraumlchen mit den einzelnen Beschaumlftigten und teilweise
daruumlber hinaus mit Fragebogen oder durch die Kursleiterin bzw den Kursleiter Eine Werk-
statt fuumlhrt sogar Statistiken zur Nachfrage Eine partizipative Evaluation findet in keiner der
befragten Werkstaumltten statt
Die befragten Beschaumlftigten einer der Werkstaumltten zeigten sich mit dem Angebot an gesund-
heitsfoumlrdernden Maszlignahmen groumlszligtenteils sehr zufrieden und empfanden die Anzahl der An-
gebote als meist genuumlgend Geaumluszligert wurde lediglich der Wunsch nach weiteren Angeboten
zu gesunder Ernaumlhrung und nach einem besseren Angebot an gesunden Speisen Das Ver-
staumlndnis von Gesundheitsfoumlrderung ist unterschiedlich Auffaumlllig ist dass auf der einen Seite
Aumlrzte und Besuche bei diesen wichtig scheinen gleichzeitig aber auch das Achten auf die
eigene Gesundheit als Teil der Gesundheitsfoumlrderung gilt Besonders letzterer Aspekt weist
darauf hin dass bei den Befragten ein gewisses Grundverstaumlndnis von Gesundheitsfoumlrderung
vorhanden ist das dem in dieser Arbeit verwendeten aumlhnelt Die Wichtigkeit der aumlrztlichen
29
Betreuung laumlsst jedoch zugleich auch auf ein eher bdquotraditionellesldquo bio-medizinisches Gesund-
heitsverstaumlndnis schlieszligen
Als angebotene Maszlignahmen werden meist Sport- und Bewegungsangebote genannt aber
auch eine Apfelpause um kurz von der Arbeit entspannen zu koumlnnen Daruumlber hinaus gab es
Angebote zur Fuszlighygiene und zur Zahn- und Augengesundheit Hier ist der Uumlbergang zwi-
schen Gesundheitsfoumlrderung und Praumlvention flieszligend Bzgl (zukuumlnftiger) Angebote werden
die Beschaumlftigten nach ihren Wuumlnschen gefragt aber eine wirkliche Mitbestimmung in Kon-
zeption und Planung dieser scheint nicht gegeben Auch bei der Evaluation findet bisher keine
Partizipation statt Die Befragung hat jedoch den bisherigen Eindruck bestaumltigt dass gesund-
heitsfoumlrdernde Maszlignahmen in WfbMs von behinderten Menschen durchaus nachgefragt wer-
den und die Werkstaumltten versucht sind im Rahmen der begleitenden Maszlignahmen ein sehr
breites Feld abzudecken Negativ scheint besonders das weitgehende Fehlen partizipativer
Strukturen
In den Werkstaumltten werden viele Angebote im Rahmen begleitender Maszlignahmen offeriert die
fuumlr die Gesundheit foumlrderlich sind Als Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung die die Prinzi-
pien der BVPG verinnerlichen koumlnnen sie jedoch nicht gesehen werden da zB die Partizipa-
tion eine eher untergeordnete Rolle spielt und die Thematik meist auf Sport- und zT Ernaumlh-
rungsangebote beschraumlnkt bleibt Auch werden die Effekte der Maszlignahmen nicht evaluiert
Entspannungsangebote werden nur selten angeboten und der Fokus richtet sich meist nur auf
die koumlrperliche Gesundheit
Daruumlber hinaus zeigt die Befragung aber auch welch groszliges Potential zur Gesundheitsfoumlrde-
rung in den Werkstaumltten liegt Mit den begleitenden Maszlignahmen sind Strukturen verankert in
denen Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung leicht integriert werden koumlnnen Offenheit fuumlr
Kooperationen scheint vielfach gegeben (zB mit Special Olympics Deutschland Fitness
First) sodass auch eine Kooperation mit den Krankenkassen und weiteren Partnern vorstell-
bar scheint Dies wuumlrde den Vorteil finanzieller Foumlrderung und Expertise durch Erfahrungen
mit bereits durchgefuumlhrten Maszlignahmen einbringen Die befragten Mitarbeiterinnen und Mit-
arbeiter schienen Gesundheitsfoumlrderung gegenuumlber prinzipiell sehr positiv eingestellt
Auch wenn in den Leitbildern und auf den Homepages Gesundheitsfoumlrderung nicht themati-
siert wird gibt es in der Praxis schon verschiedene Maszlignahmen und Projekte mit der Intenti-
on die Gesundheit der Beschaumlftigten zu verbessern
30
45 Anregungen fuumlr die Praxis
Vor dem Hintergrund der zu Rate gezogenen Literatur und den gewonnen Erkenntnissen
durch die Feldbefragung werden nun einige Uumlberlegungen fuumlr die Praxis einer gelingenden
Gesundheitsfoumlrderung getroffen Diese koumlnnen als moumlgliche Anregungen zur Umsetzung ver-
standen werden
451 Partizipation und Empowerment in der Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behin-
derung
Erfolgreiche Gesundheitsfoumlrderung braucht Partizipationsmoumlglichkeiten fuumlr die jeweilige
Zielgruppe Partizipation ist schlieszliglich nicht nur Teilnahme sondern aktive Teilhabe und
damit einhergehend die Moumlglichkeit mitzubestimmen und mitzuentscheiden Dazu gehoumlrt
auch die Definitionsmacht also die Macht (mit)zubestimmen an welche die Gesundheit be-
treffenden Aspekte in einer Maszlignahme zur Gesundheitsfoumlrderung herangegangen werden soll
(vgl Wrightvon UngerBlock 2010 S 39) Diese aktive Teilhabe muss also bereits zu Be-
ginn einer Maszlignahme Teil dieser sein Partizipation bedeutet folglich auch Macht Partizipa-
tion zu ermoumlglichen bedeutet Empowerment also die Ermaumlchtigung eines Individuums oder
einer Gruppe So bekommt Partizipation in der Gesundheitsfoumlrderung auch eine gesellschaft-
liche und politische Komponente denn dadurch koumlnnen Menschen mit Behinderungen lernen
mitzubestimmen mitzuentscheiden und eigene Interessen zu vertreten Diese erlernten Faumlhig-
keiten lassen sich auf die Handlungsebene in einer demokratischen Gesellschaft uumlbertragen
Sowohl Empowerment als auch Partizipation gehoumlren zu den in 31 erwaumlhnten Prinzipien der
BVPG Diese weist darauf hin dass Partizipation in saumlmtlichen Phasen einer Maszlignahme ge-
geben sein muss beginnend mit der Bedarfsanalyse der Planung in der Durchfuumlhrung und
abschlieszligend in der BewertungEvaluation So kann die Wirksamkeit einer Maszlignahme erhoumlht
werden (vgl BVPG 2013 S 90) Teilhabe kann als ein wichtiger Bestandteil der Qualitaumltssi-
cherung gesehen werden Bisher finden Maszlignahmen zur Qualitaumltssicherung nur selten unter
Partizipation der Zielgruppe statt Diese partizipativ zu beteiligen hilft die Qualitaumlt der Ge-
sundheitsfoumlrderung aufrechtzuerhalten oder sogar zu verbessern (vgl Wrightvon Un-
gerBlock 2010 S 35)
Teilhabe ist bei behinderten Menschen besonders wichtig Ihr Leben ist haumlufig von Beginn an
stark fremdbestimmt und von Abhaumlngigkeit gepraumlgt Somit lernen sie seltener als nicht behin-
31
derte Menschen Verantwortung zu uumlbernehmen und selbststaumlndig zu agieren Dies kann bis
hin zur sog bdquoerlernten Hilflosigkeitldquo fuumlhren Vor diesem Hintergrund scheint Partizipation
umso wichtiger aber auch umso arbeitsintensiver Sie ist daher in der Praxis der Gesundheits-
foumlrderung haumlufig sehr arbeitsintensiv und benoumltigt folglich zeitliche Ressourcen und damit
einhergehend finanzielle Ressourcen (vgl Loss 2009 S 10)
Traditionell sind viele Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung top-down organisiert das be-
deutet eine Einrichtung ein Geldgeber etc plant eine Maszlignahme fuumlhrt diese durch und eva-
luiert sie Zur Erreichung der eigenen Ziele wird die Zielgruppe mobilisiert ohne ein Mitspra-
cherecht zu den einzelnen Bausteinen der Maszlignahme zu haben Diese Struktur verdeutlicht
das Maumlchteungleichwicht zwischen Anbieter und Zielgruppe und zementiert den Status be-
hinderter Menschen als Abhaumlngige und Ohnmaumlchtige Der Gegensatz zu top-down-
Programmen ist der bottom-up-Ansatz Hier findet eine Machtteilung statt da die Gesund-
heitsfoumlrderinnen und Gesundheitsfoumlrderer ihre Macht mit der Zielgruppe teilen und eher die
Rolle von Unterstuumltzerinnen und Unterstuumltzern einnehmen Die Zielgruppe soll unterstuumltzt
werden ihre eigenen Probleme festzustellen und Loumlsungen sowie Maszlignahmen zu erarbeiten
In der Planung Durchfuumlhrung und Evaluation kommt ihr damit eine aktive Rolle zu (vgl La-
verack 2010 S 77) Bottom-up-Programme scheinen daher fuumlr Partizipation und Empower-
ment geeigneter als top-down-Strukturen Allerdings schlieszligen sich beide Ansaumltze nicht
zwingend aus sondern Maszlignahmen koumlnnen Eigenschaften beider Ansaumltze aufweisen In
WfbMs scheinen Maszlignahmen sehr haumlufig top-down organisiert zu sein Die staumlrkere Veranke-
rung von bottom-up-Strukturen waumlre hier im Sinne einer Teilhabe ndash in der Werkstatt wie auch
daruumlber hinaus auf gesellschaftlicher Ebene ndash vorteilhaft und wuumlnschenswert
452 Peer-Multiplikatorinnen und -Multiplikatoren
Eine Strategie die in der Praxis der Gesundheitsfoumlrderung bereits mit positiven Ergebnissen
getestet wurde sind Peer-Multiplikatorinnen und -Multiplikatoren Das Modell der Multipli-
katorinnen und Multiplikatoren war bereits Grundlage vieler gesundheitsfoumlrdernder Maszlignah-
men mit sozial benachteiligten Menschen die auch in der Literatur vielfach dokumentiert
sind Auch in der Arbeit mit behinderten Menschen ist dieses Konzept nicht neu Auf Maszlig-
nahmen zur Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung wurde es bisher kaum an-
gewandt scheint jedoch erfolgsversprechend Das Projekt GESUND welches mit einer Ber-
liner WfbM durchgefuumlhrt wird arbeitet mit diesem Konzept (vgl Burtscher 2014 S 8) Die
32
Funktion von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren besteht darin Kenntnisse und Informa-
tionen zur Gesundheit(-sfoumlrderung) der Zielgruppe mit Hilfe der ihnen innewohnenden Ver-
trauensstellung naumlher zu bringen Sie haben daher eine bdquoMittlerfunktionldquo (BVPG 2013 S 92)
zwischen Durchfuumlhrenden und Zielgruppe Voraussetzung dafuumlr ist dass sie der Zielgruppe
angehoumlren oder zumindest eine sehr enge Verbindung zu ihr besitzen Im Zuge einer Maszlig-
nahme werden sie selbst gestaumlrkt sozusagen bdquoempowertldquo Ihre Mittlerfunktion funktioniert
allerdings auch in die andere Richtung Sie bringen den Durchfuumlhrenden die Perspektive der
Zielgruppe naumlher Im Idealfall fuumlhrt der Einsatz von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren
zur Aktivierung der Zielgruppe die ihr selbstbestimmtes Handeln auch auf andere Bereiche
ausdehnen kann (vgl Stickan-Verfuumlrth 2005 S 108) Diesem Modell sehr aumlhnlich ist das
Modell des Peer-Counseling Hier stehen Mitglieder der Zielgruppe in beratender Funktion
ihrer Peer-Gruppe zur Verfuumlgung
453 Verknuumlpfung von Betrieblicher Gesundheitsfoumlrderung und Gesundheitsfoumlrderung in
Werkstaumltten fuumlr behinderte Menschen
Eine Uumlbertragung der Idee der Betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung auf die Gesundheitsfoumlrde-
rung in WfbMs scheint in der Tat realisierbar Den rechtlichen und finanziellen Rahmen hier-
fuumlr hat das 2015 beschlossene Praumlventionsgesetz geschaffen (siehe 33) Im Entwurf der Bun-
desregierung wird in der Anmerkung zum neuen sect 20 Abs 4 SGB V explizit darauf hinge-
wiesen dass Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung auch in WfbMs zum Leistungsspektrum der
Krankenkassen gehoumlrt (vgl Deutscher Bundestag 2015 S 34) Eine Etablierung hiervon in
der Praxis haumlngt in erster Linie neben den Krankenkassen auch von den Leitungen der WfbMs
ab Sollten diese hierfuumlr und auch gegenuumlber partizipativen Strukturen offen sein waumlre der in
351 kurz vorgestellte Gesundheitszirkel ein passender Startpunkt um von Beginn an auch
die Partizipation der Beschaumlftigten zu gewaumlhrleisten Analog zum Konzept der BGF koumlnnten
gemeinsam Maszlignahmen erarbeitet werden die die Gesundheit der Beschaumlftigten foumlrdern wuumlr-
den Den Vertreterinnen und Vertretern der Beschaumlftigten die im Gesundheitszirkel mitwir-
ken koumlnnte dabei die Rolle von Peer-Multiplikatorinnen und -Multiplikatoren zukommen
Als Effekte duumlrften die in 351 beschriebenen auch hier zu erwarten sein eine Verbesserung
der Gesundheit und eine Staumlrkung der gesundheitlichen Ressourcen eine Verringerung der
krankheitsbedingten Fehltage eine staumlrkere Identifikation der Beschaumlftigten mit der Werk-
33
statt ein besseres Arbeitsklima eine houmlhere Motivation und Arbeitszufriedenheit und eine
Steigerung der Produktivitaumlt
Es empfiehlt sich im Sinne der Partizipation und des Empowerments kein reines top-down-
Programm zu starten sondern einen bottom-up-Ansatz zu waumlhlen bzw zumindest mehrere
Elemente dessen einzubauen Als Anknuumlpfungspunkt koumlnnen bereits bestehende begleitende
Maszlignahmen mit passender Thematik genommen werden
Wie bdquonormaleldquo Betriebe koumlnnten auch WfbMs Kooperationen in ihrem raumlumlichen Umfeld
aufbauen und von Vernetzungen profitieren Aufgrund ihrer Groumlszlige sind sie in ihrem Sozial-
raum ein meist nicht zu unterschaumltzender Akteur
34
5 Fazit und Ausblick
Ausgehend von einem bio-psycho-sozialen Verstaumlndnis von Gesundheit wurden verschiedene
Aspekte der Gesundheitsfoumlrderung vertieft und anschlieszligend eine Verknuumlpfung zur Gesund-
heitsfoumlrderung mit behinderten Menschen hergestellt Hierbei lag der Fokus auf gesundheits-
foumlrdernden Maszlignahmen in WfbMs Dabei wurde die aktuelle Literatur zu Rate gezogen In-
ternetauftritte einiger Werkstaumltten durchsucht und Stimmen aus dem Feld von Mitarbeiterin-
nen und Mitarbeitern sowie Beschaumlftigten von Werkstaumltten gewonnen
Die Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung ist noch immer relativ schwach
ausgebaut Dies stellt sich besonders vor dem Hintergrund als problematisch dass behinderte
Menschen haumlufig anfaumllliger fuumlr Krankheiten sind und durchschnittlich uumlber einen subjektiv als
schlechter bewerteten Gesundheitsstatus verfuumlgen als nichtbehinderte Menschen Wie viele
sozial benachteiligte Gruppen sind sie verhaumlltnismaumlszligig schwer zu erreichen fuumlr gesundheits-
foumlrdernde Maszlignahmen Obwohl es in der Erreichbarkeit mehrere Probleme gibt verfuumlgen
Menschen mit Behinderung auf der anderen Seite uumlber groszlige Potentiale Das neue Praumlventi-
onsgesetz ist ein erheblicher Fortschritt bei der Finanzierung gesundheitsfoumlrdernder Maszlignah-
men Sogar eine Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung in Werkstaumltten ist wenn auch nicht ex-
plizit verankert so doch zumindest gewuumlnscht
Gelingende Gesundheitsfoumlrderung muss sich im Allgemeinen und auch bei der Arbeit mit
behinderten Menschen an bestimmten Prinzipien messen lassen Besonders wichtig vor dem
gesellschaftlichen Hintergrund ist hier die Partizipation der Menschen mit Behinderung und
damit einhergehend das Empowerment dieser Beide wirken sich positiv auf die Qualitaumlt der
gesundheitsfoumlrdernden Maszlignahmen aus gehen jedoch auch daruumlber hinaus Sie koumlnnen Men-
schen mit Behinderungen auch auf gesellschaftlicher Ebene empowern sodass ihnen eine
groumlszligere gesellschaftliche Teilhabe zukommt Somit erlangt Gesundheitsfoumlrderung auch vor
dem Hintergrund der Inklusion eine hohe Relevanz
In WfbMs ist gezielte Gesundheitsfoumlrderung bisher wenig verbreitet Einzelne Projekte sind
eher die Ausnahme denn die Regel Jedoch sind die Potentiale der Werkstaumltten enorm Das
Personal scheint haumlufig offen fuumlr Maszlignahmen zu sein und gerade die Strukturen der beglei-
tenden Maszlignahmen lieszligen eine relativ einfache Integration von Maszlignahmen zur (betriebli-
chen) Gesundheitsfoumlrderung zu Bestehende begleitende Maszlignahmen in welchen Sport oder
Bildungsangebote zu gesunder Ernaumlhrung angeboten werden koumlnnten ohne uumlbermaumlszligigen
Aufwand zu gezielten Maszlignahmen fuumlr Gesundheitsfoumlrderung ausgebaut werden Nachholbe-
darf bestuumlnde hier vor allem auf dem Gebiet der Partizipation Nur selten scheinen die Be-
35
schaumlftigten in Konzeption Planung Durchfuumlhrung und Evaluation aktiv eingebunden zu sein
In bestimmten Phasen wie etwa der Konzeption und besonders der Evaluation scheint aktive
Teilhabe noch uumlberhaupt nicht verankert zu sein Eine staumlrkere Partizipation in allen Berei-
chen waumlre mit houmlherem Arbeits- und Kostenaufwand verbunden welcher durch eine Einbin-
dung der Krankenkassen moumlglicherweise aufgefangen werden koumlnnte Die Partizipation foumlr-
dern wuumlrde auch die Etablierung von Peer-Beratung und Peer-Multiplikatorinnen und
-Multiplikatoren Diesen kaumlme beim Zugang zur Zielgruppe eine Schluumlsselfunktion zu und
gleichzeitig koumlnnten sie Bedarfe und Beduumlrfnisse dieser gegenuumlber den anderen Akteuren
kommunizieren Auch wenn es bisher keine konkreten ausgearbeiteten Konzepte zur Gesund-
heitsfoumlrderung in WfbMs gibt koumlnnten bestehende Konzepte zur Betrieblichen Gesundheits-
foumlrderung eventuell leicht uumlberarbeitet fuumlr Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung in Werkstaumltten
analog angewendet werden
Die Potentiale und Moumlglichkeiten zur Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung
in WfbMs sind also mannigfaltig und haumlufig vorhanden Auf diesen koumlnnte aufgebaut werden
um behinderten Menschen das Recht auf das in Artikel 25 der UN-BRK festgeschriebene bdquoer-
reichbare Houmlchstmaszlig an Gesundheitldquo zu ermoumlglichen
Gesundheitsfoumlrderung ist mehr als Werbeplakate an Bus- oder Straszligenbahnhaltestellen und
Clips im Aktuellen Sportstudio sie ist mehr als Sportangebote und Angebote zu gesunder
Ernaumlhrung sie ist auch ein Weg zum Erreichen eines Menschenrechtes das Recht auf Ge-
sundheit
36
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41
Anhang
Nr 1 Abbildung zu den Hauptdeterminanten der Gesundheit nach DahlgreenWhitehead
2007 S 11
Nr 2 Befragung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Beschaumlftigten der WfbMs
42
Nr 1 Abbildung zu den Hauptdeterminanten der Gesundheit nach DahlgreenWhitehead
2007 S 11
43
Nr 2 Befragung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Beschaumlftigten der WfbMs
Um moumlglichst effizient die Stimmen aus vier WfbMs unterschiedlicher Traumlger zu erheben
wurden diese auf dem Infotag der LAG WfbM Berlin am 17112015 gesammelt Hier waren
verschiedene Werkstaumltten mit Informationsstaumlnden vertreten Gewaumlhlt wurden die Werkstaumlt-
ten an deren Staumlnden der Verfasser zuerst vorbeilief Die gestellten Fragen waren stets die-
selben
Den Vertretern der Werkstatt wurde zugesichert dass ihr Name nicht in der vorliegenden Ar-
beit genannt wird lediglich ihre Position in der Werkstatt wird erwaumlhnt Es wurden auszligerdem
keine weiteren Personendaten erhoben
Wenn moumlglich sollten auszligerdem fuumlnf Beschaumlftige pro WfbM befragt werden Hierfuumlr wurde
am Ende des kurzen Interviews um Erlaubnis gefragt Den Beschaumlftigten wurden andere Fra-
gen gestellt als dem Werkstattpersonal jedoch erhielten alle Beschaumlftigten dieselben Fragen
untereinander Den Beschaumlftigen wurde komplette Anonymitaumlt in der vorliegenden Arbeit
zugesichert und es wurden keine personenbezogenen Daten abgefragt Zuerst wurde nach
ihrem Verstaumlndnis von Gesundheitsfoumlrderung gefragt Vor den Fragen 2 bis 5 wurde kurz
erklaumlrt wie Gesundheitsfoumlrderung verstanden werden kann um davon ausgehend die restli-
chen Fragen zu beantworten
Bei saumlmtlichen Interviews wurde auf Transkriptionen verzichtet es wurden lediglich die
Kernaussagen mitgeschrieben
Im Folgenden finden sich exemplarisch die jeweils gestellten Fragen
44
Fragen an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der WfbM
Name der WfbM
Position der befragten Person Begleitender Dienst
1 Was verstehen Sie unter Gesundheitsfoumlrderung
2 Was bieten Sie im Rahmen der Gesundheitsfoumlrderung an
3 Wie werden die Maszlignahmen angenommen
4 Wuumlrden Sie gerne mehr anbieten oder finden Sie die Angebote ausreichend
5 Gibt es Schwierigkeiten
6 Wie steht es um die Partizipation in den Angeboten (Werden die Angebote von Beschaumlf-
tigten mitentwickelt mitevaluiert etc)
7 Werden die Angebote evaluiert
45
Fragen an die Beschaumlftigen der WfbM
Name der WfbM
Datum
1 Wissen Sie was Gesundheitsfoumlrderung ist Wenn ja wie wuumlrden sie es beschreiben
[Moumlgliche Erklaumlrung fuumlr Beschaumlftigte die sich nichts unter Gesundheitsfoumlrderung vorstellen
koumlnnen Zur Gesundheitsfoumlrderung gehoumlrt alles was fuumlr Ihre Gesundheit gut ist zB Kur-
seMaszlignahmen usw die mit Bewegung Ernaumlhrung Wohlfuumlhlen am Arbeitsplatz oder Ent-
spannen zu tun haben]
2 Welche Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung werden Ihnen von der Werkstatt angebo-
ten
3 Werden Ihrer Meinung nach genuumlgend Angebote zur Gesundheitsfoumlrderung in der Werk-
statt angeboten
4 Duumlrfen Sie bei der Entwicklung und Evaluation (Auswertung am Ende) mitbestimmen
5 Was sind Ihre Wuumlnsche bezuumlglich der Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung
9
Unterscheiden kann man gesundheitsfoumlrdernde Strategien zwischen Verhaltens- und Verhaumllt-
nisebene Verhaltensorientierte Maszlignahmen setzen beim Verhalten des einzelnen Menschen
oder einer Gruppe zB ihrer Ernaumlhrung oder der Haumlufigkeit von Bewegung an Verhaumlltnis-
bezogene Maszlignahmen setzen an den Verhaumlltnissen an in denen ein oder mehrere Menschen
leben Dies kann sich auf saumlmtliche Lebensbereiche beziehen zB Wohnen Arbeit oder Frei-
zeit Hier kann beispielhaft die Verfuumlgbarkeit von Gruumlnflaumlchen oder Spielplaumltzen aufgefuumlhrt
werden Eine Verbindung beider Ansaumltze ist durchaus moumlglich
Abzugrenzen ist die Gesundheitsfoumlrderung von der Praumlvention Als jene gelten Maszlignahmen
zur Vermeidung des Auftretens bzw Fortschreitens bestimmter Krankheiten Praumlvention und
Gesundheitsfoumlrderung zielen beide auf einen Gesundheitsgewinn ab jedoch setzt erstere beim
Verringern von Risikofaktoren an letztere beim Schaffen und Staumlrken von Ressourcen also
Schutzfaktoren (vgl HurrelmannKlotzHaisch 2010 S 1617) Anders ausgedruumlckt Praumlven-
tion ist pathogenetisch das bedeutet an der Entstehung von Krankheiten orientiert Gesund-
heitsfoumlrderung hingegen salutogenetisch orientiert Generell muumlssen Praumlvention und Gesund-
heitsfoumlrderung als sich ergaumlnzende nicht als konkurrierende Interventionsformen mit ver-
schiedener Sachlogik gesehen werden (vgl Hurrelmann 2006 S 150) Beide Strategien sind
in der Zielsetzung des Zugewinns an Gesundheit geeint jedoch unterscheiden sie sich als In-
terventionsformen durch verschiedenartige Wirkungsprinzipien In der Praxis sind nicht alle
konkreten Maszlignahmen trennscharf einer der beiden Strategien zuzuordnen Uumlberschneidun-
gen sind moumlglich
Zusammengefasst laumlsst sich konstatieren bdquoGesundheitsfoumlrderung bezeichnet alle Eingriffs-
handlungen die der Staumlrkung von individuellen Faumlhigkeiten der Lebensbewaumlltigung dienenldquo
(HurrelmannKlotzHaisch 2010 S 14 Herv weggelassen)
Vertiefende Problemstellungen wie etwa die Erreichbarkeit bestimmter Bevoumllkerungsgrup-
pen und rechtliche Rahmenbedingungen in Deutschland werden im weiteren Verlauf der Ar-
beit aufgegriffen
10
3 Allgemeine Grundlagen der Gesundheitsfoumlrderung
Es wurde bereits grob umrissen was Gesundheitsfoumlrderung kennzeichnet Nun sollen einzelne
Aspekte inhaltlich vertieft werden auf denen anschlieszligend eine (moumlgliche) Gesundheitsfoumlrde-
rung in WfbMs (siehe Kapitel 4) aufbauen kann
31 Leitgedanken der Gesundheitsfoumlrderung
In der Praxis koumlnnen gesundheitsfoumlrdernde Maszlignahmen ganz unterschiedlich aussehen Damit
sie fuumlr die Menschen die daran teilnehmen dauerhaft eine positive Wirkung aufweisen hat
die Bundesvereinigung Praumlvention und Gesundheitsfoumlrderung eV (BVPG)4 sieben bdquoPrinzi-
pien guter Praumlvention und Gesundheitsfoumlrderungldquo formuliert in ihrem Sinne gute Gesund-
heitsfoumlrderung ist demnach gekennzeichnet durch (1) Autonomie und Empowerment (2) Par-
tizipation (3) Lebenswelt- und Lebensstilbezug (4) Gesundheitliche Chancengleichheit
(5) Konzeptbasierung (6) Evaluation sowie (7) Nachhaltigkeit (vgl BVPG 2013 S 9091)
Das Prinzip (1) Autonomie und Empowerment bedeutet dass eine Maszlignahme durch Selbst-
bestimmung gepraumlgt ist und die Teilnehmenden zur Selbststaumlndigkeit befaumlhigt die eigene
Gesundheit und die anderer zu gestalten (vgl BVPG 2013 S 90) Die Idee Gesundheit ande-
rer mitzugestalten findet ua in den Strategien Peer Counseling und Multiplikatorinnen und
Multiplikatoren ihre praktische Umsetzung (siehe 452) Empowerment kann an dieser Stelle
uumlber die Ebene der persoumlnlichen Gesundheit hinaus gedacht werden Menschen werden nicht
nur dazu befaumlhigt ihre eigene Gesundheit selbst zu gestalten sondern koumlnnen als gesunde
Buumlrger ihre Interessen oder die bestimmter Bevoumllkerungsgruppen selbstbewusst vertreten
(vgl Laverack 2010 S 27) Im Sinne der (2) Partizipation sollen Vertreterinnen und Vertreter
der Zielgruppe in allen Phasen einer Maszlignahme aktiv mitgestalten und mitentscheiden Auf
die Partizipation von Menschen mit Behinderung wird in 451 noch detaillierter eingegangen
Der (3) Lebenswelt- und Lebensstilbezug betont den bereits erwaumlhnten Setting-Ansatz
schlieszligt jedoch gesamtgesellschaftliche bzw individualbezogene Strategien ebenfalls mit ein
Gelingende Gesundheitsfoumlrderung braucht immer einen konkreten Anknuumlpfungspunkt in der
Lebenswelt des bzw der Menschen (4) Gesundheitliche Chancengleichheit fordert dass va
4 Die BVPG ist ein gemeinnuumltziger politisch und konfessionell unabhaumlngiger Verbund bestehend aus Bundes-
verbaumlnden des Gesundheitswesens darunter die Bundesaumlrztekammer den Spitzenverbaumlnden der Sozialversiche-
rungstraumlger sowie Verbaumlnden der Heil- und Hilfsberufe Sozial- und Wohlfahrtsverbaumlnden und Bildungseinrich-
tungen mit Arbeitsschwerpunkt im Bereich Praumlvention und Gesundheitsfoumlrderung
11
sozial benachteiligte Menschen zu denen haumlufig auch behinderte Menschen gehoumlren beson-
ders in ihrer Gesundheit gefoumlrdert werden da mit einem niedrigeren soziooumlkonomischen Sta-
tus oft eine schlechtere Gesundheit einhergeht (vgl Lampert et al 2013 S 814) Diese Be-
voumllkerungsgruppen gelten jedoch als besonders schwer erreichbar fuumlr gesundheitsfoumlrdernde
Maszlignahmen insbesondere wenn diese fuumlr die Gesamtbevoumllkerung ausgelegt sind (vgl
Mielck 2010 S 113)
Generell sollten Programme zur Gesundheitsfoumlrderung stets auf einem (5) Konzept beruhen
in dem Mittel Zeit Ressourcen und Ziele festgelegt und eine Bedarfsanalyse und Beschrei-
bung des Wirkungsmodells verankert sind Auch der geplante Weg einer Verstetigung der
Maszlignahme soll hier aufgezeigt werden (vgl BVPG 2013 S 91) Durch das Prinzip der
(6) Evaluation soll eine Qualitaumltssicherung erfolgen von der durch Veroumlffentlichung auch
andere profitieren koumlnnen (7) Nachhaltig soll Gesundheitsfoumlrderung auf saumlmtlichen Ebenen
sein es muss auf moumlgliche negative (Spaumlt-)Folgen geachtet werden der Umgang mit den
Ressourcen und der Umwelt sollte nachhaltig sein und es sollte eine Wirkung uumlber die Dauer
der Maszlignahme hinaus entstehen (vgl BVPG 2013 S 91)
32 Auswirkungen von Gesundheitsfoumlrderung auf den Menschen
Wie bereits dargelegt soll Gesundheitsfoumlrderung die Gesundheit der Menschen verbessern
Dies kann auf ganz unterschiedliche Weise geschehen Als Strategien sind hier die schon er-
waumlhnten verhaltens- und verhaumlltnisorientierten Strategien moumlglich und die Interventionsebene
kann auf individueller Ebene liegen an einem bestimmten Setting ansetzen oder die gesamte
Gesellschaft als Ausgangspunkt nehmen
Da Gesundheit als bdquoZustand des vollstaumlndigen koumlrperlichen geistigen und sozialen Wohler-
gehensldquo (WHO 2014 S 1) betrachtet wird soll eine gesundheitsfoumlrdernde Maszlignahme das
Befinden in einem oder mehreren dieser Teilbereiche ndash in einer ganzheitlichen Betrachtung
haumlngen diese stark zusammen und beeinflussen sich gegenseitig ndash positiv beeinflussen Im
Sinne der Salutogenese werden also Ressourcen entwickelt undoder gestaumlrkt Verbreitete
Strategien der Gesundheitsfoumlrderung wie etwa Sport gesunde Ernaumlhrung und Entspannung
aber auch soziale Ausgewogenheit und Partizipation als strukturelle Verhaumlltnisse muumlssen von
der Zielgruppe als positiv erlebt werden (vgl Geene 2005 S 21) Andernfalls ist keine oder
nur eine geringere Annahme bzw Wirkung des Programms zu erwarten Am Ende einer
Maszlignahme sollte stets eine Evaluation erfolgen Hier sind mit passend ausgewaumlhlten Evalua-
12
tionsinstrumenten die Auswirkungen des Programmes meist in irgendeiner Form messbar
entweder durch subjektive Einschaumltzungen zB wenn Teilnehmende angeben sich nun ge-
sunder zu fuumlhlen oder auch durch objektiv messbare Werte So koumlnnen bspw Werte wie Ge-
wicht Body-Mass-Index Blutwerte oder Ausdauer zu Beginn einer Maszlignahme mit denen am
Ende verglichen werden Eine hier erfolgreich ansetzende Maszlignahme hat meist (nicht nur)
eine Verbesserung der koumlrperlichen Gesundheit zur Folge Das gesenkte Risiko fuumlr Herz-
Kreislauf-Erkrankungen Krebs Erkrankungen der Atemwege der Verdauungsorgane oder
des Muskel-Skelett-Systems koumlnnen exemplarisch als Verbesserung der physischen Gesund-
heit aufgefuumlhrt werden (vgl HurrelmannKlotzHaisch 2010 S 20) Dies sind Anzeichen
dass sich der bdquoStandpunktldquo eines Menschen auf dem Gesundheits-Krankheits-Kontinuum
nach Antonovskys Modell der Salutogenese ein Stuumlck weiter Richtung Gesundheit verscho-
ben hat
Auch die Foumlrderung der Selbstwirksamkeit also der Uumlberzeugung auch schwierige Situatio-
nen mit eigenen Ressourcen loumlsen zu koumlnnen hat vielfaumlltige positive Auswirkungen auf die
Gesundheit und foumlrdert so diese (DlugoschDahl 2013 S 370) Maszlignahmen zur Entspannung
und Stressbewaumlltigung wirken sich im ersten Moment auf das seelische und psychische
Wohlbefinden aus haben dadurch aber sehr oft auch positive Auswirkungen auf den Koumlrper
Bestimmte Methoden wie etwa Yoga verfolgen schon im Ansatz eine ganzheitliche Vorstel-
lung bei welchem das Wohlbefinden koumlrperlich psychisch und seelisch gestaumlrkt wird (vgl
SimonHegerReszies 2011 S 169)
Die aufgefuumlhrten positiven Auswirkungen durch gesundheitsfoumlrdernde Maszlignahmen auf die
Gesundheit von Menschen sind nur einige Beispiele von sehr vielen Allen diesen Effekten zu
eigen ist jedoch dass sie sich positiv auf das gesundheitliche Wohlbefinden der Menschen
auswirken In deren subjektiven Empfinden verschiebt sich dadurch ihr Punkt auf dem Ge-
sundheits-Krankheits-Kontinuum des Salutogenesemodells ein Stuumlck in Richtung des Ge-
sundheitspols
33 Rechtliche Grundlagen
Die rechtliche Verankerung der Gesundheitsfoumlrderung findet sich in Deutschland im SGB V
wieder So legt sect 20 Abs 1 SGB V fest bdquoDie Krankenkasse sieht in der Satzung Leistungen
zur Verhinderung und Verminderung von Krankheitsrisiken (primaumlre Praumlvention) sowie zur
Foumlrderung des selbstbestimmten gesundheitsorientierten Handelns der Versicherten (Gesund-
13
heitsfoumlrderung) vorldquo5 Zurecht weist die Bundesaumlrztekammer in ihrer Stellungnahme zum
neuen Praumlventionsgesetz darauf hin dass diese Definition von Gesundheitsfoumlrderung nicht
umfassend genug ist da die Staumlrkung von Gesundheitsressourcen und ndashpotenzialen unerwaumlhnt
bleibt (vgl Bundesaumlrztekammer 2014 S 3) Die gesetzliche Krankenversicherung ist in
Deutschland von den Sozialversicherungszweigen finanziell mit Abstand am staumlrksten an der
Gesundheitsfoumlrderung beteiligt Gesetzlich verpflichtet war auszligerdem bisher nur die gesetzli-
che Unfallversicherung sodass die Beteiligung nicht-oumlffentlicher gemeinnuumltziger Traumlger wie
bspw Stiftungen zunehmend an Bedeutung gewinnt Der groumlszligte Teil der finanziellen Mittel
stammt allerdings aus oumlffentlichen Mitteln (vgl AltgeldKolip 2010 S 54) Durch das Prauml-
ventionsgesetz sind die gesetzlichen Krankenkassen nun nach sect 20 Abs 6 SGB V verpflich-
tet ab dem Jahr 2016 pro Versicherten 700 Euro statt wie im Jahr 2015 317 Euro fuumlr Praumlven-
tion und Gesundheitsfoumlrderung auszugeben Davon entfallen je 200 Euro auf Leistungen zur
Gesundheitsfoumlrderung und Praumlvention in Lebenswelten nach sect 20a SGB V und Betriebliche
Gesundheitsfoumlrderung nach sect 20b SGB V Das Praumlventionsgesetz sieht dabei eine Betriebli-
che Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen in WfbMs vor bdquoMit den Leistungen
[primaumlre Praumlvention und Gesundheitsfoumlrderung MP] sollen auch Menschen mit Behinde-
rung erreicht werden zB mit Leistungen zur betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung in Werk-
staumltten fuumlr behinderte Menschenldquo (Deutscher Bundestag 2015 S 34) Dies geht aus der vom
Deutschen Bundestag veroumlffentlichten Erlaumluterung zum Gesetzentwurf hervor
Die gesetzlichen Krankenkassen (unter Umstaumlnden auch die privaten Krankenkassen) sollen
des Weiteren mit den Traumlgern der Pflegeversicherung der Unfallversicherung und der Gesetz-
lichen Rentenversicherung eine bdquoNationale Praumlventionsstrategieldquo entwickeln (sect 20d SGB V)
die in der bdquoNationalen Praumlventionskonferenzldquo (sect 20e SGB V) ausgearbeitet und weitergefuumlhrt
wird In beiden Paragraphen geht es auch um Strategien der Gesundheitsfoumlrderung
Die gesetzlichen Pflegekassen sind nach sect 5 SGB XI fortan verpflichtet im Jahr 030 Euro je
Versicherter und Versichertem zur Gesundheitsfoumlrderung und Praumlvention in stationaumlren Pfle-
geeinrichtungen zu investieren
Eine gesetzliche Verankerung der Partizipation in der Gesundheitsfoumlrderung durch das Prauml-
ventionsgesetz ist hingegen ausgeblieben Ausgehend von der Annahme dass Gesundheits-
foumlrderung effektiver ist wenn die Zielgruppe an der Planung Durchfuumlhrung und Evaluation
5 Die Novellierung der sectsect 20ff SGB V ist eine Folge des 2015 verabschiedeten Gesetzes zur Staumlrkung der Ge-
sundheitsfoumlrderung und der Praumlvention Dieses ist im Internet verfuumlgbar unter
httpwwwbgbldexaverbgblstartxavstartbk=Bundesanzeiger_BGBlampjumpTo=bgbl115s1368pdf__bgbl__
2F2F[40attr_id3D27bgbl115s1368pdf27]__1446046078671 (Abrufdatum 28102015)
14
der Maszlignahme partizipiert (vgl FaltermaierWihofszky 2012 S 108) waumlre eine gesetzliche
Verankerung der Partizipation vorteilhaft gewesen
Das Recht auf Leistungen zur Gesundheitsfoumlrderung ergibt sich fuumlr Menschen mit Behinde-
rung auch aus der UN-BRK welche im Jahre 2009 von der Bundesrepublik Deutschland rati-
fiziert wurde In Artikel 25 heiszligt es hier bdquoDie Vertragsstaaten anerkennen das Recht von
Menschen mit Behinderungen auf das erreichbare Houmlchstmaszlig an Gesundheit ohne Diskrimi-
nierung aufgrund von Behinderungldquo Dieses houmlchsterreichbare Maszlig kann nur erreicht werden
wenn Menschen mit Behinderung konsequent in Maszlignahmen der Gesundheitsfoumlrderung ein-
bezogen werden Deutschland verpflichtet sich in Artikel 25 a) der UN-BRK behinderten
Menschen bdquoeine unentgeltliche oder erschwingliche Gesundheitsversorgung in der derselben
Bandbreite von derselben Qualitaumlt und auf demselben Standard zur Verfuumlgung [zu stellen]
wie anderen Menschen [hellip]ldquo Dies umfasst nicht nur kurative und rehabilitative Maszlignahmen
sondern auch solche zur Praumlvention und Foumlrderung der Gesundheit
34 Gesundheitsfoumlrderung in Settings
Da der Fokus dieser Arbeit auf der Gesundheitsfoumlrderung in WfbMs liegt werden nun einige
Aspekte zur Gesundheitsfoumlrderung in Settings also Lebenswelten genauer thematisiert
bdquoEin Setting ist ein Sozialzusammenhang in dem Menschen sich in ihrem Alltag aufhalten
und der Einfluss auf ihre Gesundheit hat Dieser soziale Zusammenhang ist relativ dauerhaft
und seinen Mitgliedern auch subjektiv bewusstldquo (HartungRosenbrock 2015 oS) Diese kur-
ze Definition enthaumllt die wichtigsten Merkmale eines Settings Jeder Mensch bewegt sich
folglich in verschiedenen Settings zB seiner Arbeitswelt seinem Wohnumfeld oder seinem
Freizeitbereich Dabei hat jedes Setting Einfluss auf die Menschen die sich in ihm bewegen
wie auch jeder Mensch gleichzeitig das jeweilige Setting beeinflusst Gesundheit ist hierbei
als ein wichtiges alltaumlgliches Element des jeweiligen Settings zu sehen und nicht ausschlieszlig-
lich als essenzielles und abstraktes Ziel (vgl RoumlmischWalther 2015 S 5 AltgeldKolip
2010 S 49) Dies betont auch die salutogenetische Position nach der jeder Mensch zu jedem
Zeitpunkt zumindest ein gewisses Maszlig an Gesundheit inne hat (vgl Antonovsky 1997 S 23)
Bereits in der Ottawa-Charta wird als eine Strategie zur Gesundheitsfoumlrderung bdquoGesundheits-
foumlrderliche Lebenswelten schaffenldquo (WHO 1986 S 3) genannt Elf Jahre spaumlter verdeutlicht
die Jakarta-Erklaumlrung die Wirksamkeit dieser Strategie bdquoDer wissenschaftliche Erkenntnis-
15
stand zeigt deutlich daszlig [hellip] insbesondere Settings [hellip] gute Moumlglichkeiten zur praktischen
Umsetzung solcher umfassenden Strategien bietenldquo (WHO 1997 S 3)
Dies mag va daran liegen dass eher schwer erreichbare Zielgruppen der Gesundheitsfoumlrde-
rung in ihren Lebenswelten relativ gut erreicht werden koumlnnen (vgl FaltermaierWihofszky
2012 S 110) Zu diesen Zielgruppen gehoumlren va sozial benachteiligte Menschen wie etwa
Menschen mit Migrationshintergrund in Armut lebende Menschen oder Menschen mit Be-
hinderungen Da das deutsche Gesundheitssystem stark mittelschichtsorientiert ist sind diese
schwerer zu erreichen als wohlhabendere Bevoumllkerungsschichten (vgl Stickan-Verfuumlrth 2005
S 105106) Besonders problematisch ist dies vor dem Hintergrund zu sehen dass gerade
sozial benachteiligte Menschen wie bereits erwaumlhnt haumlufig uumlber eine schlechtere Gesundheit
verfuumlgen
35 Gesundheitsfoumlrderung in der Lebenswelt bdquoArbeitldquo
Fuumlr eine Gesundheitsfoumlrderung in der Lebenswelt bdquoArbeitldquo sind besonders zwei Strategien
relevant die Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung (BGF) und das Betriebliche Gesundheitsma-
nagement
Die Begriffe bdquoBetriebliche Gesundheitsfoumlrderungldquo und bdquoBetriebliches Gesundheitsmanage-
mentldquo werden in der Literatur zT sehr unterschiedlich interpretiert Die Bandbreite reicht
hier von einer beinahe synonymen Verwendung bis hin zu einer klaren Abgrenzung Die hier
vorgenommene Unterscheidung ist dabei nur eine Moumlglichkeit unter mehreren
351 Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung
Als Grundsatzdokument der Betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung in Deutschland gilt heute
die Luxemburger Deklaration zur betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung in der Europaumlischen
Union aus dem Jahr 1997 Sie legt Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung wie folgt fest bdquoBe-
triebliche Gesundheitsfoumlrderung (BGF) umfasst alle gemeinsamen Maszlignahmen von Arbeit-
gebern Arbeitnehmern und Gesellschaft zur Verbesserung von Gesundheit und Wohlbefinden
am Arbeitsplatzldquo (Unternehmensnetzwerk zur betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung in der Eu-
ropaumlischen Union eV 2007 S 2 eigene Paginierung) Als Wege hierfuumlr sieht die Luxem-
burger Deklaration va drei Pfade welche in ihrer Verknuumlpfung am effektivsten scheinen die
16
Verbesserung der Arbeitsorganisation und der Arbeitsbedingungen die Staumlrkung der Partizi-
pation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und die Unterstuumltzung im Aufbau und der Wei-
terentwicklung persoumlnlicher Kompetenzen (vgl Unternehmensnetzwerk zur betrieblichen
Gesundheitsfoumlrderung in der Europaumlischen Union eV 2007 S 2)
Die Auswirkungen Betrieblicher Gesundheitsfoumlrderung sind mannigfaltig und durch Studien
belegt So kann hier aufgrund der verbesserten Gesundheit und der staumlrkeren Gesundheitsres-
sourcen eine Verringerung der Fehltage aufgrund von Krankheit angefuumlhrt werden Aber auch
die Wertschaumltzung und Fuumlrsorge durch den Betrieb koumlnnen eine staumlrkere Identifikation der
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit dem jeweiligen Unternehmen hervorrufen (vgl Si-
monHegerReszies 2011 S 3738) Dies hat ua ein besseres Arbeitsklima eine houmlhere Mo-
tivation und Arbeitszufriedenheit und daraus resultierend eine Steigerung der Produktivitaumlt
zur Folge (vgl Unternehmensnetzwerk zur betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung in der Euro-
paumlischen Union eV 2007 S 3) Diese positiven Effekte entfalten teilweise erst laumlngerfristig
ihre Wirkung Somit sind sie fuumlr das Unternehmen eine langfristige Investition die allerdings
Gefahr laumluft kurzfristigen betriebswirtschaftlichen Interessen entgegenzulaufen (vgl Rosen-
brockHartung 2015 oS)
Als Maszlignahmen der Betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung eignen sich sowohl verhaltens- als
auch verhaumlltnisbezogene Maszlignahmen Eine Kombination aus beiden waumlre im Sinne der
Ganzheitlichkeit durchaus gewinnbringend
Eine gesetzliche Verpflichtung fuumlr Unternehmen zur Betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung gibt
es fuumlr Unternehmen in Deutschland nicht Wie in Punkt 33 bereits erwaumlhnt ist der rechtliche
Zusammenhang in sect 20b Abs 1 Satz 2 SGB V geregelt bdquoHierzu erheben sie [die Kranken-
kassen MP] unter Beteiligung der Versicherten und der Verantwortlichen fuumlr den Betrieb
sowie der Betriebsaumlrzte und der Fachkraumlfte fuumlr Arbeitssicherheit die gesundheitliche Situation
einschlieszliglich ihrer Risiken und Potenziale und entwickeln Vorschlaumlge zur Verbesserung der
gesundheitlichen Situation sowie zur Staumlrkung der gesundheitlichen Ressourcen und Faumlhig-
keiten und unterstuumltzen deren Umsetzungldquo Nach sect 20 Abs 6 Satz 2 sind die Krankenkassen
dazu verpflichtet pro Versicherter und Versichertem 200 Euro im Jahr in Maszlignahmen zur
Betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung zu investieren
Obwohl der Nutzen Betrieblicher Gesundheitsfoumlrderung sowohl fuumlr die Belegschaft als auch
fuumlr das jeweilige Unternehmen selbst nachgewiesen ist (vgl RosenbrockHartung 2015 oS)
es sich also um eine Win-Win-Situation handelt ist ihre Verbreitung in Deutschland noch
eher gering Das liegt zum einen daran dass Unternehmen nicht zur Betrieblichen Gesund-
heitsfoumlrderung verpflichtet sind und diese daher auf Freiwilligkeit aller Akteure beruht Zum
17
anderen liegt es daran dass es sich um einen vielschichtigen Prozess handelt der durch inter-
ne externe oumlkonomische oder betriebspolitische Veraumlnderungen beeintraumlchtigt werden kann
(vgl RosenbrockHartung 2015 oS)
Fuumlr eine gelingende BGF ist Partizipation unumgaumlnglich denn nur so wird sichergestellt dass
moumlglichst viele Akteure besonders die Zielgruppe der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter er-
reicht wird (SimonHegerReszies 2011 S 46) Ein wichtiges Element hierbei ist der sog
bdquoGesundheitszirkelldquo Dieser setzt sich zusammen aus Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des
Betriebs wobei moumlglichst verschiedene Arbeitsbereiche und Hierarchieebenen vertreten sein
sollten Die Groumlszlige sollte dabei uumlberschaubar bleiben zB zwischen fuumlnf und acht Teilneh-
menden evtl ergaumlnzt durch einen externen Experten Im Zuge einer angestrebten Versteti-
gung von Gesundheitsfoumlrderung im Betrieb sind regelmaumlszligige Treffen sinnvoll (vgl Si-
monHegerReszies 2011 S 64 ndash 69) Um eine moumlglichst umfassende Partizipation zu ge-
waumlhrleisten empfiehlt es sich den Gesundheitszirkel von Beginn an also der Phase der Pla-
nung mit einzubeziehen Fuumlr eine Gesundheitsfoumlrderung in WfbMs scheint eine analoge An-
wendung des Konzeptes Gesundheitszirkel sowohl moumlglich als auch sinnvoll um von Beginn
an partizipative Strukturen zu etablieren
352 Betriebliches Gesundheitsmanagement
In der Literatur wird der Begriff des Betrieblichen Gesundheitsmanagements sehr unter-
schiedlich interpretiert Schlummer interpretiert ihn beinahe synonym zur Betrieblichen Ge-
sundheitsfoumlrderung wobei lediglich der Faktor der Arbeitssicherheit eine staumlrke Beruumlcksichti-
gung im Gesundheitsmanagement findet (vgl Schlummer 2015 S 35) Die Luxemburger
Deklaration hingegen sieht Arbeits- und Gesundheitsschutz in Unternehmen als Teil der Be-
trieblichen Gesundheitsfoumlrderung (vgl Unternehmensnetzwerk zur betrieblichen Gesund-
heitsfoumlrderung in der Europaumlischen Union eV 2007 S 4) In der vorliegenden Arbeit wird
der Arbeits- und Gesundheitsschutz ebenfalls unter der Strategie der Betrieblichen Gesund-
heitsfoumlrderung gesehen da er dem Verstaumlndnis von BGF als bdquoMaszlignahmen von Arbeitgebern
Arbeitnehmern und Gesellschaft zur Verbesserung von Gesundheit und Wohlbefinden am
Arbeitsplatzldquo (Unternehmensnetzwerk zur betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung in der Europauml-
ischen Union eV 2007 S 2) entspricht Fuumlr die Abgrenzung zwischen den beiden Begriffen
scheint dieser Aspekt zweitrangig Im Vordergrund liegt eher der jeweilige Charakter der
Strategie
18
Gesundheitsmanagement in Betrieben kann als bdquo[b]ewusste Steuerung und Integration aller
betrieblichen Prozesse mit dem Ziel der Erhaltung und Foumlrderung der Gesundheit und des
Wohlbefindens der Beschaumlftigtenldquo (HannackRaumlder 2011 S 434) gesehen werden Dieses
Konzept scheint mit Vor- und Nachteilen einherzugehen Da saumlmtliche betriebliche Prozesse
die als der Gesundheit foumlrderlich gelten hierunter fallen sind auch individuelle Maszlignahmen
wie bspw das Betriebliche Eingliederungsmanagement nach sect 84 Abs 2 SGB IX mit inbe-
griffen Bei diesem geht es in erster Linie nicht um eine Erhaltung oder Verbesserung der
Gesundheit sondern um eine Vorbeugung von Arbeitsunfaumlhigkeit undoder den Erhalt eines
Arbeitsplatzes Ebenfalls positiv kann die Implementierung gesundheitsorientierter Prozesse
und Strukturen in das generelle Management eines Unternehmens gesehen werden Dadurch
scheint auszligerdem die Dauerhaftigkeit von gesundheitsfoumlrderlichen Maszlignahmen besser er-
reichbar als bei der BGF Hier haben Maszlignahmen meist den Charakter eines zeitlich befriste-
ten Projektes (vgl SlesinaBohley 2011 S 627) Der groszlige Nachteil des Betrieblichen Ge-
sundheitsmanagements liegt in der Gefahr dass sog top-down-Strukturen die Uumlberhand ge-
winnen (vgl Faller 2010 S 25 zit nach RosenbrockHartung 2015 oS) Top-down-
Strukturen in der Gesundheitsfoumlrderung zeichnen sich dadurch aus dass eine Person von
bdquoobenldquo eine Maszlignahme einleitet und im schlimmsten Fall bdquoaufoktroyiertldquo Dies kann mangels
Partizipation der Zielgruppe zu Ablehnung bei dieser fuumlhren
Fuumlr eine Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung in WfbMs scheint ndash zumin-
dest im Moment ndash der Weg der BGF geeigneter Hier sind zum einen in der Theorie groszlige
Potentiale fuumlr Partizipation gegeben Zum anderen ist das Thema der systematischen Gesund-
heitsfoumlrderung mit behinderten Menschen in Institutionen der Behindertenhilfe bisher kaum
verbreitet (siehe 44) Eine sofortige Implementierung des Betrieblichen Gesundheitsmana-
gements wuumlrde die meisten Einrichtungen uumlberfordern und vor den Kopf stoszligen Auf lange
Sicht scheint dies aber ein wuumlnschenswertes Ziel zu sein welches Schritt fuumlr Schritt erreicht
werden sollte
19
4 Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung
Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen ist bisher in der Praxis der sog bdquoBehinder-
tenhilfeldquo6 nur aumluszligert selten integriert In der wissenschaftlichen Literatur sind in den letzten
Jahren einige Beitraumlge erschienen die sich diesem Thema widmen Es soll nun zuerst darge-
stellt werden in welchem Verhaumlltnis Gesundheit und Behinderung zueinander stehen bevor
auf die Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen eingegangen wird Der Fokus dieser
Arbeit liegt auf der Gesundheitsfoumlrderung in WfbMs In diesem Zusammenhang wird der
Stand der Literatur kurz dargestellt eine kurze Analyse von Leitbildern einzelner Werkstaumltten
vorgenommen und einige Stimmen aus der Praxis wiedergegeben Aufgrund des knappen
Rahmens dieser Arbeit muss sich dies auf das Bundesland Berlin beschraumlnken und erhebt kei-
nen Anspruch auf empirische Vollstaumlndigkeit Vielmehr versteht es sich als eine kleine Feld-
befragung die als ein erster Impuls gesehen werden kann
41 Behinderte Menschen und Gesundheit und Krankheit ndash sozialmedizinische Erkenntnisse
Zunaumlchst muss festgehalten werden dass eine Behinderung keine Krankheit ist Auch ein
schwer behinderter Mensch kann sich sehr gesund fuumlhlen Der wesentliche Unterschied zwi-
schen einer Behinderung und einer Krankheit liegt darin dass bei einer Behinderung die Teil-
habe am Leben in der Gesellschaft langfristig beeintraumlchtigt ist bei einer Erkrankung hinge-
gen nicht oder nur kurzfristig7 Das hier vorliegende Verstaumlndnis in der Unterscheidung bei-
der Begriffe ist vordergruumlndig eher ein soziales denn eine medizinische Abgrenzung
Es existieren verschiedene und teilweise weitreichende gesundheitliche Unterschiede zwi-
schen Menschen mit Behinderungen und Menschen ohne Behinderungen Um diese auch in
ihrem Ursprung erklaumlren zu koumlnnen reicht der bdquotraditionelleldquo bio-medizinische Blick nicht
aus da er zu kurz greift Er muss um die sozialmedizinische Sichtweise ergaumlnzt werden
An dieser Stelle sollte allerdings darauf hingewiesen werden dass die folgende Darstellung
den Gesundheitszustand groszliger heterogener Gruppen von Menschen abbildet und die ge-
troffenen Aussagen daher nicht auf jeden Einzelfall anwendbar sind
6 Dieser Begriff impliziert durch den Wortteil bdquo-hilfeldquo ein Maumlchteungleichgewicht welches einer wahren Parti-
zipation der behinderten Menschen im Wege steht 7 Sollte eine chronische Krankheit einen Menschen in seiner Teilhabe langfristig einschraumlnken kann sie durch-
aus auch als Behinderung gesehen werden
20
Der Teilhabebericht des Bundesministeriums fuumlr Arbeit und Soziales (BMAS) kommt zu dem
Ergebnis dass Menschen mit Behinderungen ihre Gesundheit haumlufig schlechter einschaumltzen
als Menschen ohne Behinderungen Dies gilt auch fuumlr das psychische Wohlbefinden welches
im ganzheitlichen Verstaumlndnis von Gesundheit das dieser Arbeit zugrunde liegt (siehe 22)
ebenfalls Teil der Gesundheit ist Auch hat ein Mensch mit Behinderung in Deutschland im
Durchschnitt mehr Krankheitstage8 als ein nicht behinderter Mensch Menschen mit Behinde-
rung konsultieren statistisch betrachtet in einem bestimmten Zeitraum haumlufiger einen Arzt als
die durchschnittliche Bevoumllkerung Dies duumlrfte ua an dem als schlechter wahrgenommenen
Gesundheitszustand liegen aber auch an der Komorbiditaumlt bestimmter Behinderungen Bzgl
des Rauchverhaltens Alkoholkonsums und einer gesundheitsbewussten Ernaumlhrung bestehen
nur relativ geringe Unterschiede zur Gesamtbevoumllkerung Auffaumlllig ist lediglich dass die
Gruppe der 18- bis 29-Jaumlhrigen Menschen mit Behinderung zu einem houmlheren Anteil regel-
maumlszligig raucht Alkohol trinkt und seltener auf gesunde Ernaumlhrung achtet In den anderen Al-
tersgruppen bestehen kaum nennenswerte Unterschiede (vgl BMAS 2013 S 192 ndash 204)
Menschen mit Behinderungen haben im Durchschnitt eine geringere Lebenserwartung wobei
es hier Unterschiede zwischen einzelnen Syndromen gibt (vgl MarksSisirakHeller 2010
S 3) Bei einigen kann die jeweilige Behinderung selbst der Ausloumlser sein jedoch besteht
besonders bei Menschen mit Lernschwierigkeiten die Gefahr dass Krankheiten nicht richtig
erkannt oder nur unzureichend behandelt werden (vgl Lennox 2002 S 230) Ausschlagge-
bend hierfuumlr duumlrfte sein dass im Gesundheitsbereich verschiedenste Barrieren existieren Zum
Beispiel ist nur ein Teil der Arztpraxen barrierefrei wobei besonders haumlufig passende Unter-
suchungsmoumlbel und Informationsmaterial in Leichter Sprache fehlen (vgl BMAS 2013
S 200201) Ebenfalls negativ wirkt sich aus dass Aumlrzte teilweise unsicher im Umgang mit
Menschen mit Lernschwierigkeiten sind und diese zT auszligerdem ihre Symptome nicht praumlzi-
se genug beschreiben koumlnnen oder uumlber eine geringer differenzierte Wahrnehmung des eige-
nen Koumlrpers verfuumlgen als Menschen ohne Behinderung (vgl SchmidtReker 2014 S 28)
Des Weiteren haben Menschen mit Lernschwierigkeiten statistisch gesehen haumlufiger Uumlberge-
wicht als der Durchschnitt der Bevoumllkerung Hier muss jedoch beruumlcksichtigt werden dass
mit bestimmten Syndromen wie bspw dem Down-Syndrom ein veraumlnderter Energiebedarf
aufgrund der geringeren Muskelspannung einhergeht oder das Saumlttigungsgefuumlhl zB beim
Prader-Willi-Syndrom veraumlndert ist (Beange 2002 S 3) Die houmlhere Wahrscheinlichkeit des
Uumlbergewichts besteht statistisch gesehen sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen mit
8 Krankheitstage werden an dieser Stelle des Bundesteilhabeberichtes verstanden als Tage in denen der Mensch
sich subjektiv zu krank gefuumlhlt hat um seinen normalen privaten und beruflichen Taumltigkeiten nachzugehen
21
Lernschwierigkeiten (vgl Reuter 2009 S 13) Eine moumlgliche Ursache hierfuumlr kann auch in
der Tatsache gesehen werden dass Menschen mit Behinderungen durchschnittlich seltener
Sport treiben als nicht behinderte Menschen (vgl BMAS 2013 S 221222)
Ein weiterer bedeutender Zusammenhang zwischen Krankheit und Behinderung ist dass viele
Behinderungen im Sinne von Einschraumlnkungen in der gesellschaftlichen Teilhabe wie auch im
gesetzlichen Verstaumlndnis nach dem SGB IX Folgen von schweren undoder chronischen
Krankheiten sind (vgl SchmidtReker 2014 S 26)
Trotz allem muumlssen auch die vorhandenen Gesundheitspotentiale behinderter Menschen be-
ruumlcksichtigt werden denn an ihnen kann eine gelingende Gesundheitsfoumlrderung ansetzen (vgl
Altgeld 2008 S 8)9 Ein ressourcenorientierter Blick achtet besonders auf die verschiedenen
Potentiale die jedem Menschen (oder auch einer Gruppe von Menschen) innewohnen
Das Verhaumlltnis zwischen Gesundheit und Behinderung haumlngt in Deutschland und vielen Tei-
len der sog westlichen Welt aus sozialmedizinischem Blickwinkel nach wie vor so zusam-
men bdquoWhile a large number of individuals who are in bad health end up with a disability a
large number of persons with disabilities end up with bad healthldquo10
(Rimmer 2009 zit nach
MarksSisirakHeller 2010 S 31) Dieser Chiasmus verdeutlicht zusammenfassend nicht nur
die vorherrschende enge Verbindung zwischen schlechterer Gesundheit und Behinderung
sondern impliziert auch die Notwendigkeit von Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Be-
hinderungen Wie in 31 beschrieben hat Gesundheitsfoumlrderung auch den Abbau gesundheit-
licher Chancenungleichheit zum Ziel
42 Erreichbarkeit von Menschen mit Behinderungen fuumlr gesundheitsfoumlrdernde Maszlignahmen
Fuumlr die Gesundheitsfoumlrderung gelten Menschen mit Behinderungen als schwer zu erreichen
Es sollen nun die wesentlichen Probleme aber auch die vorhandenen Potentiale beschrieben
werden
9 Altgeld bezieht sich in seiner Analyse auf den Gesundheitsmonitor 2007 der Bertelsmann Stiftung Da dieser
Menschen mit Lernschwierigkeiten nicht mit einbezieht sondern vorwiegend koumlrper- und sinnesbeeintraumlchtige
Menschen beruumlcksichtigt koumlnnen seine Schlussfolgerungen nicht fuumlr die gesamte sehr heterogene Gruppe der
behinderten Menschen angewendet werden 10
Waumlhrend eine groszlige Anzahl an Personen welche eine schlechte Gesundheit besitzen eine Behinderung er-
langt erlangt eine groszlige Anzahl an Personen mit Behinderungen eine schlechte Gesundheit (Uumlbersetzung des
Verfassers)
22
421 Probleme bei der Erreichbarkeit
In den bundesweiten Untersuchungen wie bspw dem Sozio-oumlkonomischen Panel (SOEP)
oder Gesundheit in Deutschland aktuell (GEDA) werden Menschen mit Lernschwierigkeiten
idR nicht erreicht Dies hat zur Folge dass sowohl gesundheitliche Potentiale als auch Be-
duumlrfnisse und Bedarfe von Menschen mit Lernschwierigkeiten in der Gesundheitsfoumlrderung
weitgehend unerkannt und dadurch ausgeklammert bleiben (vgl Burtscher 2014 S 4)
Generell gelten behinderte Menschen bisher als schwer zu erreichen fuumlr Maszlignahmen zur Ge-
sundheitsfoumlrderung was verschiedene Gruumlnde hat Sozial benachteiligte Menschen sind sehr
haumlufig eine schwer erreichbare Zielgruppe fuumlr die Gesundheitsfoumlrderung Maszlignahmen auf der
gesamtgesellschaftlichen Ebene werden eher von Menschen mit houmlherem sozialen Status an-
genommen (Hurrelmann 2006 S 164) und erst spaumlter von sozial Benachteiligten internali-
siert Es waumlre jedoch ein Fehler Menschen mit Behinderungen automatisch zur Gruppe der
sozial benachteiligten Menschen zu rechnen Jedoch zeigt der Bundesteilhabebericht dass
behinderte Menschen haumlufiger erwerbslos sind und durchschnittlich weniger Gehalt verdienen
(BMAS 2013 S 141 ndash 149) Dass die finanzielle Lage von Beschaumlftigten der WfbMs beson-
ders prekaumlr ist wird im Punkt 43 naumlher erlaumlutert Diese soziooumlkonomischen Merkmale sind
jedoch nur ein Aspekt Auch gilt es zu bedenken dass besonders Maszlignahmen auf der Verhal-
tensebene bei sozial benachteiligten Menschen oft wenig angenommen werden da sie mit den
eigenen dauerhaften Lebensvorstellungen nicht uumlbereinstimmen (vgl Hurrelmann 2006
S 164) So nehmen Menschen mit Behinderung nur sehr selten an Angeboten oumlffentlicher
Einrichtungen wie bspw Volkshochschulkursen oder Rehabilitations-Sport-Maszlignahmen teil
(vgl Burtscher 2014 S 5)
Ein weiterer Punkt ist dass das Thema Gesundheitsfoumlrderung in der Behindertenarbeit traditi-
onell kaum etabliert war Laut einer Studie aus dem Jahr 2004 sehen Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter in Behinderteneinrichtungen haumlufig wenig Relevanz in Sport Bewegung und Er-
naumlhrung fuumlr die Foumlrderung der Gesundheit behinderter Menschen Daruumlber hinaus schreiben
sie auch Selbstbewusstsein Selbststaumlndigkeit und Selbstbestimmung nur eine untergeordnete
Rolle zu (vgl Gembris-Nuumlbel 2004 S 144) Allerdings besteht die Chance dass diese Ein-
stellung sich in den letzten zehn Jahren veraumlndert hat Die Ergebnisse der im Rahmen dieser
Arbeit durchgefuumlhrten Feldbefragung geben Anlass zu dieser Annahme (siehe 443) Auszliger-
dem ist fuumlr viele Menschen mit Lernschwierigkeiten der Zugang zu Informationen welche
Gesundheitsfoumlrderung thematisieren nur schwer moumlglich Hier sind folglich Vermittlung und
Unterstuumltzung oft notwendig (vgl Gembris-Nuumlbel 2004 S 82)
23
Auch von der Politik wird das Thema der Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen
bisher nur sehr selten thematisiert Seltene Ausnahmen wie zB die 22 Landesgesundheits-
konferenz in Nordrhein-Westfalen weisen jedoch auf die Wichtigkeit von Gesundheitsfoumlrde-
rung hin welche die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben verbessern kann (vgl Ministerium
fuumlr Gesundheit Emanzipation Pflege und Alter des Landes Nordrhein-Westfalen 2013
S 31) Hervorgehoben wird hier auch die (zukuumlnftige) Gestaltung der Informationen damit
diese fuumlr alle zugaumlnglich sind Des Weiteren soll auch das Bewusstsein saumlmtlicher Beteiligten
im Bereich der Gesundheitsfoumlrderung sensibilisiert werden (vgl Ministerium fuumlr Gesundheit
Emanzipation Pflege und Alter des Landes Nordrhein-Westfalen 2013 S 32)
Schon im Grundschulalter werden behinderte Kinder oft nicht erreicht da Gesundheitsfoumlrde-
rung sehr haumlufig nur in Regelgrundschulen und weiterfuumlhrenden Schulen und nicht in separie-
renden Foumlrderschulen stattfindet (vgl Reuter 2009 S 1819)
422 Potentiale fuumlr die Erreichbarkeit
Allerdings muumlssen auch die Potentiale betrachtet werden die fuumlr eine Erreichbarkeit behin-
derter Menschen zur Gesundheitsfoumlrderung vorhanden sind Auch diese bestehen in allen Al-
tersgruppen zB im fruumlhen Schulalter Im Zuge der Inklusion bei der immer mehr Kinder
mit Behinderungen in Regelschulen unterrichtet werden ist zu hoffen dass sie zukuumlnftig haumlu-
figer an Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung teilhaben koumlnnen Solange es (noch) Foumlrder-
schulen gibt muss auch auf deren (oft ungenutztes) Potential fuumlr gesundheitsfoumlrdernde Maszlig-
nahmen hingewiesen werden das in ihrer oft ganztaumlgigen Betreuung und den damit verbun-
denen Ressourcen liegt
Nicht nur in der Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Kindern sind bereits Potentiale vor-
handen Generell weisen Gesundheitsfoumlrderung und Behindertenarbeit sehr groszlige Gemein-
samkeiten in Sprache Prinzipien und Zielen auf Beide zielen letztendlich ab auf Inklusion
Partizipation Empowerment Entwicklung persoumlnlicher Faumlhigkeiten Einbindung in die Ge-
meinde die Neuorientierung von Gesundheitsdienstleistungen und die Foumlrderung von Um-
welten welche Gesundheit und Lebensqualitaumlt verbessern (vgl Lennox 2002 S 231) Es soll
auch darauf hingewiesen werden dass viele behinderte Menschen sehr an Informationen uumlber
Gesundheit interessiert sind und aktiv nach Informationen suchen (vgl Altgeld 2008 S 8)
Abschlieszligend laumlsst sich auffuumlhren dass gerade der Setting-Ansatz wie er in Punkt 34 darge-
stellt wurde eine sehr gute Moumlglichkeit bietet Menschen mit Behinderungen zu erreichen Er
24
bietet einen Zugangspunkt und kann Ausgangslage sein sowohl fuumlr verhaltens- als auch fuumlr
verhaumlltnisorientierte Maszlignahmen zur Foumlrderung der Gesundheit von Menschen mit Behinde-
rungen
Obwohl behinderte Menschen in der Vergangenheit nur selten gezielt an Maszlignahmen zur
Gesundheitsfoumlrderung beteiligt wurden sind doch einige Potentiale vorhanden an denen an-
zuknuumlpfen lohnenswert scheint
43 Das Setting Werkstatt fuumlr behinderte Menschen
WfbMs sind spezielle Einrichtungen fuumlr Menschen mit Behinderungen die nach dem SGB IX
als behindert gelten (siehe 21) Nach sect 136 SGB IX dienen diese Einrichtungen der bdquoTeilhabe
behinderter Menschen am Arbeitsleben [hellip] und zur Eingliederung in das Arbeitslebenldquo
Dadurch sind sie nicht Teil des allgemeinen Arbeitsmarktes da ihre Beschaumlftigten bdquowegen
Art oder Schwere der Behinderung nicht noch nicht oder noch nicht wieder auf dem allge-
meinen Arbeitsmarkt beschaumlftigt werden koumlnnenldquo (sect 136 Abs 1 SGB IX) Ihr Ziel ist es be-
hinderte Menschen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt vorzubereiten Die Beschaumlftigten arbei-
ten in verschiedensten Bereichen zB im Handwerk oder in Taumltigkeiten der elektronischen
Datenverarbeitung je nach persoumlnlicher Neigung Da es sich um kein typisches sozialversi-
cherungspflichtiges Arbeitsverhaumlltnis handelt sondern um ein bdquoarbeitnehmeraumlhnliches
Rechtsverhaumlltnisldquo11
(sect 138 SGB IX) bekommen die Beschaumlftigten keinen Lohn der dem
Mindestlohn entspricht Nach sect 138 SGB IX setzt sich ihr Arbeitsentgelt zusammen aus ei-
nem Grundbetrag und einem leistungsbemessenen Steigerungsbetrag Im Jahr 2011 verdiente
ein Beschaumlftigter im Durchschnitt 180 Euro monatlich (vgl BAG WfbM 2014) bei 35 bis 40
Arbeitsstunden pro Woche Von einer groszligen Steigerung in den letzten Jahren ist nicht auszu-
gehen Somit benoumltigen Beschaumlftigte einer WfbM idR neben ihrem Arbeitsentgelt Grundsi-
cherung Dies hat zur Folge dass sie haumlufig in prekaumlren soziooumlkonomischen Verhaumlltnissen
leben
Jede Werkstatt ist soziologisch betrachtet ein eigenes System mit individuellen Merkmalen
die unter anderem vom Standort dem Fachpersonal dem Traumlger und den Beschaumlftigten ge-
kennzeichnet sind (vgl SchlummerSchuumltte 2006 S 81) Gesetzlich festgelegt ist in sect 139
11
Begruumlndet wird dieses Rechtsverhaumlltnis haumlufig durch den Kuumlndigungsschutz Eine Werkstatt kann einen
Werkstattvertrag mit einer Beschaumlftigten oder einem Beschaumlftigten nur in seltenen Faumlllen gegen ihren oder sei-
nen Willen aufheben
25
SGB IX dass die Beschaumlftigten aus ihrer Mitte heraus regelmaumlszligig einen Werkstattrat waumlhlen
Genaueres regelt hier die Werkstaumltten-Mitwirkungsverordnung (WMVO) Wie ihr Name al-
lerdings schon sagt handelt es sich hier um die Moumlglichkeit der Mitwirkung nicht der Mitbe-
stimmung Diese kann nur erreicht werden wenn Werkstatt und Werkstattrat nach sect 5 Abs 4
WMVO eine weitergehende Vereinbarung treffen Zu den Aufgaben des Werkstattrates ge-
houmlrt es die Interessen der Beschaumlftigten in verschiedenen Angelegenheiten gegenuumlber der
Werkstatt zu vertreten Diese sind in sect 5 Abs 1 WMVO aufgelistet Die Werkstatt muss den
Werkstattrat auszligerdem informieren wenn sie eine Maszlignahme durchfuumlhrt in der der Werk-
stattrat ein Mitwirkungsrecht besitzt12
Sollte kein Einverstaumlndnis in einer Beratung erzielt
werden koumlnnen beide Seiten sich an eine Vermittlungsstelle wenden (sect 5 Abs 3 WMVO)
Das tatsaumlchliche Ausmaszlig der Mitwirkung ist jedoch stets von der Werkstattleitung abhaumlngig
Solch eine fehlende gesetzliche Verankerung von Mitbestimmung steht der Partizipation be-
hinderter Menschen im Wege welche sowohl fuumlr die gesellschaftliche Inklusion als auch die
Gesundheitsfoumlrderung immens wichtig ist
44 Gesundheitsfoumlrderung in Werkstaumltten fuumlr behinderte Menschen
Zunaumlchst gilt es sich einen Uumlberblick uumlber den aktuellen Stand von Gesundheitsfoumlrderung in
WfbMs zu verschaffen Einen ersten Einblick soll die dazu vorhandene Literatur liefern Da-
nach soll ein Abgleich dieser mit der Praxis stattfinden der sich aufgrund des gesetzten Rah-
mens dieser Arbeit nur auf einige Werkstaumltten des Bundeslandes Berlin konzentriert Hierfuumlr
werden jeweils die Leitbilder untersucht und Stimmen aus der Werkstatt ausgewertet
441 Recherche zum aktuellen Stand
Die Literatur zum Thema Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen in WfbMs ist
noch sehr duumlnn Vollstaumlndig ausgearbeitete Konzepte gibt es bisher nicht veroumlffentlicht wur-
den Berichte von abgeschlossenen oder noch laufenden Projekten Werner Schlummer wis-
senschaftlicher Mitarbeiter der Universitaumlt zu Koumlln begleitete ein Projekt zum Betrieblichen
12
Eine ausfuumlhrliche Beschreibung der Mitwirkungs- und Unterrichtungsrechte des Werkstattrates ist bei
SchlummerSchuumltte 2006 S 71 ndash 82 nachzulesen
26
Gesundheitsmanagement13
in einer WfbM zusammen mit acht Studierenden der Universitaumlt
(vgl Schlummer 2015 S 33) Auch das Projekt GESUND als Teilprojekt von PartKomm-
Plus (Forschungsverbund fuumlr gesunde Kommunen) wird wissenschaftlich durch die Katholi-
sche Hochschule fuumlr Sozialwesen begleitet (vgl Burtscher 2014 S 6)
Als Ausnahme kann das Projekt bdquoSelbstbestimmt gesuumlnderldquo im Rahmen des Programmes
bdquoHealthy Athletesldquo gesehen werden Hier bringt Special Olympics Deutschland eV Maszlig-
nahmen zur Gesundheitsfoumlrderung in die Lebenswelten behinderter Menschen Bei Healthy
Athletes werden Sportlerinnen und Sportler bei Veranstaltungen von Special Olympics kos-
tenlose Beratungen und Kontrolluntersuchungen angeboten Diese Angebote werden jedoch
auch auf Wohnheime und WfbMs ausgeweitet (vgl Special Olympics Deutschland a) S 2
eigene Paginierung) Auch das Projekt bdquoSelbstbestimmt gesuumlnderldquo bringt gesundheitsfoumlrdern-
de Maszlignahmen in Werkstaumltten Dabei werden bdquoTeilnehmern individualisierte Handlungsemp-
fehlungen zum Gesundheitsverhalten zur Verfuumlgung gestelltldquo (Special Olympics Deutschland
b) oS) Das Projekt setzt auszligerdem auf die Wirkung von Peer-Multiplikatorinnen und
-Multiplikatoren
Weitere Projekte sind trotz intensiver Recherche nicht bekannt Auch die Bundesarbeitsge-
meinschaft Werkstaumltten fuumlr behinderte Menschen eV (BAG WfbM) hat auf ihrer Homepa-
ge14
keinen Artikel zur Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung in WfbMs
Gibt man in der Suchmaske bdquoGesundheitsfoumlrderungldquo ein erhaumllt man zwei Ergebnisse einen
Artikel uumlber ein neu entwickeltes Computerspiel das von Kindern mit unterschiedlichen Be-
hinderungen gespielt werden kann und einen Artikel zum Qualifizierungsprogramm bdquoGe-
sundheitsfoumlrderung durch Schluumlsselqualifikationenldquo das sich nicht an Beschaumlftigte sondern
an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in WfbMs richtet Dies legt den Schluss nahe dass Ge-
sundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen in WfbMs bisher kaum verbreitet ist
Das Thema Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung als solches wurde in den
letzten Jahren zunehmend in der Literatur behandelt wobei die Anzahl der Veroumlffentlichun-
gen nach wie vor auf einem uumlberschaubaren Stand ist
13
Schlummers Verstaumlndnis von Betrieblichem Gesundheitsmanagement und Betrieblicher Gesundheitsfoumlrderung
sind beinahe synonym Das beschriebene Projekt kann daher im erweiterten Rahmen durchaus als Projekt zur
Gesundheitsfoumlrderung gesehen werden 14
httpwwwbagwfbmde (Stand 11112015)
27
442 Konzepte und Leitbilder von Einrichtungen der Praxis
Betrachtet werden vier verschiedene WfbMs und ihre Leitbilder Es handelt sich um die vier
Werkstaumltten von denen auch im Rahmen der Feldbefragung Stimmen einer Mitarbeiterin oder
eines Mitarbeiters und zT von Beschaumlftigten gewonnen werden konnten (siehe 443 und
Anhang Nr 2)
Aufgrund der jeweiligen Traumlgerstrukturen besitzt lediglich eine der Werkstaumltten15
als solche
ein eigenes Leitbild Bei den anderen drei Werkstaumltten muss auf das Leitbild des jeweiligen
Traumlgers zuruumlckgegriffen werden Das Thema der Gesundheit der Klientinnen und Klienten
bzw Werkstattbeschaumlftigten wird allerdings in keinem Leitbild thematisiert Auch die Such-
funktionen auf den jeweiligen Homepages bzw intensive Recherchen auf diesen brachten
keine Ergebnisse zum Stichwort bdquoGesundheitsfoumlrderungldquo Daraus laumlsst sich schlieszligen dass
Gesundheitsfoumlrderung der Werkstattbeschaumlftigten in den theoretischen Konzeptionen von
WfbMs meist nicht verankert ist
443 Gesundheitsfoumlrderung in der alltaumlglichen Praxis der Werkstaumltten ndash eine kleine Feldbe-
fragung
Im Rahmen des Informationstages der Berliner Landesarbeitsgemeinschaft Werkstaumltten fuumlr
behinderte Menschen eV (LAG WfbM) am 17112015 im Estrel Hotel Berlin wurden je-
weils eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter von vier verschiedenen WfbMs zum Thema Ge-
sundheitsfoumlrderung mit den Beschaumlftigten in der Werkstatt befragt (siehe Anhang Nr 2) Die
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben alle eine vergleichbare Position Begleitender Dienst
Paumldagogischer Dienst oder Sozialdienst In einer der Werkstaumltten konnten uumlberdies auch
Stimmen von Beschaumlftigten gewonnen werden16
Die Ergebnisse weisen keine empirische
Repraumlsentativitaumlt auf da der knappe Rahmen dieser Arbeit eine repraumlsentative empirische
Forschungsarbeit kaum zulaumlsst Die Befragungen sollen dazu dienen einen Einblick in den
Alltag der WfbMs zu ermoumlglichen und die in der Literatur und den Leibildern gewonnenen
Perspektiven zu erweitern
15
Aus Gruumlnden des Datenschutzes duumlrfen in der hier publizierten Version die Namen der Werkstaumltten nicht
genannt werden 16
In zwei der Werkstaumltten konnten keine Stimmen von Beschaumlftigten erhoben werden da eine Befragung in der
Werkstatt von den befragten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern abgelehnt wurde Der Mitarbeiter der dritten
Werkstatt signalisierte zwar waumlhrend der Befragung Zustimmung jedoch fehlte diese spaumlter von Seiten der Lei-
tung
28
Der Begriff bdquoGesundheitsfoumlrderungldquo wird von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sehr
unterschiedlich interpretiert Die Spannbreite liegt von einem Verstaumlndnis aumlhnlich des hier
dargelegten bis hin zu therapeutischer und rehabilitativer Foumlrderung Die angebotenen Maszlig-
nahmen welche einer Foumlrderung der Gesundheit dienen sollen sind jedoch bei allen aumlhnlich
Meist handelt es sich um Musik- Sport- und Bewegungsangebote die im Rahmen von sog
Begleitenden Maszlignahmen verankert sind Daruumlber hinaus werden auch entlastende Bewegun-
gen in den Arbeitsgruppen angeboten und ein Gesundheitstag in Kooperation mit Special
Olympics Deutschland geplant (eine Werkstatt) Eine andere Werkstatt kooperiert mit der
Fitnessstudiokette Fitness First Kurse zu gesunder Ernaumlhrung und Kochen werden teilweise
angeboten oder sind in Planung Nach Aussagen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden
die Maszlignahmen meist gut angenommen In einer Werkstatt wird sogar gemeinsam mit dem
Werkstattrat an einer Peer-Beratung gearbeitet mit der den Beschaumlftigten der Zugang zu den
Themen Bildung und Gesundheit verbessert werden soll Schwierigkeiten bestehen besonders
bzgl der Raumlume zB bei Turnhallen fuumlr Fuszligball
Eine Partizipation bei der Entwicklung von Angeboten ist nur teilweise gegeben Es wird
zwar in allen befragten Werkstaumltten nach Interessen der Beschaumlftigten gefragt und dement-
sprechend die Kurse angeboten jedoch besteht nur selten die Moumlglichkeit fuumlr die Beschaumlftig-
ten aktiv den jeweiligen Kurs durch eigene Entscheidungen mitzugestalten In einer Werk-
statt ist das bspw abhaumlngig von der Kursart von der Kursleiterin bzw dem Kursleiter und
vom Konzept Evaluiert werden die Angebote meist nur durch Nachfrage in den idR jaumlhr-
lich stattfindenden Entwicklungsgespraumlchen mit den einzelnen Beschaumlftigten und teilweise
daruumlber hinaus mit Fragebogen oder durch die Kursleiterin bzw den Kursleiter Eine Werk-
statt fuumlhrt sogar Statistiken zur Nachfrage Eine partizipative Evaluation findet in keiner der
befragten Werkstaumltten statt
Die befragten Beschaumlftigten einer der Werkstaumltten zeigten sich mit dem Angebot an gesund-
heitsfoumlrdernden Maszlignahmen groumlszligtenteils sehr zufrieden und empfanden die Anzahl der An-
gebote als meist genuumlgend Geaumluszligert wurde lediglich der Wunsch nach weiteren Angeboten
zu gesunder Ernaumlhrung und nach einem besseren Angebot an gesunden Speisen Das Ver-
staumlndnis von Gesundheitsfoumlrderung ist unterschiedlich Auffaumlllig ist dass auf der einen Seite
Aumlrzte und Besuche bei diesen wichtig scheinen gleichzeitig aber auch das Achten auf die
eigene Gesundheit als Teil der Gesundheitsfoumlrderung gilt Besonders letzterer Aspekt weist
darauf hin dass bei den Befragten ein gewisses Grundverstaumlndnis von Gesundheitsfoumlrderung
vorhanden ist das dem in dieser Arbeit verwendeten aumlhnelt Die Wichtigkeit der aumlrztlichen
29
Betreuung laumlsst jedoch zugleich auch auf ein eher bdquotraditionellesldquo bio-medizinisches Gesund-
heitsverstaumlndnis schlieszligen
Als angebotene Maszlignahmen werden meist Sport- und Bewegungsangebote genannt aber
auch eine Apfelpause um kurz von der Arbeit entspannen zu koumlnnen Daruumlber hinaus gab es
Angebote zur Fuszlighygiene und zur Zahn- und Augengesundheit Hier ist der Uumlbergang zwi-
schen Gesundheitsfoumlrderung und Praumlvention flieszligend Bzgl (zukuumlnftiger) Angebote werden
die Beschaumlftigten nach ihren Wuumlnschen gefragt aber eine wirkliche Mitbestimmung in Kon-
zeption und Planung dieser scheint nicht gegeben Auch bei der Evaluation findet bisher keine
Partizipation statt Die Befragung hat jedoch den bisherigen Eindruck bestaumltigt dass gesund-
heitsfoumlrdernde Maszlignahmen in WfbMs von behinderten Menschen durchaus nachgefragt wer-
den und die Werkstaumltten versucht sind im Rahmen der begleitenden Maszlignahmen ein sehr
breites Feld abzudecken Negativ scheint besonders das weitgehende Fehlen partizipativer
Strukturen
In den Werkstaumltten werden viele Angebote im Rahmen begleitender Maszlignahmen offeriert die
fuumlr die Gesundheit foumlrderlich sind Als Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung die die Prinzi-
pien der BVPG verinnerlichen koumlnnen sie jedoch nicht gesehen werden da zB die Partizipa-
tion eine eher untergeordnete Rolle spielt und die Thematik meist auf Sport- und zT Ernaumlh-
rungsangebote beschraumlnkt bleibt Auch werden die Effekte der Maszlignahmen nicht evaluiert
Entspannungsangebote werden nur selten angeboten und der Fokus richtet sich meist nur auf
die koumlrperliche Gesundheit
Daruumlber hinaus zeigt die Befragung aber auch welch groszliges Potential zur Gesundheitsfoumlrde-
rung in den Werkstaumltten liegt Mit den begleitenden Maszlignahmen sind Strukturen verankert in
denen Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung leicht integriert werden koumlnnen Offenheit fuumlr
Kooperationen scheint vielfach gegeben (zB mit Special Olympics Deutschland Fitness
First) sodass auch eine Kooperation mit den Krankenkassen und weiteren Partnern vorstell-
bar scheint Dies wuumlrde den Vorteil finanzieller Foumlrderung und Expertise durch Erfahrungen
mit bereits durchgefuumlhrten Maszlignahmen einbringen Die befragten Mitarbeiterinnen und Mit-
arbeiter schienen Gesundheitsfoumlrderung gegenuumlber prinzipiell sehr positiv eingestellt
Auch wenn in den Leitbildern und auf den Homepages Gesundheitsfoumlrderung nicht themati-
siert wird gibt es in der Praxis schon verschiedene Maszlignahmen und Projekte mit der Intenti-
on die Gesundheit der Beschaumlftigten zu verbessern
30
45 Anregungen fuumlr die Praxis
Vor dem Hintergrund der zu Rate gezogenen Literatur und den gewonnen Erkenntnissen
durch die Feldbefragung werden nun einige Uumlberlegungen fuumlr die Praxis einer gelingenden
Gesundheitsfoumlrderung getroffen Diese koumlnnen als moumlgliche Anregungen zur Umsetzung ver-
standen werden
451 Partizipation und Empowerment in der Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behin-
derung
Erfolgreiche Gesundheitsfoumlrderung braucht Partizipationsmoumlglichkeiten fuumlr die jeweilige
Zielgruppe Partizipation ist schlieszliglich nicht nur Teilnahme sondern aktive Teilhabe und
damit einhergehend die Moumlglichkeit mitzubestimmen und mitzuentscheiden Dazu gehoumlrt
auch die Definitionsmacht also die Macht (mit)zubestimmen an welche die Gesundheit be-
treffenden Aspekte in einer Maszlignahme zur Gesundheitsfoumlrderung herangegangen werden soll
(vgl Wrightvon UngerBlock 2010 S 39) Diese aktive Teilhabe muss also bereits zu Be-
ginn einer Maszlignahme Teil dieser sein Partizipation bedeutet folglich auch Macht Partizipa-
tion zu ermoumlglichen bedeutet Empowerment also die Ermaumlchtigung eines Individuums oder
einer Gruppe So bekommt Partizipation in der Gesundheitsfoumlrderung auch eine gesellschaft-
liche und politische Komponente denn dadurch koumlnnen Menschen mit Behinderungen lernen
mitzubestimmen mitzuentscheiden und eigene Interessen zu vertreten Diese erlernten Faumlhig-
keiten lassen sich auf die Handlungsebene in einer demokratischen Gesellschaft uumlbertragen
Sowohl Empowerment als auch Partizipation gehoumlren zu den in 31 erwaumlhnten Prinzipien der
BVPG Diese weist darauf hin dass Partizipation in saumlmtlichen Phasen einer Maszlignahme ge-
geben sein muss beginnend mit der Bedarfsanalyse der Planung in der Durchfuumlhrung und
abschlieszligend in der BewertungEvaluation So kann die Wirksamkeit einer Maszlignahme erhoumlht
werden (vgl BVPG 2013 S 90) Teilhabe kann als ein wichtiger Bestandteil der Qualitaumltssi-
cherung gesehen werden Bisher finden Maszlignahmen zur Qualitaumltssicherung nur selten unter
Partizipation der Zielgruppe statt Diese partizipativ zu beteiligen hilft die Qualitaumlt der Ge-
sundheitsfoumlrderung aufrechtzuerhalten oder sogar zu verbessern (vgl Wrightvon Un-
gerBlock 2010 S 35)
Teilhabe ist bei behinderten Menschen besonders wichtig Ihr Leben ist haumlufig von Beginn an
stark fremdbestimmt und von Abhaumlngigkeit gepraumlgt Somit lernen sie seltener als nicht behin-
31
derte Menschen Verantwortung zu uumlbernehmen und selbststaumlndig zu agieren Dies kann bis
hin zur sog bdquoerlernten Hilflosigkeitldquo fuumlhren Vor diesem Hintergrund scheint Partizipation
umso wichtiger aber auch umso arbeitsintensiver Sie ist daher in der Praxis der Gesundheits-
foumlrderung haumlufig sehr arbeitsintensiv und benoumltigt folglich zeitliche Ressourcen und damit
einhergehend finanzielle Ressourcen (vgl Loss 2009 S 10)
Traditionell sind viele Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung top-down organisiert das be-
deutet eine Einrichtung ein Geldgeber etc plant eine Maszlignahme fuumlhrt diese durch und eva-
luiert sie Zur Erreichung der eigenen Ziele wird die Zielgruppe mobilisiert ohne ein Mitspra-
cherecht zu den einzelnen Bausteinen der Maszlignahme zu haben Diese Struktur verdeutlicht
das Maumlchteungleichwicht zwischen Anbieter und Zielgruppe und zementiert den Status be-
hinderter Menschen als Abhaumlngige und Ohnmaumlchtige Der Gegensatz zu top-down-
Programmen ist der bottom-up-Ansatz Hier findet eine Machtteilung statt da die Gesund-
heitsfoumlrderinnen und Gesundheitsfoumlrderer ihre Macht mit der Zielgruppe teilen und eher die
Rolle von Unterstuumltzerinnen und Unterstuumltzern einnehmen Die Zielgruppe soll unterstuumltzt
werden ihre eigenen Probleme festzustellen und Loumlsungen sowie Maszlignahmen zu erarbeiten
In der Planung Durchfuumlhrung und Evaluation kommt ihr damit eine aktive Rolle zu (vgl La-
verack 2010 S 77) Bottom-up-Programme scheinen daher fuumlr Partizipation und Empower-
ment geeigneter als top-down-Strukturen Allerdings schlieszligen sich beide Ansaumltze nicht
zwingend aus sondern Maszlignahmen koumlnnen Eigenschaften beider Ansaumltze aufweisen In
WfbMs scheinen Maszlignahmen sehr haumlufig top-down organisiert zu sein Die staumlrkere Veranke-
rung von bottom-up-Strukturen waumlre hier im Sinne einer Teilhabe ndash in der Werkstatt wie auch
daruumlber hinaus auf gesellschaftlicher Ebene ndash vorteilhaft und wuumlnschenswert
452 Peer-Multiplikatorinnen und -Multiplikatoren
Eine Strategie die in der Praxis der Gesundheitsfoumlrderung bereits mit positiven Ergebnissen
getestet wurde sind Peer-Multiplikatorinnen und -Multiplikatoren Das Modell der Multipli-
katorinnen und Multiplikatoren war bereits Grundlage vieler gesundheitsfoumlrdernder Maszlignah-
men mit sozial benachteiligten Menschen die auch in der Literatur vielfach dokumentiert
sind Auch in der Arbeit mit behinderten Menschen ist dieses Konzept nicht neu Auf Maszlig-
nahmen zur Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung wurde es bisher kaum an-
gewandt scheint jedoch erfolgsversprechend Das Projekt GESUND welches mit einer Ber-
liner WfbM durchgefuumlhrt wird arbeitet mit diesem Konzept (vgl Burtscher 2014 S 8) Die
32
Funktion von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren besteht darin Kenntnisse und Informa-
tionen zur Gesundheit(-sfoumlrderung) der Zielgruppe mit Hilfe der ihnen innewohnenden Ver-
trauensstellung naumlher zu bringen Sie haben daher eine bdquoMittlerfunktionldquo (BVPG 2013 S 92)
zwischen Durchfuumlhrenden und Zielgruppe Voraussetzung dafuumlr ist dass sie der Zielgruppe
angehoumlren oder zumindest eine sehr enge Verbindung zu ihr besitzen Im Zuge einer Maszlig-
nahme werden sie selbst gestaumlrkt sozusagen bdquoempowertldquo Ihre Mittlerfunktion funktioniert
allerdings auch in die andere Richtung Sie bringen den Durchfuumlhrenden die Perspektive der
Zielgruppe naumlher Im Idealfall fuumlhrt der Einsatz von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren
zur Aktivierung der Zielgruppe die ihr selbstbestimmtes Handeln auch auf andere Bereiche
ausdehnen kann (vgl Stickan-Verfuumlrth 2005 S 108) Diesem Modell sehr aumlhnlich ist das
Modell des Peer-Counseling Hier stehen Mitglieder der Zielgruppe in beratender Funktion
ihrer Peer-Gruppe zur Verfuumlgung
453 Verknuumlpfung von Betrieblicher Gesundheitsfoumlrderung und Gesundheitsfoumlrderung in
Werkstaumltten fuumlr behinderte Menschen
Eine Uumlbertragung der Idee der Betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung auf die Gesundheitsfoumlrde-
rung in WfbMs scheint in der Tat realisierbar Den rechtlichen und finanziellen Rahmen hier-
fuumlr hat das 2015 beschlossene Praumlventionsgesetz geschaffen (siehe 33) Im Entwurf der Bun-
desregierung wird in der Anmerkung zum neuen sect 20 Abs 4 SGB V explizit darauf hinge-
wiesen dass Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung auch in WfbMs zum Leistungsspektrum der
Krankenkassen gehoumlrt (vgl Deutscher Bundestag 2015 S 34) Eine Etablierung hiervon in
der Praxis haumlngt in erster Linie neben den Krankenkassen auch von den Leitungen der WfbMs
ab Sollten diese hierfuumlr und auch gegenuumlber partizipativen Strukturen offen sein waumlre der in
351 kurz vorgestellte Gesundheitszirkel ein passender Startpunkt um von Beginn an auch
die Partizipation der Beschaumlftigten zu gewaumlhrleisten Analog zum Konzept der BGF koumlnnten
gemeinsam Maszlignahmen erarbeitet werden die die Gesundheit der Beschaumlftigten foumlrdern wuumlr-
den Den Vertreterinnen und Vertretern der Beschaumlftigten die im Gesundheitszirkel mitwir-
ken koumlnnte dabei die Rolle von Peer-Multiplikatorinnen und -Multiplikatoren zukommen
Als Effekte duumlrften die in 351 beschriebenen auch hier zu erwarten sein eine Verbesserung
der Gesundheit und eine Staumlrkung der gesundheitlichen Ressourcen eine Verringerung der
krankheitsbedingten Fehltage eine staumlrkere Identifikation der Beschaumlftigten mit der Werk-
33
statt ein besseres Arbeitsklima eine houmlhere Motivation und Arbeitszufriedenheit und eine
Steigerung der Produktivitaumlt
Es empfiehlt sich im Sinne der Partizipation und des Empowerments kein reines top-down-
Programm zu starten sondern einen bottom-up-Ansatz zu waumlhlen bzw zumindest mehrere
Elemente dessen einzubauen Als Anknuumlpfungspunkt koumlnnen bereits bestehende begleitende
Maszlignahmen mit passender Thematik genommen werden
Wie bdquonormaleldquo Betriebe koumlnnten auch WfbMs Kooperationen in ihrem raumlumlichen Umfeld
aufbauen und von Vernetzungen profitieren Aufgrund ihrer Groumlszlige sind sie in ihrem Sozial-
raum ein meist nicht zu unterschaumltzender Akteur
34
5 Fazit und Ausblick
Ausgehend von einem bio-psycho-sozialen Verstaumlndnis von Gesundheit wurden verschiedene
Aspekte der Gesundheitsfoumlrderung vertieft und anschlieszligend eine Verknuumlpfung zur Gesund-
heitsfoumlrderung mit behinderten Menschen hergestellt Hierbei lag der Fokus auf gesundheits-
foumlrdernden Maszlignahmen in WfbMs Dabei wurde die aktuelle Literatur zu Rate gezogen In-
ternetauftritte einiger Werkstaumltten durchsucht und Stimmen aus dem Feld von Mitarbeiterin-
nen und Mitarbeitern sowie Beschaumlftigten von Werkstaumltten gewonnen
Die Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung ist noch immer relativ schwach
ausgebaut Dies stellt sich besonders vor dem Hintergrund als problematisch dass behinderte
Menschen haumlufig anfaumllliger fuumlr Krankheiten sind und durchschnittlich uumlber einen subjektiv als
schlechter bewerteten Gesundheitsstatus verfuumlgen als nichtbehinderte Menschen Wie viele
sozial benachteiligte Gruppen sind sie verhaumlltnismaumlszligig schwer zu erreichen fuumlr gesundheits-
foumlrdernde Maszlignahmen Obwohl es in der Erreichbarkeit mehrere Probleme gibt verfuumlgen
Menschen mit Behinderung auf der anderen Seite uumlber groszlige Potentiale Das neue Praumlventi-
onsgesetz ist ein erheblicher Fortschritt bei der Finanzierung gesundheitsfoumlrdernder Maszlignah-
men Sogar eine Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung in Werkstaumltten ist wenn auch nicht ex-
plizit verankert so doch zumindest gewuumlnscht
Gelingende Gesundheitsfoumlrderung muss sich im Allgemeinen und auch bei der Arbeit mit
behinderten Menschen an bestimmten Prinzipien messen lassen Besonders wichtig vor dem
gesellschaftlichen Hintergrund ist hier die Partizipation der Menschen mit Behinderung und
damit einhergehend das Empowerment dieser Beide wirken sich positiv auf die Qualitaumlt der
gesundheitsfoumlrdernden Maszlignahmen aus gehen jedoch auch daruumlber hinaus Sie koumlnnen Men-
schen mit Behinderungen auch auf gesellschaftlicher Ebene empowern sodass ihnen eine
groumlszligere gesellschaftliche Teilhabe zukommt Somit erlangt Gesundheitsfoumlrderung auch vor
dem Hintergrund der Inklusion eine hohe Relevanz
In WfbMs ist gezielte Gesundheitsfoumlrderung bisher wenig verbreitet Einzelne Projekte sind
eher die Ausnahme denn die Regel Jedoch sind die Potentiale der Werkstaumltten enorm Das
Personal scheint haumlufig offen fuumlr Maszlignahmen zu sein und gerade die Strukturen der beglei-
tenden Maszlignahmen lieszligen eine relativ einfache Integration von Maszlignahmen zur (betriebli-
chen) Gesundheitsfoumlrderung zu Bestehende begleitende Maszlignahmen in welchen Sport oder
Bildungsangebote zu gesunder Ernaumlhrung angeboten werden koumlnnten ohne uumlbermaumlszligigen
Aufwand zu gezielten Maszlignahmen fuumlr Gesundheitsfoumlrderung ausgebaut werden Nachholbe-
darf bestuumlnde hier vor allem auf dem Gebiet der Partizipation Nur selten scheinen die Be-
35
schaumlftigten in Konzeption Planung Durchfuumlhrung und Evaluation aktiv eingebunden zu sein
In bestimmten Phasen wie etwa der Konzeption und besonders der Evaluation scheint aktive
Teilhabe noch uumlberhaupt nicht verankert zu sein Eine staumlrkere Partizipation in allen Berei-
chen waumlre mit houmlherem Arbeits- und Kostenaufwand verbunden welcher durch eine Einbin-
dung der Krankenkassen moumlglicherweise aufgefangen werden koumlnnte Die Partizipation foumlr-
dern wuumlrde auch die Etablierung von Peer-Beratung und Peer-Multiplikatorinnen und
-Multiplikatoren Diesen kaumlme beim Zugang zur Zielgruppe eine Schluumlsselfunktion zu und
gleichzeitig koumlnnten sie Bedarfe und Beduumlrfnisse dieser gegenuumlber den anderen Akteuren
kommunizieren Auch wenn es bisher keine konkreten ausgearbeiteten Konzepte zur Gesund-
heitsfoumlrderung in WfbMs gibt koumlnnten bestehende Konzepte zur Betrieblichen Gesundheits-
foumlrderung eventuell leicht uumlberarbeitet fuumlr Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung in Werkstaumltten
analog angewendet werden
Die Potentiale und Moumlglichkeiten zur Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung
in WfbMs sind also mannigfaltig und haumlufig vorhanden Auf diesen koumlnnte aufgebaut werden
um behinderten Menschen das Recht auf das in Artikel 25 der UN-BRK festgeschriebene bdquoer-
reichbare Houmlchstmaszlig an Gesundheitldquo zu ermoumlglichen
Gesundheitsfoumlrderung ist mehr als Werbeplakate an Bus- oder Straszligenbahnhaltestellen und
Clips im Aktuellen Sportstudio sie ist mehr als Sportangebote und Angebote zu gesunder
Ernaumlhrung sie ist auch ein Weg zum Erreichen eines Menschenrechtes das Recht auf Ge-
sundheit
36
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41
Anhang
Nr 1 Abbildung zu den Hauptdeterminanten der Gesundheit nach DahlgreenWhitehead
2007 S 11
Nr 2 Befragung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Beschaumlftigten der WfbMs
42
Nr 1 Abbildung zu den Hauptdeterminanten der Gesundheit nach DahlgreenWhitehead
2007 S 11
43
Nr 2 Befragung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Beschaumlftigten der WfbMs
Um moumlglichst effizient die Stimmen aus vier WfbMs unterschiedlicher Traumlger zu erheben
wurden diese auf dem Infotag der LAG WfbM Berlin am 17112015 gesammelt Hier waren
verschiedene Werkstaumltten mit Informationsstaumlnden vertreten Gewaumlhlt wurden die Werkstaumlt-
ten an deren Staumlnden der Verfasser zuerst vorbeilief Die gestellten Fragen waren stets die-
selben
Den Vertretern der Werkstatt wurde zugesichert dass ihr Name nicht in der vorliegenden Ar-
beit genannt wird lediglich ihre Position in der Werkstatt wird erwaumlhnt Es wurden auszligerdem
keine weiteren Personendaten erhoben
Wenn moumlglich sollten auszligerdem fuumlnf Beschaumlftige pro WfbM befragt werden Hierfuumlr wurde
am Ende des kurzen Interviews um Erlaubnis gefragt Den Beschaumlftigten wurden andere Fra-
gen gestellt als dem Werkstattpersonal jedoch erhielten alle Beschaumlftigten dieselben Fragen
untereinander Den Beschaumlftigen wurde komplette Anonymitaumlt in der vorliegenden Arbeit
zugesichert und es wurden keine personenbezogenen Daten abgefragt Zuerst wurde nach
ihrem Verstaumlndnis von Gesundheitsfoumlrderung gefragt Vor den Fragen 2 bis 5 wurde kurz
erklaumlrt wie Gesundheitsfoumlrderung verstanden werden kann um davon ausgehend die restli-
chen Fragen zu beantworten
Bei saumlmtlichen Interviews wurde auf Transkriptionen verzichtet es wurden lediglich die
Kernaussagen mitgeschrieben
Im Folgenden finden sich exemplarisch die jeweils gestellten Fragen
44
Fragen an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der WfbM
Name der WfbM
Position der befragten Person Begleitender Dienst
1 Was verstehen Sie unter Gesundheitsfoumlrderung
2 Was bieten Sie im Rahmen der Gesundheitsfoumlrderung an
3 Wie werden die Maszlignahmen angenommen
4 Wuumlrden Sie gerne mehr anbieten oder finden Sie die Angebote ausreichend
5 Gibt es Schwierigkeiten
6 Wie steht es um die Partizipation in den Angeboten (Werden die Angebote von Beschaumlf-
tigten mitentwickelt mitevaluiert etc)
7 Werden die Angebote evaluiert
45
Fragen an die Beschaumlftigen der WfbM
Name der WfbM
Datum
1 Wissen Sie was Gesundheitsfoumlrderung ist Wenn ja wie wuumlrden sie es beschreiben
[Moumlgliche Erklaumlrung fuumlr Beschaumlftigte die sich nichts unter Gesundheitsfoumlrderung vorstellen
koumlnnen Zur Gesundheitsfoumlrderung gehoumlrt alles was fuumlr Ihre Gesundheit gut ist zB Kur-
seMaszlignahmen usw die mit Bewegung Ernaumlhrung Wohlfuumlhlen am Arbeitsplatz oder Ent-
spannen zu tun haben]
2 Welche Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung werden Ihnen von der Werkstatt angebo-
ten
3 Werden Ihrer Meinung nach genuumlgend Angebote zur Gesundheitsfoumlrderung in der Werk-
statt angeboten
4 Duumlrfen Sie bei der Entwicklung und Evaluation (Auswertung am Ende) mitbestimmen
5 Was sind Ihre Wuumlnsche bezuumlglich der Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung
10
3 Allgemeine Grundlagen der Gesundheitsfoumlrderung
Es wurde bereits grob umrissen was Gesundheitsfoumlrderung kennzeichnet Nun sollen einzelne
Aspekte inhaltlich vertieft werden auf denen anschlieszligend eine (moumlgliche) Gesundheitsfoumlrde-
rung in WfbMs (siehe Kapitel 4) aufbauen kann
31 Leitgedanken der Gesundheitsfoumlrderung
In der Praxis koumlnnen gesundheitsfoumlrdernde Maszlignahmen ganz unterschiedlich aussehen Damit
sie fuumlr die Menschen die daran teilnehmen dauerhaft eine positive Wirkung aufweisen hat
die Bundesvereinigung Praumlvention und Gesundheitsfoumlrderung eV (BVPG)4 sieben bdquoPrinzi-
pien guter Praumlvention und Gesundheitsfoumlrderungldquo formuliert in ihrem Sinne gute Gesund-
heitsfoumlrderung ist demnach gekennzeichnet durch (1) Autonomie und Empowerment (2) Par-
tizipation (3) Lebenswelt- und Lebensstilbezug (4) Gesundheitliche Chancengleichheit
(5) Konzeptbasierung (6) Evaluation sowie (7) Nachhaltigkeit (vgl BVPG 2013 S 9091)
Das Prinzip (1) Autonomie und Empowerment bedeutet dass eine Maszlignahme durch Selbst-
bestimmung gepraumlgt ist und die Teilnehmenden zur Selbststaumlndigkeit befaumlhigt die eigene
Gesundheit und die anderer zu gestalten (vgl BVPG 2013 S 90) Die Idee Gesundheit ande-
rer mitzugestalten findet ua in den Strategien Peer Counseling und Multiplikatorinnen und
Multiplikatoren ihre praktische Umsetzung (siehe 452) Empowerment kann an dieser Stelle
uumlber die Ebene der persoumlnlichen Gesundheit hinaus gedacht werden Menschen werden nicht
nur dazu befaumlhigt ihre eigene Gesundheit selbst zu gestalten sondern koumlnnen als gesunde
Buumlrger ihre Interessen oder die bestimmter Bevoumllkerungsgruppen selbstbewusst vertreten
(vgl Laverack 2010 S 27) Im Sinne der (2) Partizipation sollen Vertreterinnen und Vertreter
der Zielgruppe in allen Phasen einer Maszlignahme aktiv mitgestalten und mitentscheiden Auf
die Partizipation von Menschen mit Behinderung wird in 451 noch detaillierter eingegangen
Der (3) Lebenswelt- und Lebensstilbezug betont den bereits erwaumlhnten Setting-Ansatz
schlieszligt jedoch gesamtgesellschaftliche bzw individualbezogene Strategien ebenfalls mit ein
Gelingende Gesundheitsfoumlrderung braucht immer einen konkreten Anknuumlpfungspunkt in der
Lebenswelt des bzw der Menschen (4) Gesundheitliche Chancengleichheit fordert dass va
4 Die BVPG ist ein gemeinnuumltziger politisch und konfessionell unabhaumlngiger Verbund bestehend aus Bundes-
verbaumlnden des Gesundheitswesens darunter die Bundesaumlrztekammer den Spitzenverbaumlnden der Sozialversiche-
rungstraumlger sowie Verbaumlnden der Heil- und Hilfsberufe Sozial- und Wohlfahrtsverbaumlnden und Bildungseinrich-
tungen mit Arbeitsschwerpunkt im Bereich Praumlvention und Gesundheitsfoumlrderung
11
sozial benachteiligte Menschen zu denen haumlufig auch behinderte Menschen gehoumlren beson-
ders in ihrer Gesundheit gefoumlrdert werden da mit einem niedrigeren soziooumlkonomischen Sta-
tus oft eine schlechtere Gesundheit einhergeht (vgl Lampert et al 2013 S 814) Diese Be-
voumllkerungsgruppen gelten jedoch als besonders schwer erreichbar fuumlr gesundheitsfoumlrdernde
Maszlignahmen insbesondere wenn diese fuumlr die Gesamtbevoumllkerung ausgelegt sind (vgl
Mielck 2010 S 113)
Generell sollten Programme zur Gesundheitsfoumlrderung stets auf einem (5) Konzept beruhen
in dem Mittel Zeit Ressourcen und Ziele festgelegt und eine Bedarfsanalyse und Beschrei-
bung des Wirkungsmodells verankert sind Auch der geplante Weg einer Verstetigung der
Maszlignahme soll hier aufgezeigt werden (vgl BVPG 2013 S 91) Durch das Prinzip der
(6) Evaluation soll eine Qualitaumltssicherung erfolgen von der durch Veroumlffentlichung auch
andere profitieren koumlnnen (7) Nachhaltig soll Gesundheitsfoumlrderung auf saumlmtlichen Ebenen
sein es muss auf moumlgliche negative (Spaumlt-)Folgen geachtet werden der Umgang mit den
Ressourcen und der Umwelt sollte nachhaltig sein und es sollte eine Wirkung uumlber die Dauer
der Maszlignahme hinaus entstehen (vgl BVPG 2013 S 91)
32 Auswirkungen von Gesundheitsfoumlrderung auf den Menschen
Wie bereits dargelegt soll Gesundheitsfoumlrderung die Gesundheit der Menschen verbessern
Dies kann auf ganz unterschiedliche Weise geschehen Als Strategien sind hier die schon er-
waumlhnten verhaltens- und verhaumlltnisorientierten Strategien moumlglich und die Interventionsebene
kann auf individueller Ebene liegen an einem bestimmten Setting ansetzen oder die gesamte
Gesellschaft als Ausgangspunkt nehmen
Da Gesundheit als bdquoZustand des vollstaumlndigen koumlrperlichen geistigen und sozialen Wohler-
gehensldquo (WHO 2014 S 1) betrachtet wird soll eine gesundheitsfoumlrdernde Maszlignahme das
Befinden in einem oder mehreren dieser Teilbereiche ndash in einer ganzheitlichen Betrachtung
haumlngen diese stark zusammen und beeinflussen sich gegenseitig ndash positiv beeinflussen Im
Sinne der Salutogenese werden also Ressourcen entwickelt undoder gestaumlrkt Verbreitete
Strategien der Gesundheitsfoumlrderung wie etwa Sport gesunde Ernaumlhrung und Entspannung
aber auch soziale Ausgewogenheit und Partizipation als strukturelle Verhaumlltnisse muumlssen von
der Zielgruppe als positiv erlebt werden (vgl Geene 2005 S 21) Andernfalls ist keine oder
nur eine geringere Annahme bzw Wirkung des Programms zu erwarten Am Ende einer
Maszlignahme sollte stets eine Evaluation erfolgen Hier sind mit passend ausgewaumlhlten Evalua-
12
tionsinstrumenten die Auswirkungen des Programmes meist in irgendeiner Form messbar
entweder durch subjektive Einschaumltzungen zB wenn Teilnehmende angeben sich nun ge-
sunder zu fuumlhlen oder auch durch objektiv messbare Werte So koumlnnen bspw Werte wie Ge-
wicht Body-Mass-Index Blutwerte oder Ausdauer zu Beginn einer Maszlignahme mit denen am
Ende verglichen werden Eine hier erfolgreich ansetzende Maszlignahme hat meist (nicht nur)
eine Verbesserung der koumlrperlichen Gesundheit zur Folge Das gesenkte Risiko fuumlr Herz-
Kreislauf-Erkrankungen Krebs Erkrankungen der Atemwege der Verdauungsorgane oder
des Muskel-Skelett-Systems koumlnnen exemplarisch als Verbesserung der physischen Gesund-
heit aufgefuumlhrt werden (vgl HurrelmannKlotzHaisch 2010 S 20) Dies sind Anzeichen
dass sich der bdquoStandpunktldquo eines Menschen auf dem Gesundheits-Krankheits-Kontinuum
nach Antonovskys Modell der Salutogenese ein Stuumlck weiter Richtung Gesundheit verscho-
ben hat
Auch die Foumlrderung der Selbstwirksamkeit also der Uumlberzeugung auch schwierige Situatio-
nen mit eigenen Ressourcen loumlsen zu koumlnnen hat vielfaumlltige positive Auswirkungen auf die
Gesundheit und foumlrdert so diese (DlugoschDahl 2013 S 370) Maszlignahmen zur Entspannung
und Stressbewaumlltigung wirken sich im ersten Moment auf das seelische und psychische
Wohlbefinden aus haben dadurch aber sehr oft auch positive Auswirkungen auf den Koumlrper
Bestimmte Methoden wie etwa Yoga verfolgen schon im Ansatz eine ganzheitliche Vorstel-
lung bei welchem das Wohlbefinden koumlrperlich psychisch und seelisch gestaumlrkt wird (vgl
SimonHegerReszies 2011 S 169)
Die aufgefuumlhrten positiven Auswirkungen durch gesundheitsfoumlrdernde Maszlignahmen auf die
Gesundheit von Menschen sind nur einige Beispiele von sehr vielen Allen diesen Effekten zu
eigen ist jedoch dass sie sich positiv auf das gesundheitliche Wohlbefinden der Menschen
auswirken In deren subjektiven Empfinden verschiebt sich dadurch ihr Punkt auf dem Ge-
sundheits-Krankheits-Kontinuum des Salutogenesemodells ein Stuumlck in Richtung des Ge-
sundheitspols
33 Rechtliche Grundlagen
Die rechtliche Verankerung der Gesundheitsfoumlrderung findet sich in Deutschland im SGB V
wieder So legt sect 20 Abs 1 SGB V fest bdquoDie Krankenkasse sieht in der Satzung Leistungen
zur Verhinderung und Verminderung von Krankheitsrisiken (primaumlre Praumlvention) sowie zur
Foumlrderung des selbstbestimmten gesundheitsorientierten Handelns der Versicherten (Gesund-
13
heitsfoumlrderung) vorldquo5 Zurecht weist die Bundesaumlrztekammer in ihrer Stellungnahme zum
neuen Praumlventionsgesetz darauf hin dass diese Definition von Gesundheitsfoumlrderung nicht
umfassend genug ist da die Staumlrkung von Gesundheitsressourcen und ndashpotenzialen unerwaumlhnt
bleibt (vgl Bundesaumlrztekammer 2014 S 3) Die gesetzliche Krankenversicherung ist in
Deutschland von den Sozialversicherungszweigen finanziell mit Abstand am staumlrksten an der
Gesundheitsfoumlrderung beteiligt Gesetzlich verpflichtet war auszligerdem bisher nur die gesetzli-
che Unfallversicherung sodass die Beteiligung nicht-oumlffentlicher gemeinnuumltziger Traumlger wie
bspw Stiftungen zunehmend an Bedeutung gewinnt Der groumlszligte Teil der finanziellen Mittel
stammt allerdings aus oumlffentlichen Mitteln (vgl AltgeldKolip 2010 S 54) Durch das Prauml-
ventionsgesetz sind die gesetzlichen Krankenkassen nun nach sect 20 Abs 6 SGB V verpflich-
tet ab dem Jahr 2016 pro Versicherten 700 Euro statt wie im Jahr 2015 317 Euro fuumlr Praumlven-
tion und Gesundheitsfoumlrderung auszugeben Davon entfallen je 200 Euro auf Leistungen zur
Gesundheitsfoumlrderung und Praumlvention in Lebenswelten nach sect 20a SGB V und Betriebliche
Gesundheitsfoumlrderung nach sect 20b SGB V Das Praumlventionsgesetz sieht dabei eine Betriebli-
che Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen in WfbMs vor bdquoMit den Leistungen
[primaumlre Praumlvention und Gesundheitsfoumlrderung MP] sollen auch Menschen mit Behinde-
rung erreicht werden zB mit Leistungen zur betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung in Werk-
staumltten fuumlr behinderte Menschenldquo (Deutscher Bundestag 2015 S 34) Dies geht aus der vom
Deutschen Bundestag veroumlffentlichten Erlaumluterung zum Gesetzentwurf hervor
Die gesetzlichen Krankenkassen (unter Umstaumlnden auch die privaten Krankenkassen) sollen
des Weiteren mit den Traumlgern der Pflegeversicherung der Unfallversicherung und der Gesetz-
lichen Rentenversicherung eine bdquoNationale Praumlventionsstrategieldquo entwickeln (sect 20d SGB V)
die in der bdquoNationalen Praumlventionskonferenzldquo (sect 20e SGB V) ausgearbeitet und weitergefuumlhrt
wird In beiden Paragraphen geht es auch um Strategien der Gesundheitsfoumlrderung
Die gesetzlichen Pflegekassen sind nach sect 5 SGB XI fortan verpflichtet im Jahr 030 Euro je
Versicherter und Versichertem zur Gesundheitsfoumlrderung und Praumlvention in stationaumlren Pfle-
geeinrichtungen zu investieren
Eine gesetzliche Verankerung der Partizipation in der Gesundheitsfoumlrderung durch das Prauml-
ventionsgesetz ist hingegen ausgeblieben Ausgehend von der Annahme dass Gesundheits-
foumlrderung effektiver ist wenn die Zielgruppe an der Planung Durchfuumlhrung und Evaluation
5 Die Novellierung der sectsect 20ff SGB V ist eine Folge des 2015 verabschiedeten Gesetzes zur Staumlrkung der Ge-
sundheitsfoumlrderung und der Praumlvention Dieses ist im Internet verfuumlgbar unter
httpwwwbgbldexaverbgblstartxavstartbk=Bundesanzeiger_BGBlampjumpTo=bgbl115s1368pdf__bgbl__
2F2F[40attr_id3D27bgbl115s1368pdf27]__1446046078671 (Abrufdatum 28102015)
14
der Maszlignahme partizipiert (vgl FaltermaierWihofszky 2012 S 108) waumlre eine gesetzliche
Verankerung der Partizipation vorteilhaft gewesen
Das Recht auf Leistungen zur Gesundheitsfoumlrderung ergibt sich fuumlr Menschen mit Behinde-
rung auch aus der UN-BRK welche im Jahre 2009 von der Bundesrepublik Deutschland rati-
fiziert wurde In Artikel 25 heiszligt es hier bdquoDie Vertragsstaaten anerkennen das Recht von
Menschen mit Behinderungen auf das erreichbare Houmlchstmaszlig an Gesundheit ohne Diskrimi-
nierung aufgrund von Behinderungldquo Dieses houmlchsterreichbare Maszlig kann nur erreicht werden
wenn Menschen mit Behinderung konsequent in Maszlignahmen der Gesundheitsfoumlrderung ein-
bezogen werden Deutschland verpflichtet sich in Artikel 25 a) der UN-BRK behinderten
Menschen bdquoeine unentgeltliche oder erschwingliche Gesundheitsversorgung in der derselben
Bandbreite von derselben Qualitaumlt und auf demselben Standard zur Verfuumlgung [zu stellen]
wie anderen Menschen [hellip]ldquo Dies umfasst nicht nur kurative und rehabilitative Maszlignahmen
sondern auch solche zur Praumlvention und Foumlrderung der Gesundheit
34 Gesundheitsfoumlrderung in Settings
Da der Fokus dieser Arbeit auf der Gesundheitsfoumlrderung in WfbMs liegt werden nun einige
Aspekte zur Gesundheitsfoumlrderung in Settings also Lebenswelten genauer thematisiert
bdquoEin Setting ist ein Sozialzusammenhang in dem Menschen sich in ihrem Alltag aufhalten
und der Einfluss auf ihre Gesundheit hat Dieser soziale Zusammenhang ist relativ dauerhaft
und seinen Mitgliedern auch subjektiv bewusstldquo (HartungRosenbrock 2015 oS) Diese kur-
ze Definition enthaumllt die wichtigsten Merkmale eines Settings Jeder Mensch bewegt sich
folglich in verschiedenen Settings zB seiner Arbeitswelt seinem Wohnumfeld oder seinem
Freizeitbereich Dabei hat jedes Setting Einfluss auf die Menschen die sich in ihm bewegen
wie auch jeder Mensch gleichzeitig das jeweilige Setting beeinflusst Gesundheit ist hierbei
als ein wichtiges alltaumlgliches Element des jeweiligen Settings zu sehen und nicht ausschlieszlig-
lich als essenzielles und abstraktes Ziel (vgl RoumlmischWalther 2015 S 5 AltgeldKolip
2010 S 49) Dies betont auch die salutogenetische Position nach der jeder Mensch zu jedem
Zeitpunkt zumindest ein gewisses Maszlig an Gesundheit inne hat (vgl Antonovsky 1997 S 23)
Bereits in der Ottawa-Charta wird als eine Strategie zur Gesundheitsfoumlrderung bdquoGesundheits-
foumlrderliche Lebenswelten schaffenldquo (WHO 1986 S 3) genannt Elf Jahre spaumlter verdeutlicht
die Jakarta-Erklaumlrung die Wirksamkeit dieser Strategie bdquoDer wissenschaftliche Erkenntnis-
15
stand zeigt deutlich daszlig [hellip] insbesondere Settings [hellip] gute Moumlglichkeiten zur praktischen
Umsetzung solcher umfassenden Strategien bietenldquo (WHO 1997 S 3)
Dies mag va daran liegen dass eher schwer erreichbare Zielgruppen der Gesundheitsfoumlrde-
rung in ihren Lebenswelten relativ gut erreicht werden koumlnnen (vgl FaltermaierWihofszky
2012 S 110) Zu diesen Zielgruppen gehoumlren va sozial benachteiligte Menschen wie etwa
Menschen mit Migrationshintergrund in Armut lebende Menschen oder Menschen mit Be-
hinderungen Da das deutsche Gesundheitssystem stark mittelschichtsorientiert ist sind diese
schwerer zu erreichen als wohlhabendere Bevoumllkerungsschichten (vgl Stickan-Verfuumlrth 2005
S 105106) Besonders problematisch ist dies vor dem Hintergrund zu sehen dass gerade
sozial benachteiligte Menschen wie bereits erwaumlhnt haumlufig uumlber eine schlechtere Gesundheit
verfuumlgen
35 Gesundheitsfoumlrderung in der Lebenswelt bdquoArbeitldquo
Fuumlr eine Gesundheitsfoumlrderung in der Lebenswelt bdquoArbeitldquo sind besonders zwei Strategien
relevant die Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung (BGF) und das Betriebliche Gesundheitsma-
nagement
Die Begriffe bdquoBetriebliche Gesundheitsfoumlrderungldquo und bdquoBetriebliches Gesundheitsmanage-
mentldquo werden in der Literatur zT sehr unterschiedlich interpretiert Die Bandbreite reicht
hier von einer beinahe synonymen Verwendung bis hin zu einer klaren Abgrenzung Die hier
vorgenommene Unterscheidung ist dabei nur eine Moumlglichkeit unter mehreren
351 Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung
Als Grundsatzdokument der Betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung in Deutschland gilt heute
die Luxemburger Deklaration zur betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung in der Europaumlischen
Union aus dem Jahr 1997 Sie legt Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung wie folgt fest bdquoBe-
triebliche Gesundheitsfoumlrderung (BGF) umfasst alle gemeinsamen Maszlignahmen von Arbeit-
gebern Arbeitnehmern und Gesellschaft zur Verbesserung von Gesundheit und Wohlbefinden
am Arbeitsplatzldquo (Unternehmensnetzwerk zur betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung in der Eu-
ropaumlischen Union eV 2007 S 2 eigene Paginierung) Als Wege hierfuumlr sieht die Luxem-
burger Deklaration va drei Pfade welche in ihrer Verknuumlpfung am effektivsten scheinen die
16
Verbesserung der Arbeitsorganisation und der Arbeitsbedingungen die Staumlrkung der Partizi-
pation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und die Unterstuumltzung im Aufbau und der Wei-
terentwicklung persoumlnlicher Kompetenzen (vgl Unternehmensnetzwerk zur betrieblichen
Gesundheitsfoumlrderung in der Europaumlischen Union eV 2007 S 2)
Die Auswirkungen Betrieblicher Gesundheitsfoumlrderung sind mannigfaltig und durch Studien
belegt So kann hier aufgrund der verbesserten Gesundheit und der staumlrkeren Gesundheitsres-
sourcen eine Verringerung der Fehltage aufgrund von Krankheit angefuumlhrt werden Aber auch
die Wertschaumltzung und Fuumlrsorge durch den Betrieb koumlnnen eine staumlrkere Identifikation der
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit dem jeweiligen Unternehmen hervorrufen (vgl Si-
monHegerReszies 2011 S 3738) Dies hat ua ein besseres Arbeitsklima eine houmlhere Mo-
tivation und Arbeitszufriedenheit und daraus resultierend eine Steigerung der Produktivitaumlt
zur Folge (vgl Unternehmensnetzwerk zur betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung in der Euro-
paumlischen Union eV 2007 S 3) Diese positiven Effekte entfalten teilweise erst laumlngerfristig
ihre Wirkung Somit sind sie fuumlr das Unternehmen eine langfristige Investition die allerdings
Gefahr laumluft kurzfristigen betriebswirtschaftlichen Interessen entgegenzulaufen (vgl Rosen-
brockHartung 2015 oS)
Als Maszlignahmen der Betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung eignen sich sowohl verhaltens- als
auch verhaumlltnisbezogene Maszlignahmen Eine Kombination aus beiden waumlre im Sinne der
Ganzheitlichkeit durchaus gewinnbringend
Eine gesetzliche Verpflichtung fuumlr Unternehmen zur Betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung gibt
es fuumlr Unternehmen in Deutschland nicht Wie in Punkt 33 bereits erwaumlhnt ist der rechtliche
Zusammenhang in sect 20b Abs 1 Satz 2 SGB V geregelt bdquoHierzu erheben sie [die Kranken-
kassen MP] unter Beteiligung der Versicherten und der Verantwortlichen fuumlr den Betrieb
sowie der Betriebsaumlrzte und der Fachkraumlfte fuumlr Arbeitssicherheit die gesundheitliche Situation
einschlieszliglich ihrer Risiken und Potenziale und entwickeln Vorschlaumlge zur Verbesserung der
gesundheitlichen Situation sowie zur Staumlrkung der gesundheitlichen Ressourcen und Faumlhig-
keiten und unterstuumltzen deren Umsetzungldquo Nach sect 20 Abs 6 Satz 2 sind die Krankenkassen
dazu verpflichtet pro Versicherter und Versichertem 200 Euro im Jahr in Maszlignahmen zur
Betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung zu investieren
Obwohl der Nutzen Betrieblicher Gesundheitsfoumlrderung sowohl fuumlr die Belegschaft als auch
fuumlr das jeweilige Unternehmen selbst nachgewiesen ist (vgl RosenbrockHartung 2015 oS)
es sich also um eine Win-Win-Situation handelt ist ihre Verbreitung in Deutschland noch
eher gering Das liegt zum einen daran dass Unternehmen nicht zur Betrieblichen Gesund-
heitsfoumlrderung verpflichtet sind und diese daher auf Freiwilligkeit aller Akteure beruht Zum
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anderen liegt es daran dass es sich um einen vielschichtigen Prozess handelt der durch inter-
ne externe oumlkonomische oder betriebspolitische Veraumlnderungen beeintraumlchtigt werden kann
(vgl RosenbrockHartung 2015 oS)
Fuumlr eine gelingende BGF ist Partizipation unumgaumlnglich denn nur so wird sichergestellt dass
moumlglichst viele Akteure besonders die Zielgruppe der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter er-
reicht wird (SimonHegerReszies 2011 S 46) Ein wichtiges Element hierbei ist der sog
bdquoGesundheitszirkelldquo Dieser setzt sich zusammen aus Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des
Betriebs wobei moumlglichst verschiedene Arbeitsbereiche und Hierarchieebenen vertreten sein
sollten Die Groumlszlige sollte dabei uumlberschaubar bleiben zB zwischen fuumlnf und acht Teilneh-
menden evtl ergaumlnzt durch einen externen Experten Im Zuge einer angestrebten Versteti-
gung von Gesundheitsfoumlrderung im Betrieb sind regelmaumlszligige Treffen sinnvoll (vgl Si-
monHegerReszies 2011 S 64 ndash 69) Um eine moumlglichst umfassende Partizipation zu ge-
waumlhrleisten empfiehlt es sich den Gesundheitszirkel von Beginn an also der Phase der Pla-
nung mit einzubeziehen Fuumlr eine Gesundheitsfoumlrderung in WfbMs scheint eine analoge An-
wendung des Konzeptes Gesundheitszirkel sowohl moumlglich als auch sinnvoll um von Beginn
an partizipative Strukturen zu etablieren
352 Betriebliches Gesundheitsmanagement
In der Literatur wird der Begriff des Betrieblichen Gesundheitsmanagements sehr unter-
schiedlich interpretiert Schlummer interpretiert ihn beinahe synonym zur Betrieblichen Ge-
sundheitsfoumlrderung wobei lediglich der Faktor der Arbeitssicherheit eine staumlrke Beruumlcksichti-
gung im Gesundheitsmanagement findet (vgl Schlummer 2015 S 35) Die Luxemburger
Deklaration hingegen sieht Arbeits- und Gesundheitsschutz in Unternehmen als Teil der Be-
trieblichen Gesundheitsfoumlrderung (vgl Unternehmensnetzwerk zur betrieblichen Gesund-
heitsfoumlrderung in der Europaumlischen Union eV 2007 S 4) In der vorliegenden Arbeit wird
der Arbeits- und Gesundheitsschutz ebenfalls unter der Strategie der Betrieblichen Gesund-
heitsfoumlrderung gesehen da er dem Verstaumlndnis von BGF als bdquoMaszlignahmen von Arbeitgebern
Arbeitnehmern und Gesellschaft zur Verbesserung von Gesundheit und Wohlbefinden am
Arbeitsplatzldquo (Unternehmensnetzwerk zur betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung in der Europauml-
ischen Union eV 2007 S 2) entspricht Fuumlr die Abgrenzung zwischen den beiden Begriffen
scheint dieser Aspekt zweitrangig Im Vordergrund liegt eher der jeweilige Charakter der
Strategie
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Gesundheitsmanagement in Betrieben kann als bdquo[b]ewusste Steuerung und Integration aller
betrieblichen Prozesse mit dem Ziel der Erhaltung und Foumlrderung der Gesundheit und des
Wohlbefindens der Beschaumlftigtenldquo (HannackRaumlder 2011 S 434) gesehen werden Dieses
Konzept scheint mit Vor- und Nachteilen einherzugehen Da saumlmtliche betriebliche Prozesse
die als der Gesundheit foumlrderlich gelten hierunter fallen sind auch individuelle Maszlignahmen
wie bspw das Betriebliche Eingliederungsmanagement nach sect 84 Abs 2 SGB IX mit inbe-
griffen Bei diesem geht es in erster Linie nicht um eine Erhaltung oder Verbesserung der
Gesundheit sondern um eine Vorbeugung von Arbeitsunfaumlhigkeit undoder den Erhalt eines
Arbeitsplatzes Ebenfalls positiv kann die Implementierung gesundheitsorientierter Prozesse
und Strukturen in das generelle Management eines Unternehmens gesehen werden Dadurch
scheint auszligerdem die Dauerhaftigkeit von gesundheitsfoumlrderlichen Maszlignahmen besser er-
reichbar als bei der BGF Hier haben Maszlignahmen meist den Charakter eines zeitlich befriste-
ten Projektes (vgl SlesinaBohley 2011 S 627) Der groszlige Nachteil des Betrieblichen Ge-
sundheitsmanagements liegt in der Gefahr dass sog top-down-Strukturen die Uumlberhand ge-
winnen (vgl Faller 2010 S 25 zit nach RosenbrockHartung 2015 oS) Top-down-
Strukturen in der Gesundheitsfoumlrderung zeichnen sich dadurch aus dass eine Person von
bdquoobenldquo eine Maszlignahme einleitet und im schlimmsten Fall bdquoaufoktroyiertldquo Dies kann mangels
Partizipation der Zielgruppe zu Ablehnung bei dieser fuumlhren
Fuumlr eine Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung in WfbMs scheint ndash zumin-
dest im Moment ndash der Weg der BGF geeigneter Hier sind zum einen in der Theorie groszlige
Potentiale fuumlr Partizipation gegeben Zum anderen ist das Thema der systematischen Gesund-
heitsfoumlrderung mit behinderten Menschen in Institutionen der Behindertenhilfe bisher kaum
verbreitet (siehe 44) Eine sofortige Implementierung des Betrieblichen Gesundheitsmana-
gements wuumlrde die meisten Einrichtungen uumlberfordern und vor den Kopf stoszligen Auf lange
Sicht scheint dies aber ein wuumlnschenswertes Ziel zu sein welches Schritt fuumlr Schritt erreicht
werden sollte
19
4 Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung
Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen ist bisher in der Praxis der sog bdquoBehinder-
tenhilfeldquo6 nur aumluszligert selten integriert In der wissenschaftlichen Literatur sind in den letzten
Jahren einige Beitraumlge erschienen die sich diesem Thema widmen Es soll nun zuerst darge-
stellt werden in welchem Verhaumlltnis Gesundheit und Behinderung zueinander stehen bevor
auf die Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen eingegangen wird Der Fokus dieser
Arbeit liegt auf der Gesundheitsfoumlrderung in WfbMs In diesem Zusammenhang wird der
Stand der Literatur kurz dargestellt eine kurze Analyse von Leitbildern einzelner Werkstaumltten
vorgenommen und einige Stimmen aus der Praxis wiedergegeben Aufgrund des knappen
Rahmens dieser Arbeit muss sich dies auf das Bundesland Berlin beschraumlnken und erhebt kei-
nen Anspruch auf empirische Vollstaumlndigkeit Vielmehr versteht es sich als eine kleine Feld-
befragung die als ein erster Impuls gesehen werden kann
41 Behinderte Menschen und Gesundheit und Krankheit ndash sozialmedizinische Erkenntnisse
Zunaumlchst muss festgehalten werden dass eine Behinderung keine Krankheit ist Auch ein
schwer behinderter Mensch kann sich sehr gesund fuumlhlen Der wesentliche Unterschied zwi-
schen einer Behinderung und einer Krankheit liegt darin dass bei einer Behinderung die Teil-
habe am Leben in der Gesellschaft langfristig beeintraumlchtigt ist bei einer Erkrankung hinge-
gen nicht oder nur kurzfristig7 Das hier vorliegende Verstaumlndnis in der Unterscheidung bei-
der Begriffe ist vordergruumlndig eher ein soziales denn eine medizinische Abgrenzung
Es existieren verschiedene und teilweise weitreichende gesundheitliche Unterschiede zwi-
schen Menschen mit Behinderungen und Menschen ohne Behinderungen Um diese auch in
ihrem Ursprung erklaumlren zu koumlnnen reicht der bdquotraditionelleldquo bio-medizinische Blick nicht
aus da er zu kurz greift Er muss um die sozialmedizinische Sichtweise ergaumlnzt werden
An dieser Stelle sollte allerdings darauf hingewiesen werden dass die folgende Darstellung
den Gesundheitszustand groszliger heterogener Gruppen von Menschen abbildet und die ge-
troffenen Aussagen daher nicht auf jeden Einzelfall anwendbar sind
6 Dieser Begriff impliziert durch den Wortteil bdquo-hilfeldquo ein Maumlchteungleichgewicht welches einer wahren Parti-
zipation der behinderten Menschen im Wege steht 7 Sollte eine chronische Krankheit einen Menschen in seiner Teilhabe langfristig einschraumlnken kann sie durch-
aus auch als Behinderung gesehen werden
20
Der Teilhabebericht des Bundesministeriums fuumlr Arbeit und Soziales (BMAS) kommt zu dem
Ergebnis dass Menschen mit Behinderungen ihre Gesundheit haumlufig schlechter einschaumltzen
als Menschen ohne Behinderungen Dies gilt auch fuumlr das psychische Wohlbefinden welches
im ganzheitlichen Verstaumlndnis von Gesundheit das dieser Arbeit zugrunde liegt (siehe 22)
ebenfalls Teil der Gesundheit ist Auch hat ein Mensch mit Behinderung in Deutschland im
Durchschnitt mehr Krankheitstage8 als ein nicht behinderter Mensch Menschen mit Behinde-
rung konsultieren statistisch betrachtet in einem bestimmten Zeitraum haumlufiger einen Arzt als
die durchschnittliche Bevoumllkerung Dies duumlrfte ua an dem als schlechter wahrgenommenen
Gesundheitszustand liegen aber auch an der Komorbiditaumlt bestimmter Behinderungen Bzgl
des Rauchverhaltens Alkoholkonsums und einer gesundheitsbewussten Ernaumlhrung bestehen
nur relativ geringe Unterschiede zur Gesamtbevoumllkerung Auffaumlllig ist lediglich dass die
Gruppe der 18- bis 29-Jaumlhrigen Menschen mit Behinderung zu einem houmlheren Anteil regel-
maumlszligig raucht Alkohol trinkt und seltener auf gesunde Ernaumlhrung achtet In den anderen Al-
tersgruppen bestehen kaum nennenswerte Unterschiede (vgl BMAS 2013 S 192 ndash 204)
Menschen mit Behinderungen haben im Durchschnitt eine geringere Lebenserwartung wobei
es hier Unterschiede zwischen einzelnen Syndromen gibt (vgl MarksSisirakHeller 2010
S 3) Bei einigen kann die jeweilige Behinderung selbst der Ausloumlser sein jedoch besteht
besonders bei Menschen mit Lernschwierigkeiten die Gefahr dass Krankheiten nicht richtig
erkannt oder nur unzureichend behandelt werden (vgl Lennox 2002 S 230) Ausschlagge-
bend hierfuumlr duumlrfte sein dass im Gesundheitsbereich verschiedenste Barrieren existieren Zum
Beispiel ist nur ein Teil der Arztpraxen barrierefrei wobei besonders haumlufig passende Unter-
suchungsmoumlbel und Informationsmaterial in Leichter Sprache fehlen (vgl BMAS 2013
S 200201) Ebenfalls negativ wirkt sich aus dass Aumlrzte teilweise unsicher im Umgang mit
Menschen mit Lernschwierigkeiten sind und diese zT auszligerdem ihre Symptome nicht praumlzi-
se genug beschreiben koumlnnen oder uumlber eine geringer differenzierte Wahrnehmung des eige-
nen Koumlrpers verfuumlgen als Menschen ohne Behinderung (vgl SchmidtReker 2014 S 28)
Des Weiteren haben Menschen mit Lernschwierigkeiten statistisch gesehen haumlufiger Uumlberge-
wicht als der Durchschnitt der Bevoumllkerung Hier muss jedoch beruumlcksichtigt werden dass
mit bestimmten Syndromen wie bspw dem Down-Syndrom ein veraumlnderter Energiebedarf
aufgrund der geringeren Muskelspannung einhergeht oder das Saumlttigungsgefuumlhl zB beim
Prader-Willi-Syndrom veraumlndert ist (Beange 2002 S 3) Die houmlhere Wahrscheinlichkeit des
Uumlbergewichts besteht statistisch gesehen sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen mit
8 Krankheitstage werden an dieser Stelle des Bundesteilhabeberichtes verstanden als Tage in denen der Mensch
sich subjektiv zu krank gefuumlhlt hat um seinen normalen privaten und beruflichen Taumltigkeiten nachzugehen
21
Lernschwierigkeiten (vgl Reuter 2009 S 13) Eine moumlgliche Ursache hierfuumlr kann auch in
der Tatsache gesehen werden dass Menschen mit Behinderungen durchschnittlich seltener
Sport treiben als nicht behinderte Menschen (vgl BMAS 2013 S 221222)
Ein weiterer bedeutender Zusammenhang zwischen Krankheit und Behinderung ist dass viele
Behinderungen im Sinne von Einschraumlnkungen in der gesellschaftlichen Teilhabe wie auch im
gesetzlichen Verstaumlndnis nach dem SGB IX Folgen von schweren undoder chronischen
Krankheiten sind (vgl SchmidtReker 2014 S 26)
Trotz allem muumlssen auch die vorhandenen Gesundheitspotentiale behinderter Menschen be-
ruumlcksichtigt werden denn an ihnen kann eine gelingende Gesundheitsfoumlrderung ansetzen (vgl
Altgeld 2008 S 8)9 Ein ressourcenorientierter Blick achtet besonders auf die verschiedenen
Potentiale die jedem Menschen (oder auch einer Gruppe von Menschen) innewohnen
Das Verhaumlltnis zwischen Gesundheit und Behinderung haumlngt in Deutschland und vielen Tei-
len der sog westlichen Welt aus sozialmedizinischem Blickwinkel nach wie vor so zusam-
men bdquoWhile a large number of individuals who are in bad health end up with a disability a
large number of persons with disabilities end up with bad healthldquo10
(Rimmer 2009 zit nach
MarksSisirakHeller 2010 S 31) Dieser Chiasmus verdeutlicht zusammenfassend nicht nur
die vorherrschende enge Verbindung zwischen schlechterer Gesundheit und Behinderung
sondern impliziert auch die Notwendigkeit von Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Be-
hinderungen Wie in 31 beschrieben hat Gesundheitsfoumlrderung auch den Abbau gesundheit-
licher Chancenungleichheit zum Ziel
42 Erreichbarkeit von Menschen mit Behinderungen fuumlr gesundheitsfoumlrdernde Maszlignahmen
Fuumlr die Gesundheitsfoumlrderung gelten Menschen mit Behinderungen als schwer zu erreichen
Es sollen nun die wesentlichen Probleme aber auch die vorhandenen Potentiale beschrieben
werden
9 Altgeld bezieht sich in seiner Analyse auf den Gesundheitsmonitor 2007 der Bertelsmann Stiftung Da dieser
Menschen mit Lernschwierigkeiten nicht mit einbezieht sondern vorwiegend koumlrper- und sinnesbeeintraumlchtige
Menschen beruumlcksichtigt koumlnnen seine Schlussfolgerungen nicht fuumlr die gesamte sehr heterogene Gruppe der
behinderten Menschen angewendet werden 10
Waumlhrend eine groszlige Anzahl an Personen welche eine schlechte Gesundheit besitzen eine Behinderung er-
langt erlangt eine groszlige Anzahl an Personen mit Behinderungen eine schlechte Gesundheit (Uumlbersetzung des
Verfassers)
22
421 Probleme bei der Erreichbarkeit
In den bundesweiten Untersuchungen wie bspw dem Sozio-oumlkonomischen Panel (SOEP)
oder Gesundheit in Deutschland aktuell (GEDA) werden Menschen mit Lernschwierigkeiten
idR nicht erreicht Dies hat zur Folge dass sowohl gesundheitliche Potentiale als auch Be-
duumlrfnisse und Bedarfe von Menschen mit Lernschwierigkeiten in der Gesundheitsfoumlrderung
weitgehend unerkannt und dadurch ausgeklammert bleiben (vgl Burtscher 2014 S 4)
Generell gelten behinderte Menschen bisher als schwer zu erreichen fuumlr Maszlignahmen zur Ge-
sundheitsfoumlrderung was verschiedene Gruumlnde hat Sozial benachteiligte Menschen sind sehr
haumlufig eine schwer erreichbare Zielgruppe fuumlr die Gesundheitsfoumlrderung Maszlignahmen auf der
gesamtgesellschaftlichen Ebene werden eher von Menschen mit houmlherem sozialen Status an-
genommen (Hurrelmann 2006 S 164) und erst spaumlter von sozial Benachteiligten internali-
siert Es waumlre jedoch ein Fehler Menschen mit Behinderungen automatisch zur Gruppe der
sozial benachteiligten Menschen zu rechnen Jedoch zeigt der Bundesteilhabebericht dass
behinderte Menschen haumlufiger erwerbslos sind und durchschnittlich weniger Gehalt verdienen
(BMAS 2013 S 141 ndash 149) Dass die finanzielle Lage von Beschaumlftigten der WfbMs beson-
ders prekaumlr ist wird im Punkt 43 naumlher erlaumlutert Diese soziooumlkonomischen Merkmale sind
jedoch nur ein Aspekt Auch gilt es zu bedenken dass besonders Maszlignahmen auf der Verhal-
tensebene bei sozial benachteiligten Menschen oft wenig angenommen werden da sie mit den
eigenen dauerhaften Lebensvorstellungen nicht uumlbereinstimmen (vgl Hurrelmann 2006
S 164) So nehmen Menschen mit Behinderung nur sehr selten an Angeboten oumlffentlicher
Einrichtungen wie bspw Volkshochschulkursen oder Rehabilitations-Sport-Maszlignahmen teil
(vgl Burtscher 2014 S 5)
Ein weiterer Punkt ist dass das Thema Gesundheitsfoumlrderung in der Behindertenarbeit traditi-
onell kaum etabliert war Laut einer Studie aus dem Jahr 2004 sehen Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter in Behinderteneinrichtungen haumlufig wenig Relevanz in Sport Bewegung und Er-
naumlhrung fuumlr die Foumlrderung der Gesundheit behinderter Menschen Daruumlber hinaus schreiben
sie auch Selbstbewusstsein Selbststaumlndigkeit und Selbstbestimmung nur eine untergeordnete
Rolle zu (vgl Gembris-Nuumlbel 2004 S 144) Allerdings besteht die Chance dass diese Ein-
stellung sich in den letzten zehn Jahren veraumlndert hat Die Ergebnisse der im Rahmen dieser
Arbeit durchgefuumlhrten Feldbefragung geben Anlass zu dieser Annahme (siehe 443) Auszliger-
dem ist fuumlr viele Menschen mit Lernschwierigkeiten der Zugang zu Informationen welche
Gesundheitsfoumlrderung thematisieren nur schwer moumlglich Hier sind folglich Vermittlung und
Unterstuumltzung oft notwendig (vgl Gembris-Nuumlbel 2004 S 82)
23
Auch von der Politik wird das Thema der Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen
bisher nur sehr selten thematisiert Seltene Ausnahmen wie zB die 22 Landesgesundheits-
konferenz in Nordrhein-Westfalen weisen jedoch auf die Wichtigkeit von Gesundheitsfoumlrde-
rung hin welche die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben verbessern kann (vgl Ministerium
fuumlr Gesundheit Emanzipation Pflege und Alter des Landes Nordrhein-Westfalen 2013
S 31) Hervorgehoben wird hier auch die (zukuumlnftige) Gestaltung der Informationen damit
diese fuumlr alle zugaumlnglich sind Des Weiteren soll auch das Bewusstsein saumlmtlicher Beteiligten
im Bereich der Gesundheitsfoumlrderung sensibilisiert werden (vgl Ministerium fuumlr Gesundheit
Emanzipation Pflege und Alter des Landes Nordrhein-Westfalen 2013 S 32)
Schon im Grundschulalter werden behinderte Kinder oft nicht erreicht da Gesundheitsfoumlrde-
rung sehr haumlufig nur in Regelgrundschulen und weiterfuumlhrenden Schulen und nicht in separie-
renden Foumlrderschulen stattfindet (vgl Reuter 2009 S 1819)
422 Potentiale fuumlr die Erreichbarkeit
Allerdings muumlssen auch die Potentiale betrachtet werden die fuumlr eine Erreichbarkeit behin-
derter Menschen zur Gesundheitsfoumlrderung vorhanden sind Auch diese bestehen in allen Al-
tersgruppen zB im fruumlhen Schulalter Im Zuge der Inklusion bei der immer mehr Kinder
mit Behinderungen in Regelschulen unterrichtet werden ist zu hoffen dass sie zukuumlnftig haumlu-
figer an Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung teilhaben koumlnnen Solange es (noch) Foumlrder-
schulen gibt muss auch auf deren (oft ungenutztes) Potential fuumlr gesundheitsfoumlrdernde Maszlig-
nahmen hingewiesen werden das in ihrer oft ganztaumlgigen Betreuung und den damit verbun-
denen Ressourcen liegt
Nicht nur in der Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Kindern sind bereits Potentiale vor-
handen Generell weisen Gesundheitsfoumlrderung und Behindertenarbeit sehr groszlige Gemein-
samkeiten in Sprache Prinzipien und Zielen auf Beide zielen letztendlich ab auf Inklusion
Partizipation Empowerment Entwicklung persoumlnlicher Faumlhigkeiten Einbindung in die Ge-
meinde die Neuorientierung von Gesundheitsdienstleistungen und die Foumlrderung von Um-
welten welche Gesundheit und Lebensqualitaumlt verbessern (vgl Lennox 2002 S 231) Es soll
auch darauf hingewiesen werden dass viele behinderte Menschen sehr an Informationen uumlber
Gesundheit interessiert sind und aktiv nach Informationen suchen (vgl Altgeld 2008 S 8)
Abschlieszligend laumlsst sich auffuumlhren dass gerade der Setting-Ansatz wie er in Punkt 34 darge-
stellt wurde eine sehr gute Moumlglichkeit bietet Menschen mit Behinderungen zu erreichen Er
24
bietet einen Zugangspunkt und kann Ausgangslage sein sowohl fuumlr verhaltens- als auch fuumlr
verhaumlltnisorientierte Maszlignahmen zur Foumlrderung der Gesundheit von Menschen mit Behinde-
rungen
Obwohl behinderte Menschen in der Vergangenheit nur selten gezielt an Maszlignahmen zur
Gesundheitsfoumlrderung beteiligt wurden sind doch einige Potentiale vorhanden an denen an-
zuknuumlpfen lohnenswert scheint
43 Das Setting Werkstatt fuumlr behinderte Menschen
WfbMs sind spezielle Einrichtungen fuumlr Menschen mit Behinderungen die nach dem SGB IX
als behindert gelten (siehe 21) Nach sect 136 SGB IX dienen diese Einrichtungen der bdquoTeilhabe
behinderter Menschen am Arbeitsleben [hellip] und zur Eingliederung in das Arbeitslebenldquo
Dadurch sind sie nicht Teil des allgemeinen Arbeitsmarktes da ihre Beschaumlftigten bdquowegen
Art oder Schwere der Behinderung nicht noch nicht oder noch nicht wieder auf dem allge-
meinen Arbeitsmarkt beschaumlftigt werden koumlnnenldquo (sect 136 Abs 1 SGB IX) Ihr Ziel ist es be-
hinderte Menschen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt vorzubereiten Die Beschaumlftigten arbei-
ten in verschiedensten Bereichen zB im Handwerk oder in Taumltigkeiten der elektronischen
Datenverarbeitung je nach persoumlnlicher Neigung Da es sich um kein typisches sozialversi-
cherungspflichtiges Arbeitsverhaumlltnis handelt sondern um ein bdquoarbeitnehmeraumlhnliches
Rechtsverhaumlltnisldquo11
(sect 138 SGB IX) bekommen die Beschaumlftigten keinen Lohn der dem
Mindestlohn entspricht Nach sect 138 SGB IX setzt sich ihr Arbeitsentgelt zusammen aus ei-
nem Grundbetrag und einem leistungsbemessenen Steigerungsbetrag Im Jahr 2011 verdiente
ein Beschaumlftigter im Durchschnitt 180 Euro monatlich (vgl BAG WfbM 2014) bei 35 bis 40
Arbeitsstunden pro Woche Von einer groszligen Steigerung in den letzten Jahren ist nicht auszu-
gehen Somit benoumltigen Beschaumlftigte einer WfbM idR neben ihrem Arbeitsentgelt Grundsi-
cherung Dies hat zur Folge dass sie haumlufig in prekaumlren soziooumlkonomischen Verhaumlltnissen
leben
Jede Werkstatt ist soziologisch betrachtet ein eigenes System mit individuellen Merkmalen
die unter anderem vom Standort dem Fachpersonal dem Traumlger und den Beschaumlftigten ge-
kennzeichnet sind (vgl SchlummerSchuumltte 2006 S 81) Gesetzlich festgelegt ist in sect 139
11
Begruumlndet wird dieses Rechtsverhaumlltnis haumlufig durch den Kuumlndigungsschutz Eine Werkstatt kann einen
Werkstattvertrag mit einer Beschaumlftigten oder einem Beschaumlftigten nur in seltenen Faumlllen gegen ihren oder sei-
nen Willen aufheben
25
SGB IX dass die Beschaumlftigten aus ihrer Mitte heraus regelmaumlszligig einen Werkstattrat waumlhlen
Genaueres regelt hier die Werkstaumltten-Mitwirkungsverordnung (WMVO) Wie ihr Name al-
lerdings schon sagt handelt es sich hier um die Moumlglichkeit der Mitwirkung nicht der Mitbe-
stimmung Diese kann nur erreicht werden wenn Werkstatt und Werkstattrat nach sect 5 Abs 4
WMVO eine weitergehende Vereinbarung treffen Zu den Aufgaben des Werkstattrates ge-
houmlrt es die Interessen der Beschaumlftigten in verschiedenen Angelegenheiten gegenuumlber der
Werkstatt zu vertreten Diese sind in sect 5 Abs 1 WMVO aufgelistet Die Werkstatt muss den
Werkstattrat auszligerdem informieren wenn sie eine Maszlignahme durchfuumlhrt in der der Werk-
stattrat ein Mitwirkungsrecht besitzt12
Sollte kein Einverstaumlndnis in einer Beratung erzielt
werden koumlnnen beide Seiten sich an eine Vermittlungsstelle wenden (sect 5 Abs 3 WMVO)
Das tatsaumlchliche Ausmaszlig der Mitwirkung ist jedoch stets von der Werkstattleitung abhaumlngig
Solch eine fehlende gesetzliche Verankerung von Mitbestimmung steht der Partizipation be-
hinderter Menschen im Wege welche sowohl fuumlr die gesellschaftliche Inklusion als auch die
Gesundheitsfoumlrderung immens wichtig ist
44 Gesundheitsfoumlrderung in Werkstaumltten fuumlr behinderte Menschen
Zunaumlchst gilt es sich einen Uumlberblick uumlber den aktuellen Stand von Gesundheitsfoumlrderung in
WfbMs zu verschaffen Einen ersten Einblick soll die dazu vorhandene Literatur liefern Da-
nach soll ein Abgleich dieser mit der Praxis stattfinden der sich aufgrund des gesetzten Rah-
mens dieser Arbeit nur auf einige Werkstaumltten des Bundeslandes Berlin konzentriert Hierfuumlr
werden jeweils die Leitbilder untersucht und Stimmen aus der Werkstatt ausgewertet
441 Recherche zum aktuellen Stand
Die Literatur zum Thema Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen in WfbMs ist
noch sehr duumlnn Vollstaumlndig ausgearbeitete Konzepte gibt es bisher nicht veroumlffentlicht wur-
den Berichte von abgeschlossenen oder noch laufenden Projekten Werner Schlummer wis-
senschaftlicher Mitarbeiter der Universitaumlt zu Koumlln begleitete ein Projekt zum Betrieblichen
12
Eine ausfuumlhrliche Beschreibung der Mitwirkungs- und Unterrichtungsrechte des Werkstattrates ist bei
SchlummerSchuumltte 2006 S 71 ndash 82 nachzulesen
26
Gesundheitsmanagement13
in einer WfbM zusammen mit acht Studierenden der Universitaumlt
(vgl Schlummer 2015 S 33) Auch das Projekt GESUND als Teilprojekt von PartKomm-
Plus (Forschungsverbund fuumlr gesunde Kommunen) wird wissenschaftlich durch die Katholi-
sche Hochschule fuumlr Sozialwesen begleitet (vgl Burtscher 2014 S 6)
Als Ausnahme kann das Projekt bdquoSelbstbestimmt gesuumlnderldquo im Rahmen des Programmes
bdquoHealthy Athletesldquo gesehen werden Hier bringt Special Olympics Deutschland eV Maszlig-
nahmen zur Gesundheitsfoumlrderung in die Lebenswelten behinderter Menschen Bei Healthy
Athletes werden Sportlerinnen und Sportler bei Veranstaltungen von Special Olympics kos-
tenlose Beratungen und Kontrolluntersuchungen angeboten Diese Angebote werden jedoch
auch auf Wohnheime und WfbMs ausgeweitet (vgl Special Olympics Deutschland a) S 2
eigene Paginierung) Auch das Projekt bdquoSelbstbestimmt gesuumlnderldquo bringt gesundheitsfoumlrdern-
de Maszlignahmen in Werkstaumltten Dabei werden bdquoTeilnehmern individualisierte Handlungsemp-
fehlungen zum Gesundheitsverhalten zur Verfuumlgung gestelltldquo (Special Olympics Deutschland
b) oS) Das Projekt setzt auszligerdem auf die Wirkung von Peer-Multiplikatorinnen und
-Multiplikatoren
Weitere Projekte sind trotz intensiver Recherche nicht bekannt Auch die Bundesarbeitsge-
meinschaft Werkstaumltten fuumlr behinderte Menschen eV (BAG WfbM) hat auf ihrer Homepa-
ge14
keinen Artikel zur Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung in WfbMs
Gibt man in der Suchmaske bdquoGesundheitsfoumlrderungldquo ein erhaumllt man zwei Ergebnisse einen
Artikel uumlber ein neu entwickeltes Computerspiel das von Kindern mit unterschiedlichen Be-
hinderungen gespielt werden kann und einen Artikel zum Qualifizierungsprogramm bdquoGe-
sundheitsfoumlrderung durch Schluumlsselqualifikationenldquo das sich nicht an Beschaumlftigte sondern
an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in WfbMs richtet Dies legt den Schluss nahe dass Ge-
sundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen in WfbMs bisher kaum verbreitet ist
Das Thema Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung als solches wurde in den
letzten Jahren zunehmend in der Literatur behandelt wobei die Anzahl der Veroumlffentlichun-
gen nach wie vor auf einem uumlberschaubaren Stand ist
13
Schlummers Verstaumlndnis von Betrieblichem Gesundheitsmanagement und Betrieblicher Gesundheitsfoumlrderung
sind beinahe synonym Das beschriebene Projekt kann daher im erweiterten Rahmen durchaus als Projekt zur
Gesundheitsfoumlrderung gesehen werden 14
httpwwwbagwfbmde (Stand 11112015)
27
442 Konzepte und Leitbilder von Einrichtungen der Praxis
Betrachtet werden vier verschiedene WfbMs und ihre Leitbilder Es handelt sich um die vier
Werkstaumltten von denen auch im Rahmen der Feldbefragung Stimmen einer Mitarbeiterin oder
eines Mitarbeiters und zT von Beschaumlftigten gewonnen werden konnten (siehe 443 und
Anhang Nr 2)
Aufgrund der jeweiligen Traumlgerstrukturen besitzt lediglich eine der Werkstaumltten15
als solche
ein eigenes Leitbild Bei den anderen drei Werkstaumltten muss auf das Leitbild des jeweiligen
Traumlgers zuruumlckgegriffen werden Das Thema der Gesundheit der Klientinnen und Klienten
bzw Werkstattbeschaumlftigten wird allerdings in keinem Leitbild thematisiert Auch die Such-
funktionen auf den jeweiligen Homepages bzw intensive Recherchen auf diesen brachten
keine Ergebnisse zum Stichwort bdquoGesundheitsfoumlrderungldquo Daraus laumlsst sich schlieszligen dass
Gesundheitsfoumlrderung der Werkstattbeschaumlftigten in den theoretischen Konzeptionen von
WfbMs meist nicht verankert ist
443 Gesundheitsfoumlrderung in der alltaumlglichen Praxis der Werkstaumltten ndash eine kleine Feldbe-
fragung
Im Rahmen des Informationstages der Berliner Landesarbeitsgemeinschaft Werkstaumltten fuumlr
behinderte Menschen eV (LAG WfbM) am 17112015 im Estrel Hotel Berlin wurden je-
weils eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter von vier verschiedenen WfbMs zum Thema Ge-
sundheitsfoumlrderung mit den Beschaumlftigten in der Werkstatt befragt (siehe Anhang Nr 2) Die
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben alle eine vergleichbare Position Begleitender Dienst
Paumldagogischer Dienst oder Sozialdienst In einer der Werkstaumltten konnten uumlberdies auch
Stimmen von Beschaumlftigten gewonnen werden16
Die Ergebnisse weisen keine empirische
Repraumlsentativitaumlt auf da der knappe Rahmen dieser Arbeit eine repraumlsentative empirische
Forschungsarbeit kaum zulaumlsst Die Befragungen sollen dazu dienen einen Einblick in den
Alltag der WfbMs zu ermoumlglichen und die in der Literatur und den Leibildern gewonnenen
Perspektiven zu erweitern
15
Aus Gruumlnden des Datenschutzes duumlrfen in der hier publizierten Version die Namen der Werkstaumltten nicht
genannt werden 16
In zwei der Werkstaumltten konnten keine Stimmen von Beschaumlftigten erhoben werden da eine Befragung in der
Werkstatt von den befragten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern abgelehnt wurde Der Mitarbeiter der dritten
Werkstatt signalisierte zwar waumlhrend der Befragung Zustimmung jedoch fehlte diese spaumlter von Seiten der Lei-
tung
28
Der Begriff bdquoGesundheitsfoumlrderungldquo wird von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sehr
unterschiedlich interpretiert Die Spannbreite liegt von einem Verstaumlndnis aumlhnlich des hier
dargelegten bis hin zu therapeutischer und rehabilitativer Foumlrderung Die angebotenen Maszlig-
nahmen welche einer Foumlrderung der Gesundheit dienen sollen sind jedoch bei allen aumlhnlich
Meist handelt es sich um Musik- Sport- und Bewegungsangebote die im Rahmen von sog
Begleitenden Maszlignahmen verankert sind Daruumlber hinaus werden auch entlastende Bewegun-
gen in den Arbeitsgruppen angeboten und ein Gesundheitstag in Kooperation mit Special
Olympics Deutschland geplant (eine Werkstatt) Eine andere Werkstatt kooperiert mit der
Fitnessstudiokette Fitness First Kurse zu gesunder Ernaumlhrung und Kochen werden teilweise
angeboten oder sind in Planung Nach Aussagen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden
die Maszlignahmen meist gut angenommen In einer Werkstatt wird sogar gemeinsam mit dem
Werkstattrat an einer Peer-Beratung gearbeitet mit der den Beschaumlftigten der Zugang zu den
Themen Bildung und Gesundheit verbessert werden soll Schwierigkeiten bestehen besonders
bzgl der Raumlume zB bei Turnhallen fuumlr Fuszligball
Eine Partizipation bei der Entwicklung von Angeboten ist nur teilweise gegeben Es wird
zwar in allen befragten Werkstaumltten nach Interessen der Beschaumlftigten gefragt und dement-
sprechend die Kurse angeboten jedoch besteht nur selten die Moumlglichkeit fuumlr die Beschaumlftig-
ten aktiv den jeweiligen Kurs durch eigene Entscheidungen mitzugestalten In einer Werk-
statt ist das bspw abhaumlngig von der Kursart von der Kursleiterin bzw dem Kursleiter und
vom Konzept Evaluiert werden die Angebote meist nur durch Nachfrage in den idR jaumlhr-
lich stattfindenden Entwicklungsgespraumlchen mit den einzelnen Beschaumlftigten und teilweise
daruumlber hinaus mit Fragebogen oder durch die Kursleiterin bzw den Kursleiter Eine Werk-
statt fuumlhrt sogar Statistiken zur Nachfrage Eine partizipative Evaluation findet in keiner der
befragten Werkstaumltten statt
Die befragten Beschaumlftigten einer der Werkstaumltten zeigten sich mit dem Angebot an gesund-
heitsfoumlrdernden Maszlignahmen groumlszligtenteils sehr zufrieden und empfanden die Anzahl der An-
gebote als meist genuumlgend Geaumluszligert wurde lediglich der Wunsch nach weiteren Angeboten
zu gesunder Ernaumlhrung und nach einem besseren Angebot an gesunden Speisen Das Ver-
staumlndnis von Gesundheitsfoumlrderung ist unterschiedlich Auffaumlllig ist dass auf der einen Seite
Aumlrzte und Besuche bei diesen wichtig scheinen gleichzeitig aber auch das Achten auf die
eigene Gesundheit als Teil der Gesundheitsfoumlrderung gilt Besonders letzterer Aspekt weist
darauf hin dass bei den Befragten ein gewisses Grundverstaumlndnis von Gesundheitsfoumlrderung
vorhanden ist das dem in dieser Arbeit verwendeten aumlhnelt Die Wichtigkeit der aumlrztlichen
29
Betreuung laumlsst jedoch zugleich auch auf ein eher bdquotraditionellesldquo bio-medizinisches Gesund-
heitsverstaumlndnis schlieszligen
Als angebotene Maszlignahmen werden meist Sport- und Bewegungsangebote genannt aber
auch eine Apfelpause um kurz von der Arbeit entspannen zu koumlnnen Daruumlber hinaus gab es
Angebote zur Fuszlighygiene und zur Zahn- und Augengesundheit Hier ist der Uumlbergang zwi-
schen Gesundheitsfoumlrderung und Praumlvention flieszligend Bzgl (zukuumlnftiger) Angebote werden
die Beschaumlftigten nach ihren Wuumlnschen gefragt aber eine wirkliche Mitbestimmung in Kon-
zeption und Planung dieser scheint nicht gegeben Auch bei der Evaluation findet bisher keine
Partizipation statt Die Befragung hat jedoch den bisherigen Eindruck bestaumltigt dass gesund-
heitsfoumlrdernde Maszlignahmen in WfbMs von behinderten Menschen durchaus nachgefragt wer-
den und die Werkstaumltten versucht sind im Rahmen der begleitenden Maszlignahmen ein sehr
breites Feld abzudecken Negativ scheint besonders das weitgehende Fehlen partizipativer
Strukturen
In den Werkstaumltten werden viele Angebote im Rahmen begleitender Maszlignahmen offeriert die
fuumlr die Gesundheit foumlrderlich sind Als Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung die die Prinzi-
pien der BVPG verinnerlichen koumlnnen sie jedoch nicht gesehen werden da zB die Partizipa-
tion eine eher untergeordnete Rolle spielt und die Thematik meist auf Sport- und zT Ernaumlh-
rungsangebote beschraumlnkt bleibt Auch werden die Effekte der Maszlignahmen nicht evaluiert
Entspannungsangebote werden nur selten angeboten und der Fokus richtet sich meist nur auf
die koumlrperliche Gesundheit
Daruumlber hinaus zeigt die Befragung aber auch welch groszliges Potential zur Gesundheitsfoumlrde-
rung in den Werkstaumltten liegt Mit den begleitenden Maszlignahmen sind Strukturen verankert in
denen Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung leicht integriert werden koumlnnen Offenheit fuumlr
Kooperationen scheint vielfach gegeben (zB mit Special Olympics Deutschland Fitness
First) sodass auch eine Kooperation mit den Krankenkassen und weiteren Partnern vorstell-
bar scheint Dies wuumlrde den Vorteil finanzieller Foumlrderung und Expertise durch Erfahrungen
mit bereits durchgefuumlhrten Maszlignahmen einbringen Die befragten Mitarbeiterinnen und Mit-
arbeiter schienen Gesundheitsfoumlrderung gegenuumlber prinzipiell sehr positiv eingestellt
Auch wenn in den Leitbildern und auf den Homepages Gesundheitsfoumlrderung nicht themati-
siert wird gibt es in der Praxis schon verschiedene Maszlignahmen und Projekte mit der Intenti-
on die Gesundheit der Beschaumlftigten zu verbessern
30
45 Anregungen fuumlr die Praxis
Vor dem Hintergrund der zu Rate gezogenen Literatur und den gewonnen Erkenntnissen
durch die Feldbefragung werden nun einige Uumlberlegungen fuumlr die Praxis einer gelingenden
Gesundheitsfoumlrderung getroffen Diese koumlnnen als moumlgliche Anregungen zur Umsetzung ver-
standen werden
451 Partizipation und Empowerment in der Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behin-
derung
Erfolgreiche Gesundheitsfoumlrderung braucht Partizipationsmoumlglichkeiten fuumlr die jeweilige
Zielgruppe Partizipation ist schlieszliglich nicht nur Teilnahme sondern aktive Teilhabe und
damit einhergehend die Moumlglichkeit mitzubestimmen und mitzuentscheiden Dazu gehoumlrt
auch die Definitionsmacht also die Macht (mit)zubestimmen an welche die Gesundheit be-
treffenden Aspekte in einer Maszlignahme zur Gesundheitsfoumlrderung herangegangen werden soll
(vgl Wrightvon UngerBlock 2010 S 39) Diese aktive Teilhabe muss also bereits zu Be-
ginn einer Maszlignahme Teil dieser sein Partizipation bedeutet folglich auch Macht Partizipa-
tion zu ermoumlglichen bedeutet Empowerment also die Ermaumlchtigung eines Individuums oder
einer Gruppe So bekommt Partizipation in der Gesundheitsfoumlrderung auch eine gesellschaft-
liche und politische Komponente denn dadurch koumlnnen Menschen mit Behinderungen lernen
mitzubestimmen mitzuentscheiden und eigene Interessen zu vertreten Diese erlernten Faumlhig-
keiten lassen sich auf die Handlungsebene in einer demokratischen Gesellschaft uumlbertragen
Sowohl Empowerment als auch Partizipation gehoumlren zu den in 31 erwaumlhnten Prinzipien der
BVPG Diese weist darauf hin dass Partizipation in saumlmtlichen Phasen einer Maszlignahme ge-
geben sein muss beginnend mit der Bedarfsanalyse der Planung in der Durchfuumlhrung und
abschlieszligend in der BewertungEvaluation So kann die Wirksamkeit einer Maszlignahme erhoumlht
werden (vgl BVPG 2013 S 90) Teilhabe kann als ein wichtiger Bestandteil der Qualitaumltssi-
cherung gesehen werden Bisher finden Maszlignahmen zur Qualitaumltssicherung nur selten unter
Partizipation der Zielgruppe statt Diese partizipativ zu beteiligen hilft die Qualitaumlt der Ge-
sundheitsfoumlrderung aufrechtzuerhalten oder sogar zu verbessern (vgl Wrightvon Un-
gerBlock 2010 S 35)
Teilhabe ist bei behinderten Menschen besonders wichtig Ihr Leben ist haumlufig von Beginn an
stark fremdbestimmt und von Abhaumlngigkeit gepraumlgt Somit lernen sie seltener als nicht behin-
31
derte Menschen Verantwortung zu uumlbernehmen und selbststaumlndig zu agieren Dies kann bis
hin zur sog bdquoerlernten Hilflosigkeitldquo fuumlhren Vor diesem Hintergrund scheint Partizipation
umso wichtiger aber auch umso arbeitsintensiver Sie ist daher in der Praxis der Gesundheits-
foumlrderung haumlufig sehr arbeitsintensiv und benoumltigt folglich zeitliche Ressourcen und damit
einhergehend finanzielle Ressourcen (vgl Loss 2009 S 10)
Traditionell sind viele Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung top-down organisiert das be-
deutet eine Einrichtung ein Geldgeber etc plant eine Maszlignahme fuumlhrt diese durch und eva-
luiert sie Zur Erreichung der eigenen Ziele wird die Zielgruppe mobilisiert ohne ein Mitspra-
cherecht zu den einzelnen Bausteinen der Maszlignahme zu haben Diese Struktur verdeutlicht
das Maumlchteungleichwicht zwischen Anbieter und Zielgruppe und zementiert den Status be-
hinderter Menschen als Abhaumlngige und Ohnmaumlchtige Der Gegensatz zu top-down-
Programmen ist der bottom-up-Ansatz Hier findet eine Machtteilung statt da die Gesund-
heitsfoumlrderinnen und Gesundheitsfoumlrderer ihre Macht mit der Zielgruppe teilen und eher die
Rolle von Unterstuumltzerinnen und Unterstuumltzern einnehmen Die Zielgruppe soll unterstuumltzt
werden ihre eigenen Probleme festzustellen und Loumlsungen sowie Maszlignahmen zu erarbeiten
In der Planung Durchfuumlhrung und Evaluation kommt ihr damit eine aktive Rolle zu (vgl La-
verack 2010 S 77) Bottom-up-Programme scheinen daher fuumlr Partizipation und Empower-
ment geeigneter als top-down-Strukturen Allerdings schlieszligen sich beide Ansaumltze nicht
zwingend aus sondern Maszlignahmen koumlnnen Eigenschaften beider Ansaumltze aufweisen In
WfbMs scheinen Maszlignahmen sehr haumlufig top-down organisiert zu sein Die staumlrkere Veranke-
rung von bottom-up-Strukturen waumlre hier im Sinne einer Teilhabe ndash in der Werkstatt wie auch
daruumlber hinaus auf gesellschaftlicher Ebene ndash vorteilhaft und wuumlnschenswert
452 Peer-Multiplikatorinnen und -Multiplikatoren
Eine Strategie die in der Praxis der Gesundheitsfoumlrderung bereits mit positiven Ergebnissen
getestet wurde sind Peer-Multiplikatorinnen und -Multiplikatoren Das Modell der Multipli-
katorinnen und Multiplikatoren war bereits Grundlage vieler gesundheitsfoumlrdernder Maszlignah-
men mit sozial benachteiligten Menschen die auch in der Literatur vielfach dokumentiert
sind Auch in der Arbeit mit behinderten Menschen ist dieses Konzept nicht neu Auf Maszlig-
nahmen zur Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung wurde es bisher kaum an-
gewandt scheint jedoch erfolgsversprechend Das Projekt GESUND welches mit einer Ber-
liner WfbM durchgefuumlhrt wird arbeitet mit diesem Konzept (vgl Burtscher 2014 S 8) Die
32
Funktion von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren besteht darin Kenntnisse und Informa-
tionen zur Gesundheit(-sfoumlrderung) der Zielgruppe mit Hilfe der ihnen innewohnenden Ver-
trauensstellung naumlher zu bringen Sie haben daher eine bdquoMittlerfunktionldquo (BVPG 2013 S 92)
zwischen Durchfuumlhrenden und Zielgruppe Voraussetzung dafuumlr ist dass sie der Zielgruppe
angehoumlren oder zumindest eine sehr enge Verbindung zu ihr besitzen Im Zuge einer Maszlig-
nahme werden sie selbst gestaumlrkt sozusagen bdquoempowertldquo Ihre Mittlerfunktion funktioniert
allerdings auch in die andere Richtung Sie bringen den Durchfuumlhrenden die Perspektive der
Zielgruppe naumlher Im Idealfall fuumlhrt der Einsatz von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren
zur Aktivierung der Zielgruppe die ihr selbstbestimmtes Handeln auch auf andere Bereiche
ausdehnen kann (vgl Stickan-Verfuumlrth 2005 S 108) Diesem Modell sehr aumlhnlich ist das
Modell des Peer-Counseling Hier stehen Mitglieder der Zielgruppe in beratender Funktion
ihrer Peer-Gruppe zur Verfuumlgung
453 Verknuumlpfung von Betrieblicher Gesundheitsfoumlrderung und Gesundheitsfoumlrderung in
Werkstaumltten fuumlr behinderte Menschen
Eine Uumlbertragung der Idee der Betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung auf die Gesundheitsfoumlrde-
rung in WfbMs scheint in der Tat realisierbar Den rechtlichen und finanziellen Rahmen hier-
fuumlr hat das 2015 beschlossene Praumlventionsgesetz geschaffen (siehe 33) Im Entwurf der Bun-
desregierung wird in der Anmerkung zum neuen sect 20 Abs 4 SGB V explizit darauf hinge-
wiesen dass Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung auch in WfbMs zum Leistungsspektrum der
Krankenkassen gehoumlrt (vgl Deutscher Bundestag 2015 S 34) Eine Etablierung hiervon in
der Praxis haumlngt in erster Linie neben den Krankenkassen auch von den Leitungen der WfbMs
ab Sollten diese hierfuumlr und auch gegenuumlber partizipativen Strukturen offen sein waumlre der in
351 kurz vorgestellte Gesundheitszirkel ein passender Startpunkt um von Beginn an auch
die Partizipation der Beschaumlftigten zu gewaumlhrleisten Analog zum Konzept der BGF koumlnnten
gemeinsam Maszlignahmen erarbeitet werden die die Gesundheit der Beschaumlftigten foumlrdern wuumlr-
den Den Vertreterinnen und Vertretern der Beschaumlftigten die im Gesundheitszirkel mitwir-
ken koumlnnte dabei die Rolle von Peer-Multiplikatorinnen und -Multiplikatoren zukommen
Als Effekte duumlrften die in 351 beschriebenen auch hier zu erwarten sein eine Verbesserung
der Gesundheit und eine Staumlrkung der gesundheitlichen Ressourcen eine Verringerung der
krankheitsbedingten Fehltage eine staumlrkere Identifikation der Beschaumlftigten mit der Werk-
33
statt ein besseres Arbeitsklima eine houmlhere Motivation und Arbeitszufriedenheit und eine
Steigerung der Produktivitaumlt
Es empfiehlt sich im Sinne der Partizipation und des Empowerments kein reines top-down-
Programm zu starten sondern einen bottom-up-Ansatz zu waumlhlen bzw zumindest mehrere
Elemente dessen einzubauen Als Anknuumlpfungspunkt koumlnnen bereits bestehende begleitende
Maszlignahmen mit passender Thematik genommen werden
Wie bdquonormaleldquo Betriebe koumlnnten auch WfbMs Kooperationen in ihrem raumlumlichen Umfeld
aufbauen und von Vernetzungen profitieren Aufgrund ihrer Groumlszlige sind sie in ihrem Sozial-
raum ein meist nicht zu unterschaumltzender Akteur
34
5 Fazit und Ausblick
Ausgehend von einem bio-psycho-sozialen Verstaumlndnis von Gesundheit wurden verschiedene
Aspekte der Gesundheitsfoumlrderung vertieft und anschlieszligend eine Verknuumlpfung zur Gesund-
heitsfoumlrderung mit behinderten Menschen hergestellt Hierbei lag der Fokus auf gesundheits-
foumlrdernden Maszlignahmen in WfbMs Dabei wurde die aktuelle Literatur zu Rate gezogen In-
ternetauftritte einiger Werkstaumltten durchsucht und Stimmen aus dem Feld von Mitarbeiterin-
nen und Mitarbeitern sowie Beschaumlftigten von Werkstaumltten gewonnen
Die Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung ist noch immer relativ schwach
ausgebaut Dies stellt sich besonders vor dem Hintergrund als problematisch dass behinderte
Menschen haumlufig anfaumllliger fuumlr Krankheiten sind und durchschnittlich uumlber einen subjektiv als
schlechter bewerteten Gesundheitsstatus verfuumlgen als nichtbehinderte Menschen Wie viele
sozial benachteiligte Gruppen sind sie verhaumlltnismaumlszligig schwer zu erreichen fuumlr gesundheits-
foumlrdernde Maszlignahmen Obwohl es in der Erreichbarkeit mehrere Probleme gibt verfuumlgen
Menschen mit Behinderung auf der anderen Seite uumlber groszlige Potentiale Das neue Praumlventi-
onsgesetz ist ein erheblicher Fortschritt bei der Finanzierung gesundheitsfoumlrdernder Maszlignah-
men Sogar eine Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung in Werkstaumltten ist wenn auch nicht ex-
plizit verankert so doch zumindest gewuumlnscht
Gelingende Gesundheitsfoumlrderung muss sich im Allgemeinen und auch bei der Arbeit mit
behinderten Menschen an bestimmten Prinzipien messen lassen Besonders wichtig vor dem
gesellschaftlichen Hintergrund ist hier die Partizipation der Menschen mit Behinderung und
damit einhergehend das Empowerment dieser Beide wirken sich positiv auf die Qualitaumlt der
gesundheitsfoumlrdernden Maszlignahmen aus gehen jedoch auch daruumlber hinaus Sie koumlnnen Men-
schen mit Behinderungen auch auf gesellschaftlicher Ebene empowern sodass ihnen eine
groumlszligere gesellschaftliche Teilhabe zukommt Somit erlangt Gesundheitsfoumlrderung auch vor
dem Hintergrund der Inklusion eine hohe Relevanz
In WfbMs ist gezielte Gesundheitsfoumlrderung bisher wenig verbreitet Einzelne Projekte sind
eher die Ausnahme denn die Regel Jedoch sind die Potentiale der Werkstaumltten enorm Das
Personal scheint haumlufig offen fuumlr Maszlignahmen zu sein und gerade die Strukturen der beglei-
tenden Maszlignahmen lieszligen eine relativ einfache Integration von Maszlignahmen zur (betriebli-
chen) Gesundheitsfoumlrderung zu Bestehende begleitende Maszlignahmen in welchen Sport oder
Bildungsangebote zu gesunder Ernaumlhrung angeboten werden koumlnnten ohne uumlbermaumlszligigen
Aufwand zu gezielten Maszlignahmen fuumlr Gesundheitsfoumlrderung ausgebaut werden Nachholbe-
darf bestuumlnde hier vor allem auf dem Gebiet der Partizipation Nur selten scheinen die Be-
35
schaumlftigten in Konzeption Planung Durchfuumlhrung und Evaluation aktiv eingebunden zu sein
In bestimmten Phasen wie etwa der Konzeption und besonders der Evaluation scheint aktive
Teilhabe noch uumlberhaupt nicht verankert zu sein Eine staumlrkere Partizipation in allen Berei-
chen waumlre mit houmlherem Arbeits- und Kostenaufwand verbunden welcher durch eine Einbin-
dung der Krankenkassen moumlglicherweise aufgefangen werden koumlnnte Die Partizipation foumlr-
dern wuumlrde auch die Etablierung von Peer-Beratung und Peer-Multiplikatorinnen und
-Multiplikatoren Diesen kaumlme beim Zugang zur Zielgruppe eine Schluumlsselfunktion zu und
gleichzeitig koumlnnten sie Bedarfe und Beduumlrfnisse dieser gegenuumlber den anderen Akteuren
kommunizieren Auch wenn es bisher keine konkreten ausgearbeiteten Konzepte zur Gesund-
heitsfoumlrderung in WfbMs gibt koumlnnten bestehende Konzepte zur Betrieblichen Gesundheits-
foumlrderung eventuell leicht uumlberarbeitet fuumlr Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung in Werkstaumltten
analog angewendet werden
Die Potentiale und Moumlglichkeiten zur Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung
in WfbMs sind also mannigfaltig und haumlufig vorhanden Auf diesen koumlnnte aufgebaut werden
um behinderten Menschen das Recht auf das in Artikel 25 der UN-BRK festgeschriebene bdquoer-
reichbare Houmlchstmaszlig an Gesundheitldquo zu ermoumlglichen
Gesundheitsfoumlrderung ist mehr als Werbeplakate an Bus- oder Straszligenbahnhaltestellen und
Clips im Aktuellen Sportstudio sie ist mehr als Sportangebote und Angebote zu gesunder
Ernaumlhrung sie ist auch ein Weg zum Erreichen eines Menschenrechtes das Recht auf Ge-
sundheit
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41
Anhang
Nr 1 Abbildung zu den Hauptdeterminanten der Gesundheit nach DahlgreenWhitehead
2007 S 11
Nr 2 Befragung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Beschaumlftigten der WfbMs
42
Nr 1 Abbildung zu den Hauptdeterminanten der Gesundheit nach DahlgreenWhitehead
2007 S 11
43
Nr 2 Befragung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Beschaumlftigten der WfbMs
Um moumlglichst effizient die Stimmen aus vier WfbMs unterschiedlicher Traumlger zu erheben
wurden diese auf dem Infotag der LAG WfbM Berlin am 17112015 gesammelt Hier waren
verschiedene Werkstaumltten mit Informationsstaumlnden vertreten Gewaumlhlt wurden die Werkstaumlt-
ten an deren Staumlnden der Verfasser zuerst vorbeilief Die gestellten Fragen waren stets die-
selben
Den Vertretern der Werkstatt wurde zugesichert dass ihr Name nicht in der vorliegenden Ar-
beit genannt wird lediglich ihre Position in der Werkstatt wird erwaumlhnt Es wurden auszligerdem
keine weiteren Personendaten erhoben
Wenn moumlglich sollten auszligerdem fuumlnf Beschaumlftige pro WfbM befragt werden Hierfuumlr wurde
am Ende des kurzen Interviews um Erlaubnis gefragt Den Beschaumlftigten wurden andere Fra-
gen gestellt als dem Werkstattpersonal jedoch erhielten alle Beschaumlftigten dieselben Fragen
untereinander Den Beschaumlftigen wurde komplette Anonymitaumlt in der vorliegenden Arbeit
zugesichert und es wurden keine personenbezogenen Daten abgefragt Zuerst wurde nach
ihrem Verstaumlndnis von Gesundheitsfoumlrderung gefragt Vor den Fragen 2 bis 5 wurde kurz
erklaumlrt wie Gesundheitsfoumlrderung verstanden werden kann um davon ausgehend die restli-
chen Fragen zu beantworten
Bei saumlmtlichen Interviews wurde auf Transkriptionen verzichtet es wurden lediglich die
Kernaussagen mitgeschrieben
Im Folgenden finden sich exemplarisch die jeweils gestellten Fragen
44
Fragen an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der WfbM
Name der WfbM
Position der befragten Person Begleitender Dienst
1 Was verstehen Sie unter Gesundheitsfoumlrderung
2 Was bieten Sie im Rahmen der Gesundheitsfoumlrderung an
3 Wie werden die Maszlignahmen angenommen
4 Wuumlrden Sie gerne mehr anbieten oder finden Sie die Angebote ausreichend
5 Gibt es Schwierigkeiten
6 Wie steht es um die Partizipation in den Angeboten (Werden die Angebote von Beschaumlf-
tigten mitentwickelt mitevaluiert etc)
7 Werden die Angebote evaluiert
45
Fragen an die Beschaumlftigen der WfbM
Name der WfbM
Datum
1 Wissen Sie was Gesundheitsfoumlrderung ist Wenn ja wie wuumlrden sie es beschreiben
[Moumlgliche Erklaumlrung fuumlr Beschaumlftigte die sich nichts unter Gesundheitsfoumlrderung vorstellen
koumlnnen Zur Gesundheitsfoumlrderung gehoumlrt alles was fuumlr Ihre Gesundheit gut ist zB Kur-
seMaszlignahmen usw die mit Bewegung Ernaumlhrung Wohlfuumlhlen am Arbeitsplatz oder Ent-
spannen zu tun haben]
2 Welche Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung werden Ihnen von der Werkstatt angebo-
ten
3 Werden Ihrer Meinung nach genuumlgend Angebote zur Gesundheitsfoumlrderung in der Werk-
statt angeboten
4 Duumlrfen Sie bei der Entwicklung und Evaluation (Auswertung am Ende) mitbestimmen
5 Was sind Ihre Wuumlnsche bezuumlglich der Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung
11
sozial benachteiligte Menschen zu denen haumlufig auch behinderte Menschen gehoumlren beson-
ders in ihrer Gesundheit gefoumlrdert werden da mit einem niedrigeren soziooumlkonomischen Sta-
tus oft eine schlechtere Gesundheit einhergeht (vgl Lampert et al 2013 S 814) Diese Be-
voumllkerungsgruppen gelten jedoch als besonders schwer erreichbar fuumlr gesundheitsfoumlrdernde
Maszlignahmen insbesondere wenn diese fuumlr die Gesamtbevoumllkerung ausgelegt sind (vgl
Mielck 2010 S 113)
Generell sollten Programme zur Gesundheitsfoumlrderung stets auf einem (5) Konzept beruhen
in dem Mittel Zeit Ressourcen und Ziele festgelegt und eine Bedarfsanalyse und Beschrei-
bung des Wirkungsmodells verankert sind Auch der geplante Weg einer Verstetigung der
Maszlignahme soll hier aufgezeigt werden (vgl BVPG 2013 S 91) Durch das Prinzip der
(6) Evaluation soll eine Qualitaumltssicherung erfolgen von der durch Veroumlffentlichung auch
andere profitieren koumlnnen (7) Nachhaltig soll Gesundheitsfoumlrderung auf saumlmtlichen Ebenen
sein es muss auf moumlgliche negative (Spaumlt-)Folgen geachtet werden der Umgang mit den
Ressourcen und der Umwelt sollte nachhaltig sein und es sollte eine Wirkung uumlber die Dauer
der Maszlignahme hinaus entstehen (vgl BVPG 2013 S 91)
32 Auswirkungen von Gesundheitsfoumlrderung auf den Menschen
Wie bereits dargelegt soll Gesundheitsfoumlrderung die Gesundheit der Menschen verbessern
Dies kann auf ganz unterschiedliche Weise geschehen Als Strategien sind hier die schon er-
waumlhnten verhaltens- und verhaumlltnisorientierten Strategien moumlglich und die Interventionsebene
kann auf individueller Ebene liegen an einem bestimmten Setting ansetzen oder die gesamte
Gesellschaft als Ausgangspunkt nehmen
Da Gesundheit als bdquoZustand des vollstaumlndigen koumlrperlichen geistigen und sozialen Wohler-
gehensldquo (WHO 2014 S 1) betrachtet wird soll eine gesundheitsfoumlrdernde Maszlignahme das
Befinden in einem oder mehreren dieser Teilbereiche ndash in einer ganzheitlichen Betrachtung
haumlngen diese stark zusammen und beeinflussen sich gegenseitig ndash positiv beeinflussen Im
Sinne der Salutogenese werden also Ressourcen entwickelt undoder gestaumlrkt Verbreitete
Strategien der Gesundheitsfoumlrderung wie etwa Sport gesunde Ernaumlhrung und Entspannung
aber auch soziale Ausgewogenheit und Partizipation als strukturelle Verhaumlltnisse muumlssen von
der Zielgruppe als positiv erlebt werden (vgl Geene 2005 S 21) Andernfalls ist keine oder
nur eine geringere Annahme bzw Wirkung des Programms zu erwarten Am Ende einer
Maszlignahme sollte stets eine Evaluation erfolgen Hier sind mit passend ausgewaumlhlten Evalua-
12
tionsinstrumenten die Auswirkungen des Programmes meist in irgendeiner Form messbar
entweder durch subjektive Einschaumltzungen zB wenn Teilnehmende angeben sich nun ge-
sunder zu fuumlhlen oder auch durch objektiv messbare Werte So koumlnnen bspw Werte wie Ge-
wicht Body-Mass-Index Blutwerte oder Ausdauer zu Beginn einer Maszlignahme mit denen am
Ende verglichen werden Eine hier erfolgreich ansetzende Maszlignahme hat meist (nicht nur)
eine Verbesserung der koumlrperlichen Gesundheit zur Folge Das gesenkte Risiko fuumlr Herz-
Kreislauf-Erkrankungen Krebs Erkrankungen der Atemwege der Verdauungsorgane oder
des Muskel-Skelett-Systems koumlnnen exemplarisch als Verbesserung der physischen Gesund-
heit aufgefuumlhrt werden (vgl HurrelmannKlotzHaisch 2010 S 20) Dies sind Anzeichen
dass sich der bdquoStandpunktldquo eines Menschen auf dem Gesundheits-Krankheits-Kontinuum
nach Antonovskys Modell der Salutogenese ein Stuumlck weiter Richtung Gesundheit verscho-
ben hat
Auch die Foumlrderung der Selbstwirksamkeit also der Uumlberzeugung auch schwierige Situatio-
nen mit eigenen Ressourcen loumlsen zu koumlnnen hat vielfaumlltige positive Auswirkungen auf die
Gesundheit und foumlrdert so diese (DlugoschDahl 2013 S 370) Maszlignahmen zur Entspannung
und Stressbewaumlltigung wirken sich im ersten Moment auf das seelische und psychische
Wohlbefinden aus haben dadurch aber sehr oft auch positive Auswirkungen auf den Koumlrper
Bestimmte Methoden wie etwa Yoga verfolgen schon im Ansatz eine ganzheitliche Vorstel-
lung bei welchem das Wohlbefinden koumlrperlich psychisch und seelisch gestaumlrkt wird (vgl
SimonHegerReszies 2011 S 169)
Die aufgefuumlhrten positiven Auswirkungen durch gesundheitsfoumlrdernde Maszlignahmen auf die
Gesundheit von Menschen sind nur einige Beispiele von sehr vielen Allen diesen Effekten zu
eigen ist jedoch dass sie sich positiv auf das gesundheitliche Wohlbefinden der Menschen
auswirken In deren subjektiven Empfinden verschiebt sich dadurch ihr Punkt auf dem Ge-
sundheits-Krankheits-Kontinuum des Salutogenesemodells ein Stuumlck in Richtung des Ge-
sundheitspols
33 Rechtliche Grundlagen
Die rechtliche Verankerung der Gesundheitsfoumlrderung findet sich in Deutschland im SGB V
wieder So legt sect 20 Abs 1 SGB V fest bdquoDie Krankenkasse sieht in der Satzung Leistungen
zur Verhinderung und Verminderung von Krankheitsrisiken (primaumlre Praumlvention) sowie zur
Foumlrderung des selbstbestimmten gesundheitsorientierten Handelns der Versicherten (Gesund-
13
heitsfoumlrderung) vorldquo5 Zurecht weist die Bundesaumlrztekammer in ihrer Stellungnahme zum
neuen Praumlventionsgesetz darauf hin dass diese Definition von Gesundheitsfoumlrderung nicht
umfassend genug ist da die Staumlrkung von Gesundheitsressourcen und ndashpotenzialen unerwaumlhnt
bleibt (vgl Bundesaumlrztekammer 2014 S 3) Die gesetzliche Krankenversicherung ist in
Deutschland von den Sozialversicherungszweigen finanziell mit Abstand am staumlrksten an der
Gesundheitsfoumlrderung beteiligt Gesetzlich verpflichtet war auszligerdem bisher nur die gesetzli-
che Unfallversicherung sodass die Beteiligung nicht-oumlffentlicher gemeinnuumltziger Traumlger wie
bspw Stiftungen zunehmend an Bedeutung gewinnt Der groumlszligte Teil der finanziellen Mittel
stammt allerdings aus oumlffentlichen Mitteln (vgl AltgeldKolip 2010 S 54) Durch das Prauml-
ventionsgesetz sind die gesetzlichen Krankenkassen nun nach sect 20 Abs 6 SGB V verpflich-
tet ab dem Jahr 2016 pro Versicherten 700 Euro statt wie im Jahr 2015 317 Euro fuumlr Praumlven-
tion und Gesundheitsfoumlrderung auszugeben Davon entfallen je 200 Euro auf Leistungen zur
Gesundheitsfoumlrderung und Praumlvention in Lebenswelten nach sect 20a SGB V und Betriebliche
Gesundheitsfoumlrderung nach sect 20b SGB V Das Praumlventionsgesetz sieht dabei eine Betriebli-
che Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen in WfbMs vor bdquoMit den Leistungen
[primaumlre Praumlvention und Gesundheitsfoumlrderung MP] sollen auch Menschen mit Behinde-
rung erreicht werden zB mit Leistungen zur betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung in Werk-
staumltten fuumlr behinderte Menschenldquo (Deutscher Bundestag 2015 S 34) Dies geht aus der vom
Deutschen Bundestag veroumlffentlichten Erlaumluterung zum Gesetzentwurf hervor
Die gesetzlichen Krankenkassen (unter Umstaumlnden auch die privaten Krankenkassen) sollen
des Weiteren mit den Traumlgern der Pflegeversicherung der Unfallversicherung und der Gesetz-
lichen Rentenversicherung eine bdquoNationale Praumlventionsstrategieldquo entwickeln (sect 20d SGB V)
die in der bdquoNationalen Praumlventionskonferenzldquo (sect 20e SGB V) ausgearbeitet und weitergefuumlhrt
wird In beiden Paragraphen geht es auch um Strategien der Gesundheitsfoumlrderung
Die gesetzlichen Pflegekassen sind nach sect 5 SGB XI fortan verpflichtet im Jahr 030 Euro je
Versicherter und Versichertem zur Gesundheitsfoumlrderung und Praumlvention in stationaumlren Pfle-
geeinrichtungen zu investieren
Eine gesetzliche Verankerung der Partizipation in der Gesundheitsfoumlrderung durch das Prauml-
ventionsgesetz ist hingegen ausgeblieben Ausgehend von der Annahme dass Gesundheits-
foumlrderung effektiver ist wenn die Zielgruppe an der Planung Durchfuumlhrung und Evaluation
5 Die Novellierung der sectsect 20ff SGB V ist eine Folge des 2015 verabschiedeten Gesetzes zur Staumlrkung der Ge-
sundheitsfoumlrderung und der Praumlvention Dieses ist im Internet verfuumlgbar unter
httpwwwbgbldexaverbgblstartxavstartbk=Bundesanzeiger_BGBlampjumpTo=bgbl115s1368pdf__bgbl__
2F2F[40attr_id3D27bgbl115s1368pdf27]__1446046078671 (Abrufdatum 28102015)
14
der Maszlignahme partizipiert (vgl FaltermaierWihofszky 2012 S 108) waumlre eine gesetzliche
Verankerung der Partizipation vorteilhaft gewesen
Das Recht auf Leistungen zur Gesundheitsfoumlrderung ergibt sich fuumlr Menschen mit Behinde-
rung auch aus der UN-BRK welche im Jahre 2009 von der Bundesrepublik Deutschland rati-
fiziert wurde In Artikel 25 heiszligt es hier bdquoDie Vertragsstaaten anerkennen das Recht von
Menschen mit Behinderungen auf das erreichbare Houmlchstmaszlig an Gesundheit ohne Diskrimi-
nierung aufgrund von Behinderungldquo Dieses houmlchsterreichbare Maszlig kann nur erreicht werden
wenn Menschen mit Behinderung konsequent in Maszlignahmen der Gesundheitsfoumlrderung ein-
bezogen werden Deutschland verpflichtet sich in Artikel 25 a) der UN-BRK behinderten
Menschen bdquoeine unentgeltliche oder erschwingliche Gesundheitsversorgung in der derselben
Bandbreite von derselben Qualitaumlt und auf demselben Standard zur Verfuumlgung [zu stellen]
wie anderen Menschen [hellip]ldquo Dies umfasst nicht nur kurative und rehabilitative Maszlignahmen
sondern auch solche zur Praumlvention und Foumlrderung der Gesundheit
34 Gesundheitsfoumlrderung in Settings
Da der Fokus dieser Arbeit auf der Gesundheitsfoumlrderung in WfbMs liegt werden nun einige
Aspekte zur Gesundheitsfoumlrderung in Settings also Lebenswelten genauer thematisiert
bdquoEin Setting ist ein Sozialzusammenhang in dem Menschen sich in ihrem Alltag aufhalten
und der Einfluss auf ihre Gesundheit hat Dieser soziale Zusammenhang ist relativ dauerhaft
und seinen Mitgliedern auch subjektiv bewusstldquo (HartungRosenbrock 2015 oS) Diese kur-
ze Definition enthaumllt die wichtigsten Merkmale eines Settings Jeder Mensch bewegt sich
folglich in verschiedenen Settings zB seiner Arbeitswelt seinem Wohnumfeld oder seinem
Freizeitbereich Dabei hat jedes Setting Einfluss auf die Menschen die sich in ihm bewegen
wie auch jeder Mensch gleichzeitig das jeweilige Setting beeinflusst Gesundheit ist hierbei
als ein wichtiges alltaumlgliches Element des jeweiligen Settings zu sehen und nicht ausschlieszlig-
lich als essenzielles und abstraktes Ziel (vgl RoumlmischWalther 2015 S 5 AltgeldKolip
2010 S 49) Dies betont auch die salutogenetische Position nach der jeder Mensch zu jedem
Zeitpunkt zumindest ein gewisses Maszlig an Gesundheit inne hat (vgl Antonovsky 1997 S 23)
Bereits in der Ottawa-Charta wird als eine Strategie zur Gesundheitsfoumlrderung bdquoGesundheits-
foumlrderliche Lebenswelten schaffenldquo (WHO 1986 S 3) genannt Elf Jahre spaumlter verdeutlicht
die Jakarta-Erklaumlrung die Wirksamkeit dieser Strategie bdquoDer wissenschaftliche Erkenntnis-
15
stand zeigt deutlich daszlig [hellip] insbesondere Settings [hellip] gute Moumlglichkeiten zur praktischen
Umsetzung solcher umfassenden Strategien bietenldquo (WHO 1997 S 3)
Dies mag va daran liegen dass eher schwer erreichbare Zielgruppen der Gesundheitsfoumlrde-
rung in ihren Lebenswelten relativ gut erreicht werden koumlnnen (vgl FaltermaierWihofszky
2012 S 110) Zu diesen Zielgruppen gehoumlren va sozial benachteiligte Menschen wie etwa
Menschen mit Migrationshintergrund in Armut lebende Menschen oder Menschen mit Be-
hinderungen Da das deutsche Gesundheitssystem stark mittelschichtsorientiert ist sind diese
schwerer zu erreichen als wohlhabendere Bevoumllkerungsschichten (vgl Stickan-Verfuumlrth 2005
S 105106) Besonders problematisch ist dies vor dem Hintergrund zu sehen dass gerade
sozial benachteiligte Menschen wie bereits erwaumlhnt haumlufig uumlber eine schlechtere Gesundheit
verfuumlgen
35 Gesundheitsfoumlrderung in der Lebenswelt bdquoArbeitldquo
Fuumlr eine Gesundheitsfoumlrderung in der Lebenswelt bdquoArbeitldquo sind besonders zwei Strategien
relevant die Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung (BGF) und das Betriebliche Gesundheitsma-
nagement
Die Begriffe bdquoBetriebliche Gesundheitsfoumlrderungldquo und bdquoBetriebliches Gesundheitsmanage-
mentldquo werden in der Literatur zT sehr unterschiedlich interpretiert Die Bandbreite reicht
hier von einer beinahe synonymen Verwendung bis hin zu einer klaren Abgrenzung Die hier
vorgenommene Unterscheidung ist dabei nur eine Moumlglichkeit unter mehreren
351 Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung
Als Grundsatzdokument der Betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung in Deutschland gilt heute
die Luxemburger Deklaration zur betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung in der Europaumlischen
Union aus dem Jahr 1997 Sie legt Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung wie folgt fest bdquoBe-
triebliche Gesundheitsfoumlrderung (BGF) umfasst alle gemeinsamen Maszlignahmen von Arbeit-
gebern Arbeitnehmern und Gesellschaft zur Verbesserung von Gesundheit und Wohlbefinden
am Arbeitsplatzldquo (Unternehmensnetzwerk zur betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung in der Eu-
ropaumlischen Union eV 2007 S 2 eigene Paginierung) Als Wege hierfuumlr sieht die Luxem-
burger Deklaration va drei Pfade welche in ihrer Verknuumlpfung am effektivsten scheinen die
16
Verbesserung der Arbeitsorganisation und der Arbeitsbedingungen die Staumlrkung der Partizi-
pation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und die Unterstuumltzung im Aufbau und der Wei-
terentwicklung persoumlnlicher Kompetenzen (vgl Unternehmensnetzwerk zur betrieblichen
Gesundheitsfoumlrderung in der Europaumlischen Union eV 2007 S 2)
Die Auswirkungen Betrieblicher Gesundheitsfoumlrderung sind mannigfaltig und durch Studien
belegt So kann hier aufgrund der verbesserten Gesundheit und der staumlrkeren Gesundheitsres-
sourcen eine Verringerung der Fehltage aufgrund von Krankheit angefuumlhrt werden Aber auch
die Wertschaumltzung und Fuumlrsorge durch den Betrieb koumlnnen eine staumlrkere Identifikation der
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit dem jeweiligen Unternehmen hervorrufen (vgl Si-
monHegerReszies 2011 S 3738) Dies hat ua ein besseres Arbeitsklima eine houmlhere Mo-
tivation und Arbeitszufriedenheit und daraus resultierend eine Steigerung der Produktivitaumlt
zur Folge (vgl Unternehmensnetzwerk zur betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung in der Euro-
paumlischen Union eV 2007 S 3) Diese positiven Effekte entfalten teilweise erst laumlngerfristig
ihre Wirkung Somit sind sie fuumlr das Unternehmen eine langfristige Investition die allerdings
Gefahr laumluft kurzfristigen betriebswirtschaftlichen Interessen entgegenzulaufen (vgl Rosen-
brockHartung 2015 oS)
Als Maszlignahmen der Betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung eignen sich sowohl verhaltens- als
auch verhaumlltnisbezogene Maszlignahmen Eine Kombination aus beiden waumlre im Sinne der
Ganzheitlichkeit durchaus gewinnbringend
Eine gesetzliche Verpflichtung fuumlr Unternehmen zur Betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung gibt
es fuumlr Unternehmen in Deutschland nicht Wie in Punkt 33 bereits erwaumlhnt ist der rechtliche
Zusammenhang in sect 20b Abs 1 Satz 2 SGB V geregelt bdquoHierzu erheben sie [die Kranken-
kassen MP] unter Beteiligung der Versicherten und der Verantwortlichen fuumlr den Betrieb
sowie der Betriebsaumlrzte und der Fachkraumlfte fuumlr Arbeitssicherheit die gesundheitliche Situation
einschlieszliglich ihrer Risiken und Potenziale und entwickeln Vorschlaumlge zur Verbesserung der
gesundheitlichen Situation sowie zur Staumlrkung der gesundheitlichen Ressourcen und Faumlhig-
keiten und unterstuumltzen deren Umsetzungldquo Nach sect 20 Abs 6 Satz 2 sind die Krankenkassen
dazu verpflichtet pro Versicherter und Versichertem 200 Euro im Jahr in Maszlignahmen zur
Betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung zu investieren
Obwohl der Nutzen Betrieblicher Gesundheitsfoumlrderung sowohl fuumlr die Belegschaft als auch
fuumlr das jeweilige Unternehmen selbst nachgewiesen ist (vgl RosenbrockHartung 2015 oS)
es sich also um eine Win-Win-Situation handelt ist ihre Verbreitung in Deutschland noch
eher gering Das liegt zum einen daran dass Unternehmen nicht zur Betrieblichen Gesund-
heitsfoumlrderung verpflichtet sind und diese daher auf Freiwilligkeit aller Akteure beruht Zum
17
anderen liegt es daran dass es sich um einen vielschichtigen Prozess handelt der durch inter-
ne externe oumlkonomische oder betriebspolitische Veraumlnderungen beeintraumlchtigt werden kann
(vgl RosenbrockHartung 2015 oS)
Fuumlr eine gelingende BGF ist Partizipation unumgaumlnglich denn nur so wird sichergestellt dass
moumlglichst viele Akteure besonders die Zielgruppe der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter er-
reicht wird (SimonHegerReszies 2011 S 46) Ein wichtiges Element hierbei ist der sog
bdquoGesundheitszirkelldquo Dieser setzt sich zusammen aus Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des
Betriebs wobei moumlglichst verschiedene Arbeitsbereiche und Hierarchieebenen vertreten sein
sollten Die Groumlszlige sollte dabei uumlberschaubar bleiben zB zwischen fuumlnf und acht Teilneh-
menden evtl ergaumlnzt durch einen externen Experten Im Zuge einer angestrebten Versteti-
gung von Gesundheitsfoumlrderung im Betrieb sind regelmaumlszligige Treffen sinnvoll (vgl Si-
monHegerReszies 2011 S 64 ndash 69) Um eine moumlglichst umfassende Partizipation zu ge-
waumlhrleisten empfiehlt es sich den Gesundheitszirkel von Beginn an also der Phase der Pla-
nung mit einzubeziehen Fuumlr eine Gesundheitsfoumlrderung in WfbMs scheint eine analoge An-
wendung des Konzeptes Gesundheitszirkel sowohl moumlglich als auch sinnvoll um von Beginn
an partizipative Strukturen zu etablieren
352 Betriebliches Gesundheitsmanagement
In der Literatur wird der Begriff des Betrieblichen Gesundheitsmanagements sehr unter-
schiedlich interpretiert Schlummer interpretiert ihn beinahe synonym zur Betrieblichen Ge-
sundheitsfoumlrderung wobei lediglich der Faktor der Arbeitssicherheit eine staumlrke Beruumlcksichti-
gung im Gesundheitsmanagement findet (vgl Schlummer 2015 S 35) Die Luxemburger
Deklaration hingegen sieht Arbeits- und Gesundheitsschutz in Unternehmen als Teil der Be-
trieblichen Gesundheitsfoumlrderung (vgl Unternehmensnetzwerk zur betrieblichen Gesund-
heitsfoumlrderung in der Europaumlischen Union eV 2007 S 4) In der vorliegenden Arbeit wird
der Arbeits- und Gesundheitsschutz ebenfalls unter der Strategie der Betrieblichen Gesund-
heitsfoumlrderung gesehen da er dem Verstaumlndnis von BGF als bdquoMaszlignahmen von Arbeitgebern
Arbeitnehmern und Gesellschaft zur Verbesserung von Gesundheit und Wohlbefinden am
Arbeitsplatzldquo (Unternehmensnetzwerk zur betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung in der Europauml-
ischen Union eV 2007 S 2) entspricht Fuumlr die Abgrenzung zwischen den beiden Begriffen
scheint dieser Aspekt zweitrangig Im Vordergrund liegt eher der jeweilige Charakter der
Strategie
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Gesundheitsmanagement in Betrieben kann als bdquo[b]ewusste Steuerung und Integration aller
betrieblichen Prozesse mit dem Ziel der Erhaltung und Foumlrderung der Gesundheit und des
Wohlbefindens der Beschaumlftigtenldquo (HannackRaumlder 2011 S 434) gesehen werden Dieses
Konzept scheint mit Vor- und Nachteilen einherzugehen Da saumlmtliche betriebliche Prozesse
die als der Gesundheit foumlrderlich gelten hierunter fallen sind auch individuelle Maszlignahmen
wie bspw das Betriebliche Eingliederungsmanagement nach sect 84 Abs 2 SGB IX mit inbe-
griffen Bei diesem geht es in erster Linie nicht um eine Erhaltung oder Verbesserung der
Gesundheit sondern um eine Vorbeugung von Arbeitsunfaumlhigkeit undoder den Erhalt eines
Arbeitsplatzes Ebenfalls positiv kann die Implementierung gesundheitsorientierter Prozesse
und Strukturen in das generelle Management eines Unternehmens gesehen werden Dadurch
scheint auszligerdem die Dauerhaftigkeit von gesundheitsfoumlrderlichen Maszlignahmen besser er-
reichbar als bei der BGF Hier haben Maszlignahmen meist den Charakter eines zeitlich befriste-
ten Projektes (vgl SlesinaBohley 2011 S 627) Der groszlige Nachteil des Betrieblichen Ge-
sundheitsmanagements liegt in der Gefahr dass sog top-down-Strukturen die Uumlberhand ge-
winnen (vgl Faller 2010 S 25 zit nach RosenbrockHartung 2015 oS) Top-down-
Strukturen in der Gesundheitsfoumlrderung zeichnen sich dadurch aus dass eine Person von
bdquoobenldquo eine Maszlignahme einleitet und im schlimmsten Fall bdquoaufoktroyiertldquo Dies kann mangels
Partizipation der Zielgruppe zu Ablehnung bei dieser fuumlhren
Fuumlr eine Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung in WfbMs scheint ndash zumin-
dest im Moment ndash der Weg der BGF geeigneter Hier sind zum einen in der Theorie groszlige
Potentiale fuumlr Partizipation gegeben Zum anderen ist das Thema der systematischen Gesund-
heitsfoumlrderung mit behinderten Menschen in Institutionen der Behindertenhilfe bisher kaum
verbreitet (siehe 44) Eine sofortige Implementierung des Betrieblichen Gesundheitsmana-
gements wuumlrde die meisten Einrichtungen uumlberfordern und vor den Kopf stoszligen Auf lange
Sicht scheint dies aber ein wuumlnschenswertes Ziel zu sein welches Schritt fuumlr Schritt erreicht
werden sollte
19
4 Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung
Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen ist bisher in der Praxis der sog bdquoBehinder-
tenhilfeldquo6 nur aumluszligert selten integriert In der wissenschaftlichen Literatur sind in den letzten
Jahren einige Beitraumlge erschienen die sich diesem Thema widmen Es soll nun zuerst darge-
stellt werden in welchem Verhaumlltnis Gesundheit und Behinderung zueinander stehen bevor
auf die Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen eingegangen wird Der Fokus dieser
Arbeit liegt auf der Gesundheitsfoumlrderung in WfbMs In diesem Zusammenhang wird der
Stand der Literatur kurz dargestellt eine kurze Analyse von Leitbildern einzelner Werkstaumltten
vorgenommen und einige Stimmen aus der Praxis wiedergegeben Aufgrund des knappen
Rahmens dieser Arbeit muss sich dies auf das Bundesland Berlin beschraumlnken und erhebt kei-
nen Anspruch auf empirische Vollstaumlndigkeit Vielmehr versteht es sich als eine kleine Feld-
befragung die als ein erster Impuls gesehen werden kann
41 Behinderte Menschen und Gesundheit und Krankheit ndash sozialmedizinische Erkenntnisse
Zunaumlchst muss festgehalten werden dass eine Behinderung keine Krankheit ist Auch ein
schwer behinderter Mensch kann sich sehr gesund fuumlhlen Der wesentliche Unterschied zwi-
schen einer Behinderung und einer Krankheit liegt darin dass bei einer Behinderung die Teil-
habe am Leben in der Gesellschaft langfristig beeintraumlchtigt ist bei einer Erkrankung hinge-
gen nicht oder nur kurzfristig7 Das hier vorliegende Verstaumlndnis in der Unterscheidung bei-
der Begriffe ist vordergruumlndig eher ein soziales denn eine medizinische Abgrenzung
Es existieren verschiedene und teilweise weitreichende gesundheitliche Unterschiede zwi-
schen Menschen mit Behinderungen und Menschen ohne Behinderungen Um diese auch in
ihrem Ursprung erklaumlren zu koumlnnen reicht der bdquotraditionelleldquo bio-medizinische Blick nicht
aus da er zu kurz greift Er muss um die sozialmedizinische Sichtweise ergaumlnzt werden
An dieser Stelle sollte allerdings darauf hingewiesen werden dass die folgende Darstellung
den Gesundheitszustand groszliger heterogener Gruppen von Menschen abbildet und die ge-
troffenen Aussagen daher nicht auf jeden Einzelfall anwendbar sind
6 Dieser Begriff impliziert durch den Wortteil bdquo-hilfeldquo ein Maumlchteungleichgewicht welches einer wahren Parti-
zipation der behinderten Menschen im Wege steht 7 Sollte eine chronische Krankheit einen Menschen in seiner Teilhabe langfristig einschraumlnken kann sie durch-
aus auch als Behinderung gesehen werden
20
Der Teilhabebericht des Bundesministeriums fuumlr Arbeit und Soziales (BMAS) kommt zu dem
Ergebnis dass Menschen mit Behinderungen ihre Gesundheit haumlufig schlechter einschaumltzen
als Menschen ohne Behinderungen Dies gilt auch fuumlr das psychische Wohlbefinden welches
im ganzheitlichen Verstaumlndnis von Gesundheit das dieser Arbeit zugrunde liegt (siehe 22)
ebenfalls Teil der Gesundheit ist Auch hat ein Mensch mit Behinderung in Deutschland im
Durchschnitt mehr Krankheitstage8 als ein nicht behinderter Mensch Menschen mit Behinde-
rung konsultieren statistisch betrachtet in einem bestimmten Zeitraum haumlufiger einen Arzt als
die durchschnittliche Bevoumllkerung Dies duumlrfte ua an dem als schlechter wahrgenommenen
Gesundheitszustand liegen aber auch an der Komorbiditaumlt bestimmter Behinderungen Bzgl
des Rauchverhaltens Alkoholkonsums und einer gesundheitsbewussten Ernaumlhrung bestehen
nur relativ geringe Unterschiede zur Gesamtbevoumllkerung Auffaumlllig ist lediglich dass die
Gruppe der 18- bis 29-Jaumlhrigen Menschen mit Behinderung zu einem houmlheren Anteil regel-
maumlszligig raucht Alkohol trinkt und seltener auf gesunde Ernaumlhrung achtet In den anderen Al-
tersgruppen bestehen kaum nennenswerte Unterschiede (vgl BMAS 2013 S 192 ndash 204)
Menschen mit Behinderungen haben im Durchschnitt eine geringere Lebenserwartung wobei
es hier Unterschiede zwischen einzelnen Syndromen gibt (vgl MarksSisirakHeller 2010
S 3) Bei einigen kann die jeweilige Behinderung selbst der Ausloumlser sein jedoch besteht
besonders bei Menschen mit Lernschwierigkeiten die Gefahr dass Krankheiten nicht richtig
erkannt oder nur unzureichend behandelt werden (vgl Lennox 2002 S 230) Ausschlagge-
bend hierfuumlr duumlrfte sein dass im Gesundheitsbereich verschiedenste Barrieren existieren Zum
Beispiel ist nur ein Teil der Arztpraxen barrierefrei wobei besonders haumlufig passende Unter-
suchungsmoumlbel und Informationsmaterial in Leichter Sprache fehlen (vgl BMAS 2013
S 200201) Ebenfalls negativ wirkt sich aus dass Aumlrzte teilweise unsicher im Umgang mit
Menschen mit Lernschwierigkeiten sind und diese zT auszligerdem ihre Symptome nicht praumlzi-
se genug beschreiben koumlnnen oder uumlber eine geringer differenzierte Wahrnehmung des eige-
nen Koumlrpers verfuumlgen als Menschen ohne Behinderung (vgl SchmidtReker 2014 S 28)
Des Weiteren haben Menschen mit Lernschwierigkeiten statistisch gesehen haumlufiger Uumlberge-
wicht als der Durchschnitt der Bevoumllkerung Hier muss jedoch beruumlcksichtigt werden dass
mit bestimmten Syndromen wie bspw dem Down-Syndrom ein veraumlnderter Energiebedarf
aufgrund der geringeren Muskelspannung einhergeht oder das Saumlttigungsgefuumlhl zB beim
Prader-Willi-Syndrom veraumlndert ist (Beange 2002 S 3) Die houmlhere Wahrscheinlichkeit des
Uumlbergewichts besteht statistisch gesehen sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen mit
8 Krankheitstage werden an dieser Stelle des Bundesteilhabeberichtes verstanden als Tage in denen der Mensch
sich subjektiv zu krank gefuumlhlt hat um seinen normalen privaten und beruflichen Taumltigkeiten nachzugehen
21
Lernschwierigkeiten (vgl Reuter 2009 S 13) Eine moumlgliche Ursache hierfuumlr kann auch in
der Tatsache gesehen werden dass Menschen mit Behinderungen durchschnittlich seltener
Sport treiben als nicht behinderte Menschen (vgl BMAS 2013 S 221222)
Ein weiterer bedeutender Zusammenhang zwischen Krankheit und Behinderung ist dass viele
Behinderungen im Sinne von Einschraumlnkungen in der gesellschaftlichen Teilhabe wie auch im
gesetzlichen Verstaumlndnis nach dem SGB IX Folgen von schweren undoder chronischen
Krankheiten sind (vgl SchmidtReker 2014 S 26)
Trotz allem muumlssen auch die vorhandenen Gesundheitspotentiale behinderter Menschen be-
ruumlcksichtigt werden denn an ihnen kann eine gelingende Gesundheitsfoumlrderung ansetzen (vgl
Altgeld 2008 S 8)9 Ein ressourcenorientierter Blick achtet besonders auf die verschiedenen
Potentiale die jedem Menschen (oder auch einer Gruppe von Menschen) innewohnen
Das Verhaumlltnis zwischen Gesundheit und Behinderung haumlngt in Deutschland und vielen Tei-
len der sog westlichen Welt aus sozialmedizinischem Blickwinkel nach wie vor so zusam-
men bdquoWhile a large number of individuals who are in bad health end up with a disability a
large number of persons with disabilities end up with bad healthldquo10
(Rimmer 2009 zit nach
MarksSisirakHeller 2010 S 31) Dieser Chiasmus verdeutlicht zusammenfassend nicht nur
die vorherrschende enge Verbindung zwischen schlechterer Gesundheit und Behinderung
sondern impliziert auch die Notwendigkeit von Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Be-
hinderungen Wie in 31 beschrieben hat Gesundheitsfoumlrderung auch den Abbau gesundheit-
licher Chancenungleichheit zum Ziel
42 Erreichbarkeit von Menschen mit Behinderungen fuumlr gesundheitsfoumlrdernde Maszlignahmen
Fuumlr die Gesundheitsfoumlrderung gelten Menschen mit Behinderungen als schwer zu erreichen
Es sollen nun die wesentlichen Probleme aber auch die vorhandenen Potentiale beschrieben
werden
9 Altgeld bezieht sich in seiner Analyse auf den Gesundheitsmonitor 2007 der Bertelsmann Stiftung Da dieser
Menschen mit Lernschwierigkeiten nicht mit einbezieht sondern vorwiegend koumlrper- und sinnesbeeintraumlchtige
Menschen beruumlcksichtigt koumlnnen seine Schlussfolgerungen nicht fuumlr die gesamte sehr heterogene Gruppe der
behinderten Menschen angewendet werden 10
Waumlhrend eine groszlige Anzahl an Personen welche eine schlechte Gesundheit besitzen eine Behinderung er-
langt erlangt eine groszlige Anzahl an Personen mit Behinderungen eine schlechte Gesundheit (Uumlbersetzung des
Verfassers)
22
421 Probleme bei der Erreichbarkeit
In den bundesweiten Untersuchungen wie bspw dem Sozio-oumlkonomischen Panel (SOEP)
oder Gesundheit in Deutschland aktuell (GEDA) werden Menschen mit Lernschwierigkeiten
idR nicht erreicht Dies hat zur Folge dass sowohl gesundheitliche Potentiale als auch Be-
duumlrfnisse und Bedarfe von Menschen mit Lernschwierigkeiten in der Gesundheitsfoumlrderung
weitgehend unerkannt und dadurch ausgeklammert bleiben (vgl Burtscher 2014 S 4)
Generell gelten behinderte Menschen bisher als schwer zu erreichen fuumlr Maszlignahmen zur Ge-
sundheitsfoumlrderung was verschiedene Gruumlnde hat Sozial benachteiligte Menschen sind sehr
haumlufig eine schwer erreichbare Zielgruppe fuumlr die Gesundheitsfoumlrderung Maszlignahmen auf der
gesamtgesellschaftlichen Ebene werden eher von Menschen mit houmlherem sozialen Status an-
genommen (Hurrelmann 2006 S 164) und erst spaumlter von sozial Benachteiligten internali-
siert Es waumlre jedoch ein Fehler Menschen mit Behinderungen automatisch zur Gruppe der
sozial benachteiligten Menschen zu rechnen Jedoch zeigt der Bundesteilhabebericht dass
behinderte Menschen haumlufiger erwerbslos sind und durchschnittlich weniger Gehalt verdienen
(BMAS 2013 S 141 ndash 149) Dass die finanzielle Lage von Beschaumlftigten der WfbMs beson-
ders prekaumlr ist wird im Punkt 43 naumlher erlaumlutert Diese soziooumlkonomischen Merkmale sind
jedoch nur ein Aspekt Auch gilt es zu bedenken dass besonders Maszlignahmen auf der Verhal-
tensebene bei sozial benachteiligten Menschen oft wenig angenommen werden da sie mit den
eigenen dauerhaften Lebensvorstellungen nicht uumlbereinstimmen (vgl Hurrelmann 2006
S 164) So nehmen Menschen mit Behinderung nur sehr selten an Angeboten oumlffentlicher
Einrichtungen wie bspw Volkshochschulkursen oder Rehabilitations-Sport-Maszlignahmen teil
(vgl Burtscher 2014 S 5)
Ein weiterer Punkt ist dass das Thema Gesundheitsfoumlrderung in der Behindertenarbeit traditi-
onell kaum etabliert war Laut einer Studie aus dem Jahr 2004 sehen Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter in Behinderteneinrichtungen haumlufig wenig Relevanz in Sport Bewegung und Er-
naumlhrung fuumlr die Foumlrderung der Gesundheit behinderter Menschen Daruumlber hinaus schreiben
sie auch Selbstbewusstsein Selbststaumlndigkeit und Selbstbestimmung nur eine untergeordnete
Rolle zu (vgl Gembris-Nuumlbel 2004 S 144) Allerdings besteht die Chance dass diese Ein-
stellung sich in den letzten zehn Jahren veraumlndert hat Die Ergebnisse der im Rahmen dieser
Arbeit durchgefuumlhrten Feldbefragung geben Anlass zu dieser Annahme (siehe 443) Auszliger-
dem ist fuumlr viele Menschen mit Lernschwierigkeiten der Zugang zu Informationen welche
Gesundheitsfoumlrderung thematisieren nur schwer moumlglich Hier sind folglich Vermittlung und
Unterstuumltzung oft notwendig (vgl Gembris-Nuumlbel 2004 S 82)
23
Auch von der Politik wird das Thema der Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen
bisher nur sehr selten thematisiert Seltene Ausnahmen wie zB die 22 Landesgesundheits-
konferenz in Nordrhein-Westfalen weisen jedoch auf die Wichtigkeit von Gesundheitsfoumlrde-
rung hin welche die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben verbessern kann (vgl Ministerium
fuumlr Gesundheit Emanzipation Pflege und Alter des Landes Nordrhein-Westfalen 2013
S 31) Hervorgehoben wird hier auch die (zukuumlnftige) Gestaltung der Informationen damit
diese fuumlr alle zugaumlnglich sind Des Weiteren soll auch das Bewusstsein saumlmtlicher Beteiligten
im Bereich der Gesundheitsfoumlrderung sensibilisiert werden (vgl Ministerium fuumlr Gesundheit
Emanzipation Pflege und Alter des Landes Nordrhein-Westfalen 2013 S 32)
Schon im Grundschulalter werden behinderte Kinder oft nicht erreicht da Gesundheitsfoumlrde-
rung sehr haumlufig nur in Regelgrundschulen und weiterfuumlhrenden Schulen und nicht in separie-
renden Foumlrderschulen stattfindet (vgl Reuter 2009 S 1819)
422 Potentiale fuumlr die Erreichbarkeit
Allerdings muumlssen auch die Potentiale betrachtet werden die fuumlr eine Erreichbarkeit behin-
derter Menschen zur Gesundheitsfoumlrderung vorhanden sind Auch diese bestehen in allen Al-
tersgruppen zB im fruumlhen Schulalter Im Zuge der Inklusion bei der immer mehr Kinder
mit Behinderungen in Regelschulen unterrichtet werden ist zu hoffen dass sie zukuumlnftig haumlu-
figer an Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung teilhaben koumlnnen Solange es (noch) Foumlrder-
schulen gibt muss auch auf deren (oft ungenutztes) Potential fuumlr gesundheitsfoumlrdernde Maszlig-
nahmen hingewiesen werden das in ihrer oft ganztaumlgigen Betreuung und den damit verbun-
denen Ressourcen liegt
Nicht nur in der Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Kindern sind bereits Potentiale vor-
handen Generell weisen Gesundheitsfoumlrderung und Behindertenarbeit sehr groszlige Gemein-
samkeiten in Sprache Prinzipien und Zielen auf Beide zielen letztendlich ab auf Inklusion
Partizipation Empowerment Entwicklung persoumlnlicher Faumlhigkeiten Einbindung in die Ge-
meinde die Neuorientierung von Gesundheitsdienstleistungen und die Foumlrderung von Um-
welten welche Gesundheit und Lebensqualitaumlt verbessern (vgl Lennox 2002 S 231) Es soll
auch darauf hingewiesen werden dass viele behinderte Menschen sehr an Informationen uumlber
Gesundheit interessiert sind und aktiv nach Informationen suchen (vgl Altgeld 2008 S 8)
Abschlieszligend laumlsst sich auffuumlhren dass gerade der Setting-Ansatz wie er in Punkt 34 darge-
stellt wurde eine sehr gute Moumlglichkeit bietet Menschen mit Behinderungen zu erreichen Er
24
bietet einen Zugangspunkt und kann Ausgangslage sein sowohl fuumlr verhaltens- als auch fuumlr
verhaumlltnisorientierte Maszlignahmen zur Foumlrderung der Gesundheit von Menschen mit Behinde-
rungen
Obwohl behinderte Menschen in der Vergangenheit nur selten gezielt an Maszlignahmen zur
Gesundheitsfoumlrderung beteiligt wurden sind doch einige Potentiale vorhanden an denen an-
zuknuumlpfen lohnenswert scheint
43 Das Setting Werkstatt fuumlr behinderte Menschen
WfbMs sind spezielle Einrichtungen fuumlr Menschen mit Behinderungen die nach dem SGB IX
als behindert gelten (siehe 21) Nach sect 136 SGB IX dienen diese Einrichtungen der bdquoTeilhabe
behinderter Menschen am Arbeitsleben [hellip] und zur Eingliederung in das Arbeitslebenldquo
Dadurch sind sie nicht Teil des allgemeinen Arbeitsmarktes da ihre Beschaumlftigten bdquowegen
Art oder Schwere der Behinderung nicht noch nicht oder noch nicht wieder auf dem allge-
meinen Arbeitsmarkt beschaumlftigt werden koumlnnenldquo (sect 136 Abs 1 SGB IX) Ihr Ziel ist es be-
hinderte Menschen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt vorzubereiten Die Beschaumlftigten arbei-
ten in verschiedensten Bereichen zB im Handwerk oder in Taumltigkeiten der elektronischen
Datenverarbeitung je nach persoumlnlicher Neigung Da es sich um kein typisches sozialversi-
cherungspflichtiges Arbeitsverhaumlltnis handelt sondern um ein bdquoarbeitnehmeraumlhnliches
Rechtsverhaumlltnisldquo11
(sect 138 SGB IX) bekommen die Beschaumlftigten keinen Lohn der dem
Mindestlohn entspricht Nach sect 138 SGB IX setzt sich ihr Arbeitsentgelt zusammen aus ei-
nem Grundbetrag und einem leistungsbemessenen Steigerungsbetrag Im Jahr 2011 verdiente
ein Beschaumlftigter im Durchschnitt 180 Euro monatlich (vgl BAG WfbM 2014) bei 35 bis 40
Arbeitsstunden pro Woche Von einer groszligen Steigerung in den letzten Jahren ist nicht auszu-
gehen Somit benoumltigen Beschaumlftigte einer WfbM idR neben ihrem Arbeitsentgelt Grundsi-
cherung Dies hat zur Folge dass sie haumlufig in prekaumlren soziooumlkonomischen Verhaumlltnissen
leben
Jede Werkstatt ist soziologisch betrachtet ein eigenes System mit individuellen Merkmalen
die unter anderem vom Standort dem Fachpersonal dem Traumlger und den Beschaumlftigten ge-
kennzeichnet sind (vgl SchlummerSchuumltte 2006 S 81) Gesetzlich festgelegt ist in sect 139
11
Begruumlndet wird dieses Rechtsverhaumlltnis haumlufig durch den Kuumlndigungsschutz Eine Werkstatt kann einen
Werkstattvertrag mit einer Beschaumlftigten oder einem Beschaumlftigten nur in seltenen Faumlllen gegen ihren oder sei-
nen Willen aufheben
25
SGB IX dass die Beschaumlftigten aus ihrer Mitte heraus regelmaumlszligig einen Werkstattrat waumlhlen
Genaueres regelt hier die Werkstaumltten-Mitwirkungsverordnung (WMVO) Wie ihr Name al-
lerdings schon sagt handelt es sich hier um die Moumlglichkeit der Mitwirkung nicht der Mitbe-
stimmung Diese kann nur erreicht werden wenn Werkstatt und Werkstattrat nach sect 5 Abs 4
WMVO eine weitergehende Vereinbarung treffen Zu den Aufgaben des Werkstattrates ge-
houmlrt es die Interessen der Beschaumlftigten in verschiedenen Angelegenheiten gegenuumlber der
Werkstatt zu vertreten Diese sind in sect 5 Abs 1 WMVO aufgelistet Die Werkstatt muss den
Werkstattrat auszligerdem informieren wenn sie eine Maszlignahme durchfuumlhrt in der der Werk-
stattrat ein Mitwirkungsrecht besitzt12
Sollte kein Einverstaumlndnis in einer Beratung erzielt
werden koumlnnen beide Seiten sich an eine Vermittlungsstelle wenden (sect 5 Abs 3 WMVO)
Das tatsaumlchliche Ausmaszlig der Mitwirkung ist jedoch stets von der Werkstattleitung abhaumlngig
Solch eine fehlende gesetzliche Verankerung von Mitbestimmung steht der Partizipation be-
hinderter Menschen im Wege welche sowohl fuumlr die gesellschaftliche Inklusion als auch die
Gesundheitsfoumlrderung immens wichtig ist
44 Gesundheitsfoumlrderung in Werkstaumltten fuumlr behinderte Menschen
Zunaumlchst gilt es sich einen Uumlberblick uumlber den aktuellen Stand von Gesundheitsfoumlrderung in
WfbMs zu verschaffen Einen ersten Einblick soll die dazu vorhandene Literatur liefern Da-
nach soll ein Abgleich dieser mit der Praxis stattfinden der sich aufgrund des gesetzten Rah-
mens dieser Arbeit nur auf einige Werkstaumltten des Bundeslandes Berlin konzentriert Hierfuumlr
werden jeweils die Leitbilder untersucht und Stimmen aus der Werkstatt ausgewertet
441 Recherche zum aktuellen Stand
Die Literatur zum Thema Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen in WfbMs ist
noch sehr duumlnn Vollstaumlndig ausgearbeitete Konzepte gibt es bisher nicht veroumlffentlicht wur-
den Berichte von abgeschlossenen oder noch laufenden Projekten Werner Schlummer wis-
senschaftlicher Mitarbeiter der Universitaumlt zu Koumlln begleitete ein Projekt zum Betrieblichen
12
Eine ausfuumlhrliche Beschreibung der Mitwirkungs- und Unterrichtungsrechte des Werkstattrates ist bei
SchlummerSchuumltte 2006 S 71 ndash 82 nachzulesen
26
Gesundheitsmanagement13
in einer WfbM zusammen mit acht Studierenden der Universitaumlt
(vgl Schlummer 2015 S 33) Auch das Projekt GESUND als Teilprojekt von PartKomm-
Plus (Forschungsverbund fuumlr gesunde Kommunen) wird wissenschaftlich durch die Katholi-
sche Hochschule fuumlr Sozialwesen begleitet (vgl Burtscher 2014 S 6)
Als Ausnahme kann das Projekt bdquoSelbstbestimmt gesuumlnderldquo im Rahmen des Programmes
bdquoHealthy Athletesldquo gesehen werden Hier bringt Special Olympics Deutschland eV Maszlig-
nahmen zur Gesundheitsfoumlrderung in die Lebenswelten behinderter Menschen Bei Healthy
Athletes werden Sportlerinnen und Sportler bei Veranstaltungen von Special Olympics kos-
tenlose Beratungen und Kontrolluntersuchungen angeboten Diese Angebote werden jedoch
auch auf Wohnheime und WfbMs ausgeweitet (vgl Special Olympics Deutschland a) S 2
eigene Paginierung) Auch das Projekt bdquoSelbstbestimmt gesuumlnderldquo bringt gesundheitsfoumlrdern-
de Maszlignahmen in Werkstaumltten Dabei werden bdquoTeilnehmern individualisierte Handlungsemp-
fehlungen zum Gesundheitsverhalten zur Verfuumlgung gestelltldquo (Special Olympics Deutschland
b) oS) Das Projekt setzt auszligerdem auf die Wirkung von Peer-Multiplikatorinnen und
-Multiplikatoren
Weitere Projekte sind trotz intensiver Recherche nicht bekannt Auch die Bundesarbeitsge-
meinschaft Werkstaumltten fuumlr behinderte Menschen eV (BAG WfbM) hat auf ihrer Homepa-
ge14
keinen Artikel zur Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung in WfbMs
Gibt man in der Suchmaske bdquoGesundheitsfoumlrderungldquo ein erhaumllt man zwei Ergebnisse einen
Artikel uumlber ein neu entwickeltes Computerspiel das von Kindern mit unterschiedlichen Be-
hinderungen gespielt werden kann und einen Artikel zum Qualifizierungsprogramm bdquoGe-
sundheitsfoumlrderung durch Schluumlsselqualifikationenldquo das sich nicht an Beschaumlftigte sondern
an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in WfbMs richtet Dies legt den Schluss nahe dass Ge-
sundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen in WfbMs bisher kaum verbreitet ist
Das Thema Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung als solches wurde in den
letzten Jahren zunehmend in der Literatur behandelt wobei die Anzahl der Veroumlffentlichun-
gen nach wie vor auf einem uumlberschaubaren Stand ist
13
Schlummers Verstaumlndnis von Betrieblichem Gesundheitsmanagement und Betrieblicher Gesundheitsfoumlrderung
sind beinahe synonym Das beschriebene Projekt kann daher im erweiterten Rahmen durchaus als Projekt zur
Gesundheitsfoumlrderung gesehen werden 14
httpwwwbagwfbmde (Stand 11112015)
27
442 Konzepte und Leitbilder von Einrichtungen der Praxis
Betrachtet werden vier verschiedene WfbMs und ihre Leitbilder Es handelt sich um die vier
Werkstaumltten von denen auch im Rahmen der Feldbefragung Stimmen einer Mitarbeiterin oder
eines Mitarbeiters und zT von Beschaumlftigten gewonnen werden konnten (siehe 443 und
Anhang Nr 2)
Aufgrund der jeweiligen Traumlgerstrukturen besitzt lediglich eine der Werkstaumltten15
als solche
ein eigenes Leitbild Bei den anderen drei Werkstaumltten muss auf das Leitbild des jeweiligen
Traumlgers zuruumlckgegriffen werden Das Thema der Gesundheit der Klientinnen und Klienten
bzw Werkstattbeschaumlftigten wird allerdings in keinem Leitbild thematisiert Auch die Such-
funktionen auf den jeweiligen Homepages bzw intensive Recherchen auf diesen brachten
keine Ergebnisse zum Stichwort bdquoGesundheitsfoumlrderungldquo Daraus laumlsst sich schlieszligen dass
Gesundheitsfoumlrderung der Werkstattbeschaumlftigten in den theoretischen Konzeptionen von
WfbMs meist nicht verankert ist
443 Gesundheitsfoumlrderung in der alltaumlglichen Praxis der Werkstaumltten ndash eine kleine Feldbe-
fragung
Im Rahmen des Informationstages der Berliner Landesarbeitsgemeinschaft Werkstaumltten fuumlr
behinderte Menschen eV (LAG WfbM) am 17112015 im Estrel Hotel Berlin wurden je-
weils eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter von vier verschiedenen WfbMs zum Thema Ge-
sundheitsfoumlrderung mit den Beschaumlftigten in der Werkstatt befragt (siehe Anhang Nr 2) Die
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben alle eine vergleichbare Position Begleitender Dienst
Paumldagogischer Dienst oder Sozialdienst In einer der Werkstaumltten konnten uumlberdies auch
Stimmen von Beschaumlftigten gewonnen werden16
Die Ergebnisse weisen keine empirische
Repraumlsentativitaumlt auf da der knappe Rahmen dieser Arbeit eine repraumlsentative empirische
Forschungsarbeit kaum zulaumlsst Die Befragungen sollen dazu dienen einen Einblick in den
Alltag der WfbMs zu ermoumlglichen und die in der Literatur und den Leibildern gewonnenen
Perspektiven zu erweitern
15
Aus Gruumlnden des Datenschutzes duumlrfen in der hier publizierten Version die Namen der Werkstaumltten nicht
genannt werden 16
In zwei der Werkstaumltten konnten keine Stimmen von Beschaumlftigten erhoben werden da eine Befragung in der
Werkstatt von den befragten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern abgelehnt wurde Der Mitarbeiter der dritten
Werkstatt signalisierte zwar waumlhrend der Befragung Zustimmung jedoch fehlte diese spaumlter von Seiten der Lei-
tung
28
Der Begriff bdquoGesundheitsfoumlrderungldquo wird von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sehr
unterschiedlich interpretiert Die Spannbreite liegt von einem Verstaumlndnis aumlhnlich des hier
dargelegten bis hin zu therapeutischer und rehabilitativer Foumlrderung Die angebotenen Maszlig-
nahmen welche einer Foumlrderung der Gesundheit dienen sollen sind jedoch bei allen aumlhnlich
Meist handelt es sich um Musik- Sport- und Bewegungsangebote die im Rahmen von sog
Begleitenden Maszlignahmen verankert sind Daruumlber hinaus werden auch entlastende Bewegun-
gen in den Arbeitsgruppen angeboten und ein Gesundheitstag in Kooperation mit Special
Olympics Deutschland geplant (eine Werkstatt) Eine andere Werkstatt kooperiert mit der
Fitnessstudiokette Fitness First Kurse zu gesunder Ernaumlhrung und Kochen werden teilweise
angeboten oder sind in Planung Nach Aussagen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden
die Maszlignahmen meist gut angenommen In einer Werkstatt wird sogar gemeinsam mit dem
Werkstattrat an einer Peer-Beratung gearbeitet mit der den Beschaumlftigten der Zugang zu den
Themen Bildung und Gesundheit verbessert werden soll Schwierigkeiten bestehen besonders
bzgl der Raumlume zB bei Turnhallen fuumlr Fuszligball
Eine Partizipation bei der Entwicklung von Angeboten ist nur teilweise gegeben Es wird
zwar in allen befragten Werkstaumltten nach Interessen der Beschaumlftigten gefragt und dement-
sprechend die Kurse angeboten jedoch besteht nur selten die Moumlglichkeit fuumlr die Beschaumlftig-
ten aktiv den jeweiligen Kurs durch eigene Entscheidungen mitzugestalten In einer Werk-
statt ist das bspw abhaumlngig von der Kursart von der Kursleiterin bzw dem Kursleiter und
vom Konzept Evaluiert werden die Angebote meist nur durch Nachfrage in den idR jaumlhr-
lich stattfindenden Entwicklungsgespraumlchen mit den einzelnen Beschaumlftigten und teilweise
daruumlber hinaus mit Fragebogen oder durch die Kursleiterin bzw den Kursleiter Eine Werk-
statt fuumlhrt sogar Statistiken zur Nachfrage Eine partizipative Evaluation findet in keiner der
befragten Werkstaumltten statt
Die befragten Beschaumlftigten einer der Werkstaumltten zeigten sich mit dem Angebot an gesund-
heitsfoumlrdernden Maszlignahmen groumlszligtenteils sehr zufrieden und empfanden die Anzahl der An-
gebote als meist genuumlgend Geaumluszligert wurde lediglich der Wunsch nach weiteren Angeboten
zu gesunder Ernaumlhrung und nach einem besseren Angebot an gesunden Speisen Das Ver-
staumlndnis von Gesundheitsfoumlrderung ist unterschiedlich Auffaumlllig ist dass auf der einen Seite
Aumlrzte und Besuche bei diesen wichtig scheinen gleichzeitig aber auch das Achten auf die
eigene Gesundheit als Teil der Gesundheitsfoumlrderung gilt Besonders letzterer Aspekt weist
darauf hin dass bei den Befragten ein gewisses Grundverstaumlndnis von Gesundheitsfoumlrderung
vorhanden ist das dem in dieser Arbeit verwendeten aumlhnelt Die Wichtigkeit der aumlrztlichen
29
Betreuung laumlsst jedoch zugleich auch auf ein eher bdquotraditionellesldquo bio-medizinisches Gesund-
heitsverstaumlndnis schlieszligen
Als angebotene Maszlignahmen werden meist Sport- und Bewegungsangebote genannt aber
auch eine Apfelpause um kurz von der Arbeit entspannen zu koumlnnen Daruumlber hinaus gab es
Angebote zur Fuszlighygiene und zur Zahn- und Augengesundheit Hier ist der Uumlbergang zwi-
schen Gesundheitsfoumlrderung und Praumlvention flieszligend Bzgl (zukuumlnftiger) Angebote werden
die Beschaumlftigten nach ihren Wuumlnschen gefragt aber eine wirkliche Mitbestimmung in Kon-
zeption und Planung dieser scheint nicht gegeben Auch bei der Evaluation findet bisher keine
Partizipation statt Die Befragung hat jedoch den bisherigen Eindruck bestaumltigt dass gesund-
heitsfoumlrdernde Maszlignahmen in WfbMs von behinderten Menschen durchaus nachgefragt wer-
den und die Werkstaumltten versucht sind im Rahmen der begleitenden Maszlignahmen ein sehr
breites Feld abzudecken Negativ scheint besonders das weitgehende Fehlen partizipativer
Strukturen
In den Werkstaumltten werden viele Angebote im Rahmen begleitender Maszlignahmen offeriert die
fuumlr die Gesundheit foumlrderlich sind Als Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung die die Prinzi-
pien der BVPG verinnerlichen koumlnnen sie jedoch nicht gesehen werden da zB die Partizipa-
tion eine eher untergeordnete Rolle spielt und die Thematik meist auf Sport- und zT Ernaumlh-
rungsangebote beschraumlnkt bleibt Auch werden die Effekte der Maszlignahmen nicht evaluiert
Entspannungsangebote werden nur selten angeboten und der Fokus richtet sich meist nur auf
die koumlrperliche Gesundheit
Daruumlber hinaus zeigt die Befragung aber auch welch groszliges Potential zur Gesundheitsfoumlrde-
rung in den Werkstaumltten liegt Mit den begleitenden Maszlignahmen sind Strukturen verankert in
denen Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung leicht integriert werden koumlnnen Offenheit fuumlr
Kooperationen scheint vielfach gegeben (zB mit Special Olympics Deutschland Fitness
First) sodass auch eine Kooperation mit den Krankenkassen und weiteren Partnern vorstell-
bar scheint Dies wuumlrde den Vorteil finanzieller Foumlrderung und Expertise durch Erfahrungen
mit bereits durchgefuumlhrten Maszlignahmen einbringen Die befragten Mitarbeiterinnen und Mit-
arbeiter schienen Gesundheitsfoumlrderung gegenuumlber prinzipiell sehr positiv eingestellt
Auch wenn in den Leitbildern und auf den Homepages Gesundheitsfoumlrderung nicht themati-
siert wird gibt es in der Praxis schon verschiedene Maszlignahmen und Projekte mit der Intenti-
on die Gesundheit der Beschaumlftigten zu verbessern
30
45 Anregungen fuumlr die Praxis
Vor dem Hintergrund der zu Rate gezogenen Literatur und den gewonnen Erkenntnissen
durch die Feldbefragung werden nun einige Uumlberlegungen fuumlr die Praxis einer gelingenden
Gesundheitsfoumlrderung getroffen Diese koumlnnen als moumlgliche Anregungen zur Umsetzung ver-
standen werden
451 Partizipation und Empowerment in der Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behin-
derung
Erfolgreiche Gesundheitsfoumlrderung braucht Partizipationsmoumlglichkeiten fuumlr die jeweilige
Zielgruppe Partizipation ist schlieszliglich nicht nur Teilnahme sondern aktive Teilhabe und
damit einhergehend die Moumlglichkeit mitzubestimmen und mitzuentscheiden Dazu gehoumlrt
auch die Definitionsmacht also die Macht (mit)zubestimmen an welche die Gesundheit be-
treffenden Aspekte in einer Maszlignahme zur Gesundheitsfoumlrderung herangegangen werden soll
(vgl Wrightvon UngerBlock 2010 S 39) Diese aktive Teilhabe muss also bereits zu Be-
ginn einer Maszlignahme Teil dieser sein Partizipation bedeutet folglich auch Macht Partizipa-
tion zu ermoumlglichen bedeutet Empowerment also die Ermaumlchtigung eines Individuums oder
einer Gruppe So bekommt Partizipation in der Gesundheitsfoumlrderung auch eine gesellschaft-
liche und politische Komponente denn dadurch koumlnnen Menschen mit Behinderungen lernen
mitzubestimmen mitzuentscheiden und eigene Interessen zu vertreten Diese erlernten Faumlhig-
keiten lassen sich auf die Handlungsebene in einer demokratischen Gesellschaft uumlbertragen
Sowohl Empowerment als auch Partizipation gehoumlren zu den in 31 erwaumlhnten Prinzipien der
BVPG Diese weist darauf hin dass Partizipation in saumlmtlichen Phasen einer Maszlignahme ge-
geben sein muss beginnend mit der Bedarfsanalyse der Planung in der Durchfuumlhrung und
abschlieszligend in der BewertungEvaluation So kann die Wirksamkeit einer Maszlignahme erhoumlht
werden (vgl BVPG 2013 S 90) Teilhabe kann als ein wichtiger Bestandteil der Qualitaumltssi-
cherung gesehen werden Bisher finden Maszlignahmen zur Qualitaumltssicherung nur selten unter
Partizipation der Zielgruppe statt Diese partizipativ zu beteiligen hilft die Qualitaumlt der Ge-
sundheitsfoumlrderung aufrechtzuerhalten oder sogar zu verbessern (vgl Wrightvon Un-
gerBlock 2010 S 35)
Teilhabe ist bei behinderten Menschen besonders wichtig Ihr Leben ist haumlufig von Beginn an
stark fremdbestimmt und von Abhaumlngigkeit gepraumlgt Somit lernen sie seltener als nicht behin-
31
derte Menschen Verantwortung zu uumlbernehmen und selbststaumlndig zu agieren Dies kann bis
hin zur sog bdquoerlernten Hilflosigkeitldquo fuumlhren Vor diesem Hintergrund scheint Partizipation
umso wichtiger aber auch umso arbeitsintensiver Sie ist daher in der Praxis der Gesundheits-
foumlrderung haumlufig sehr arbeitsintensiv und benoumltigt folglich zeitliche Ressourcen und damit
einhergehend finanzielle Ressourcen (vgl Loss 2009 S 10)
Traditionell sind viele Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung top-down organisiert das be-
deutet eine Einrichtung ein Geldgeber etc plant eine Maszlignahme fuumlhrt diese durch und eva-
luiert sie Zur Erreichung der eigenen Ziele wird die Zielgruppe mobilisiert ohne ein Mitspra-
cherecht zu den einzelnen Bausteinen der Maszlignahme zu haben Diese Struktur verdeutlicht
das Maumlchteungleichwicht zwischen Anbieter und Zielgruppe und zementiert den Status be-
hinderter Menschen als Abhaumlngige und Ohnmaumlchtige Der Gegensatz zu top-down-
Programmen ist der bottom-up-Ansatz Hier findet eine Machtteilung statt da die Gesund-
heitsfoumlrderinnen und Gesundheitsfoumlrderer ihre Macht mit der Zielgruppe teilen und eher die
Rolle von Unterstuumltzerinnen und Unterstuumltzern einnehmen Die Zielgruppe soll unterstuumltzt
werden ihre eigenen Probleme festzustellen und Loumlsungen sowie Maszlignahmen zu erarbeiten
In der Planung Durchfuumlhrung und Evaluation kommt ihr damit eine aktive Rolle zu (vgl La-
verack 2010 S 77) Bottom-up-Programme scheinen daher fuumlr Partizipation und Empower-
ment geeigneter als top-down-Strukturen Allerdings schlieszligen sich beide Ansaumltze nicht
zwingend aus sondern Maszlignahmen koumlnnen Eigenschaften beider Ansaumltze aufweisen In
WfbMs scheinen Maszlignahmen sehr haumlufig top-down organisiert zu sein Die staumlrkere Veranke-
rung von bottom-up-Strukturen waumlre hier im Sinne einer Teilhabe ndash in der Werkstatt wie auch
daruumlber hinaus auf gesellschaftlicher Ebene ndash vorteilhaft und wuumlnschenswert
452 Peer-Multiplikatorinnen und -Multiplikatoren
Eine Strategie die in der Praxis der Gesundheitsfoumlrderung bereits mit positiven Ergebnissen
getestet wurde sind Peer-Multiplikatorinnen und -Multiplikatoren Das Modell der Multipli-
katorinnen und Multiplikatoren war bereits Grundlage vieler gesundheitsfoumlrdernder Maszlignah-
men mit sozial benachteiligten Menschen die auch in der Literatur vielfach dokumentiert
sind Auch in der Arbeit mit behinderten Menschen ist dieses Konzept nicht neu Auf Maszlig-
nahmen zur Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung wurde es bisher kaum an-
gewandt scheint jedoch erfolgsversprechend Das Projekt GESUND welches mit einer Ber-
liner WfbM durchgefuumlhrt wird arbeitet mit diesem Konzept (vgl Burtscher 2014 S 8) Die
32
Funktion von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren besteht darin Kenntnisse und Informa-
tionen zur Gesundheit(-sfoumlrderung) der Zielgruppe mit Hilfe der ihnen innewohnenden Ver-
trauensstellung naumlher zu bringen Sie haben daher eine bdquoMittlerfunktionldquo (BVPG 2013 S 92)
zwischen Durchfuumlhrenden und Zielgruppe Voraussetzung dafuumlr ist dass sie der Zielgruppe
angehoumlren oder zumindest eine sehr enge Verbindung zu ihr besitzen Im Zuge einer Maszlig-
nahme werden sie selbst gestaumlrkt sozusagen bdquoempowertldquo Ihre Mittlerfunktion funktioniert
allerdings auch in die andere Richtung Sie bringen den Durchfuumlhrenden die Perspektive der
Zielgruppe naumlher Im Idealfall fuumlhrt der Einsatz von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren
zur Aktivierung der Zielgruppe die ihr selbstbestimmtes Handeln auch auf andere Bereiche
ausdehnen kann (vgl Stickan-Verfuumlrth 2005 S 108) Diesem Modell sehr aumlhnlich ist das
Modell des Peer-Counseling Hier stehen Mitglieder der Zielgruppe in beratender Funktion
ihrer Peer-Gruppe zur Verfuumlgung
453 Verknuumlpfung von Betrieblicher Gesundheitsfoumlrderung und Gesundheitsfoumlrderung in
Werkstaumltten fuumlr behinderte Menschen
Eine Uumlbertragung der Idee der Betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung auf die Gesundheitsfoumlrde-
rung in WfbMs scheint in der Tat realisierbar Den rechtlichen und finanziellen Rahmen hier-
fuumlr hat das 2015 beschlossene Praumlventionsgesetz geschaffen (siehe 33) Im Entwurf der Bun-
desregierung wird in der Anmerkung zum neuen sect 20 Abs 4 SGB V explizit darauf hinge-
wiesen dass Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung auch in WfbMs zum Leistungsspektrum der
Krankenkassen gehoumlrt (vgl Deutscher Bundestag 2015 S 34) Eine Etablierung hiervon in
der Praxis haumlngt in erster Linie neben den Krankenkassen auch von den Leitungen der WfbMs
ab Sollten diese hierfuumlr und auch gegenuumlber partizipativen Strukturen offen sein waumlre der in
351 kurz vorgestellte Gesundheitszirkel ein passender Startpunkt um von Beginn an auch
die Partizipation der Beschaumlftigten zu gewaumlhrleisten Analog zum Konzept der BGF koumlnnten
gemeinsam Maszlignahmen erarbeitet werden die die Gesundheit der Beschaumlftigten foumlrdern wuumlr-
den Den Vertreterinnen und Vertretern der Beschaumlftigten die im Gesundheitszirkel mitwir-
ken koumlnnte dabei die Rolle von Peer-Multiplikatorinnen und -Multiplikatoren zukommen
Als Effekte duumlrften die in 351 beschriebenen auch hier zu erwarten sein eine Verbesserung
der Gesundheit und eine Staumlrkung der gesundheitlichen Ressourcen eine Verringerung der
krankheitsbedingten Fehltage eine staumlrkere Identifikation der Beschaumlftigten mit der Werk-
33
statt ein besseres Arbeitsklima eine houmlhere Motivation und Arbeitszufriedenheit und eine
Steigerung der Produktivitaumlt
Es empfiehlt sich im Sinne der Partizipation und des Empowerments kein reines top-down-
Programm zu starten sondern einen bottom-up-Ansatz zu waumlhlen bzw zumindest mehrere
Elemente dessen einzubauen Als Anknuumlpfungspunkt koumlnnen bereits bestehende begleitende
Maszlignahmen mit passender Thematik genommen werden
Wie bdquonormaleldquo Betriebe koumlnnten auch WfbMs Kooperationen in ihrem raumlumlichen Umfeld
aufbauen und von Vernetzungen profitieren Aufgrund ihrer Groumlszlige sind sie in ihrem Sozial-
raum ein meist nicht zu unterschaumltzender Akteur
34
5 Fazit und Ausblick
Ausgehend von einem bio-psycho-sozialen Verstaumlndnis von Gesundheit wurden verschiedene
Aspekte der Gesundheitsfoumlrderung vertieft und anschlieszligend eine Verknuumlpfung zur Gesund-
heitsfoumlrderung mit behinderten Menschen hergestellt Hierbei lag der Fokus auf gesundheits-
foumlrdernden Maszlignahmen in WfbMs Dabei wurde die aktuelle Literatur zu Rate gezogen In-
ternetauftritte einiger Werkstaumltten durchsucht und Stimmen aus dem Feld von Mitarbeiterin-
nen und Mitarbeitern sowie Beschaumlftigten von Werkstaumltten gewonnen
Die Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung ist noch immer relativ schwach
ausgebaut Dies stellt sich besonders vor dem Hintergrund als problematisch dass behinderte
Menschen haumlufig anfaumllliger fuumlr Krankheiten sind und durchschnittlich uumlber einen subjektiv als
schlechter bewerteten Gesundheitsstatus verfuumlgen als nichtbehinderte Menschen Wie viele
sozial benachteiligte Gruppen sind sie verhaumlltnismaumlszligig schwer zu erreichen fuumlr gesundheits-
foumlrdernde Maszlignahmen Obwohl es in der Erreichbarkeit mehrere Probleme gibt verfuumlgen
Menschen mit Behinderung auf der anderen Seite uumlber groszlige Potentiale Das neue Praumlventi-
onsgesetz ist ein erheblicher Fortschritt bei der Finanzierung gesundheitsfoumlrdernder Maszlignah-
men Sogar eine Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung in Werkstaumltten ist wenn auch nicht ex-
plizit verankert so doch zumindest gewuumlnscht
Gelingende Gesundheitsfoumlrderung muss sich im Allgemeinen und auch bei der Arbeit mit
behinderten Menschen an bestimmten Prinzipien messen lassen Besonders wichtig vor dem
gesellschaftlichen Hintergrund ist hier die Partizipation der Menschen mit Behinderung und
damit einhergehend das Empowerment dieser Beide wirken sich positiv auf die Qualitaumlt der
gesundheitsfoumlrdernden Maszlignahmen aus gehen jedoch auch daruumlber hinaus Sie koumlnnen Men-
schen mit Behinderungen auch auf gesellschaftlicher Ebene empowern sodass ihnen eine
groumlszligere gesellschaftliche Teilhabe zukommt Somit erlangt Gesundheitsfoumlrderung auch vor
dem Hintergrund der Inklusion eine hohe Relevanz
In WfbMs ist gezielte Gesundheitsfoumlrderung bisher wenig verbreitet Einzelne Projekte sind
eher die Ausnahme denn die Regel Jedoch sind die Potentiale der Werkstaumltten enorm Das
Personal scheint haumlufig offen fuumlr Maszlignahmen zu sein und gerade die Strukturen der beglei-
tenden Maszlignahmen lieszligen eine relativ einfache Integration von Maszlignahmen zur (betriebli-
chen) Gesundheitsfoumlrderung zu Bestehende begleitende Maszlignahmen in welchen Sport oder
Bildungsangebote zu gesunder Ernaumlhrung angeboten werden koumlnnten ohne uumlbermaumlszligigen
Aufwand zu gezielten Maszlignahmen fuumlr Gesundheitsfoumlrderung ausgebaut werden Nachholbe-
darf bestuumlnde hier vor allem auf dem Gebiet der Partizipation Nur selten scheinen die Be-
35
schaumlftigten in Konzeption Planung Durchfuumlhrung und Evaluation aktiv eingebunden zu sein
In bestimmten Phasen wie etwa der Konzeption und besonders der Evaluation scheint aktive
Teilhabe noch uumlberhaupt nicht verankert zu sein Eine staumlrkere Partizipation in allen Berei-
chen waumlre mit houmlherem Arbeits- und Kostenaufwand verbunden welcher durch eine Einbin-
dung der Krankenkassen moumlglicherweise aufgefangen werden koumlnnte Die Partizipation foumlr-
dern wuumlrde auch die Etablierung von Peer-Beratung und Peer-Multiplikatorinnen und
-Multiplikatoren Diesen kaumlme beim Zugang zur Zielgruppe eine Schluumlsselfunktion zu und
gleichzeitig koumlnnten sie Bedarfe und Beduumlrfnisse dieser gegenuumlber den anderen Akteuren
kommunizieren Auch wenn es bisher keine konkreten ausgearbeiteten Konzepte zur Gesund-
heitsfoumlrderung in WfbMs gibt koumlnnten bestehende Konzepte zur Betrieblichen Gesundheits-
foumlrderung eventuell leicht uumlberarbeitet fuumlr Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung in Werkstaumltten
analog angewendet werden
Die Potentiale und Moumlglichkeiten zur Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung
in WfbMs sind also mannigfaltig und haumlufig vorhanden Auf diesen koumlnnte aufgebaut werden
um behinderten Menschen das Recht auf das in Artikel 25 der UN-BRK festgeschriebene bdquoer-
reichbare Houmlchstmaszlig an Gesundheitldquo zu ermoumlglichen
Gesundheitsfoumlrderung ist mehr als Werbeplakate an Bus- oder Straszligenbahnhaltestellen und
Clips im Aktuellen Sportstudio sie ist mehr als Sportangebote und Angebote zu gesunder
Ernaumlhrung sie ist auch ein Weg zum Erreichen eines Menschenrechtes das Recht auf Ge-
sundheit
36
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Anhang
Nr 1 Abbildung zu den Hauptdeterminanten der Gesundheit nach DahlgreenWhitehead
2007 S 11
Nr 2 Befragung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Beschaumlftigten der WfbMs
42
Nr 1 Abbildung zu den Hauptdeterminanten der Gesundheit nach DahlgreenWhitehead
2007 S 11
43
Nr 2 Befragung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Beschaumlftigten der WfbMs
Um moumlglichst effizient die Stimmen aus vier WfbMs unterschiedlicher Traumlger zu erheben
wurden diese auf dem Infotag der LAG WfbM Berlin am 17112015 gesammelt Hier waren
verschiedene Werkstaumltten mit Informationsstaumlnden vertreten Gewaumlhlt wurden die Werkstaumlt-
ten an deren Staumlnden der Verfasser zuerst vorbeilief Die gestellten Fragen waren stets die-
selben
Den Vertretern der Werkstatt wurde zugesichert dass ihr Name nicht in der vorliegenden Ar-
beit genannt wird lediglich ihre Position in der Werkstatt wird erwaumlhnt Es wurden auszligerdem
keine weiteren Personendaten erhoben
Wenn moumlglich sollten auszligerdem fuumlnf Beschaumlftige pro WfbM befragt werden Hierfuumlr wurde
am Ende des kurzen Interviews um Erlaubnis gefragt Den Beschaumlftigten wurden andere Fra-
gen gestellt als dem Werkstattpersonal jedoch erhielten alle Beschaumlftigten dieselben Fragen
untereinander Den Beschaumlftigen wurde komplette Anonymitaumlt in der vorliegenden Arbeit
zugesichert und es wurden keine personenbezogenen Daten abgefragt Zuerst wurde nach
ihrem Verstaumlndnis von Gesundheitsfoumlrderung gefragt Vor den Fragen 2 bis 5 wurde kurz
erklaumlrt wie Gesundheitsfoumlrderung verstanden werden kann um davon ausgehend die restli-
chen Fragen zu beantworten
Bei saumlmtlichen Interviews wurde auf Transkriptionen verzichtet es wurden lediglich die
Kernaussagen mitgeschrieben
Im Folgenden finden sich exemplarisch die jeweils gestellten Fragen
44
Fragen an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der WfbM
Name der WfbM
Position der befragten Person Begleitender Dienst
1 Was verstehen Sie unter Gesundheitsfoumlrderung
2 Was bieten Sie im Rahmen der Gesundheitsfoumlrderung an
3 Wie werden die Maszlignahmen angenommen
4 Wuumlrden Sie gerne mehr anbieten oder finden Sie die Angebote ausreichend
5 Gibt es Schwierigkeiten
6 Wie steht es um die Partizipation in den Angeboten (Werden die Angebote von Beschaumlf-
tigten mitentwickelt mitevaluiert etc)
7 Werden die Angebote evaluiert
45
Fragen an die Beschaumlftigen der WfbM
Name der WfbM
Datum
1 Wissen Sie was Gesundheitsfoumlrderung ist Wenn ja wie wuumlrden sie es beschreiben
[Moumlgliche Erklaumlrung fuumlr Beschaumlftigte die sich nichts unter Gesundheitsfoumlrderung vorstellen
koumlnnen Zur Gesundheitsfoumlrderung gehoumlrt alles was fuumlr Ihre Gesundheit gut ist zB Kur-
seMaszlignahmen usw die mit Bewegung Ernaumlhrung Wohlfuumlhlen am Arbeitsplatz oder Ent-
spannen zu tun haben]
2 Welche Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung werden Ihnen von der Werkstatt angebo-
ten
3 Werden Ihrer Meinung nach genuumlgend Angebote zur Gesundheitsfoumlrderung in der Werk-
statt angeboten
4 Duumlrfen Sie bei der Entwicklung und Evaluation (Auswertung am Ende) mitbestimmen
5 Was sind Ihre Wuumlnsche bezuumlglich der Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung
12
tionsinstrumenten die Auswirkungen des Programmes meist in irgendeiner Form messbar
entweder durch subjektive Einschaumltzungen zB wenn Teilnehmende angeben sich nun ge-
sunder zu fuumlhlen oder auch durch objektiv messbare Werte So koumlnnen bspw Werte wie Ge-
wicht Body-Mass-Index Blutwerte oder Ausdauer zu Beginn einer Maszlignahme mit denen am
Ende verglichen werden Eine hier erfolgreich ansetzende Maszlignahme hat meist (nicht nur)
eine Verbesserung der koumlrperlichen Gesundheit zur Folge Das gesenkte Risiko fuumlr Herz-
Kreislauf-Erkrankungen Krebs Erkrankungen der Atemwege der Verdauungsorgane oder
des Muskel-Skelett-Systems koumlnnen exemplarisch als Verbesserung der physischen Gesund-
heit aufgefuumlhrt werden (vgl HurrelmannKlotzHaisch 2010 S 20) Dies sind Anzeichen
dass sich der bdquoStandpunktldquo eines Menschen auf dem Gesundheits-Krankheits-Kontinuum
nach Antonovskys Modell der Salutogenese ein Stuumlck weiter Richtung Gesundheit verscho-
ben hat
Auch die Foumlrderung der Selbstwirksamkeit also der Uumlberzeugung auch schwierige Situatio-
nen mit eigenen Ressourcen loumlsen zu koumlnnen hat vielfaumlltige positive Auswirkungen auf die
Gesundheit und foumlrdert so diese (DlugoschDahl 2013 S 370) Maszlignahmen zur Entspannung
und Stressbewaumlltigung wirken sich im ersten Moment auf das seelische und psychische
Wohlbefinden aus haben dadurch aber sehr oft auch positive Auswirkungen auf den Koumlrper
Bestimmte Methoden wie etwa Yoga verfolgen schon im Ansatz eine ganzheitliche Vorstel-
lung bei welchem das Wohlbefinden koumlrperlich psychisch und seelisch gestaumlrkt wird (vgl
SimonHegerReszies 2011 S 169)
Die aufgefuumlhrten positiven Auswirkungen durch gesundheitsfoumlrdernde Maszlignahmen auf die
Gesundheit von Menschen sind nur einige Beispiele von sehr vielen Allen diesen Effekten zu
eigen ist jedoch dass sie sich positiv auf das gesundheitliche Wohlbefinden der Menschen
auswirken In deren subjektiven Empfinden verschiebt sich dadurch ihr Punkt auf dem Ge-
sundheits-Krankheits-Kontinuum des Salutogenesemodells ein Stuumlck in Richtung des Ge-
sundheitspols
33 Rechtliche Grundlagen
Die rechtliche Verankerung der Gesundheitsfoumlrderung findet sich in Deutschland im SGB V
wieder So legt sect 20 Abs 1 SGB V fest bdquoDie Krankenkasse sieht in der Satzung Leistungen
zur Verhinderung und Verminderung von Krankheitsrisiken (primaumlre Praumlvention) sowie zur
Foumlrderung des selbstbestimmten gesundheitsorientierten Handelns der Versicherten (Gesund-
13
heitsfoumlrderung) vorldquo5 Zurecht weist die Bundesaumlrztekammer in ihrer Stellungnahme zum
neuen Praumlventionsgesetz darauf hin dass diese Definition von Gesundheitsfoumlrderung nicht
umfassend genug ist da die Staumlrkung von Gesundheitsressourcen und ndashpotenzialen unerwaumlhnt
bleibt (vgl Bundesaumlrztekammer 2014 S 3) Die gesetzliche Krankenversicherung ist in
Deutschland von den Sozialversicherungszweigen finanziell mit Abstand am staumlrksten an der
Gesundheitsfoumlrderung beteiligt Gesetzlich verpflichtet war auszligerdem bisher nur die gesetzli-
che Unfallversicherung sodass die Beteiligung nicht-oumlffentlicher gemeinnuumltziger Traumlger wie
bspw Stiftungen zunehmend an Bedeutung gewinnt Der groumlszligte Teil der finanziellen Mittel
stammt allerdings aus oumlffentlichen Mitteln (vgl AltgeldKolip 2010 S 54) Durch das Prauml-
ventionsgesetz sind die gesetzlichen Krankenkassen nun nach sect 20 Abs 6 SGB V verpflich-
tet ab dem Jahr 2016 pro Versicherten 700 Euro statt wie im Jahr 2015 317 Euro fuumlr Praumlven-
tion und Gesundheitsfoumlrderung auszugeben Davon entfallen je 200 Euro auf Leistungen zur
Gesundheitsfoumlrderung und Praumlvention in Lebenswelten nach sect 20a SGB V und Betriebliche
Gesundheitsfoumlrderung nach sect 20b SGB V Das Praumlventionsgesetz sieht dabei eine Betriebli-
che Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen in WfbMs vor bdquoMit den Leistungen
[primaumlre Praumlvention und Gesundheitsfoumlrderung MP] sollen auch Menschen mit Behinde-
rung erreicht werden zB mit Leistungen zur betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung in Werk-
staumltten fuumlr behinderte Menschenldquo (Deutscher Bundestag 2015 S 34) Dies geht aus der vom
Deutschen Bundestag veroumlffentlichten Erlaumluterung zum Gesetzentwurf hervor
Die gesetzlichen Krankenkassen (unter Umstaumlnden auch die privaten Krankenkassen) sollen
des Weiteren mit den Traumlgern der Pflegeversicherung der Unfallversicherung und der Gesetz-
lichen Rentenversicherung eine bdquoNationale Praumlventionsstrategieldquo entwickeln (sect 20d SGB V)
die in der bdquoNationalen Praumlventionskonferenzldquo (sect 20e SGB V) ausgearbeitet und weitergefuumlhrt
wird In beiden Paragraphen geht es auch um Strategien der Gesundheitsfoumlrderung
Die gesetzlichen Pflegekassen sind nach sect 5 SGB XI fortan verpflichtet im Jahr 030 Euro je
Versicherter und Versichertem zur Gesundheitsfoumlrderung und Praumlvention in stationaumlren Pfle-
geeinrichtungen zu investieren
Eine gesetzliche Verankerung der Partizipation in der Gesundheitsfoumlrderung durch das Prauml-
ventionsgesetz ist hingegen ausgeblieben Ausgehend von der Annahme dass Gesundheits-
foumlrderung effektiver ist wenn die Zielgruppe an der Planung Durchfuumlhrung und Evaluation
5 Die Novellierung der sectsect 20ff SGB V ist eine Folge des 2015 verabschiedeten Gesetzes zur Staumlrkung der Ge-
sundheitsfoumlrderung und der Praumlvention Dieses ist im Internet verfuumlgbar unter
httpwwwbgbldexaverbgblstartxavstartbk=Bundesanzeiger_BGBlampjumpTo=bgbl115s1368pdf__bgbl__
2F2F[40attr_id3D27bgbl115s1368pdf27]__1446046078671 (Abrufdatum 28102015)
14
der Maszlignahme partizipiert (vgl FaltermaierWihofszky 2012 S 108) waumlre eine gesetzliche
Verankerung der Partizipation vorteilhaft gewesen
Das Recht auf Leistungen zur Gesundheitsfoumlrderung ergibt sich fuumlr Menschen mit Behinde-
rung auch aus der UN-BRK welche im Jahre 2009 von der Bundesrepublik Deutschland rati-
fiziert wurde In Artikel 25 heiszligt es hier bdquoDie Vertragsstaaten anerkennen das Recht von
Menschen mit Behinderungen auf das erreichbare Houmlchstmaszlig an Gesundheit ohne Diskrimi-
nierung aufgrund von Behinderungldquo Dieses houmlchsterreichbare Maszlig kann nur erreicht werden
wenn Menschen mit Behinderung konsequent in Maszlignahmen der Gesundheitsfoumlrderung ein-
bezogen werden Deutschland verpflichtet sich in Artikel 25 a) der UN-BRK behinderten
Menschen bdquoeine unentgeltliche oder erschwingliche Gesundheitsversorgung in der derselben
Bandbreite von derselben Qualitaumlt und auf demselben Standard zur Verfuumlgung [zu stellen]
wie anderen Menschen [hellip]ldquo Dies umfasst nicht nur kurative und rehabilitative Maszlignahmen
sondern auch solche zur Praumlvention und Foumlrderung der Gesundheit
34 Gesundheitsfoumlrderung in Settings
Da der Fokus dieser Arbeit auf der Gesundheitsfoumlrderung in WfbMs liegt werden nun einige
Aspekte zur Gesundheitsfoumlrderung in Settings also Lebenswelten genauer thematisiert
bdquoEin Setting ist ein Sozialzusammenhang in dem Menschen sich in ihrem Alltag aufhalten
und der Einfluss auf ihre Gesundheit hat Dieser soziale Zusammenhang ist relativ dauerhaft
und seinen Mitgliedern auch subjektiv bewusstldquo (HartungRosenbrock 2015 oS) Diese kur-
ze Definition enthaumllt die wichtigsten Merkmale eines Settings Jeder Mensch bewegt sich
folglich in verschiedenen Settings zB seiner Arbeitswelt seinem Wohnumfeld oder seinem
Freizeitbereich Dabei hat jedes Setting Einfluss auf die Menschen die sich in ihm bewegen
wie auch jeder Mensch gleichzeitig das jeweilige Setting beeinflusst Gesundheit ist hierbei
als ein wichtiges alltaumlgliches Element des jeweiligen Settings zu sehen und nicht ausschlieszlig-
lich als essenzielles und abstraktes Ziel (vgl RoumlmischWalther 2015 S 5 AltgeldKolip
2010 S 49) Dies betont auch die salutogenetische Position nach der jeder Mensch zu jedem
Zeitpunkt zumindest ein gewisses Maszlig an Gesundheit inne hat (vgl Antonovsky 1997 S 23)
Bereits in der Ottawa-Charta wird als eine Strategie zur Gesundheitsfoumlrderung bdquoGesundheits-
foumlrderliche Lebenswelten schaffenldquo (WHO 1986 S 3) genannt Elf Jahre spaumlter verdeutlicht
die Jakarta-Erklaumlrung die Wirksamkeit dieser Strategie bdquoDer wissenschaftliche Erkenntnis-
15
stand zeigt deutlich daszlig [hellip] insbesondere Settings [hellip] gute Moumlglichkeiten zur praktischen
Umsetzung solcher umfassenden Strategien bietenldquo (WHO 1997 S 3)
Dies mag va daran liegen dass eher schwer erreichbare Zielgruppen der Gesundheitsfoumlrde-
rung in ihren Lebenswelten relativ gut erreicht werden koumlnnen (vgl FaltermaierWihofszky
2012 S 110) Zu diesen Zielgruppen gehoumlren va sozial benachteiligte Menschen wie etwa
Menschen mit Migrationshintergrund in Armut lebende Menschen oder Menschen mit Be-
hinderungen Da das deutsche Gesundheitssystem stark mittelschichtsorientiert ist sind diese
schwerer zu erreichen als wohlhabendere Bevoumllkerungsschichten (vgl Stickan-Verfuumlrth 2005
S 105106) Besonders problematisch ist dies vor dem Hintergrund zu sehen dass gerade
sozial benachteiligte Menschen wie bereits erwaumlhnt haumlufig uumlber eine schlechtere Gesundheit
verfuumlgen
35 Gesundheitsfoumlrderung in der Lebenswelt bdquoArbeitldquo
Fuumlr eine Gesundheitsfoumlrderung in der Lebenswelt bdquoArbeitldquo sind besonders zwei Strategien
relevant die Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung (BGF) und das Betriebliche Gesundheitsma-
nagement
Die Begriffe bdquoBetriebliche Gesundheitsfoumlrderungldquo und bdquoBetriebliches Gesundheitsmanage-
mentldquo werden in der Literatur zT sehr unterschiedlich interpretiert Die Bandbreite reicht
hier von einer beinahe synonymen Verwendung bis hin zu einer klaren Abgrenzung Die hier
vorgenommene Unterscheidung ist dabei nur eine Moumlglichkeit unter mehreren
351 Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung
Als Grundsatzdokument der Betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung in Deutschland gilt heute
die Luxemburger Deklaration zur betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung in der Europaumlischen
Union aus dem Jahr 1997 Sie legt Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung wie folgt fest bdquoBe-
triebliche Gesundheitsfoumlrderung (BGF) umfasst alle gemeinsamen Maszlignahmen von Arbeit-
gebern Arbeitnehmern und Gesellschaft zur Verbesserung von Gesundheit und Wohlbefinden
am Arbeitsplatzldquo (Unternehmensnetzwerk zur betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung in der Eu-
ropaumlischen Union eV 2007 S 2 eigene Paginierung) Als Wege hierfuumlr sieht die Luxem-
burger Deklaration va drei Pfade welche in ihrer Verknuumlpfung am effektivsten scheinen die
16
Verbesserung der Arbeitsorganisation und der Arbeitsbedingungen die Staumlrkung der Partizi-
pation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und die Unterstuumltzung im Aufbau und der Wei-
terentwicklung persoumlnlicher Kompetenzen (vgl Unternehmensnetzwerk zur betrieblichen
Gesundheitsfoumlrderung in der Europaumlischen Union eV 2007 S 2)
Die Auswirkungen Betrieblicher Gesundheitsfoumlrderung sind mannigfaltig und durch Studien
belegt So kann hier aufgrund der verbesserten Gesundheit und der staumlrkeren Gesundheitsres-
sourcen eine Verringerung der Fehltage aufgrund von Krankheit angefuumlhrt werden Aber auch
die Wertschaumltzung und Fuumlrsorge durch den Betrieb koumlnnen eine staumlrkere Identifikation der
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit dem jeweiligen Unternehmen hervorrufen (vgl Si-
monHegerReszies 2011 S 3738) Dies hat ua ein besseres Arbeitsklima eine houmlhere Mo-
tivation und Arbeitszufriedenheit und daraus resultierend eine Steigerung der Produktivitaumlt
zur Folge (vgl Unternehmensnetzwerk zur betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung in der Euro-
paumlischen Union eV 2007 S 3) Diese positiven Effekte entfalten teilweise erst laumlngerfristig
ihre Wirkung Somit sind sie fuumlr das Unternehmen eine langfristige Investition die allerdings
Gefahr laumluft kurzfristigen betriebswirtschaftlichen Interessen entgegenzulaufen (vgl Rosen-
brockHartung 2015 oS)
Als Maszlignahmen der Betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung eignen sich sowohl verhaltens- als
auch verhaumlltnisbezogene Maszlignahmen Eine Kombination aus beiden waumlre im Sinne der
Ganzheitlichkeit durchaus gewinnbringend
Eine gesetzliche Verpflichtung fuumlr Unternehmen zur Betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung gibt
es fuumlr Unternehmen in Deutschland nicht Wie in Punkt 33 bereits erwaumlhnt ist der rechtliche
Zusammenhang in sect 20b Abs 1 Satz 2 SGB V geregelt bdquoHierzu erheben sie [die Kranken-
kassen MP] unter Beteiligung der Versicherten und der Verantwortlichen fuumlr den Betrieb
sowie der Betriebsaumlrzte und der Fachkraumlfte fuumlr Arbeitssicherheit die gesundheitliche Situation
einschlieszliglich ihrer Risiken und Potenziale und entwickeln Vorschlaumlge zur Verbesserung der
gesundheitlichen Situation sowie zur Staumlrkung der gesundheitlichen Ressourcen und Faumlhig-
keiten und unterstuumltzen deren Umsetzungldquo Nach sect 20 Abs 6 Satz 2 sind die Krankenkassen
dazu verpflichtet pro Versicherter und Versichertem 200 Euro im Jahr in Maszlignahmen zur
Betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung zu investieren
Obwohl der Nutzen Betrieblicher Gesundheitsfoumlrderung sowohl fuumlr die Belegschaft als auch
fuumlr das jeweilige Unternehmen selbst nachgewiesen ist (vgl RosenbrockHartung 2015 oS)
es sich also um eine Win-Win-Situation handelt ist ihre Verbreitung in Deutschland noch
eher gering Das liegt zum einen daran dass Unternehmen nicht zur Betrieblichen Gesund-
heitsfoumlrderung verpflichtet sind und diese daher auf Freiwilligkeit aller Akteure beruht Zum
17
anderen liegt es daran dass es sich um einen vielschichtigen Prozess handelt der durch inter-
ne externe oumlkonomische oder betriebspolitische Veraumlnderungen beeintraumlchtigt werden kann
(vgl RosenbrockHartung 2015 oS)
Fuumlr eine gelingende BGF ist Partizipation unumgaumlnglich denn nur so wird sichergestellt dass
moumlglichst viele Akteure besonders die Zielgruppe der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter er-
reicht wird (SimonHegerReszies 2011 S 46) Ein wichtiges Element hierbei ist der sog
bdquoGesundheitszirkelldquo Dieser setzt sich zusammen aus Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des
Betriebs wobei moumlglichst verschiedene Arbeitsbereiche und Hierarchieebenen vertreten sein
sollten Die Groumlszlige sollte dabei uumlberschaubar bleiben zB zwischen fuumlnf und acht Teilneh-
menden evtl ergaumlnzt durch einen externen Experten Im Zuge einer angestrebten Versteti-
gung von Gesundheitsfoumlrderung im Betrieb sind regelmaumlszligige Treffen sinnvoll (vgl Si-
monHegerReszies 2011 S 64 ndash 69) Um eine moumlglichst umfassende Partizipation zu ge-
waumlhrleisten empfiehlt es sich den Gesundheitszirkel von Beginn an also der Phase der Pla-
nung mit einzubeziehen Fuumlr eine Gesundheitsfoumlrderung in WfbMs scheint eine analoge An-
wendung des Konzeptes Gesundheitszirkel sowohl moumlglich als auch sinnvoll um von Beginn
an partizipative Strukturen zu etablieren
352 Betriebliches Gesundheitsmanagement
In der Literatur wird der Begriff des Betrieblichen Gesundheitsmanagements sehr unter-
schiedlich interpretiert Schlummer interpretiert ihn beinahe synonym zur Betrieblichen Ge-
sundheitsfoumlrderung wobei lediglich der Faktor der Arbeitssicherheit eine staumlrke Beruumlcksichti-
gung im Gesundheitsmanagement findet (vgl Schlummer 2015 S 35) Die Luxemburger
Deklaration hingegen sieht Arbeits- und Gesundheitsschutz in Unternehmen als Teil der Be-
trieblichen Gesundheitsfoumlrderung (vgl Unternehmensnetzwerk zur betrieblichen Gesund-
heitsfoumlrderung in der Europaumlischen Union eV 2007 S 4) In der vorliegenden Arbeit wird
der Arbeits- und Gesundheitsschutz ebenfalls unter der Strategie der Betrieblichen Gesund-
heitsfoumlrderung gesehen da er dem Verstaumlndnis von BGF als bdquoMaszlignahmen von Arbeitgebern
Arbeitnehmern und Gesellschaft zur Verbesserung von Gesundheit und Wohlbefinden am
Arbeitsplatzldquo (Unternehmensnetzwerk zur betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung in der Europauml-
ischen Union eV 2007 S 2) entspricht Fuumlr die Abgrenzung zwischen den beiden Begriffen
scheint dieser Aspekt zweitrangig Im Vordergrund liegt eher der jeweilige Charakter der
Strategie
18
Gesundheitsmanagement in Betrieben kann als bdquo[b]ewusste Steuerung und Integration aller
betrieblichen Prozesse mit dem Ziel der Erhaltung und Foumlrderung der Gesundheit und des
Wohlbefindens der Beschaumlftigtenldquo (HannackRaumlder 2011 S 434) gesehen werden Dieses
Konzept scheint mit Vor- und Nachteilen einherzugehen Da saumlmtliche betriebliche Prozesse
die als der Gesundheit foumlrderlich gelten hierunter fallen sind auch individuelle Maszlignahmen
wie bspw das Betriebliche Eingliederungsmanagement nach sect 84 Abs 2 SGB IX mit inbe-
griffen Bei diesem geht es in erster Linie nicht um eine Erhaltung oder Verbesserung der
Gesundheit sondern um eine Vorbeugung von Arbeitsunfaumlhigkeit undoder den Erhalt eines
Arbeitsplatzes Ebenfalls positiv kann die Implementierung gesundheitsorientierter Prozesse
und Strukturen in das generelle Management eines Unternehmens gesehen werden Dadurch
scheint auszligerdem die Dauerhaftigkeit von gesundheitsfoumlrderlichen Maszlignahmen besser er-
reichbar als bei der BGF Hier haben Maszlignahmen meist den Charakter eines zeitlich befriste-
ten Projektes (vgl SlesinaBohley 2011 S 627) Der groszlige Nachteil des Betrieblichen Ge-
sundheitsmanagements liegt in der Gefahr dass sog top-down-Strukturen die Uumlberhand ge-
winnen (vgl Faller 2010 S 25 zit nach RosenbrockHartung 2015 oS) Top-down-
Strukturen in der Gesundheitsfoumlrderung zeichnen sich dadurch aus dass eine Person von
bdquoobenldquo eine Maszlignahme einleitet und im schlimmsten Fall bdquoaufoktroyiertldquo Dies kann mangels
Partizipation der Zielgruppe zu Ablehnung bei dieser fuumlhren
Fuumlr eine Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung in WfbMs scheint ndash zumin-
dest im Moment ndash der Weg der BGF geeigneter Hier sind zum einen in der Theorie groszlige
Potentiale fuumlr Partizipation gegeben Zum anderen ist das Thema der systematischen Gesund-
heitsfoumlrderung mit behinderten Menschen in Institutionen der Behindertenhilfe bisher kaum
verbreitet (siehe 44) Eine sofortige Implementierung des Betrieblichen Gesundheitsmana-
gements wuumlrde die meisten Einrichtungen uumlberfordern und vor den Kopf stoszligen Auf lange
Sicht scheint dies aber ein wuumlnschenswertes Ziel zu sein welches Schritt fuumlr Schritt erreicht
werden sollte
19
4 Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung
Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen ist bisher in der Praxis der sog bdquoBehinder-
tenhilfeldquo6 nur aumluszligert selten integriert In der wissenschaftlichen Literatur sind in den letzten
Jahren einige Beitraumlge erschienen die sich diesem Thema widmen Es soll nun zuerst darge-
stellt werden in welchem Verhaumlltnis Gesundheit und Behinderung zueinander stehen bevor
auf die Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen eingegangen wird Der Fokus dieser
Arbeit liegt auf der Gesundheitsfoumlrderung in WfbMs In diesem Zusammenhang wird der
Stand der Literatur kurz dargestellt eine kurze Analyse von Leitbildern einzelner Werkstaumltten
vorgenommen und einige Stimmen aus der Praxis wiedergegeben Aufgrund des knappen
Rahmens dieser Arbeit muss sich dies auf das Bundesland Berlin beschraumlnken und erhebt kei-
nen Anspruch auf empirische Vollstaumlndigkeit Vielmehr versteht es sich als eine kleine Feld-
befragung die als ein erster Impuls gesehen werden kann
41 Behinderte Menschen und Gesundheit und Krankheit ndash sozialmedizinische Erkenntnisse
Zunaumlchst muss festgehalten werden dass eine Behinderung keine Krankheit ist Auch ein
schwer behinderter Mensch kann sich sehr gesund fuumlhlen Der wesentliche Unterschied zwi-
schen einer Behinderung und einer Krankheit liegt darin dass bei einer Behinderung die Teil-
habe am Leben in der Gesellschaft langfristig beeintraumlchtigt ist bei einer Erkrankung hinge-
gen nicht oder nur kurzfristig7 Das hier vorliegende Verstaumlndnis in der Unterscheidung bei-
der Begriffe ist vordergruumlndig eher ein soziales denn eine medizinische Abgrenzung
Es existieren verschiedene und teilweise weitreichende gesundheitliche Unterschiede zwi-
schen Menschen mit Behinderungen und Menschen ohne Behinderungen Um diese auch in
ihrem Ursprung erklaumlren zu koumlnnen reicht der bdquotraditionelleldquo bio-medizinische Blick nicht
aus da er zu kurz greift Er muss um die sozialmedizinische Sichtweise ergaumlnzt werden
An dieser Stelle sollte allerdings darauf hingewiesen werden dass die folgende Darstellung
den Gesundheitszustand groszliger heterogener Gruppen von Menschen abbildet und die ge-
troffenen Aussagen daher nicht auf jeden Einzelfall anwendbar sind
6 Dieser Begriff impliziert durch den Wortteil bdquo-hilfeldquo ein Maumlchteungleichgewicht welches einer wahren Parti-
zipation der behinderten Menschen im Wege steht 7 Sollte eine chronische Krankheit einen Menschen in seiner Teilhabe langfristig einschraumlnken kann sie durch-
aus auch als Behinderung gesehen werden
20
Der Teilhabebericht des Bundesministeriums fuumlr Arbeit und Soziales (BMAS) kommt zu dem
Ergebnis dass Menschen mit Behinderungen ihre Gesundheit haumlufig schlechter einschaumltzen
als Menschen ohne Behinderungen Dies gilt auch fuumlr das psychische Wohlbefinden welches
im ganzheitlichen Verstaumlndnis von Gesundheit das dieser Arbeit zugrunde liegt (siehe 22)
ebenfalls Teil der Gesundheit ist Auch hat ein Mensch mit Behinderung in Deutschland im
Durchschnitt mehr Krankheitstage8 als ein nicht behinderter Mensch Menschen mit Behinde-
rung konsultieren statistisch betrachtet in einem bestimmten Zeitraum haumlufiger einen Arzt als
die durchschnittliche Bevoumllkerung Dies duumlrfte ua an dem als schlechter wahrgenommenen
Gesundheitszustand liegen aber auch an der Komorbiditaumlt bestimmter Behinderungen Bzgl
des Rauchverhaltens Alkoholkonsums und einer gesundheitsbewussten Ernaumlhrung bestehen
nur relativ geringe Unterschiede zur Gesamtbevoumllkerung Auffaumlllig ist lediglich dass die
Gruppe der 18- bis 29-Jaumlhrigen Menschen mit Behinderung zu einem houmlheren Anteil regel-
maumlszligig raucht Alkohol trinkt und seltener auf gesunde Ernaumlhrung achtet In den anderen Al-
tersgruppen bestehen kaum nennenswerte Unterschiede (vgl BMAS 2013 S 192 ndash 204)
Menschen mit Behinderungen haben im Durchschnitt eine geringere Lebenserwartung wobei
es hier Unterschiede zwischen einzelnen Syndromen gibt (vgl MarksSisirakHeller 2010
S 3) Bei einigen kann die jeweilige Behinderung selbst der Ausloumlser sein jedoch besteht
besonders bei Menschen mit Lernschwierigkeiten die Gefahr dass Krankheiten nicht richtig
erkannt oder nur unzureichend behandelt werden (vgl Lennox 2002 S 230) Ausschlagge-
bend hierfuumlr duumlrfte sein dass im Gesundheitsbereich verschiedenste Barrieren existieren Zum
Beispiel ist nur ein Teil der Arztpraxen barrierefrei wobei besonders haumlufig passende Unter-
suchungsmoumlbel und Informationsmaterial in Leichter Sprache fehlen (vgl BMAS 2013
S 200201) Ebenfalls negativ wirkt sich aus dass Aumlrzte teilweise unsicher im Umgang mit
Menschen mit Lernschwierigkeiten sind und diese zT auszligerdem ihre Symptome nicht praumlzi-
se genug beschreiben koumlnnen oder uumlber eine geringer differenzierte Wahrnehmung des eige-
nen Koumlrpers verfuumlgen als Menschen ohne Behinderung (vgl SchmidtReker 2014 S 28)
Des Weiteren haben Menschen mit Lernschwierigkeiten statistisch gesehen haumlufiger Uumlberge-
wicht als der Durchschnitt der Bevoumllkerung Hier muss jedoch beruumlcksichtigt werden dass
mit bestimmten Syndromen wie bspw dem Down-Syndrom ein veraumlnderter Energiebedarf
aufgrund der geringeren Muskelspannung einhergeht oder das Saumlttigungsgefuumlhl zB beim
Prader-Willi-Syndrom veraumlndert ist (Beange 2002 S 3) Die houmlhere Wahrscheinlichkeit des
Uumlbergewichts besteht statistisch gesehen sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen mit
8 Krankheitstage werden an dieser Stelle des Bundesteilhabeberichtes verstanden als Tage in denen der Mensch
sich subjektiv zu krank gefuumlhlt hat um seinen normalen privaten und beruflichen Taumltigkeiten nachzugehen
21
Lernschwierigkeiten (vgl Reuter 2009 S 13) Eine moumlgliche Ursache hierfuumlr kann auch in
der Tatsache gesehen werden dass Menschen mit Behinderungen durchschnittlich seltener
Sport treiben als nicht behinderte Menschen (vgl BMAS 2013 S 221222)
Ein weiterer bedeutender Zusammenhang zwischen Krankheit und Behinderung ist dass viele
Behinderungen im Sinne von Einschraumlnkungen in der gesellschaftlichen Teilhabe wie auch im
gesetzlichen Verstaumlndnis nach dem SGB IX Folgen von schweren undoder chronischen
Krankheiten sind (vgl SchmidtReker 2014 S 26)
Trotz allem muumlssen auch die vorhandenen Gesundheitspotentiale behinderter Menschen be-
ruumlcksichtigt werden denn an ihnen kann eine gelingende Gesundheitsfoumlrderung ansetzen (vgl
Altgeld 2008 S 8)9 Ein ressourcenorientierter Blick achtet besonders auf die verschiedenen
Potentiale die jedem Menschen (oder auch einer Gruppe von Menschen) innewohnen
Das Verhaumlltnis zwischen Gesundheit und Behinderung haumlngt in Deutschland und vielen Tei-
len der sog westlichen Welt aus sozialmedizinischem Blickwinkel nach wie vor so zusam-
men bdquoWhile a large number of individuals who are in bad health end up with a disability a
large number of persons with disabilities end up with bad healthldquo10
(Rimmer 2009 zit nach
MarksSisirakHeller 2010 S 31) Dieser Chiasmus verdeutlicht zusammenfassend nicht nur
die vorherrschende enge Verbindung zwischen schlechterer Gesundheit und Behinderung
sondern impliziert auch die Notwendigkeit von Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Be-
hinderungen Wie in 31 beschrieben hat Gesundheitsfoumlrderung auch den Abbau gesundheit-
licher Chancenungleichheit zum Ziel
42 Erreichbarkeit von Menschen mit Behinderungen fuumlr gesundheitsfoumlrdernde Maszlignahmen
Fuumlr die Gesundheitsfoumlrderung gelten Menschen mit Behinderungen als schwer zu erreichen
Es sollen nun die wesentlichen Probleme aber auch die vorhandenen Potentiale beschrieben
werden
9 Altgeld bezieht sich in seiner Analyse auf den Gesundheitsmonitor 2007 der Bertelsmann Stiftung Da dieser
Menschen mit Lernschwierigkeiten nicht mit einbezieht sondern vorwiegend koumlrper- und sinnesbeeintraumlchtige
Menschen beruumlcksichtigt koumlnnen seine Schlussfolgerungen nicht fuumlr die gesamte sehr heterogene Gruppe der
behinderten Menschen angewendet werden 10
Waumlhrend eine groszlige Anzahl an Personen welche eine schlechte Gesundheit besitzen eine Behinderung er-
langt erlangt eine groszlige Anzahl an Personen mit Behinderungen eine schlechte Gesundheit (Uumlbersetzung des
Verfassers)
22
421 Probleme bei der Erreichbarkeit
In den bundesweiten Untersuchungen wie bspw dem Sozio-oumlkonomischen Panel (SOEP)
oder Gesundheit in Deutschland aktuell (GEDA) werden Menschen mit Lernschwierigkeiten
idR nicht erreicht Dies hat zur Folge dass sowohl gesundheitliche Potentiale als auch Be-
duumlrfnisse und Bedarfe von Menschen mit Lernschwierigkeiten in der Gesundheitsfoumlrderung
weitgehend unerkannt und dadurch ausgeklammert bleiben (vgl Burtscher 2014 S 4)
Generell gelten behinderte Menschen bisher als schwer zu erreichen fuumlr Maszlignahmen zur Ge-
sundheitsfoumlrderung was verschiedene Gruumlnde hat Sozial benachteiligte Menschen sind sehr
haumlufig eine schwer erreichbare Zielgruppe fuumlr die Gesundheitsfoumlrderung Maszlignahmen auf der
gesamtgesellschaftlichen Ebene werden eher von Menschen mit houmlherem sozialen Status an-
genommen (Hurrelmann 2006 S 164) und erst spaumlter von sozial Benachteiligten internali-
siert Es waumlre jedoch ein Fehler Menschen mit Behinderungen automatisch zur Gruppe der
sozial benachteiligten Menschen zu rechnen Jedoch zeigt der Bundesteilhabebericht dass
behinderte Menschen haumlufiger erwerbslos sind und durchschnittlich weniger Gehalt verdienen
(BMAS 2013 S 141 ndash 149) Dass die finanzielle Lage von Beschaumlftigten der WfbMs beson-
ders prekaumlr ist wird im Punkt 43 naumlher erlaumlutert Diese soziooumlkonomischen Merkmale sind
jedoch nur ein Aspekt Auch gilt es zu bedenken dass besonders Maszlignahmen auf der Verhal-
tensebene bei sozial benachteiligten Menschen oft wenig angenommen werden da sie mit den
eigenen dauerhaften Lebensvorstellungen nicht uumlbereinstimmen (vgl Hurrelmann 2006
S 164) So nehmen Menschen mit Behinderung nur sehr selten an Angeboten oumlffentlicher
Einrichtungen wie bspw Volkshochschulkursen oder Rehabilitations-Sport-Maszlignahmen teil
(vgl Burtscher 2014 S 5)
Ein weiterer Punkt ist dass das Thema Gesundheitsfoumlrderung in der Behindertenarbeit traditi-
onell kaum etabliert war Laut einer Studie aus dem Jahr 2004 sehen Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter in Behinderteneinrichtungen haumlufig wenig Relevanz in Sport Bewegung und Er-
naumlhrung fuumlr die Foumlrderung der Gesundheit behinderter Menschen Daruumlber hinaus schreiben
sie auch Selbstbewusstsein Selbststaumlndigkeit und Selbstbestimmung nur eine untergeordnete
Rolle zu (vgl Gembris-Nuumlbel 2004 S 144) Allerdings besteht die Chance dass diese Ein-
stellung sich in den letzten zehn Jahren veraumlndert hat Die Ergebnisse der im Rahmen dieser
Arbeit durchgefuumlhrten Feldbefragung geben Anlass zu dieser Annahme (siehe 443) Auszliger-
dem ist fuumlr viele Menschen mit Lernschwierigkeiten der Zugang zu Informationen welche
Gesundheitsfoumlrderung thematisieren nur schwer moumlglich Hier sind folglich Vermittlung und
Unterstuumltzung oft notwendig (vgl Gembris-Nuumlbel 2004 S 82)
23
Auch von der Politik wird das Thema der Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen
bisher nur sehr selten thematisiert Seltene Ausnahmen wie zB die 22 Landesgesundheits-
konferenz in Nordrhein-Westfalen weisen jedoch auf die Wichtigkeit von Gesundheitsfoumlrde-
rung hin welche die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben verbessern kann (vgl Ministerium
fuumlr Gesundheit Emanzipation Pflege und Alter des Landes Nordrhein-Westfalen 2013
S 31) Hervorgehoben wird hier auch die (zukuumlnftige) Gestaltung der Informationen damit
diese fuumlr alle zugaumlnglich sind Des Weiteren soll auch das Bewusstsein saumlmtlicher Beteiligten
im Bereich der Gesundheitsfoumlrderung sensibilisiert werden (vgl Ministerium fuumlr Gesundheit
Emanzipation Pflege und Alter des Landes Nordrhein-Westfalen 2013 S 32)
Schon im Grundschulalter werden behinderte Kinder oft nicht erreicht da Gesundheitsfoumlrde-
rung sehr haumlufig nur in Regelgrundschulen und weiterfuumlhrenden Schulen und nicht in separie-
renden Foumlrderschulen stattfindet (vgl Reuter 2009 S 1819)
422 Potentiale fuumlr die Erreichbarkeit
Allerdings muumlssen auch die Potentiale betrachtet werden die fuumlr eine Erreichbarkeit behin-
derter Menschen zur Gesundheitsfoumlrderung vorhanden sind Auch diese bestehen in allen Al-
tersgruppen zB im fruumlhen Schulalter Im Zuge der Inklusion bei der immer mehr Kinder
mit Behinderungen in Regelschulen unterrichtet werden ist zu hoffen dass sie zukuumlnftig haumlu-
figer an Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung teilhaben koumlnnen Solange es (noch) Foumlrder-
schulen gibt muss auch auf deren (oft ungenutztes) Potential fuumlr gesundheitsfoumlrdernde Maszlig-
nahmen hingewiesen werden das in ihrer oft ganztaumlgigen Betreuung und den damit verbun-
denen Ressourcen liegt
Nicht nur in der Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Kindern sind bereits Potentiale vor-
handen Generell weisen Gesundheitsfoumlrderung und Behindertenarbeit sehr groszlige Gemein-
samkeiten in Sprache Prinzipien und Zielen auf Beide zielen letztendlich ab auf Inklusion
Partizipation Empowerment Entwicklung persoumlnlicher Faumlhigkeiten Einbindung in die Ge-
meinde die Neuorientierung von Gesundheitsdienstleistungen und die Foumlrderung von Um-
welten welche Gesundheit und Lebensqualitaumlt verbessern (vgl Lennox 2002 S 231) Es soll
auch darauf hingewiesen werden dass viele behinderte Menschen sehr an Informationen uumlber
Gesundheit interessiert sind und aktiv nach Informationen suchen (vgl Altgeld 2008 S 8)
Abschlieszligend laumlsst sich auffuumlhren dass gerade der Setting-Ansatz wie er in Punkt 34 darge-
stellt wurde eine sehr gute Moumlglichkeit bietet Menschen mit Behinderungen zu erreichen Er
24
bietet einen Zugangspunkt und kann Ausgangslage sein sowohl fuumlr verhaltens- als auch fuumlr
verhaumlltnisorientierte Maszlignahmen zur Foumlrderung der Gesundheit von Menschen mit Behinde-
rungen
Obwohl behinderte Menschen in der Vergangenheit nur selten gezielt an Maszlignahmen zur
Gesundheitsfoumlrderung beteiligt wurden sind doch einige Potentiale vorhanden an denen an-
zuknuumlpfen lohnenswert scheint
43 Das Setting Werkstatt fuumlr behinderte Menschen
WfbMs sind spezielle Einrichtungen fuumlr Menschen mit Behinderungen die nach dem SGB IX
als behindert gelten (siehe 21) Nach sect 136 SGB IX dienen diese Einrichtungen der bdquoTeilhabe
behinderter Menschen am Arbeitsleben [hellip] und zur Eingliederung in das Arbeitslebenldquo
Dadurch sind sie nicht Teil des allgemeinen Arbeitsmarktes da ihre Beschaumlftigten bdquowegen
Art oder Schwere der Behinderung nicht noch nicht oder noch nicht wieder auf dem allge-
meinen Arbeitsmarkt beschaumlftigt werden koumlnnenldquo (sect 136 Abs 1 SGB IX) Ihr Ziel ist es be-
hinderte Menschen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt vorzubereiten Die Beschaumlftigten arbei-
ten in verschiedensten Bereichen zB im Handwerk oder in Taumltigkeiten der elektronischen
Datenverarbeitung je nach persoumlnlicher Neigung Da es sich um kein typisches sozialversi-
cherungspflichtiges Arbeitsverhaumlltnis handelt sondern um ein bdquoarbeitnehmeraumlhnliches
Rechtsverhaumlltnisldquo11
(sect 138 SGB IX) bekommen die Beschaumlftigten keinen Lohn der dem
Mindestlohn entspricht Nach sect 138 SGB IX setzt sich ihr Arbeitsentgelt zusammen aus ei-
nem Grundbetrag und einem leistungsbemessenen Steigerungsbetrag Im Jahr 2011 verdiente
ein Beschaumlftigter im Durchschnitt 180 Euro monatlich (vgl BAG WfbM 2014) bei 35 bis 40
Arbeitsstunden pro Woche Von einer groszligen Steigerung in den letzten Jahren ist nicht auszu-
gehen Somit benoumltigen Beschaumlftigte einer WfbM idR neben ihrem Arbeitsentgelt Grundsi-
cherung Dies hat zur Folge dass sie haumlufig in prekaumlren soziooumlkonomischen Verhaumlltnissen
leben
Jede Werkstatt ist soziologisch betrachtet ein eigenes System mit individuellen Merkmalen
die unter anderem vom Standort dem Fachpersonal dem Traumlger und den Beschaumlftigten ge-
kennzeichnet sind (vgl SchlummerSchuumltte 2006 S 81) Gesetzlich festgelegt ist in sect 139
11
Begruumlndet wird dieses Rechtsverhaumlltnis haumlufig durch den Kuumlndigungsschutz Eine Werkstatt kann einen
Werkstattvertrag mit einer Beschaumlftigten oder einem Beschaumlftigten nur in seltenen Faumlllen gegen ihren oder sei-
nen Willen aufheben
25
SGB IX dass die Beschaumlftigten aus ihrer Mitte heraus regelmaumlszligig einen Werkstattrat waumlhlen
Genaueres regelt hier die Werkstaumltten-Mitwirkungsverordnung (WMVO) Wie ihr Name al-
lerdings schon sagt handelt es sich hier um die Moumlglichkeit der Mitwirkung nicht der Mitbe-
stimmung Diese kann nur erreicht werden wenn Werkstatt und Werkstattrat nach sect 5 Abs 4
WMVO eine weitergehende Vereinbarung treffen Zu den Aufgaben des Werkstattrates ge-
houmlrt es die Interessen der Beschaumlftigten in verschiedenen Angelegenheiten gegenuumlber der
Werkstatt zu vertreten Diese sind in sect 5 Abs 1 WMVO aufgelistet Die Werkstatt muss den
Werkstattrat auszligerdem informieren wenn sie eine Maszlignahme durchfuumlhrt in der der Werk-
stattrat ein Mitwirkungsrecht besitzt12
Sollte kein Einverstaumlndnis in einer Beratung erzielt
werden koumlnnen beide Seiten sich an eine Vermittlungsstelle wenden (sect 5 Abs 3 WMVO)
Das tatsaumlchliche Ausmaszlig der Mitwirkung ist jedoch stets von der Werkstattleitung abhaumlngig
Solch eine fehlende gesetzliche Verankerung von Mitbestimmung steht der Partizipation be-
hinderter Menschen im Wege welche sowohl fuumlr die gesellschaftliche Inklusion als auch die
Gesundheitsfoumlrderung immens wichtig ist
44 Gesundheitsfoumlrderung in Werkstaumltten fuumlr behinderte Menschen
Zunaumlchst gilt es sich einen Uumlberblick uumlber den aktuellen Stand von Gesundheitsfoumlrderung in
WfbMs zu verschaffen Einen ersten Einblick soll die dazu vorhandene Literatur liefern Da-
nach soll ein Abgleich dieser mit der Praxis stattfinden der sich aufgrund des gesetzten Rah-
mens dieser Arbeit nur auf einige Werkstaumltten des Bundeslandes Berlin konzentriert Hierfuumlr
werden jeweils die Leitbilder untersucht und Stimmen aus der Werkstatt ausgewertet
441 Recherche zum aktuellen Stand
Die Literatur zum Thema Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen in WfbMs ist
noch sehr duumlnn Vollstaumlndig ausgearbeitete Konzepte gibt es bisher nicht veroumlffentlicht wur-
den Berichte von abgeschlossenen oder noch laufenden Projekten Werner Schlummer wis-
senschaftlicher Mitarbeiter der Universitaumlt zu Koumlln begleitete ein Projekt zum Betrieblichen
12
Eine ausfuumlhrliche Beschreibung der Mitwirkungs- und Unterrichtungsrechte des Werkstattrates ist bei
SchlummerSchuumltte 2006 S 71 ndash 82 nachzulesen
26
Gesundheitsmanagement13
in einer WfbM zusammen mit acht Studierenden der Universitaumlt
(vgl Schlummer 2015 S 33) Auch das Projekt GESUND als Teilprojekt von PartKomm-
Plus (Forschungsverbund fuumlr gesunde Kommunen) wird wissenschaftlich durch die Katholi-
sche Hochschule fuumlr Sozialwesen begleitet (vgl Burtscher 2014 S 6)
Als Ausnahme kann das Projekt bdquoSelbstbestimmt gesuumlnderldquo im Rahmen des Programmes
bdquoHealthy Athletesldquo gesehen werden Hier bringt Special Olympics Deutschland eV Maszlig-
nahmen zur Gesundheitsfoumlrderung in die Lebenswelten behinderter Menschen Bei Healthy
Athletes werden Sportlerinnen und Sportler bei Veranstaltungen von Special Olympics kos-
tenlose Beratungen und Kontrolluntersuchungen angeboten Diese Angebote werden jedoch
auch auf Wohnheime und WfbMs ausgeweitet (vgl Special Olympics Deutschland a) S 2
eigene Paginierung) Auch das Projekt bdquoSelbstbestimmt gesuumlnderldquo bringt gesundheitsfoumlrdern-
de Maszlignahmen in Werkstaumltten Dabei werden bdquoTeilnehmern individualisierte Handlungsemp-
fehlungen zum Gesundheitsverhalten zur Verfuumlgung gestelltldquo (Special Olympics Deutschland
b) oS) Das Projekt setzt auszligerdem auf die Wirkung von Peer-Multiplikatorinnen und
-Multiplikatoren
Weitere Projekte sind trotz intensiver Recherche nicht bekannt Auch die Bundesarbeitsge-
meinschaft Werkstaumltten fuumlr behinderte Menschen eV (BAG WfbM) hat auf ihrer Homepa-
ge14
keinen Artikel zur Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung in WfbMs
Gibt man in der Suchmaske bdquoGesundheitsfoumlrderungldquo ein erhaumllt man zwei Ergebnisse einen
Artikel uumlber ein neu entwickeltes Computerspiel das von Kindern mit unterschiedlichen Be-
hinderungen gespielt werden kann und einen Artikel zum Qualifizierungsprogramm bdquoGe-
sundheitsfoumlrderung durch Schluumlsselqualifikationenldquo das sich nicht an Beschaumlftigte sondern
an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in WfbMs richtet Dies legt den Schluss nahe dass Ge-
sundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen in WfbMs bisher kaum verbreitet ist
Das Thema Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung als solches wurde in den
letzten Jahren zunehmend in der Literatur behandelt wobei die Anzahl der Veroumlffentlichun-
gen nach wie vor auf einem uumlberschaubaren Stand ist
13
Schlummers Verstaumlndnis von Betrieblichem Gesundheitsmanagement und Betrieblicher Gesundheitsfoumlrderung
sind beinahe synonym Das beschriebene Projekt kann daher im erweiterten Rahmen durchaus als Projekt zur
Gesundheitsfoumlrderung gesehen werden 14
httpwwwbagwfbmde (Stand 11112015)
27
442 Konzepte und Leitbilder von Einrichtungen der Praxis
Betrachtet werden vier verschiedene WfbMs und ihre Leitbilder Es handelt sich um die vier
Werkstaumltten von denen auch im Rahmen der Feldbefragung Stimmen einer Mitarbeiterin oder
eines Mitarbeiters und zT von Beschaumlftigten gewonnen werden konnten (siehe 443 und
Anhang Nr 2)
Aufgrund der jeweiligen Traumlgerstrukturen besitzt lediglich eine der Werkstaumltten15
als solche
ein eigenes Leitbild Bei den anderen drei Werkstaumltten muss auf das Leitbild des jeweiligen
Traumlgers zuruumlckgegriffen werden Das Thema der Gesundheit der Klientinnen und Klienten
bzw Werkstattbeschaumlftigten wird allerdings in keinem Leitbild thematisiert Auch die Such-
funktionen auf den jeweiligen Homepages bzw intensive Recherchen auf diesen brachten
keine Ergebnisse zum Stichwort bdquoGesundheitsfoumlrderungldquo Daraus laumlsst sich schlieszligen dass
Gesundheitsfoumlrderung der Werkstattbeschaumlftigten in den theoretischen Konzeptionen von
WfbMs meist nicht verankert ist
443 Gesundheitsfoumlrderung in der alltaumlglichen Praxis der Werkstaumltten ndash eine kleine Feldbe-
fragung
Im Rahmen des Informationstages der Berliner Landesarbeitsgemeinschaft Werkstaumltten fuumlr
behinderte Menschen eV (LAG WfbM) am 17112015 im Estrel Hotel Berlin wurden je-
weils eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter von vier verschiedenen WfbMs zum Thema Ge-
sundheitsfoumlrderung mit den Beschaumlftigten in der Werkstatt befragt (siehe Anhang Nr 2) Die
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben alle eine vergleichbare Position Begleitender Dienst
Paumldagogischer Dienst oder Sozialdienst In einer der Werkstaumltten konnten uumlberdies auch
Stimmen von Beschaumlftigten gewonnen werden16
Die Ergebnisse weisen keine empirische
Repraumlsentativitaumlt auf da der knappe Rahmen dieser Arbeit eine repraumlsentative empirische
Forschungsarbeit kaum zulaumlsst Die Befragungen sollen dazu dienen einen Einblick in den
Alltag der WfbMs zu ermoumlglichen und die in der Literatur und den Leibildern gewonnenen
Perspektiven zu erweitern
15
Aus Gruumlnden des Datenschutzes duumlrfen in der hier publizierten Version die Namen der Werkstaumltten nicht
genannt werden 16
In zwei der Werkstaumltten konnten keine Stimmen von Beschaumlftigten erhoben werden da eine Befragung in der
Werkstatt von den befragten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern abgelehnt wurde Der Mitarbeiter der dritten
Werkstatt signalisierte zwar waumlhrend der Befragung Zustimmung jedoch fehlte diese spaumlter von Seiten der Lei-
tung
28
Der Begriff bdquoGesundheitsfoumlrderungldquo wird von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sehr
unterschiedlich interpretiert Die Spannbreite liegt von einem Verstaumlndnis aumlhnlich des hier
dargelegten bis hin zu therapeutischer und rehabilitativer Foumlrderung Die angebotenen Maszlig-
nahmen welche einer Foumlrderung der Gesundheit dienen sollen sind jedoch bei allen aumlhnlich
Meist handelt es sich um Musik- Sport- und Bewegungsangebote die im Rahmen von sog
Begleitenden Maszlignahmen verankert sind Daruumlber hinaus werden auch entlastende Bewegun-
gen in den Arbeitsgruppen angeboten und ein Gesundheitstag in Kooperation mit Special
Olympics Deutschland geplant (eine Werkstatt) Eine andere Werkstatt kooperiert mit der
Fitnessstudiokette Fitness First Kurse zu gesunder Ernaumlhrung und Kochen werden teilweise
angeboten oder sind in Planung Nach Aussagen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden
die Maszlignahmen meist gut angenommen In einer Werkstatt wird sogar gemeinsam mit dem
Werkstattrat an einer Peer-Beratung gearbeitet mit der den Beschaumlftigten der Zugang zu den
Themen Bildung und Gesundheit verbessert werden soll Schwierigkeiten bestehen besonders
bzgl der Raumlume zB bei Turnhallen fuumlr Fuszligball
Eine Partizipation bei der Entwicklung von Angeboten ist nur teilweise gegeben Es wird
zwar in allen befragten Werkstaumltten nach Interessen der Beschaumlftigten gefragt und dement-
sprechend die Kurse angeboten jedoch besteht nur selten die Moumlglichkeit fuumlr die Beschaumlftig-
ten aktiv den jeweiligen Kurs durch eigene Entscheidungen mitzugestalten In einer Werk-
statt ist das bspw abhaumlngig von der Kursart von der Kursleiterin bzw dem Kursleiter und
vom Konzept Evaluiert werden die Angebote meist nur durch Nachfrage in den idR jaumlhr-
lich stattfindenden Entwicklungsgespraumlchen mit den einzelnen Beschaumlftigten und teilweise
daruumlber hinaus mit Fragebogen oder durch die Kursleiterin bzw den Kursleiter Eine Werk-
statt fuumlhrt sogar Statistiken zur Nachfrage Eine partizipative Evaluation findet in keiner der
befragten Werkstaumltten statt
Die befragten Beschaumlftigten einer der Werkstaumltten zeigten sich mit dem Angebot an gesund-
heitsfoumlrdernden Maszlignahmen groumlszligtenteils sehr zufrieden und empfanden die Anzahl der An-
gebote als meist genuumlgend Geaumluszligert wurde lediglich der Wunsch nach weiteren Angeboten
zu gesunder Ernaumlhrung und nach einem besseren Angebot an gesunden Speisen Das Ver-
staumlndnis von Gesundheitsfoumlrderung ist unterschiedlich Auffaumlllig ist dass auf der einen Seite
Aumlrzte und Besuche bei diesen wichtig scheinen gleichzeitig aber auch das Achten auf die
eigene Gesundheit als Teil der Gesundheitsfoumlrderung gilt Besonders letzterer Aspekt weist
darauf hin dass bei den Befragten ein gewisses Grundverstaumlndnis von Gesundheitsfoumlrderung
vorhanden ist das dem in dieser Arbeit verwendeten aumlhnelt Die Wichtigkeit der aumlrztlichen
29
Betreuung laumlsst jedoch zugleich auch auf ein eher bdquotraditionellesldquo bio-medizinisches Gesund-
heitsverstaumlndnis schlieszligen
Als angebotene Maszlignahmen werden meist Sport- und Bewegungsangebote genannt aber
auch eine Apfelpause um kurz von der Arbeit entspannen zu koumlnnen Daruumlber hinaus gab es
Angebote zur Fuszlighygiene und zur Zahn- und Augengesundheit Hier ist der Uumlbergang zwi-
schen Gesundheitsfoumlrderung und Praumlvention flieszligend Bzgl (zukuumlnftiger) Angebote werden
die Beschaumlftigten nach ihren Wuumlnschen gefragt aber eine wirkliche Mitbestimmung in Kon-
zeption und Planung dieser scheint nicht gegeben Auch bei der Evaluation findet bisher keine
Partizipation statt Die Befragung hat jedoch den bisherigen Eindruck bestaumltigt dass gesund-
heitsfoumlrdernde Maszlignahmen in WfbMs von behinderten Menschen durchaus nachgefragt wer-
den und die Werkstaumltten versucht sind im Rahmen der begleitenden Maszlignahmen ein sehr
breites Feld abzudecken Negativ scheint besonders das weitgehende Fehlen partizipativer
Strukturen
In den Werkstaumltten werden viele Angebote im Rahmen begleitender Maszlignahmen offeriert die
fuumlr die Gesundheit foumlrderlich sind Als Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung die die Prinzi-
pien der BVPG verinnerlichen koumlnnen sie jedoch nicht gesehen werden da zB die Partizipa-
tion eine eher untergeordnete Rolle spielt und die Thematik meist auf Sport- und zT Ernaumlh-
rungsangebote beschraumlnkt bleibt Auch werden die Effekte der Maszlignahmen nicht evaluiert
Entspannungsangebote werden nur selten angeboten und der Fokus richtet sich meist nur auf
die koumlrperliche Gesundheit
Daruumlber hinaus zeigt die Befragung aber auch welch groszliges Potential zur Gesundheitsfoumlrde-
rung in den Werkstaumltten liegt Mit den begleitenden Maszlignahmen sind Strukturen verankert in
denen Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung leicht integriert werden koumlnnen Offenheit fuumlr
Kooperationen scheint vielfach gegeben (zB mit Special Olympics Deutschland Fitness
First) sodass auch eine Kooperation mit den Krankenkassen und weiteren Partnern vorstell-
bar scheint Dies wuumlrde den Vorteil finanzieller Foumlrderung und Expertise durch Erfahrungen
mit bereits durchgefuumlhrten Maszlignahmen einbringen Die befragten Mitarbeiterinnen und Mit-
arbeiter schienen Gesundheitsfoumlrderung gegenuumlber prinzipiell sehr positiv eingestellt
Auch wenn in den Leitbildern und auf den Homepages Gesundheitsfoumlrderung nicht themati-
siert wird gibt es in der Praxis schon verschiedene Maszlignahmen und Projekte mit der Intenti-
on die Gesundheit der Beschaumlftigten zu verbessern
30
45 Anregungen fuumlr die Praxis
Vor dem Hintergrund der zu Rate gezogenen Literatur und den gewonnen Erkenntnissen
durch die Feldbefragung werden nun einige Uumlberlegungen fuumlr die Praxis einer gelingenden
Gesundheitsfoumlrderung getroffen Diese koumlnnen als moumlgliche Anregungen zur Umsetzung ver-
standen werden
451 Partizipation und Empowerment in der Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behin-
derung
Erfolgreiche Gesundheitsfoumlrderung braucht Partizipationsmoumlglichkeiten fuumlr die jeweilige
Zielgruppe Partizipation ist schlieszliglich nicht nur Teilnahme sondern aktive Teilhabe und
damit einhergehend die Moumlglichkeit mitzubestimmen und mitzuentscheiden Dazu gehoumlrt
auch die Definitionsmacht also die Macht (mit)zubestimmen an welche die Gesundheit be-
treffenden Aspekte in einer Maszlignahme zur Gesundheitsfoumlrderung herangegangen werden soll
(vgl Wrightvon UngerBlock 2010 S 39) Diese aktive Teilhabe muss also bereits zu Be-
ginn einer Maszlignahme Teil dieser sein Partizipation bedeutet folglich auch Macht Partizipa-
tion zu ermoumlglichen bedeutet Empowerment also die Ermaumlchtigung eines Individuums oder
einer Gruppe So bekommt Partizipation in der Gesundheitsfoumlrderung auch eine gesellschaft-
liche und politische Komponente denn dadurch koumlnnen Menschen mit Behinderungen lernen
mitzubestimmen mitzuentscheiden und eigene Interessen zu vertreten Diese erlernten Faumlhig-
keiten lassen sich auf die Handlungsebene in einer demokratischen Gesellschaft uumlbertragen
Sowohl Empowerment als auch Partizipation gehoumlren zu den in 31 erwaumlhnten Prinzipien der
BVPG Diese weist darauf hin dass Partizipation in saumlmtlichen Phasen einer Maszlignahme ge-
geben sein muss beginnend mit der Bedarfsanalyse der Planung in der Durchfuumlhrung und
abschlieszligend in der BewertungEvaluation So kann die Wirksamkeit einer Maszlignahme erhoumlht
werden (vgl BVPG 2013 S 90) Teilhabe kann als ein wichtiger Bestandteil der Qualitaumltssi-
cherung gesehen werden Bisher finden Maszlignahmen zur Qualitaumltssicherung nur selten unter
Partizipation der Zielgruppe statt Diese partizipativ zu beteiligen hilft die Qualitaumlt der Ge-
sundheitsfoumlrderung aufrechtzuerhalten oder sogar zu verbessern (vgl Wrightvon Un-
gerBlock 2010 S 35)
Teilhabe ist bei behinderten Menschen besonders wichtig Ihr Leben ist haumlufig von Beginn an
stark fremdbestimmt und von Abhaumlngigkeit gepraumlgt Somit lernen sie seltener als nicht behin-
31
derte Menschen Verantwortung zu uumlbernehmen und selbststaumlndig zu agieren Dies kann bis
hin zur sog bdquoerlernten Hilflosigkeitldquo fuumlhren Vor diesem Hintergrund scheint Partizipation
umso wichtiger aber auch umso arbeitsintensiver Sie ist daher in der Praxis der Gesundheits-
foumlrderung haumlufig sehr arbeitsintensiv und benoumltigt folglich zeitliche Ressourcen und damit
einhergehend finanzielle Ressourcen (vgl Loss 2009 S 10)
Traditionell sind viele Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung top-down organisiert das be-
deutet eine Einrichtung ein Geldgeber etc plant eine Maszlignahme fuumlhrt diese durch und eva-
luiert sie Zur Erreichung der eigenen Ziele wird die Zielgruppe mobilisiert ohne ein Mitspra-
cherecht zu den einzelnen Bausteinen der Maszlignahme zu haben Diese Struktur verdeutlicht
das Maumlchteungleichwicht zwischen Anbieter und Zielgruppe und zementiert den Status be-
hinderter Menschen als Abhaumlngige und Ohnmaumlchtige Der Gegensatz zu top-down-
Programmen ist der bottom-up-Ansatz Hier findet eine Machtteilung statt da die Gesund-
heitsfoumlrderinnen und Gesundheitsfoumlrderer ihre Macht mit der Zielgruppe teilen und eher die
Rolle von Unterstuumltzerinnen und Unterstuumltzern einnehmen Die Zielgruppe soll unterstuumltzt
werden ihre eigenen Probleme festzustellen und Loumlsungen sowie Maszlignahmen zu erarbeiten
In der Planung Durchfuumlhrung und Evaluation kommt ihr damit eine aktive Rolle zu (vgl La-
verack 2010 S 77) Bottom-up-Programme scheinen daher fuumlr Partizipation und Empower-
ment geeigneter als top-down-Strukturen Allerdings schlieszligen sich beide Ansaumltze nicht
zwingend aus sondern Maszlignahmen koumlnnen Eigenschaften beider Ansaumltze aufweisen In
WfbMs scheinen Maszlignahmen sehr haumlufig top-down organisiert zu sein Die staumlrkere Veranke-
rung von bottom-up-Strukturen waumlre hier im Sinne einer Teilhabe ndash in der Werkstatt wie auch
daruumlber hinaus auf gesellschaftlicher Ebene ndash vorteilhaft und wuumlnschenswert
452 Peer-Multiplikatorinnen und -Multiplikatoren
Eine Strategie die in der Praxis der Gesundheitsfoumlrderung bereits mit positiven Ergebnissen
getestet wurde sind Peer-Multiplikatorinnen und -Multiplikatoren Das Modell der Multipli-
katorinnen und Multiplikatoren war bereits Grundlage vieler gesundheitsfoumlrdernder Maszlignah-
men mit sozial benachteiligten Menschen die auch in der Literatur vielfach dokumentiert
sind Auch in der Arbeit mit behinderten Menschen ist dieses Konzept nicht neu Auf Maszlig-
nahmen zur Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung wurde es bisher kaum an-
gewandt scheint jedoch erfolgsversprechend Das Projekt GESUND welches mit einer Ber-
liner WfbM durchgefuumlhrt wird arbeitet mit diesem Konzept (vgl Burtscher 2014 S 8) Die
32
Funktion von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren besteht darin Kenntnisse und Informa-
tionen zur Gesundheit(-sfoumlrderung) der Zielgruppe mit Hilfe der ihnen innewohnenden Ver-
trauensstellung naumlher zu bringen Sie haben daher eine bdquoMittlerfunktionldquo (BVPG 2013 S 92)
zwischen Durchfuumlhrenden und Zielgruppe Voraussetzung dafuumlr ist dass sie der Zielgruppe
angehoumlren oder zumindest eine sehr enge Verbindung zu ihr besitzen Im Zuge einer Maszlig-
nahme werden sie selbst gestaumlrkt sozusagen bdquoempowertldquo Ihre Mittlerfunktion funktioniert
allerdings auch in die andere Richtung Sie bringen den Durchfuumlhrenden die Perspektive der
Zielgruppe naumlher Im Idealfall fuumlhrt der Einsatz von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren
zur Aktivierung der Zielgruppe die ihr selbstbestimmtes Handeln auch auf andere Bereiche
ausdehnen kann (vgl Stickan-Verfuumlrth 2005 S 108) Diesem Modell sehr aumlhnlich ist das
Modell des Peer-Counseling Hier stehen Mitglieder der Zielgruppe in beratender Funktion
ihrer Peer-Gruppe zur Verfuumlgung
453 Verknuumlpfung von Betrieblicher Gesundheitsfoumlrderung und Gesundheitsfoumlrderung in
Werkstaumltten fuumlr behinderte Menschen
Eine Uumlbertragung der Idee der Betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung auf die Gesundheitsfoumlrde-
rung in WfbMs scheint in der Tat realisierbar Den rechtlichen und finanziellen Rahmen hier-
fuumlr hat das 2015 beschlossene Praumlventionsgesetz geschaffen (siehe 33) Im Entwurf der Bun-
desregierung wird in der Anmerkung zum neuen sect 20 Abs 4 SGB V explizit darauf hinge-
wiesen dass Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung auch in WfbMs zum Leistungsspektrum der
Krankenkassen gehoumlrt (vgl Deutscher Bundestag 2015 S 34) Eine Etablierung hiervon in
der Praxis haumlngt in erster Linie neben den Krankenkassen auch von den Leitungen der WfbMs
ab Sollten diese hierfuumlr und auch gegenuumlber partizipativen Strukturen offen sein waumlre der in
351 kurz vorgestellte Gesundheitszirkel ein passender Startpunkt um von Beginn an auch
die Partizipation der Beschaumlftigten zu gewaumlhrleisten Analog zum Konzept der BGF koumlnnten
gemeinsam Maszlignahmen erarbeitet werden die die Gesundheit der Beschaumlftigten foumlrdern wuumlr-
den Den Vertreterinnen und Vertretern der Beschaumlftigten die im Gesundheitszirkel mitwir-
ken koumlnnte dabei die Rolle von Peer-Multiplikatorinnen und -Multiplikatoren zukommen
Als Effekte duumlrften die in 351 beschriebenen auch hier zu erwarten sein eine Verbesserung
der Gesundheit und eine Staumlrkung der gesundheitlichen Ressourcen eine Verringerung der
krankheitsbedingten Fehltage eine staumlrkere Identifikation der Beschaumlftigten mit der Werk-
33
statt ein besseres Arbeitsklima eine houmlhere Motivation und Arbeitszufriedenheit und eine
Steigerung der Produktivitaumlt
Es empfiehlt sich im Sinne der Partizipation und des Empowerments kein reines top-down-
Programm zu starten sondern einen bottom-up-Ansatz zu waumlhlen bzw zumindest mehrere
Elemente dessen einzubauen Als Anknuumlpfungspunkt koumlnnen bereits bestehende begleitende
Maszlignahmen mit passender Thematik genommen werden
Wie bdquonormaleldquo Betriebe koumlnnten auch WfbMs Kooperationen in ihrem raumlumlichen Umfeld
aufbauen und von Vernetzungen profitieren Aufgrund ihrer Groumlszlige sind sie in ihrem Sozial-
raum ein meist nicht zu unterschaumltzender Akteur
34
5 Fazit und Ausblick
Ausgehend von einem bio-psycho-sozialen Verstaumlndnis von Gesundheit wurden verschiedene
Aspekte der Gesundheitsfoumlrderung vertieft und anschlieszligend eine Verknuumlpfung zur Gesund-
heitsfoumlrderung mit behinderten Menschen hergestellt Hierbei lag der Fokus auf gesundheits-
foumlrdernden Maszlignahmen in WfbMs Dabei wurde die aktuelle Literatur zu Rate gezogen In-
ternetauftritte einiger Werkstaumltten durchsucht und Stimmen aus dem Feld von Mitarbeiterin-
nen und Mitarbeitern sowie Beschaumlftigten von Werkstaumltten gewonnen
Die Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung ist noch immer relativ schwach
ausgebaut Dies stellt sich besonders vor dem Hintergrund als problematisch dass behinderte
Menschen haumlufig anfaumllliger fuumlr Krankheiten sind und durchschnittlich uumlber einen subjektiv als
schlechter bewerteten Gesundheitsstatus verfuumlgen als nichtbehinderte Menschen Wie viele
sozial benachteiligte Gruppen sind sie verhaumlltnismaumlszligig schwer zu erreichen fuumlr gesundheits-
foumlrdernde Maszlignahmen Obwohl es in der Erreichbarkeit mehrere Probleme gibt verfuumlgen
Menschen mit Behinderung auf der anderen Seite uumlber groszlige Potentiale Das neue Praumlventi-
onsgesetz ist ein erheblicher Fortschritt bei der Finanzierung gesundheitsfoumlrdernder Maszlignah-
men Sogar eine Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung in Werkstaumltten ist wenn auch nicht ex-
plizit verankert so doch zumindest gewuumlnscht
Gelingende Gesundheitsfoumlrderung muss sich im Allgemeinen und auch bei der Arbeit mit
behinderten Menschen an bestimmten Prinzipien messen lassen Besonders wichtig vor dem
gesellschaftlichen Hintergrund ist hier die Partizipation der Menschen mit Behinderung und
damit einhergehend das Empowerment dieser Beide wirken sich positiv auf die Qualitaumlt der
gesundheitsfoumlrdernden Maszlignahmen aus gehen jedoch auch daruumlber hinaus Sie koumlnnen Men-
schen mit Behinderungen auch auf gesellschaftlicher Ebene empowern sodass ihnen eine
groumlszligere gesellschaftliche Teilhabe zukommt Somit erlangt Gesundheitsfoumlrderung auch vor
dem Hintergrund der Inklusion eine hohe Relevanz
In WfbMs ist gezielte Gesundheitsfoumlrderung bisher wenig verbreitet Einzelne Projekte sind
eher die Ausnahme denn die Regel Jedoch sind die Potentiale der Werkstaumltten enorm Das
Personal scheint haumlufig offen fuumlr Maszlignahmen zu sein und gerade die Strukturen der beglei-
tenden Maszlignahmen lieszligen eine relativ einfache Integration von Maszlignahmen zur (betriebli-
chen) Gesundheitsfoumlrderung zu Bestehende begleitende Maszlignahmen in welchen Sport oder
Bildungsangebote zu gesunder Ernaumlhrung angeboten werden koumlnnten ohne uumlbermaumlszligigen
Aufwand zu gezielten Maszlignahmen fuumlr Gesundheitsfoumlrderung ausgebaut werden Nachholbe-
darf bestuumlnde hier vor allem auf dem Gebiet der Partizipation Nur selten scheinen die Be-
35
schaumlftigten in Konzeption Planung Durchfuumlhrung und Evaluation aktiv eingebunden zu sein
In bestimmten Phasen wie etwa der Konzeption und besonders der Evaluation scheint aktive
Teilhabe noch uumlberhaupt nicht verankert zu sein Eine staumlrkere Partizipation in allen Berei-
chen waumlre mit houmlherem Arbeits- und Kostenaufwand verbunden welcher durch eine Einbin-
dung der Krankenkassen moumlglicherweise aufgefangen werden koumlnnte Die Partizipation foumlr-
dern wuumlrde auch die Etablierung von Peer-Beratung und Peer-Multiplikatorinnen und
-Multiplikatoren Diesen kaumlme beim Zugang zur Zielgruppe eine Schluumlsselfunktion zu und
gleichzeitig koumlnnten sie Bedarfe und Beduumlrfnisse dieser gegenuumlber den anderen Akteuren
kommunizieren Auch wenn es bisher keine konkreten ausgearbeiteten Konzepte zur Gesund-
heitsfoumlrderung in WfbMs gibt koumlnnten bestehende Konzepte zur Betrieblichen Gesundheits-
foumlrderung eventuell leicht uumlberarbeitet fuumlr Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung in Werkstaumltten
analog angewendet werden
Die Potentiale und Moumlglichkeiten zur Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung
in WfbMs sind also mannigfaltig und haumlufig vorhanden Auf diesen koumlnnte aufgebaut werden
um behinderten Menschen das Recht auf das in Artikel 25 der UN-BRK festgeschriebene bdquoer-
reichbare Houmlchstmaszlig an Gesundheitldquo zu ermoumlglichen
Gesundheitsfoumlrderung ist mehr als Werbeplakate an Bus- oder Straszligenbahnhaltestellen und
Clips im Aktuellen Sportstudio sie ist mehr als Sportangebote und Angebote zu gesunder
Ernaumlhrung sie ist auch ein Weg zum Erreichen eines Menschenrechtes das Recht auf Ge-
sundheit
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on In Zeitschrift fuumlr Inklusion-online o JgHeft 2 Im Internet unter
httpwwwinklusion-onlinenetindexphpinklusion-onlinearticleview1313 (Abrufda-
tum 15082015)
Strauch StefanieSchliermann Rainer (2010) Effekte eines Sport- und Bewegungsangebotes
auf die Motorik und das Koumlrperselbstkonzept bei Erwachsenen mit geistiger Behinderung
In Heilpaumldagogische Forschung 36 BandHeft 2 S 54 ndash 64
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Anhang
Nr 1 Abbildung zu den Hauptdeterminanten der Gesundheit nach DahlgreenWhitehead
2007 S 11
Nr 2 Befragung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Beschaumlftigten der WfbMs
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Nr 1 Abbildung zu den Hauptdeterminanten der Gesundheit nach DahlgreenWhitehead
2007 S 11
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Nr 2 Befragung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Beschaumlftigten der WfbMs
Um moumlglichst effizient die Stimmen aus vier WfbMs unterschiedlicher Traumlger zu erheben
wurden diese auf dem Infotag der LAG WfbM Berlin am 17112015 gesammelt Hier waren
verschiedene Werkstaumltten mit Informationsstaumlnden vertreten Gewaumlhlt wurden die Werkstaumlt-
ten an deren Staumlnden der Verfasser zuerst vorbeilief Die gestellten Fragen waren stets die-
selben
Den Vertretern der Werkstatt wurde zugesichert dass ihr Name nicht in der vorliegenden Ar-
beit genannt wird lediglich ihre Position in der Werkstatt wird erwaumlhnt Es wurden auszligerdem
keine weiteren Personendaten erhoben
Wenn moumlglich sollten auszligerdem fuumlnf Beschaumlftige pro WfbM befragt werden Hierfuumlr wurde
am Ende des kurzen Interviews um Erlaubnis gefragt Den Beschaumlftigten wurden andere Fra-
gen gestellt als dem Werkstattpersonal jedoch erhielten alle Beschaumlftigten dieselben Fragen
untereinander Den Beschaumlftigen wurde komplette Anonymitaumlt in der vorliegenden Arbeit
zugesichert und es wurden keine personenbezogenen Daten abgefragt Zuerst wurde nach
ihrem Verstaumlndnis von Gesundheitsfoumlrderung gefragt Vor den Fragen 2 bis 5 wurde kurz
erklaumlrt wie Gesundheitsfoumlrderung verstanden werden kann um davon ausgehend die restli-
chen Fragen zu beantworten
Bei saumlmtlichen Interviews wurde auf Transkriptionen verzichtet es wurden lediglich die
Kernaussagen mitgeschrieben
Im Folgenden finden sich exemplarisch die jeweils gestellten Fragen
44
Fragen an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der WfbM
Name der WfbM
Position der befragten Person Begleitender Dienst
1 Was verstehen Sie unter Gesundheitsfoumlrderung
2 Was bieten Sie im Rahmen der Gesundheitsfoumlrderung an
3 Wie werden die Maszlignahmen angenommen
4 Wuumlrden Sie gerne mehr anbieten oder finden Sie die Angebote ausreichend
5 Gibt es Schwierigkeiten
6 Wie steht es um die Partizipation in den Angeboten (Werden die Angebote von Beschaumlf-
tigten mitentwickelt mitevaluiert etc)
7 Werden die Angebote evaluiert
45
Fragen an die Beschaumlftigen der WfbM
Name der WfbM
Datum
1 Wissen Sie was Gesundheitsfoumlrderung ist Wenn ja wie wuumlrden sie es beschreiben
[Moumlgliche Erklaumlrung fuumlr Beschaumlftigte die sich nichts unter Gesundheitsfoumlrderung vorstellen
koumlnnen Zur Gesundheitsfoumlrderung gehoumlrt alles was fuumlr Ihre Gesundheit gut ist zB Kur-
seMaszlignahmen usw die mit Bewegung Ernaumlhrung Wohlfuumlhlen am Arbeitsplatz oder Ent-
spannen zu tun haben]
2 Welche Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung werden Ihnen von der Werkstatt angebo-
ten
3 Werden Ihrer Meinung nach genuumlgend Angebote zur Gesundheitsfoumlrderung in der Werk-
statt angeboten
4 Duumlrfen Sie bei der Entwicklung und Evaluation (Auswertung am Ende) mitbestimmen
5 Was sind Ihre Wuumlnsche bezuumlglich der Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung
13
heitsfoumlrderung) vorldquo5 Zurecht weist die Bundesaumlrztekammer in ihrer Stellungnahme zum
neuen Praumlventionsgesetz darauf hin dass diese Definition von Gesundheitsfoumlrderung nicht
umfassend genug ist da die Staumlrkung von Gesundheitsressourcen und ndashpotenzialen unerwaumlhnt
bleibt (vgl Bundesaumlrztekammer 2014 S 3) Die gesetzliche Krankenversicherung ist in
Deutschland von den Sozialversicherungszweigen finanziell mit Abstand am staumlrksten an der
Gesundheitsfoumlrderung beteiligt Gesetzlich verpflichtet war auszligerdem bisher nur die gesetzli-
che Unfallversicherung sodass die Beteiligung nicht-oumlffentlicher gemeinnuumltziger Traumlger wie
bspw Stiftungen zunehmend an Bedeutung gewinnt Der groumlszligte Teil der finanziellen Mittel
stammt allerdings aus oumlffentlichen Mitteln (vgl AltgeldKolip 2010 S 54) Durch das Prauml-
ventionsgesetz sind die gesetzlichen Krankenkassen nun nach sect 20 Abs 6 SGB V verpflich-
tet ab dem Jahr 2016 pro Versicherten 700 Euro statt wie im Jahr 2015 317 Euro fuumlr Praumlven-
tion und Gesundheitsfoumlrderung auszugeben Davon entfallen je 200 Euro auf Leistungen zur
Gesundheitsfoumlrderung und Praumlvention in Lebenswelten nach sect 20a SGB V und Betriebliche
Gesundheitsfoumlrderung nach sect 20b SGB V Das Praumlventionsgesetz sieht dabei eine Betriebli-
che Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen in WfbMs vor bdquoMit den Leistungen
[primaumlre Praumlvention und Gesundheitsfoumlrderung MP] sollen auch Menschen mit Behinde-
rung erreicht werden zB mit Leistungen zur betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung in Werk-
staumltten fuumlr behinderte Menschenldquo (Deutscher Bundestag 2015 S 34) Dies geht aus der vom
Deutschen Bundestag veroumlffentlichten Erlaumluterung zum Gesetzentwurf hervor
Die gesetzlichen Krankenkassen (unter Umstaumlnden auch die privaten Krankenkassen) sollen
des Weiteren mit den Traumlgern der Pflegeversicherung der Unfallversicherung und der Gesetz-
lichen Rentenversicherung eine bdquoNationale Praumlventionsstrategieldquo entwickeln (sect 20d SGB V)
die in der bdquoNationalen Praumlventionskonferenzldquo (sect 20e SGB V) ausgearbeitet und weitergefuumlhrt
wird In beiden Paragraphen geht es auch um Strategien der Gesundheitsfoumlrderung
Die gesetzlichen Pflegekassen sind nach sect 5 SGB XI fortan verpflichtet im Jahr 030 Euro je
Versicherter und Versichertem zur Gesundheitsfoumlrderung und Praumlvention in stationaumlren Pfle-
geeinrichtungen zu investieren
Eine gesetzliche Verankerung der Partizipation in der Gesundheitsfoumlrderung durch das Prauml-
ventionsgesetz ist hingegen ausgeblieben Ausgehend von der Annahme dass Gesundheits-
foumlrderung effektiver ist wenn die Zielgruppe an der Planung Durchfuumlhrung und Evaluation
5 Die Novellierung der sectsect 20ff SGB V ist eine Folge des 2015 verabschiedeten Gesetzes zur Staumlrkung der Ge-
sundheitsfoumlrderung und der Praumlvention Dieses ist im Internet verfuumlgbar unter
httpwwwbgbldexaverbgblstartxavstartbk=Bundesanzeiger_BGBlampjumpTo=bgbl115s1368pdf__bgbl__
2F2F[40attr_id3D27bgbl115s1368pdf27]__1446046078671 (Abrufdatum 28102015)
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der Maszlignahme partizipiert (vgl FaltermaierWihofszky 2012 S 108) waumlre eine gesetzliche
Verankerung der Partizipation vorteilhaft gewesen
Das Recht auf Leistungen zur Gesundheitsfoumlrderung ergibt sich fuumlr Menschen mit Behinde-
rung auch aus der UN-BRK welche im Jahre 2009 von der Bundesrepublik Deutschland rati-
fiziert wurde In Artikel 25 heiszligt es hier bdquoDie Vertragsstaaten anerkennen das Recht von
Menschen mit Behinderungen auf das erreichbare Houmlchstmaszlig an Gesundheit ohne Diskrimi-
nierung aufgrund von Behinderungldquo Dieses houmlchsterreichbare Maszlig kann nur erreicht werden
wenn Menschen mit Behinderung konsequent in Maszlignahmen der Gesundheitsfoumlrderung ein-
bezogen werden Deutschland verpflichtet sich in Artikel 25 a) der UN-BRK behinderten
Menschen bdquoeine unentgeltliche oder erschwingliche Gesundheitsversorgung in der derselben
Bandbreite von derselben Qualitaumlt und auf demselben Standard zur Verfuumlgung [zu stellen]
wie anderen Menschen [hellip]ldquo Dies umfasst nicht nur kurative und rehabilitative Maszlignahmen
sondern auch solche zur Praumlvention und Foumlrderung der Gesundheit
34 Gesundheitsfoumlrderung in Settings
Da der Fokus dieser Arbeit auf der Gesundheitsfoumlrderung in WfbMs liegt werden nun einige
Aspekte zur Gesundheitsfoumlrderung in Settings also Lebenswelten genauer thematisiert
bdquoEin Setting ist ein Sozialzusammenhang in dem Menschen sich in ihrem Alltag aufhalten
und der Einfluss auf ihre Gesundheit hat Dieser soziale Zusammenhang ist relativ dauerhaft
und seinen Mitgliedern auch subjektiv bewusstldquo (HartungRosenbrock 2015 oS) Diese kur-
ze Definition enthaumllt die wichtigsten Merkmale eines Settings Jeder Mensch bewegt sich
folglich in verschiedenen Settings zB seiner Arbeitswelt seinem Wohnumfeld oder seinem
Freizeitbereich Dabei hat jedes Setting Einfluss auf die Menschen die sich in ihm bewegen
wie auch jeder Mensch gleichzeitig das jeweilige Setting beeinflusst Gesundheit ist hierbei
als ein wichtiges alltaumlgliches Element des jeweiligen Settings zu sehen und nicht ausschlieszlig-
lich als essenzielles und abstraktes Ziel (vgl RoumlmischWalther 2015 S 5 AltgeldKolip
2010 S 49) Dies betont auch die salutogenetische Position nach der jeder Mensch zu jedem
Zeitpunkt zumindest ein gewisses Maszlig an Gesundheit inne hat (vgl Antonovsky 1997 S 23)
Bereits in der Ottawa-Charta wird als eine Strategie zur Gesundheitsfoumlrderung bdquoGesundheits-
foumlrderliche Lebenswelten schaffenldquo (WHO 1986 S 3) genannt Elf Jahre spaumlter verdeutlicht
die Jakarta-Erklaumlrung die Wirksamkeit dieser Strategie bdquoDer wissenschaftliche Erkenntnis-
15
stand zeigt deutlich daszlig [hellip] insbesondere Settings [hellip] gute Moumlglichkeiten zur praktischen
Umsetzung solcher umfassenden Strategien bietenldquo (WHO 1997 S 3)
Dies mag va daran liegen dass eher schwer erreichbare Zielgruppen der Gesundheitsfoumlrde-
rung in ihren Lebenswelten relativ gut erreicht werden koumlnnen (vgl FaltermaierWihofszky
2012 S 110) Zu diesen Zielgruppen gehoumlren va sozial benachteiligte Menschen wie etwa
Menschen mit Migrationshintergrund in Armut lebende Menschen oder Menschen mit Be-
hinderungen Da das deutsche Gesundheitssystem stark mittelschichtsorientiert ist sind diese
schwerer zu erreichen als wohlhabendere Bevoumllkerungsschichten (vgl Stickan-Verfuumlrth 2005
S 105106) Besonders problematisch ist dies vor dem Hintergrund zu sehen dass gerade
sozial benachteiligte Menschen wie bereits erwaumlhnt haumlufig uumlber eine schlechtere Gesundheit
verfuumlgen
35 Gesundheitsfoumlrderung in der Lebenswelt bdquoArbeitldquo
Fuumlr eine Gesundheitsfoumlrderung in der Lebenswelt bdquoArbeitldquo sind besonders zwei Strategien
relevant die Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung (BGF) und das Betriebliche Gesundheitsma-
nagement
Die Begriffe bdquoBetriebliche Gesundheitsfoumlrderungldquo und bdquoBetriebliches Gesundheitsmanage-
mentldquo werden in der Literatur zT sehr unterschiedlich interpretiert Die Bandbreite reicht
hier von einer beinahe synonymen Verwendung bis hin zu einer klaren Abgrenzung Die hier
vorgenommene Unterscheidung ist dabei nur eine Moumlglichkeit unter mehreren
351 Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung
Als Grundsatzdokument der Betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung in Deutschland gilt heute
die Luxemburger Deklaration zur betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung in der Europaumlischen
Union aus dem Jahr 1997 Sie legt Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung wie folgt fest bdquoBe-
triebliche Gesundheitsfoumlrderung (BGF) umfasst alle gemeinsamen Maszlignahmen von Arbeit-
gebern Arbeitnehmern und Gesellschaft zur Verbesserung von Gesundheit und Wohlbefinden
am Arbeitsplatzldquo (Unternehmensnetzwerk zur betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung in der Eu-
ropaumlischen Union eV 2007 S 2 eigene Paginierung) Als Wege hierfuumlr sieht die Luxem-
burger Deklaration va drei Pfade welche in ihrer Verknuumlpfung am effektivsten scheinen die
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Verbesserung der Arbeitsorganisation und der Arbeitsbedingungen die Staumlrkung der Partizi-
pation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und die Unterstuumltzung im Aufbau und der Wei-
terentwicklung persoumlnlicher Kompetenzen (vgl Unternehmensnetzwerk zur betrieblichen
Gesundheitsfoumlrderung in der Europaumlischen Union eV 2007 S 2)
Die Auswirkungen Betrieblicher Gesundheitsfoumlrderung sind mannigfaltig und durch Studien
belegt So kann hier aufgrund der verbesserten Gesundheit und der staumlrkeren Gesundheitsres-
sourcen eine Verringerung der Fehltage aufgrund von Krankheit angefuumlhrt werden Aber auch
die Wertschaumltzung und Fuumlrsorge durch den Betrieb koumlnnen eine staumlrkere Identifikation der
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit dem jeweiligen Unternehmen hervorrufen (vgl Si-
monHegerReszies 2011 S 3738) Dies hat ua ein besseres Arbeitsklima eine houmlhere Mo-
tivation und Arbeitszufriedenheit und daraus resultierend eine Steigerung der Produktivitaumlt
zur Folge (vgl Unternehmensnetzwerk zur betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung in der Euro-
paumlischen Union eV 2007 S 3) Diese positiven Effekte entfalten teilweise erst laumlngerfristig
ihre Wirkung Somit sind sie fuumlr das Unternehmen eine langfristige Investition die allerdings
Gefahr laumluft kurzfristigen betriebswirtschaftlichen Interessen entgegenzulaufen (vgl Rosen-
brockHartung 2015 oS)
Als Maszlignahmen der Betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung eignen sich sowohl verhaltens- als
auch verhaumlltnisbezogene Maszlignahmen Eine Kombination aus beiden waumlre im Sinne der
Ganzheitlichkeit durchaus gewinnbringend
Eine gesetzliche Verpflichtung fuumlr Unternehmen zur Betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung gibt
es fuumlr Unternehmen in Deutschland nicht Wie in Punkt 33 bereits erwaumlhnt ist der rechtliche
Zusammenhang in sect 20b Abs 1 Satz 2 SGB V geregelt bdquoHierzu erheben sie [die Kranken-
kassen MP] unter Beteiligung der Versicherten und der Verantwortlichen fuumlr den Betrieb
sowie der Betriebsaumlrzte und der Fachkraumlfte fuumlr Arbeitssicherheit die gesundheitliche Situation
einschlieszliglich ihrer Risiken und Potenziale und entwickeln Vorschlaumlge zur Verbesserung der
gesundheitlichen Situation sowie zur Staumlrkung der gesundheitlichen Ressourcen und Faumlhig-
keiten und unterstuumltzen deren Umsetzungldquo Nach sect 20 Abs 6 Satz 2 sind die Krankenkassen
dazu verpflichtet pro Versicherter und Versichertem 200 Euro im Jahr in Maszlignahmen zur
Betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung zu investieren
Obwohl der Nutzen Betrieblicher Gesundheitsfoumlrderung sowohl fuumlr die Belegschaft als auch
fuumlr das jeweilige Unternehmen selbst nachgewiesen ist (vgl RosenbrockHartung 2015 oS)
es sich also um eine Win-Win-Situation handelt ist ihre Verbreitung in Deutschland noch
eher gering Das liegt zum einen daran dass Unternehmen nicht zur Betrieblichen Gesund-
heitsfoumlrderung verpflichtet sind und diese daher auf Freiwilligkeit aller Akteure beruht Zum
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anderen liegt es daran dass es sich um einen vielschichtigen Prozess handelt der durch inter-
ne externe oumlkonomische oder betriebspolitische Veraumlnderungen beeintraumlchtigt werden kann
(vgl RosenbrockHartung 2015 oS)
Fuumlr eine gelingende BGF ist Partizipation unumgaumlnglich denn nur so wird sichergestellt dass
moumlglichst viele Akteure besonders die Zielgruppe der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter er-
reicht wird (SimonHegerReszies 2011 S 46) Ein wichtiges Element hierbei ist der sog
bdquoGesundheitszirkelldquo Dieser setzt sich zusammen aus Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des
Betriebs wobei moumlglichst verschiedene Arbeitsbereiche und Hierarchieebenen vertreten sein
sollten Die Groumlszlige sollte dabei uumlberschaubar bleiben zB zwischen fuumlnf und acht Teilneh-
menden evtl ergaumlnzt durch einen externen Experten Im Zuge einer angestrebten Versteti-
gung von Gesundheitsfoumlrderung im Betrieb sind regelmaumlszligige Treffen sinnvoll (vgl Si-
monHegerReszies 2011 S 64 ndash 69) Um eine moumlglichst umfassende Partizipation zu ge-
waumlhrleisten empfiehlt es sich den Gesundheitszirkel von Beginn an also der Phase der Pla-
nung mit einzubeziehen Fuumlr eine Gesundheitsfoumlrderung in WfbMs scheint eine analoge An-
wendung des Konzeptes Gesundheitszirkel sowohl moumlglich als auch sinnvoll um von Beginn
an partizipative Strukturen zu etablieren
352 Betriebliches Gesundheitsmanagement
In der Literatur wird der Begriff des Betrieblichen Gesundheitsmanagements sehr unter-
schiedlich interpretiert Schlummer interpretiert ihn beinahe synonym zur Betrieblichen Ge-
sundheitsfoumlrderung wobei lediglich der Faktor der Arbeitssicherheit eine staumlrke Beruumlcksichti-
gung im Gesundheitsmanagement findet (vgl Schlummer 2015 S 35) Die Luxemburger
Deklaration hingegen sieht Arbeits- und Gesundheitsschutz in Unternehmen als Teil der Be-
trieblichen Gesundheitsfoumlrderung (vgl Unternehmensnetzwerk zur betrieblichen Gesund-
heitsfoumlrderung in der Europaumlischen Union eV 2007 S 4) In der vorliegenden Arbeit wird
der Arbeits- und Gesundheitsschutz ebenfalls unter der Strategie der Betrieblichen Gesund-
heitsfoumlrderung gesehen da er dem Verstaumlndnis von BGF als bdquoMaszlignahmen von Arbeitgebern
Arbeitnehmern und Gesellschaft zur Verbesserung von Gesundheit und Wohlbefinden am
Arbeitsplatzldquo (Unternehmensnetzwerk zur betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung in der Europauml-
ischen Union eV 2007 S 2) entspricht Fuumlr die Abgrenzung zwischen den beiden Begriffen
scheint dieser Aspekt zweitrangig Im Vordergrund liegt eher der jeweilige Charakter der
Strategie
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Gesundheitsmanagement in Betrieben kann als bdquo[b]ewusste Steuerung und Integration aller
betrieblichen Prozesse mit dem Ziel der Erhaltung und Foumlrderung der Gesundheit und des
Wohlbefindens der Beschaumlftigtenldquo (HannackRaumlder 2011 S 434) gesehen werden Dieses
Konzept scheint mit Vor- und Nachteilen einherzugehen Da saumlmtliche betriebliche Prozesse
die als der Gesundheit foumlrderlich gelten hierunter fallen sind auch individuelle Maszlignahmen
wie bspw das Betriebliche Eingliederungsmanagement nach sect 84 Abs 2 SGB IX mit inbe-
griffen Bei diesem geht es in erster Linie nicht um eine Erhaltung oder Verbesserung der
Gesundheit sondern um eine Vorbeugung von Arbeitsunfaumlhigkeit undoder den Erhalt eines
Arbeitsplatzes Ebenfalls positiv kann die Implementierung gesundheitsorientierter Prozesse
und Strukturen in das generelle Management eines Unternehmens gesehen werden Dadurch
scheint auszligerdem die Dauerhaftigkeit von gesundheitsfoumlrderlichen Maszlignahmen besser er-
reichbar als bei der BGF Hier haben Maszlignahmen meist den Charakter eines zeitlich befriste-
ten Projektes (vgl SlesinaBohley 2011 S 627) Der groszlige Nachteil des Betrieblichen Ge-
sundheitsmanagements liegt in der Gefahr dass sog top-down-Strukturen die Uumlberhand ge-
winnen (vgl Faller 2010 S 25 zit nach RosenbrockHartung 2015 oS) Top-down-
Strukturen in der Gesundheitsfoumlrderung zeichnen sich dadurch aus dass eine Person von
bdquoobenldquo eine Maszlignahme einleitet und im schlimmsten Fall bdquoaufoktroyiertldquo Dies kann mangels
Partizipation der Zielgruppe zu Ablehnung bei dieser fuumlhren
Fuumlr eine Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung in WfbMs scheint ndash zumin-
dest im Moment ndash der Weg der BGF geeigneter Hier sind zum einen in der Theorie groszlige
Potentiale fuumlr Partizipation gegeben Zum anderen ist das Thema der systematischen Gesund-
heitsfoumlrderung mit behinderten Menschen in Institutionen der Behindertenhilfe bisher kaum
verbreitet (siehe 44) Eine sofortige Implementierung des Betrieblichen Gesundheitsmana-
gements wuumlrde die meisten Einrichtungen uumlberfordern und vor den Kopf stoszligen Auf lange
Sicht scheint dies aber ein wuumlnschenswertes Ziel zu sein welches Schritt fuumlr Schritt erreicht
werden sollte
19
4 Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung
Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen ist bisher in der Praxis der sog bdquoBehinder-
tenhilfeldquo6 nur aumluszligert selten integriert In der wissenschaftlichen Literatur sind in den letzten
Jahren einige Beitraumlge erschienen die sich diesem Thema widmen Es soll nun zuerst darge-
stellt werden in welchem Verhaumlltnis Gesundheit und Behinderung zueinander stehen bevor
auf die Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen eingegangen wird Der Fokus dieser
Arbeit liegt auf der Gesundheitsfoumlrderung in WfbMs In diesem Zusammenhang wird der
Stand der Literatur kurz dargestellt eine kurze Analyse von Leitbildern einzelner Werkstaumltten
vorgenommen und einige Stimmen aus der Praxis wiedergegeben Aufgrund des knappen
Rahmens dieser Arbeit muss sich dies auf das Bundesland Berlin beschraumlnken und erhebt kei-
nen Anspruch auf empirische Vollstaumlndigkeit Vielmehr versteht es sich als eine kleine Feld-
befragung die als ein erster Impuls gesehen werden kann
41 Behinderte Menschen und Gesundheit und Krankheit ndash sozialmedizinische Erkenntnisse
Zunaumlchst muss festgehalten werden dass eine Behinderung keine Krankheit ist Auch ein
schwer behinderter Mensch kann sich sehr gesund fuumlhlen Der wesentliche Unterschied zwi-
schen einer Behinderung und einer Krankheit liegt darin dass bei einer Behinderung die Teil-
habe am Leben in der Gesellschaft langfristig beeintraumlchtigt ist bei einer Erkrankung hinge-
gen nicht oder nur kurzfristig7 Das hier vorliegende Verstaumlndnis in der Unterscheidung bei-
der Begriffe ist vordergruumlndig eher ein soziales denn eine medizinische Abgrenzung
Es existieren verschiedene und teilweise weitreichende gesundheitliche Unterschiede zwi-
schen Menschen mit Behinderungen und Menschen ohne Behinderungen Um diese auch in
ihrem Ursprung erklaumlren zu koumlnnen reicht der bdquotraditionelleldquo bio-medizinische Blick nicht
aus da er zu kurz greift Er muss um die sozialmedizinische Sichtweise ergaumlnzt werden
An dieser Stelle sollte allerdings darauf hingewiesen werden dass die folgende Darstellung
den Gesundheitszustand groszliger heterogener Gruppen von Menschen abbildet und die ge-
troffenen Aussagen daher nicht auf jeden Einzelfall anwendbar sind
6 Dieser Begriff impliziert durch den Wortteil bdquo-hilfeldquo ein Maumlchteungleichgewicht welches einer wahren Parti-
zipation der behinderten Menschen im Wege steht 7 Sollte eine chronische Krankheit einen Menschen in seiner Teilhabe langfristig einschraumlnken kann sie durch-
aus auch als Behinderung gesehen werden
20
Der Teilhabebericht des Bundesministeriums fuumlr Arbeit und Soziales (BMAS) kommt zu dem
Ergebnis dass Menschen mit Behinderungen ihre Gesundheit haumlufig schlechter einschaumltzen
als Menschen ohne Behinderungen Dies gilt auch fuumlr das psychische Wohlbefinden welches
im ganzheitlichen Verstaumlndnis von Gesundheit das dieser Arbeit zugrunde liegt (siehe 22)
ebenfalls Teil der Gesundheit ist Auch hat ein Mensch mit Behinderung in Deutschland im
Durchschnitt mehr Krankheitstage8 als ein nicht behinderter Mensch Menschen mit Behinde-
rung konsultieren statistisch betrachtet in einem bestimmten Zeitraum haumlufiger einen Arzt als
die durchschnittliche Bevoumllkerung Dies duumlrfte ua an dem als schlechter wahrgenommenen
Gesundheitszustand liegen aber auch an der Komorbiditaumlt bestimmter Behinderungen Bzgl
des Rauchverhaltens Alkoholkonsums und einer gesundheitsbewussten Ernaumlhrung bestehen
nur relativ geringe Unterschiede zur Gesamtbevoumllkerung Auffaumlllig ist lediglich dass die
Gruppe der 18- bis 29-Jaumlhrigen Menschen mit Behinderung zu einem houmlheren Anteil regel-
maumlszligig raucht Alkohol trinkt und seltener auf gesunde Ernaumlhrung achtet In den anderen Al-
tersgruppen bestehen kaum nennenswerte Unterschiede (vgl BMAS 2013 S 192 ndash 204)
Menschen mit Behinderungen haben im Durchschnitt eine geringere Lebenserwartung wobei
es hier Unterschiede zwischen einzelnen Syndromen gibt (vgl MarksSisirakHeller 2010
S 3) Bei einigen kann die jeweilige Behinderung selbst der Ausloumlser sein jedoch besteht
besonders bei Menschen mit Lernschwierigkeiten die Gefahr dass Krankheiten nicht richtig
erkannt oder nur unzureichend behandelt werden (vgl Lennox 2002 S 230) Ausschlagge-
bend hierfuumlr duumlrfte sein dass im Gesundheitsbereich verschiedenste Barrieren existieren Zum
Beispiel ist nur ein Teil der Arztpraxen barrierefrei wobei besonders haumlufig passende Unter-
suchungsmoumlbel und Informationsmaterial in Leichter Sprache fehlen (vgl BMAS 2013
S 200201) Ebenfalls negativ wirkt sich aus dass Aumlrzte teilweise unsicher im Umgang mit
Menschen mit Lernschwierigkeiten sind und diese zT auszligerdem ihre Symptome nicht praumlzi-
se genug beschreiben koumlnnen oder uumlber eine geringer differenzierte Wahrnehmung des eige-
nen Koumlrpers verfuumlgen als Menschen ohne Behinderung (vgl SchmidtReker 2014 S 28)
Des Weiteren haben Menschen mit Lernschwierigkeiten statistisch gesehen haumlufiger Uumlberge-
wicht als der Durchschnitt der Bevoumllkerung Hier muss jedoch beruumlcksichtigt werden dass
mit bestimmten Syndromen wie bspw dem Down-Syndrom ein veraumlnderter Energiebedarf
aufgrund der geringeren Muskelspannung einhergeht oder das Saumlttigungsgefuumlhl zB beim
Prader-Willi-Syndrom veraumlndert ist (Beange 2002 S 3) Die houmlhere Wahrscheinlichkeit des
Uumlbergewichts besteht statistisch gesehen sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen mit
8 Krankheitstage werden an dieser Stelle des Bundesteilhabeberichtes verstanden als Tage in denen der Mensch
sich subjektiv zu krank gefuumlhlt hat um seinen normalen privaten und beruflichen Taumltigkeiten nachzugehen
21
Lernschwierigkeiten (vgl Reuter 2009 S 13) Eine moumlgliche Ursache hierfuumlr kann auch in
der Tatsache gesehen werden dass Menschen mit Behinderungen durchschnittlich seltener
Sport treiben als nicht behinderte Menschen (vgl BMAS 2013 S 221222)
Ein weiterer bedeutender Zusammenhang zwischen Krankheit und Behinderung ist dass viele
Behinderungen im Sinne von Einschraumlnkungen in der gesellschaftlichen Teilhabe wie auch im
gesetzlichen Verstaumlndnis nach dem SGB IX Folgen von schweren undoder chronischen
Krankheiten sind (vgl SchmidtReker 2014 S 26)
Trotz allem muumlssen auch die vorhandenen Gesundheitspotentiale behinderter Menschen be-
ruumlcksichtigt werden denn an ihnen kann eine gelingende Gesundheitsfoumlrderung ansetzen (vgl
Altgeld 2008 S 8)9 Ein ressourcenorientierter Blick achtet besonders auf die verschiedenen
Potentiale die jedem Menschen (oder auch einer Gruppe von Menschen) innewohnen
Das Verhaumlltnis zwischen Gesundheit und Behinderung haumlngt in Deutschland und vielen Tei-
len der sog westlichen Welt aus sozialmedizinischem Blickwinkel nach wie vor so zusam-
men bdquoWhile a large number of individuals who are in bad health end up with a disability a
large number of persons with disabilities end up with bad healthldquo10
(Rimmer 2009 zit nach
MarksSisirakHeller 2010 S 31) Dieser Chiasmus verdeutlicht zusammenfassend nicht nur
die vorherrschende enge Verbindung zwischen schlechterer Gesundheit und Behinderung
sondern impliziert auch die Notwendigkeit von Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Be-
hinderungen Wie in 31 beschrieben hat Gesundheitsfoumlrderung auch den Abbau gesundheit-
licher Chancenungleichheit zum Ziel
42 Erreichbarkeit von Menschen mit Behinderungen fuumlr gesundheitsfoumlrdernde Maszlignahmen
Fuumlr die Gesundheitsfoumlrderung gelten Menschen mit Behinderungen als schwer zu erreichen
Es sollen nun die wesentlichen Probleme aber auch die vorhandenen Potentiale beschrieben
werden
9 Altgeld bezieht sich in seiner Analyse auf den Gesundheitsmonitor 2007 der Bertelsmann Stiftung Da dieser
Menschen mit Lernschwierigkeiten nicht mit einbezieht sondern vorwiegend koumlrper- und sinnesbeeintraumlchtige
Menschen beruumlcksichtigt koumlnnen seine Schlussfolgerungen nicht fuumlr die gesamte sehr heterogene Gruppe der
behinderten Menschen angewendet werden 10
Waumlhrend eine groszlige Anzahl an Personen welche eine schlechte Gesundheit besitzen eine Behinderung er-
langt erlangt eine groszlige Anzahl an Personen mit Behinderungen eine schlechte Gesundheit (Uumlbersetzung des
Verfassers)
22
421 Probleme bei der Erreichbarkeit
In den bundesweiten Untersuchungen wie bspw dem Sozio-oumlkonomischen Panel (SOEP)
oder Gesundheit in Deutschland aktuell (GEDA) werden Menschen mit Lernschwierigkeiten
idR nicht erreicht Dies hat zur Folge dass sowohl gesundheitliche Potentiale als auch Be-
duumlrfnisse und Bedarfe von Menschen mit Lernschwierigkeiten in der Gesundheitsfoumlrderung
weitgehend unerkannt und dadurch ausgeklammert bleiben (vgl Burtscher 2014 S 4)
Generell gelten behinderte Menschen bisher als schwer zu erreichen fuumlr Maszlignahmen zur Ge-
sundheitsfoumlrderung was verschiedene Gruumlnde hat Sozial benachteiligte Menschen sind sehr
haumlufig eine schwer erreichbare Zielgruppe fuumlr die Gesundheitsfoumlrderung Maszlignahmen auf der
gesamtgesellschaftlichen Ebene werden eher von Menschen mit houmlherem sozialen Status an-
genommen (Hurrelmann 2006 S 164) und erst spaumlter von sozial Benachteiligten internali-
siert Es waumlre jedoch ein Fehler Menschen mit Behinderungen automatisch zur Gruppe der
sozial benachteiligten Menschen zu rechnen Jedoch zeigt der Bundesteilhabebericht dass
behinderte Menschen haumlufiger erwerbslos sind und durchschnittlich weniger Gehalt verdienen
(BMAS 2013 S 141 ndash 149) Dass die finanzielle Lage von Beschaumlftigten der WfbMs beson-
ders prekaumlr ist wird im Punkt 43 naumlher erlaumlutert Diese soziooumlkonomischen Merkmale sind
jedoch nur ein Aspekt Auch gilt es zu bedenken dass besonders Maszlignahmen auf der Verhal-
tensebene bei sozial benachteiligten Menschen oft wenig angenommen werden da sie mit den
eigenen dauerhaften Lebensvorstellungen nicht uumlbereinstimmen (vgl Hurrelmann 2006
S 164) So nehmen Menschen mit Behinderung nur sehr selten an Angeboten oumlffentlicher
Einrichtungen wie bspw Volkshochschulkursen oder Rehabilitations-Sport-Maszlignahmen teil
(vgl Burtscher 2014 S 5)
Ein weiterer Punkt ist dass das Thema Gesundheitsfoumlrderung in der Behindertenarbeit traditi-
onell kaum etabliert war Laut einer Studie aus dem Jahr 2004 sehen Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter in Behinderteneinrichtungen haumlufig wenig Relevanz in Sport Bewegung und Er-
naumlhrung fuumlr die Foumlrderung der Gesundheit behinderter Menschen Daruumlber hinaus schreiben
sie auch Selbstbewusstsein Selbststaumlndigkeit und Selbstbestimmung nur eine untergeordnete
Rolle zu (vgl Gembris-Nuumlbel 2004 S 144) Allerdings besteht die Chance dass diese Ein-
stellung sich in den letzten zehn Jahren veraumlndert hat Die Ergebnisse der im Rahmen dieser
Arbeit durchgefuumlhrten Feldbefragung geben Anlass zu dieser Annahme (siehe 443) Auszliger-
dem ist fuumlr viele Menschen mit Lernschwierigkeiten der Zugang zu Informationen welche
Gesundheitsfoumlrderung thematisieren nur schwer moumlglich Hier sind folglich Vermittlung und
Unterstuumltzung oft notwendig (vgl Gembris-Nuumlbel 2004 S 82)
23
Auch von der Politik wird das Thema der Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen
bisher nur sehr selten thematisiert Seltene Ausnahmen wie zB die 22 Landesgesundheits-
konferenz in Nordrhein-Westfalen weisen jedoch auf die Wichtigkeit von Gesundheitsfoumlrde-
rung hin welche die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben verbessern kann (vgl Ministerium
fuumlr Gesundheit Emanzipation Pflege und Alter des Landes Nordrhein-Westfalen 2013
S 31) Hervorgehoben wird hier auch die (zukuumlnftige) Gestaltung der Informationen damit
diese fuumlr alle zugaumlnglich sind Des Weiteren soll auch das Bewusstsein saumlmtlicher Beteiligten
im Bereich der Gesundheitsfoumlrderung sensibilisiert werden (vgl Ministerium fuumlr Gesundheit
Emanzipation Pflege und Alter des Landes Nordrhein-Westfalen 2013 S 32)
Schon im Grundschulalter werden behinderte Kinder oft nicht erreicht da Gesundheitsfoumlrde-
rung sehr haumlufig nur in Regelgrundschulen und weiterfuumlhrenden Schulen und nicht in separie-
renden Foumlrderschulen stattfindet (vgl Reuter 2009 S 1819)
422 Potentiale fuumlr die Erreichbarkeit
Allerdings muumlssen auch die Potentiale betrachtet werden die fuumlr eine Erreichbarkeit behin-
derter Menschen zur Gesundheitsfoumlrderung vorhanden sind Auch diese bestehen in allen Al-
tersgruppen zB im fruumlhen Schulalter Im Zuge der Inklusion bei der immer mehr Kinder
mit Behinderungen in Regelschulen unterrichtet werden ist zu hoffen dass sie zukuumlnftig haumlu-
figer an Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung teilhaben koumlnnen Solange es (noch) Foumlrder-
schulen gibt muss auch auf deren (oft ungenutztes) Potential fuumlr gesundheitsfoumlrdernde Maszlig-
nahmen hingewiesen werden das in ihrer oft ganztaumlgigen Betreuung und den damit verbun-
denen Ressourcen liegt
Nicht nur in der Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Kindern sind bereits Potentiale vor-
handen Generell weisen Gesundheitsfoumlrderung und Behindertenarbeit sehr groszlige Gemein-
samkeiten in Sprache Prinzipien und Zielen auf Beide zielen letztendlich ab auf Inklusion
Partizipation Empowerment Entwicklung persoumlnlicher Faumlhigkeiten Einbindung in die Ge-
meinde die Neuorientierung von Gesundheitsdienstleistungen und die Foumlrderung von Um-
welten welche Gesundheit und Lebensqualitaumlt verbessern (vgl Lennox 2002 S 231) Es soll
auch darauf hingewiesen werden dass viele behinderte Menschen sehr an Informationen uumlber
Gesundheit interessiert sind und aktiv nach Informationen suchen (vgl Altgeld 2008 S 8)
Abschlieszligend laumlsst sich auffuumlhren dass gerade der Setting-Ansatz wie er in Punkt 34 darge-
stellt wurde eine sehr gute Moumlglichkeit bietet Menschen mit Behinderungen zu erreichen Er
24
bietet einen Zugangspunkt und kann Ausgangslage sein sowohl fuumlr verhaltens- als auch fuumlr
verhaumlltnisorientierte Maszlignahmen zur Foumlrderung der Gesundheit von Menschen mit Behinde-
rungen
Obwohl behinderte Menschen in der Vergangenheit nur selten gezielt an Maszlignahmen zur
Gesundheitsfoumlrderung beteiligt wurden sind doch einige Potentiale vorhanden an denen an-
zuknuumlpfen lohnenswert scheint
43 Das Setting Werkstatt fuumlr behinderte Menschen
WfbMs sind spezielle Einrichtungen fuumlr Menschen mit Behinderungen die nach dem SGB IX
als behindert gelten (siehe 21) Nach sect 136 SGB IX dienen diese Einrichtungen der bdquoTeilhabe
behinderter Menschen am Arbeitsleben [hellip] und zur Eingliederung in das Arbeitslebenldquo
Dadurch sind sie nicht Teil des allgemeinen Arbeitsmarktes da ihre Beschaumlftigten bdquowegen
Art oder Schwere der Behinderung nicht noch nicht oder noch nicht wieder auf dem allge-
meinen Arbeitsmarkt beschaumlftigt werden koumlnnenldquo (sect 136 Abs 1 SGB IX) Ihr Ziel ist es be-
hinderte Menschen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt vorzubereiten Die Beschaumlftigten arbei-
ten in verschiedensten Bereichen zB im Handwerk oder in Taumltigkeiten der elektronischen
Datenverarbeitung je nach persoumlnlicher Neigung Da es sich um kein typisches sozialversi-
cherungspflichtiges Arbeitsverhaumlltnis handelt sondern um ein bdquoarbeitnehmeraumlhnliches
Rechtsverhaumlltnisldquo11
(sect 138 SGB IX) bekommen die Beschaumlftigten keinen Lohn der dem
Mindestlohn entspricht Nach sect 138 SGB IX setzt sich ihr Arbeitsentgelt zusammen aus ei-
nem Grundbetrag und einem leistungsbemessenen Steigerungsbetrag Im Jahr 2011 verdiente
ein Beschaumlftigter im Durchschnitt 180 Euro monatlich (vgl BAG WfbM 2014) bei 35 bis 40
Arbeitsstunden pro Woche Von einer groszligen Steigerung in den letzten Jahren ist nicht auszu-
gehen Somit benoumltigen Beschaumlftigte einer WfbM idR neben ihrem Arbeitsentgelt Grundsi-
cherung Dies hat zur Folge dass sie haumlufig in prekaumlren soziooumlkonomischen Verhaumlltnissen
leben
Jede Werkstatt ist soziologisch betrachtet ein eigenes System mit individuellen Merkmalen
die unter anderem vom Standort dem Fachpersonal dem Traumlger und den Beschaumlftigten ge-
kennzeichnet sind (vgl SchlummerSchuumltte 2006 S 81) Gesetzlich festgelegt ist in sect 139
11
Begruumlndet wird dieses Rechtsverhaumlltnis haumlufig durch den Kuumlndigungsschutz Eine Werkstatt kann einen
Werkstattvertrag mit einer Beschaumlftigten oder einem Beschaumlftigten nur in seltenen Faumlllen gegen ihren oder sei-
nen Willen aufheben
25
SGB IX dass die Beschaumlftigten aus ihrer Mitte heraus regelmaumlszligig einen Werkstattrat waumlhlen
Genaueres regelt hier die Werkstaumltten-Mitwirkungsverordnung (WMVO) Wie ihr Name al-
lerdings schon sagt handelt es sich hier um die Moumlglichkeit der Mitwirkung nicht der Mitbe-
stimmung Diese kann nur erreicht werden wenn Werkstatt und Werkstattrat nach sect 5 Abs 4
WMVO eine weitergehende Vereinbarung treffen Zu den Aufgaben des Werkstattrates ge-
houmlrt es die Interessen der Beschaumlftigten in verschiedenen Angelegenheiten gegenuumlber der
Werkstatt zu vertreten Diese sind in sect 5 Abs 1 WMVO aufgelistet Die Werkstatt muss den
Werkstattrat auszligerdem informieren wenn sie eine Maszlignahme durchfuumlhrt in der der Werk-
stattrat ein Mitwirkungsrecht besitzt12
Sollte kein Einverstaumlndnis in einer Beratung erzielt
werden koumlnnen beide Seiten sich an eine Vermittlungsstelle wenden (sect 5 Abs 3 WMVO)
Das tatsaumlchliche Ausmaszlig der Mitwirkung ist jedoch stets von der Werkstattleitung abhaumlngig
Solch eine fehlende gesetzliche Verankerung von Mitbestimmung steht der Partizipation be-
hinderter Menschen im Wege welche sowohl fuumlr die gesellschaftliche Inklusion als auch die
Gesundheitsfoumlrderung immens wichtig ist
44 Gesundheitsfoumlrderung in Werkstaumltten fuumlr behinderte Menschen
Zunaumlchst gilt es sich einen Uumlberblick uumlber den aktuellen Stand von Gesundheitsfoumlrderung in
WfbMs zu verschaffen Einen ersten Einblick soll die dazu vorhandene Literatur liefern Da-
nach soll ein Abgleich dieser mit der Praxis stattfinden der sich aufgrund des gesetzten Rah-
mens dieser Arbeit nur auf einige Werkstaumltten des Bundeslandes Berlin konzentriert Hierfuumlr
werden jeweils die Leitbilder untersucht und Stimmen aus der Werkstatt ausgewertet
441 Recherche zum aktuellen Stand
Die Literatur zum Thema Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen in WfbMs ist
noch sehr duumlnn Vollstaumlndig ausgearbeitete Konzepte gibt es bisher nicht veroumlffentlicht wur-
den Berichte von abgeschlossenen oder noch laufenden Projekten Werner Schlummer wis-
senschaftlicher Mitarbeiter der Universitaumlt zu Koumlln begleitete ein Projekt zum Betrieblichen
12
Eine ausfuumlhrliche Beschreibung der Mitwirkungs- und Unterrichtungsrechte des Werkstattrates ist bei
SchlummerSchuumltte 2006 S 71 ndash 82 nachzulesen
26
Gesundheitsmanagement13
in einer WfbM zusammen mit acht Studierenden der Universitaumlt
(vgl Schlummer 2015 S 33) Auch das Projekt GESUND als Teilprojekt von PartKomm-
Plus (Forschungsverbund fuumlr gesunde Kommunen) wird wissenschaftlich durch die Katholi-
sche Hochschule fuumlr Sozialwesen begleitet (vgl Burtscher 2014 S 6)
Als Ausnahme kann das Projekt bdquoSelbstbestimmt gesuumlnderldquo im Rahmen des Programmes
bdquoHealthy Athletesldquo gesehen werden Hier bringt Special Olympics Deutschland eV Maszlig-
nahmen zur Gesundheitsfoumlrderung in die Lebenswelten behinderter Menschen Bei Healthy
Athletes werden Sportlerinnen und Sportler bei Veranstaltungen von Special Olympics kos-
tenlose Beratungen und Kontrolluntersuchungen angeboten Diese Angebote werden jedoch
auch auf Wohnheime und WfbMs ausgeweitet (vgl Special Olympics Deutschland a) S 2
eigene Paginierung) Auch das Projekt bdquoSelbstbestimmt gesuumlnderldquo bringt gesundheitsfoumlrdern-
de Maszlignahmen in Werkstaumltten Dabei werden bdquoTeilnehmern individualisierte Handlungsemp-
fehlungen zum Gesundheitsverhalten zur Verfuumlgung gestelltldquo (Special Olympics Deutschland
b) oS) Das Projekt setzt auszligerdem auf die Wirkung von Peer-Multiplikatorinnen und
-Multiplikatoren
Weitere Projekte sind trotz intensiver Recherche nicht bekannt Auch die Bundesarbeitsge-
meinschaft Werkstaumltten fuumlr behinderte Menschen eV (BAG WfbM) hat auf ihrer Homepa-
ge14
keinen Artikel zur Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung in WfbMs
Gibt man in der Suchmaske bdquoGesundheitsfoumlrderungldquo ein erhaumllt man zwei Ergebnisse einen
Artikel uumlber ein neu entwickeltes Computerspiel das von Kindern mit unterschiedlichen Be-
hinderungen gespielt werden kann und einen Artikel zum Qualifizierungsprogramm bdquoGe-
sundheitsfoumlrderung durch Schluumlsselqualifikationenldquo das sich nicht an Beschaumlftigte sondern
an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in WfbMs richtet Dies legt den Schluss nahe dass Ge-
sundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen in WfbMs bisher kaum verbreitet ist
Das Thema Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung als solches wurde in den
letzten Jahren zunehmend in der Literatur behandelt wobei die Anzahl der Veroumlffentlichun-
gen nach wie vor auf einem uumlberschaubaren Stand ist
13
Schlummers Verstaumlndnis von Betrieblichem Gesundheitsmanagement und Betrieblicher Gesundheitsfoumlrderung
sind beinahe synonym Das beschriebene Projekt kann daher im erweiterten Rahmen durchaus als Projekt zur
Gesundheitsfoumlrderung gesehen werden 14
httpwwwbagwfbmde (Stand 11112015)
27
442 Konzepte und Leitbilder von Einrichtungen der Praxis
Betrachtet werden vier verschiedene WfbMs und ihre Leitbilder Es handelt sich um die vier
Werkstaumltten von denen auch im Rahmen der Feldbefragung Stimmen einer Mitarbeiterin oder
eines Mitarbeiters und zT von Beschaumlftigten gewonnen werden konnten (siehe 443 und
Anhang Nr 2)
Aufgrund der jeweiligen Traumlgerstrukturen besitzt lediglich eine der Werkstaumltten15
als solche
ein eigenes Leitbild Bei den anderen drei Werkstaumltten muss auf das Leitbild des jeweiligen
Traumlgers zuruumlckgegriffen werden Das Thema der Gesundheit der Klientinnen und Klienten
bzw Werkstattbeschaumlftigten wird allerdings in keinem Leitbild thematisiert Auch die Such-
funktionen auf den jeweiligen Homepages bzw intensive Recherchen auf diesen brachten
keine Ergebnisse zum Stichwort bdquoGesundheitsfoumlrderungldquo Daraus laumlsst sich schlieszligen dass
Gesundheitsfoumlrderung der Werkstattbeschaumlftigten in den theoretischen Konzeptionen von
WfbMs meist nicht verankert ist
443 Gesundheitsfoumlrderung in der alltaumlglichen Praxis der Werkstaumltten ndash eine kleine Feldbe-
fragung
Im Rahmen des Informationstages der Berliner Landesarbeitsgemeinschaft Werkstaumltten fuumlr
behinderte Menschen eV (LAG WfbM) am 17112015 im Estrel Hotel Berlin wurden je-
weils eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter von vier verschiedenen WfbMs zum Thema Ge-
sundheitsfoumlrderung mit den Beschaumlftigten in der Werkstatt befragt (siehe Anhang Nr 2) Die
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben alle eine vergleichbare Position Begleitender Dienst
Paumldagogischer Dienst oder Sozialdienst In einer der Werkstaumltten konnten uumlberdies auch
Stimmen von Beschaumlftigten gewonnen werden16
Die Ergebnisse weisen keine empirische
Repraumlsentativitaumlt auf da der knappe Rahmen dieser Arbeit eine repraumlsentative empirische
Forschungsarbeit kaum zulaumlsst Die Befragungen sollen dazu dienen einen Einblick in den
Alltag der WfbMs zu ermoumlglichen und die in der Literatur und den Leibildern gewonnenen
Perspektiven zu erweitern
15
Aus Gruumlnden des Datenschutzes duumlrfen in der hier publizierten Version die Namen der Werkstaumltten nicht
genannt werden 16
In zwei der Werkstaumltten konnten keine Stimmen von Beschaumlftigten erhoben werden da eine Befragung in der
Werkstatt von den befragten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern abgelehnt wurde Der Mitarbeiter der dritten
Werkstatt signalisierte zwar waumlhrend der Befragung Zustimmung jedoch fehlte diese spaumlter von Seiten der Lei-
tung
28
Der Begriff bdquoGesundheitsfoumlrderungldquo wird von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sehr
unterschiedlich interpretiert Die Spannbreite liegt von einem Verstaumlndnis aumlhnlich des hier
dargelegten bis hin zu therapeutischer und rehabilitativer Foumlrderung Die angebotenen Maszlig-
nahmen welche einer Foumlrderung der Gesundheit dienen sollen sind jedoch bei allen aumlhnlich
Meist handelt es sich um Musik- Sport- und Bewegungsangebote die im Rahmen von sog
Begleitenden Maszlignahmen verankert sind Daruumlber hinaus werden auch entlastende Bewegun-
gen in den Arbeitsgruppen angeboten und ein Gesundheitstag in Kooperation mit Special
Olympics Deutschland geplant (eine Werkstatt) Eine andere Werkstatt kooperiert mit der
Fitnessstudiokette Fitness First Kurse zu gesunder Ernaumlhrung und Kochen werden teilweise
angeboten oder sind in Planung Nach Aussagen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden
die Maszlignahmen meist gut angenommen In einer Werkstatt wird sogar gemeinsam mit dem
Werkstattrat an einer Peer-Beratung gearbeitet mit der den Beschaumlftigten der Zugang zu den
Themen Bildung und Gesundheit verbessert werden soll Schwierigkeiten bestehen besonders
bzgl der Raumlume zB bei Turnhallen fuumlr Fuszligball
Eine Partizipation bei der Entwicklung von Angeboten ist nur teilweise gegeben Es wird
zwar in allen befragten Werkstaumltten nach Interessen der Beschaumlftigten gefragt und dement-
sprechend die Kurse angeboten jedoch besteht nur selten die Moumlglichkeit fuumlr die Beschaumlftig-
ten aktiv den jeweiligen Kurs durch eigene Entscheidungen mitzugestalten In einer Werk-
statt ist das bspw abhaumlngig von der Kursart von der Kursleiterin bzw dem Kursleiter und
vom Konzept Evaluiert werden die Angebote meist nur durch Nachfrage in den idR jaumlhr-
lich stattfindenden Entwicklungsgespraumlchen mit den einzelnen Beschaumlftigten und teilweise
daruumlber hinaus mit Fragebogen oder durch die Kursleiterin bzw den Kursleiter Eine Werk-
statt fuumlhrt sogar Statistiken zur Nachfrage Eine partizipative Evaluation findet in keiner der
befragten Werkstaumltten statt
Die befragten Beschaumlftigten einer der Werkstaumltten zeigten sich mit dem Angebot an gesund-
heitsfoumlrdernden Maszlignahmen groumlszligtenteils sehr zufrieden und empfanden die Anzahl der An-
gebote als meist genuumlgend Geaumluszligert wurde lediglich der Wunsch nach weiteren Angeboten
zu gesunder Ernaumlhrung und nach einem besseren Angebot an gesunden Speisen Das Ver-
staumlndnis von Gesundheitsfoumlrderung ist unterschiedlich Auffaumlllig ist dass auf der einen Seite
Aumlrzte und Besuche bei diesen wichtig scheinen gleichzeitig aber auch das Achten auf die
eigene Gesundheit als Teil der Gesundheitsfoumlrderung gilt Besonders letzterer Aspekt weist
darauf hin dass bei den Befragten ein gewisses Grundverstaumlndnis von Gesundheitsfoumlrderung
vorhanden ist das dem in dieser Arbeit verwendeten aumlhnelt Die Wichtigkeit der aumlrztlichen
29
Betreuung laumlsst jedoch zugleich auch auf ein eher bdquotraditionellesldquo bio-medizinisches Gesund-
heitsverstaumlndnis schlieszligen
Als angebotene Maszlignahmen werden meist Sport- und Bewegungsangebote genannt aber
auch eine Apfelpause um kurz von der Arbeit entspannen zu koumlnnen Daruumlber hinaus gab es
Angebote zur Fuszlighygiene und zur Zahn- und Augengesundheit Hier ist der Uumlbergang zwi-
schen Gesundheitsfoumlrderung und Praumlvention flieszligend Bzgl (zukuumlnftiger) Angebote werden
die Beschaumlftigten nach ihren Wuumlnschen gefragt aber eine wirkliche Mitbestimmung in Kon-
zeption und Planung dieser scheint nicht gegeben Auch bei der Evaluation findet bisher keine
Partizipation statt Die Befragung hat jedoch den bisherigen Eindruck bestaumltigt dass gesund-
heitsfoumlrdernde Maszlignahmen in WfbMs von behinderten Menschen durchaus nachgefragt wer-
den und die Werkstaumltten versucht sind im Rahmen der begleitenden Maszlignahmen ein sehr
breites Feld abzudecken Negativ scheint besonders das weitgehende Fehlen partizipativer
Strukturen
In den Werkstaumltten werden viele Angebote im Rahmen begleitender Maszlignahmen offeriert die
fuumlr die Gesundheit foumlrderlich sind Als Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung die die Prinzi-
pien der BVPG verinnerlichen koumlnnen sie jedoch nicht gesehen werden da zB die Partizipa-
tion eine eher untergeordnete Rolle spielt und die Thematik meist auf Sport- und zT Ernaumlh-
rungsangebote beschraumlnkt bleibt Auch werden die Effekte der Maszlignahmen nicht evaluiert
Entspannungsangebote werden nur selten angeboten und der Fokus richtet sich meist nur auf
die koumlrperliche Gesundheit
Daruumlber hinaus zeigt die Befragung aber auch welch groszliges Potential zur Gesundheitsfoumlrde-
rung in den Werkstaumltten liegt Mit den begleitenden Maszlignahmen sind Strukturen verankert in
denen Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung leicht integriert werden koumlnnen Offenheit fuumlr
Kooperationen scheint vielfach gegeben (zB mit Special Olympics Deutschland Fitness
First) sodass auch eine Kooperation mit den Krankenkassen und weiteren Partnern vorstell-
bar scheint Dies wuumlrde den Vorteil finanzieller Foumlrderung und Expertise durch Erfahrungen
mit bereits durchgefuumlhrten Maszlignahmen einbringen Die befragten Mitarbeiterinnen und Mit-
arbeiter schienen Gesundheitsfoumlrderung gegenuumlber prinzipiell sehr positiv eingestellt
Auch wenn in den Leitbildern und auf den Homepages Gesundheitsfoumlrderung nicht themati-
siert wird gibt es in der Praxis schon verschiedene Maszlignahmen und Projekte mit der Intenti-
on die Gesundheit der Beschaumlftigten zu verbessern
30
45 Anregungen fuumlr die Praxis
Vor dem Hintergrund der zu Rate gezogenen Literatur und den gewonnen Erkenntnissen
durch die Feldbefragung werden nun einige Uumlberlegungen fuumlr die Praxis einer gelingenden
Gesundheitsfoumlrderung getroffen Diese koumlnnen als moumlgliche Anregungen zur Umsetzung ver-
standen werden
451 Partizipation und Empowerment in der Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behin-
derung
Erfolgreiche Gesundheitsfoumlrderung braucht Partizipationsmoumlglichkeiten fuumlr die jeweilige
Zielgruppe Partizipation ist schlieszliglich nicht nur Teilnahme sondern aktive Teilhabe und
damit einhergehend die Moumlglichkeit mitzubestimmen und mitzuentscheiden Dazu gehoumlrt
auch die Definitionsmacht also die Macht (mit)zubestimmen an welche die Gesundheit be-
treffenden Aspekte in einer Maszlignahme zur Gesundheitsfoumlrderung herangegangen werden soll
(vgl Wrightvon UngerBlock 2010 S 39) Diese aktive Teilhabe muss also bereits zu Be-
ginn einer Maszlignahme Teil dieser sein Partizipation bedeutet folglich auch Macht Partizipa-
tion zu ermoumlglichen bedeutet Empowerment also die Ermaumlchtigung eines Individuums oder
einer Gruppe So bekommt Partizipation in der Gesundheitsfoumlrderung auch eine gesellschaft-
liche und politische Komponente denn dadurch koumlnnen Menschen mit Behinderungen lernen
mitzubestimmen mitzuentscheiden und eigene Interessen zu vertreten Diese erlernten Faumlhig-
keiten lassen sich auf die Handlungsebene in einer demokratischen Gesellschaft uumlbertragen
Sowohl Empowerment als auch Partizipation gehoumlren zu den in 31 erwaumlhnten Prinzipien der
BVPG Diese weist darauf hin dass Partizipation in saumlmtlichen Phasen einer Maszlignahme ge-
geben sein muss beginnend mit der Bedarfsanalyse der Planung in der Durchfuumlhrung und
abschlieszligend in der BewertungEvaluation So kann die Wirksamkeit einer Maszlignahme erhoumlht
werden (vgl BVPG 2013 S 90) Teilhabe kann als ein wichtiger Bestandteil der Qualitaumltssi-
cherung gesehen werden Bisher finden Maszlignahmen zur Qualitaumltssicherung nur selten unter
Partizipation der Zielgruppe statt Diese partizipativ zu beteiligen hilft die Qualitaumlt der Ge-
sundheitsfoumlrderung aufrechtzuerhalten oder sogar zu verbessern (vgl Wrightvon Un-
gerBlock 2010 S 35)
Teilhabe ist bei behinderten Menschen besonders wichtig Ihr Leben ist haumlufig von Beginn an
stark fremdbestimmt und von Abhaumlngigkeit gepraumlgt Somit lernen sie seltener als nicht behin-
31
derte Menschen Verantwortung zu uumlbernehmen und selbststaumlndig zu agieren Dies kann bis
hin zur sog bdquoerlernten Hilflosigkeitldquo fuumlhren Vor diesem Hintergrund scheint Partizipation
umso wichtiger aber auch umso arbeitsintensiver Sie ist daher in der Praxis der Gesundheits-
foumlrderung haumlufig sehr arbeitsintensiv und benoumltigt folglich zeitliche Ressourcen und damit
einhergehend finanzielle Ressourcen (vgl Loss 2009 S 10)
Traditionell sind viele Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung top-down organisiert das be-
deutet eine Einrichtung ein Geldgeber etc plant eine Maszlignahme fuumlhrt diese durch und eva-
luiert sie Zur Erreichung der eigenen Ziele wird die Zielgruppe mobilisiert ohne ein Mitspra-
cherecht zu den einzelnen Bausteinen der Maszlignahme zu haben Diese Struktur verdeutlicht
das Maumlchteungleichwicht zwischen Anbieter und Zielgruppe und zementiert den Status be-
hinderter Menschen als Abhaumlngige und Ohnmaumlchtige Der Gegensatz zu top-down-
Programmen ist der bottom-up-Ansatz Hier findet eine Machtteilung statt da die Gesund-
heitsfoumlrderinnen und Gesundheitsfoumlrderer ihre Macht mit der Zielgruppe teilen und eher die
Rolle von Unterstuumltzerinnen und Unterstuumltzern einnehmen Die Zielgruppe soll unterstuumltzt
werden ihre eigenen Probleme festzustellen und Loumlsungen sowie Maszlignahmen zu erarbeiten
In der Planung Durchfuumlhrung und Evaluation kommt ihr damit eine aktive Rolle zu (vgl La-
verack 2010 S 77) Bottom-up-Programme scheinen daher fuumlr Partizipation und Empower-
ment geeigneter als top-down-Strukturen Allerdings schlieszligen sich beide Ansaumltze nicht
zwingend aus sondern Maszlignahmen koumlnnen Eigenschaften beider Ansaumltze aufweisen In
WfbMs scheinen Maszlignahmen sehr haumlufig top-down organisiert zu sein Die staumlrkere Veranke-
rung von bottom-up-Strukturen waumlre hier im Sinne einer Teilhabe ndash in der Werkstatt wie auch
daruumlber hinaus auf gesellschaftlicher Ebene ndash vorteilhaft und wuumlnschenswert
452 Peer-Multiplikatorinnen und -Multiplikatoren
Eine Strategie die in der Praxis der Gesundheitsfoumlrderung bereits mit positiven Ergebnissen
getestet wurde sind Peer-Multiplikatorinnen und -Multiplikatoren Das Modell der Multipli-
katorinnen und Multiplikatoren war bereits Grundlage vieler gesundheitsfoumlrdernder Maszlignah-
men mit sozial benachteiligten Menschen die auch in der Literatur vielfach dokumentiert
sind Auch in der Arbeit mit behinderten Menschen ist dieses Konzept nicht neu Auf Maszlig-
nahmen zur Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung wurde es bisher kaum an-
gewandt scheint jedoch erfolgsversprechend Das Projekt GESUND welches mit einer Ber-
liner WfbM durchgefuumlhrt wird arbeitet mit diesem Konzept (vgl Burtscher 2014 S 8) Die
32
Funktion von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren besteht darin Kenntnisse und Informa-
tionen zur Gesundheit(-sfoumlrderung) der Zielgruppe mit Hilfe der ihnen innewohnenden Ver-
trauensstellung naumlher zu bringen Sie haben daher eine bdquoMittlerfunktionldquo (BVPG 2013 S 92)
zwischen Durchfuumlhrenden und Zielgruppe Voraussetzung dafuumlr ist dass sie der Zielgruppe
angehoumlren oder zumindest eine sehr enge Verbindung zu ihr besitzen Im Zuge einer Maszlig-
nahme werden sie selbst gestaumlrkt sozusagen bdquoempowertldquo Ihre Mittlerfunktion funktioniert
allerdings auch in die andere Richtung Sie bringen den Durchfuumlhrenden die Perspektive der
Zielgruppe naumlher Im Idealfall fuumlhrt der Einsatz von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren
zur Aktivierung der Zielgruppe die ihr selbstbestimmtes Handeln auch auf andere Bereiche
ausdehnen kann (vgl Stickan-Verfuumlrth 2005 S 108) Diesem Modell sehr aumlhnlich ist das
Modell des Peer-Counseling Hier stehen Mitglieder der Zielgruppe in beratender Funktion
ihrer Peer-Gruppe zur Verfuumlgung
453 Verknuumlpfung von Betrieblicher Gesundheitsfoumlrderung und Gesundheitsfoumlrderung in
Werkstaumltten fuumlr behinderte Menschen
Eine Uumlbertragung der Idee der Betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung auf die Gesundheitsfoumlrde-
rung in WfbMs scheint in der Tat realisierbar Den rechtlichen und finanziellen Rahmen hier-
fuumlr hat das 2015 beschlossene Praumlventionsgesetz geschaffen (siehe 33) Im Entwurf der Bun-
desregierung wird in der Anmerkung zum neuen sect 20 Abs 4 SGB V explizit darauf hinge-
wiesen dass Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung auch in WfbMs zum Leistungsspektrum der
Krankenkassen gehoumlrt (vgl Deutscher Bundestag 2015 S 34) Eine Etablierung hiervon in
der Praxis haumlngt in erster Linie neben den Krankenkassen auch von den Leitungen der WfbMs
ab Sollten diese hierfuumlr und auch gegenuumlber partizipativen Strukturen offen sein waumlre der in
351 kurz vorgestellte Gesundheitszirkel ein passender Startpunkt um von Beginn an auch
die Partizipation der Beschaumlftigten zu gewaumlhrleisten Analog zum Konzept der BGF koumlnnten
gemeinsam Maszlignahmen erarbeitet werden die die Gesundheit der Beschaumlftigten foumlrdern wuumlr-
den Den Vertreterinnen und Vertretern der Beschaumlftigten die im Gesundheitszirkel mitwir-
ken koumlnnte dabei die Rolle von Peer-Multiplikatorinnen und -Multiplikatoren zukommen
Als Effekte duumlrften die in 351 beschriebenen auch hier zu erwarten sein eine Verbesserung
der Gesundheit und eine Staumlrkung der gesundheitlichen Ressourcen eine Verringerung der
krankheitsbedingten Fehltage eine staumlrkere Identifikation der Beschaumlftigten mit der Werk-
33
statt ein besseres Arbeitsklima eine houmlhere Motivation und Arbeitszufriedenheit und eine
Steigerung der Produktivitaumlt
Es empfiehlt sich im Sinne der Partizipation und des Empowerments kein reines top-down-
Programm zu starten sondern einen bottom-up-Ansatz zu waumlhlen bzw zumindest mehrere
Elemente dessen einzubauen Als Anknuumlpfungspunkt koumlnnen bereits bestehende begleitende
Maszlignahmen mit passender Thematik genommen werden
Wie bdquonormaleldquo Betriebe koumlnnten auch WfbMs Kooperationen in ihrem raumlumlichen Umfeld
aufbauen und von Vernetzungen profitieren Aufgrund ihrer Groumlszlige sind sie in ihrem Sozial-
raum ein meist nicht zu unterschaumltzender Akteur
34
5 Fazit und Ausblick
Ausgehend von einem bio-psycho-sozialen Verstaumlndnis von Gesundheit wurden verschiedene
Aspekte der Gesundheitsfoumlrderung vertieft und anschlieszligend eine Verknuumlpfung zur Gesund-
heitsfoumlrderung mit behinderten Menschen hergestellt Hierbei lag der Fokus auf gesundheits-
foumlrdernden Maszlignahmen in WfbMs Dabei wurde die aktuelle Literatur zu Rate gezogen In-
ternetauftritte einiger Werkstaumltten durchsucht und Stimmen aus dem Feld von Mitarbeiterin-
nen und Mitarbeitern sowie Beschaumlftigten von Werkstaumltten gewonnen
Die Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung ist noch immer relativ schwach
ausgebaut Dies stellt sich besonders vor dem Hintergrund als problematisch dass behinderte
Menschen haumlufig anfaumllliger fuumlr Krankheiten sind und durchschnittlich uumlber einen subjektiv als
schlechter bewerteten Gesundheitsstatus verfuumlgen als nichtbehinderte Menschen Wie viele
sozial benachteiligte Gruppen sind sie verhaumlltnismaumlszligig schwer zu erreichen fuumlr gesundheits-
foumlrdernde Maszlignahmen Obwohl es in der Erreichbarkeit mehrere Probleme gibt verfuumlgen
Menschen mit Behinderung auf der anderen Seite uumlber groszlige Potentiale Das neue Praumlventi-
onsgesetz ist ein erheblicher Fortschritt bei der Finanzierung gesundheitsfoumlrdernder Maszlignah-
men Sogar eine Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung in Werkstaumltten ist wenn auch nicht ex-
plizit verankert so doch zumindest gewuumlnscht
Gelingende Gesundheitsfoumlrderung muss sich im Allgemeinen und auch bei der Arbeit mit
behinderten Menschen an bestimmten Prinzipien messen lassen Besonders wichtig vor dem
gesellschaftlichen Hintergrund ist hier die Partizipation der Menschen mit Behinderung und
damit einhergehend das Empowerment dieser Beide wirken sich positiv auf die Qualitaumlt der
gesundheitsfoumlrdernden Maszlignahmen aus gehen jedoch auch daruumlber hinaus Sie koumlnnen Men-
schen mit Behinderungen auch auf gesellschaftlicher Ebene empowern sodass ihnen eine
groumlszligere gesellschaftliche Teilhabe zukommt Somit erlangt Gesundheitsfoumlrderung auch vor
dem Hintergrund der Inklusion eine hohe Relevanz
In WfbMs ist gezielte Gesundheitsfoumlrderung bisher wenig verbreitet Einzelne Projekte sind
eher die Ausnahme denn die Regel Jedoch sind die Potentiale der Werkstaumltten enorm Das
Personal scheint haumlufig offen fuumlr Maszlignahmen zu sein und gerade die Strukturen der beglei-
tenden Maszlignahmen lieszligen eine relativ einfache Integration von Maszlignahmen zur (betriebli-
chen) Gesundheitsfoumlrderung zu Bestehende begleitende Maszlignahmen in welchen Sport oder
Bildungsangebote zu gesunder Ernaumlhrung angeboten werden koumlnnten ohne uumlbermaumlszligigen
Aufwand zu gezielten Maszlignahmen fuumlr Gesundheitsfoumlrderung ausgebaut werden Nachholbe-
darf bestuumlnde hier vor allem auf dem Gebiet der Partizipation Nur selten scheinen die Be-
35
schaumlftigten in Konzeption Planung Durchfuumlhrung und Evaluation aktiv eingebunden zu sein
In bestimmten Phasen wie etwa der Konzeption und besonders der Evaluation scheint aktive
Teilhabe noch uumlberhaupt nicht verankert zu sein Eine staumlrkere Partizipation in allen Berei-
chen waumlre mit houmlherem Arbeits- und Kostenaufwand verbunden welcher durch eine Einbin-
dung der Krankenkassen moumlglicherweise aufgefangen werden koumlnnte Die Partizipation foumlr-
dern wuumlrde auch die Etablierung von Peer-Beratung und Peer-Multiplikatorinnen und
-Multiplikatoren Diesen kaumlme beim Zugang zur Zielgruppe eine Schluumlsselfunktion zu und
gleichzeitig koumlnnten sie Bedarfe und Beduumlrfnisse dieser gegenuumlber den anderen Akteuren
kommunizieren Auch wenn es bisher keine konkreten ausgearbeiteten Konzepte zur Gesund-
heitsfoumlrderung in WfbMs gibt koumlnnten bestehende Konzepte zur Betrieblichen Gesundheits-
foumlrderung eventuell leicht uumlberarbeitet fuumlr Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung in Werkstaumltten
analog angewendet werden
Die Potentiale und Moumlglichkeiten zur Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung
in WfbMs sind also mannigfaltig und haumlufig vorhanden Auf diesen koumlnnte aufgebaut werden
um behinderten Menschen das Recht auf das in Artikel 25 der UN-BRK festgeschriebene bdquoer-
reichbare Houmlchstmaszlig an Gesundheitldquo zu ermoumlglichen
Gesundheitsfoumlrderung ist mehr als Werbeplakate an Bus- oder Straszligenbahnhaltestellen und
Clips im Aktuellen Sportstudio sie ist mehr als Sportangebote und Angebote zu gesunder
Ernaumlhrung sie ist auch ein Weg zum Erreichen eines Menschenrechtes das Recht auf Ge-
sundheit
36
6 Literatur
Altgeld Thomas (2008) Gesundheitsfoumlrderungspotenziale bei Menschen mit Behinderungen
unerkannt und ungenutzt In Impuse Newsletter zur Gesundheitsfoumlrderung o Jg
Heft 1 S 78 Im Internet unter httpwwwgesundheit-ndsdeCMSimagesstoriesPDFs
oimpulseimpulse58_ohne_Bilderpdf (Abrufdatum 21102015)
Altgeld ThomasKolip Petra (2010) Konzepte und Strategien der Gesundheitsfoumlrderung In
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41
Anhang
Nr 1 Abbildung zu den Hauptdeterminanten der Gesundheit nach DahlgreenWhitehead
2007 S 11
Nr 2 Befragung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Beschaumlftigten der WfbMs
42
Nr 1 Abbildung zu den Hauptdeterminanten der Gesundheit nach DahlgreenWhitehead
2007 S 11
43
Nr 2 Befragung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Beschaumlftigten der WfbMs
Um moumlglichst effizient die Stimmen aus vier WfbMs unterschiedlicher Traumlger zu erheben
wurden diese auf dem Infotag der LAG WfbM Berlin am 17112015 gesammelt Hier waren
verschiedene Werkstaumltten mit Informationsstaumlnden vertreten Gewaumlhlt wurden die Werkstaumlt-
ten an deren Staumlnden der Verfasser zuerst vorbeilief Die gestellten Fragen waren stets die-
selben
Den Vertretern der Werkstatt wurde zugesichert dass ihr Name nicht in der vorliegenden Ar-
beit genannt wird lediglich ihre Position in der Werkstatt wird erwaumlhnt Es wurden auszligerdem
keine weiteren Personendaten erhoben
Wenn moumlglich sollten auszligerdem fuumlnf Beschaumlftige pro WfbM befragt werden Hierfuumlr wurde
am Ende des kurzen Interviews um Erlaubnis gefragt Den Beschaumlftigten wurden andere Fra-
gen gestellt als dem Werkstattpersonal jedoch erhielten alle Beschaumlftigten dieselben Fragen
untereinander Den Beschaumlftigen wurde komplette Anonymitaumlt in der vorliegenden Arbeit
zugesichert und es wurden keine personenbezogenen Daten abgefragt Zuerst wurde nach
ihrem Verstaumlndnis von Gesundheitsfoumlrderung gefragt Vor den Fragen 2 bis 5 wurde kurz
erklaumlrt wie Gesundheitsfoumlrderung verstanden werden kann um davon ausgehend die restli-
chen Fragen zu beantworten
Bei saumlmtlichen Interviews wurde auf Transkriptionen verzichtet es wurden lediglich die
Kernaussagen mitgeschrieben
Im Folgenden finden sich exemplarisch die jeweils gestellten Fragen
44
Fragen an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der WfbM
Name der WfbM
Position der befragten Person Begleitender Dienst
1 Was verstehen Sie unter Gesundheitsfoumlrderung
2 Was bieten Sie im Rahmen der Gesundheitsfoumlrderung an
3 Wie werden die Maszlignahmen angenommen
4 Wuumlrden Sie gerne mehr anbieten oder finden Sie die Angebote ausreichend
5 Gibt es Schwierigkeiten
6 Wie steht es um die Partizipation in den Angeboten (Werden die Angebote von Beschaumlf-
tigten mitentwickelt mitevaluiert etc)
7 Werden die Angebote evaluiert
45
Fragen an die Beschaumlftigen der WfbM
Name der WfbM
Datum
1 Wissen Sie was Gesundheitsfoumlrderung ist Wenn ja wie wuumlrden sie es beschreiben
[Moumlgliche Erklaumlrung fuumlr Beschaumlftigte die sich nichts unter Gesundheitsfoumlrderung vorstellen
koumlnnen Zur Gesundheitsfoumlrderung gehoumlrt alles was fuumlr Ihre Gesundheit gut ist zB Kur-
seMaszlignahmen usw die mit Bewegung Ernaumlhrung Wohlfuumlhlen am Arbeitsplatz oder Ent-
spannen zu tun haben]
2 Welche Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung werden Ihnen von der Werkstatt angebo-
ten
3 Werden Ihrer Meinung nach genuumlgend Angebote zur Gesundheitsfoumlrderung in der Werk-
statt angeboten
4 Duumlrfen Sie bei der Entwicklung und Evaluation (Auswertung am Ende) mitbestimmen
5 Was sind Ihre Wuumlnsche bezuumlglich der Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung
14
der Maszlignahme partizipiert (vgl FaltermaierWihofszky 2012 S 108) waumlre eine gesetzliche
Verankerung der Partizipation vorteilhaft gewesen
Das Recht auf Leistungen zur Gesundheitsfoumlrderung ergibt sich fuumlr Menschen mit Behinde-
rung auch aus der UN-BRK welche im Jahre 2009 von der Bundesrepublik Deutschland rati-
fiziert wurde In Artikel 25 heiszligt es hier bdquoDie Vertragsstaaten anerkennen das Recht von
Menschen mit Behinderungen auf das erreichbare Houmlchstmaszlig an Gesundheit ohne Diskrimi-
nierung aufgrund von Behinderungldquo Dieses houmlchsterreichbare Maszlig kann nur erreicht werden
wenn Menschen mit Behinderung konsequent in Maszlignahmen der Gesundheitsfoumlrderung ein-
bezogen werden Deutschland verpflichtet sich in Artikel 25 a) der UN-BRK behinderten
Menschen bdquoeine unentgeltliche oder erschwingliche Gesundheitsversorgung in der derselben
Bandbreite von derselben Qualitaumlt und auf demselben Standard zur Verfuumlgung [zu stellen]
wie anderen Menschen [hellip]ldquo Dies umfasst nicht nur kurative und rehabilitative Maszlignahmen
sondern auch solche zur Praumlvention und Foumlrderung der Gesundheit
34 Gesundheitsfoumlrderung in Settings
Da der Fokus dieser Arbeit auf der Gesundheitsfoumlrderung in WfbMs liegt werden nun einige
Aspekte zur Gesundheitsfoumlrderung in Settings also Lebenswelten genauer thematisiert
bdquoEin Setting ist ein Sozialzusammenhang in dem Menschen sich in ihrem Alltag aufhalten
und der Einfluss auf ihre Gesundheit hat Dieser soziale Zusammenhang ist relativ dauerhaft
und seinen Mitgliedern auch subjektiv bewusstldquo (HartungRosenbrock 2015 oS) Diese kur-
ze Definition enthaumllt die wichtigsten Merkmale eines Settings Jeder Mensch bewegt sich
folglich in verschiedenen Settings zB seiner Arbeitswelt seinem Wohnumfeld oder seinem
Freizeitbereich Dabei hat jedes Setting Einfluss auf die Menschen die sich in ihm bewegen
wie auch jeder Mensch gleichzeitig das jeweilige Setting beeinflusst Gesundheit ist hierbei
als ein wichtiges alltaumlgliches Element des jeweiligen Settings zu sehen und nicht ausschlieszlig-
lich als essenzielles und abstraktes Ziel (vgl RoumlmischWalther 2015 S 5 AltgeldKolip
2010 S 49) Dies betont auch die salutogenetische Position nach der jeder Mensch zu jedem
Zeitpunkt zumindest ein gewisses Maszlig an Gesundheit inne hat (vgl Antonovsky 1997 S 23)
Bereits in der Ottawa-Charta wird als eine Strategie zur Gesundheitsfoumlrderung bdquoGesundheits-
foumlrderliche Lebenswelten schaffenldquo (WHO 1986 S 3) genannt Elf Jahre spaumlter verdeutlicht
die Jakarta-Erklaumlrung die Wirksamkeit dieser Strategie bdquoDer wissenschaftliche Erkenntnis-
15
stand zeigt deutlich daszlig [hellip] insbesondere Settings [hellip] gute Moumlglichkeiten zur praktischen
Umsetzung solcher umfassenden Strategien bietenldquo (WHO 1997 S 3)
Dies mag va daran liegen dass eher schwer erreichbare Zielgruppen der Gesundheitsfoumlrde-
rung in ihren Lebenswelten relativ gut erreicht werden koumlnnen (vgl FaltermaierWihofszky
2012 S 110) Zu diesen Zielgruppen gehoumlren va sozial benachteiligte Menschen wie etwa
Menschen mit Migrationshintergrund in Armut lebende Menschen oder Menschen mit Be-
hinderungen Da das deutsche Gesundheitssystem stark mittelschichtsorientiert ist sind diese
schwerer zu erreichen als wohlhabendere Bevoumllkerungsschichten (vgl Stickan-Verfuumlrth 2005
S 105106) Besonders problematisch ist dies vor dem Hintergrund zu sehen dass gerade
sozial benachteiligte Menschen wie bereits erwaumlhnt haumlufig uumlber eine schlechtere Gesundheit
verfuumlgen
35 Gesundheitsfoumlrderung in der Lebenswelt bdquoArbeitldquo
Fuumlr eine Gesundheitsfoumlrderung in der Lebenswelt bdquoArbeitldquo sind besonders zwei Strategien
relevant die Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung (BGF) und das Betriebliche Gesundheitsma-
nagement
Die Begriffe bdquoBetriebliche Gesundheitsfoumlrderungldquo und bdquoBetriebliches Gesundheitsmanage-
mentldquo werden in der Literatur zT sehr unterschiedlich interpretiert Die Bandbreite reicht
hier von einer beinahe synonymen Verwendung bis hin zu einer klaren Abgrenzung Die hier
vorgenommene Unterscheidung ist dabei nur eine Moumlglichkeit unter mehreren
351 Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung
Als Grundsatzdokument der Betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung in Deutschland gilt heute
die Luxemburger Deklaration zur betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung in der Europaumlischen
Union aus dem Jahr 1997 Sie legt Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung wie folgt fest bdquoBe-
triebliche Gesundheitsfoumlrderung (BGF) umfasst alle gemeinsamen Maszlignahmen von Arbeit-
gebern Arbeitnehmern und Gesellschaft zur Verbesserung von Gesundheit und Wohlbefinden
am Arbeitsplatzldquo (Unternehmensnetzwerk zur betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung in der Eu-
ropaumlischen Union eV 2007 S 2 eigene Paginierung) Als Wege hierfuumlr sieht die Luxem-
burger Deklaration va drei Pfade welche in ihrer Verknuumlpfung am effektivsten scheinen die
16
Verbesserung der Arbeitsorganisation und der Arbeitsbedingungen die Staumlrkung der Partizi-
pation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und die Unterstuumltzung im Aufbau und der Wei-
terentwicklung persoumlnlicher Kompetenzen (vgl Unternehmensnetzwerk zur betrieblichen
Gesundheitsfoumlrderung in der Europaumlischen Union eV 2007 S 2)
Die Auswirkungen Betrieblicher Gesundheitsfoumlrderung sind mannigfaltig und durch Studien
belegt So kann hier aufgrund der verbesserten Gesundheit und der staumlrkeren Gesundheitsres-
sourcen eine Verringerung der Fehltage aufgrund von Krankheit angefuumlhrt werden Aber auch
die Wertschaumltzung und Fuumlrsorge durch den Betrieb koumlnnen eine staumlrkere Identifikation der
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit dem jeweiligen Unternehmen hervorrufen (vgl Si-
monHegerReszies 2011 S 3738) Dies hat ua ein besseres Arbeitsklima eine houmlhere Mo-
tivation und Arbeitszufriedenheit und daraus resultierend eine Steigerung der Produktivitaumlt
zur Folge (vgl Unternehmensnetzwerk zur betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung in der Euro-
paumlischen Union eV 2007 S 3) Diese positiven Effekte entfalten teilweise erst laumlngerfristig
ihre Wirkung Somit sind sie fuumlr das Unternehmen eine langfristige Investition die allerdings
Gefahr laumluft kurzfristigen betriebswirtschaftlichen Interessen entgegenzulaufen (vgl Rosen-
brockHartung 2015 oS)
Als Maszlignahmen der Betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung eignen sich sowohl verhaltens- als
auch verhaumlltnisbezogene Maszlignahmen Eine Kombination aus beiden waumlre im Sinne der
Ganzheitlichkeit durchaus gewinnbringend
Eine gesetzliche Verpflichtung fuumlr Unternehmen zur Betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung gibt
es fuumlr Unternehmen in Deutschland nicht Wie in Punkt 33 bereits erwaumlhnt ist der rechtliche
Zusammenhang in sect 20b Abs 1 Satz 2 SGB V geregelt bdquoHierzu erheben sie [die Kranken-
kassen MP] unter Beteiligung der Versicherten und der Verantwortlichen fuumlr den Betrieb
sowie der Betriebsaumlrzte und der Fachkraumlfte fuumlr Arbeitssicherheit die gesundheitliche Situation
einschlieszliglich ihrer Risiken und Potenziale und entwickeln Vorschlaumlge zur Verbesserung der
gesundheitlichen Situation sowie zur Staumlrkung der gesundheitlichen Ressourcen und Faumlhig-
keiten und unterstuumltzen deren Umsetzungldquo Nach sect 20 Abs 6 Satz 2 sind die Krankenkassen
dazu verpflichtet pro Versicherter und Versichertem 200 Euro im Jahr in Maszlignahmen zur
Betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung zu investieren
Obwohl der Nutzen Betrieblicher Gesundheitsfoumlrderung sowohl fuumlr die Belegschaft als auch
fuumlr das jeweilige Unternehmen selbst nachgewiesen ist (vgl RosenbrockHartung 2015 oS)
es sich also um eine Win-Win-Situation handelt ist ihre Verbreitung in Deutschland noch
eher gering Das liegt zum einen daran dass Unternehmen nicht zur Betrieblichen Gesund-
heitsfoumlrderung verpflichtet sind und diese daher auf Freiwilligkeit aller Akteure beruht Zum
17
anderen liegt es daran dass es sich um einen vielschichtigen Prozess handelt der durch inter-
ne externe oumlkonomische oder betriebspolitische Veraumlnderungen beeintraumlchtigt werden kann
(vgl RosenbrockHartung 2015 oS)
Fuumlr eine gelingende BGF ist Partizipation unumgaumlnglich denn nur so wird sichergestellt dass
moumlglichst viele Akteure besonders die Zielgruppe der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter er-
reicht wird (SimonHegerReszies 2011 S 46) Ein wichtiges Element hierbei ist der sog
bdquoGesundheitszirkelldquo Dieser setzt sich zusammen aus Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des
Betriebs wobei moumlglichst verschiedene Arbeitsbereiche und Hierarchieebenen vertreten sein
sollten Die Groumlszlige sollte dabei uumlberschaubar bleiben zB zwischen fuumlnf und acht Teilneh-
menden evtl ergaumlnzt durch einen externen Experten Im Zuge einer angestrebten Versteti-
gung von Gesundheitsfoumlrderung im Betrieb sind regelmaumlszligige Treffen sinnvoll (vgl Si-
monHegerReszies 2011 S 64 ndash 69) Um eine moumlglichst umfassende Partizipation zu ge-
waumlhrleisten empfiehlt es sich den Gesundheitszirkel von Beginn an also der Phase der Pla-
nung mit einzubeziehen Fuumlr eine Gesundheitsfoumlrderung in WfbMs scheint eine analoge An-
wendung des Konzeptes Gesundheitszirkel sowohl moumlglich als auch sinnvoll um von Beginn
an partizipative Strukturen zu etablieren
352 Betriebliches Gesundheitsmanagement
In der Literatur wird der Begriff des Betrieblichen Gesundheitsmanagements sehr unter-
schiedlich interpretiert Schlummer interpretiert ihn beinahe synonym zur Betrieblichen Ge-
sundheitsfoumlrderung wobei lediglich der Faktor der Arbeitssicherheit eine staumlrke Beruumlcksichti-
gung im Gesundheitsmanagement findet (vgl Schlummer 2015 S 35) Die Luxemburger
Deklaration hingegen sieht Arbeits- und Gesundheitsschutz in Unternehmen als Teil der Be-
trieblichen Gesundheitsfoumlrderung (vgl Unternehmensnetzwerk zur betrieblichen Gesund-
heitsfoumlrderung in der Europaumlischen Union eV 2007 S 4) In der vorliegenden Arbeit wird
der Arbeits- und Gesundheitsschutz ebenfalls unter der Strategie der Betrieblichen Gesund-
heitsfoumlrderung gesehen da er dem Verstaumlndnis von BGF als bdquoMaszlignahmen von Arbeitgebern
Arbeitnehmern und Gesellschaft zur Verbesserung von Gesundheit und Wohlbefinden am
Arbeitsplatzldquo (Unternehmensnetzwerk zur betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung in der Europauml-
ischen Union eV 2007 S 2) entspricht Fuumlr die Abgrenzung zwischen den beiden Begriffen
scheint dieser Aspekt zweitrangig Im Vordergrund liegt eher der jeweilige Charakter der
Strategie
18
Gesundheitsmanagement in Betrieben kann als bdquo[b]ewusste Steuerung und Integration aller
betrieblichen Prozesse mit dem Ziel der Erhaltung und Foumlrderung der Gesundheit und des
Wohlbefindens der Beschaumlftigtenldquo (HannackRaumlder 2011 S 434) gesehen werden Dieses
Konzept scheint mit Vor- und Nachteilen einherzugehen Da saumlmtliche betriebliche Prozesse
die als der Gesundheit foumlrderlich gelten hierunter fallen sind auch individuelle Maszlignahmen
wie bspw das Betriebliche Eingliederungsmanagement nach sect 84 Abs 2 SGB IX mit inbe-
griffen Bei diesem geht es in erster Linie nicht um eine Erhaltung oder Verbesserung der
Gesundheit sondern um eine Vorbeugung von Arbeitsunfaumlhigkeit undoder den Erhalt eines
Arbeitsplatzes Ebenfalls positiv kann die Implementierung gesundheitsorientierter Prozesse
und Strukturen in das generelle Management eines Unternehmens gesehen werden Dadurch
scheint auszligerdem die Dauerhaftigkeit von gesundheitsfoumlrderlichen Maszlignahmen besser er-
reichbar als bei der BGF Hier haben Maszlignahmen meist den Charakter eines zeitlich befriste-
ten Projektes (vgl SlesinaBohley 2011 S 627) Der groszlige Nachteil des Betrieblichen Ge-
sundheitsmanagements liegt in der Gefahr dass sog top-down-Strukturen die Uumlberhand ge-
winnen (vgl Faller 2010 S 25 zit nach RosenbrockHartung 2015 oS) Top-down-
Strukturen in der Gesundheitsfoumlrderung zeichnen sich dadurch aus dass eine Person von
bdquoobenldquo eine Maszlignahme einleitet und im schlimmsten Fall bdquoaufoktroyiertldquo Dies kann mangels
Partizipation der Zielgruppe zu Ablehnung bei dieser fuumlhren
Fuumlr eine Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung in WfbMs scheint ndash zumin-
dest im Moment ndash der Weg der BGF geeigneter Hier sind zum einen in der Theorie groszlige
Potentiale fuumlr Partizipation gegeben Zum anderen ist das Thema der systematischen Gesund-
heitsfoumlrderung mit behinderten Menschen in Institutionen der Behindertenhilfe bisher kaum
verbreitet (siehe 44) Eine sofortige Implementierung des Betrieblichen Gesundheitsmana-
gements wuumlrde die meisten Einrichtungen uumlberfordern und vor den Kopf stoszligen Auf lange
Sicht scheint dies aber ein wuumlnschenswertes Ziel zu sein welches Schritt fuumlr Schritt erreicht
werden sollte
19
4 Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung
Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen ist bisher in der Praxis der sog bdquoBehinder-
tenhilfeldquo6 nur aumluszligert selten integriert In der wissenschaftlichen Literatur sind in den letzten
Jahren einige Beitraumlge erschienen die sich diesem Thema widmen Es soll nun zuerst darge-
stellt werden in welchem Verhaumlltnis Gesundheit und Behinderung zueinander stehen bevor
auf die Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen eingegangen wird Der Fokus dieser
Arbeit liegt auf der Gesundheitsfoumlrderung in WfbMs In diesem Zusammenhang wird der
Stand der Literatur kurz dargestellt eine kurze Analyse von Leitbildern einzelner Werkstaumltten
vorgenommen und einige Stimmen aus der Praxis wiedergegeben Aufgrund des knappen
Rahmens dieser Arbeit muss sich dies auf das Bundesland Berlin beschraumlnken und erhebt kei-
nen Anspruch auf empirische Vollstaumlndigkeit Vielmehr versteht es sich als eine kleine Feld-
befragung die als ein erster Impuls gesehen werden kann
41 Behinderte Menschen und Gesundheit und Krankheit ndash sozialmedizinische Erkenntnisse
Zunaumlchst muss festgehalten werden dass eine Behinderung keine Krankheit ist Auch ein
schwer behinderter Mensch kann sich sehr gesund fuumlhlen Der wesentliche Unterschied zwi-
schen einer Behinderung und einer Krankheit liegt darin dass bei einer Behinderung die Teil-
habe am Leben in der Gesellschaft langfristig beeintraumlchtigt ist bei einer Erkrankung hinge-
gen nicht oder nur kurzfristig7 Das hier vorliegende Verstaumlndnis in der Unterscheidung bei-
der Begriffe ist vordergruumlndig eher ein soziales denn eine medizinische Abgrenzung
Es existieren verschiedene und teilweise weitreichende gesundheitliche Unterschiede zwi-
schen Menschen mit Behinderungen und Menschen ohne Behinderungen Um diese auch in
ihrem Ursprung erklaumlren zu koumlnnen reicht der bdquotraditionelleldquo bio-medizinische Blick nicht
aus da er zu kurz greift Er muss um die sozialmedizinische Sichtweise ergaumlnzt werden
An dieser Stelle sollte allerdings darauf hingewiesen werden dass die folgende Darstellung
den Gesundheitszustand groszliger heterogener Gruppen von Menschen abbildet und die ge-
troffenen Aussagen daher nicht auf jeden Einzelfall anwendbar sind
6 Dieser Begriff impliziert durch den Wortteil bdquo-hilfeldquo ein Maumlchteungleichgewicht welches einer wahren Parti-
zipation der behinderten Menschen im Wege steht 7 Sollte eine chronische Krankheit einen Menschen in seiner Teilhabe langfristig einschraumlnken kann sie durch-
aus auch als Behinderung gesehen werden
20
Der Teilhabebericht des Bundesministeriums fuumlr Arbeit und Soziales (BMAS) kommt zu dem
Ergebnis dass Menschen mit Behinderungen ihre Gesundheit haumlufig schlechter einschaumltzen
als Menschen ohne Behinderungen Dies gilt auch fuumlr das psychische Wohlbefinden welches
im ganzheitlichen Verstaumlndnis von Gesundheit das dieser Arbeit zugrunde liegt (siehe 22)
ebenfalls Teil der Gesundheit ist Auch hat ein Mensch mit Behinderung in Deutschland im
Durchschnitt mehr Krankheitstage8 als ein nicht behinderter Mensch Menschen mit Behinde-
rung konsultieren statistisch betrachtet in einem bestimmten Zeitraum haumlufiger einen Arzt als
die durchschnittliche Bevoumllkerung Dies duumlrfte ua an dem als schlechter wahrgenommenen
Gesundheitszustand liegen aber auch an der Komorbiditaumlt bestimmter Behinderungen Bzgl
des Rauchverhaltens Alkoholkonsums und einer gesundheitsbewussten Ernaumlhrung bestehen
nur relativ geringe Unterschiede zur Gesamtbevoumllkerung Auffaumlllig ist lediglich dass die
Gruppe der 18- bis 29-Jaumlhrigen Menschen mit Behinderung zu einem houmlheren Anteil regel-
maumlszligig raucht Alkohol trinkt und seltener auf gesunde Ernaumlhrung achtet In den anderen Al-
tersgruppen bestehen kaum nennenswerte Unterschiede (vgl BMAS 2013 S 192 ndash 204)
Menschen mit Behinderungen haben im Durchschnitt eine geringere Lebenserwartung wobei
es hier Unterschiede zwischen einzelnen Syndromen gibt (vgl MarksSisirakHeller 2010
S 3) Bei einigen kann die jeweilige Behinderung selbst der Ausloumlser sein jedoch besteht
besonders bei Menschen mit Lernschwierigkeiten die Gefahr dass Krankheiten nicht richtig
erkannt oder nur unzureichend behandelt werden (vgl Lennox 2002 S 230) Ausschlagge-
bend hierfuumlr duumlrfte sein dass im Gesundheitsbereich verschiedenste Barrieren existieren Zum
Beispiel ist nur ein Teil der Arztpraxen barrierefrei wobei besonders haumlufig passende Unter-
suchungsmoumlbel und Informationsmaterial in Leichter Sprache fehlen (vgl BMAS 2013
S 200201) Ebenfalls negativ wirkt sich aus dass Aumlrzte teilweise unsicher im Umgang mit
Menschen mit Lernschwierigkeiten sind und diese zT auszligerdem ihre Symptome nicht praumlzi-
se genug beschreiben koumlnnen oder uumlber eine geringer differenzierte Wahrnehmung des eige-
nen Koumlrpers verfuumlgen als Menschen ohne Behinderung (vgl SchmidtReker 2014 S 28)
Des Weiteren haben Menschen mit Lernschwierigkeiten statistisch gesehen haumlufiger Uumlberge-
wicht als der Durchschnitt der Bevoumllkerung Hier muss jedoch beruumlcksichtigt werden dass
mit bestimmten Syndromen wie bspw dem Down-Syndrom ein veraumlnderter Energiebedarf
aufgrund der geringeren Muskelspannung einhergeht oder das Saumlttigungsgefuumlhl zB beim
Prader-Willi-Syndrom veraumlndert ist (Beange 2002 S 3) Die houmlhere Wahrscheinlichkeit des
Uumlbergewichts besteht statistisch gesehen sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen mit
8 Krankheitstage werden an dieser Stelle des Bundesteilhabeberichtes verstanden als Tage in denen der Mensch
sich subjektiv zu krank gefuumlhlt hat um seinen normalen privaten und beruflichen Taumltigkeiten nachzugehen
21
Lernschwierigkeiten (vgl Reuter 2009 S 13) Eine moumlgliche Ursache hierfuumlr kann auch in
der Tatsache gesehen werden dass Menschen mit Behinderungen durchschnittlich seltener
Sport treiben als nicht behinderte Menschen (vgl BMAS 2013 S 221222)
Ein weiterer bedeutender Zusammenhang zwischen Krankheit und Behinderung ist dass viele
Behinderungen im Sinne von Einschraumlnkungen in der gesellschaftlichen Teilhabe wie auch im
gesetzlichen Verstaumlndnis nach dem SGB IX Folgen von schweren undoder chronischen
Krankheiten sind (vgl SchmidtReker 2014 S 26)
Trotz allem muumlssen auch die vorhandenen Gesundheitspotentiale behinderter Menschen be-
ruumlcksichtigt werden denn an ihnen kann eine gelingende Gesundheitsfoumlrderung ansetzen (vgl
Altgeld 2008 S 8)9 Ein ressourcenorientierter Blick achtet besonders auf die verschiedenen
Potentiale die jedem Menschen (oder auch einer Gruppe von Menschen) innewohnen
Das Verhaumlltnis zwischen Gesundheit und Behinderung haumlngt in Deutschland und vielen Tei-
len der sog westlichen Welt aus sozialmedizinischem Blickwinkel nach wie vor so zusam-
men bdquoWhile a large number of individuals who are in bad health end up with a disability a
large number of persons with disabilities end up with bad healthldquo10
(Rimmer 2009 zit nach
MarksSisirakHeller 2010 S 31) Dieser Chiasmus verdeutlicht zusammenfassend nicht nur
die vorherrschende enge Verbindung zwischen schlechterer Gesundheit und Behinderung
sondern impliziert auch die Notwendigkeit von Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Be-
hinderungen Wie in 31 beschrieben hat Gesundheitsfoumlrderung auch den Abbau gesundheit-
licher Chancenungleichheit zum Ziel
42 Erreichbarkeit von Menschen mit Behinderungen fuumlr gesundheitsfoumlrdernde Maszlignahmen
Fuumlr die Gesundheitsfoumlrderung gelten Menschen mit Behinderungen als schwer zu erreichen
Es sollen nun die wesentlichen Probleme aber auch die vorhandenen Potentiale beschrieben
werden
9 Altgeld bezieht sich in seiner Analyse auf den Gesundheitsmonitor 2007 der Bertelsmann Stiftung Da dieser
Menschen mit Lernschwierigkeiten nicht mit einbezieht sondern vorwiegend koumlrper- und sinnesbeeintraumlchtige
Menschen beruumlcksichtigt koumlnnen seine Schlussfolgerungen nicht fuumlr die gesamte sehr heterogene Gruppe der
behinderten Menschen angewendet werden 10
Waumlhrend eine groszlige Anzahl an Personen welche eine schlechte Gesundheit besitzen eine Behinderung er-
langt erlangt eine groszlige Anzahl an Personen mit Behinderungen eine schlechte Gesundheit (Uumlbersetzung des
Verfassers)
22
421 Probleme bei der Erreichbarkeit
In den bundesweiten Untersuchungen wie bspw dem Sozio-oumlkonomischen Panel (SOEP)
oder Gesundheit in Deutschland aktuell (GEDA) werden Menschen mit Lernschwierigkeiten
idR nicht erreicht Dies hat zur Folge dass sowohl gesundheitliche Potentiale als auch Be-
duumlrfnisse und Bedarfe von Menschen mit Lernschwierigkeiten in der Gesundheitsfoumlrderung
weitgehend unerkannt und dadurch ausgeklammert bleiben (vgl Burtscher 2014 S 4)
Generell gelten behinderte Menschen bisher als schwer zu erreichen fuumlr Maszlignahmen zur Ge-
sundheitsfoumlrderung was verschiedene Gruumlnde hat Sozial benachteiligte Menschen sind sehr
haumlufig eine schwer erreichbare Zielgruppe fuumlr die Gesundheitsfoumlrderung Maszlignahmen auf der
gesamtgesellschaftlichen Ebene werden eher von Menschen mit houmlherem sozialen Status an-
genommen (Hurrelmann 2006 S 164) und erst spaumlter von sozial Benachteiligten internali-
siert Es waumlre jedoch ein Fehler Menschen mit Behinderungen automatisch zur Gruppe der
sozial benachteiligten Menschen zu rechnen Jedoch zeigt der Bundesteilhabebericht dass
behinderte Menschen haumlufiger erwerbslos sind und durchschnittlich weniger Gehalt verdienen
(BMAS 2013 S 141 ndash 149) Dass die finanzielle Lage von Beschaumlftigten der WfbMs beson-
ders prekaumlr ist wird im Punkt 43 naumlher erlaumlutert Diese soziooumlkonomischen Merkmale sind
jedoch nur ein Aspekt Auch gilt es zu bedenken dass besonders Maszlignahmen auf der Verhal-
tensebene bei sozial benachteiligten Menschen oft wenig angenommen werden da sie mit den
eigenen dauerhaften Lebensvorstellungen nicht uumlbereinstimmen (vgl Hurrelmann 2006
S 164) So nehmen Menschen mit Behinderung nur sehr selten an Angeboten oumlffentlicher
Einrichtungen wie bspw Volkshochschulkursen oder Rehabilitations-Sport-Maszlignahmen teil
(vgl Burtscher 2014 S 5)
Ein weiterer Punkt ist dass das Thema Gesundheitsfoumlrderung in der Behindertenarbeit traditi-
onell kaum etabliert war Laut einer Studie aus dem Jahr 2004 sehen Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter in Behinderteneinrichtungen haumlufig wenig Relevanz in Sport Bewegung und Er-
naumlhrung fuumlr die Foumlrderung der Gesundheit behinderter Menschen Daruumlber hinaus schreiben
sie auch Selbstbewusstsein Selbststaumlndigkeit und Selbstbestimmung nur eine untergeordnete
Rolle zu (vgl Gembris-Nuumlbel 2004 S 144) Allerdings besteht die Chance dass diese Ein-
stellung sich in den letzten zehn Jahren veraumlndert hat Die Ergebnisse der im Rahmen dieser
Arbeit durchgefuumlhrten Feldbefragung geben Anlass zu dieser Annahme (siehe 443) Auszliger-
dem ist fuumlr viele Menschen mit Lernschwierigkeiten der Zugang zu Informationen welche
Gesundheitsfoumlrderung thematisieren nur schwer moumlglich Hier sind folglich Vermittlung und
Unterstuumltzung oft notwendig (vgl Gembris-Nuumlbel 2004 S 82)
23
Auch von der Politik wird das Thema der Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen
bisher nur sehr selten thematisiert Seltene Ausnahmen wie zB die 22 Landesgesundheits-
konferenz in Nordrhein-Westfalen weisen jedoch auf die Wichtigkeit von Gesundheitsfoumlrde-
rung hin welche die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben verbessern kann (vgl Ministerium
fuumlr Gesundheit Emanzipation Pflege und Alter des Landes Nordrhein-Westfalen 2013
S 31) Hervorgehoben wird hier auch die (zukuumlnftige) Gestaltung der Informationen damit
diese fuumlr alle zugaumlnglich sind Des Weiteren soll auch das Bewusstsein saumlmtlicher Beteiligten
im Bereich der Gesundheitsfoumlrderung sensibilisiert werden (vgl Ministerium fuumlr Gesundheit
Emanzipation Pflege und Alter des Landes Nordrhein-Westfalen 2013 S 32)
Schon im Grundschulalter werden behinderte Kinder oft nicht erreicht da Gesundheitsfoumlrde-
rung sehr haumlufig nur in Regelgrundschulen und weiterfuumlhrenden Schulen und nicht in separie-
renden Foumlrderschulen stattfindet (vgl Reuter 2009 S 1819)
422 Potentiale fuumlr die Erreichbarkeit
Allerdings muumlssen auch die Potentiale betrachtet werden die fuumlr eine Erreichbarkeit behin-
derter Menschen zur Gesundheitsfoumlrderung vorhanden sind Auch diese bestehen in allen Al-
tersgruppen zB im fruumlhen Schulalter Im Zuge der Inklusion bei der immer mehr Kinder
mit Behinderungen in Regelschulen unterrichtet werden ist zu hoffen dass sie zukuumlnftig haumlu-
figer an Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung teilhaben koumlnnen Solange es (noch) Foumlrder-
schulen gibt muss auch auf deren (oft ungenutztes) Potential fuumlr gesundheitsfoumlrdernde Maszlig-
nahmen hingewiesen werden das in ihrer oft ganztaumlgigen Betreuung und den damit verbun-
denen Ressourcen liegt
Nicht nur in der Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Kindern sind bereits Potentiale vor-
handen Generell weisen Gesundheitsfoumlrderung und Behindertenarbeit sehr groszlige Gemein-
samkeiten in Sprache Prinzipien und Zielen auf Beide zielen letztendlich ab auf Inklusion
Partizipation Empowerment Entwicklung persoumlnlicher Faumlhigkeiten Einbindung in die Ge-
meinde die Neuorientierung von Gesundheitsdienstleistungen und die Foumlrderung von Um-
welten welche Gesundheit und Lebensqualitaumlt verbessern (vgl Lennox 2002 S 231) Es soll
auch darauf hingewiesen werden dass viele behinderte Menschen sehr an Informationen uumlber
Gesundheit interessiert sind und aktiv nach Informationen suchen (vgl Altgeld 2008 S 8)
Abschlieszligend laumlsst sich auffuumlhren dass gerade der Setting-Ansatz wie er in Punkt 34 darge-
stellt wurde eine sehr gute Moumlglichkeit bietet Menschen mit Behinderungen zu erreichen Er
24
bietet einen Zugangspunkt und kann Ausgangslage sein sowohl fuumlr verhaltens- als auch fuumlr
verhaumlltnisorientierte Maszlignahmen zur Foumlrderung der Gesundheit von Menschen mit Behinde-
rungen
Obwohl behinderte Menschen in der Vergangenheit nur selten gezielt an Maszlignahmen zur
Gesundheitsfoumlrderung beteiligt wurden sind doch einige Potentiale vorhanden an denen an-
zuknuumlpfen lohnenswert scheint
43 Das Setting Werkstatt fuumlr behinderte Menschen
WfbMs sind spezielle Einrichtungen fuumlr Menschen mit Behinderungen die nach dem SGB IX
als behindert gelten (siehe 21) Nach sect 136 SGB IX dienen diese Einrichtungen der bdquoTeilhabe
behinderter Menschen am Arbeitsleben [hellip] und zur Eingliederung in das Arbeitslebenldquo
Dadurch sind sie nicht Teil des allgemeinen Arbeitsmarktes da ihre Beschaumlftigten bdquowegen
Art oder Schwere der Behinderung nicht noch nicht oder noch nicht wieder auf dem allge-
meinen Arbeitsmarkt beschaumlftigt werden koumlnnenldquo (sect 136 Abs 1 SGB IX) Ihr Ziel ist es be-
hinderte Menschen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt vorzubereiten Die Beschaumlftigten arbei-
ten in verschiedensten Bereichen zB im Handwerk oder in Taumltigkeiten der elektronischen
Datenverarbeitung je nach persoumlnlicher Neigung Da es sich um kein typisches sozialversi-
cherungspflichtiges Arbeitsverhaumlltnis handelt sondern um ein bdquoarbeitnehmeraumlhnliches
Rechtsverhaumlltnisldquo11
(sect 138 SGB IX) bekommen die Beschaumlftigten keinen Lohn der dem
Mindestlohn entspricht Nach sect 138 SGB IX setzt sich ihr Arbeitsentgelt zusammen aus ei-
nem Grundbetrag und einem leistungsbemessenen Steigerungsbetrag Im Jahr 2011 verdiente
ein Beschaumlftigter im Durchschnitt 180 Euro monatlich (vgl BAG WfbM 2014) bei 35 bis 40
Arbeitsstunden pro Woche Von einer groszligen Steigerung in den letzten Jahren ist nicht auszu-
gehen Somit benoumltigen Beschaumlftigte einer WfbM idR neben ihrem Arbeitsentgelt Grundsi-
cherung Dies hat zur Folge dass sie haumlufig in prekaumlren soziooumlkonomischen Verhaumlltnissen
leben
Jede Werkstatt ist soziologisch betrachtet ein eigenes System mit individuellen Merkmalen
die unter anderem vom Standort dem Fachpersonal dem Traumlger und den Beschaumlftigten ge-
kennzeichnet sind (vgl SchlummerSchuumltte 2006 S 81) Gesetzlich festgelegt ist in sect 139
11
Begruumlndet wird dieses Rechtsverhaumlltnis haumlufig durch den Kuumlndigungsschutz Eine Werkstatt kann einen
Werkstattvertrag mit einer Beschaumlftigten oder einem Beschaumlftigten nur in seltenen Faumlllen gegen ihren oder sei-
nen Willen aufheben
25
SGB IX dass die Beschaumlftigten aus ihrer Mitte heraus regelmaumlszligig einen Werkstattrat waumlhlen
Genaueres regelt hier die Werkstaumltten-Mitwirkungsverordnung (WMVO) Wie ihr Name al-
lerdings schon sagt handelt es sich hier um die Moumlglichkeit der Mitwirkung nicht der Mitbe-
stimmung Diese kann nur erreicht werden wenn Werkstatt und Werkstattrat nach sect 5 Abs 4
WMVO eine weitergehende Vereinbarung treffen Zu den Aufgaben des Werkstattrates ge-
houmlrt es die Interessen der Beschaumlftigten in verschiedenen Angelegenheiten gegenuumlber der
Werkstatt zu vertreten Diese sind in sect 5 Abs 1 WMVO aufgelistet Die Werkstatt muss den
Werkstattrat auszligerdem informieren wenn sie eine Maszlignahme durchfuumlhrt in der der Werk-
stattrat ein Mitwirkungsrecht besitzt12
Sollte kein Einverstaumlndnis in einer Beratung erzielt
werden koumlnnen beide Seiten sich an eine Vermittlungsstelle wenden (sect 5 Abs 3 WMVO)
Das tatsaumlchliche Ausmaszlig der Mitwirkung ist jedoch stets von der Werkstattleitung abhaumlngig
Solch eine fehlende gesetzliche Verankerung von Mitbestimmung steht der Partizipation be-
hinderter Menschen im Wege welche sowohl fuumlr die gesellschaftliche Inklusion als auch die
Gesundheitsfoumlrderung immens wichtig ist
44 Gesundheitsfoumlrderung in Werkstaumltten fuumlr behinderte Menschen
Zunaumlchst gilt es sich einen Uumlberblick uumlber den aktuellen Stand von Gesundheitsfoumlrderung in
WfbMs zu verschaffen Einen ersten Einblick soll die dazu vorhandene Literatur liefern Da-
nach soll ein Abgleich dieser mit der Praxis stattfinden der sich aufgrund des gesetzten Rah-
mens dieser Arbeit nur auf einige Werkstaumltten des Bundeslandes Berlin konzentriert Hierfuumlr
werden jeweils die Leitbilder untersucht und Stimmen aus der Werkstatt ausgewertet
441 Recherche zum aktuellen Stand
Die Literatur zum Thema Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen in WfbMs ist
noch sehr duumlnn Vollstaumlndig ausgearbeitete Konzepte gibt es bisher nicht veroumlffentlicht wur-
den Berichte von abgeschlossenen oder noch laufenden Projekten Werner Schlummer wis-
senschaftlicher Mitarbeiter der Universitaumlt zu Koumlln begleitete ein Projekt zum Betrieblichen
12
Eine ausfuumlhrliche Beschreibung der Mitwirkungs- und Unterrichtungsrechte des Werkstattrates ist bei
SchlummerSchuumltte 2006 S 71 ndash 82 nachzulesen
26
Gesundheitsmanagement13
in einer WfbM zusammen mit acht Studierenden der Universitaumlt
(vgl Schlummer 2015 S 33) Auch das Projekt GESUND als Teilprojekt von PartKomm-
Plus (Forschungsverbund fuumlr gesunde Kommunen) wird wissenschaftlich durch die Katholi-
sche Hochschule fuumlr Sozialwesen begleitet (vgl Burtscher 2014 S 6)
Als Ausnahme kann das Projekt bdquoSelbstbestimmt gesuumlnderldquo im Rahmen des Programmes
bdquoHealthy Athletesldquo gesehen werden Hier bringt Special Olympics Deutschland eV Maszlig-
nahmen zur Gesundheitsfoumlrderung in die Lebenswelten behinderter Menschen Bei Healthy
Athletes werden Sportlerinnen und Sportler bei Veranstaltungen von Special Olympics kos-
tenlose Beratungen und Kontrolluntersuchungen angeboten Diese Angebote werden jedoch
auch auf Wohnheime und WfbMs ausgeweitet (vgl Special Olympics Deutschland a) S 2
eigene Paginierung) Auch das Projekt bdquoSelbstbestimmt gesuumlnderldquo bringt gesundheitsfoumlrdern-
de Maszlignahmen in Werkstaumltten Dabei werden bdquoTeilnehmern individualisierte Handlungsemp-
fehlungen zum Gesundheitsverhalten zur Verfuumlgung gestelltldquo (Special Olympics Deutschland
b) oS) Das Projekt setzt auszligerdem auf die Wirkung von Peer-Multiplikatorinnen und
-Multiplikatoren
Weitere Projekte sind trotz intensiver Recherche nicht bekannt Auch die Bundesarbeitsge-
meinschaft Werkstaumltten fuumlr behinderte Menschen eV (BAG WfbM) hat auf ihrer Homepa-
ge14
keinen Artikel zur Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung in WfbMs
Gibt man in der Suchmaske bdquoGesundheitsfoumlrderungldquo ein erhaumllt man zwei Ergebnisse einen
Artikel uumlber ein neu entwickeltes Computerspiel das von Kindern mit unterschiedlichen Be-
hinderungen gespielt werden kann und einen Artikel zum Qualifizierungsprogramm bdquoGe-
sundheitsfoumlrderung durch Schluumlsselqualifikationenldquo das sich nicht an Beschaumlftigte sondern
an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in WfbMs richtet Dies legt den Schluss nahe dass Ge-
sundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen in WfbMs bisher kaum verbreitet ist
Das Thema Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung als solches wurde in den
letzten Jahren zunehmend in der Literatur behandelt wobei die Anzahl der Veroumlffentlichun-
gen nach wie vor auf einem uumlberschaubaren Stand ist
13
Schlummers Verstaumlndnis von Betrieblichem Gesundheitsmanagement und Betrieblicher Gesundheitsfoumlrderung
sind beinahe synonym Das beschriebene Projekt kann daher im erweiterten Rahmen durchaus als Projekt zur
Gesundheitsfoumlrderung gesehen werden 14
httpwwwbagwfbmde (Stand 11112015)
27
442 Konzepte und Leitbilder von Einrichtungen der Praxis
Betrachtet werden vier verschiedene WfbMs und ihre Leitbilder Es handelt sich um die vier
Werkstaumltten von denen auch im Rahmen der Feldbefragung Stimmen einer Mitarbeiterin oder
eines Mitarbeiters und zT von Beschaumlftigten gewonnen werden konnten (siehe 443 und
Anhang Nr 2)
Aufgrund der jeweiligen Traumlgerstrukturen besitzt lediglich eine der Werkstaumltten15
als solche
ein eigenes Leitbild Bei den anderen drei Werkstaumltten muss auf das Leitbild des jeweiligen
Traumlgers zuruumlckgegriffen werden Das Thema der Gesundheit der Klientinnen und Klienten
bzw Werkstattbeschaumlftigten wird allerdings in keinem Leitbild thematisiert Auch die Such-
funktionen auf den jeweiligen Homepages bzw intensive Recherchen auf diesen brachten
keine Ergebnisse zum Stichwort bdquoGesundheitsfoumlrderungldquo Daraus laumlsst sich schlieszligen dass
Gesundheitsfoumlrderung der Werkstattbeschaumlftigten in den theoretischen Konzeptionen von
WfbMs meist nicht verankert ist
443 Gesundheitsfoumlrderung in der alltaumlglichen Praxis der Werkstaumltten ndash eine kleine Feldbe-
fragung
Im Rahmen des Informationstages der Berliner Landesarbeitsgemeinschaft Werkstaumltten fuumlr
behinderte Menschen eV (LAG WfbM) am 17112015 im Estrel Hotel Berlin wurden je-
weils eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter von vier verschiedenen WfbMs zum Thema Ge-
sundheitsfoumlrderung mit den Beschaumlftigten in der Werkstatt befragt (siehe Anhang Nr 2) Die
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben alle eine vergleichbare Position Begleitender Dienst
Paumldagogischer Dienst oder Sozialdienst In einer der Werkstaumltten konnten uumlberdies auch
Stimmen von Beschaumlftigten gewonnen werden16
Die Ergebnisse weisen keine empirische
Repraumlsentativitaumlt auf da der knappe Rahmen dieser Arbeit eine repraumlsentative empirische
Forschungsarbeit kaum zulaumlsst Die Befragungen sollen dazu dienen einen Einblick in den
Alltag der WfbMs zu ermoumlglichen und die in der Literatur und den Leibildern gewonnenen
Perspektiven zu erweitern
15
Aus Gruumlnden des Datenschutzes duumlrfen in der hier publizierten Version die Namen der Werkstaumltten nicht
genannt werden 16
In zwei der Werkstaumltten konnten keine Stimmen von Beschaumlftigten erhoben werden da eine Befragung in der
Werkstatt von den befragten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern abgelehnt wurde Der Mitarbeiter der dritten
Werkstatt signalisierte zwar waumlhrend der Befragung Zustimmung jedoch fehlte diese spaumlter von Seiten der Lei-
tung
28
Der Begriff bdquoGesundheitsfoumlrderungldquo wird von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sehr
unterschiedlich interpretiert Die Spannbreite liegt von einem Verstaumlndnis aumlhnlich des hier
dargelegten bis hin zu therapeutischer und rehabilitativer Foumlrderung Die angebotenen Maszlig-
nahmen welche einer Foumlrderung der Gesundheit dienen sollen sind jedoch bei allen aumlhnlich
Meist handelt es sich um Musik- Sport- und Bewegungsangebote die im Rahmen von sog
Begleitenden Maszlignahmen verankert sind Daruumlber hinaus werden auch entlastende Bewegun-
gen in den Arbeitsgruppen angeboten und ein Gesundheitstag in Kooperation mit Special
Olympics Deutschland geplant (eine Werkstatt) Eine andere Werkstatt kooperiert mit der
Fitnessstudiokette Fitness First Kurse zu gesunder Ernaumlhrung und Kochen werden teilweise
angeboten oder sind in Planung Nach Aussagen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden
die Maszlignahmen meist gut angenommen In einer Werkstatt wird sogar gemeinsam mit dem
Werkstattrat an einer Peer-Beratung gearbeitet mit der den Beschaumlftigten der Zugang zu den
Themen Bildung und Gesundheit verbessert werden soll Schwierigkeiten bestehen besonders
bzgl der Raumlume zB bei Turnhallen fuumlr Fuszligball
Eine Partizipation bei der Entwicklung von Angeboten ist nur teilweise gegeben Es wird
zwar in allen befragten Werkstaumltten nach Interessen der Beschaumlftigten gefragt und dement-
sprechend die Kurse angeboten jedoch besteht nur selten die Moumlglichkeit fuumlr die Beschaumlftig-
ten aktiv den jeweiligen Kurs durch eigene Entscheidungen mitzugestalten In einer Werk-
statt ist das bspw abhaumlngig von der Kursart von der Kursleiterin bzw dem Kursleiter und
vom Konzept Evaluiert werden die Angebote meist nur durch Nachfrage in den idR jaumlhr-
lich stattfindenden Entwicklungsgespraumlchen mit den einzelnen Beschaumlftigten und teilweise
daruumlber hinaus mit Fragebogen oder durch die Kursleiterin bzw den Kursleiter Eine Werk-
statt fuumlhrt sogar Statistiken zur Nachfrage Eine partizipative Evaluation findet in keiner der
befragten Werkstaumltten statt
Die befragten Beschaumlftigten einer der Werkstaumltten zeigten sich mit dem Angebot an gesund-
heitsfoumlrdernden Maszlignahmen groumlszligtenteils sehr zufrieden und empfanden die Anzahl der An-
gebote als meist genuumlgend Geaumluszligert wurde lediglich der Wunsch nach weiteren Angeboten
zu gesunder Ernaumlhrung und nach einem besseren Angebot an gesunden Speisen Das Ver-
staumlndnis von Gesundheitsfoumlrderung ist unterschiedlich Auffaumlllig ist dass auf der einen Seite
Aumlrzte und Besuche bei diesen wichtig scheinen gleichzeitig aber auch das Achten auf die
eigene Gesundheit als Teil der Gesundheitsfoumlrderung gilt Besonders letzterer Aspekt weist
darauf hin dass bei den Befragten ein gewisses Grundverstaumlndnis von Gesundheitsfoumlrderung
vorhanden ist das dem in dieser Arbeit verwendeten aumlhnelt Die Wichtigkeit der aumlrztlichen
29
Betreuung laumlsst jedoch zugleich auch auf ein eher bdquotraditionellesldquo bio-medizinisches Gesund-
heitsverstaumlndnis schlieszligen
Als angebotene Maszlignahmen werden meist Sport- und Bewegungsangebote genannt aber
auch eine Apfelpause um kurz von der Arbeit entspannen zu koumlnnen Daruumlber hinaus gab es
Angebote zur Fuszlighygiene und zur Zahn- und Augengesundheit Hier ist der Uumlbergang zwi-
schen Gesundheitsfoumlrderung und Praumlvention flieszligend Bzgl (zukuumlnftiger) Angebote werden
die Beschaumlftigten nach ihren Wuumlnschen gefragt aber eine wirkliche Mitbestimmung in Kon-
zeption und Planung dieser scheint nicht gegeben Auch bei der Evaluation findet bisher keine
Partizipation statt Die Befragung hat jedoch den bisherigen Eindruck bestaumltigt dass gesund-
heitsfoumlrdernde Maszlignahmen in WfbMs von behinderten Menschen durchaus nachgefragt wer-
den und die Werkstaumltten versucht sind im Rahmen der begleitenden Maszlignahmen ein sehr
breites Feld abzudecken Negativ scheint besonders das weitgehende Fehlen partizipativer
Strukturen
In den Werkstaumltten werden viele Angebote im Rahmen begleitender Maszlignahmen offeriert die
fuumlr die Gesundheit foumlrderlich sind Als Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung die die Prinzi-
pien der BVPG verinnerlichen koumlnnen sie jedoch nicht gesehen werden da zB die Partizipa-
tion eine eher untergeordnete Rolle spielt und die Thematik meist auf Sport- und zT Ernaumlh-
rungsangebote beschraumlnkt bleibt Auch werden die Effekte der Maszlignahmen nicht evaluiert
Entspannungsangebote werden nur selten angeboten und der Fokus richtet sich meist nur auf
die koumlrperliche Gesundheit
Daruumlber hinaus zeigt die Befragung aber auch welch groszliges Potential zur Gesundheitsfoumlrde-
rung in den Werkstaumltten liegt Mit den begleitenden Maszlignahmen sind Strukturen verankert in
denen Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung leicht integriert werden koumlnnen Offenheit fuumlr
Kooperationen scheint vielfach gegeben (zB mit Special Olympics Deutschland Fitness
First) sodass auch eine Kooperation mit den Krankenkassen und weiteren Partnern vorstell-
bar scheint Dies wuumlrde den Vorteil finanzieller Foumlrderung und Expertise durch Erfahrungen
mit bereits durchgefuumlhrten Maszlignahmen einbringen Die befragten Mitarbeiterinnen und Mit-
arbeiter schienen Gesundheitsfoumlrderung gegenuumlber prinzipiell sehr positiv eingestellt
Auch wenn in den Leitbildern und auf den Homepages Gesundheitsfoumlrderung nicht themati-
siert wird gibt es in der Praxis schon verschiedene Maszlignahmen und Projekte mit der Intenti-
on die Gesundheit der Beschaumlftigten zu verbessern
30
45 Anregungen fuumlr die Praxis
Vor dem Hintergrund der zu Rate gezogenen Literatur und den gewonnen Erkenntnissen
durch die Feldbefragung werden nun einige Uumlberlegungen fuumlr die Praxis einer gelingenden
Gesundheitsfoumlrderung getroffen Diese koumlnnen als moumlgliche Anregungen zur Umsetzung ver-
standen werden
451 Partizipation und Empowerment in der Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behin-
derung
Erfolgreiche Gesundheitsfoumlrderung braucht Partizipationsmoumlglichkeiten fuumlr die jeweilige
Zielgruppe Partizipation ist schlieszliglich nicht nur Teilnahme sondern aktive Teilhabe und
damit einhergehend die Moumlglichkeit mitzubestimmen und mitzuentscheiden Dazu gehoumlrt
auch die Definitionsmacht also die Macht (mit)zubestimmen an welche die Gesundheit be-
treffenden Aspekte in einer Maszlignahme zur Gesundheitsfoumlrderung herangegangen werden soll
(vgl Wrightvon UngerBlock 2010 S 39) Diese aktive Teilhabe muss also bereits zu Be-
ginn einer Maszlignahme Teil dieser sein Partizipation bedeutet folglich auch Macht Partizipa-
tion zu ermoumlglichen bedeutet Empowerment also die Ermaumlchtigung eines Individuums oder
einer Gruppe So bekommt Partizipation in der Gesundheitsfoumlrderung auch eine gesellschaft-
liche und politische Komponente denn dadurch koumlnnen Menschen mit Behinderungen lernen
mitzubestimmen mitzuentscheiden und eigene Interessen zu vertreten Diese erlernten Faumlhig-
keiten lassen sich auf die Handlungsebene in einer demokratischen Gesellschaft uumlbertragen
Sowohl Empowerment als auch Partizipation gehoumlren zu den in 31 erwaumlhnten Prinzipien der
BVPG Diese weist darauf hin dass Partizipation in saumlmtlichen Phasen einer Maszlignahme ge-
geben sein muss beginnend mit der Bedarfsanalyse der Planung in der Durchfuumlhrung und
abschlieszligend in der BewertungEvaluation So kann die Wirksamkeit einer Maszlignahme erhoumlht
werden (vgl BVPG 2013 S 90) Teilhabe kann als ein wichtiger Bestandteil der Qualitaumltssi-
cherung gesehen werden Bisher finden Maszlignahmen zur Qualitaumltssicherung nur selten unter
Partizipation der Zielgruppe statt Diese partizipativ zu beteiligen hilft die Qualitaumlt der Ge-
sundheitsfoumlrderung aufrechtzuerhalten oder sogar zu verbessern (vgl Wrightvon Un-
gerBlock 2010 S 35)
Teilhabe ist bei behinderten Menschen besonders wichtig Ihr Leben ist haumlufig von Beginn an
stark fremdbestimmt und von Abhaumlngigkeit gepraumlgt Somit lernen sie seltener als nicht behin-
31
derte Menschen Verantwortung zu uumlbernehmen und selbststaumlndig zu agieren Dies kann bis
hin zur sog bdquoerlernten Hilflosigkeitldquo fuumlhren Vor diesem Hintergrund scheint Partizipation
umso wichtiger aber auch umso arbeitsintensiver Sie ist daher in der Praxis der Gesundheits-
foumlrderung haumlufig sehr arbeitsintensiv und benoumltigt folglich zeitliche Ressourcen und damit
einhergehend finanzielle Ressourcen (vgl Loss 2009 S 10)
Traditionell sind viele Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung top-down organisiert das be-
deutet eine Einrichtung ein Geldgeber etc plant eine Maszlignahme fuumlhrt diese durch und eva-
luiert sie Zur Erreichung der eigenen Ziele wird die Zielgruppe mobilisiert ohne ein Mitspra-
cherecht zu den einzelnen Bausteinen der Maszlignahme zu haben Diese Struktur verdeutlicht
das Maumlchteungleichwicht zwischen Anbieter und Zielgruppe und zementiert den Status be-
hinderter Menschen als Abhaumlngige und Ohnmaumlchtige Der Gegensatz zu top-down-
Programmen ist der bottom-up-Ansatz Hier findet eine Machtteilung statt da die Gesund-
heitsfoumlrderinnen und Gesundheitsfoumlrderer ihre Macht mit der Zielgruppe teilen und eher die
Rolle von Unterstuumltzerinnen und Unterstuumltzern einnehmen Die Zielgruppe soll unterstuumltzt
werden ihre eigenen Probleme festzustellen und Loumlsungen sowie Maszlignahmen zu erarbeiten
In der Planung Durchfuumlhrung und Evaluation kommt ihr damit eine aktive Rolle zu (vgl La-
verack 2010 S 77) Bottom-up-Programme scheinen daher fuumlr Partizipation und Empower-
ment geeigneter als top-down-Strukturen Allerdings schlieszligen sich beide Ansaumltze nicht
zwingend aus sondern Maszlignahmen koumlnnen Eigenschaften beider Ansaumltze aufweisen In
WfbMs scheinen Maszlignahmen sehr haumlufig top-down organisiert zu sein Die staumlrkere Veranke-
rung von bottom-up-Strukturen waumlre hier im Sinne einer Teilhabe ndash in der Werkstatt wie auch
daruumlber hinaus auf gesellschaftlicher Ebene ndash vorteilhaft und wuumlnschenswert
452 Peer-Multiplikatorinnen und -Multiplikatoren
Eine Strategie die in der Praxis der Gesundheitsfoumlrderung bereits mit positiven Ergebnissen
getestet wurde sind Peer-Multiplikatorinnen und -Multiplikatoren Das Modell der Multipli-
katorinnen und Multiplikatoren war bereits Grundlage vieler gesundheitsfoumlrdernder Maszlignah-
men mit sozial benachteiligten Menschen die auch in der Literatur vielfach dokumentiert
sind Auch in der Arbeit mit behinderten Menschen ist dieses Konzept nicht neu Auf Maszlig-
nahmen zur Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung wurde es bisher kaum an-
gewandt scheint jedoch erfolgsversprechend Das Projekt GESUND welches mit einer Ber-
liner WfbM durchgefuumlhrt wird arbeitet mit diesem Konzept (vgl Burtscher 2014 S 8) Die
32
Funktion von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren besteht darin Kenntnisse und Informa-
tionen zur Gesundheit(-sfoumlrderung) der Zielgruppe mit Hilfe der ihnen innewohnenden Ver-
trauensstellung naumlher zu bringen Sie haben daher eine bdquoMittlerfunktionldquo (BVPG 2013 S 92)
zwischen Durchfuumlhrenden und Zielgruppe Voraussetzung dafuumlr ist dass sie der Zielgruppe
angehoumlren oder zumindest eine sehr enge Verbindung zu ihr besitzen Im Zuge einer Maszlig-
nahme werden sie selbst gestaumlrkt sozusagen bdquoempowertldquo Ihre Mittlerfunktion funktioniert
allerdings auch in die andere Richtung Sie bringen den Durchfuumlhrenden die Perspektive der
Zielgruppe naumlher Im Idealfall fuumlhrt der Einsatz von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren
zur Aktivierung der Zielgruppe die ihr selbstbestimmtes Handeln auch auf andere Bereiche
ausdehnen kann (vgl Stickan-Verfuumlrth 2005 S 108) Diesem Modell sehr aumlhnlich ist das
Modell des Peer-Counseling Hier stehen Mitglieder der Zielgruppe in beratender Funktion
ihrer Peer-Gruppe zur Verfuumlgung
453 Verknuumlpfung von Betrieblicher Gesundheitsfoumlrderung und Gesundheitsfoumlrderung in
Werkstaumltten fuumlr behinderte Menschen
Eine Uumlbertragung der Idee der Betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung auf die Gesundheitsfoumlrde-
rung in WfbMs scheint in der Tat realisierbar Den rechtlichen und finanziellen Rahmen hier-
fuumlr hat das 2015 beschlossene Praumlventionsgesetz geschaffen (siehe 33) Im Entwurf der Bun-
desregierung wird in der Anmerkung zum neuen sect 20 Abs 4 SGB V explizit darauf hinge-
wiesen dass Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung auch in WfbMs zum Leistungsspektrum der
Krankenkassen gehoumlrt (vgl Deutscher Bundestag 2015 S 34) Eine Etablierung hiervon in
der Praxis haumlngt in erster Linie neben den Krankenkassen auch von den Leitungen der WfbMs
ab Sollten diese hierfuumlr und auch gegenuumlber partizipativen Strukturen offen sein waumlre der in
351 kurz vorgestellte Gesundheitszirkel ein passender Startpunkt um von Beginn an auch
die Partizipation der Beschaumlftigten zu gewaumlhrleisten Analog zum Konzept der BGF koumlnnten
gemeinsam Maszlignahmen erarbeitet werden die die Gesundheit der Beschaumlftigten foumlrdern wuumlr-
den Den Vertreterinnen und Vertretern der Beschaumlftigten die im Gesundheitszirkel mitwir-
ken koumlnnte dabei die Rolle von Peer-Multiplikatorinnen und -Multiplikatoren zukommen
Als Effekte duumlrften die in 351 beschriebenen auch hier zu erwarten sein eine Verbesserung
der Gesundheit und eine Staumlrkung der gesundheitlichen Ressourcen eine Verringerung der
krankheitsbedingten Fehltage eine staumlrkere Identifikation der Beschaumlftigten mit der Werk-
33
statt ein besseres Arbeitsklima eine houmlhere Motivation und Arbeitszufriedenheit und eine
Steigerung der Produktivitaumlt
Es empfiehlt sich im Sinne der Partizipation und des Empowerments kein reines top-down-
Programm zu starten sondern einen bottom-up-Ansatz zu waumlhlen bzw zumindest mehrere
Elemente dessen einzubauen Als Anknuumlpfungspunkt koumlnnen bereits bestehende begleitende
Maszlignahmen mit passender Thematik genommen werden
Wie bdquonormaleldquo Betriebe koumlnnten auch WfbMs Kooperationen in ihrem raumlumlichen Umfeld
aufbauen und von Vernetzungen profitieren Aufgrund ihrer Groumlszlige sind sie in ihrem Sozial-
raum ein meist nicht zu unterschaumltzender Akteur
34
5 Fazit und Ausblick
Ausgehend von einem bio-psycho-sozialen Verstaumlndnis von Gesundheit wurden verschiedene
Aspekte der Gesundheitsfoumlrderung vertieft und anschlieszligend eine Verknuumlpfung zur Gesund-
heitsfoumlrderung mit behinderten Menschen hergestellt Hierbei lag der Fokus auf gesundheits-
foumlrdernden Maszlignahmen in WfbMs Dabei wurde die aktuelle Literatur zu Rate gezogen In-
ternetauftritte einiger Werkstaumltten durchsucht und Stimmen aus dem Feld von Mitarbeiterin-
nen und Mitarbeitern sowie Beschaumlftigten von Werkstaumltten gewonnen
Die Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung ist noch immer relativ schwach
ausgebaut Dies stellt sich besonders vor dem Hintergrund als problematisch dass behinderte
Menschen haumlufig anfaumllliger fuumlr Krankheiten sind und durchschnittlich uumlber einen subjektiv als
schlechter bewerteten Gesundheitsstatus verfuumlgen als nichtbehinderte Menschen Wie viele
sozial benachteiligte Gruppen sind sie verhaumlltnismaumlszligig schwer zu erreichen fuumlr gesundheits-
foumlrdernde Maszlignahmen Obwohl es in der Erreichbarkeit mehrere Probleme gibt verfuumlgen
Menschen mit Behinderung auf der anderen Seite uumlber groszlige Potentiale Das neue Praumlventi-
onsgesetz ist ein erheblicher Fortschritt bei der Finanzierung gesundheitsfoumlrdernder Maszlignah-
men Sogar eine Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung in Werkstaumltten ist wenn auch nicht ex-
plizit verankert so doch zumindest gewuumlnscht
Gelingende Gesundheitsfoumlrderung muss sich im Allgemeinen und auch bei der Arbeit mit
behinderten Menschen an bestimmten Prinzipien messen lassen Besonders wichtig vor dem
gesellschaftlichen Hintergrund ist hier die Partizipation der Menschen mit Behinderung und
damit einhergehend das Empowerment dieser Beide wirken sich positiv auf die Qualitaumlt der
gesundheitsfoumlrdernden Maszlignahmen aus gehen jedoch auch daruumlber hinaus Sie koumlnnen Men-
schen mit Behinderungen auch auf gesellschaftlicher Ebene empowern sodass ihnen eine
groumlszligere gesellschaftliche Teilhabe zukommt Somit erlangt Gesundheitsfoumlrderung auch vor
dem Hintergrund der Inklusion eine hohe Relevanz
In WfbMs ist gezielte Gesundheitsfoumlrderung bisher wenig verbreitet Einzelne Projekte sind
eher die Ausnahme denn die Regel Jedoch sind die Potentiale der Werkstaumltten enorm Das
Personal scheint haumlufig offen fuumlr Maszlignahmen zu sein und gerade die Strukturen der beglei-
tenden Maszlignahmen lieszligen eine relativ einfache Integration von Maszlignahmen zur (betriebli-
chen) Gesundheitsfoumlrderung zu Bestehende begleitende Maszlignahmen in welchen Sport oder
Bildungsangebote zu gesunder Ernaumlhrung angeboten werden koumlnnten ohne uumlbermaumlszligigen
Aufwand zu gezielten Maszlignahmen fuumlr Gesundheitsfoumlrderung ausgebaut werden Nachholbe-
darf bestuumlnde hier vor allem auf dem Gebiet der Partizipation Nur selten scheinen die Be-
35
schaumlftigten in Konzeption Planung Durchfuumlhrung und Evaluation aktiv eingebunden zu sein
In bestimmten Phasen wie etwa der Konzeption und besonders der Evaluation scheint aktive
Teilhabe noch uumlberhaupt nicht verankert zu sein Eine staumlrkere Partizipation in allen Berei-
chen waumlre mit houmlherem Arbeits- und Kostenaufwand verbunden welcher durch eine Einbin-
dung der Krankenkassen moumlglicherweise aufgefangen werden koumlnnte Die Partizipation foumlr-
dern wuumlrde auch die Etablierung von Peer-Beratung und Peer-Multiplikatorinnen und
-Multiplikatoren Diesen kaumlme beim Zugang zur Zielgruppe eine Schluumlsselfunktion zu und
gleichzeitig koumlnnten sie Bedarfe und Beduumlrfnisse dieser gegenuumlber den anderen Akteuren
kommunizieren Auch wenn es bisher keine konkreten ausgearbeiteten Konzepte zur Gesund-
heitsfoumlrderung in WfbMs gibt koumlnnten bestehende Konzepte zur Betrieblichen Gesundheits-
foumlrderung eventuell leicht uumlberarbeitet fuumlr Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung in Werkstaumltten
analog angewendet werden
Die Potentiale und Moumlglichkeiten zur Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung
in WfbMs sind also mannigfaltig und haumlufig vorhanden Auf diesen koumlnnte aufgebaut werden
um behinderten Menschen das Recht auf das in Artikel 25 der UN-BRK festgeschriebene bdquoer-
reichbare Houmlchstmaszlig an Gesundheitldquo zu ermoumlglichen
Gesundheitsfoumlrderung ist mehr als Werbeplakate an Bus- oder Straszligenbahnhaltestellen und
Clips im Aktuellen Sportstudio sie ist mehr als Sportangebote und Angebote zu gesunder
Ernaumlhrung sie ist auch ein Weg zum Erreichen eines Menschenrechtes das Recht auf Ge-
sundheit
36
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41
Anhang
Nr 1 Abbildung zu den Hauptdeterminanten der Gesundheit nach DahlgreenWhitehead
2007 S 11
Nr 2 Befragung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Beschaumlftigten der WfbMs
42
Nr 1 Abbildung zu den Hauptdeterminanten der Gesundheit nach DahlgreenWhitehead
2007 S 11
43
Nr 2 Befragung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Beschaumlftigten der WfbMs
Um moumlglichst effizient die Stimmen aus vier WfbMs unterschiedlicher Traumlger zu erheben
wurden diese auf dem Infotag der LAG WfbM Berlin am 17112015 gesammelt Hier waren
verschiedene Werkstaumltten mit Informationsstaumlnden vertreten Gewaumlhlt wurden die Werkstaumlt-
ten an deren Staumlnden der Verfasser zuerst vorbeilief Die gestellten Fragen waren stets die-
selben
Den Vertretern der Werkstatt wurde zugesichert dass ihr Name nicht in der vorliegenden Ar-
beit genannt wird lediglich ihre Position in der Werkstatt wird erwaumlhnt Es wurden auszligerdem
keine weiteren Personendaten erhoben
Wenn moumlglich sollten auszligerdem fuumlnf Beschaumlftige pro WfbM befragt werden Hierfuumlr wurde
am Ende des kurzen Interviews um Erlaubnis gefragt Den Beschaumlftigten wurden andere Fra-
gen gestellt als dem Werkstattpersonal jedoch erhielten alle Beschaumlftigten dieselben Fragen
untereinander Den Beschaumlftigen wurde komplette Anonymitaumlt in der vorliegenden Arbeit
zugesichert und es wurden keine personenbezogenen Daten abgefragt Zuerst wurde nach
ihrem Verstaumlndnis von Gesundheitsfoumlrderung gefragt Vor den Fragen 2 bis 5 wurde kurz
erklaumlrt wie Gesundheitsfoumlrderung verstanden werden kann um davon ausgehend die restli-
chen Fragen zu beantworten
Bei saumlmtlichen Interviews wurde auf Transkriptionen verzichtet es wurden lediglich die
Kernaussagen mitgeschrieben
Im Folgenden finden sich exemplarisch die jeweils gestellten Fragen
44
Fragen an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der WfbM
Name der WfbM
Position der befragten Person Begleitender Dienst
1 Was verstehen Sie unter Gesundheitsfoumlrderung
2 Was bieten Sie im Rahmen der Gesundheitsfoumlrderung an
3 Wie werden die Maszlignahmen angenommen
4 Wuumlrden Sie gerne mehr anbieten oder finden Sie die Angebote ausreichend
5 Gibt es Schwierigkeiten
6 Wie steht es um die Partizipation in den Angeboten (Werden die Angebote von Beschaumlf-
tigten mitentwickelt mitevaluiert etc)
7 Werden die Angebote evaluiert
45
Fragen an die Beschaumlftigen der WfbM
Name der WfbM
Datum
1 Wissen Sie was Gesundheitsfoumlrderung ist Wenn ja wie wuumlrden sie es beschreiben
[Moumlgliche Erklaumlrung fuumlr Beschaumlftigte die sich nichts unter Gesundheitsfoumlrderung vorstellen
koumlnnen Zur Gesundheitsfoumlrderung gehoumlrt alles was fuumlr Ihre Gesundheit gut ist zB Kur-
seMaszlignahmen usw die mit Bewegung Ernaumlhrung Wohlfuumlhlen am Arbeitsplatz oder Ent-
spannen zu tun haben]
2 Welche Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung werden Ihnen von der Werkstatt angebo-
ten
3 Werden Ihrer Meinung nach genuumlgend Angebote zur Gesundheitsfoumlrderung in der Werk-
statt angeboten
4 Duumlrfen Sie bei der Entwicklung und Evaluation (Auswertung am Ende) mitbestimmen
5 Was sind Ihre Wuumlnsche bezuumlglich der Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung
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stand zeigt deutlich daszlig [hellip] insbesondere Settings [hellip] gute Moumlglichkeiten zur praktischen
Umsetzung solcher umfassenden Strategien bietenldquo (WHO 1997 S 3)
Dies mag va daran liegen dass eher schwer erreichbare Zielgruppen der Gesundheitsfoumlrde-
rung in ihren Lebenswelten relativ gut erreicht werden koumlnnen (vgl FaltermaierWihofszky
2012 S 110) Zu diesen Zielgruppen gehoumlren va sozial benachteiligte Menschen wie etwa
Menschen mit Migrationshintergrund in Armut lebende Menschen oder Menschen mit Be-
hinderungen Da das deutsche Gesundheitssystem stark mittelschichtsorientiert ist sind diese
schwerer zu erreichen als wohlhabendere Bevoumllkerungsschichten (vgl Stickan-Verfuumlrth 2005
S 105106) Besonders problematisch ist dies vor dem Hintergrund zu sehen dass gerade
sozial benachteiligte Menschen wie bereits erwaumlhnt haumlufig uumlber eine schlechtere Gesundheit
verfuumlgen
35 Gesundheitsfoumlrderung in der Lebenswelt bdquoArbeitldquo
Fuumlr eine Gesundheitsfoumlrderung in der Lebenswelt bdquoArbeitldquo sind besonders zwei Strategien
relevant die Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung (BGF) und das Betriebliche Gesundheitsma-
nagement
Die Begriffe bdquoBetriebliche Gesundheitsfoumlrderungldquo und bdquoBetriebliches Gesundheitsmanage-
mentldquo werden in der Literatur zT sehr unterschiedlich interpretiert Die Bandbreite reicht
hier von einer beinahe synonymen Verwendung bis hin zu einer klaren Abgrenzung Die hier
vorgenommene Unterscheidung ist dabei nur eine Moumlglichkeit unter mehreren
351 Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung
Als Grundsatzdokument der Betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung in Deutschland gilt heute
die Luxemburger Deklaration zur betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung in der Europaumlischen
Union aus dem Jahr 1997 Sie legt Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung wie folgt fest bdquoBe-
triebliche Gesundheitsfoumlrderung (BGF) umfasst alle gemeinsamen Maszlignahmen von Arbeit-
gebern Arbeitnehmern und Gesellschaft zur Verbesserung von Gesundheit und Wohlbefinden
am Arbeitsplatzldquo (Unternehmensnetzwerk zur betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung in der Eu-
ropaumlischen Union eV 2007 S 2 eigene Paginierung) Als Wege hierfuumlr sieht die Luxem-
burger Deklaration va drei Pfade welche in ihrer Verknuumlpfung am effektivsten scheinen die
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Verbesserung der Arbeitsorganisation und der Arbeitsbedingungen die Staumlrkung der Partizi-
pation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und die Unterstuumltzung im Aufbau und der Wei-
terentwicklung persoumlnlicher Kompetenzen (vgl Unternehmensnetzwerk zur betrieblichen
Gesundheitsfoumlrderung in der Europaumlischen Union eV 2007 S 2)
Die Auswirkungen Betrieblicher Gesundheitsfoumlrderung sind mannigfaltig und durch Studien
belegt So kann hier aufgrund der verbesserten Gesundheit und der staumlrkeren Gesundheitsres-
sourcen eine Verringerung der Fehltage aufgrund von Krankheit angefuumlhrt werden Aber auch
die Wertschaumltzung und Fuumlrsorge durch den Betrieb koumlnnen eine staumlrkere Identifikation der
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit dem jeweiligen Unternehmen hervorrufen (vgl Si-
monHegerReszies 2011 S 3738) Dies hat ua ein besseres Arbeitsklima eine houmlhere Mo-
tivation und Arbeitszufriedenheit und daraus resultierend eine Steigerung der Produktivitaumlt
zur Folge (vgl Unternehmensnetzwerk zur betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung in der Euro-
paumlischen Union eV 2007 S 3) Diese positiven Effekte entfalten teilweise erst laumlngerfristig
ihre Wirkung Somit sind sie fuumlr das Unternehmen eine langfristige Investition die allerdings
Gefahr laumluft kurzfristigen betriebswirtschaftlichen Interessen entgegenzulaufen (vgl Rosen-
brockHartung 2015 oS)
Als Maszlignahmen der Betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung eignen sich sowohl verhaltens- als
auch verhaumlltnisbezogene Maszlignahmen Eine Kombination aus beiden waumlre im Sinne der
Ganzheitlichkeit durchaus gewinnbringend
Eine gesetzliche Verpflichtung fuumlr Unternehmen zur Betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung gibt
es fuumlr Unternehmen in Deutschland nicht Wie in Punkt 33 bereits erwaumlhnt ist der rechtliche
Zusammenhang in sect 20b Abs 1 Satz 2 SGB V geregelt bdquoHierzu erheben sie [die Kranken-
kassen MP] unter Beteiligung der Versicherten und der Verantwortlichen fuumlr den Betrieb
sowie der Betriebsaumlrzte und der Fachkraumlfte fuumlr Arbeitssicherheit die gesundheitliche Situation
einschlieszliglich ihrer Risiken und Potenziale und entwickeln Vorschlaumlge zur Verbesserung der
gesundheitlichen Situation sowie zur Staumlrkung der gesundheitlichen Ressourcen und Faumlhig-
keiten und unterstuumltzen deren Umsetzungldquo Nach sect 20 Abs 6 Satz 2 sind die Krankenkassen
dazu verpflichtet pro Versicherter und Versichertem 200 Euro im Jahr in Maszlignahmen zur
Betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung zu investieren
Obwohl der Nutzen Betrieblicher Gesundheitsfoumlrderung sowohl fuumlr die Belegschaft als auch
fuumlr das jeweilige Unternehmen selbst nachgewiesen ist (vgl RosenbrockHartung 2015 oS)
es sich also um eine Win-Win-Situation handelt ist ihre Verbreitung in Deutschland noch
eher gering Das liegt zum einen daran dass Unternehmen nicht zur Betrieblichen Gesund-
heitsfoumlrderung verpflichtet sind und diese daher auf Freiwilligkeit aller Akteure beruht Zum
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anderen liegt es daran dass es sich um einen vielschichtigen Prozess handelt der durch inter-
ne externe oumlkonomische oder betriebspolitische Veraumlnderungen beeintraumlchtigt werden kann
(vgl RosenbrockHartung 2015 oS)
Fuumlr eine gelingende BGF ist Partizipation unumgaumlnglich denn nur so wird sichergestellt dass
moumlglichst viele Akteure besonders die Zielgruppe der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter er-
reicht wird (SimonHegerReszies 2011 S 46) Ein wichtiges Element hierbei ist der sog
bdquoGesundheitszirkelldquo Dieser setzt sich zusammen aus Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des
Betriebs wobei moumlglichst verschiedene Arbeitsbereiche und Hierarchieebenen vertreten sein
sollten Die Groumlszlige sollte dabei uumlberschaubar bleiben zB zwischen fuumlnf und acht Teilneh-
menden evtl ergaumlnzt durch einen externen Experten Im Zuge einer angestrebten Versteti-
gung von Gesundheitsfoumlrderung im Betrieb sind regelmaumlszligige Treffen sinnvoll (vgl Si-
monHegerReszies 2011 S 64 ndash 69) Um eine moumlglichst umfassende Partizipation zu ge-
waumlhrleisten empfiehlt es sich den Gesundheitszirkel von Beginn an also der Phase der Pla-
nung mit einzubeziehen Fuumlr eine Gesundheitsfoumlrderung in WfbMs scheint eine analoge An-
wendung des Konzeptes Gesundheitszirkel sowohl moumlglich als auch sinnvoll um von Beginn
an partizipative Strukturen zu etablieren
352 Betriebliches Gesundheitsmanagement
In der Literatur wird der Begriff des Betrieblichen Gesundheitsmanagements sehr unter-
schiedlich interpretiert Schlummer interpretiert ihn beinahe synonym zur Betrieblichen Ge-
sundheitsfoumlrderung wobei lediglich der Faktor der Arbeitssicherheit eine staumlrke Beruumlcksichti-
gung im Gesundheitsmanagement findet (vgl Schlummer 2015 S 35) Die Luxemburger
Deklaration hingegen sieht Arbeits- und Gesundheitsschutz in Unternehmen als Teil der Be-
trieblichen Gesundheitsfoumlrderung (vgl Unternehmensnetzwerk zur betrieblichen Gesund-
heitsfoumlrderung in der Europaumlischen Union eV 2007 S 4) In der vorliegenden Arbeit wird
der Arbeits- und Gesundheitsschutz ebenfalls unter der Strategie der Betrieblichen Gesund-
heitsfoumlrderung gesehen da er dem Verstaumlndnis von BGF als bdquoMaszlignahmen von Arbeitgebern
Arbeitnehmern und Gesellschaft zur Verbesserung von Gesundheit und Wohlbefinden am
Arbeitsplatzldquo (Unternehmensnetzwerk zur betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung in der Europauml-
ischen Union eV 2007 S 2) entspricht Fuumlr die Abgrenzung zwischen den beiden Begriffen
scheint dieser Aspekt zweitrangig Im Vordergrund liegt eher der jeweilige Charakter der
Strategie
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Gesundheitsmanagement in Betrieben kann als bdquo[b]ewusste Steuerung und Integration aller
betrieblichen Prozesse mit dem Ziel der Erhaltung und Foumlrderung der Gesundheit und des
Wohlbefindens der Beschaumlftigtenldquo (HannackRaumlder 2011 S 434) gesehen werden Dieses
Konzept scheint mit Vor- und Nachteilen einherzugehen Da saumlmtliche betriebliche Prozesse
die als der Gesundheit foumlrderlich gelten hierunter fallen sind auch individuelle Maszlignahmen
wie bspw das Betriebliche Eingliederungsmanagement nach sect 84 Abs 2 SGB IX mit inbe-
griffen Bei diesem geht es in erster Linie nicht um eine Erhaltung oder Verbesserung der
Gesundheit sondern um eine Vorbeugung von Arbeitsunfaumlhigkeit undoder den Erhalt eines
Arbeitsplatzes Ebenfalls positiv kann die Implementierung gesundheitsorientierter Prozesse
und Strukturen in das generelle Management eines Unternehmens gesehen werden Dadurch
scheint auszligerdem die Dauerhaftigkeit von gesundheitsfoumlrderlichen Maszlignahmen besser er-
reichbar als bei der BGF Hier haben Maszlignahmen meist den Charakter eines zeitlich befriste-
ten Projektes (vgl SlesinaBohley 2011 S 627) Der groszlige Nachteil des Betrieblichen Ge-
sundheitsmanagements liegt in der Gefahr dass sog top-down-Strukturen die Uumlberhand ge-
winnen (vgl Faller 2010 S 25 zit nach RosenbrockHartung 2015 oS) Top-down-
Strukturen in der Gesundheitsfoumlrderung zeichnen sich dadurch aus dass eine Person von
bdquoobenldquo eine Maszlignahme einleitet und im schlimmsten Fall bdquoaufoktroyiertldquo Dies kann mangels
Partizipation der Zielgruppe zu Ablehnung bei dieser fuumlhren
Fuumlr eine Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung in WfbMs scheint ndash zumin-
dest im Moment ndash der Weg der BGF geeigneter Hier sind zum einen in der Theorie groszlige
Potentiale fuumlr Partizipation gegeben Zum anderen ist das Thema der systematischen Gesund-
heitsfoumlrderung mit behinderten Menschen in Institutionen der Behindertenhilfe bisher kaum
verbreitet (siehe 44) Eine sofortige Implementierung des Betrieblichen Gesundheitsmana-
gements wuumlrde die meisten Einrichtungen uumlberfordern und vor den Kopf stoszligen Auf lange
Sicht scheint dies aber ein wuumlnschenswertes Ziel zu sein welches Schritt fuumlr Schritt erreicht
werden sollte
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4 Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung
Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen ist bisher in der Praxis der sog bdquoBehinder-
tenhilfeldquo6 nur aumluszligert selten integriert In der wissenschaftlichen Literatur sind in den letzten
Jahren einige Beitraumlge erschienen die sich diesem Thema widmen Es soll nun zuerst darge-
stellt werden in welchem Verhaumlltnis Gesundheit und Behinderung zueinander stehen bevor
auf die Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen eingegangen wird Der Fokus dieser
Arbeit liegt auf der Gesundheitsfoumlrderung in WfbMs In diesem Zusammenhang wird der
Stand der Literatur kurz dargestellt eine kurze Analyse von Leitbildern einzelner Werkstaumltten
vorgenommen und einige Stimmen aus der Praxis wiedergegeben Aufgrund des knappen
Rahmens dieser Arbeit muss sich dies auf das Bundesland Berlin beschraumlnken und erhebt kei-
nen Anspruch auf empirische Vollstaumlndigkeit Vielmehr versteht es sich als eine kleine Feld-
befragung die als ein erster Impuls gesehen werden kann
41 Behinderte Menschen und Gesundheit und Krankheit ndash sozialmedizinische Erkenntnisse
Zunaumlchst muss festgehalten werden dass eine Behinderung keine Krankheit ist Auch ein
schwer behinderter Mensch kann sich sehr gesund fuumlhlen Der wesentliche Unterschied zwi-
schen einer Behinderung und einer Krankheit liegt darin dass bei einer Behinderung die Teil-
habe am Leben in der Gesellschaft langfristig beeintraumlchtigt ist bei einer Erkrankung hinge-
gen nicht oder nur kurzfristig7 Das hier vorliegende Verstaumlndnis in der Unterscheidung bei-
der Begriffe ist vordergruumlndig eher ein soziales denn eine medizinische Abgrenzung
Es existieren verschiedene und teilweise weitreichende gesundheitliche Unterschiede zwi-
schen Menschen mit Behinderungen und Menschen ohne Behinderungen Um diese auch in
ihrem Ursprung erklaumlren zu koumlnnen reicht der bdquotraditionelleldquo bio-medizinische Blick nicht
aus da er zu kurz greift Er muss um die sozialmedizinische Sichtweise ergaumlnzt werden
An dieser Stelle sollte allerdings darauf hingewiesen werden dass die folgende Darstellung
den Gesundheitszustand groszliger heterogener Gruppen von Menschen abbildet und die ge-
troffenen Aussagen daher nicht auf jeden Einzelfall anwendbar sind
6 Dieser Begriff impliziert durch den Wortteil bdquo-hilfeldquo ein Maumlchteungleichgewicht welches einer wahren Parti-
zipation der behinderten Menschen im Wege steht 7 Sollte eine chronische Krankheit einen Menschen in seiner Teilhabe langfristig einschraumlnken kann sie durch-
aus auch als Behinderung gesehen werden
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Der Teilhabebericht des Bundesministeriums fuumlr Arbeit und Soziales (BMAS) kommt zu dem
Ergebnis dass Menschen mit Behinderungen ihre Gesundheit haumlufig schlechter einschaumltzen
als Menschen ohne Behinderungen Dies gilt auch fuumlr das psychische Wohlbefinden welches
im ganzheitlichen Verstaumlndnis von Gesundheit das dieser Arbeit zugrunde liegt (siehe 22)
ebenfalls Teil der Gesundheit ist Auch hat ein Mensch mit Behinderung in Deutschland im
Durchschnitt mehr Krankheitstage8 als ein nicht behinderter Mensch Menschen mit Behinde-
rung konsultieren statistisch betrachtet in einem bestimmten Zeitraum haumlufiger einen Arzt als
die durchschnittliche Bevoumllkerung Dies duumlrfte ua an dem als schlechter wahrgenommenen
Gesundheitszustand liegen aber auch an der Komorbiditaumlt bestimmter Behinderungen Bzgl
des Rauchverhaltens Alkoholkonsums und einer gesundheitsbewussten Ernaumlhrung bestehen
nur relativ geringe Unterschiede zur Gesamtbevoumllkerung Auffaumlllig ist lediglich dass die
Gruppe der 18- bis 29-Jaumlhrigen Menschen mit Behinderung zu einem houmlheren Anteil regel-
maumlszligig raucht Alkohol trinkt und seltener auf gesunde Ernaumlhrung achtet In den anderen Al-
tersgruppen bestehen kaum nennenswerte Unterschiede (vgl BMAS 2013 S 192 ndash 204)
Menschen mit Behinderungen haben im Durchschnitt eine geringere Lebenserwartung wobei
es hier Unterschiede zwischen einzelnen Syndromen gibt (vgl MarksSisirakHeller 2010
S 3) Bei einigen kann die jeweilige Behinderung selbst der Ausloumlser sein jedoch besteht
besonders bei Menschen mit Lernschwierigkeiten die Gefahr dass Krankheiten nicht richtig
erkannt oder nur unzureichend behandelt werden (vgl Lennox 2002 S 230) Ausschlagge-
bend hierfuumlr duumlrfte sein dass im Gesundheitsbereich verschiedenste Barrieren existieren Zum
Beispiel ist nur ein Teil der Arztpraxen barrierefrei wobei besonders haumlufig passende Unter-
suchungsmoumlbel und Informationsmaterial in Leichter Sprache fehlen (vgl BMAS 2013
S 200201) Ebenfalls negativ wirkt sich aus dass Aumlrzte teilweise unsicher im Umgang mit
Menschen mit Lernschwierigkeiten sind und diese zT auszligerdem ihre Symptome nicht praumlzi-
se genug beschreiben koumlnnen oder uumlber eine geringer differenzierte Wahrnehmung des eige-
nen Koumlrpers verfuumlgen als Menschen ohne Behinderung (vgl SchmidtReker 2014 S 28)
Des Weiteren haben Menschen mit Lernschwierigkeiten statistisch gesehen haumlufiger Uumlberge-
wicht als der Durchschnitt der Bevoumllkerung Hier muss jedoch beruumlcksichtigt werden dass
mit bestimmten Syndromen wie bspw dem Down-Syndrom ein veraumlnderter Energiebedarf
aufgrund der geringeren Muskelspannung einhergeht oder das Saumlttigungsgefuumlhl zB beim
Prader-Willi-Syndrom veraumlndert ist (Beange 2002 S 3) Die houmlhere Wahrscheinlichkeit des
Uumlbergewichts besteht statistisch gesehen sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen mit
8 Krankheitstage werden an dieser Stelle des Bundesteilhabeberichtes verstanden als Tage in denen der Mensch
sich subjektiv zu krank gefuumlhlt hat um seinen normalen privaten und beruflichen Taumltigkeiten nachzugehen
21
Lernschwierigkeiten (vgl Reuter 2009 S 13) Eine moumlgliche Ursache hierfuumlr kann auch in
der Tatsache gesehen werden dass Menschen mit Behinderungen durchschnittlich seltener
Sport treiben als nicht behinderte Menschen (vgl BMAS 2013 S 221222)
Ein weiterer bedeutender Zusammenhang zwischen Krankheit und Behinderung ist dass viele
Behinderungen im Sinne von Einschraumlnkungen in der gesellschaftlichen Teilhabe wie auch im
gesetzlichen Verstaumlndnis nach dem SGB IX Folgen von schweren undoder chronischen
Krankheiten sind (vgl SchmidtReker 2014 S 26)
Trotz allem muumlssen auch die vorhandenen Gesundheitspotentiale behinderter Menschen be-
ruumlcksichtigt werden denn an ihnen kann eine gelingende Gesundheitsfoumlrderung ansetzen (vgl
Altgeld 2008 S 8)9 Ein ressourcenorientierter Blick achtet besonders auf die verschiedenen
Potentiale die jedem Menschen (oder auch einer Gruppe von Menschen) innewohnen
Das Verhaumlltnis zwischen Gesundheit und Behinderung haumlngt in Deutschland und vielen Tei-
len der sog westlichen Welt aus sozialmedizinischem Blickwinkel nach wie vor so zusam-
men bdquoWhile a large number of individuals who are in bad health end up with a disability a
large number of persons with disabilities end up with bad healthldquo10
(Rimmer 2009 zit nach
MarksSisirakHeller 2010 S 31) Dieser Chiasmus verdeutlicht zusammenfassend nicht nur
die vorherrschende enge Verbindung zwischen schlechterer Gesundheit und Behinderung
sondern impliziert auch die Notwendigkeit von Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Be-
hinderungen Wie in 31 beschrieben hat Gesundheitsfoumlrderung auch den Abbau gesundheit-
licher Chancenungleichheit zum Ziel
42 Erreichbarkeit von Menschen mit Behinderungen fuumlr gesundheitsfoumlrdernde Maszlignahmen
Fuumlr die Gesundheitsfoumlrderung gelten Menschen mit Behinderungen als schwer zu erreichen
Es sollen nun die wesentlichen Probleme aber auch die vorhandenen Potentiale beschrieben
werden
9 Altgeld bezieht sich in seiner Analyse auf den Gesundheitsmonitor 2007 der Bertelsmann Stiftung Da dieser
Menschen mit Lernschwierigkeiten nicht mit einbezieht sondern vorwiegend koumlrper- und sinnesbeeintraumlchtige
Menschen beruumlcksichtigt koumlnnen seine Schlussfolgerungen nicht fuumlr die gesamte sehr heterogene Gruppe der
behinderten Menschen angewendet werden 10
Waumlhrend eine groszlige Anzahl an Personen welche eine schlechte Gesundheit besitzen eine Behinderung er-
langt erlangt eine groszlige Anzahl an Personen mit Behinderungen eine schlechte Gesundheit (Uumlbersetzung des
Verfassers)
22
421 Probleme bei der Erreichbarkeit
In den bundesweiten Untersuchungen wie bspw dem Sozio-oumlkonomischen Panel (SOEP)
oder Gesundheit in Deutschland aktuell (GEDA) werden Menschen mit Lernschwierigkeiten
idR nicht erreicht Dies hat zur Folge dass sowohl gesundheitliche Potentiale als auch Be-
duumlrfnisse und Bedarfe von Menschen mit Lernschwierigkeiten in der Gesundheitsfoumlrderung
weitgehend unerkannt und dadurch ausgeklammert bleiben (vgl Burtscher 2014 S 4)
Generell gelten behinderte Menschen bisher als schwer zu erreichen fuumlr Maszlignahmen zur Ge-
sundheitsfoumlrderung was verschiedene Gruumlnde hat Sozial benachteiligte Menschen sind sehr
haumlufig eine schwer erreichbare Zielgruppe fuumlr die Gesundheitsfoumlrderung Maszlignahmen auf der
gesamtgesellschaftlichen Ebene werden eher von Menschen mit houmlherem sozialen Status an-
genommen (Hurrelmann 2006 S 164) und erst spaumlter von sozial Benachteiligten internali-
siert Es waumlre jedoch ein Fehler Menschen mit Behinderungen automatisch zur Gruppe der
sozial benachteiligten Menschen zu rechnen Jedoch zeigt der Bundesteilhabebericht dass
behinderte Menschen haumlufiger erwerbslos sind und durchschnittlich weniger Gehalt verdienen
(BMAS 2013 S 141 ndash 149) Dass die finanzielle Lage von Beschaumlftigten der WfbMs beson-
ders prekaumlr ist wird im Punkt 43 naumlher erlaumlutert Diese soziooumlkonomischen Merkmale sind
jedoch nur ein Aspekt Auch gilt es zu bedenken dass besonders Maszlignahmen auf der Verhal-
tensebene bei sozial benachteiligten Menschen oft wenig angenommen werden da sie mit den
eigenen dauerhaften Lebensvorstellungen nicht uumlbereinstimmen (vgl Hurrelmann 2006
S 164) So nehmen Menschen mit Behinderung nur sehr selten an Angeboten oumlffentlicher
Einrichtungen wie bspw Volkshochschulkursen oder Rehabilitations-Sport-Maszlignahmen teil
(vgl Burtscher 2014 S 5)
Ein weiterer Punkt ist dass das Thema Gesundheitsfoumlrderung in der Behindertenarbeit traditi-
onell kaum etabliert war Laut einer Studie aus dem Jahr 2004 sehen Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter in Behinderteneinrichtungen haumlufig wenig Relevanz in Sport Bewegung und Er-
naumlhrung fuumlr die Foumlrderung der Gesundheit behinderter Menschen Daruumlber hinaus schreiben
sie auch Selbstbewusstsein Selbststaumlndigkeit und Selbstbestimmung nur eine untergeordnete
Rolle zu (vgl Gembris-Nuumlbel 2004 S 144) Allerdings besteht die Chance dass diese Ein-
stellung sich in den letzten zehn Jahren veraumlndert hat Die Ergebnisse der im Rahmen dieser
Arbeit durchgefuumlhrten Feldbefragung geben Anlass zu dieser Annahme (siehe 443) Auszliger-
dem ist fuumlr viele Menschen mit Lernschwierigkeiten der Zugang zu Informationen welche
Gesundheitsfoumlrderung thematisieren nur schwer moumlglich Hier sind folglich Vermittlung und
Unterstuumltzung oft notwendig (vgl Gembris-Nuumlbel 2004 S 82)
23
Auch von der Politik wird das Thema der Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen
bisher nur sehr selten thematisiert Seltene Ausnahmen wie zB die 22 Landesgesundheits-
konferenz in Nordrhein-Westfalen weisen jedoch auf die Wichtigkeit von Gesundheitsfoumlrde-
rung hin welche die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben verbessern kann (vgl Ministerium
fuumlr Gesundheit Emanzipation Pflege und Alter des Landes Nordrhein-Westfalen 2013
S 31) Hervorgehoben wird hier auch die (zukuumlnftige) Gestaltung der Informationen damit
diese fuumlr alle zugaumlnglich sind Des Weiteren soll auch das Bewusstsein saumlmtlicher Beteiligten
im Bereich der Gesundheitsfoumlrderung sensibilisiert werden (vgl Ministerium fuumlr Gesundheit
Emanzipation Pflege und Alter des Landes Nordrhein-Westfalen 2013 S 32)
Schon im Grundschulalter werden behinderte Kinder oft nicht erreicht da Gesundheitsfoumlrde-
rung sehr haumlufig nur in Regelgrundschulen und weiterfuumlhrenden Schulen und nicht in separie-
renden Foumlrderschulen stattfindet (vgl Reuter 2009 S 1819)
422 Potentiale fuumlr die Erreichbarkeit
Allerdings muumlssen auch die Potentiale betrachtet werden die fuumlr eine Erreichbarkeit behin-
derter Menschen zur Gesundheitsfoumlrderung vorhanden sind Auch diese bestehen in allen Al-
tersgruppen zB im fruumlhen Schulalter Im Zuge der Inklusion bei der immer mehr Kinder
mit Behinderungen in Regelschulen unterrichtet werden ist zu hoffen dass sie zukuumlnftig haumlu-
figer an Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung teilhaben koumlnnen Solange es (noch) Foumlrder-
schulen gibt muss auch auf deren (oft ungenutztes) Potential fuumlr gesundheitsfoumlrdernde Maszlig-
nahmen hingewiesen werden das in ihrer oft ganztaumlgigen Betreuung und den damit verbun-
denen Ressourcen liegt
Nicht nur in der Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Kindern sind bereits Potentiale vor-
handen Generell weisen Gesundheitsfoumlrderung und Behindertenarbeit sehr groszlige Gemein-
samkeiten in Sprache Prinzipien und Zielen auf Beide zielen letztendlich ab auf Inklusion
Partizipation Empowerment Entwicklung persoumlnlicher Faumlhigkeiten Einbindung in die Ge-
meinde die Neuorientierung von Gesundheitsdienstleistungen und die Foumlrderung von Um-
welten welche Gesundheit und Lebensqualitaumlt verbessern (vgl Lennox 2002 S 231) Es soll
auch darauf hingewiesen werden dass viele behinderte Menschen sehr an Informationen uumlber
Gesundheit interessiert sind und aktiv nach Informationen suchen (vgl Altgeld 2008 S 8)
Abschlieszligend laumlsst sich auffuumlhren dass gerade der Setting-Ansatz wie er in Punkt 34 darge-
stellt wurde eine sehr gute Moumlglichkeit bietet Menschen mit Behinderungen zu erreichen Er
24
bietet einen Zugangspunkt und kann Ausgangslage sein sowohl fuumlr verhaltens- als auch fuumlr
verhaumlltnisorientierte Maszlignahmen zur Foumlrderung der Gesundheit von Menschen mit Behinde-
rungen
Obwohl behinderte Menschen in der Vergangenheit nur selten gezielt an Maszlignahmen zur
Gesundheitsfoumlrderung beteiligt wurden sind doch einige Potentiale vorhanden an denen an-
zuknuumlpfen lohnenswert scheint
43 Das Setting Werkstatt fuumlr behinderte Menschen
WfbMs sind spezielle Einrichtungen fuumlr Menschen mit Behinderungen die nach dem SGB IX
als behindert gelten (siehe 21) Nach sect 136 SGB IX dienen diese Einrichtungen der bdquoTeilhabe
behinderter Menschen am Arbeitsleben [hellip] und zur Eingliederung in das Arbeitslebenldquo
Dadurch sind sie nicht Teil des allgemeinen Arbeitsmarktes da ihre Beschaumlftigten bdquowegen
Art oder Schwere der Behinderung nicht noch nicht oder noch nicht wieder auf dem allge-
meinen Arbeitsmarkt beschaumlftigt werden koumlnnenldquo (sect 136 Abs 1 SGB IX) Ihr Ziel ist es be-
hinderte Menschen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt vorzubereiten Die Beschaumlftigten arbei-
ten in verschiedensten Bereichen zB im Handwerk oder in Taumltigkeiten der elektronischen
Datenverarbeitung je nach persoumlnlicher Neigung Da es sich um kein typisches sozialversi-
cherungspflichtiges Arbeitsverhaumlltnis handelt sondern um ein bdquoarbeitnehmeraumlhnliches
Rechtsverhaumlltnisldquo11
(sect 138 SGB IX) bekommen die Beschaumlftigten keinen Lohn der dem
Mindestlohn entspricht Nach sect 138 SGB IX setzt sich ihr Arbeitsentgelt zusammen aus ei-
nem Grundbetrag und einem leistungsbemessenen Steigerungsbetrag Im Jahr 2011 verdiente
ein Beschaumlftigter im Durchschnitt 180 Euro monatlich (vgl BAG WfbM 2014) bei 35 bis 40
Arbeitsstunden pro Woche Von einer groszligen Steigerung in den letzten Jahren ist nicht auszu-
gehen Somit benoumltigen Beschaumlftigte einer WfbM idR neben ihrem Arbeitsentgelt Grundsi-
cherung Dies hat zur Folge dass sie haumlufig in prekaumlren soziooumlkonomischen Verhaumlltnissen
leben
Jede Werkstatt ist soziologisch betrachtet ein eigenes System mit individuellen Merkmalen
die unter anderem vom Standort dem Fachpersonal dem Traumlger und den Beschaumlftigten ge-
kennzeichnet sind (vgl SchlummerSchuumltte 2006 S 81) Gesetzlich festgelegt ist in sect 139
11
Begruumlndet wird dieses Rechtsverhaumlltnis haumlufig durch den Kuumlndigungsschutz Eine Werkstatt kann einen
Werkstattvertrag mit einer Beschaumlftigten oder einem Beschaumlftigten nur in seltenen Faumlllen gegen ihren oder sei-
nen Willen aufheben
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SGB IX dass die Beschaumlftigten aus ihrer Mitte heraus regelmaumlszligig einen Werkstattrat waumlhlen
Genaueres regelt hier die Werkstaumltten-Mitwirkungsverordnung (WMVO) Wie ihr Name al-
lerdings schon sagt handelt es sich hier um die Moumlglichkeit der Mitwirkung nicht der Mitbe-
stimmung Diese kann nur erreicht werden wenn Werkstatt und Werkstattrat nach sect 5 Abs 4
WMVO eine weitergehende Vereinbarung treffen Zu den Aufgaben des Werkstattrates ge-
houmlrt es die Interessen der Beschaumlftigten in verschiedenen Angelegenheiten gegenuumlber der
Werkstatt zu vertreten Diese sind in sect 5 Abs 1 WMVO aufgelistet Die Werkstatt muss den
Werkstattrat auszligerdem informieren wenn sie eine Maszlignahme durchfuumlhrt in der der Werk-
stattrat ein Mitwirkungsrecht besitzt12
Sollte kein Einverstaumlndnis in einer Beratung erzielt
werden koumlnnen beide Seiten sich an eine Vermittlungsstelle wenden (sect 5 Abs 3 WMVO)
Das tatsaumlchliche Ausmaszlig der Mitwirkung ist jedoch stets von der Werkstattleitung abhaumlngig
Solch eine fehlende gesetzliche Verankerung von Mitbestimmung steht der Partizipation be-
hinderter Menschen im Wege welche sowohl fuumlr die gesellschaftliche Inklusion als auch die
Gesundheitsfoumlrderung immens wichtig ist
44 Gesundheitsfoumlrderung in Werkstaumltten fuumlr behinderte Menschen
Zunaumlchst gilt es sich einen Uumlberblick uumlber den aktuellen Stand von Gesundheitsfoumlrderung in
WfbMs zu verschaffen Einen ersten Einblick soll die dazu vorhandene Literatur liefern Da-
nach soll ein Abgleich dieser mit der Praxis stattfinden der sich aufgrund des gesetzten Rah-
mens dieser Arbeit nur auf einige Werkstaumltten des Bundeslandes Berlin konzentriert Hierfuumlr
werden jeweils die Leitbilder untersucht und Stimmen aus der Werkstatt ausgewertet
441 Recherche zum aktuellen Stand
Die Literatur zum Thema Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen in WfbMs ist
noch sehr duumlnn Vollstaumlndig ausgearbeitete Konzepte gibt es bisher nicht veroumlffentlicht wur-
den Berichte von abgeschlossenen oder noch laufenden Projekten Werner Schlummer wis-
senschaftlicher Mitarbeiter der Universitaumlt zu Koumlln begleitete ein Projekt zum Betrieblichen
12
Eine ausfuumlhrliche Beschreibung der Mitwirkungs- und Unterrichtungsrechte des Werkstattrates ist bei
SchlummerSchuumltte 2006 S 71 ndash 82 nachzulesen
26
Gesundheitsmanagement13
in einer WfbM zusammen mit acht Studierenden der Universitaumlt
(vgl Schlummer 2015 S 33) Auch das Projekt GESUND als Teilprojekt von PartKomm-
Plus (Forschungsverbund fuumlr gesunde Kommunen) wird wissenschaftlich durch die Katholi-
sche Hochschule fuumlr Sozialwesen begleitet (vgl Burtscher 2014 S 6)
Als Ausnahme kann das Projekt bdquoSelbstbestimmt gesuumlnderldquo im Rahmen des Programmes
bdquoHealthy Athletesldquo gesehen werden Hier bringt Special Olympics Deutschland eV Maszlig-
nahmen zur Gesundheitsfoumlrderung in die Lebenswelten behinderter Menschen Bei Healthy
Athletes werden Sportlerinnen und Sportler bei Veranstaltungen von Special Olympics kos-
tenlose Beratungen und Kontrolluntersuchungen angeboten Diese Angebote werden jedoch
auch auf Wohnheime und WfbMs ausgeweitet (vgl Special Olympics Deutschland a) S 2
eigene Paginierung) Auch das Projekt bdquoSelbstbestimmt gesuumlnderldquo bringt gesundheitsfoumlrdern-
de Maszlignahmen in Werkstaumltten Dabei werden bdquoTeilnehmern individualisierte Handlungsemp-
fehlungen zum Gesundheitsverhalten zur Verfuumlgung gestelltldquo (Special Olympics Deutschland
b) oS) Das Projekt setzt auszligerdem auf die Wirkung von Peer-Multiplikatorinnen und
-Multiplikatoren
Weitere Projekte sind trotz intensiver Recherche nicht bekannt Auch die Bundesarbeitsge-
meinschaft Werkstaumltten fuumlr behinderte Menschen eV (BAG WfbM) hat auf ihrer Homepa-
ge14
keinen Artikel zur Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung in WfbMs
Gibt man in der Suchmaske bdquoGesundheitsfoumlrderungldquo ein erhaumllt man zwei Ergebnisse einen
Artikel uumlber ein neu entwickeltes Computerspiel das von Kindern mit unterschiedlichen Be-
hinderungen gespielt werden kann und einen Artikel zum Qualifizierungsprogramm bdquoGe-
sundheitsfoumlrderung durch Schluumlsselqualifikationenldquo das sich nicht an Beschaumlftigte sondern
an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in WfbMs richtet Dies legt den Schluss nahe dass Ge-
sundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen in WfbMs bisher kaum verbreitet ist
Das Thema Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung als solches wurde in den
letzten Jahren zunehmend in der Literatur behandelt wobei die Anzahl der Veroumlffentlichun-
gen nach wie vor auf einem uumlberschaubaren Stand ist
13
Schlummers Verstaumlndnis von Betrieblichem Gesundheitsmanagement und Betrieblicher Gesundheitsfoumlrderung
sind beinahe synonym Das beschriebene Projekt kann daher im erweiterten Rahmen durchaus als Projekt zur
Gesundheitsfoumlrderung gesehen werden 14
httpwwwbagwfbmde (Stand 11112015)
27
442 Konzepte und Leitbilder von Einrichtungen der Praxis
Betrachtet werden vier verschiedene WfbMs und ihre Leitbilder Es handelt sich um die vier
Werkstaumltten von denen auch im Rahmen der Feldbefragung Stimmen einer Mitarbeiterin oder
eines Mitarbeiters und zT von Beschaumlftigten gewonnen werden konnten (siehe 443 und
Anhang Nr 2)
Aufgrund der jeweiligen Traumlgerstrukturen besitzt lediglich eine der Werkstaumltten15
als solche
ein eigenes Leitbild Bei den anderen drei Werkstaumltten muss auf das Leitbild des jeweiligen
Traumlgers zuruumlckgegriffen werden Das Thema der Gesundheit der Klientinnen und Klienten
bzw Werkstattbeschaumlftigten wird allerdings in keinem Leitbild thematisiert Auch die Such-
funktionen auf den jeweiligen Homepages bzw intensive Recherchen auf diesen brachten
keine Ergebnisse zum Stichwort bdquoGesundheitsfoumlrderungldquo Daraus laumlsst sich schlieszligen dass
Gesundheitsfoumlrderung der Werkstattbeschaumlftigten in den theoretischen Konzeptionen von
WfbMs meist nicht verankert ist
443 Gesundheitsfoumlrderung in der alltaumlglichen Praxis der Werkstaumltten ndash eine kleine Feldbe-
fragung
Im Rahmen des Informationstages der Berliner Landesarbeitsgemeinschaft Werkstaumltten fuumlr
behinderte Menschen eV (LAG WfbM) am 17112015 im Estrel Hotel Berlin wurden je-
weils eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter von vier verschiedenen WfbMs zum Thema Ge-
sundheitsfoumlrderung mit den Beschaumlftigten in der Werkstatt befragt (siehe Anhang Nr 2) Die
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben alle eine vergleichbare Position Begleitender Dienst
Paumldagogischer Dienst oder Sozialdienst In einer der Werkstaumltten konnten uumlberdies auch
Stimmen von Beschaumlftigten gewonnen werden16
Die Ergebnisse weisen keine empirische
Repraumlsentativitaumlt auf da der knappe Rahmen dieser Arbeit eine repraumlsentative empirische
Forschungsarbeit kaum zulaumlsst Die Befragungen sollen dazu dienen einen Einblick in den
Alltag der WfbMs zu ermoumlglichen und die in der Literatur und den Leibildern gewonnenen
Perspektiven zu erweitern
15
Aus Gruumlnden des Datenschutzes duumlrfen in der hier publizierten Version die Namen der Werkstaumltten nicht
genannt werden 16
In zwei der Werkstaumltten konnten keine Stimmen von Beschaumlftigten erhoben werden da eine Befragung in der
Werkstatt von den befragten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern abgelehnt wurde Der Mitarbeiter der dritten
Werkstatt signalisierte zwar waumlhrend der Befragung Zustimmung jedoch fehlte diese spaumlter von Seiten der Lei-
tung
28
Der Begriff bdquoGesundheitsfoumlrderungldquo wird von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sehr
unterschiedlich interpretiert Die Spannbreite liegt von einem Verstaumlndnis aumlhnlich des hier
dargelegten bis hin zu therapeutischer und rehabilitativer Foumlrderung Die angebotenen Maszlig-
nahmen welche einer Foumlrderung der Gesundheit dienen sollen sind jedoch bei allen aumlhnlich
Meist handelt es sich um Musik- Sport- und Bewegungsangebote die im Rahmen von sog
Begleitenden Maszlignahmen verankert sind Daruumlber hinaus werden auch entlastende Bewegun-
gen in den Arbeitsgruppen angeboten und ein Gesundheitstag in Kooperation mit Special
Olympics Deutschland geplant (eine Werkstatt) Eine andere Werkstatt kooperiert mit der
Fitnessstudiokette Fitness First Kurse zu gesunder Ernaumlhrung und Kochen werden teilweise
angeboten oder sind in Planung Nach Aussagen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden
die Maszlignahmen meist gut angenommen In einer Werkstatt wird sogar gemeinsam mit dem
Werkstattrat an einer Peer-Beratung gearbeitet mit der den Beschaumlftigten der Zugang zu den
Themen Bildung und Gesundheit verbessert werden soll Schwierigkeiten bestehen besonders
bzgl der Raumlume zB bei Turnhallen fuumlr Fuszligball
Eine Partizipation bei der Entwicklung von Angeboten ist nur teilweise gegeben Es wird
zwar in allen befragten Werkstaumltten nach Interessen der Beschaumlftigten gefragt und dement-
sprechend die Kurse angeboten jedoch besteht nur selten die Moumlglichkeit fuumlr die Beschaumlftig-
ten aktiv den jeweiligen Kurs durch eigene Entscheidungen mitzugestalten In einer Werk-
statt ist das bspw abhaumlngig von der Kursart von der Kursleiterin bzw dem Kursleiter und
vom Konzept Evaluiert werden die Angebote meist nur durch Nachfrage in den idR jaumlhr-
lich stattfindenden Entwicklungsgespraumlchen mit den einzelnen Beschaumlftigten und teilweise
daruumlber hinaus mit Fragebogen oder durch die Kursleiterin bzw den Kursleiter Eine Werk-
statt fuumlhrt sogar Statistiken zur Nachfrage Eine partizipative Evaluation findet in keiner der
befragten Werkstaumltten statt
Die befragten Beschaumlftigten einer der Werkstaumltten zeigten sich mit dem Angebot an gesund-
heitsfoumlrdernden Maszlignahmen groumlszligtenteils sehr zufrieden und empfanden die Anzahl der An-
gebote als meist genuumlgend Geaumluszligert wurde lediglich der Wunsch nach weiteren Angeboten
zu gesunder Ernaumlhrung und nach einem besseren Angebot an gesunden Speisen Das Ver-
staumlndnis von Gesundheitsfoumlrderung ist unterschiedlich Auffaumlllig ist dass auf der einen Seite
Aumlrzte und Besuche bei diesen wichtig scheinen gleichzeitig aber auch das Achten auf die
eigene Gesundheit als Teil der Gesundheitsfoumlrderung gilt Besonders letzterer Aspekt weist
darauf hin dass bei den Befragten ein gewisses Grundverstaumlndnis von Gesundheitsfoumlrderung
vorhanden ist das dem in dieser Arbeit verwendeten aumlhnelt Die Wichtigkeit der aumlrztlichen
29
Betreuung laumlsst jedoch zugleich auch auf ein eher bdquotraditionellesldquo bio-medizinisches Gesund-
heitsverstaumlndnis schlieszligen
Als angebotene Maszlignahmen werden meist Sport- und Bewegungsangebote genannt aber
auch eine Apfelpause um kurz von der Arbeit entspannen zu koumlnnen Daruumlber hinaus gab es
Angebote zur Fuszlighygiene und zur Zahn- und Augengesundheit Hier ist der Uumlbergang zwi-
schen Gesundheitsfoumlrderung und Praumlvention flieszligend Bzgl (zukuumlnftiger) Angebote werden
die Beschaumlftigten nach ihren Wuumlnschen gefragt aber eine wirkliche Mitbestimmung in Kon-
zeption und Planung dieser scheint nicht gegeben Auch bei der Evaluation findet bisher keine
Partizipation statt Die Befragung hat jedoch den bisherigen Eindruck bestaumltigt dass gesund-
heitsfoumlrdernde Maszlignahmen in WfbMs von behinderten Menschen durchaus nachgefragt wer-
den und die Werkstaumltten versucht sind im Rahmen der begleitenden Maszlignahmen ein sehr
breites Feld abzudecken Negativ scheint besonders das weitgehende Fehlen partizipativer
Strukturen
In den Werkstaumltten werden viele Angebote im Rahmen begleitender Maszlignahmen offeriert die
fuumlr die Gesundheit foumlrderlich sind Als Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung die die Prinzi-
pien der BVPG verinnerlichen koumlnnen sie jedoch nicht gesehen werden da zB die Partizipa-
tion eine eher untergeordnete Rolle spielt und die Thematik meist auf Sport- und zT Ernaumlh-
rungsangebote beschraumlnkt bleibt Auch werden die Effekte der Maszlignahmen nicht evaluiert
Entspannungsangebote werden nur selten angeboten und der Fokus richtet sich meist nur auf
die koumlrperliche Gesundheit
Daruumlber hinaus zeigt die Befragung aber auch welch groszliges Potential zur Gesundheitsfoumlrde-
rung in den Werkstaumltten liegt Mit den begleitenden Maszlignahmen sind Strukturen verankert in
denen Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung leicht integriert werden koumlnnen Offenheit fuumlr
Kooperationen scheint vielfach gegeben (zB mit Special Olympics Deutschland Fitness
First) sodass auch eine Kooperation mit den Krankenkassen und weiteren Partnern vorstell-
bar scheint Dies wuumlrde den Vorteil finanzieller Foumlrderung und Expertise durch Erfahrungen
mit bereits durchgefuumlhrten Maszlignahmen einbringen Die befragten Mitarbeiterinnen und Mit-
arbeiter schienen Gesundheitsfoumlrderung gegenuumlber prinzipiell sehr positiv eingestellt
Auch wenn in den Leitbildern und auf den Homepages Gesundheitsfoumlrderung nicht themati-
siert wird gibt es in der Praxis schon verschiedene Maszlignahmen und Projekte mit der Intenti-
on die Gesundheit der Beschaumlftigten zu verbessern
30
45 Anregungen fuumlr die Praxis
Vor dem Hintergrund der zu Rate gezogenen Literatur und den gewonnen Erkenntnissen
durch die Feldbefragung werden nun einige Uumlberlegungen fuumlr die Praxis einer gelingenden
Gesundheitsfoumlrderung getroffen Diese koumlnnen als moumlgliche Anregungen zur Umsetzung ver-
standen werden
451 Partizipation und Empowerment in der Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behin-
derung
Erfolgreiche Gesundheitsfoumlrderung braucht Partizipationsmoumlglichkeiten fuumlr die jeweilige
Zielgruppe Partizipation ist schlieszliglich nicht nur Teilnahme sondern aktive Teilhabe und
damit einhergehend die Moumlglichkeit mitzubestimmen und mitzuentscheiden Dazu gehoumlrt
auch die Definitionsmacht also die Macht (mit)zubestimmen an welche die Gesundheit be-
treffenden Aspekte in einer Maszlignahme zur Gesundheitsfoumlrderung herangegangen werden soll
(vgl Wrightvon UngerBlock 2010 S 39) Diese aktive Teilhabe muss also bereits zu Be-
ginn einer Maszlignahme Teil dieser sein Partizipation bedeutet folglich auch Macht Partizipa-
tion zu ermoumlglichen bedeutet Empowerment also die Ermaumlchtigung eines Individuums oder
einer Gruppe So bekommt Partizipation in der Gesundheitsfoumlrderung auch eine gesellschaft-
liche und politische Komponente denn dadurch koumlnnen Menschen mit Behinderungen lernen
mitzubestimmen mitzuentscheiden und eigene Interessen zu vertreten Diese erlernten Faumlhig-
keiten lassen sich auf die Handlungsebene in einer demokratischen Gesellschaft uumlbertragen
Sowohl Empowerment als auch Partizipation gehoumlren zu den in 31 erwaumlhnten Prinzipien der
BVPG Diese weist darauf hin dass Partizipation in saumlmtlichen Phasen einer Maszlignahme ge-
geben sein muss beginnend mit der Bedarfsanalyse der Planung in der Durchfuumlhrung und
abschlieszligend in der BewertungEvaluation So kann die Wirksamkeit einer Maszlignahme erhoumlht
werden (vgl BVPG 2013 S 90) Teilhabe kann als ein wichtiger Bestandteil der Qualitaumltssi-
cherung gesehen werden Bisher finden Maszlignahmen zur Qualitaumltssicherung nur selten unter
Partizipation der Zielgruppe statt Diese partizipativ zu beteiligen hilft die Qualitaumlt der Ge-
sundheitsfoumlrderung aufrechtzuerhalten oder sogar zu verbessern (vgl Wrightvon Un-
gerBlock 2010 S 35)
Teilhabe ist bei behinderten Menschen besonders wichtig Ihr Leben ist haumlufig von Beginn an
stark fremdbestimmt und von Abhaumlngigkeit gepraumlgt Somit lernen sie seltener als nicht behin-
31
derte Menschen Verantwortung zu uumlbernehmen und selbststaumlndig zu agieren Dies kann bis
hin zur sog bdquoerlernten Hilflosigkeitldquo fuumlhren Vor diesem Hintergrund scheint Partizipation
umso wichtiger aber auch umso arbeitsintensiver Sie ist daher in der Praxis der Gesundheits-
foumlrderung haumlufig sehr arbeitsintensiv und benoumltigt folglich zeitliche Ressourcen und damit
einhergehend finanzielle Ressourcen (vgl Loss 2009 S 10)
Traditionell sind viele Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung top-down organisiert das be-
deutet eine Einrichtung ein Geldgeber etc plant eine Maszlignahme fuumlhrt diese durch und eva-
luiert sie Zur Erreichung der eigenen Ziele wird die Zielgruppe mobilisiert ohne ein Mitspra-
cherecht zu den einzelnen Bausteinen der Maszlignahme zu haben Diese Struktur verdeutlicht
das Maumlchteungleichwicht zwischen Anbieter und Zielgruppe und zementiert den Status be-
hinderter Menschen als Abhaumlngige und Ohnmaumlchtige Der Gegensatz zu top-down-
Programmen ist der bottom-up-Ansatz Hier findet eine Machtteilung statt da die Gesund-
heitsfoumlrderinnen und Gesundheitsfoumlrderer ihre Macht mit der Zielgruppe teilen und eher die
Rolle von Unterstuumltzerinnen und Unterstuumltzern einnehmen Die Zielgruppe soll unterstuumltzt
werden ihre eigenen Probleme festzustellen und Loumlsungen sowie Maszlignahmen zu erarbeiten
In der Planung Durchfuumlhrung und Evaluation kommt ihr damit eine aktive Rolle zu (vgl La-
verack 2010 S 77) Bottom-up-Programme scheinen daher fuumlr Partizipation und Empower-
ment geeigneter als top-down-Strukturen Allerdings schlieszligen sich beide Ansaumltze nicht
zwingend aus sondern Maszlignahmen koumlnnen Eigenschaften beider Ansaumltze aufweisen In
WfbMs scheinen Maszlignahmen sehr haumlufig top-down organisiert zu sein Die staumlrkere Veranke-
rung von bottom-up-Strukturen waumlre hier im Sinne einer Teilhabe ndash in der Werkstatt wie auch
daruumlber hinaus auf gesellschaftlicher Ebene ndash vorteilhaft und wuumlnschenswert
452 Peer-Multiplikatorinnen und -Multiplikatoren
Eine Strategie die in der Praxis der Gesundheitsfoumlrderung bereits mit positiven Ergebnissen
getestet wurde sind Peer-Multiplikatorinnen und -Multiplikatoren Das Modell der Multipli-
katorinnen und Multiplikatoren war bereits Grundlage vieler gesundheitsfoumlrdernder Maszlignah-
men mit sozial benachteiligten Menschen die auch in der Literatur vielfach dokumentiert
sind Auch in der Arbeit mit behinderten Menschen ist dieses Konzept nicht neu Auf Maszlig-
nahmen zur Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung wurde es bisher kaum an-
gewandt scheint jedoch erfolgsversprechend Das Projekt GESUND welches mit einer Ber-
liner WfbM durchgefuumlhrt wird arbeitet mit diesem Konzept (vgl Burtscher 2014 S 8) Die
32
Funktion von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren besteht darin Kenntnisse und Informa-
tionen zur Gesundheit(-sfoumlrderung) der Zielgruppe mit Hilfe der ihnen innewohnenden Ver-
trauensstellung naumlher zu bringen Sie haben daher eine bdquoMittlerfunktionldquo (BVPG 2013 S 92)
zwischen Durchfuumlhrenden und Zielgruppe Voraussetzung dafuumlr ist dass sie der Zielgruppe
angehoumlren oder zumindest eine sehr enge Verbindung zu ihr besitzen Im Zuge einer Maszlig-
nahme werden sie selbst gestaumlrkt sozusagen bdquoempowertldquo Ihre Mittlerfunktion funktioniert
allerdings auch in die andere Richtung Sie bringen den Durchfuumlhrenden die Perspektive der
Zielgruppe naumlher Im Idealfall fuumlhrt der Einsatz von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren
zur Aktivierung der Zielgruppe die ihr selbstbestimmtes Handeln auch auf andere Bereiche
ausdehnen kann (vgl Stickan-Verfuumlrth 2005 S 108) Diesem Modell sehr aumlhnlich ist das
Modell des Peer-Counseling Hier stehen Mitglieder der Zielgruppe in beratender Funktion
ihrer Peer-Gruppe zur Verfuumlgung
453 Verknuumlpfung von Betrieblicher Gesundheitsfoumlrderung und Gesundheitsfoumlrderung in
Werkstaumltten fuumlr behinderte Menschen
Eine Uumlbertragung der Idee der Betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung auf die Gesundheitsfoumlrde-
rung in WfbMs scheint in der Tat realisierbar Den rechtlichen und finanziellen Rahmen hier-
fuumlr hat das 2015 beschlossene Praumlventionsgesetz geschaffen (siehe 33) Im Entwurf der Bun-
desregierung wird in der Anmerkung zum neuen sect 20 Abs 4 SGB V explizit darauf hinge-
wiesen dass Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung auch in WfbMs zum Leistungsspektrum der
Krankenkassen gehoumlrt (vgl Deutscher Bundestag 2015 S 34) Eine Etablierung hiervon in
der Praxis haumlngt in erster Linie neben den Krankenkassen auch von den Leitungen der WfbMs
ab Sollten diese hierfuumlr und auch gegenuumlber partizipativen Strukturen offen sein waumlre der in
351 kurz vorgestellte Gesundheitszirkel ein passender Startpunkt um von Beginn an auch
die Partizipation der Beschaumlftigten zu gewaumlhrleisten Analog zum Konzept der BGF koumlnnten
gemeinsam Maszlignahmen erarbeitet werden die die Gesundheit der Beschaumlftigten foumlrdern wuumlr-
den Den Vertreterinnen und Vertretern der Beschaumlftigten die im Gesundheitszirkel mitwir-
ken koumlnnte dabei die Rolle von Peer-Multiplikatorinnen und -Multiplikatoren zukommen
Als Effekte duumlrften die in 351 beschriebenen auch hier zu erwarten sein eine Verbesserung
der Gesundheit und eine Staumlrkung der gesundheitlichen Ressourcen eine Verringerung der
krankheitsbedingten Fehltage eine staumlrkere Identifikation der Beschaumlftigten mit der Werk-
33
statt ein besseres Arbeitsklima eine houmlhere Motivation und Arbeitszufriedenheit und eine
Steigerung der Produktivitaumlt
Es empfiehlt sich im Sinne der Partizipation und des Empowerments kein reines top-down-
Programm zu starten sondern einen bottom-up-Ansatz zu waumlhlen bzw zumindest mehrere
Elemente dessen einzubauen Als Anknuumlpfungspunkt koumlnnen bereits bestehende begleitende
Maszlignahmen mit passender Thematik genommen werden
Wie bdquonormaleldquo Betriebe koumlnnten auch WfbMs Kooperationen in ihrem raumlumlichen Umfeld
aufbauen und von Vernetzungen profitieren Aufgrund ihrer Groumlszlige sind sie in ihrem Sozial-
raum ein meist nicht zu unterschaumltzender Akteur
34
5 Fazit und Ausblick
Ausgehend von einem bio-psycho-sozialen Verstaumlndnis von Gesundheit wurden verschiedene
Aspekte der Gesundheitsfoumlrderung vertieft und anschlieszligend eine Verknuumlpfung zur Gesund-
heitsfoumlrderung mit behinderten Menschen hergestellt Hierbei lag der Fokus auf gesundheits-
foumlrdernden Maszlignahmen in WfbMs Dabei wurde die aktuelle Literatur zu Rate gezogen In-
ternetauftritte einiger Werkstaumltten durchsucht und Stimmen aus dem Feld von Mitarbeiterin-
nen und Mitarbeitern sowie Beschaumlftigten von Werkstaumltten gewonnen
Die Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung ist noch immer relativ schwach
ausgebaut Dies stellt sich besonders vor dem Hintergrund als problematisch dass behinderte
Menschen haumlufig anfaumllliger fuumlr Krankheiten sind und durchschnittlich uumlber einen subjektiv als
schlechter bewerteten Gesundheitsstatus verfuumlgen als nichtbehinderte Menschen Wie viele
sozial benachteiligte Gruppen sind sie verhaumlltnismaumlszligig schwer zu erreichen fuumlr gesundheits-
foumlrdernde Maszlignahmen Obwohl es in der Erreichbarkeit mehrere Probleme gibt verfuumlgen
Menschen mit Behinderung auf der anderen Seite uumlber groszlige Potentiale Das neue Praumlventi-
onsgesetz ist ein erheblicher Fortschritt bei der Finanzierung gesundheitsfoumlrdernder Maszlignah-
men Sogar eine Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung in Werkstaumltten ist wenn auch nicht ex-
plizit verankert so doch zumindest gewuumlnscht
Gelingende Gesundheitsfoumlrderung muss sich im Allgemeinen und auch bei der Arbeit mit
behinderten Menschen an bestimmten Prinzipien messen lassen Besonders wichtig vor dem
gesellschaftlichen Hintergrund ist hier die Partizipation der Menschen mit Behinderung und
damit einhergehend das Empowerment dieser Beide wirken sich positiv auf die Qualitaumlt der
gesundheitsfoumlrdernden Maszlignahmen aus gehen jedoch auch daruumlber hinaus Sie koumlnnen Men-
schen mit Behinderungen auch auf gesellschaftlicher Ebene empowern sodass ihnen eine
groumlszligere gesellschaftliche Teilhabe zukommt Somit erlangt Gesundheitsfoumlrderung auch vor
dem Hintergrund der Inklusion eine hohe Relevanz
In WfbMs ist gezielte Gesundheitsfoumlrderung bisher wenig verbreitet Einzelne Projekte sind
eher die Ausnahme denn die Regel Jedoch sind die Potentiale der Werkstaumltten enorm Das
Personal scheint haumlufig offen fuumlr Maszlignahmen zu sein und gerade die Strukturen der beglei-
tenden Maszlignahmen lieszligen eine relativ einfache Integration von Maszlignahmen zur (betriebli-
chen) Gesundheitsfoumlrderung zu Bestehende begleitende Maszlignahmen in welchen Sport oder
Bildungsangebote zu gesunder Ernaumlhrung angeboten werden koumlnnten ohne uumlbermaumlszligigen
Aufwand zu gezielten Maszlignahmen fuumlr Gesundheitsfoumlrderung ausgebaut werden Nachholbe-
darf bestuumlnde hier vor allem auf dem Gebiet der Partizipation Nur selten scheinen die Be-
35
schaumlftigten in Konzeption Planung Durchfuumlhrung und Evaluation aktiv eingebunden zu sein
In bestimmten Phasen wie etwa der Konzeption und besonders der Evaluation scheint aktive
Teilhabe noch uumlberhaupt nicht verankert zu sein Eine staumlrkere Partizipation in allen Berei-
chen waumlre mit houmlherem Arbeits- und Kostenaufwand verbunden welcher durch eine Einbin-
dung der Krankenkassen moumlglicherweise aufgefangen werden koumlnnte Die Partizipation foumlr-
dern wuumlrde auch die Etablierung von Peer-Beratung und Peer-Multiplikatorinnen und
-Multiplikatoren Diesen kaumlme beim Zugang zur Zielgruppe eine Schluumlsselfunktion zu und
gleichzeitig koumlnnten sie Bedarfe und Beduumlrfnisse dieser gegenuumlber den anderen Akteuren
kommunizieren Auch wenn es bisher keine konkreten ausgearbeiteten Konzepte zur Gesund-
heitsfoumlrderung in WfbMs gibt koumlnnten bestehende Konzepte zur Betrieblichen Gesundheits-
foumlrderung eventuell leicht uumlberarbeitet fuumlr Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung in Werkstaumltten
analog angewendet werden
Die Potentiale und Moumlglichkeiten zur Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung
in WfbMs sind also mannigfaltig und haumlufig vorhanden Auf diesen koumlnnte aufgebaut werden
um behinderten Menschen das Recht auf das in Artikel 25 der UN-BRK festgeschriebene bdquoer-
reichbare Houmlchstmaszlig an Gesundheitldquo zu ermoumlglichen
Gesundheitsfoumlrderung ist mehr als Werbeplakate an Bus- oder Straszligenbahnhaltestellen und
Clips im Aktuellen Sportstudio sie ist mehr als Sportangebote und Angebote zu gesunder
Ernaumlhrung sie ist auch ein Weg zum Erreichen eines Menschenrechtes das Recht auf Ge-
sundheit
36
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41
Anhang
Nr 1 Abbildung zu den Hauptdeterminanten der Gesundheit nach DahlgreenWhitehead
2007 S 11
Nr 2 Befragung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Beschaumlftigten der WfbMs
42
Nr 1 Abbildung zu den Hauptdeterminanten der Gesundheit nach DahlgreenWhitehead
2007 S 11
43
Nr 2 Befragung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Beschaumlftigten der WfbMs
Um moumlglichst effizient die Stimmen aus vier WfbMs unterschiedlicher Traumlger zu erheben
wurden diese auf dem Infotag der LAG WfbM Berlin am 17112015 gesammelt Hier waren
verschiedene Werkstaumltten mit Informationsstaumlnden vertreten Gewaumlhlt wurden die Werkstaumlt-
ten an deren Staumlnden der Verfasser zuerst vorbeilief Die gestellten Fragen waren stets die-
selben
Den Vertretern der Werkstatt wurde zugesichert dass ihr Name nicht in der vorliegenden Ar-
beit genannt wird lediglich ihre Position in der Werkstatt wird erwaumlhnt Es wurden auszligerdem
keine weiteren Personendaten erhoben
Wenn moumlglich sollten auszligerdem fuumlnf Beschaumlftige pro WfbM befragt werden Hierfuumlr wurde
am Ende des kurzen Interviews um Erlaubnis gefragt Den Beschaumlftigten wurden andere Fra-
gen gestellt als dem Werkstattpersonal jedoch erhielten alle Beschaumlftigten dieselben Fragen
untereinander Den Beschaumlftigen wurde komplette Anonymitaumlt in der vorliegenden Arbeit
zugesichert und es wurden keine personenbezogenen Daten abgefragt Zuerst wurde nach
ihrem Verstaumlndnis von Gesundheitsfoumlrderung gefragt Vor den Fragen 2 bis 5 wurde kurz
erklaumlrt wie Gesundheitsfoumlrderung verstanden werden kann um davon ausgehend die restli-
chen Fragen zu beantworten
Bei saumlmtlichen Interviews wurde auf Transkriptionen verzichtet es wurden lediglich die
Kernaussagen mitgeschrieben
Im Folgenden finden sich exemplarisch die jeweils gestellten Fragen
44
Fragen an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der WfbM
Name der WfbM
Position der befragten Person Begleitender Dienst
1 Was verstehen Sie unter Gesundheitsfoumlrderung
2 Was bieten Sie im Rahmen der Gesundheitsfoumlrderung an
3 Wie werden die Maszlignahmen angenommen
4 Wuumlrden Sie gerne mehr anbieten oder finden Sie die Angebote ausreichend
5 Gibt es Schwierigkeiten
6 Wie steht es um die Partizipation in den Angeboten (Werden die Angebote von Beschaumlf-
tigten mitentwickelt mitevaluiert etc)
7 Werden die Angebote evaluiert
45
Fragen an die Beschaumlftigen der WfbM
Name der WfbM
Datum
1 Wissen Sie was Gesundheitsfoumlrderung ist Wenn ja wie wuumlrden sie es beschreiben
[Moumlgliche Erklaumlrung fuumlr Beschaumlftigte die sich nichts unter Gesundheitsfoumlrderung vorstellen
koumlnnen Zur Gesundheitsfoumlrderung gehoumlrt alles was fuumlr Ihre Gesundheit gut ist zB Kur-
seMaszlignahmen usw die mit Bewegung Ernaumlhrung Wohlfuumlhlen am Arbeitsplatz oder Ent-
spannen zu tun haben]
2 Welche Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung werden Ihnen von der Werkstatt angebo-
ten
3 Werden Ihrer Meinung nach genuumlgend Angebote zur Gesundheitsfoumlrderung in der Werk-
statt angeboten
4 Duumlrfen Sie bei der Entwicklung und Evaluation (Auswertung am Ende) mitbestimmen
5 Was sind Ihre Wuumlnsche bezuumlglich der Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung
16
Verbesserung der Arbeitsorganisation und der Arbeitsbedingungen die Staumlrkung der Partizi-
pation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und die Unterstuumltzung im Aufbau und der Wei-
terentwicklung persoumlnlicher Kompetenzen (vgl Unternehmensnetzwerk zur betrieblichen
Gesundheitsfoumlrderung in der Europaumlischen Union eV 2007 S 2)
Die Auswirkungen Betrieblicher Gesundheitsfoumlrderung sind mannigfaltig und durch Studien
belegt So kann hier aufgrund der verbesserten Gesundheit und der staumlrkeren Gesundheitsres-
sourcen eine Verringerung der Fehltage aufgrund von Krankheit angefuumlhrt werden Aber auch
die Wertschaumltzung und Fuumlrsorge durch den Betrieb koumlnnen eine staumlrkere Identifikation der
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit dem jeweiligen Unternehmen hervorrufen (vgl Si-
monHegerReszies 2011 S 3738) Dies hat ua ein besseres Arbeitsklima eine houmlhere Mo-
tivation und Arbeitszufriedenheit und daraus resultierend eine Steigerung der Produktivitaumlt
zur Folge (vgl Unternehmensnetzwerk zur betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung in der Euro-
paumlischen Union eV 2007 S 3) Diese positiven Effekte entfalten teilweise erst laumlngerfristig
ihre Wirkung Somit sind sie fuumlr das Unternehmen eine langfristige Investition die allerdings
Gefahr laumluft kurzfristigen betriebswirtschaftlichen Interessen entgegenzulaufen (vgl Rosen-
brockHartung 2015 oS)
Als Maszlignahmen der Betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung eignen sich sowohl verhaltens- als
auch verhaumlltnisbezogene Maszlignahmen Eine Kombination aus beiden waumlre im Sinne der
Ganzheitlichkeit durchaus gewinnbringend
Eine gesetzliche Verpflichtung fuumlr Unternehmen zur Betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung gibt
es fuumlr Unternehmen in Deutschland nicht Wie in Punkt 33 bereits erwaumlhnt ist der rechtliche
Zusammenhang in sect 20b Abs 1 Satz 2 SGB V geregelt bdquoHierzu erheben sie [die Kranken-
kassen MP] unter Beteiligung der Versicherten und der Verantwortlichen fuumlr den Betrieb
sowie der Betriebsaumlrzte und der Fachkraumlfte fuumlr Arbeitssicherheit die gesundheitliche Situation
einschlieszliglich ihrer Risiken und Potenziale und entwickeln Vorschlaumlge zur Verbesserung der
gesundheitlichen Situation sowie zur Staumlrkung der gesundheitlichen Ressourcen und Faumlhig-
keiten und unterstuumltzen deren Umsetzungldquo Nach sect 20 Abs 6 Satz 2 sind die Krankenkassen
dazu verpflichtet pro Versicherter und Versichertem 200 Euro im Jahr in Maszlignahmen zur
Betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung zu investieren
Obwohl der Nutzen Betrieblicher Gesundheitsfoumlrderung sowohl fuumlr die Belegschaft als auch
fuumlr das jeweilige Unternehmen selbst nachgewiesen ist (vgl RosenbrockHartung 2015 oS)
es sich also um eine Win-Win-Situation handelt ist ihre Verbreitung in Deutschland noch
eher gering Das liegt zum einen daran dass Unternehmen nicht zur Betrieblichen Gesund-
heitsfoumlrderung verpflichtet sind und diese daher auf Freiwilligkeit aller Akteure beruht Zum
17
anderen liegt es daran dass es sich um einen vielschichtigen Prozess handelt der durch inter-
ne externe oumlkonomische oder betriebspolitische Veraumlnderungen beeintraumlchtigt werden kann
(vgl RosenbrockHartung 2015 oS)
Fuumlr eine gelingende BGF ist Partizipation unumgaumlnglich denn nur so wird sichergestellt dass
moumlglichst viele Akteure besonders die Zielgruppe der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter er-
reicht wird (SimonHegerReszies 2011 S 46) Ein wichtiges Element hierbei ist der sog
bdquoGesundheitszirkelldquo Dieser setzt sich zusammen aus Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des
Betriebs wobei moumlglichst verschiedene Arbeitsbereiche und Hierarchieebenen vertreten sein
sollten Die Groumlszlige sollte dabei uumlberschaubar bleiben zB zwischen fuumlnf und acht Teilneh-
menden evtl ergaumlnzt durch einen externen Experten Im Zuge einer angestrebten Versteti-
gung von Gesundheitsfoumlrderung im Betrieb sind regelmaumlszligige Treffen sinnvoll (vgl Si-
monHegerReszies 2011 S 64 ndash 69) Um eine moumlglichst umfassende Partizipation zu ge-
waumlhrleisten empfiehlt es sich den Gesundheitszirkel von Beginn an also der Phase der Pla-
nung mit einzubeziehen Fuumlr eine Gesundheitsfoumlrderung in WfbMs scheint eine analoge An-
wendung des Konzeptes Gesundheitszirkel sowohl moumlglich als auch sinnvoll um von Beginn
an partizipative Strukturen zu etablieren
352 Betriebliches Gesundheitsmanagement
In der Literatur wird der Begriff des Betrieblichen Gesundheitsmanagements sehr unter-
schiedlich interpretiert Schlummer interpretiert ihn beinahe synonym zur Betrieblichen Ge-
sundheitsfoumlrderung wobei lediglich der Faktor der Arbeitssicherheit eine staumlrke Beruumlcksichti-
gung im Gesundheitsmanagement findet (vgl Schlummer 2015 S 35) Die Luxemburger
Deklaration hingegen sieht Arbeits- und Gesundheitsschutz in Unternehmen als Teil der Be-
trieblichen Gesundheitsfoumlrderung (vgl Unternehmensnetzwerk zur betrieblichen Gesund-
heitsfoumlrderung in der Europaumlischen Union eV 2007 S 4) In der vorliegenden Arbeit wird
der Arbeits- und Gesundheitsschutz ebenfalls unter der Strategie der Betrieblichen Gesund-
heitsfoumlrderung gesehen da er dem Verstaumlndnis von BGF als bdquoMaszlignahmen von Arbeitgebern
Arbeitnehmern und Gesellschaft zur Verbesserung von Gesundheit und Wohlbefinden am
Arbeitsplatzldquo (Unternehmensnetzwerk zur betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung in der Europauml-
ischen Union eV 2007 S 2) entspricht Fuumlr die Abgrenzung zwischen den beiden Begriffen
scheint dieser Aspekt zweitrangig Im Vordergrund liegt eher der jeweilige Charakter der
Strategie
18
Gesundheitsmanagement in Betrieben kann als bdquo[b]ewusste Steuerung und Integration aller
betrieblichen Prozesse mit dem Ziel der Erhaltung und Foumlrderung der Gesundheit und des
Wohlbefindens der Beschaumlftigtenldquo (HannackRaumlder 2011 S 434) gesehen werden Dieses
Konzept scheint mit Vor- und Nachteilen einherzugehen Da saumlmtliche betriebliche Prozesse
die als der Gesundheit foumlrderlich gelten hierunter fallen sind auch individuelle Maszlignahmen
wie bspw das Betriebliche Eingliederungsmanagement nach sect 84 Abs 2 SGB IX mit inbe-
griffen Bei diesem geht es in erster Linie nicht um eine Erhaltung oder Verbesserung der
Gesundheit sondern um eine Vorbeugung von Arbeitsunfaumlhigkeit undoder den Erhalt eines
Arbeitsplatzes Ebenfalls positiv kann die Implementierung gesundheitsorientierter Prozesse
und Strukturen in das generelle Management eines Unternehmens gesehen werden Dadurch
scheint auszligerdem die Dauerhaftigkeit von gesundheitsfoumlrderlichen Maszlignahmen besser er-
reichbar als bei der BGF Hier haben Maszlignahmen meist den Charakter eines zeitlich befriste-
ten Projektes (vgl SlesinaBohley 2011 S 627) Der groszlige Nachteil des Betrieblichen Ge-
sundheitsmanagements liegt in der Gefahr dass sog top-down-Strukturen die Uumlberhand ge-
winnen (vgl Faller 2010 S 25 zit nach RosenbrockHartung 2015 oS) Top-down-
Strukturen in der Gesundheitsfoumlrderung zeichnen sich dadurch aus dass eine Person von
bdquoobenldquo eine Maszlignahme einleitet und im schlimmsten Fall bdquoaufoktroyiertldquo Dies kann mangels
Partizipation der Zielgruppe zu Ablehnung bei dieser fuumlhren
Fuumlr eine Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung in WfbMs scheint ndash zumin-
dest im Moment ndash der Weg der BGF geeigneter Hier sind zum einen in der Theorie groszlige
Potentiale fuumlr Partizipation gegeben Zum anderen ist das Thema der systematischen Gesund-
heitsfoumlrderung mit behinderten Menschen in Institutionen der Behindertenhilfe bisher kaum
verbreitet (siehe 44) Eine sofortige Implementierung des Betrieblichen Gesundheitsmana-
gements wuumlrde die meisten Einrichtungen uumlberfordern und vor den Kopf stoszligen Auf lange
Sicht scheint dies aber ein wuumlnschenswertes Ziel zu sein welches Schritt fuumlr Schritt erreicht
werden sollte
19
4 Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung
Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen ist bisher in der Praxis der sog bdquoBehinder-
tenhilfeldquo6 nur aumluszligert selten integriert In der wissenschaftlichen Literatur sind in den letzten
Jahren einige Beitraumlge erschienen die sich diesem Thema widmen Es soll nun zuerst darge-
stellt werden in welchem Verhaumlltnis Gesundheit und Behinderung zueinander stehen bevor
auf die Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen eingegangen wird Der Fokus dieser
Arbeit liegt auf der Gesundheitsfoumlrderung in WfbMs In diesem Zusammenhang wird der
Stand der Literatur kurz dargestellt eine kurze Analyse von Leitbildern einzelner Werkstaumltten
vorgenommen und einige Stimmen aus der Praxis wiedergegeben Aufgrund des knappen
Rahmens dieser Arbeit muss sich dies auf das Bundesland Berlin beschraumlnken und erhebt kei-
nen Anspruch auf empirische Vollstaumlndigkeit Vielmehr versteht es sich als eine kleine Feld-
befragung die als ein erster Impuls gesehen werden kann
41 Behinderte Menschen und Gesundheit und Krankheit ndash sozialmedizinische Erkenntnisse
Zunaumlchst muss festgehalten werden dass eine Behinderung keine Krankheit ist Auch ein
schwer behinderter Mensch kann sich sehr gesund fuumlhlen Der wesentliche Unterschied zwi-
schen einer Behinderung und einer Krankheit liegt darin dass bei einer Behinderung die Teil-
habe am Leben in der Gesellschaft langfristig beeintraumlchtigt ist bei einer Erkrankung hinge-
gen nicht oder nur kurzfristig7 Das hier vorliegende Verstaumlndnis in der Unterscheidung bei-
der Begriffe ist vordergruumlndig eher ein soziales denn eine medizinische Abgrenzung
Es existieren verschiedene und teilweise weitreichende gesundheitliche Unterschiede zwi-
schen Menschen mit Behinderungen und Menschen ohne Behinderungen Um diese auch in
ihrem Ursprung erklaumlren zu koumlnnen reicht der bdquotraditionelleldquo bio-medizinische Blick nicht
aus da er zu kurz greift Er muss um die sozialmedizinische Sichtweise ergaumlnzt werden
An dieser Stelle sollte allerdings darauf hingewiesen werden dass die folgende Darstellung
den Gesundheitszustand groszliger heterogener Gruppen von Menschen abbildet und die ge-
troffenen Aussagen daher nicht auf jeden Einzelfall anwendbar sind
6 Dieser Begriff impliziert durch den Wortteil bdquo-hilfeldquo ein Maumlchteungleichgewicht welches einer wahren Parti-
zipation der behinderten Menschen im Wege steht 7 Sollte eine chronische Krankheit einen Menschen in seiner Teilhabe langfristig einschraumlnken kann sie durch-
aus auch als Behinderung gesehen werden
20
Der Teilhabebericht des Bundesministeriums fuumlr Arbeit und Soziales (BMAS) kommt zu dem
Ergebnis dass Menschen mit Behinderungen ihre Gesundheit haumlufig schlechter einschaumltzen
als Menschen ohne Behinderungen Dies gilt auch fuumlr das psychische Wohlbefinden welches
im ganzheitlichen Verstaumlndnis von Gesundheit das dieser Arbeit zugrunde liegt (siehe 22)
ebenfalls Teil der Gesundheit ist Auch hat ein Mensch mit Behinderung in Deutschland im
Durchschnitt mehr Krankheitstage8 als ein nicht behinderter Mensch Menschen mit Behinde-
rung konsultieren statistisch betrachtet in einem bestimmten Zeitraum haumlufiger einen Arzt als
die durchschnittliche Bevoumllkerung Dies duumlrfte ua an dem als schlechter wahrgenommenen
Gesundheitszustand liegen aber auch an der Komorbiditaumlt bestimmter Behinderungen Bzgl
des Rauchverhaltens Alkoholkonsums und einer gesundheitsbewussten Ernaumlhrung bestehen
nur relativ geringe Unterschiede zur Gesamtbevoumllkerung Auffaumlllig ist lediglich dass die
Gruppe der 18- bis 29-Jaumlhrigen Menschen mit Behinderung zu einem houmlheren Anteil regel-
maumlszligig raucht Alkohol trinkt und seltener auf gesunde Ernaumlhrung achtet In den anderen Al-
tersgruppen bestehen kaum nennenswerte Unterschiede (vgl BMAS 2013 S 192 ndash 204)
Menschen mit Behinderungen haben im Durchschnitt eine geringere Lebenserwartung wobei
es hier Unterschiede zwischen einzelnen Syndromen gibt (vgl MarksSisirakHeller 2010
S 3) Bei einigen kann die jeweilige Behinderung selbst der Ausloumlser sein jedoch besteht
besonders bei Menschen mit Lernschwierigkeiten die Gefahr dass Krankheiten nicht richtig
erkannt oder nur unzureichend behandelt werden (vgl Lennox 2002 S 230) Ausschlagge-
bend hierfuumlr duumlrfte sein dass im Gesundheitsbereich verschiedenste Barrieren existieren Zum
Beispiel ist nur ein Teil der Arztpraxen barrierefrei wobei besonders haumlufig passende Unter-
suchungsmoumlbel und Informationsmaterial in Leichter Sprache fehlen (vgl BMAS 2013
S 200201) Ebenfalls negativ wirkt sich aus dass Aumlrzte teilweise unsicher im Umgang mit
Menschen mit Lernschwierigkeiten sind und diese zT auszligerdem ihre Symptome nicht praumlzi-
se genug beschreiben koumlnnen oder uumlber eine geringer differenzierte Wahrnehmung des eige-
nen Koumlrpers verfuumlgen als Menschen ohne Behinderung (vgl SchmidtReker 2014 S 28)
Des Weiteren haben Menschen mit Lernschwierigkeiten statistisch gesehen haumlufiger Uumlberge-
wicht als der Durchschnitt der Bevoumllkerung Hier muss jedoch beruumlcksichtigt werden dass
mit bestimmten Syndromen wie bspw dem Down-Syndrom ein veraumlnderter Energiebedarf
aufgrund der geringeren Muskelspannung einhergeht oder das Saumlttigungsgefuumlhl zB beim
Prader-Willi-Syndrom veraumlndert ist (Beange 2002 S 3) Die houmlhere Wahrscheinlichkeit des
Uumlbergewichts besteht statistisch gesehen sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen mit
8 Krankheitstage werden an dieser Stelle des Bundesteilhabeberichtes verstanden als Tage in denen der Mensch
sich subjektiv zu krank gefuumlhlt hat um seinen normalen privaten und beruflichen Taumltigkeiten nachzugehen
21
Lernschwierigkeiten (vgl Reuter 2009 S 13) Eine moumlgliche Ursache hierfuumlr kann auch in
der Tatsache gesehen werden dass Menschen mit Behinderungen durchschnittlich seltener
Sport treiben als nicht behinderte Menschen (vgl BMAS 2013 S 221222)
Ein weiterer bedeutender Zusammenhang zwischen Krankheit und Behinderung ist dass viele
Behinderungen im Sinne von Einschraumlnkungen in der gesellschaftlichen Teilhabe wie auch im
gesetzlichen Verstaumlndnis nach dem SGB IX Folgen von schweren undoder chronischen
Krankheiten sind (vgl SchmidtReker 2014 S 26)
Trotz allem muumlssen auch die vorhandenen Gesundheitspotentiale behinderter Menschen be-
ruumlcksichtigt werden denn an ihnen kann eine gelingende Gesundheitsfoumlrderung ansetzen (vgl
Altgeld 2008 S 8)9 Ein ressourcenorientierter Blick achtet besonders auf die verschiedenen
Potentiale die jedem Menschen (oder auch einer Gruppe von Menschen) innewohnen
Das Verhaumlltnis zwischen Gesundheit und Behinderung haumlngt in Deutschland und vielen Tei-
len der sog westlichen Welt aus sozialmedizinischem Blickwinkel nach wie vor so zusam-
men bdquoWhile a large number of individuals who are in bad health end up with a disability a
large number of persons with disabilities end up with bad healthldquo10
(Rimmer 2009 zit nach
MarksSisirakHeller 2010 S 31) Dieser Chiasmus verdeutlicht zusammenfassend nicht nur
die vorherrschende enge Verbindung zwischen schlechterer Gesundheit und Behinderung
sondern impliziert auch die Notwendigkeit von Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Be-
hinderungen Wie in 31 beschrieben hat Gesundheitsfoumlrderung auch den Abbau gesundheit-
licher Chancenungleichheit zum Ziel
42 Erreichbarkeit von Menschen mit Behinderungen fuumlr gesundheitsfoumlrdernde Maszlignahmen
Fuumlr die Gesundheitsfoumlrderung gelten Menschen mit Behinderungen als schwer zu erreichen
Es sollen nun die wesentlichen Probleme aber auch die vorhandenen Potentiale beschrieben
werden
9 Altgeld bezieht sich in seiner Analyse auf den Gesundheitsmonitor 2007 der Bertelsmann Stiftung Da dieser
Menschen mit Lernschwierigkeiten nicht mit einbezieht sondern vorwiegend koumlrper- und sinnesbeeintraumlchtige
Menschen beruumlcksichtigt koumlnnen seine Schlussfolgerungen nicht fuumlr die gesamte sehr heterogene Gruppe der
behinderten Menschen angewendet werden 10
Waumlhrend eine groszlige Anzahl an Personen welche eine schlechte Gesundheit besitzen eine Behinderung er-
langt erlangt eine groszlige Anzahl an Personen mit Behinderungen eine schlechte Gesundheit (Uumlbersetzung des
Verfassers)
22
421 Probleme bei der Erreichbarkeit
In den bundesweiten Untersuchungen wie bspw dem Sozio-oumlkonomischen Panel (SOEP)
oder Gesundheit in Deutschland aktuell (GEDA) werden Menschen mit Lernschwierigkeiten
idR nicht erreicht Dies hat zur Folge dass sowohl gesundheitliche Potentiale als auch Be-
duumlrfnisse und Bedarfe von Menschen mit Lernschwierigkeiten in der Gesundheitsfoumlrderung
weitgehend unerkannt und dadurch ausgeklammert bleiben (vgl Burtscher 2014 S 4)
Generell gelten behinderte Menschen bisher als schwer zu erreichen fuumlr Maszlignahmen zur Ge-
sundheitsfoumlrderung was verschiedene Gruumlnde hat Sozial benachteiligte Menschen sind sehr
haumlufig eine schwer erreichbare Zielgruppe fuumlr die Gesundheitsfoumlrderung Maszlignahmen auf der
gesamtgesellschaftlichen Ebene werden eher von Menschen mit houmlherem sozialen Status an-
genommen (Hurrelmann 2006 S 164) und erst spaumlter von sozial Benachteiligten internali-
siert Es waumlre jedoch ein Fehler Menschen mit Behinderungen automatisch zur Gruppe der
sozial benachteiligten Menschen zu rechnen Jedoch zeigt der Bundesteilhabebericht dass
behinderte Menschen haumlufiger erwerbslos sind und durchschnittlich weniger Gehalt verdienen
(BMAS 2013 S 141 ndash 149) Dass die finanzielle Lage von Beschaumlftigten der WfbMs beson-
ders prekaumlr ist wird im Punkt 43 naumlher erlaumlutert Diese soziooumlkonomischen Merkmale sind
jedoch nur ein Aspekt Auch gilt es zu bedenken dass besonders Maszlignahmen auf der Verhal-
tensebene bei sozial benachteiligten Menschen oft wenig angenommen werden da sie mit den
eigenen dauerhaften Lebensvorstellungen nicht uumlbereinstimmen (vgl Hurrelmann 2006
S 164) So nehmen Menschen mit Behinderung nur sehr selten an Angeboten oumlffentlicher
Einrichtungen wie bspw Volkshochschulkursen oder Rehabilitations-Sport-Maszlignahmen teil
(vgl Burtscher 2014 S 5)
Ein weiterer Punkt ist dass das Thema Gesundheitsfoumlrderung in der Behindertenarbeit traditi-
onell kaum etabliert war Laut einer Studie aus dem Jahr 2004 sehen Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter in Behinderteneinrichtungen haumlufig wenig Relevanz in Sport Bewegung und Er-
naumlhrung fuumlr die Foumlrderung der Gesundheit behinderter Menschen Daruumlber hinaus schreiben
sie auch Selbstbewusstsein Selbststaumlndigkeit und Selbstbestimmung nur eine untergeordnete
Rolle zu (vgl Gembris-Nuumlbel 2004 S 144) Allerdings besteht die Chance dass diese Ein-
stellung sich in den letzten zehn Jahren veraumlndert hat Die Ergebnisse der im Rahmen dieser
Arbeit durchgefuumlhrten Feldbefragung geben Anlass zu dieser Annahme (siehe 443) Auszliger-
dem ist fuumlr viele Menschen mit Lernschwierigkeiten der Zugang zu Informationen welche
Gesundheitsfoumlrderung thematisieren nur schwer moumlglich Hier sind folglich Vermittlung und
Unterstuumltzung oft notwendig (vgl Gembris-Nuumlbel 2004 S 82)
23
Auch von der Politik wird das Thema der Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen
bisher nur sehr selten thematisiert Seltene Ausnahmen wie zB die 22 Landesgesundheits-
konferenz in Nordrhein-Westfalen weisen jedoch auf die Wichtigkeit von Gesundheitsfoumlrde-
rung hin welche die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben verbessern kann (vgl Ministerium
fuumlr Gesundheit Emanzipation Pflege und Alter des Landes Nordrhein-Westfalen 2013
S 31) Hervorgehoben wird hier auch die (zukuumlnftige) Gestaltung der Informationen damit
diese fuumlr alle zugaumlnglich sind Des Weiteren soll auch das Bewusstsein saumlmtlicher Beteiligten
im Bereich der Gesundheitsfoumlrderung sensibilisiert werden (vgl Ministerium fuumlr Gesundheit
Emanzipation Pflege und Alter des Landes Nordrhein-Westfalen 2013 S 32)
Schon im Grundschulalter werden behinderte Kinder oft nicht erreicht da Gesundheitsfoumlrde-
rung sehr haumlufig nur in Regelgrundschulen und weiterfuumlhrenden Schulen und nicht in separie-
renden Foumlrderschulen stattfindet (vgl Reuter 2009 S 1819)
422 Potentiale fuumlr die Erreichbarkeit
Allerdings muumlssen auch die Potentiale betrachtet werden die fuumlr eine Erreichbarkeit behin-
derter Menschen zur Gesundheitsfoumlrderung vorhanden sind Auch diese bestehen in allen Al-
tersgruppen zB im fruumlhen Schulalter Im Zuge der Inklusion bei der immer mehr Kinder
mit Behinderungen in Regelschulen unterrichtet werden ist zu hoffen dass sie zukuumlnftig haumlu-
figer an Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung teilhaben koumlnnen Solange es (noch) Foumlrder-
schulen gibt muss auch auf deren (oft ungenutztes) Potential fuumlr gesundheitsfoumlrdernde Maszlig-
nahmen hingewiesen werden das in ihrer oft ganztaumlgigen Betreuung und den damit verbun-
denen Ressourcen liegt
Nicht nur in der Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Kindern sind bereits Potentiale vor-
handen Generell weisen Gesundheitsfoumlrderung und Behindertenarbeit sehr groszlige Gemein-
samkeiten in Sprache Prinzipien und Zielen auf Beide zielen letztendlich ab auf Inklusion
Partizipation Empowerment Entwicklung persoumlnlicher Faumlhigkeiten Einbindung in die Ge-
meinde die Neuorientierung von Gesundheitsdienstleistungen und die Foumlrderung von Um-
welten welche Gesundheit und Lebensqualitaumlt verbessern (vgl Lennox 2002 S 231) Es soll
auch darauf hingewiesen werden dass viele behinderte Menschen sehr an Informationen uumlber
Gesundheit interessiert sind und aktiv nach Informationen suchen (vgl Altgeld 2008 S 8)
Abschlieszligend laumlsst sich auffuumlhren dass gerade der Setting-Ansatz wie er in Punkt 34 darge-
stellt wurde eine sehr gute Moumlglichkeit bietet Menschen mit Behinderungen zu erreichen Er
24
bietet einen Zugangspunkt und kann Ausgangslage sein sowohl fuumlr verhaltens- als auch fuumlr
verhaumlltnisorientierte Maszlignahmen zur Foumlrderung der Gesundheit von Menschen mit Behinde-
rungen
Obwohl behinderte Menschen in der Vergangenheit nur selten gezielt an Maszlignahmen zur
Gesundheitsfoumlrderung beteiligt wurden sind doch einige Potentiale vorhanden an denen an-
zuknuumlpfen lohnenswert scheint
43 Das Setting Werkstatt fuumlr behinderte Menschen
WfbMs sind spezielle Einrichtungen fuumlr Menschen mit Behinderungen die nach dem SGB IX
als behindert gelten (siehe 21) Nach sect 136 SGB IX dienen diese Einrichtungen der bdquoTeilhabe
behinderter Menschen am Arbeitsleben [hellip] und zur Eingliederung in das Arbeitslebenldquo
Dadurch sind sie nicht Teil des allgemeinen Arbeitsmarktes da ihre Beschaumlftigten bdquowegen
Art oder Schwere der Behinderung nicht noch nicht oder noch nicht wieder auf dem allge-
meinen Arbeitsmarkt beschaumlftigt werden koumlnnenldquo (sect 136 Abs 1 SGB IX) Ihr Ziel ist es be-
hinderte Menschen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt vorzubereiten Die Beschaumlftigten arbei-
ten in verschiedensten Bereichen zB im Handwerk oder in Taumltigkeiten der elektronischen
Datenverarbeitung je nach persoumlnlicher Neigung Da es sich um kein typisches sozialversi-
cherungspflichtiges Arbeitsverhaumlltnis handelt sondern um ein bdquoarbeitnehmeraumlhnliches
Rechtsverhaumlltnisldquo11
(sect 138 SGB IX) bekommen die Beschaumlftigten keinen Lohn der dem
Mindestlohn entspricht Nach sect 138 SGB IX setzt sich ihr Arbeitsentgelt zusammen aus ei-
nem Grundbetrag und einem leistungsbemessenen Steigerungsbetrag Im Jahr 2011 verdiente
ein Beschaumlftigter im Durchschnitt 180 Euro monatlich (vgl BAG WfbM 2014) bei 35 bis 40
Arbeitsstunden pro Woche Von einer groszligen Steigerung in den letzten Jahren ist nicht auszu-
gehen Somit benoumltigen Beschaumlftigte einer WfbM idR neben ihrem Arbeitsentgelt Grundsi-
cherung Dies hat zur Folge dass sie haumlufig in prekaumlren soziooumlkonomischen Verhaumlltnissen
leben
Jede Werkstatt ist soziologisch betrachtet ein eigenes System mit individuellen Merkmalen
die unter anderem vom Standort dem Fachpersonal dem Traumlger und den Beschaumlftigten ge-
kennzeichnet sind (vgl SchlummerSchuumltte 2006 S 81) Gesetzlich festgelegt ist in sect 139
11
Begruumlndet wird dieses Rechtsverhaumlltnis haumlufig durch den Kuumlndigungsschutz Eine Werkstatt kann einen
Werkstattvertrag mit einer Beschaumlftigten oder einem Beschaumlftigten nur in seltenen Faumlllen gegen ihren oder sei-
nen Willen aufheben
25
SGB IX dass die Beschaumlftigten aus ihrer Mitte heraus regelmaumlszligig einen Werkstattrat waumlhlen
Genaueres regelt hier die Werkstaumltten-Mitwirkungsverordnung (WMVO) Wie ihr Name al-
lerdings schon sagt handelt es sich hier um die Moumlglichkeit der Mitwirkung nicht der Mitbe-
stimmung Diese kann nur erreicht werden wenn Werkstatt und Werkstattrat nach sect 5 Abs 4
WMVO eine weitergehende Vereinbarung treffen Zu den Aufgaben des Werkstattrates ge-
houmlrt es die Interessen der Beschaumlftigten in verschiedenen Angelegenheiten gegenuumlber der
Werkstatt zu vertreten Diese sind in sect 5 Abs 1 WMVO aufgelistet Die Werkstatt muss den
Werkstattrat auszligerdem informieren wenn sie eine Maszlignahme durchfuumlhrt in der der Werk-
stattrat ein Mitwirkungsrecht besitzt12
Sollte kein Einverstaumlndnis in einer Beratung erzielt
werden koumlnnen beide Seiten sich an eine Vermittlungsstelle wenden (sect 5 Abs 3 WMVO)
Das tatsaumlchliche Ausmaszlig der Mitwirkung ist jedoch stets von der Werkstattleitung abhaumlngig
Solch eine fehlende gesetzliche Verankerung von Mitbestimmung steht der Partizipation be-
hinderter Menschen im Wege welche sowohl fuumlr die gesellschaftliche Inklusion als auch die
Gesundheitsfoumlrderung immens wichtig ist
44 Gesundheitsfoumlrderung in Werkstaumltten fuumlr behinderte Menschen
Zunaumlchst gilt es sich einen Uumlberblick uumlber den aktuellen Stand von Gesundheitsfoumlrderung in
WfbMs zu verschaffen Einen ersten Einblick soll die dazu vorhandene Literatur liefern Da-
nach soll ein Abgleich dieser mit der Praxis stattfinden der sich aufgrund des gesetzten Rah-
mens dieser Arbeit nur auf einige Werkstaumltten des Bundeslandes Berlin konzentriert Hierfuumlr
werden jeweils die Leitbilder untersucht und Stimmen aus der Werkstatt ausgewertet
441 Recherche zum aktuellen Stand
Die Literatur zum Thema Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen in WfbMs ist
noch sehr duumlnn Vollstaumlndig ausgearbeitete Konzepte gibt es bisher nicht veroumlffentlicht wur-
den Berichte von abgeschlossenen oder noch laufenden Projekten Werner Schlummer wis-
senschaftlicher Mitarbeiter der Universitaumlt zu Koumlln begleitete ein Projekt zum Betrieblichen
12
Eine ausfuumlhrliche Beschreibung der Mitwirkungs- und Unterrichtungsrechte des Werkstattrates ist bei
SchlummerSchuumltte 2006 S 71 ndash 82 nachzulesen
26
Gesundheitsmanagement13
in einer WfbM zusammen mit acht Studierenden der Universitaumlt
(vgl Schlummer 2015 S 33) Auch das Projekt GESUND als Teilprojekt von PartKomm-
Plus (Forschungsverbund fuumlr gesunde Kommunen) wird wissenschaftlich durch die Katholi-
sche Hochschule fuumlr Sozialwesen begleitet (vgl Burtscher 2014 S 6)
Als Ausnahme kann das Projekt bdquoSelbstbestimmt gesuumlnderldquo im Rahmen des Programmes
bdquoHealthy Athletesldquo gesehen werden Hier bringt Special Olympics Deutschland eV Maszlig-
nahmen zur Gesundheitsfoumlrderung in die Lebenswelten behinderter Menschen Bei Healthy
Athletes werden Sportlerinnen und Sportler bei Veranstaltungen von Special Olympics kos-
tenlose Beratungen und Kontrolluntersuchungen angeboten Diese Angebote werden jedoch
auch auf Wohnheime und WfbMs ausgeweitet (vgl Special Olympics Deutschland a) S 2
eigene Paginierung) Auch das Projekt bdquoSelbstbestimmt gesuumlnderldquo bringt gesundheitsfoumlrdern-
de Maszlignahmen in Werkstaumltten Dabei werden bdquoTeilnehmern individualisierte Handlungsemp-
fehlungen zum Gesundheitsverhalten zur Verfuumlgung gestelltldquo (Special Olympics Deutschland
b) oS) Das Projekt setzt auszligerdem auf die Wirkung von Peer-Multiplikatorinnen und
-Multiplikatoren
Weitere Projekte sind trotz intensiver Recherche nicht bekannt Auch die Bundesarbeitsge-
meinschaft Werkstaumltten fuumlr behinderte Menschen eV (BAG WfbM) hat auf ihrer Homepa-
ge14
keinen Artikel zur Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung in WfbMs
Gibt man in der Suchmaske bdquoGesundheitsfoumlrderungldquo ein erhaumllt man zwei Ergebnisse einen
Artikel uumlber ein neu entwickeltes Computerspiel das von Kindern mit unterschiedlichen Be-
hinderungen gespielt werden kann und einen Artikel zum Qualifizierungsprogramm bdquoGe-
sundheitsfoumlrderung durch Schluumlsselqualifikationenldquo das sich nicht an Beschaumlftigte sondern
an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in WfbMs richtet Dies legt den Schluss nahe dass Ge-
sundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen in WfbMs bisher kaum verbreitet ist
Das Thema Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung als solches wurde in den
letzten Jahren zunehmend in der Literatur behandelt wobei die Anzahl der Veroumlffentlichun-
gen nach wie vor auf einem uumlberschaubaren Stand ist
13
Schlummers Verstaumlndnis von Betrieblichem Gesundheitsmanagement und Betrieblicher Gesundheitsfoumlrderung
sind beinahe synonym Das beschriebene Projekt kann daher im erweiterten Rahmen durchaus als Projekt zur
Gesundheitsfoumlrderung gesehen werden 14
httpwwwbagwfbmde (Stand 11112015)
27
442 Konzepte und Leitbilder von Einrichtungen der Praxis
Betrachtet werden vier verschiedene WfbMs und ihre Leitbilder Es handelt sich um die vier
Werkstaumltten von denen auch im Rahmen der Feldbefragung Stimmen einer Mitarbeiterin oder
eines Mitarbeiters und zT von Beschaumlftigten gewonnen werden konnten (siehe 443 und
Anhang Nr 2)
Aufgrund der jeweiligen Traumlgerstrukturen besitzt lediglich eine der Werkstaumltten15
als solche
ein eigenes Leitbild Bei den anderen drei Werkstaumltten muss auf das Leitbild des jeweiligen
Traumlgers zuruumlckgegriffen werden Das Thema der Gesundheit der Klientinnen und Klienten
bzw Werkstattbeschaumlftigten wird allerdings in keinem Leitbild thematisiert Auch die Such-
funktionen auf den jeweiligen Homepages bzw intensive Recherchen auf diesen brachten
keine Ergebnisse zum Stichwort bdquoGesundheitsfoumlrderungldquo Daraus laumlsst sich schlieszligen dass
Gesundheitsfoumlrderung der Werkstattbeschaumlftigten in den theoretischen Konzeptionen von
WfbMs meist nicht verankert ist
443 Gesundheitsfoumlrderung in der alltaumlglichen Praxis der Werkstaumltten ndash eine kleine Feldbe-
fragung
Im Rahmen des Informationstages der Berliner Landesarbeitsgemeinschaft Werkstaumltten fuumlr
behinderte Menschen eV (LAG WfbM) am 17112015 im Estrel Hotel Berlin wurden je-
weils eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter von vier verschiedenen WfbMs zum Thema Ge-
sundheitsfoumlrderung mit den Beschaumlftigten in der Werkstatt befragt (siehe Anhang Nr 2) Die
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben alle eine vergleichbare Position Begleitender Dienst
Paumldagogischer Dienst oder Sozialdienst In einer der Werkstaumltten konnten uumlberdies auch
Stimmen von Beschaumlftigten gewonnen werden16
Die Ergebnisse weisen keine empirische
Repraumlsentativitaumlt auf da der knappe Rahmen dieser Arbeit eine repraumlsentative empirische
Forschungsarbeit kaum zulaumlsst Die Befragungen sollen dazu dienen einen Einblick in den
Alltag der WfbMs zu ermoumlglichen und die in der Literatur und den Leibildern gewonnenen
Perspektiven zu erweitern
15
Aus Gruumlnden des Datenschutzes duumlrfen in der hier publizierten Version die Namen der Werkstaumltten nicht
genannt werden 16
In zwei der Werkstaumltten konnten keine Stimmen von Beschaumlftigten erhoben werden da eine Befragung in der
Werkstatt von den befragten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern abgelehnt wurde Der Mitarbeiter der dritten
Werkstatt signalisierte zwar waumlhrend der Befragung Zustimmung jedoch fehlte diese spaumlter von Seiten der Lei-
tung
28
Der Begriff bdquoGesundheitsfoumlrderungldquo wird von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sehr
unterschiedlich interpretiert Die Spannbreite liegt von einem Verstaumlndnis aumlhnlich des hier
dargelegten bis hin zu therapeutischer und rehabilitativer Foumlrderung Die angebotenen Maszlig-
nahmen welche einer Foumlrderung der Gesundheit dienen sollen sind jedoch bei allen aumlhnlich
Meist handelt es sich um Musik- Sport- und Bewegungsangebote die im Rahmen von sog
Begleitenden Maszlignahmen verankert sind Daruumlber hinaus werden auch entlastende Bewegun-
gen in den Arbeitsgruppen angeboten und ein Gesundheitstag in Kooperation mit Special
Olympics Deutschland geplant (eine Werkstatt) Eine andere Werkstatt kooperiert mit der
Fitnessstudiokette Fitness First Kurse zu gesunder Ernaumlhrung und Kochen werden teilweise
angeboten oder sind in Planung Nach Aussagen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden
die Maszlignahmen meist gut angenommen In einer Werkstatt wird sogar gemeinsam mit dem
Werkstattrat an einer Peer-Beratung gearbeitet mit der den Beschaumlftigten der Zugang zu den
Themen Bildung und Gesundheit verbessert werden soll Schwierigkeiten bestehen besonders
bzgl der Raumlume zB bei Turnhallen fuumlr Fuszligball
Eine Partizipation bei der Entwicklung von Angeboten ist nur teilweise gegeben Es wird
zwar in allen befragten Werkstaumltten nach Interessen der Beschaumlftigten gefragt und dement-
sprechend die Kurse angeboten jedoch besteht nur selten die Moumlglichkeit fuumlr die Beschaumlftig-
ten aktiv den jeweiligen Kurs durch eigene Entscheidungen mitzugestalten In einer Werk-
statt ist das bspw abhaumlngig von der Kursart von der Kursleiterin bzw dem Kursleiter und
vom Konzept Evaluiert werden die Angebote meist nur durch Nachfrage in den idR jaumlhr-
lich stattfindenden Entwicklungsgespraumlchen mit den einzelnen Beschaumlftigten und teilweise
daruumlber hinaus mit Fragebogen oder durch die Kursleiterin bzw den Kursleiter Eine Werk-
statt fuumlhrt sogar Statistiken zur Nachfrage Eine partizipative Evaluation findet in keiner der
befragten Werkstaumltten statt
Die befragten Beschaumlftigten einer der Werkstaumltten zeigten sich mit dem Angebot an gesund-
heitsfoumlrdernden Maszlignahmen groumlszligtenteils sehr zufrieden und empfanden die Anzahl der An-
gebote als meist genuumlgend Geaumluszligert wurde lediglich der Wunsch nach weiteren Angeboten
zu gesunder Ernaumlhrung und nach einem besseren Angebot an gesunden Speisen Das Ver-
staumlndnis von Gesundheitsfoumlrderung ist unterschiedlich Auffaumlllig ist dass auf der einen Seite
Aumlrzte und Besuche bei diesen wichtig scheinen gleichzeitig aber auch das Achten auf die
eigene Gesundheit als Teil der Gesundheitsfoumlrderung gilt Besonders letzterer Aspekt weist
darauf hin dass bei den Befragten ein gewisses Grundverstaumlndnis von Gesundheitsfoumlrderung
vorhanden ist das dem in dieser Arbeit verwendeten aumlhnelt Die Wichtigkeit der aumlrztlichen
29
Betreuung laumlsst jedoch zugleich auch auf ein eher bdquotraditionellesldquo bio-medizinisches Gesund-
heitsverstaumlndnis schlieszligen
Als angebotene Maszlignahmen werden meist Sport- und Bewegungsangebote genannt aber
auch eine Apfelpause um kurz von der Arbeit entspannen zu koumlnnen Daruumlber hinaus gab es
Angebote zur Fuszlighygiene und zur Zahn- und Augengesundheit Hier ist der Uumlbergang zwi-
schen Gesundheitsfoumlrderung und Praumlvention flieszligend Bzgl (zukuumlnftiger) Angebote werden
die Beschaumlftigten nach ihren Wuumlnschen gefragt aber eine wirkliche Mitbestimmung in Kon-
zeption und Planung dieser scheint nicht gegeben Auch bei der Evaluation findet bisher keine
Partizipation statt Die Befragung hat jedoch den bisherigen Eindruck bestaumltigt dass gesund-
heitsfoumlrdernde Maszlignahmen in WfbMs von behinderten Menschen durchaus nachgefragt wer-
den und die Werkstaumltten versucht sind im Rahmen der begleitenden Maszlignahmen ein sehr
breites Feld abzudecken Negativ scheint besonders das weitgehende Fehlen partizipativer
Strukturen
In den Werkstaumltten werden viele Angebote im Rahmen begleitender Maszlignahmen offeriert die
fuumlr die Gesundheit foumlrderlich sind Als Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung die die Prinzi-
pien der BVPG verinnerlichen koumlnnen sie jedoch nicht gesehen werden da zB die Partizipa-
tion eine eher untergeordnete Rolle spielt und die Thematik meist auf Sport- und zT Ernaumlh-
rungsangebote beschraumlnkt bleibt Auch werden die Effekte der Maszlignahmen nicht evaluiert
Entspannungsangebote werden nur selten angeboten und der Fokus richtet sich meist nur auf
die koumlrperliche Gesundheit
Daruumlber hinaus zeigt die Befragung aber auch welch groszliges Potential zur Gesundheitsfoumlrde-
rung in den Werkstaumltten liegt Mit den begleitenden Maszlignahmen sind Strukturen verankert in
denen Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung leicht integriert werden koumlnnen Offenheit fuumlr
Kooperationen scheint vielfach gegeben (zB mit Special Olympics Deutschland Fitness
First) sodass auch eine Kooperation mit den Krankenkassen und weiteren Partnern vorstell-
bar scheint Dies wuumlrde den Vorteil finanzieller Foumlrderung und Expertise durch Erfahrungen
mit bereits durchgefuumlhrten Maszlignahmen einbringen Die befragten Mitarbeiterinnen und Mit-
arbeiter schienen Gesundheitsfoumlrderung gegenuumlber prinzipiell sehr positiv eingestellt
Auch wenn in den Leitbildern und auf den Homepages Gesundheitsfoumlrderung nicht themati-
siert wird gibt es in der Praxis schon verschiedene Maszlignahmen und Projekte mit der Intenti-
on die Gesundheit der Beschaumlftigten zu verbessern
30
45 Anregungen fuumlr die Praxis
Vor dem Hintergrund der zu Rate gezogenen Literatur und den gewonnen Erkenntnissen
durch die Feldbefragung werden nun einige Uumlberlegungen fuumlr die Praxis einer gelingenden
Gesundheitsfoumlrderung getroffen Diese koumlnnen als moumlgliche Anregungen zur Umsetzung ver-
standen werden
451 Partizipation und Empowerment in der Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behin-
derung
Erfolgreiche Gesundheitsfoumlrderung braucht Partizipationsmoumlglichkeiten fuumlr die jeweilige
Zielgruppe Partizipation ist schlieszliglich nicht nur Teilnahme sondern aktive Teilhabe und
damit einhergehend die Moumlglichkeit mitzubestimmen und mitzuentscheiden Dazu gehoumlrt
auch die Definitionsmacht also die Macht (mit)zubestimmen an welche die Gesundheit be-
treffenden Aspekte in einer Maszlignahme zur Gesundheitsfoumlrderung herangegangen werden soll
(vgl Wrightvon UngerBlock 2010 S 39) Diese aktive Teilhabe muss also bereits zu Be-
ginn einer Maszlignahme Teil dieser sein Partizipation bedeutet folglich auch Macht Partizipa-
tion zu ermoumlglichen bedeutet Empowerment also die Ermaumlchtigung eines Individuums oder
einer Gruppe So bekommt Partizipation in der Gesundheitsfoumlrderung auch eine gesellschaft-
liche und politische Komponente denn dadurch koumlnnen Menschen mit Behinderungen lernen
mitzubestimmen mitzuentscheiden und eigene Interessen zu vertreten Diese erlernten Faumlhig-
keiten lassen sich auf die Handlungsebene in einer demokratischen Gesellschaft uumlbertragen
Sowohl Empowerment als auch Partizipation gehoumlren zu den in 31 erwaumlhnten Prinzipien der
BVPG Diese weist darauf hin dass Partizipation in saumlmtlichen Phasen einer Maszlignahme ge-
geben sein muss beginnend mit der Bedarfsanalyse der Planung in der Durchfuumlhrung und
abschlieszligend in der BewertungEvaluation So kann die Wirksamkeit einer Maszlignahme erhoumlht
werden (vgl BVPG 2013 S 90) Teilhabe kann als ein wichtiger Bestandteil der Qualitaumltssi-
cherung gesehen werden Bisher finden Maszlignahmen zur Qualitaumltssicherung nur selten unter
Partizipation der Zielgruppe statt Diese partizipativ zu beteiligen hilft die Qualitaumlt der Ge-
sundheitsfoumlrderung aufrechtzuerhalten oder sogar zu verbessern (vgl Wrightvon Un-
gerBlock 2010 S 35)
Teilhabe ist bei behinderten Menschen besonders wichtig Ihr Leben ist haumlufig von Beginn an
stark fremdbestimmt und von Abhaumlngigkeit gepraumlgt Somit lernen sie seltener als nicht behin-
31
derte Menschen Verantwortung zu uumlbernehmen und selbststaumlndig zu agieren Dies kann bis
hin zur sog bdquoerlernten Hilflosigkeitldquo fuumlhren Vor diesem Hintergrund scheint Partizipation
umso wichtiger aber auch umso arbeitsintensiver Sie ist daher in der Praxis der Gesundheits-
foumlrderung haumlufig sehr arbeitsintensiv und benoumltigt folglich zeitliche Ressourcen und damit
einhergehend finanzielle Ressourcen (vgl Loss 2009 S 10)
Traditionell sind viele Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung top-down organisiert das be-
deutet eine Einrichtung ein Geldgeber etc plant eine Maszlignahme fuumlhrt diese durch und eva-
luiert sie Zur Erreichung der eigenen Ziele wird die Zielgruppe mobilisiert ohne ein Mitspra-
cherecht zu den einzelnen Bausteinen der Maszlignahme zu haben Diese Struktur verdeutlicht
das Maumlchteungleichwicht zwischen Anbieter und Zielgruppe und zementiert den Status be-
hinderter Menschen als Abhaumlngige und Ohnmaumlchtige Der Gegensatz zu top-down-
Programmen ist der bottom-up-Ansatz Hier findet eine Machtteilung statt da die Gesund-
heitsfoumlrderinnen und Gesundheitsfoumlrderer ihre Macht mit der Zielgruppe teilen und eher die
Rolle von Unterstuumltzerinnen und Unterstuumltzern einnehmen Die Zielgruppe soll unterstuumltzt
werden ihre eigenen Probleme festzustellen und Loumlsungen sowie Maszlignahmen zu erarbeiten
In der Planung Durchfuumlhrung und Evaluation kommt ihr damit eine aktive Rolle zu (vgl La-
verack 2010 S 77) Bottom-up-Programme scheinen daher fuumlr Partizipation und Empower-
ment geeigneter als top-down-Strukturen Allerdings schlieszligen sich beide Ansaumltze nicht
zwingend aus sondern Maszlignahmen koumlnnen Eigenschaften beider Ansaumltze aufweisen In
WfbMs scheinen Maszlignahmen sehr haumlufig top-down organisiert zu sein Die staumlrkere Veranke-
rung von bottom-up-Strukturen waumlre hier im Sinne einer Teilhabe ndash in der Werkstatt wie auch
daruumlber hinaus auf gesellschaftlicher Ebene ndash vorteilhaft und wuumlnschenswert
452 Peer-Multiplikatorinnen und -Multiplikatoren
Eine Strategie die in der Praxis der Gesundheitsfoumlrderung bereits mit positiven Ergebnissen
getestet wurde sind Peer-Multiplikatorinnen und -Multiplikatoren Das Modell der Multipli-
katorinnen und Multiplikatoren war bereits Grundlage vieler gesundheitsfoumlrdernder Maszlignah-
men mit sozial benachteiligten Menschen die auch in der Literatur vielfach dokumentiert
sind Auch in der Arbeit mit behinderten Menschen ist dieses Konzept nicht neu Auf Maszlig-
nahmen zur Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung wurde es bisher kaum an-
gewandt scheint jedoch erfolgsversprechend Das Projekt GESUND welches mit einer Ber-
liner WfbM durchgefuumlhrt wird arbeitet mit diesem Konzept (vgl Burtscher 2014 S 8) Die
32
Funktion von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren besteht darin Kenntnisse und Informa-
tionen zur Gesundheit(-sfoumlrderung) der Zielgruppe mit Hilfe der ihnen innewohnenden Ver-
trauensstellung naumlher zu bringen Sie haben daher eine bdquoMittlerfunktionldquo (BVPG 2013 S 92)
zwischen Durchfuumlhrenden und Zielgruppe Voraussetzung dafuumlr ist dass sie der Zielgruppe
angehoumlren oder zumindest eine sehr enge Verbindung zu ihr besitzen Im Zuge einer Maszlig-
nahme werden sie selbst gestaumlrkt sozusagen bdquoempowertldquo Ihre Mittlerfunktion funktioniert
allerdings auch in die andere Richtung Sie bringen den Durchfuumlhrenden die Perspektive der
Zielgruppe naumlher Im Idealfall fuumlhrt der Einsatz von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren
zur Aktivierung der Zielgruppe die ihr selbstbestimmtes Handeln auch auf andere Bereiche
ausdehnen kann (vgl Stickan-Verfuumlrth 2005 S 108) Diesem Modell sehr aumlhnlich ist das
Modell des Peer-Counseling Hier stehen Mitglieder der Zielgruppe in beratender Funktion
ihrer Peer-Gruppe zur Verfuumlgung
453 Verknuumlpfung von Betrieblicher Gesundheitsfoumlrderung und Gesundheitsfoumlrderung in
Werkstaumltten fuumlr behinderte Menschen
Eine Uumlbertragung der Idee der Betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung auf die Gesundheitsfoumlrde-
rung in WfbMs scheint in der Tat realisierbar Den rechtlichen und finanziellen Rahmen hier-
fuumlr hat das 2015 beschlossene Praumlventionsgesetz geschaffen (siehe 33) Im Entwurf der Bun-
desregierung wird in der Anmerkung zum neuen sect 20 Abs 4 SGB V explizit darauf hinge-
wiesen dass Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung auch in WfbMs zum Leistungsspektrum der
Krankenkassen gehoumlrt (vgl Deutscher Bundestag 2015 S 34) Eine Etablierung hiervon in
der Praxis haumlngt in erster Linie neben den Krankenkassen auch von den Leitungen der WfbMs
ab Sollten diese hierfuumlr und auch gegenuumlber partizipativen Strukturen offen sein waumlre der in
351 kurz vorgestellte Gesundheitszirkel ein passender Startpunkt um von Beginn an auch
die Partizipation der Beschaumlftigten zu gewaumlhrleisten Analog zum Konzept der BGF koumlnnten
gemeinsam Maszlignahmen erarbeitet werden die die Gesundheit der Beschaumlftigten foumlrdern wuumlr-
den Den Vertreterinnen und Vertretern der Beschaumlftigten die im Gesundheitszirkel mitwir-
ken koumlnnte dabei die Rolle von Peer-Multiplikatorinnen und -Multiplikatoren zukommen
Als Effekte duumlrften die in 351 beschriebenen auch hier zu erwarten sein eine Verbesserung
der Gesundheit und eine Staumlrkung der gesundheitlichen Ressourcen eine Verringerung der
krankheitsbedingten Fehltage eine staumlrkere Identifikation der Beschaumlftigten mit der Werk-
33
statt ein besseres Arbeitsklima eine houmlhere Motivation und Arbeitszufriedenheit und eine
Steigerung der Produktivitaumlt
Es empfiehlt sich im Sinne der Partizipation und des Empowerments kein reines top-down-
Programm zu starten sondern einen bottom-up-Ansatz zu waumlhlen bzw zumindest mehrere
Elemente dessen einzubauen Als Anknuumlpfungspunkt koumlnnen bereits bestehende begleitende
Maszlignahmen mit passender Thematik genommen werden
Wie bdquonormaleldquo Betriebe koumlnnten auch WfbMs Kooperationen in ihrem raumlumlichen Umfeld
aufbauen und von Vernetzungen profitieren Aufgrund ihrer Groumlszlige sind sie in ihrem Sozial-
raum ein meist nicht zu unterschaumltzender Akteur
34
5 Fazit und Ausblick
Ausgehend von einem bio-psycho-sozialen Verstaumlndnis von Gesundheit wurden verschiedene
Aspekte der Gesundheitsfoumlrderung vertieft und anschlieszligend eine Verknuumlpfung zur Gesund-
heitsfoumlrderung mit behinderten Menschen hergestellt Hierbei lag der Fokus auf gesundheits-
foumlrdernden Maszlignahmen in WfbMs Dabei wurde die aktuelle Literatur zu Rate gezogen In-
ternetauftritte einiger Werkstaumltten durchsucht und Stimmen aus dem Feld von Mitarbeiterin-
nen und Mitarbeitern sowie Beschaumlftigten von Werkstaumltten gewonnen
Die Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung ist noch immer relativ schwach
ausgebaut Dies stellt sich besonders vor dem Hintergrund als problematisch dass behinderte
Menschen haumlufig anfaumllliger fuumlr Krankheiten sind und durchschnittlich uumlber einen subjektiv als
schlechter bewerteten Gesundheitsstatus verfuumlgen als nichtbehinderte Menschen Wie viele
sozial benachteiligte Gruppen sind sie verhaumlltnismaumlszligig schwer zu erreichen fuumlr gesundheits-
foumlrdernde Maszlignahmen Obwohl es in der Erreichbarkeit mehrere Probleme gibt verfuumlgen
Menschen mit Behinderung auf der anderen Seite uumlber groszlige Potentiale Das neue Praumlventi-
onsgesetz ist ein erheblicher Fortschritt bei der Finanzierung gesundheitsfoumlrdernder Maszlignah-
men Sogar eine Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung in Werkstaumltten ist wenn auch nicht ex-
plizit verankert so doch zumindest gewuumlnscht
Gelingende Gesundheitsfoumlrderung muss sich im Allgemeinen und auch bei der Arbeit mit
behinderten Menschen an bestimmten Prinzipien messen lassen Besonders wichtig vor dem
gesellschaftlichen Hintergrund ist hier die Partizipation der Menschen mit Behinderung und
damit einhergehend das Empowerment dieser Beide wirken sich positiv auf die Qualitaumlt der
gesundheitsfoumlrdernden Maszlignahmen aus gehen jedoch auch daruumlber hinaus Sie koumlnnen Men-
schen mit Behinderungen auch auf gesellschaftlicher Ebene empowern sodass ihnen eine
groumlszligere gesellschaftliche Teilhabe zukommt Somit erlangt Gesundheitsfoumlrderung auch vor
dem Hintergrund der Inklusion eine hohe Relevanz
In WfbMs ist gezielte Gesundheitsfoumlrderung bisher wenig verbreitet Einzelne Projekte sind
eher die Ausnahme denn die Regel Jedoch sind die Potentiale der Werkstaumltten enorm Das
Personal scheint haumlufig offen fuumlr Maszlignahmen zu sein und gerade die Strukturen der beglei-
tenden Maszlignahmen lieszligen eine relativ einfache Integration von Maszlignahmen zur (betriebli-
chen) Gesundheitsfoumlrderung zu Bestehende begleitende Maszlignahmen in welchen Sport oder
Bildungsangebote zu gesunder Ernaumlhrung angeboten werden koumlnnten ohne uumlbermaumlszligigen
Aufwand zu gezielten Maszlignahmen fuumlr Gesundheitsfoumlrderung ausgebaut werden Nachholbe-
darf bestuumlnde hier vor allem auf dem Gebiet der Partizipation Nur selten scheinen die Be-
35
schaumlftigten in Konzeption Planung Durchfuumlhrung und Evaluation aktiv eingebunden zu sein
In bestimmten Phasen wie etwa der Konzeption und besonders der Evaluation scheint aktive
Teilhabe noch uumlberhaupt nicht verankert zu sein Eine staumlrkere Partizipation in allen Berei-
chen waumlre mit houmlherem Arbeits- und Kostenaufwand verbunden welcher durch eine Einbin-
dung der Krankenkassen moumlglicherweise aufgefangen werden koumlnnte Die Partizipation foumlr-
dern wuumlrde auch die Etablierung von Peer-Beratung und Peer-Multiplikatorinnen und
-Multiplikatoren Diesen kaumlme beim Zugang zur Zielgruppe eine Schluumlsselfunktion zu und
gleichzeitig koumlnnten sie Bedarfe und Beduumlrfnisse dieser gegenuumlber den anderen Akteuren
kommunizieren Auch wenn es bisher keine konkreten ausgearbeiteten Konzepte zur Gesund-
heitsfoumlrderung in WfbMs gibt koumlnnten bestehende Konzepte zur Betrieblichen Gesundheits-
foumlrderung eventuell leicht uumlberarbeitet fuumlr Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung in Werkstaumltten
analog angewendet werden
Die Potentiale und Moumlglichkeiten zur Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung
in WfbMs sind also mannigfaltig und haumlufig vorhanden Auf diesen koumlnnte aufgebaut werden
um behinderten Menschen das Recht auf das in Artikel 25 der UN-BRK festgeschriebene bdquoer-
reichbare Houmlchstmaszlig an Gesundheitldquo zu ermoumlglichen
Gesundheitsfoumlrderung ist mehr als Werbeplakate an Bus- oder Straszligenbahnhaltestellen und
Clips im Aktuellen Sportstudio sie ist mehr als Sportangebote und Angebote zu gesunder
Ernaumlhrung sie ist auch ein Weg zum Erreichen eines Menschenrechtes das Recht auf Ge-
sundheit
36
6 Literatur
Altgeld Thomas (2008) Gesundheitsfoumlrderungspotenziale bei Menschen mit Behinderungen
unerkannt und ungenutzt In Impuse Newsletter zur Gesundheitsfoumlrderung o Jg
Heft 1 S 78 Im Internet unter httpwwwgesundheit-ndsdeCMSimagesstoriesPDFs
oimpulseimpulse58_ohne_Bilderpdf (Abrufdatum 21102015)
Altgeld ThomasKolip Petra (2010) Konzepte und Strategien der Gesundheitsfoumlrderung In
Hurrelmann KlausKlotz TheodorHaisch Jochen (Hrsg) Lehrbuch Praumlvention und Ge-
sundheitsfoumlrderung Bern Verlag Hans Huber 3 Aufl S 45 ndash 56
Antonovsky Aaron (1997) Salutogenese Zur Entmystifizierung der Gesundheit Tuumlbingen
dgvt-Verlag
Beange Helen (2002) Epidemiological Issues In Prasher Vee PJanicki Matthew P Phys-ical Health of Adults with Intellectual Disabilities Bodmin Cornwall MPG Books S 1 ndash 20
Bundesaumlrztekammer (2014) Stellungnahme der Bundesaumlrztekammer zum Entwurf eines Ge-
setzes zur Staumlrkung der Gesundheitsfoumlrderung und der Praumlvention (Praumlventionsgesetz ndash
PraumlvG) ndash Referentenentwurf vom 20102014 Im Internet unter
httpwwwbundesaerztekammerdefileadminuser_uploaddownloadsStn_BAeK_Praeve
ntionsgesetz_21112014pdf (Abrufdatum 28102014)
BAG WfbM ndash Bundesarbeitsgemeinschaft Werkstaumltten fuumlr behinderte Menschen eV (2014)
Verdienst in Werkstaumltten Im Internet unter httpwwwbagwfbmdepage101 (Abrufda-
tum 10112015)
BMAS ndash Bundesministerium fuumlr Arbeit und Soziales Referat Information Publikation Re-
daktion (Hrsg) (2013) Teilhabebericht der Bundesregierung uumlber die Lebenslagen von
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Anhang
Nr 1 Abbildung zu den Hauptdeterminanten der Gesundheit nach DahlgreenWhitehead
2007 S 11
Nr 2 Befragung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Beschaumlftigten der WfbMs
42
Nr 1 Abbildung zu den Hauptdeterminanten der Gesundheit nach DahlgreenWhitehead
2007 S 11
43
Nr 2 Befragung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Beschaumlftigten der WfbMs
Um moumlglichst effizient die Stimmen aus vier WfbMs unterschiedlicher Traumlger zu erheben
wurden diese auf dem Infotag der LAG WfbM Berlin am 17112015 gesammelt Hier waren
verschiedene Werkstaumltten mit Informationsstaumlnden vertreten Gewaumlhlt wurden die Werkstaumlt-
ten an deren Staumlnden der Verfasser zuerst vorbeilief Die gestellten Fragen waren stets die-
selben
Den Vertretern der Werkstatt wurde zugesichert dass ihr Name nicht in der vorliegenden Ar-
beit genannt wird lediglich ihre Position in der Werkstatt wird erwaumlhnt Es wurden auszligerdem
keine weiteren Personendaten erhoben
Wenn moumlglich sollten auszligerdem fuumlnf Beschaumlftige pro WfbM befragt werden Hierfuumlr wurde
am Ende des kurzen Interviews um Erlaubnis gefragt Den Beschaumlftigten wurden andere Fra-
gen gestellt als dem Werkstattpersonal jedoch erhielten alle Beschaumlftigten dieselben Fragen
untereinander Den Beschaumlftigen wurde komplette Anonymitaumlt in der vorliegenden Arbeit
zugesichert und es wurden keine personenbezogenen Daten abgefragt Zuerst wurde nach
ihrem Verstaumlndnis von Gesundheitsfoumlrderung gefragt Vor den Fragen 2 bis 5 wurde kurz
erklaumlrt wie Gesundheitsfoumlrderung verstanden werden kann um davon ausgehend die restli-
chen Fragen zu beantworten
Bei saumlmtlichen Interviews wurde auf Transkriptionen verzichtet es wurden lediglich die
Kernaussagen mitgeschrieben
Im Folgenden finden sich exemplarisch die jeweils gestellten Fragen
44
Fragen an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der WfbM
Name der WfbM
Position der befragten Person Begleitender Dienst
1 Was verstehen Sie unter Gesundheitsfoumlrderung
2 Was bieten Sie im Rahmen der Gesundheitsfoumlrderung an
3 Wie werden die Maszlignahmen angenommen
4 Wuumlrden Sie gerne mehr anbieten oder finden Sie die Angebote ausreichend
5 Gibt es Schwierigkeiten
6 Wie steht es um die Partizipation in den Angeboten (Werden die Angebote von Beschaumlf-
tigten mitentwickelt mitevaluiert etc)
7 Werden die Angebote evaluiert
45
Fragen an die Beschaumlftigen der WfbM
Name der WfbM
Datum
1 Wissen Sie was Gesundheitsfoumlrderung ist Wenn ja wie wuumlrden sie es beschreiben
[Moumlgliche Erklaumlrung fuumlr Beschaumlftigte die sich nichts unter Gesundheitsfoumlrderung vorstellen
koumlnnen Zur Gesundheitsfoumlrderung gehoumlrt alles was fuumlr Ihre Gesundheit gut ist zB Kur-
seMaszlignahmen usw die mit Bewegung Ernaumlhrung Wohlfuumlhlen am Arbeitsplatz oder Ent-
spannen zu tun haben]
2 Welche Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung werden Ihnen von der Werkstatt angebo-
ten
3 Werden Ihrer Meinung nach genuumlgend Angebote zur Gesundheitsfoumlrderung in der Werk-
statt angeboten
4 Duumlrfen Sie bei der Entwicklung und Evaluation (Auswertung am Ende) mitbestimmen
5 Was sind Ihre Wuumlnsche bezuumlglich der Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung
17
anderen liegt es daran dass es sich um einen vielschichtigen Prozess handelt der durch inter-
ne externe oumlkonomische oder betriebspolitische Veraumlnderungen beeintraumlchtigt werden kann
(vgl RosenbrockHartung 2015 oS)
Fuumlr eine gelingende BGF ist Partizipation unumgaumlnglich denn nur so wird sichergestellt dass
moumlglichst viele Akteure besonders die Zielgruppe der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter er-
reicht wird (SimonHegerReszies 2011 S 46) Ein wichtiges Element hierbei ist der sog
bdquoGesundheitszirkelldquo Dieser setzt sich zusammen aus Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des
Betriebs wobei moumlglichst verschiedene Arbeitsbereiche und Hierarchieebenen vertreten sein
sollten Die Groumlszlige sollte dabei uumlberschaubar bleiben zB zwischen fuumlnf und acht Teilneh-
menden evtl ergaumlnzt durch einen externen Experten Im Zuge einer angestrebten Versteti-
gung von Gesundheitsfoumlrderung im Betrieb sind regelmaumlszligige Treffen sinnvoll (vgl Si-
monHegerReszies 2011 S 64 ndash 69) Um eine moumlglichst umfassende Partizipation zu ge-
waumlhrleisten empfiehlt es sich den Gesundheitszirkel von Beginn an also der Phase der Pla-
nung mit einzubeziehen Fuumlr eine Gesundheitsfoumlrderung in WfbMs scheint eine analoge An-
wendung des Konzeptes Gesundheitszirkel sowohl moumlglich als auch sinnvoll um von Beginn
an partizipative Strukturen zu etablieren
352 Betriebliches Gesundheitsmanagement
In der Literatur wird der Begriff des Betrieblichen Gesundheitsmanagements sehr unter-
schiedlich interpretiert Schlummer interpretiert ihn beinahe synonym zur Betrieblichen Ge-
sundheitsfoumlrderung wobei lediglich der Faktor der Arbeitssicherheit eine staumlrke Beruumlcksichti-
gung im Gesundheitsmanagement findet (vgl Schlummer 2015 S 35) Die Luxemburger
Deklaration hingegen sieht Arbeits- und Gesundheitsschutz in Unternehmen als Teil der Be-
trieblichen Gesundheitsfoumlrderung (vgl Unternehmensnetzwerk zur betrieblichen Gesund-
heitsfoumlrderung in der Europaumlischen Union eV 2007 S 4) In der vorliegenden Arbeit wird
der Arbeits- und Gesundheitsschutz ebenfalls unter der Strategie der Betrieblichen Gesund-
heitsfoumlrderung gesehen da er dem Verstaumlndnis von BGF als bdquoMaszlignahmen von Arbeitgebern
Arbeitnehmern und Gesellschaft zur Verbesserung von Gesundheit und Wohlbefinden am
Arbeitsplatzldquo (Unternehmensnetzwerk zur betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung in der Europauml-
ischen Union eV 2007 S 2) entspricht Fuumlr die Abgrenzung zwischen den beiden Begriffen
scheint dieser Aspekt zweitrangig Im Vordergrund liegt eher der jeweilige Charakter der
Strategie
18
Gesundheitsmanagement in Betrieben kann als bdquo[b]ewusste Steuerung und Integration aller
betrieblichen Prozesse mit dem Ziel der Erhaltung und Foumlrderung der Gesundheit und des
Wohlbefindens der Beschaumlftigtenldquo (HannackRaumlder 2011 S 434) gesehen werden Dieses
Konzept scheint mit Vor- und Nachteilen einherzugehen Da saumlmtliche betriebliche Prozesse
die als der Gesundheit foumlrderlich gelten hierunter fallen sind auch individuelle Maszlignahmen
wie bspw das Betriebliche Eingliederungsmanagement nach sect 84 Abs 2 SGB IX mit inbe-
griffen Bei diesem geht es in erster Linie nicht um eine Erhaltung oder Verbesserung der
Gesundheit sondern um eine Vorbeugung von Arbeitsunfaumlhigkeit undoder den Erhalt eines
Arbeitsplatzes Ebenfalls positiv kann die Implementierung gesundheitsorientierter Prozesse
und Strukturen in das generelle Management eines Unternehmens gesehen werden Dadurch
scheint auszligerdem die Dauerhaftigkeit von gesundheitsfoumlrderlichen Maszlignahmen besser er-
reichbar als bei der BGF Hier haben Maszlignahmen meist den Charakter eines zeitlich befriste-
ten Projektes (vgl SlesinaBohley 2011 S 627) Der groszlige Nachteil des Betrieblichen Ge-
sundheitsmanagements liegt in der Gefahr dass sog top-down-Strukturen die Uumlberhand ge-
winnen (vgl Faller 2010 S 25 zit nach RosenbrockHartung 2015 oS) Top-down-
Strukturen in der Gesundheitsfoumlrderung zeichnen sich dadurch aus dass eine Person von
bdquoobenldquo eine Maszlignahme einleitet und im schlimmsten Fall bdquoaufoktroyiertldquo Dies kann mangels
Partizipation der Zielgruppe zu Ablehnung bei dieser fuumlhren
Fuumlr eine Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung in WfbMs scheint ndash zumin-
dest im Moment ndash der Weg der BGF geeigneter Hier sind zum einen in der Theorie groszlige
Potentiale fuumlr Partizipation gegeben Zum anderen ist das Thema der systematischen Gesund-
heitsfoumlrderung mit behinderten Menschen in Institutionen der Behindertenhilfe bisher kaum
verbreitet (siehe 44) Eine sofortige Implementierung des Betrieblichen Gesundheitsmana-
gements wuumlrde die meisten Einrichtungen uumlberfordern und vor den Kopf stoszligen Auf lange
Sicht scheint dies aber ein wuumlnschenswertes Ziel zu sein welches Schritt fuumlr Schritt erreicht
werden sollte
19
4 Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung
Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen ist bisher in der Praxis der sog bdquoBehinder-
tenhilfeldquo6 nur aumluszligert selten integriert In der wissenschaftlichen Literatur sind in den letzten
Jahren einige Beitraumlge erschienen die sich diesem Thema widmen Es soll nun zuerst darge-
stellt werden in welchem Verhaumlltnis Gesundheit und Behinderung zueinander stehen bevor
auf die Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen eingegangen wird Der Fokus dieser
Arbeit liegt auf der Gesundheitsfoumlrderung in WfbMs In diesem Zusammenhang wird der
Stand der Literatur kurz dargestellt eine kurze Analyse von Leitbildern einzelner Werkstaumltten
vorgenommen und einige Stimmen aus der Praxis wiedergegeben Aufgrund des knappen
Rahmens dieser Arbeit muss sich dies auf das Bundesland Berlin beschraumlnken und erhebt kei-
nen Anspruch auf empirische Vollstaumlndigkeit Vielmehr versteht es sich als eine kleine Feld-
befragung die als ein erster Impuls gesehen werden kann
41 Behinderte Menschen und Gesundheit und Krankheit ndash sozialmedizinische Erkenntnisse
Zunaumlchst muss festgehalten werden dass eine Behinderung keine Krankheit ist Auch ein
schwer behinderter Mensch kann sich sehr gesund fuumlhlen Der wesentliche Unterschied zwi-
schen einer Behinderung und einer Krankheit liegt darin dass bei einer Behinderung die Teil-
habe am Leben in der Gesellschaft langfristig beeintraumlchtigt ist bei einer Erkrankung hinge-
gen nicht oder nur kurzfristig7 Das hier vorliegende Verstaumlndnis in der Unterscheidung bei-
der Begriffe ist vordergruumlndig eher ein soziales denn eine medizinische Abgrenzung
Es existieren verschiedene und teilweise weitreichende gesundheitliche Unterschiede zwi-
schen Menschen mit Behinderungen und Menschen ohne Behinderungen Um diese auch in
ihrem Ursprung erklaumlren zu koumlnnen reicht der bdquotraditionelleldquo bio-medizinische Blick nicht
aus da er zu kurz greift Er muss um die sozialmedizinische Sichtweise ergaumlnzt werden
An dieser Stelle sollte allerdings darauf hingewiesen werden dass die folgende Darstellung
den Gesundheitszustand groszliger heterogener Gruppen von Menschen abbildet und die ge-
troffenen Aussagen daher nicht auf jeden Einzelfall anwendbar sind
6 Dieser Begriff impliziert durch den Wortteil bdquo-hilfeldquo ein Maumlchteungleichgewicht welches einer wahren Parti-
zipation der behinderten Menschen im Wege steht 7 Sollte eine chronische Krankheit einen Menschen in seiner Teilhabe langfristig einschraumlnken kann sie durch-
aus auch als Behinderung gesehen werden
20
Der Teilhabebericht des Bundesministeriums fuumlr Arbeit und Soziales (BMAS) kommt zu dem
Ergebnis dass Menschen mit Behinderungen ihre Gesundheit haumlufig schlechter einschaumltzen
als Menschen ohne Behinderungen Dies gilt auch fuumlr das psychische Wohlbefinden welches
im ganzheitlichen Verstaumlndnis von Gesundheit das dieser Arbeit zugrunde liegt (siehe 22)
ebenfalls Teil der Gesundheit ist Auch hat ein Mensch mit Behinderung in Deutschland im
Durchschnitt mehr Krankheitstage8 als ein nicht behinderter Mensch Menschen mit Behinde-
rung konsultieren statistisch betrachtet in einem bestimmten Zeitraum haumlufiger einen Arzt als
die durchschnittliche Bevoumllkerung Dies duumlrfte ua an dem als schlechter wahrgenommenen
Gesundheitszustand liegen aber auch an der Komorbiditaumlt bestimmter Behinderungen Bzgl
des Rauchverhaltens Alkoholkonsums und einer gesundheitsbewussten Ernaumlhrung bestehen
nur relativ geringe Unterschiede zur Gesamtbevoumllkerung Auffaumlllig ist lediglich dass die
Gruppe der 18- bis 29-Jaumlhrigen Menschen mit Behinderung zu einem houmlheren Anteil regel-
maumlszligig raucht Alkohol trinkt und seltener auf gesunde Ernaumlhrung achtet In den anderen Al-
tersgruppen bestehen kaum nennenswerte Unterschiede (vgl BMAS 2013 S 192 ndash 204)
Menschen mit Behinderungen haben im Durchschnitt eine geringere Lebenserwartung wobei
es hier Unterschiede zwischen einzelnen Syndromen gibt (vgl MarksSisirakHeller 2010
S 3) Bei einigen kann die jeweilige Behinderung selbst der Ausloumlser sein jedoch besteht
besonders bei Menschen mit Lernschwierigkeiten die Gefahr dass Krankheiten nicht richtig
erkannt oder nur unzureichend behandelt werden (vgl Lennox 2002 S 230) Ausschlagge-
bend hierfuumlr duumlrfte sein dass im Gesundheitsbereich verschiedenste Barrieren existieren Zum
Beispiel ist nur ein Teil der Arztpraxen barrierefrei wobei besonders haumlufig passende Unter-
suchungsmoumlbel und Informationsmaterial in Leichter Sprache fehlen (vgl BMAS 2013
S 200201) Ebenfalls negativ wirkt sich aus dass Aumlrzte teilweise unsicher im Umgang mit
Menschen mit Lernschwierigkeiten sind und diese zT auszligerdem ihre Symptome nicht praumlzi-
se genug beschreiben koumlnnen oder uumlber eine geringer differenzierte Wahrnehmung des eige-
nen Koumlrpers verfuumlgen als Menschen ohne Behinderung (vgl SchmidtReker 2014 S 28)
Des Weiteren haben Menschen mit Lernschwierigkeiten statistisch gesehen haumlufiger Uumlberge-
wicht als der Durchschnitt der Bevoumllkerung Hier muss jedoch beruumlcksichtigt werden dass
mit bestimmten Syndromen wie bspw dem Down-Syndrom ein veraumlnderter Energiebedarf
aufgrund der geringeren Muskelspannung einhergeht oder das Saumlttigungsgefuumlhl zB beim
Prader-Willi-Syndrom veraumlndert ist (Beange 2002 S 3) Die houmlhere Wahrscheinlichkeit des
Uumlbergewichts besteht statistisch gesehen sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen mit
8 Krankheitstage werden an dieser Stelle des Bundesteilhabeberichtes verstanden als Tage in denen der Mensch
sich subjektiv zu krank gefuumlhlt hat um seinen normalen privaten und beruflichen Taumltigkeiten nachzugehen
21
Lernschwierigkeiten (vgl Reuter 2009 S 13) Eine moumlgliche Ursache hierfuumlr kann auch in
der Tatsache gesehen werden dass Menschen mit Behinderungen durchschnittlich seltener
Sport treiben als nicht behinderte Menschen (vgl BMAS 2013 S 221222)
Ein weiterer bedeutender Zusammenhang zwischen Krankheit und Behinderung ist dass viele
Behinderungen im Sinne von Einschraumlnkungen in der gesellschaftlichen Teilhabe wie auch im
gesetzlichen Verstaumlndnis nach dem SGB IX Folgen von schweren undoder chronischen
Krankheiten sind (vgl SchmidtReker 2014 S 26)
Trotz allem muumlssen auch die vorhandenen Gesundheitspotentiale behinderter Menschen be-
ruumlcksichtigt werden denn an ihnen kann eine gelingende Gesundheitsfoumlrderung ansetzen (vgl
Altgeld 2008 S 8)9 Ein ressourcenorientierter Blick achtet besonders auf die verschiedenen
Potentiale die jedem Menschen (oder auch einer Gruppe von Menschen) innewohnen
Das Verhaumlltnis zwischen Gesundheit und Behinderung haumlngt in Deutschland und vielen Tei-
len der sog westlichen Welt aus sozialmedizinischem Blickwinkel nach wie vor so zusam-
men bdquoWhile a large number of individuals who are in bad health end up with a disability a
large number of persons with disabilities end up with bad healthldquo10
(Rimmer 2009 zit nach
MarksSisirakHeller 2010 S 31) Dieser Chiasmus verdeutlicht zusammenfassend nicht nur
die vorherrschende enge Verbindung zwischen schlechterer Gesundheit und Behinderung
sondern impliziert auch die Notwendigkeit von Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Be-
hinderungen Wie in 31 beschrieben hat Gesundheitsfoumlrderung auch den Abbau gesundheit-
licher Chancenungleichheit zum Ziel
42 Erreichbarkeit von Menschen mit Behinderungen fuumlr gesundheitsfoumlrdernde Maszlignahmen
Fuumlr die Gesundheitsfoumlrderung gelten Menschen mit Behinderungen als schwer zu erreichen
Es sollen nun die wesentlichen Probleme aber auch die vorhandenen Potentiale beschrieben
werden
9 Altgeld bezieht sich in seiner Analyse auf den Gesundheitsmonitor 2007 der Bertelsmann Stiftung Da dieser
Menschen mit Lernschwierigkeiten nicht mit einbezieht sondern vorwiegend koumlrper- und sinnesbeeintraumlchtige
Menschen beruumlcksichtigt koumlnnen seine Schlussfolgerungen nicht fuumlr die gesamte sehr heterogene Gruppe der
behinderten Menschen angewendet werden 10
Waumlhrend eine groszlige Anzahl an Personen welche eine schlechte Gesundheit besitzen eine Behinderung er-
langt erlangt eine groszlige Anzahl an Personen mit Behinderungen eine schlechte Gesundheit (Uumlbersetzung des
Verfassers)
22
421 Probleme bei der Erreichbarkeit
In den bundesweiten Untersuchungen wie bspw dem Sozio-oumlkonomischen Panel (SOEP)
oder Gesundheit in Deutschland aktuell (GEDA) werden Menschen mit Lernschwierigkeiten
idR nicht erreicht Dies hat zur Folge dass sowohl gesundheitliche Potentiale als auch Be-
duumlrfnisse und Bedarfe von Menschen mit Lernschwierigkeiten in der Gesundheitsfoumlrderung
weitgehend unerkannt und dadurch ausgeklammert bleiben (vgl Burtscher 2014 S 4)
Generell gelten behinderte Menschen bisher als schwer zu erreichen fuumlr Maszlignahmen zur Ge-
sundheitsfoumlrderung was verschiedene Gruumlnde hat Sozial benachteiligte Menschen sind sehr
haumlufig eine schwer erreichbare Zielgruppe fuumlr die Gesundheitsfoumlrderung Maszlignahmen auf der
gesamtgesellschaftlichen Ebene werden eher von Menschen mit houmlherem sozialen Status an-
genommen (Hurrelmann 2006 S 164) und erst spaumlter von sozial Benachteiligten internali-
siert Es waumlre jedoch ein Fehler Menschen mit Behinderungen automatisch zur Gruppe der
sozial benachteiligten Menschen zu rechnen Jedoch zeigt der Bundesteilhabebericht dass
behinderte Menschen haumlufiger erwerbslos sind und durchschnittlich weniger Gehalt verdienen
(BMAS 2013 S 141 ndash 149) Dass die finanzielle Lage von Beschaumlftigten der WfbMs beson-
ders prekaumlr ist wird im Punkt 43 naumlher erlaumlutert Diese soziooumlkonomischen Merkmale sind
jedoch nur ein Aspekt Auch gilt es zu bedenken dass besonders Maszlignahmen auf der Verhal-
tensebene bei sozial benachteiligten Menschen oft wenig angenommen werden da sie mit den
eigenen dauerhaften Lebensvorstellungen nicht uumlbereinstimmen (vgl Hurrelmann 2006
S 164) So nehmen Menschen mit Behinderung nur sehr selten an Angeboten oumlffentlicher
Einrichtungen wie bspw Volkshochschulkursen oder Rehabilitations-Sport-Maszlignahmen teil
(vgl Burtscher 2014 S 5)
Ein weiterer Punkt ist dass das Thema Gesundheitsfoumlrderung in der Behindertenarbeit traditi-
onell kaum etabliert war Laut einer Studie aus dem Jahr 2004 sehen Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter in Behinderteneinrichtungen haumlufig wenig Relevanz in Sport Bewegung und Er-
naumlhrung fuumlr die Foumlrderung der Gesundheit behinderter Menschen Daruumlber hinaus schreiben
sie auch Selbstbewusstsein Selbststaumlndigkeit und Selbstbestimmung nur eine untergeordnete
Rolle zu (vgl Gembris-Nuumlbel 2004 S 144) Allerdings besteht die Chance dass diese Ein-
stellung sich in den letzten zehn Jahren veraumlndert hat Die Ergebnisse der im Rahmen dieser
Arbeit durchgefuumlhrten Feldbefragung geben Anlass zu dieser Annahme (siehe 443) Auszliger-
dem ist fuumlr viele Menschen mit Lernschwierigkeiten der Zugang zu Informationen welche
Gesundheitsfoumlrderung thematisieren nur schwer moumlglich Hier sind folglich Vermittlung und
Unterstuumltzung oft notwendig (vgl Gembris-Nuumlbel 2004 S 82)
23
Auch von der Politik wird das Thema der Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen
bisher nur sehr selten thematisiert Seltene Ausnahmen wie zB die 22 Landesgesundheits-
konferenz in Nordrhein-Westfalen weisen jedoch auf die Wichtigkeit von Gesundheitsfoumlrde-
rung hin welche die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben verbessern kann (vgl Ministerium
fuumlr Gesundheit Emanzipation Pflege und Alter des Landes Nordrhein-Westfalen 2013
S 31) Hervorgehoben wird hier auch die (zukuumlnftige) Gestaltung der Informationen damit
diese fuumlr alle zugaumlnglich sind Des Weiteren soll auch das Bewusstsein saumlmtlicher Beteiligten
im Bereich der Gesundheitsfoumlrderung sensibilisiert werden (vgl Ministerium fuumlr Gesundheit
Emanzipation Pflege und Alter des Landes Nordrhein-Westfalen 2013 S 32)
Schon im Grundschulalter werden behinderte Kinder oft nicht erreicht da Gesundheitsfoumlrde-
rung sehr haumlufig nur in Regelgrundschulen und weiterfuumlhrenden Schulen und nicht in separie-
renden Foumlrderschulen stattfindet (vgl Reuter 2009 S 1819)
422 Potentiale fuumlr die Erreichbarkeit
Allerdings muumlssen auch die Potentiale betrachtet werden die fuumlr eine Erreichbarkeit behin-
derter Menschen zur Gesundheitsfoumlrderung vorhanden sind Auch diese bestehen in allen Al-
tersgruppen zB im fruumlhen Schulalter Im Zuge der Inklusion bei der immer mehr Kinder
mit Behinderungen in Regelschulen unterrichtet werden ist zu hoffen dass sie zukuumlnftig haumlu-
figer an Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung teilhaben koumlnnen Solange es (noch) Foumlrder-
schulen gibt muss auch auf deren (oft ungenutztes) Potential fuumlr gesundheitsfoumlrdernde Maszlig-
nahmen hingewiesen werden das in ihrer oft ganztaumlgigen Betreuung und den damit verbun-
denen Ressourcen liegt
Nicht nur in der Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Kindern sind bereits Potentiale vor-
handen Generell weisen Gesundheitsfoumlrderung und Behindertenarbeit sehr groszlige Gemein-
samkeiten in Sprache Prinzipien und Zielen auf Beide zielen letztendlich ab auf Inklusion
Partizipation Empowerment Entwicklung persoumlnlicher Faumlhigkeiten Einbindung in die Ge-
meinde die Neuorientierung von Gesundheitsdienstleistungen und die Foumlrderung von Um-
welten welche Gesundheit und Lebensqualitaumlt verbessern (vgl Lennox 2002 S 231) Es soll
auch darauf hingewiesen werden dass viele behinderte Menschen sehr an Informationen uumlber
Gesundheit interessiert sind und aktiv nach Informationen suchen (vgl Altgeld 2008 S 8)
Abschlieszligend laumlsst sich auffuumlhren dass gerade der Setting-Ansatz wie er in Punkt 34 darge-
stellt wurde eine sehr gute Moumlglichkeit bietet Menschen mit Behinderungen zu erreichen Er
24
bietet einen Zugangspunkt und kann Ausgangslage sein sowohl fuumlr verhaltens- als auch fuumlr
verhaumlltnisorientierte Maszlignahmen zur Foumlrderung der Gesundheit von Menschen mit Behinde-
rungen
Obwohl behinderte Menschen in der Vergangenheit nur selten gezielt an Maszlignahmen zur
Gesundheitsfoumlrderung beteiligt wurden sind doch einige Potentiale vorhanden an denen an-
zuknuumlpfen lohnenswert scheint
43 Das Setting Werkstatt fuumlr behinderte Menschen
WfbMs sind spezielle Einrichtungen fuumlr Menschen mit Behinderungen die nach dem SGB IX
als behindert gelten (siehe 21) Nach sect 136 SGB IX dienen diese Einrichtungen der bdquoTeilhabe
behinderter Menschen am Arbeitsleben [hellip] und zur Eingliederung in das Arbeitslebenldquo
Dadurch sind sie nicht Teil des allgemeinen Arbeitsmarktes da ihre Beschaumlftigten bdquowegen
Art oder Schwere der Behinderung nicht noch nicht oder noch nicht wieder auf dem allge-
meinen Arbeitsmarkt beschaumlftigt werden koumlnnenldquo (sect 136 Abs 1 SGB IX) Ihr Ziel ist es be-
hinderte Menschen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt vorzubereiten Die Beschaumlftigten arbei-
ten in verschiedensten Bereichen zB im Handwerk oder in Taumltigkeiten der elektronischen
Datenverarbeitung je nach persoumlnlicher Neigung Da es sich um kein typisches sozialversi-
cherungspflichtiges Arbeitsverhaumlltnis handelt sondern um ein bdquoarbeitnehmeraumlhnliches
Rechtsverhaumlltnisldquo11
(sect 138 SGB IX) bekommen die Beschaumlftigten keinen Lohn der dem
Mindestlohn entspricht Nach sect 138 SGB IX setzt sich ihr Arbeitsentgelt zusammen aus ei-
nem Grundbetrag und einem leistungsbemessenen Steigerungsbetrag Im Jahr 2011 verdiente
ein Beschaumlftigter im Durchschnitt 180 Euro monatlich (vgl BAG WfbM 2014) bei 35 bis 40
Arbeitsstunden pro Woche Von einer groszligen Steigerung in den letzten Jahren ist nicht auszu-
gehen Somit benoumltigen Beschaumlftigte einer WfbM idR neben ihrem Arbeitsentgelt Grundsi-
cherung Dies hat zur Folge dass sie haumlufig in prekaumlren soziooumlkonomischen Verhaumlltnissen
leben
Jede Werkstatt ist soziologisch betrachtet ein eigenes System mit individuellen Merkmalen
die unter anderem vom Standort dem Fachpersonal dem Traumlger und den Beschaumlftigten ge-
kennzeichnet sind (vgl SchlummerSchuumltte 2006 S 81) Gesetzlich festgelegt ist in sect 139
11
Begruumlndet wird dieses Rechtsverhaumlltnis haumlufig durch den Kuumlndigungsschutz Eine Werkstatt kann einen
Werkstattvertrag mit einer Beschaumlftigten oder einem Beschaumlftigten nur in seltenen Faumlllen gegen ihren oder sei-
nen Willen aufheben
25
SGB IX dass die Beschaumlftigten aus ihrer Mitte heraus regelmaumlszligig einen Werkstattrat waumlhlen
Genaueres regelt hier die Werkstaumltten-Mitwirkungsverordnung (WMVO) Wie ihr Name al-
lerdings schon sagt handelt es sich hier um die Moumlglichkeit der Mitwirkung nicht der Mitbe-
stimmung Diese kann nur erreicht werden wenn Werkstatt und Werkstattrat nach sect 5 Abs 4
WMVO eine weitergehende Vereinbarung treffen Zu den Aufgaben des Werkstattrates ge-
houmlrt es die Interessen der Beschaumlftigten in verschiedenen Angelegenheiten gegenuumlber der
Werkstatt zu vertreten Diese sind in sect 5 Abs 1 WMVO aufgelistet Die Werkstatt muss den
Werkstattrat auszligerdem informieren wenn sie eine Maszlignahme durchfuumlhrt in der der Werk-
stattrat ein Mitwirkungsrecht besitzt12
Sollte kein Einverstaumlndnis in einer Beratung erzielt
werden koumlnnen beide Seiten sich an eine Vermittlungsstelle wenden (sect 5 Abs 3 WMVO)
Das tatsaumlchliche Ausmaszlig der Mitwirkung ist jedoch stets von der Werkstattleitung abhaumlngig
Solch eine fehlende gesetzliche Verankerung von Mitbestimmung steht der Partizipation be-
hinderter Menschen im Wege welche sowohl fuumlr die gesellschaftliche Inklusion als auch die
Gesundheitsfoumlrderung immens wichtig ist
44 Gesundheitsfoumlrderung in Werkstaumltten fuumlr behinderte Menschen
Zunaumlchst gilt es sich einen Uumlberblick uumlber den aktuellen Stand von Gesundheitsfoumlrderung in
WfbMs zu verschaffen Einen ersten Einblick soll die dazu vorhandene Literatur liefern Da-
nach soll ein Abgleich dieser mit der Praxis stattfinden der sich aufgrund des gesetzten Rah-
mens dieser Arbeit nur auf einige Werkstaumltten des Bundeslandes Berlin konzentriert Hierfuumlr
werden jeweils die Leitbilder untersucht und Stimmen aus der Werkstatt ausgewertet
441 Recherche zum aktuellen Stand
Die Literatur zum Thema Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen in WfbMs ist
noch sehr duumlnn Vollstaumlndig ausgearbeitete Konzepte gibt es bisher nicht veroumlffentlicht wur-
den Berichte von abgeschlossenen oder noch laufenden Projekten Werner Schlummer wis-
senschaftlicher Mitarbeiter der Universitaumlt zu Koumlln begleitete ein Projekt zum Betrieblichen
12
Eine ausfuumlhrliche Beschreibung der Mitwirkungs- und Unterrichtungsrechte des Werkstattrates ist bei
SchlummerSchuumltte 2006 S 71 ndash 82 nachzulesen
26
Gesundheitsmanagement13
in einer WfbM zusammen mit acht Studierenden der Universitaumlt
(vgl Schlummer 2015 S 33) Auch das Projekt GESUND als Teilprojekt von PartKomm-
Plus (Forschungsverbund fuumlr gesunde Kommunen) wird wissenschaftlich durch die Katholi-
sche Hochschule fuumlr Sozialwesen begleitet (vgl Burtscher 2014 S 6)
Als Ausnahme kann das Projekt bdquoSelbstbestimmt gesuumlnderldquo im Rahmen des Programmes
bdquoHealthy Athletesldquo gesehen werden Hier bringt Special Olympics Deutschland eV Maszlig-
nahmen zur Gesundheitsfoumlrderung in die Lebenswelten behinderter Menschen Bei Healthy
Athletes werden Sportlerinnen und Sportler bei Veranstaltungen von Special Olympics kos-
tenlose Beratungen und Kontrolluntersuchungen angeboten Diese Angebote werden jedoch
auch auf Wohnheime und WfbMs ausgeweitet (vgl Special Olympics Deutschland a) S 2
eigene Paginierung) Auch das Projekt bdquoSelbstbestimmt gesuumlnderldquo bringt gesundheitsfoumlrdern-
de Maszlignahmen in Werkstaumltten Dabei werden bdquoTeilnehmern individualisierte Handlungsemp-
fehlungen zum Gesundheitsverhalten zur Verfuumlgung gestelltldquo (Special Olympics Deutschland
b) oS) Das Projekt setzt auszligerdem auf die Wirkung von Peer-Multiplikatorinnen und
-Multiplikatoren
Weitere Projekte sind trotz intensiver Recherche nicht bekannt Auch die Bundesarbeitsge-
meinschaft Werkstaumltten fuumlr behinderte Menschen eV (BAG WfbM) hat auf ihrer Homepa-
ge14
keinen Artikel zur Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung in WfbMs
Gibt man in der Suchmaske bdquoGesundheitsfoumlrderungldquo ein erhaumllt man zwei Ergebnisse einen
Artikel uumlber ein neu entwickeltes Computerspiel das von Kindern mit unterschiedlichen Be-
hinderungen gespielt werden kann und einen Artikel zum Qualifizierungsprogramm bdquoGe-
sundheitsfoumlrderung durch Schluumlsselqualifikationenldquo das sich nicht an Beschaumlftigte sondern
an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in WfbMs richtet Dies legt den Schluss nahe dass Ge-
sundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen in WfbMs bisher kaum verbreitet ist
Das Thema Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung als solches wurde in den
letzten Jahren zunehmend in der Literatur behandelt wobei die Anzahl der Veroumlffentlichun-
gen nach wie vor auf einem uumlberschaubaren Stand ist
13
Schlummers Verstaumlndnis von Betrieblichem Gesundheitsmanagement und Betrieblicher Gesundheitsfoumlrderung
sind beinahe synonym Das beschriebene Projekt kann daher im erweiterten Rahmen durchaus als Projekt zur
Gesundheitsfoumlrderung gesehen werden 14
httpwwwbagwfbmde (Stand 11112015)
27
442 Konzepte und Leitbilder von Einrichtungen der Praxis
Betrachtet werden vier verschiedene WfbMs und ihre Leitbilder Es handelt sich um die vier
Werkstaumltten von denen auch im Rahmen der Feldbefragung Stimmen einer Mitarbeiterin oder
eines Mitarbeiters und zT von Beschaumlftigten gewonnen werden konnten (siehe 443 und
Anhang Nr 2)
Aufgrund der jeweiligen Traumlgerstrukturen besitzt lediglich eine der Werkstaumltten15
als solche
ein eigenes Leitbild Bei den anderen drei Werkstaumltten muss auf das Leitbild des jeweiligen
Traumlgers zuruumlckgegriffen werden Das Thema der Gesundheit der Klientinnen und Klienten
bzw Werkstattbeschaumlftigten wird allerdings in keinem Leitbild thematisiert Auch die Such-
funktionen auf den jeweiligen Homepages bzw intensive Recherchen auf diesen brachten
keine Ergebnisse zum Stichwort bdquoGesundheitsfoumlrderungldquo Daraus laumlsst sich schlieszligen dass
Gesundheitsfoumlrderung der Werkstattbeschaumlftigten in den theoretischen Konzeptionen von
WfbMs meist nicht verankert ist
443 Gesundheitsfoumlrderung in der alltaumlglichen Praxis der Werkstaumltten ndash eine kleine Feldbe-
fragung
Im Rahmen des Informationstages der Berliner Landesarbeitsgemeinschaft Werkstaumltten fuumlr
behinderte Menschen eV (LAG WfbM) am 17112015 im Estrel Hotel Berlin wurden je-
weils eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter von vier verschiedenen WfbMs zum Thema Ge-
sundheitsfoumlrderung mit den Beschaumlftigten in der Werkstatt befragt (siehe Anhang Nr 2) Die
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben alle eine vergleichbare Position Begleitender Dienst
Paumldagogischer Dienst oder Sozialdienst In einer der Werkstaumltten konnten uumlberdies auch
Stimmen von Beschaumlftigten gewonnen werden16
Die Ergebnisse weisen keine empirische
Repraumlsentativitaumlt auf da der knappe Rahmen dieser Arbeit eine repraumlsentative empirische
Forschungsarbeit kaum zulaumlsst Die Befragungen sollen dazu dienen einen Einblick in den
Alltag der WfbMs zu ermoumlglichen und die in der Literatur und den Leibildern gewonnenen
Perspektiven zu erweitern
15
Aus Gruumlnden des Datenschutzes duumlrfen in der hier publizierten Version die Namen der Werkstaumltten nicht
genannt werden 16
In zwei der Werkstaumltten konnten keine Stimmen von Beschaumlftigten erhoben werden da eine Befragung in der
Werkstatt von den befragten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern abgelehnt wurde Der Mitarbeiter der dritten
Werkstatt signalisierte zwar waumlhrend der Befragung Zustimmung jedoch fehlte diese spaumlter von Seiten der Lei-
tung
28
Der Begriff bdquoGesundheitsfoumlrderungldquo wird von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sehr
unterschiedlich interpretiert Die Spannbreite liegt von einem Verstaumlndnis aumlhnlich des hier
dargelegten bis hin zu therapeutischer und rehabilitativer Foumlrderung Die angebotenen Maszlig-
nahmen welche einer Foumlrderung der Gesundheit dienen sollen sind jedoch bei allen aumlhnlich
Meist handelt es sich um Musik- Sport- und Bewegungsangebote die im Rahmen von sog
Begleitenden Maszlignahmen verankert sind Daruumlber hinaus werden auch entlastende Bewegun-
gen in den Arbeitsgruppen angeboten und ein Gesundheitstag in Kooperation mit Special
Olympics Deutschland geplant (eine Werkstatt) Eine andere Werkstatt kooperiert mit der
Fitnessstudiokette Fitness First Kurse zu gesunder Ernaumlhrung und Kochen werden teilweise
angeboten oder sind in Planung Nach Aussagen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden
die Maszlignahmen meist gut angenommen In einer Werkstatt wird sogar gemeinsam mit dem
Werkstattrat an einer Peer-Beratung gearbeitet mit der den Beschaumlftigten der Zugang zu den
Themen Bildung und Gesundheit verbessert werden soll Schwierigkeiten bestehen besonders
bzgl der Raumlume zB bei Turnhallen fuumlr Fuszligball
Eine Partizipation bei der Entwicklung von Angeboten ist nur teilweise gegeben Es wird
zwar in allen befragten Werkstaumltten nach Interessen der Beschaumlftigten gefragt und dement-
sprechend die Kurse angeboten jedoch besteht nur selten die Moumlglichkeit fuumlr die Beschaumlftig-
ten aktiv den jeweiligen Kurs durch eigene Entscheidungen mitzugestalten In einer Werk-
statt ist das bspw abhaumlngig von der Kursart von der Kursleiterin bzw dem Kursleiter und
vom Konzept Evaluiert werden die Angebote meist nur durch Nachfrage in den idR jaumlhr-
lich stattfindenden Entwicklungsgespraumlchen mit den einzelnen Beschaumlftigten und teilweise
daruumlber hinaus mit Fragebogen oder durch die Kursleiterin bzw den Kursleiter Eine Werk-
statt fuumlhrt sogar Statistiken zur Nachfrage Eine partizipative Evaluation findet in keiner der
befragten Werkstaumltten statt
Die befragten Beschaumlftigten einer der Werkstaumltten zeigten sich mit dem Angebot an gesund-
heitsfoumlrdernden Maszlignahmen groumlszligtenteils sehr zufrieden und empfanden die Anzahl der An-
gebote als meist genuumlgend Geaumluszligert wurde lediglich der Wunsch nach weiteren Angeboten
zu gesunder Ernaumlhrung und nach einem besseren Angebot an gesunden Speisen Das Ver-
staumlndnis von Gesundheitsfoumlrderung ist unterschiedlich Auffaumlllig ist dass auf der einen Seite
Aumlrzte und Besuche bei diesen wichtig scheinen gleichzeitig aber auch das Achten auf die
eigene Gesundheit als Teil der Gesundheitsfoumlrderung gilt Besonders letzterer Aspekt weist
darauf hin dass bei den Befragten ein gewisses Grundverstaumlndnis von Gesundheitsfoumlrderung
vorhanden ist das dem in dieser Arbeit verwendeten aumlhnelt Die Wichtigkeit der aumlrztlichen
29
Betreuung laumlsst jedoch zugleich auch auf ein eher bdquotraditionellesldquo bio-medizinisches Gesund-
heitsverstaumlndnis schlieszligen
Als angebotene Maszlignahmen werden meist Sport- und Bewegungsangebote genannt aber
auch eine Apfelpause um kurz von der Arbeit entspannen zu koumlnnen Daruumlber hinaus gab es
Angebote zur Fuszlighygiene und zur Zahn- und Augengesundheit Hier ist der Uumlbergang zwi-
schen Gesundheitsfoumlrderung und Praumlvention flieszligend Bzgl (zukuumlnftiger) Angebote werden
die Beschaumlftigten nach ihren Wuumlnschen gefragt aber eine wirkliche Mitbestimmung in Kon-
zeption und Planung dieser scheint nicht gegeben Auch bei der Evaluation findet bisher keine
Partizipation statt Die Befragung hat jedoch den bisherigen Eindruck bestaumltigt dass gesund-
heitsfoumlrdernde Maszlignahmen in WfbMs von behinderten Menschen durchaus nachgefragt wer-
den und die Werkstaumltten versucht sind im Rahmen der begleitenden Maszlignahmen ein sehr
breites Feld abzudecken Negativ scheint besonders das weitgehende Fehlen partizipativer
Strukturen
In den Werkstaumltten werden viele Angebote im Rahmen begleitender Maszlignahmen offeriert die
fuumlr die Gesundheit foumlrderlich sind Als Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung die die Prinzi-
pien der BVPG verinnerlichen koumlnnen sie jedoch nicht gesehen werden da zB die Partizipa-
tion eine eher untergeordnete Rolle spielt und die Thematik meist auf Sport- und zT Ernaumlh-
rungsangebote beschraumlnkt bleibt Auch werden die Effekte der Maszlignahmen nicht evaluiert
Entspannungsangebote werden nur selten angeboten und der Fokus richtet sich meist nur auf
die koumlrperliche Gesundheit
Daruumlber hinaus zeigt die Befragung aber auch welch groszliges Potential zur Gesundheitsfoumlrde-
rung in den Werkstaumltten liegt Mit den begleitenden Maszlignahmen sind Strukturen verankert in
denen Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung leicht integriert werden koumlnnen Offenheit fuumlr
Kooperationen scheint vielfach gegeben (zB mit Special Olympics Deutschland Fitness
First) sodass auch eine Kooperation mit den Krankenkassen und weiteren Partnern vorstell-
bar scheint Dies wuumlrde den Vorteil finanzieller Foumlrderung und Expertise durch Erfahrungen
mit bereits durchgefuumlhrten Maszlignahmen einbringen Die befragten Mitarbeiterinnen und Mit-
arbeiter schienen Gesundheitsfoumlrderung gegenuumlber prinzipiell sehr positiv eingestellt
Auch wenn in den Leitbildern und auf den Homepages Gesundheitsfoumlrderung nicht themati-
siert wird gibt es in der Praxis schon verschiedene Maszlignahmen und Projekte mit der Intenti-
on die Gesundheit der Beschaumlftigten zu verbessern
30
45 Anregungen fuumlr die Praxis
Vor dem Hintergrund der zu Rate gezogenen Literatur und den gewonnen Erkenntnissen
durch die Feldbefragung werden nun einige Uumlberlegungen fuumlr die Praxis einer gelingenden
Gesundheitsfoumlrderung getroffen Diese koumlnnen als moumlgliche Anregungen zur Umsetzung ver-
standen werden
451 Partizipation und Empowerment in der Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behin-
derung
Erfolgreiche Gesundheitsfoumlrderung braucht Partizipationsmoumlglichkeiten fuumlr die jeweilige
Zielgruppe Partizipation ist schlieszliglich nicht nur Teilnahme sondern aktive Teilhabe und
damit einhergehend die Moumlglichkeit mitzubestimmen und mitzuentscheiden Dazu gehoumlrt
auch die Definitionsmacht also die Macht (mit)zubestimmen an welche die Gesundheit be-
treffenden Aspekte in einer Maszlignahme zur Gesundheitsfoumlrderung herangegangen werden soll
(vgl Wrightvon UngerBlock 2010 S 39) Diese aktive Teilhabe muss also bereits zu Be-
ginn einer Maszlignahme Teil dieser sein Partizipation bedeutet folglich auch Macht Partizipa-
tion zu ermoumlglichen bedeutet Empowerment also die Ermaumlchtigung eines Individuums oder
einer Gruppe So bekommt Partizipation in der Gesundheitsfoumlrderung auch eine gesellschaft-
liche und politische Komponente denn dadurch koumlnnen Menschen mit Behinderungen lernen
mitzubestimmen mitzuentscheiden und eigene Interessen zu vertreten Diese erlernten Faumlhig-
keiten lassen sich auf die Handlungsebene in einer demokratischen Gesellschaft uumlbertragen
Sowohl Empowerment als auch Partizipation gehoumlren zu den in 31 erwaumlhnten Prinzipien der
BVPG Diese weist darauf hin dass Partizipation in saumlmtlichen Phasen einer Maszlignahme ge-
geben sein muss beginnend mit der Bedarfsanalyse der Planung in der Durchfuumlhrung und
abschlieszligend in der BewertungEvaluation So kann die Wirksamkeit einer Maszlignahme erhoumlht
werden (vgl BVPG 2013 S 90) Teilhabe kann als ein wichtiger Bestandteil der Qualitaumltssi-
cherung gesehen werden Bisher finden Maszlignahmen zur Qualitaumltssicherung nur selten unter
Partizipation der Zielgruppe statt Diese partizipativ zu beteiligen hilft die Qualitaumlt der Ge-
sundheitsfoumlrderung aufrechtzuerhalten oder sogar zu verbessern (vgl Wrightvon Un-
gerBlock 2010 S 35)
Teilhabe ist bei behinderten Menschen besonders wichtig Ihr Leben ist haumlufig von Beginn an
stark fremdbestimmt und von Abhaumlngigkeit gepraumlgt Somit lernen sie seltener als nicht behin-
31
derte Menschen Verantwortung zu uumlbernehmen und selbststaumlndig zu agieren Dies kann bis
hin zur sog bdquoerlernten Hilflosigkeitldquo fuumlhren Vor diesem Hintergrund scheint Partizipation
umso wichtiger aber auch umso arbeitsintensiver Sie ist daher in der Praxis der Gesundheits-
foumlrderung haumlufig sehr arbeitsintensiv und benoumltigt folglich zeitliche Ressourcen und damit
einhergehend finanzielle Ressourcen (vgl Loss 2009 S 10)
Traditionell sind viele Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung top-down organisiert das be-
deutet eine Einrichtung ein Geldgeber etc plant eine Maszlignahme fuumlhrt diese durch und eva-
luiert sie Zur Erreichung der eigenen Ziele wird die Zielgruppe mobilisiert ohne ein Mitspra-
cherecht zu den einzelnen Bausteinen der Maszlignahme zu haben Diese Struktur verdeutlicht
das Maumlchteungleichwicht zwischen Anbieter und Zielgruppe und zementiert den Status be-
hinderter Menschen als Abhaumlngige und Ohnmaumlchtige Der Gegensatz zu top-down-
Programmen ist der bottom-up-Ansatz Hier findet eine Machtteilung statt da die Gesund-
heitsfoumlrderinnen und Gesundheitsfoumlrderer ihre Macht mit der Zielgruppe teilen und eher die
Rolle von Unterstuumltzerinnen und Unterstuumltzern einnehmen Die Zielgruppe soll unterstuumltzt
werden ihre eigenen Probleme festzustellen und Loumlsungen sowie Maszlignahmen zu erarbeiten
In der Planung Durchfuumlhrung und Evaluation kommt ihr damit eine aktive Rolle zu (vgl La-
verack 2010 S 77) Bottom-up-Programme scheinen daher fuumlr Partizipation und Empower-
ment geeigneter als top-down-Strukturen Allerdings schlieszligen sich beide Ansaumltze nicht
zwingend aus sondern Maszlignahmen koumlnnen Eigenschaften beider Ansaumltze aufweisen In
WfbMs scheinen Maszlignahmen sehr haumlufig top-down organisiert zu sein Die staumlrkere Veranke-
rung von bottom-up-Strukturen waumlre hier im Sinne einer Teilhabe ndash in der Werkstatt wie auch
daruumlber hinaus auf gesellschaftlicher Ebene ndash vorteilhaft und wuumlnschenswert
452 Peer-Multiplikatorinnen und -Multiplikatoren
Eine Strategie die in der Praxis der Gesundheitsfoumlrderung bereits mit positiven Ergebnissen
getestet wurde sind Peer-Multiplikatorinnen und -Multiplikatoren Das Modell der Multipli-
katorinnen und Multiplikatoren war bereits Grundlage vieler gesundheitsfoumlrdernder Maszlignah-
men mit sozial benachteiligten Menschen die auch in der Literatur vielfach dokumentiert
sind Auch in der Arbeit mit behinderten Menschen ist dieses Konzept nicht neu Auf Maszlig-
nahmen zur Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung wurde es bisher kaum an-
gewandt scheint jedoch erfolgsversprechend Das Projekt GESUND welches mit einer Ber-
liner WfbM durchgefuumlhrt wird arbeitet mit diesem Konzept (vgl Burtscher 2014 S 8) Die
32
Funktion von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren besteht darin Kenntnisse und Informa-
tionen zur Gesundheit(-sfoumlrderung) der Zielgruppe mit Hilfe der ihnen innewohnenden Ver-
trauensstellung naumlher zu bringen Sie haben daher eine bdquoMittlerfunktionldquo (BVPG 2013 S 92)
zwischen Durchfuumlhrenden und Zielgruppe Voraussetzung dafuumlr ist dass sie der Zielgruppe
angehoumlren oder zumindest eine sehr enge Verbindung zu ihr besitzen Im Zuge einer Maszlig-
nahme werden sie selbst gestaumlrkt sozusagen bdquoempowertldquo Ihre Mittlerfunktion funktioniert
allerdings auch in die andere Richtung Sie bringen den Durchfuumlhrenden die Perspektive der
Zielgruppe naumlher Im Idealfall fuumlhrt der Einsatz von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren
zur Aktivierung der Zielgruppe die ihr selbstbestimmtes Handeln auch auf andere Bereiche
ausdehnen kann (vgl Stickan-Verfuumlrth 2005 S 108) Diesem Modell sehr aumlhnlich ist das
Modell des Peer-Counseling Hier stehen Mitglieder der Zielgruppe in beratender Funktion
ihrer Peer-Gruppe zur Verfuumlgung
453 Verknuumlpfung von Betrieblicher Gesundheitsfoumlrderung und Gesundheitsfoumlrderung in
Werkstaumltten fuumlr behinderte Menschen
Eine Uumlbertragung der Idee der Betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung auf die Gesundheitsfoumlrde-
rung in WfbMs scheint in der Tat realisierbar Den rechtlichen und finanziellen Rahmen hier-
fuumlr hat das 2015 beschlossene Praumlventionsgesetz geschaffen (siehe 33) Im Entwurf der Bun-
desregierung wird in der Anmerkung zum neuen sect 20 Abs 4 SGB V explizit darauf hinge-
wiesen dass Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung auch in WfbMs zum Leistungsspektrum der
Krankenkassen gehoumlrt (vgl Deutscher Bundestag 2015 S 34) Eine Etablierung hiervon in
der Praxis haumlngt in erster Linie neben den Krankenkassen auch von den Leitungen der WfbMs
ab Sollten diese hierfuumlr und auch gegenuumlber partizipativen Strukturen offen sein waumlre der in
351 kurz vorgestellte Gesundheitszirkel ein passender Startpunkt um von Beginn an auch
die Partizipation der Beschaumlftigten zu gewaumlhrleisten Analog zum Konzept der BGF koumlnnten
gemeinsam Maszlignahmen erarbeitet werden die die Gesundheit der Beschaumlftigten foumlrdern wuumlr-
den Den Vertreterinnen und Vertretern der Beschaumlftigten die im Gesundheitszirkel mitwir-
ken koumlnnte dabei die Rolle von Peer-Multiplikatorinnen und -Multiplikatoren zukommen
Als Effekte duumlrften die in 351 beschriebenen auch hier zu erwarten sein eine Verbesserung
der Gesundheit und eine Staumlrkung der gesundheitlichen Ressourcen eine Verringerung der
krankheitsbedingten Fehltage eine staumlrkere Identifikation der Beschaumlftigten mit der Werk-
33
statt ein besseres Arbeitsklima eine houmlhere Motivation und Arbeitszufriedenheit und eine
Steigerung der Produktivitaumlt
Es empfiehlt sich im Sinne der Partizipation und des Empowerments kein reines top-down-
Programm zu starten sondern einen bottom-up-Ansatz zu waumlhlen bzw zumindest mehrere
Elemente dessen einzubauen Als Anknuumlpfungspunkt koumlnnen bereits bestehende begleitende
Maszlignahmen mit passender Thematik genommen werden
Wie bdquonormaleldquo Betriebe koumlnnten auch WfbMs Kooperationen in ihrem raumlumlichen Umfeld
aufbauen und von Vernetzungen profitieren Aufgrund ihrer Groumlszlige sind sie in ihrem Sozial-
raum ein meist nicht zu unterschaumltzender Akteur
34
5 Fazit und Ausblick
Ausgehend von einem bio-psycho-sozialen Verstaumlndnis von Gesundheit wurden verschiedene
Aspekte der Gesundheitsfoumlrderung vertieft und anschlieszligend eine Verknuumlpfung zur Gesund-
heitsfoumlrderung mit behinderten Menschen hergestellt Hierbei lag der Fokus auf gesundheits-
foumlrdernden Maszlignahmen in WfbMs Dabei wurde die aktuelle Literatur zu Rate gezogen In-
ternetauftritte einiger Werkstaumltten durchsucht und Stimmen aus dem Feld von Mitarbeiterin-
nen und Mitarbeitern sowie Beschaumlftigten von Werkstaumltten gewonnen
Die Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung ist noch immer relativ schwach
ausgebaut Dies stellt sich besonders vor dem Hintergrund als problematisch dass behinderte
Menschen haumlufig anfaumllliger fuumlr Krankheiten sind und durchschnittlich uumlber einen subjektiv als
schlechter bewerteten Gesundheitsstatus verfuumlgen als nichtbehinderte Menschen Wie viele
sozial benachteiligte Gruppen sind sie verhaumlltnismaumlszligig schwer zu erreichen fuumlr gesundheits-
foumlrdernde Maszlignahmen Obwohl es in der Erreichbarkeit mehrere Probleme gibt verfuumlgen
Menschen mit Behinderung auf der anderen Seite uumlber groszlige Potentiale Das neue Praumlventi-
onsgesetz ist ein erheblicher Fortschritt bei der Finanzierung gesundheitsfoumlrdernder Maszlignah-
men Sogar eine Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung in Werkstaumltten ist wenn auch nicht ex-
plizit verankert so doch zumindest gewuumlnscht
Gelingende Gesundheitsfoumlrderung muss sich im Allgemeinen und auch bei der Arbeit mit
behinderten Menschen an bestimmten Prinzipien messen lassen Besonders wichtig vor dem
gesellschaftlichen Hintergrund ist hier die Partizipation der Menschen mit Behinderung und
damit einhergehend das Empowerment dieser Beide wirken sich positiv auf die Qualitaumlt der
gesundheitsfoumlrdernden Maszlignahmen aus gehen jedoch auch daruumlber hinaus Sie koumlnnen Men-
schen mit Behinderungen auch auf gesellschaftlicher Ebene empowern sodass ihnen eine
groumlszligere gesellschaftliche Teilhabe zukommt Somit erlangt Gesundheitsfoumlrderung auch vor
dem Hintergrund der Inklusion eine hohe Relevanz
In WfbMs ist gezielte Gesundheitsfoumlrderung bisher wenig verbreitet Einzelne Projekte sind
eher die Ausnahme denn die Regel Jedoch sind die Potentiale der Werkstaumltten enorm Das
Personal scheint haumlufig offen fuumlr Maszlignahmen zu sein und gerade die Strukturen der beglei-
tenden Maszlignahmen lieszligen eine relativ einfache Integration von Maszlignahmen zur (betriebli-
chen) Gesundheitsfoumlrderung zu Bestehende begleitende Maszlignahmen in welchen Sport oder
Bildungsangebote zu gesunder Ernaumlhrung angeboten werden koumlnnten ohne uumlbermaumlszligigen
Aufwand zu gezielten Maszlignahmen fuumlr Gesundheitsfoumlrderung ausgebaut werden Nachholbe-
darf bestuumlnde hier vor allem auf dem Gebiet der Partizipation Nur selten scheinen die Be-
35
schaumlftigten in Konzeption Planung Durchfuumlhrung und Evaluation aktiv eingebunden zu sein
In bestimmten Phasen wie etwa der Konzeption und besonders der Evaluation scheint aktive
Teilhabe noch uumlberhaupt nicht verankert zu sein Eine staumlrkere Partizipation in allen Berei-
chen waumlre mit houmlherem Arbeits- und Kostenaufwand verbunden welcher durch eine Einbin-
dung der Krankenkassen moumlglicherweise aufgefangen werden koumlnnte Die Partizipation foumlr-
dern wuumlrde auch die Etablierung von Peer-Beratung und Peer-Multiplikatorinnen und
-Multiplikatoren Diesen kaumlme beim Zugang zur Zielgruppe eine Schluumlsselfunktion zu und
gleichzeitig koumlnnten sie Bedarfe und Beduumlrfnisse dieser gegenuumlber den anderen Akteuren
kommunizieren Auch wenn es bisher keine konkreten ausgearbeiteten Konzepte zur Gesund-
heitsfoumlrderung in WfbMs gibt koumlnnten bestehende Konzepte zur Betrieblichen Gesundheits-
foumlrderung eventuell leicht uumlberarbeitet fuumlr Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung in Werkstaumltten
analog angewendet werden
Die Potentiale und Moumlglichkeiten zur Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung
in WfbMs sind also mannigfaltig und haumlufig vorhanden Auf diesen koumlnnte aufgebaut werden
um behinderten Menschen das Recht auf das in Artikel 25 der UN-BRK festgeschriebene bdquoer-
reichbare Houmlchstmaszlig an Gesundheitldquo zu ermoumlglichen
Gesundheitsfoumlrderung ist mehr als Werbeplakate an Bus- oder Straszligenbahnhaltestellen und
Clips im Aktuellen Sportstudio sie ist mehr als Sportangebote und Angebote zu gesunder
Ernaumlhrung sie ist auch ein Weg zum Erreichen eines Menschenrechtes das Recht auf Ge-
sundheit
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41
Anhang
Nr 1 Abbildung zu den Hauptdeterminanten der Gesundheit nach DahlgreenWhitehead
2007 S 11
Nr 2 Befragung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Beschaumlftigten der WfbMs
42
Nr 1 Abbildung zu den Hauptdeterminanten der Gesundheit nach DahlgreenWhitehead
2007 S 11
43
Nr 2 Befragung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Beschaumlftigten der WfbMs
Um moumlglichst effizient die Stimmen aus vier WfbMs unterschiedlicher Traumlger zu erheben
wurden diese auf dem Infotag der LAG WfbM Berlin am 17112015 gesammelt Hier waren
verschiedene Werkstaumltten mit Informationsstaumlnden vertreten Gewaumlhlt wurden die Werkstaumlt-
ten an deren Staumlnden der Verfasser zuerst vorbeilief Die gestellten Fragen waren stets die-
selben
Den Vertretern der Werkstatt wurde zugesichert dass ihr Name nicht in der vorliegenden Ar-
beit genannt wird lediglich ihre Position in der Werkstatt wird erwaumlhnt Es wurden auszligerdem
keine weiteren Personendaten erhoben
Wenn moumlglich sollten auszligerdem fuumlnf Beschaumlftige pro WfbM befragt werden Hierfuumlr wurde
am Ende des kurzen Interviews um Erlaubnis gefragt Den Beschaumlftigten wurden andere Fra-
gen gestellt als dem Werkstattpersonal jedoch erhielten alle Beschaumlftigten dieselben Fragen
untereinander Den Beschaumlftigen wurde komplette Anonymitaumlt in der vorliegenden Arbeit
zugesichert und es wurden keine personenbezogenen Daten abgefragt Zuerst wurde nach
ihrem Verstaumlndnis von Gesundheitsfoumlrderung gefragt Vor den Fragen 2 bis 5 wurde kurz
erklaumlrt wie Gesundheitsfoumlrderung verstanden werden kann um davon ausgehend die restli-
chen Fragen zu beantworten
Bei saumlmtlichen Interviews wurde auf Transkriptionen verzichtet es wurden lediglich die
Kernaussagen mitgeschrieben
Im Folgenden finden sich exemplarisch die jeweils gestellten Fragen
44
Fragen an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der WfbM
Name der WfbM
Position der befragten Person Begleitender Dienst
1 Was verstehen Sie unter Gesundheitsfoumlrderung
2 Was bieten Sie im Rahmen der Gesundheitsfoumlrderung an
3 Wie werden die Maszlignahmen angenommen
4 Wuumlrden Sie gerne mehr anbieten oder finden Sie die Angebote ausreichend
5 Gibt es Schwierigkeiten
6 Wie steht es um die Partizipation in den Angeboten (Werden die Angebote von Beschaumlf-
tigten mitentwickelt mitevaluiert etc)
7 Werden die Angebote evaluiert
45
Fragen an die Beschaumlftigen der WfbM
Name der WfbM
Datum
1 Wissen Sie was Gesundheitsfoumlrderung ist Wenn ja wie wuumlrden sie es beschreiben
[Moumlgliche Erklaumlrung fuumlr Beschaumlftigte die sich nichts unter Gesundheitsfoumlrderung vorstellen
koumlnnen Zur Gesundheitsfoumlrderung gehoumlrt alles was fuumlr Ihre Gesundheit gut ist zB Kur-
seMaszlignahmen usw die mit Bewegung Ernaumlhrung Wohlfuumlhlen am Arbeitsplatz oder Ent-
spannen zu tun haben]
2 Welche Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung werden Ihnen von der Werkstatt angebo-
ten
3 Werden Ihrer Meinung nach genuumlgend Angebote zur Gesundheitsfoumlrderung in der Werk-
statt angeboten
4 Duumlrfen Sie bei der Entwicklung und Evaluation (Auswertung am Ende) mitbestimmen
5 Was sind Ihre Wuumlnsche bezuumlglich der Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung
18
Gesundheitsmanagement in Betrieben kann als bdquo[b]ewusste Steuerung und Integration aller
betrieblichen Prozesse mit dem Ziel der Erhaltung und Foumlrderung der Gesundheit und des
Wohlbefindens der Beschaumlftigtenldquo (HannackRaumlder 2011 S 434) gesehen werden Dieses
Konzept scheint mit Vor- und Nachteilen einherzugehen Da saumlmtliche betriebliche Prozesse
die als der Gesundheit foumlrderlich gelten hierunter fallen sind auch individuelle Maszlignahmen
wie bspw das Betriebliche Eingliederungsmanagement nach sect 84 Abs 2 SGB IX mit inbe-
griffen Bei diesem geht es in erster Linie nicht um eine Erhaltung oder Verbesserung der
Gesundheit sondern um eine Vorbeugung von Arbeitsunfaumlhigkeit undoder den Erhalt eines
Arbeitsplatzes Ebenfalls positiv kann die Implementierung gesundheitsorientierter Prozesse
und Strukturen in das generelle Management eines Unternehmens gesehen werden Dadurch
scheint auszligerdem die Dauerhaftigkeit von gesundheitsfoumlrderlichen Maszlignahmen besser er-
reichbar als bei der BGF Hier haben Maszlignahmen meist den Charakter eines zeitlich befriste-
ten Projektes (vgl SlesinaBohley 2011 S 627) Der groszlige Nachteil des Betrieblichen Ge-
sundheitsmanagements liegt in der Gefahr dass sog top-down-Strukturen die Uumlberhand ge-
winnen (vgl Faller 2010 S 25 zit nach RosenbrockHartung 2015 oS) Top-down-
Strukturen in der Gesundheitsfoumlrderung zeichnen sich dadurch aus dass eine Person von
bdquoobenldquo eine Maszlignahme einleitet und im schlimmsten Fall bdquoaufoktroyiertldquo Dies kann mangels
Partizipation der Zielgruppe zu Ablehnung bei dieser fuumlhren
Fuumlr eine Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung in WfbMs scheint ndash zumin-
dest im Moment ndash der Weg der BGF geeigneter Hier sind zum einen in der Theorie groszlige
Potentiale fuumlr Partizipation gegeben Zum anderen ist das Thema der systematischen Gesund-
heitsfoumlrderung mit behinderten Menschen in Institutionen der Behindertenhilfe bisher kaum
verbreitet (siehe 44) Eine sofortige Implementierung des Betrieblichen Gesundheitsmana-
gements wuumlrde die meisten Einrichtungen uumlberfordern und vor den Kopf stoszligen Auf lange
Sicht scheint dies aber ein wuumlnschenswertes Ziel zu sein welches Schritt fuumlr Schritt erreicht
werden sollte
19
4 Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung
Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen ist bisher in der Praxis der sog bdquoBehinder-
tenhilfeldquo6 nur aumluszligert selten integriert In der wissenschaftlichen Literatur sind in den letzten
Jahren einige Beitraumlge erschienen die sich diesem Thema widmen Es soll nun zuerst darge-
stellt werden in welchem Verhaumlltnis Gesundheit und Behinderung zueinander stehen bevor
auf die Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen eingegangen wird Der Fokus dieser
Arbeit liegt auf der Gesundheitsfoumlrderung in WfbMs In diesem Zusammenhang wird der
Stand der Literatur kurz dargestellt eine kurze Analyse von Leitbildern einzelner Werkstaumltten
vorgenommen und einige Stimmen aus der Praxis wiedergegeben Aufgrund des knappen
Rahmens dieser Arbeit muss sich dies auf das Bundesland Berlin beschraumlnken und erhebt kei-
nen Anspruch auf empirische Vollstaumlndigkeit Vielmehr versteht es sich als eine kleine Feld-
befragung die als ein erster Impuls gesehen werden kann
41 Behinderte Menschen und Gesundheit und Krankheit ndash sozialmedizinische Erkenntnisse
Zunaumlchst muss festgehalten werden dass eine Behinderung keine Krankheit ist Auch ein
schwer behinderter Mensch kann sich sehr gesund fuumlhlen Der wesentliche Unterschied zwi-
schen einer Behinderung und einer Krankheit liegt darin dass bei einer Behinderung die Teil-
habe am Leben in der Gesellschaft langfristig beeintraumlchtigt ist bei einer Erkrankung hinge-
gen nicht oder nur kurzfristig7 Das hier vorliegende Verstaumlndnis in der Unterscheidung bei-
der Begriffe ist vordergruumlndig eher ein soziales denn eine medizinische Abgrenzung
Es existieren verschiedene und teilweise weitreichende gesundheitliche Unterschiede zwi-
schen Menschen mit Behinderungen und Menschen ohne Behinderungen Um diese auch in
ihrem Ursprung erklaumlren zu koumlnnen reicht der bdquotraditionelleldquo bio-medizinische Blick nicht
aus da er zu kurz greift Er muss um die sozialmedizinische Sichtweise ergaumlnzt werden
An dieser Stelle sollte allerdings darauf hingewiesen werden dass die folgende Darstellung
den Gesundheitszustand groszliger heterogener Gruppen von Menschen abbildet und die ge-
troffenen Aussagen daher nicht auf jeden Einzelfall anwendbar sind
6 Dieser Begriff impliziert durch den Wortteil bdquo-hilfeldquo ein Maumlchteungleichgewicht welches einer wahren Parti-
zipation der behinderten Menschen im Wege steht 7 Sollte eine chronische Krankheit einen Menschen in seiner Teilhabe langfristig einschraumlnken kann sie durch-
aus auch als Behinderung gesehen werden
20
Der Teilhabebericht des Bundesministeriums fuumlr Arbeit und Soziales (BMAS) kommt zu dem
Ergebnis dass Menschen mit Behinderungen ihre Gesundheit haumlufig schlechter einschaumltzen
als Menschen ohne Behinderungen Dies gilt auch fuumlr das psychische Wohlbefinden welches
im ganzheitlichen Verstaumlndnis von Gesundheit das dieser Arbeit zugrunde liegt (siehe 22)
ebenfalls Teil der Gesundheit ist Auch hat ein Mensch mit Behinderung in Deutschland im
Durchschnitt mehr Krankheitstage8 als ein nicht behinderter Mensch Menschen mit Behinde-
rung konsultieren statistisch betrachtet in einem bestimmten Zeitraum haumlufiger einen Arzt als
die durchschnittliche Bevoumllkerung Dies duumlrfte ua an dem als schlechter wahrgenommenen
Gesundheitszustand liegen aber auch an der Komorbiditaumlt bestimmter Behinderungen Bzgl
des Rauchverhaltens Alkoholkonsums und einer gesundheitsbewussten Ernaumlhrung bestehen
nur relativ geringe Unterschiede zur Gesamtbevoumllkerung Auffaumlllig ist lediglich dass die
Gruppe der 18- bis 29-Jaumlhrigen Menschen mit Behinderung zu einem houmlheren Anteil regel-
maumlszligig raucht Alkohol trinkt und seltener auf gesunde Ernaumlhrung achtet In den anderen Al-
tersgruppen bestehen kaum nennenswerte Unterschiede (vgl BMAS 2013 S 192 ndash 204)
Menschen mit Behinderungen haben im Durchschnitt eine geringere Lebenserwartung wobei
es hier Unterschiede zwischen einzelnen Syndromen gibt (vgl MarksSisirakHeller 2010
S 3) Bei einigen kann die jeweilige Behinderung selbst der Ausloumlser sein jedoch besteht
besonders bei Menschen mit Lernschwierigkeiten die Gefahr dass Krankheiten nicht richtig
erkannt oder nur unzureichend behandelt werden (vgl Lennox 2002 S 230) Ausschlagge-
bend hierfuumlr duumlrfte sein dass im Gesundheitsbereich verschiedenste Barrieren existieren Zum
Beispiel ist nur ein Teil der Arztpraxen barrierefrei wobei besonders haumlufig passende Unter-
suchungsmoumlbel und Informationsmaterial in Leichter Sprache fehlen (vgl BMAS 2013
S 200201) Ebenfalls negativ wirkt sich aus dass Aumlrzte teilweise unsicher im Umgang mit
Menschen mit Lernschwierigkeiten sind und diese zT auszligerdem ihre Symptome nicht praumlzi-
se genug beschreiben koumlnnen oder uumlber eine geringer differenzierte Wahrnehmung des eige-
nen Koumlrpers verfuumlgen als Menschen ohne Behinderung (vgl SchmidtReker 2014 S 28)
Des Weiteren haben Menschen mit Lernschwierigkeiten statistisch gesehen haumlufiger Uumlberge-
wicht als der Durchschnitt der Bevoumllkerung Hier muss jedoch beruumlcksichtigt werden dass
mit bestimmten Syndromen wie bspw dem Down-Syndrom ein veraumlnderter Energiebedarf
aufgrund der geringeren Muskelspannung einhergeht oder das Saumlttigungsgefuumlhl zB beim
Prader-Willi-Syndrom veraumlndert ist (Beange 2002 S 3) Die houmlhere Wahrscheinlichkeit des
Uumlbergewichts besteht statistisch gesehen sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen mit
8 Krankheitstage werden an dieser Stelle des Bundesteilhabeberichtes verstanden als Tage in denen der Mensch
sich subjektiv zu krank gefuumlhlt hat um seinen normalen privaten und beruflichen Taumltigkeiten nachzugehen
21
Lernschwierigkeiten (vgl Reuter 2009 S 13) Eine moumlgliche Ursache hierfuumlr kann auch in
der Tatsache gesehen werden dass Menschen mit Behinderungen durchschnittlich seltener
Sport treiben als nicht behinderte Menschen (vgl BMAS 2013 S 221222)
Ein weiterer bedeutender Zusammenhang zwischen Krankheit und Behinderung ist dass viele
Behinderungen im Sinne von Einschraumlnkungen in der gesellschaftlichen Teilhabe wie auch im
gesetzlichen Verstaumlndnis nach dem SGB IX Folgen von schweren undoder chronischen
Krankheiten sind (vgl SchmidtReker 2014 S 26)
Trotz allem muumlssen auch die vorhandenen Gesundheitspotentiale behinderter Menschen be-
ruumlcksichtigt werden denn an ihnen kann eine gelingende Gesundheitsfoumlrderung ansetzen (vgl
Altgeld 2008 S 8)9 Ein ressourcenorientierter Blick achtet besonders auf die verschiedenen
Potentiale die jedem Menschen (oder auch einer Gruppe von Menschen) innewohnen
Das Verhaumlltnis zwischen Gesundheit und Behinderung haumlngt in Deutschland und vielen Tei-
len der sog westlichen Welt aus sozialmedizinischem Blickwinkel nach wie vor so zusam-
men bdquoWhile a large number of individuals who are in bad health end up with a disability a
large number of persons with disabilities end up with bad healthldquo10
(Rimmer 2009 zit nach
MarksSisirakHeller 2010 S 31) Dieser Chiasmus verdeutlicht zusammenfassend nicht nur
die vorherrschende enge Verbindung zwischen schlechterer Gesundheit und Behinderung
sondern impliziert auch die Notwendigkeit von Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Be-
hinderungen Wie in 31 beschrieben hat Gesundheitsfoumlrderung auch den Abbau gesundheit-
licher Chancenungleichheit zum Ziel
42 Erreichbarkeit von Menschen mit Behinderungen fuumlr gesundheitsfoumlrdernde Maszlignahmen
Fuumlr die Gesundheitsfoumlrderung gelten Menschen mit Behinderungen als schwer zu erreichen
Es sollen nun die wesentlichen Probleme aber auch die vorhandenen Potentiale beschrieben
werden
9 Altgeld bezieht sich in seiner Analyse auf den Gesundheitsmonitor 2007 der Bertelsmann Stiftung Da dieser
Menschen mit Lernschwierigkeiten nicht mit einbezieht sondern vorwiegend koumlrper- und sinnesbeeintraumlchtige
Menschen beruumlcksichtigt koumlnnen seine Schlussfolgerungen nicht fuumlr die gesamte sehr heterogene Gruppe der
behinderten Menschen angewendet werden 10
Waumlhrend eine groszlige Anzahl an Personen welche eine schlechte Gesundheit besitzen eine Behinderung er-
langt erlangt eine groszlige Anzahl an Personen mit Behinderungen eine schlechte Gesundheit (Uumlbersetzung des
Verfassers)
22
421 Probleme bei der Erreichbarkeit
In den bundesweiten Untersuchungen wie bspw dem Sozio-oumlkonomischen Panel (SOEP)
oder Gesundheit in Deutschland aktuell (GEDA) werden Menschen mit Lernschwierigkeiten
idR nicht erreicht Dies hat zur Folge dass sowohl gesundheitliche Potentiale als auch Be-
duumlrfnisse und Bedarfe von Menschen mit Lernschwierigkeiten in der Gesundheitsfoumlrderung
weitgehend unerkannt und dadurch ausgeklammert bleiben (vgl Burtscher 2014 S 4)
Generell gelten behinderte Menschen bisher als schwer zu erreichen fuumlr Maszlignahmen zur Ge-
sundheitsfoumlrderung was verschiedene Gruumlnde hat Sozial benachteiligte Menschen sind sehr
haumlufig eine schwer erreichbare Zielgruppe fuumlr die Gesundheitsfoumlrderung Maszlignahmen auf der
gesamtgesellschaftlichen Ebene werden eher von Menschen mit houmlherem sozialen Status an-
genommen (Hurrelmann 2006 S 164) und erst spaumlter von sozial Benachteiligten internali-
siert Es waumlre jedoch ein Fehler Menschen mit Behinderungen automatisch zur Gruppe der
sozial benachteiligten Menschen zu rechnen Jedoch zeigt der Bundesteilhabebericht dass
behinderte Menschen haumlufiger erwerbslos sind und durchschnittlich weniger Gehalt verdienen
(BMAS 2013 S 141 ndash 149) Dass die finanzielle Lage von Beschaumlftigten der WfbMs beson-
ders prekaumlr ist wird im Punkt 43 naumlher erlaumlutert Diese soziooumlkonomischen Merkmale sind
jedoch nur ein Aspekt Auch gilt es zu bedenken dass besonders Maszlignahmen auf der Verhal-
tensebene bei sozial benachteiligten Menschen oft wenig angenommen werden da sie mit den
eigenen dauerhaften Lebensvorstellungen nicht uumlbereinstimmen (vgl Hurrelmann 2006
S 164) So nehmen Menschen mit Behinderung nur sehr selten an Angeboten oumlffentlicher
Einrichtungen wie bspw Volkshochschulkursen oder Rehabilitations-Sport-Maszlignahmen teil
(vgl Burtscher 2014 S 5)
Ein weiterer Punkt ist dass das Thema Gesundheitsfoumlrderung in der Behindertenarbeit traditi-
onell kaum etabliert war Laut einer Studie aus dem Jahr 2004 sehen Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter in Behinderteneinrichtungen haumlufig wenig Relevanz in Sport Bewegung und Er-
naumlhrung fuumlr die Foumlrderung der Gesundheit behinderter Menschen Daruumlber hinaus schreiben
sie auch Selbstbewusstsein Selbststaumlndigkeit und Selbstbestimmung nur eine untergeordnete
Rolle zu (vgl Gembris-Nuumlbel 2004 S 144) Allerdings besteht die Chance dass diese Ein-
stellung sich in den letzten zehn Jahren veraumlndert hat Die Ergebnisse der im Rahmen dieser
Arbeit durchgefuumlhrten Feldbefragung geben Anlass zu dieser Annahme (siehe 443) Auszliger-
dem ist fuumlr viele Menschen mit Lernschwierigkeiten der Zugang zu Informationen welche
Gesundheitsfoumlrderung thematisieren nur schwer moumlglich Hier sind folglich Vermittlung und
Unterstuumltzung oft notwendig (vgl Gembris-Nuumlbel 2004 S 82)
23
Auch von der Politik wird das Thema der Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen
bisher nur sehr selten thematisiert Seltene Ausnahmen wie zB die 22 Landesgesundheits-
konferenz in Nordrhein-Westfalen weisen jedoch auf die Wichtigkeit von Gesundheitsfoumlrde-
rung hin welche die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben verbessern kann (vgl Ministerium
fuumlr Gesundheit Emanzipation Pflege und Alter des Landes Nordrhein-Westfalen 2013
S 31) Hervorgehoben wird hier auch die (zukuumlnftige) Gestaltung der Informationen damit
diese fuumlr alle zugaumlnglich sind Des Weiteren soll auch das Bewusstsein saumlmtlicher Beteiligten
im Bereich der Gesundheitsfoumlrderung sensibilisiert werden (vgl Ministerium fuumlr Gesundheit
Emanzipation Pflege und Alter des Landes Nordrhein-Westfalen 2013 S 32)
Schon im Grundschulalter werden behinderte Kinder oft nicht erreicht da Gesundheitsfoumlrde-
rung sehr haumlufig nur in Regelgrundschulen und weiterfuumlhrenden Schulen und nicht in separie-
renden Foumlrderschulen stattfindet (vgl Reuter 2009 S 1819)
422 Potentiale fuumlr die Erreichbarkeit
Allerdings muumlssen auch die Potentiale betrachtet werden die fuumlr eine Erreichbarkeit behin-
derter Menschen zur Gesundheitsfoumlrderung vorhanden sind Auch diese bestehen in allen Al-
tersgruppen zB im fruumlhen Schulalter Im Zuge der Inklusion bei der immer mehr Kinder
mit Behinderungen in Regelschulen unterrichtet werden ist zu hoffen dass sie zukuumlnftig haumlu-
figer an Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung teilhaben koumlnnen Solange es (noch) Foumlrder-
schulen gibt muss auch auf deren (oft ungenutztes) Potential fuumlr gesundheitsfoumlrdernde Maszlig-
nahmen hingewiesen werden das in ihrer oft ganztaumlgigen Betreuung und den damit verbun-
denen Ressourcen liegt
Nicht nur in der Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Kindern sind bereits Potentiale vor-
handen Generell weisen Gesundheitsfoumlrderung und Behindertenarbeit sehr groszlige Gemein-
samkeiten in Sprache Prinzipien und Zielen auf Beide zielen letztendlich ab auf Inklusion
Partizipation Empowerment Entwicklung persoumlnlicher Faumlhigkeiten Einbindung in die Ge-
meinde die Neuorientierung von Gesundheitsdienstleistungen und die Foumlrderung von Um-
welten welche Gesundheit und Lebensqualitaumlt verbessern (vgl Lennox 2002 S 231) Es soll
auch darauf hingewiesen werden dass viele behinderte Menschen sehr an Informationen uumlber
Gesundheit interessiert sind und aktiv nach Informationen suchen (vgl Altgeld 2008 S 8)
Abschlieszligend laumlsst sich auffuumlhren dass gerade der Setting-Ansatz wie er in Punkt 34 darge-
stellt wurde eine sehr gute Moumlglichkeit bietet Menschen mit Behinderungen zu erreichen Er
24
bietet einen Zugangspunkt und kann Ausgangslage sein sowohl fuumlr verhaltens- als auch fuumlr
verhaumlltnisorientierte Maszlignahmen zur Foumlrderung der Gesundheit von Menschen mit Behinde-
rungen
Obwohl behinderte Menschen in der Vergangenheit nur selten gezielt an Maszlignahmen zur
Gesundheitsfoumlrderung beteiligt wurden sind doch einige Potentiale vorhanden an denen an-
zuknuumlpfen lohnenswert scheint
43 Das Setting Werkstatt fuumlr behinderte Menschen
WfbMs sind spezielle Einrichtungen fuumlr Menschen mit Behinderungen die nach dem SGB IX
als behindert gelten (siehe 21) Nach sect 136 SGB IX dienen diese Einrichtungen der bdquoTeilhabe
behinderter Menschen am Arbeitsleben [hellip] und zur Eingliederung in das Arbeitslebenldquo
Dadurch sind sie nicht Teil des allgemeinen Arbeitsmarktes da ihre Beschaumlftigten bdquowegen
Art oder Schwere der Behinderung nicht noch nicht oder noch nicht wieder auf dem allge-
meinen Arbeitsmarkt beschaumlftigt werden koumlnnenldquo (sect 136 Abs 1 SGB IX) Ihr Ziel ist es be-
hinderte Menschen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt vorzubereiten Die Beschaumlftigten arbei-
ten in verschiedensten Bereichen zB im Handwerk oder in Taumltigkeiten der elektronischen
Datenverarbeitung je nach persoumlnlicher Neigung Da es sich um kein typisches sozialversi-
cherungspflichtiges Arbeitsverhaumlltnis handelt sondern um ein bdquoarbeitnehmeraumlhnliches
Rechtsverhaumlltnisldquo11
(sect 138 SGB IX) bekommen die Beschaumlftigten keinen Lohn der dem
Mindestlohn entspricht Nach sect 138 SGB IX setzt sich ihr Arbeitsentgelt zusammen aus ei-
nem Grundbetrag und einem leistungsbemessenen Steigerungsbetrag Im Jahr 2011 verdiente
ein Beschaumlftigter im Durchschnitt 180 Euro monatlich (vgl BAG WfbM 2014) bei 35 bis 40
Arbeitsstunden pro Woche Von einer groszligen Steigerung in den letzten Jahren ist nicht auszu-
gehen Somit benoumltigen Beschaumlftigte einer WfbM idR neben ihrem Arbeitsentgelt Grundsi-
cherung Dies hat zur Folge dass sie haumlufig in prekaumlren soziooumlkonomischen Verhaumlltnissen
leben
Jede Werkstatt ist soziologisch betrachtet ein eigenes System mit individuellen Merkmalen
die unter anderem vom Standort dem Fachpersonal dem Traumlger und den Beschaumlftigten ge-
kennzeichnet sind (vgl SchlummerSchuumltte 2006 S 81) Gesetzlich festgelegt ist in sect 139
11
Begruumlndet wird dieses Rechtsverhaumlltnis haumlufig durch den Kuumlndigungsschutz Eine Werkstatt kann einen
Werkstattvertrag mit einer Beschaumlftigten oder einem Beschaumlftigten nur in seltenen Faumlllen gegen ihren oder sei-
nen Willen aufheben
25
SGB IX dass die Beschaumlftigten aus ihrer Mitte heraus regelmaumlszligig einen Werkstattrat waumlhlen
Genaueres regelt hier die Werkstaumltten-Mitwirkungsverordnung (WMVO) Wie ihr Name al-
lerdings schon sagt handelt es sich hier um die Moumlglichkeit der Mitwirkung nicht der Mitbe-
stimmung Diese kann nur erreicht werden wenn Werkstatt und Werkstattrat nach sect 5 Abs 4
WMVO eine weitergehende Vereinbarung treffen Zu den Aufgaben des Werkstattrates ge-
houmlrt es die Interessen der Beschaumlftigten in verschiedenen Angelegenheiten gegenuumlber der
Werkstatt zu vertreten Diese sind in sect 5 Abs 1 WMVO aufgelistet Die Werkstatt muss den
Werkstattrat auszligerdem informieren wenn sie eine Maszlignahme durchfuumlhrt in der der Werk-
stattrat ein Mitwirkungsrecht besitzt12
Sollte kein Einverstaumlndnis in einer Beratung erzielt
werden koumlnnen beide Seiten sich an eine Vermittlungsstelle wenden (sect 5 Abs 3 WMVO)
Das tatsaumlchliche Ausmaszlig der Mitwirkung ist jedoch stets von der Werkstattleitung abhaumlngig
Solch eine fehlende gesetzliche Verankerung von Mitbestimmung steht der Partizipation be-
hinderter Menschen im Wege welche sowohl fuumlr die gesellschaftliche Inklusion als auch die
Gesundheitsfoumlrderung immens wichtig ist
44 Gesundheitsfoumlrderung in Werkstaumltten fuumlr behinderte Menschen
Zunaumlchst gilt es sich einen Uumlberblick uumlber den aktuellen Stand von Gesundheitsfoumlrderung in
WfbMs zu verschaffen Einen ersten Einblick soll die dazu vorhandene Literatur liefern Da-
nach soll ein Abgleich dieser mit der Praxis stattfinden der sich aufgrund des gesetzten Rah-
mens dieser Arbeit nur auf einige Werkstaumltten des Bundeslandes Berlin konzentriert Hierfuumlr
werden jeweils die Leitbilder untersucht und Stimmen aus der Werkstatt ausgewertet
441 Recherche zum aktuellen Stand
Die Literatur zum Thema Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen in WfbMs ist
noch sehr duumlnn Vollstaumlndig ausgearbeitete Konzepte gibt es bisher nicht veroumlffentlicht wur-
den Berichte von abgeschlossenen oder noch laufenden Projekten Werner Schlummer wis-
senschaftlicher Mitarbeiter der Universitaumlt zu Koumlln begleitete ein Projekt zum Betrieblichen
12
Eine ausfuumlhrliche Beschreibung der Mitwirkungs- und Unterrichtungsrechte des Werkstattrates ist bei
SchlummerSchuumltte 2006 S 71 ndash 82 nachzulesen
26
Gesundheitsmanagement13
in einer WfbM zusammen mit acht Studierenden der Universitaumlt
(vgl Schlummer 2015 S 33) Auch das Projekt GESUND als Teilprojekt von PartKomm-
Plus (Forschungsverbund fuumlr gesunde Kommunen) wird wissenschaftlich durch die Katholi-
sche Hochschule fuumlr Sozialwesen begleitet (vgl Burtscher 2014 S 6)
Als Ausnahme kann das Projekt bdquoSelbstbestimmt gesuumlnderldquo im Rahmen des Programmes
bdquoHealthy Athletesldquo gesehen werden Hier bringt Special Olympics Deutschland eV Maszlig-
nahmen zur Gesundheitsfoumlrderung in die Lebenswelten behinderter Menschen Bei Healthy
Athletes werden Sportlerinnen und Sportler bei Veranstaltungen von Special Olympics kos-
tenlose Beratungen und Kontrolluntersuchungen angeboten Diese Angebote werden jedoch
auch auf Wohnheime und WfbMs ausgeweitet (vgl Special Olympics Deutschland a) S 2
eigene Paginierung) Auch das Projekt bdquoSelbstbestimmt gesuumlnderldquo bringt gesundheitsfoumlrdern-
de Maszlignahmen in Werkstaumltten Dabei werden bdquoTeilnehmern individualisierte Handlungsemp-
fehlungen zum Gesundheitsverhalten zur Verfuumlgung gestelltldquo (Special Olympics Deutschland
b) oS) Das Projekt setzt auszligerdem auf die Wirkung von Peer-Multiplikatorinnen und
-Multiplikatoren
Weitere Projekte sind trotz intensiver Recherche nicht bekannt Auch die Bundesarbeitsge-
meinschaft Werkstaumltten fuumlr behinderte Menschen eV (BAG WfbM) hat auf ihrer Homepa-
ge14
keinen Artikel zur Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung in WfbMs
Gibt man in der Suchmaske bdquoGesundheitsfoumlrderungldquo ein erhaumllt man zwei Ergebnisse einen
Artikel uumlber ein neu entwickeltes Computerspiel das von Kindern mit unterschiedlichen Be-
hinderungen gespielt werden kann und einen Artikel zum Qualifizierungsprogramm bdquoGe-
sundheitsfoumlrderung durch Schluumlsselqualifikationenldquo das sich nicht an Beschaumlftigte sondern
an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in WfbMs richtet Dies legt den Schluss nahe dass Ge-
sundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen in WfbMs bisher kaum verbreitet ist
Das Thema Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung als solches wurde in den
letzten Jahren zunehmend in der Literatur behandelt wobei die Anzahl der Veroumlffentlichun-
gen nach wie vor auf einem uumlberschaubaren Stand ist
13
Schlummers Verstaumlndnis von Betrieblichem Gesundheitsmanagement und Betrieblicher Gesundheitsfoumlrderung
sind beinahe synonym Das beschriebene Projekt kann daher im erweiterten Rahmen durchaus als Projekt zur
Gesundheitsfoumlrderung gesehen werden 14
httpwwwbagwfbmde (Stand 11112015)
27
442 Konzepte und Leitbilder von Einrichtungen der Praxis
Betrachtet werden vier verschiedene WfbMs und ihre Leitbilder Es handelt sich um die vier
Werkstaumltten von denen auch im Rahmen der Feldbefragung Stimmen einer Mitarbeiterin oder
eines Mitarbeiters und zT von Beschaumlftigten gewonnen werden konnten (siehe 443 und
Anhang Nr 2)
Aufgrund der jeweiligen Traumlgerstrukturen besitzt lediglich eine der Werkstaumltten15
als solche
ein eigenes Leitbild Bei den anderen drei Werkstaumltten muss auf das Leitbild des jeweiligen
Traumlgers zuruumlckgegriffen werden Das Thema der Gesundheit der Klientinnen und Klienten
bzw Werkstattbeschaumlftigten wird allerdings in keinem Leitbild thematisiert Auch die Such-
funktionen auf den jeweiligen Homepages bzw intensive Recherchen auf diesen brachten
keine Ergebnisse zum Stichwort bdquoGesundheitsfoumlrderungldquo Daraus laumlsst sich schlieszligen dass
Gesundheitsfoumlrderung der Werkstattbeschaumlftigten in den theoretischen Konzeptionen von
WfbMs meist nicht verankert ist
443 Gesundheitsfoumlrderung in der alltaumlglichen Praxis der Werkstaumltten ndash eine kleine Feldbe-
fragung
Im Rahmen des Informationstages der Berliner Landesarbeitsgemeinschaft Werkstaumltten fuumlr
behinderte Menschen eV (LAG WfbM) am 17112015 im Estrel Hotel Berlin wurden je-
weils eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter von vier verschiedenen WfbMs zum Thema Ge-
sundheitsfoumlrderung mit den Beschaumlftigten in der Werkstatt befragt (siehe Anhang Nr 2) Die
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben alle eine vergleichbare Position Begleitender Dienst
Paumldagogischer Dienst oder Sozialdienst In einer der Werkstaumltten konnten uumlberdies auch
Stimmen von Beschaumlftigten gewonnen werden16
Die Ergebnisse weisen keine empirische
Repraumlsentativitaumlt auf da der knappe Rahmen dieser Arbeit eine repraumlsentative empirische
Forschungsarbeit kaum zulaumlsst Die Befragungen sollen dazu dienen einen Einblick in den
Alltag der WfbMs zu ermoumlglichen und die in der Literatur und den Leibildern gewonnenen
Perspektiven zu erweitern
15
Aus Gruumlnden des Datenschutzes duumlrfen in der hier publizierten Version die Namen der Werkstaumltten nicht
genannt werden 16
In zwei der Werkstaumltten konnten keine Stimmen von Beschaumlftigten erhoben werden da eine Befragung in der
Werkstatt von den befragten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern abgelehnt wurde Der Mitarbeiter der dritten
Werkstatt signalisierte zwar waumlhrend der Befragung Zustimmung jedoch fehlte diese spaumlter von Seiten der Lei-
tung
28
Der Begriff bdquoGesundheitsfoumlrderungldquo wird von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sehr
unterschiedlich interpretiert Die Spannbreite liegt von einem Verstaumlndnis aumlhnlich des hier
dargelegten bis hin zu therapeutischer und rehabilitativer Foumlrderung Die angebotenen Maszlig-
nahmen welche einer Foumlrderung der Gesundheit dienen sollen sind jedoch bei allen aumlhnlich
Meist handelt es sich um Musik- Sport- und Bewegungsangebote die im Rahmen von sog
Begleitenden Maszlignahmen verankert sind Daruumlber hinaus werden auch entlastende Bewegun-
gen in den Arbeitsgruppen angeboten und ein Gesundheitstag in Kooperation mit Special
Olympics Deutschland geplant (eine Werkstatt) Eine andere Werkstatt kooperiert mit der
Fitnessstudiokette Fitness First Kurse zu gesunder Ernaumlhrung und Kochen werden teilweise
angeboten oder sind in Planung Nach Aussagen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden
die Maszlignahmen meist gut angenommen In einer Werkstatt wird sogar gemeinsam mit dem
Werkstattrat an einer Peer-Beratung gearbeitet mit der den Beschaumlftigten der Zugang zu den
Themen Bildung und Gesundheit verbessert werden soll Schwierigkeiten bestehen besonders
bzgl der Raumlume zB bei Turnhallen fuumlr Fuszligball
Eine Partizipation bei der Entwicklung von Angeboten ist nur teilweise gegeben Es wird
zwar in allen befragten Werkstaumltten nach Interessen der Beschaumlftigten gefragt und dement-
sprechend die Kurse angeboten jedoch besteht nur selten die Moumlglichkeit fuumlr die Beschaumlftig-
ten aktiv den jeweiligen Kurs durch eigene Entscheidungen mitzugestalten In einer Werk-
statt ist das bspw abhaumlngig von der Kursart von der Kursleiterin bzw dem Kursleiter und
vom Konzept Evaluiert werden die Angebote meist nur durch Nachfrage in den idR jaumlhr-
lich stattfindenden Entwicklungsgespraumlchen mit den einzelnen Beschaumlftigten und teilweise
daruumlber hinaus mit Fragebogen oder durch die Kursleiterin bzw den Kursleiter Eine Werk-
statt fuumlhrt sogar Statistiken zur Nachfrage Eine partizipative Evaluation findet in keiner der
befragten Werkstaumltten statt
Die befragten Beschaumlftigten einer der Werkstaumltten zeigten sich mit dem Angebot an gesund-
heitsfoumlrdernden Maszlignahmen groumlszligtenteils sehr zufrieden und empfanden die Anzahl der An-
gebote als meist genuumlgend Geaumluszligert wurde lediglich der Wunsch nach weiteren Angeboten
zu gesunder Ernaumlhrung und nach einem besseren Angebot an gesunden Speisen Das Ver-
staumlndnis von Gesundheitsfoumlrderung ist unterschiedlich Auffaumlllig ist dass auf der einen Seite
Aumlrzte und Besuche bei diesen wichtig scheinen gleichzeitig aber auch das Achten auf die
eigene Gesundheit als Teil der Gesundheitsfoumlrderung gilt Besonders letzterer Aspekt weist
darauf hin dass bei den Befragten ein gewisses Grundverstaumlndnis von Gesundheitsfoumlrderung
vorhanden ist das dem in dieser Arbeit verwendeten aumlhnelt Die Wichtigkeit der aumlrztlichen
29
Betreuung laumlsst jedoch zugleich auch auf ein eher bdquotraditionellesldquo bio-medizinisches Gesund-
heitsverstaumlndnis schlieszligen
Als angebotene Maszlignahmen werden meist Sport- und Bewegungsangebote genannt aber
auch eine Apfelpause um kurz von der Arbeit entspannen zu koumlnnen Daruumlber hinaus gab es
Angebote zur Fuszlighygiene und zur Zahn- und Augengesundheit Hier ist der Uumlbergang zwi-
schen Gesundheitsfoumlrderung und Praumlvention flieszligend Bzgl (zukuumlnftiger) Angebote werden
die Beschaumlftigten nach ihren Wuumlnschen gefragt aber eine wirkliche Mitbestimmung in Kon-
zeption und Planung dieser scheint nicht gegeben Auch bei der Evaluation findet bisher keine
Partizipation statt Die Befragung hat jedoch den bisherigen Eindruck bestaumltigt dass gesund-
heitsfoumlrdernde Maszlignahmen in WfbMs von behinderten Menschen durchaus nachgefragt wer-
den und die Werkstaumltten versucht sind im Rahmen der begleitenden Maszlignahmen ein sehr
breites Feld abzudecken Negativ scheint besonders das weitgehende Fehlen partizipativer
Strukturen
In den Werkstaumltten werden viele Angebote im Rahmen begleitender Maszlignahmen offeriert die
fuumlr die Gesundheit foumlrderlich sind Als Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung die die Prinzi-
pien der BVPG verinnerlichen koumlnnen sie jedoch nicht gesehen werden da zB die Partizipa-
tion eine eher untergeordnete Rolle spielt und die Thematik meist auf Sport- und zT Ernaumlh-
rungsangebote beschraumlnkt bleibt Auch werden die Effekte der Maszlignahmen nicht evaluiert
Entspannungsangebote werden nur selten angeboten und der Fokus richtet sich meist nur auf
die koumlrperliche Gesundheit
Daruumlber hinaus zeigt die Befragung aber auch welch groszliges Potential zur Gesundheitsfoumlrde-
rung in den Werkstaumltten liegt Mit den begleitenden Maszlignahmen sind Strukturen verankert in
denen Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung leicht integriert werden koumlnnen Offenheit fuumlr
Kooperationen scheint vielfach gegeben (zB mit Special Olympics Deutschland Fitness
First) sodass auch eine Kooperation mit den Krankenkassen und weiteren Partnern vorstell-
bar scheint Dies wuumlrde den Vorteil finanzieller Foumlrderung und Expertise durch Erfahrungen
mit bereits durchgefuumlhrten Maszlignahmen einbringen Die befragten Mitarbeiterinnen und Mit-
arbeiter schienen Gesundheitsfoumlrderung gegenuumlber prinzipiell sehr positiv eingestellt
Auch wenn in den Leitbildern und auf den Homepages Gesundheitsfoumlrderung nicht themati-
siert wird gibt es in der Praxis schon verschiedene Maszlignahmen und Projekte mit der Intenti-
on die Gesundheit der Beschaumlftigten zu verbessern
30
45 Anregungen fuumlr die Praxis
Vor dem Hintergrund der zu Rate gezogenen Literatur und den gewonnen Erkenntnissen
durch die Feldbefragung werden nun einige Uumlberlegungen fuumlr die Praxis einer gelingenden
Gesundheitsfoumlrderung getroffen Diese koumlnnen als moumlgliche Anregungen zur Umsetzung ver-
standen werden
451 Partizipation und Empowerment in der Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behin-
derung
Erfolgreiche Gesundheitsfoumlrderung braucht Partizipationsmoumlglichkeiten fuumlr die jeweilige
Zielgruppe Partizipation ist schlieszliglich nicht nur Teilnahme sondern aktive Teilhabe und
damit einhergehend die Moumlglichkeit mitzubestimmen und mitzuentscheiden Dazu gehoumlrt
auch die Definitionsmacht also die Macht (mit)zubestimmen an welche die Gesundheit be-
treffenden Aspekte in einer Maszlignahme zur Gesundheitsfoumlrderung herangegangen werden soll
(vgl Wrightvon UngerBlock 2010 S 39) Diese aktive Teilhabe muss also bereits zu Be-
ginn einer Maszlignahme Teil dieser sein Partizipation bedeutet folglich auch Macht Partizipa-
tion zu ermoumlglichen bedeutet Empowerment also die Ermaumlchtigung eines Individuums oder
einer Gruppe So bekommt Partizipation in der Gesundheitsfoumlrderung auch eine gesellschaft-
liche und politische Komponente denn dadurch koumlnnen Menschen mit Behinderungen lernen
mitzubestimmen mitzuentscheiden und eigene Interessen zu vertreten Diese erlernten Faumlhig-
keiten lassen sich auf die Handlungsebene in einer demokratischen Gesellschaft uumlbertragen
Sowohl Empowerment als auch Partizipation gehoumlren zu den in 31 erwaumlhnten Prinzipien der
BVPG Diese weist darauf hin dass Partizipation in saumlmtlichen Phasen einer Maszlignahme ge-
geben sein muss beginnend mit der Bedarfsanalyse der Planung in der Durchfuumlhrung und
abschlieszligend in der BewertungEvaluation So kann die Wirksamkeit einer Maszlignahme erhoumlht
werden (vgl BVPG 2013 S 90) Teilhabe kann als ein wichtiger Bestandteil der Qualitaumltssi-
cherung gesehen werden Bisher finden Maszlignahmen zur Qualitaumltssicherung nur selten unter
Partizipation der Zielgruppe statt Diese partizipativ zu beteiligen hilft die Qualitaumlt der Ge-
sundheitsfoumlrderung aufrechtzuerhalten oder sogar zu verbessern (vgl Wrightvon Un-
gerBlock 2010 S 35)
Teilhabe ist bei behinderten Menschen besonders wichtig Ihr Leben ist haumlufig von Beginn an
stark fremdbestimmt und von Abhaumlngigkeit gepraumlgt Somit lernen sie seltener als nicht behin-
31
derte Menschen Verantwortung zu uumlbernehmen und selbststaumlndig zu agieren Dies kann bis
hin zur sog bdquoerlernten Hilflosigkeitldquo fuumlhren Vor diesem Hintergrund scheint Partizipation
umso wichtiger aber auch umso arbeitsintensiver Sie ist daher in der Praxis der Gesundheits-
foumlrderung haumlufig sehr arbeitsintensiv und benoumltigt folglich zeitliche Ressourcen und damit
einhergehend finanzielle Ressourcen (vgl Loss 2009 S 10)
Traditionell sind viele Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung top-down organisiert das be-
deutet eine Einrichtung ein Geldgeber etc plant eine Maszlignahme fuumlhrt diese durch und eva-
luiert sie Zur Erreichung der eigenen Ziele wird die Zielgruppe mobilisiert ohne ein Mitspra-
cherecht zu den einzelnen Bausteinen der Maszlignahme zu haben Diese Struktur verdeutlicht
das Maumlchteungleichwicht zwischen Anbieter und Zielgruppe und zementiert den Status be-
hinderter Menschen als Abhaumlngige und Ohnmaumlchtige Der Gegensatz zu top-down-
Programmen ist der bottom-up-Ansatz Hier findet eine Machtteilung statt da die Gesund-
heitsfoumlrderinnen und Gesundheitsfoumlrderer ihre Macht mit der Zielgruppe teilen und eher die
Rolle von Unterstuumltzerinnen und Unterstuumltzern einnehmen Die Zielgruppe soll unterstuumltzt
werden ihre eigenen Probleme festzustellen und Loumlsungen sowie Maszlignahmen zu erarbeiten
In der Planung Durchfuumlhrung und Evaluation kommt ihr damit eine aktive Rolle zu (vgl La-
verack 2010 S 77) Bottom-up-Programme scheinen daher fuumlr Partizipation und Empower-
ment geeigneter als top-down-Strukturen Allerdings schlieszligen sich beide Ansaumltze nicht
zwingend aus sondern Maszlignahmen koumlnnen Eigenschaften beider Ansaumltze aufweisen In
WfbMs scheinen Maszlignahmen sehr haumlufig top-down organisiert zu sein Die staumlrkere Veranke-
rung von bottom-up-Strukturen waumlre hier im Sinne einer Teilhabe ndash in der Werkstatt wie auch
daruumlber hinaus auf gesellschaftlicher Ebene ndash vorteilhaft und wuumlnschenswert
452 Peer-Multiplikatorinnen und -Multiplikatoren
Eine Strategie die in der Praxis der Gesundheitsfoumlrderung bereits mit positiven Ergebnissen
getestet wurde sind Peer-Multiplikatorinnen und -Multiplikatoren Das Modell der Multipli-
katorinnen und Multiplikatoren war bereits Grundlage vieler gesundheitsfoumlrdernder Maszlignah-
men mit sozial benachteiligten Menschen die auch in der Literatur vielfach dokumentiert
sind Auch in der Arbeit mit behinderten Menschen ist dieses Konzept nicht neu Auf Maszlig-
nahmen zur Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung wurde es bisher kaum an-
gewandt scheint jedoch erfolgsversprechend Das Projekt GESUND welches mit einer Ber-
liner WfbM durchgefuumlhrt wird arbeitet mit diesem Konzept (vgl Burtscher 2014 S 8) Die
32
Funktion von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren besteht darin Kenntnisse und Informa-
tionen zur Gesundheit(-sfoumlrderung) der Zielgruppe mit Hilfe der ihnen innewohnenden Ver-
trauensstellung naumlher zu bringen Sie haben daher eine bdquoMittlerfunktionldquo (BVPG 2013 S 92)
zwischen Durchfuumlhrenden und Zielgruppe Voraussetzung dafuumlr ist dass sie der Zielgruppe
angehoumlren oder zumindest eine sehr enge Verbindung zu ihr besitzen Im Zuge einer Maszlig-
nahme werden sie selbst gestaumlrkt sozusagen bdquoempowertldquo Ihre Mittlerfunktion funktioniert
allerdings auch in die andere Richtung Sie bringen den Durchfuumlhrenden die Perspektive der
Zielgruppe naumlher Im Idealfall fuumlhrt der Einsatz von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren
zur Aktivierung der Zielgruppe die ihr selbstbestimmtes Handeln auch auf andere Bereiche
ausdehnen kann (vgl Stickan-Verfuumlrth 2005 S 108) Diesem Modell sehr aumlhnlich ist das
Modell des Peer-Counseling Hier stehen Mitglieder der Zielgruppe in beratender Funktion
ihrer Peer-Gruppe zur Verfuumlgung
453 Verknuumlpfung von Betrieblicher Gesundheitsfoumlrderung und Gesundheitsfoumlrderung in
Werkstaumltten fuumlr behinderte Menschen
Eine Uumlbertragung der Idee der Betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung auf die Gesundheitsfoumlrde-
rung in WfbMs scheint in der Tat realisierbar Den rechtlichen und finanziellen Rahmen hier-
fuumlr hat das 2015 beschlossene Praumlventionsgesetz geschaffen (siehe 33) Im Entwurf der Bun-
desregierung wird in der Anmerkung zum neuen sect 20 Abs 4 SGB V explizit darauf hinge-
wiesen dass Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung auch in WfbMs zum Leistungsspektrum der
Krankenkassen gehoumlrt (vgl Deutscher Bundestag 2015 S 34) Eine Etablierung hiervon in
der Praxis haumlngt in erster Linie neben den Krankenkassen auch von den Leitungen der WfbMs
ab Sollten diese hierfuumlr und auch gegenuumlber partizipativen Strukturen offen sein waumlre der in
351 kurz vorgestellte Gesundheitszirkel ein passender Startpunkt um von Beginn an auch
die Partizipation der Beschaumlftigten zu gewaumlhrleisten Analog zum Konzept der BGF koumlnnten
gemeinsam Maszlignahmen erarbeitet werden die die Gesundheit der Beschaumlftigten foumlrdern wuumlr-
den Den Vertreterinnen und Vertretern der Beschaumlftigten die im Gesundheitszirkel mitwir-
ken koumlnnte dabei die Rolle von Peer-Multiplikatorinnen und -Multiplikatoren zukommen
Als Effekte duumlrften die in 351 beschriebenen auch hier zu erwarten sein eine Verbesserung
der Gesundheit und eine Staumlrkung der gesundheitlichen Ressourcen eine Verringerung der
krankheitsbedingten Fehltage eine staumlrkere Identifikation der Beschaumlftigten mit der Werk-
33
statt ein besseres Arbeitsklima eine houmlhere Motivation und Arbeitszufriedenheit und eine
Steigerung der Produktivitaumlt
Es empfiehlt sich im Sinne der Partizipation und des Empowerments kein reines top-down-
Programm zu starten sondern einen bottom-up-Ansatz zu waumlhlen bzw zumindest mehrere
Elemente dessen einzubauen Als Anknuumlpfungspunkt koumlnnen bereits bestehende begleitende
Maszlignahmen mit passender Thematik genommen werden
Wie bdquonormaleldquo Betriebe koumlnnten auch WfbMs Kooperationen in ihrem raumlumlichen Umfeld
aufbauen und von Vernetzungen profitieren Aufgrund ihrer Groumlszlige sind sie in ihrem Sozial-
raum ein meist nicht zu unterschaumltzender Akteur
34
5 Fazit und Ausblick
Ausgehend von einem bio-psycho-sozialen Verstaumlndnis von Gesundheit wurden verschiedene
Aspekte der Gesundheitsfoumlrderung vertieft und anschlieszligend eine Verknuumlpfung zur Gesund-
heitsfoumlrderung mit behinderten Menschen hergestellt Hierbei lag der Fokus auf gesundheits-
foumlrdernden Maszlignahmen in WfbMs Dabei wurde die aktuelle Literatur zu Rate gezogen In-
ternetauftritte einiger Werkstaumltten durchsucht und Stimmen aus dem Feld von Mitarbeiterin-
nen und Mitarbeitern sowie Beschaumlftigten von Werkstaumltten gewonnen
Die Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung ist noch immer relativ schwach
ausgebaut Dies stellt sich besonders vor dem Hintergrund als problematisch dass behinderte
Menschen haumlufig anfaumllliger fuumlr Krankheiten sind und durchschnittlich uumlber einen subjektiv als
schlechter bewerteten Gesundheitsstatus verfuumlgen als nichtbehinderte Menschen Wie viele
sozial benachteiligte Gruppen sind sie verhaumlltnismaumlszligig schwer zu erreichen fuumlr gesundheits-
foumlrdernde Maszlignahmen Obwohl es in der Erreichbarkeit mehrere Probleme gibt verfuumlgen
Menschen mit Behinderung auf der anderen Seite uumlber groszlige Potentiale Das neue Praumlventi-
onsgesetz ist ein erheblicher Fortschritt bei der Finanzierung gesundheitsfoumlrdernder Maszlignah-
men Sogar eine Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung in Werkstaumltten ist wenn auch nicht ex-
plizit verankert so doch zumindest gewuumlnscht
Gelingende Gesundheitsfoumlrderung muss sich im Allgemeinen und auch bei der Arbeit mit
behinderten Menschen an bestimmten Prinzipien messen lassen Besonders wichtig vor dem
gesellschaftlichen Hintergrund ist hier die Partizipation der Menschen mit Behinderung und
damit einhergehend das Empowerment dieser Beide wirken sich positiv auf die Qualitaumlt der
gesundheitsfoumlrdernden Maszlignahmen aus gehen jedoch auch daruumlber hinaus Sie koumlnnen Men-
schen mit Behinderungen auch auf gesellschaftlicher Ebene empowern sodass ihnen eine
groumlszligere gesellschaftliche Teilhabe zukommt Somit erlangt Gesundheitsfoumlrderung auch vor
dem Hintergrund der Inklusion eine hohe Relevanz
In WfbMs ist gezielte Gesundheitsfoumlrderung bisher wenig verbreitet Einzelne Projekte sind
eher die Ausnahme denn die Regel Jedoch sind die Potentiale der Werkstaumltten enorm Das
Personal scheint haumlufig offen fuumlr Maszlignahmen zu sein und gerade die Strukturen der beglei-
tenden Maszlignahmen lieszligen eine relativ einfache Integration von Maszlignahmen zur (betriebli-
chen) Gesundheitsfoumlrderung zu Bestehende begleitende Maszlignahmen in welchen Sport oder
Bildungsangebote zu gesunder Ernaumlhrung angeboten werden koumlnnten ohne uumlbermaumlszligigen
Aufwand zu gezielten Maszlignahmen fuumlr Gesundheitsfoumlrderung ausgebaut werden Nachholbe-
darf bestuumlnde hier vor allem auf dem Gebiet der Partizipation Nur selten scheinen die Be-
35
schaumlftigten in Konzeption Planung Durchfuumlhrung und Evaluation aktiv eingebunden zu sein
In bestimmten Phasen wie etwa der Konzeption und besonders der Evaluation scheint aktive
Teilhabe noch uumlberhaupt nicht verankert zu sein Eine staumlrkere Partizipation in allen Berei-
chen waumlre mit houmlherem Arbeits- und Kostenaufwand verbunden welcher durch eine Einbin-
dung der Krankenkassen moumlglicherweise aufgefangen werden koumlnnte Die Partizipation foumlr-
dern wuumlrde auch die Etablierung von Peer-Beratung und Peer-Multiplikatorinnen und
-Multiplikatoren Diesen kaumlme beim Zugang zur Zielgruppe eine Schluumlsselfunktion zu und
gleichzeitig koumlnnten sie Bedarfe und Beduumlrfnisse dieser gegenuumlber den anderen Akteuren
kommunizieren Auch wenn es bisher keine konkreten ausgearbeiteten Konzepte zur Gesund-
heitsfoumlrderung in WfbMs gibt koumlnnten bestehende Konzepte zur Betrieblichen Gesundheits-
foumlrderung eventuell leicht uumlberarbeitet fuumlr Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung in Werkstaumltten
analog angewendet werden
Die Potentiale und Moumlglichkeiten zur Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung
in WfbMs sind also mannigfaltig und haumlufig vorhanden Auf diesen koumlnnte aufgebaut werden
um behinderten Menschen das Recht auf das in Artikel 25 der UN-BRK festgeschriebene bdquoer-
reichbare Houmlchstmaszlig an Gesundheitldquo zu ermoumlglichen
Gesundheitsfoumlrderung ist mehr als Werbeplakate an Bus- oder Straszligenbahnhaltestellen und
Clips im Aktuellen Sportstudio sie ist mehr als Sportangebote und Angebote zu gesunder
Ernaumlhrung sie ist auch ein Weg zum Erreichen eines Menschenrechtes das Recht auf Ge-
sundheit
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41
Anhang
Nr 1 Abbildung zu den Hauptdeterminanten der Gesundheit nach DahlgreenWhitehead
2007 S 11
Nr 2 Befragung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Beschaumlftigten der WfbMs
42
Nr 1 Abbildung zu den Hauptdeterminanten der Gesundheit nach DahlgreenWhitehead
2007 S 11
43
Nr 2 Befragung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Beschaumlftigten der WfbMs
Um moumlglichst effizient die Stimmen aus vier WfbMs unterschiedlicher Traumlger zu erheben
wurden diese auf dem Infotag der LAG WfbM Berlin am 17112015 gesammelt Hier waren
verschiedene Werkstaumltten mit Informationsstaumlnden vertreten Gewaumlhlt wurden die Werkstaumlt-
ten an deren Staumlnden der Verfasser zuerst vorbeilief Die gestellten Fragen waren stets die-
selben
Den Vertretern der Werkstatt wurde zugesichert dass ihr Name nicht in der vorliegenden Ar-
beit genannt wird lediglich ihre Position in der Werkstatt wird erwaumlhnt Es wurden auszligerdem
keine weiteren Personendaten erhoben
Wenn moumlglich sollten auszligerdem fuumlnf Beschaumlftige pro WfbM befragt werden Hierfuumlr wurde
am Ende des kurzen Interviews um Erlaubnis gefragt Den Beschaumlftigten wurden andere Fra-
gen gestellt als dem Werkstattpersonal jedoch erhielten alle Beschaumlftigten dieselben Fragen
untereinander Den Beschaumlftigen wurde komplette Anonymitaumlt in der vorliegenden Arbeit
zugesichert und es wurden keine personenbezogenen Daten abgefragt Zuerst wurde nach
ihrem Verstaumlndnis von Gesundheitsfoumlrderung gefragt Vor den Fragen 2 bis 5 wurde kurz
erklaumlrt wie Gesundheitsfoumlrderung verstanden werden kann um davon ausgehend die restli-
chen Fragen zu beantworten
Bei saumlmtlichen Interviews wurde auf Transkriptionen verzichtet es wurden lediglich die
Kernaussagen mitgeschrieben
Im Folgenden finden sich exemplarisch die jeweils gestellten Fragen
44
Fragen an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der WfbM
Name der WfbM
Position der befragten Person Begleitender Dienst
1 Was verstehen Sie unter Gesundheitsfoumlrderung
2 Was bieten Sie im Rahmen der Gesundheitsfoumlrderung an
3 Wie werden die Maszlignahmen angenommen
4 Wuumlrden Sie gerne mehr anbieten oder finden Sie die Angebote ausreichend
5 Gibt es Schwierigkeiten
6 Wie steht es um die Partizipation in den Angeboten (Werden die Angebote von Beschaumlf-
tigten mitentwickelt mitevaluiert etc)
7 Werden die Angebote evaluiert
45
Fragen an die Beschaumlftigen der WfbM
Name der WfbM
Datum
1 Wissen Sie was Gesundheitsfoumlrderung ist Wenn ja wie wuumlrden sie es beschreiben
[Moumlgliche Erklaumlrung fuumlr Beschaumlftigte die sich nichts unter Gesundheitsfoumlrderung vorstellen
koumlnnen Zur Gesundheitsfoumlrderung gehoumlrt alles was fuumlr Ihre Gesundheit gut ist zB Kur-
seMaszlignahmen usw die mit Bewegung Ernaumlhrung Wohlfuumlhlen am Arbeitsplatz oder Ent-
spannen zu tun haben]
2 Welche Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung werden Ihnen von der Werkstatt angebo-
ten
3 Werden Ihrer Meinung nach genuumlgend Angebote zur Gesundheitsfoumlrderung in der Werk-
statt angeboten
4 Duumlrfen Sie bei der Entwicklung und Evaluation (Auswertung am Ende) mitbestimmen
5 Was sind Ihre Wuumlnsche bezuumlglich der Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung
19
4 Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung
Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen ist bisher in der Praxis der sog bdquoBehinder-
tenhilfeldquo6 nur aumluszligert selten integriert In der wissenschaftlichen Literatur sind in den letzten
Jahren einige Beitraumlge erschienen die sich diesem Thema widmen Es soll nun zuerst darge-
stellt werden in welchem Verhaumlltnis Gesundheit und Behinderung zueinander stehen bevor
auf die Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen eingegangen wird Der Fokus dieser
Arbeit liegt auf der Gesundheitsfoumlrderung in WfbMs In diesem Zusammenhang wird der
Stand der Literatur kurz dargestellt eine kurze Analyse von Leitbildern einzelner Werkstaumltten
vorgenommen und einige Stimmen aus der Praxis wiedergegeben Aufgrund des knappen
Rahmens dieser Arbeit muss sich dies auf das Bundesland Berlin beschraumlnken und erhebt kei-
nen Anspruch auf empirische Vollstaumlndigkeit Vielmehr versteht es sich als eine kleine Feld-
befragung die als ein erster Impuls gesehen werden kann
41 Behinderte Menschen und Gesundheit und Krankheit ndash sozialmedizinische Erkenntnisse
Zunaumlchst muss festgehalten werden dass eine Behinderung keine Krankheit ist Auch ein
schwer behinderter Mensch kann sich sehr gesund fuumlhlen Der wesentliche Unterschied zwi-
schen einer Behinderung und einer Krankheit liegt darin dass bei einer Behinderung die Teil-
habe am Leben in der Gesellschaft langfristig beeintraumlchtigt ist bei einer Erkrankung hinge-
gen nicht oder nur kurzfristig7 Das hier vorliegende Verstaumlndnis in der Unterscheidung bei-
der Begriffe ist vordergruumlndig eher ein soziales denn eine medizinische Abgrenzung
Es existieren verschiedene und teilweise weitreichende gesundheitliche Unterschiede zwi-
schen Menschen mit Behinderungen und Menschen ohne Behinderungen Um diese auch in
ihrem Ursprung erklaumlren zu koumlnnen reicht der bdquotraditionelleldquo bio-medizinische Blick nicht
aus da er zu kurz greift Er muss um die sozialmedizinische Sichtweise ergaumlnzt werden
An dieser Stelle sollte allerdings darauf hingewiesen werden dass die folgende Darstellung
den Gesundheitszustand groszliger heterogener Gruppen von Menschen abbildet und die ge-
troffenen Aussagen daher nicht auf jeden Einzelfall anwendbar sind
6 Dieser Begriff impliziert durch den Wortteil bdquo-hilfeldquo ein Maumlchteungleichgewicht welches einer wahren Parti-
zipation der behinderten Menschen im Wege steht 7 Sollte eine chronische Krankheit einen Menschen in seiner Teilhabe langfristig einschraumlnken kann sie durch-
aus auch als Behinderung gesehen werden
20
Der Teilhabebericht des Bundesministeriums fuumlr Arbeit und Soziales (BMAS) kommt zu dem
Ergebnis dass Menschen mit Behinderungen ihre Gesundheit haumlufig schlechter einschaumltzen
als Menschen ohne Behinderungen Dies gilt auch fuumlr das psychische Wohlbefinden welches
im ganzheitlichen Verstaumlndnis von Gesundheit das dieser Arbeit zugrunde liegt (siehe 22)
ebenfalls Teil der Gesundheit ist Auch hat ein Mensch mit Behinderung in Deutschland im
Durchschnitt mehr Krankheitstage8 als ein nicht behinderter Mensch Menschen mit Behinde-
rung konsultieren statistisch betrachtet in einem bestimmten Zeitraum haumlufiger einen Arzt als
die durchschnittliche Bevoumllkerung Dies duumlrfte ua an dem als schlechter wahrgenommenen
Gesundheitszustand liegen aber auch an der Komorbiditaumlt bestimmter Behinderungen Bzgl
des Rauchverhaltens Alkoholkonsums und einer gesundheitsbewussten Ernaumlhrung bestehen
nur relativ geringe Unterschiede zur Gesamtbevoumllkerung Auffaumlllig ist lediglich dass die
Gruppe der 18- bis 29-Jaumlhrigen Menschen mit Behinderung zu einem houmlheren Anteil regel-
maumlszligig raucht Alkohol trinkt und seltener auf gesunde Ernaumlhrung achtet In den anderen Al-
tersgruppen bestehen kaum nennenswerte Unterschiede (vgl BMAS 2013 S 192 ndash 204)
Menschen mit Behinderungen haben im Durchschnitt eine geringere Lebenserwartung wobei
es hier Unterschiede zwischen einzelnen Syndromen gibt (vgl MarksSisirakHeller 2010
S 3) Bei einigen kann die jeweilige Behinderung selbst der Ausloumlser sein jedoch besteht
besonders bei Menschen mit Lernschwierigkeiten die Gefahr dass Krankheiten nicht richtig
erkannt oder nur unzureichend behandelt werden (vgl Lennox 2002 S 230) Ausschlagge-
bend hierfuumlr duumlrfte sein dass im Gesundheitsbereich verschiedenste Barrieren existieren Zum
Beispiel ist nur ein Teil der Arztpraxen barrierefrei wobei besonders haumlufig passende Unter-
suchungsmoumlbel und Informationsmaterial in Leichter Sprache fehlen (vgl BMAS 2013
S 200201) Ebenfalls negativ wirkt sich aus dass Aumlrzte teilweise unsicher im Umgang mit
Menschen mit Lernschwierigkeiten sind und diese zT auszligerdem ihre Symptome nicht praumlzi-
se genug beschreiben koumlnnen oder uumlber eine geringer differenzierte Wahrnehmung des eige-
nen Koumlrpers verfuumlgen als Menschen ohne Behinderung (vgl SchmidtReker 2014 S 28)
Des Weiteren haben Menschen mit Lernschwierigkeiten statistisch gesehen haumlufiger Uumlberge-
wicht als der Durchschnitt der Bevoumllkerung Hier muss jedoch beruumlcksichtigt werden dass
mit bestimmten Syndromen wie bspw dem Down-Syndrom ein veraumlnderter Energiebedarf
aufgrund der geringeren Muskelspannung einhergeht oder das Saumlttigungsgefuumlhl zB beim
Prader-Willi-Syndrom veraumlndert ist (Beange 2002 S 3) Die houmlhere Wahrscheinlichkeit des
Uumlbergewichts besteht statistisch gesehen sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen mit
8 Krankheitstage werden an dieser Stelle des Bundesteilhabeberichtes verstanden als Tage in denen der Mensch
sich subjektiv zu krank gefuumlhlt hat um seinen normalen privaten und beruflichen Taumltigkeiten nachzugehen
21
Lernschwierigkeiten (vgl Reuter 2009 S 13) Eine moumlgliche Ursache hierfuumlr kann auch in
der Tatsache gesehen werden dass Menschen mit Behinderungen durchschnittlich seltener
Sport treiben als nicht behinderte Menschen (vgl BMAS 2013 S 221222)
Ein weiterer bedeutender Zusammenhang zwischen Krankheit und Behinderung ist dass viele
Behinderungen im Sinne von Einschraumlnkungen in der gesellschaftlichen Teilhabe wie auch im
gesetzlichen Verstaumlndnis nach dem SGB IX Folgen von schweren undoder chronischen
Krankheiten sind (vgl SchmidtReker 2014 S 26)
Trotz allem muumlssen auch die vorhandenen Gesundheitspotentiale behinderter Menschen be-
ruumlcksichtigt werden denn an ihnen kann eine gelingende Gesundheitsfoumlrderung ansetzen (vgl
Altgeld 2008 S 8)9 Ein ressourcenorientierter Blick achtet besonders auf die verschiedenen
Potentiale die jedem Menschen (oder auch einer Gruppe von Menschen) innewohnen
Das Verhaumlltnis zwischen Gesundheit und Behinderung haumlngt in Deutschland und vielen Tei-
len der sog westlichen Welt aus sozialmedizinischem Blickwinkel nach wie vor so zusam-
men bdquoWhile a large number of individuals who are in bad health end up with a disability a
large number of persons with disabilities end up with bad healthldquo10
(Rimmer 2009 zit nach
MarksSisirakHeller 2010 S 31) Dieser Chiasmus verdeutlicht zusammenfassend nicht nur
die vorherrschende enge Verbindung zwischen schlechterer Gesundheit und Behinderung
sondern impliziert auch die Notwendigkeit von Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Be-
hinderungen Wie in 31 beschrieben hat Gesundheitsfoumlrderung auch den Abbau gesundheit-
licher Chancenungleichheit zum Ziel
42 Erreichbarkeit von Menschen mit Behinderungen fuumlr gesundheitsfoumlrdernde Maszlignahmen
Fuumlr die Gesundheitsfoumlrderung gelten Menschen mit Behinderungen als schwer zu erreichen
Es sollen nun die wesentlichen Probleme aber auch die vorhandenen Potentiale beschrieben
werden
9 Altgeld bezieht sich in seiner Analyse auf den Gesundheitsmonitor 2007 der Bertelsmann Stiftung Da dieser
Menschen mit Lernschwierigkeiten nicht mit einbezieht sondern vorwiegend koumlrper- und sinnesbeeintraumlchtige
Menschen beruumlcksichtigt koumlnnen seine Schlussfolgerungen nicht fuumlr die gesamte sehr heterogene Gruppe der
behinderten Menschen angewendet werden 10
Waumlhrend eine groszlige Anzahl an Personen welche eine schlechte Gesundheit besitzen eine Behinderung er-
langt erlangt eine groszlige Anzahl an Personen mit Behinderungen eine schlechte Gesundheit (Uumlbersetzung des
Verfassers)
22
421 Probleme bei der Erreichbarkeit
In den bundesweiten Untersuchungen wie bspw dem Sozio-oumlkonomischen Panel (SOEP)
oder Gesundheit in Deutschland aktuell (GEDA) werden Menschen mit Lernschwierigkeiten
idR nicht erreicht Dies hat zur Folge dass sowohl gesundheitliche Potentiale als auch Be-
duumlrfnisse und Bedarfe von Menschen mit Lernschwierigkeiten in der Gesundheitsfoumlrderung
weitgehend unerkannt und dadurch ausgeklammert bleiben (vgl Burtscher 2014 S 4)
Generell gelten behinderte Menschen bisher als schwer zu erreichen fuumlr Maszlignahmen zur Ge-
sundheitsfoumlrderung was verschiedene Gruumlnde hat Sozial benachteiligte Menschen sind sehr
haumlufig eine schwer erreichbare Zielgruppe fuumlr die Gesundheitsfoumlrderung Maszlignahmen auf der
gesamtgesellschaftlichen Ebene werden eher von Menschen mit houmlherem sozialen Status an-
genommen (Hurrelmann 2006 S 164) und erst spaumlter von sozial Benachteiligten internali-
siert Es waumlre jedoch ein Fehler Menschen mit Behinderungen automatisch zur Gruppe der
sozial benachteiligten Menschen zu rechnen Jedoch zeigt der Bundesteilhabebericht dass
behinderte Menschen haumlufiger erwerbslos sind und durchschnittlich weniger Gehalt verdienen
(BMAS 2013 S 141 ndash 149) Dass die finanzielle Lage von Beschaumlftigten der WfbMs beson-
ders prekaumlr ist wird im Punkt 43 naumlher erlaumlutert Diese soziooumlkonomischen Merkmale sind
jedoch nur ein Aspekt Auch gilt es zu bedenken dass besonders Maszlignahmen auf der Verhal-
tensebene bei sozial benachteiligten Menschen oft wenig angenommen werden da sie mit den
eigenen dauerhaften Lebensvorstellungen nicht uumlbereinstimmen (vgl Hurrelmann 2006
S 164) So nehmen Menschen mit Behinderung nur sehr selten an Angeboten oumlffentlicher
Einrichtungen wie bspw Volkshochschulkursen oder Rehabilitations-Sport-Maszlignahmen teil
(vgl Burtscher 2014 S 5)
Ein weiterer Punkt ist dass das Thema Gesundheitsfoumlrderung in der Behindertenarbeit traditi-
onell kaum etabliert war Laut einer Studie aus dem Jahr 2004 sehen Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter in Behinderteneinrichtungen haumlufig wenig Relevanz in Sport Bewegung und Er-
naumlhrung fuumlr die Foumlrderung der Gesundheit behinderter Menschen Daruumlber hinaus schreiben
sie auch Selbstbewusstsein Selbststaumlndigkeit und Selbstbestimmung nur eine untergeordnete
Rolle zu (vgl Gembris-Nuumlbel 2004 S 144) Allerdings besteht die Chance dass diese Ein-
stellung sich in den letzten zehn Jahren veraumlndert hat Die Ergebnisse der im Rahmen dieser
Arbeit durchgefuumlhrten Feldbefragung geben Anlass zu dieser Annahme (siehe 443) Auszliger-
dem ist fuumlr viele Menschen mit Lernschwierigkeiten der Zugang zu Informationen welche
Gesundheitsfoumlrderung thematisieren nur schwer moumlglich Hier sind folglich Vermittlung und
Unterstuumltzung oft notwendig (vgl Gembris-Nuumlbel 2004 S 82)
23
Auch von der Politik wird das Thema der Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen
bisher nur sehr selten thematisiert Seltene Ausnahmen wie zB die 22 Landesgesundheits-
konferenz in Nordrhein-Westfalen weisen jedoch auf die Wichtigkeit von Gesundheitsfoumlrde-
rung hin welche die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben verbessern kann (vgl Ministerium
fuumlr Gesundheit Emanzipation Pflege und Alter des Landes Nordrhein-Westfalen 2013
S 31) Hervorgehoben wird hier auch die (zukuumlnftige) Gestaltung der Informationen damit
diese fuumlr alle zugaumlnglich sind Des Weiteren soll auch das Bewusstsein saumlmtlicher Beteiligten
im Bereich der Gesundheitsfoumlrderung sensibilisiert werden (vgl Ministerium fuumlr Gesundheit
Emanzipation Pflege und Alter des Landes Nordrhein-Westfalen 2013 S 32)
Schon im Grundschulalter werden behinderte Kinder oft nicht erreicht da Gesundheitsfoumlrde-
rung sehr haumlufig nur in Regelgrundschulen und weiterfuumlhrenden Schulen und nicht in separie-
renden Foumlrderschulen stattfindet (vgl Reuter 2009 S 1819)
422 Potentiale fuumlr die Erreichbarkeit
Allerdings muumlssen auch die Potentiale betrachtet werden die fuumlr eine Erreichbarkeit behin-
derter Menschen zur Gesundheitsfoumlrderung vorhanden sind Auch diese bestehen in allen Al-
tersgruppen zB im fruumlhen Schulalter Im Zuge der Inklusion bei der immer mehr Kinder
mit Behinderungen in Regelschulen unterrichtet werden ist zu hoffen dass sie zukuumlnftig haumlu-
figer an Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung teilhaben koumlnnen Solange es (noch) Foumlrder-
schulen gibt muss auch auf deren (oft ungenutztes) Potential fuumlr gesundheitsfoumlrdernde Maszlig-
nahmen hingewiesen werden das in ihrer oft ganztaumlgigen Betreuung und den damit verbun-
denen Ressourcen liegt
Nicht nur in der Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Kindern sind bereits Potentiale vor-
handen Generell weisen Gesundheitsfoumlrderung und Behindertenarbeit sehr groszlige Gemein-
samkeiten in Sprache Prinzipien und Zielen auf Beide zielen letztendlich ab auf Inklusion
Partizipation Empowerment Entwicklung persoumlnlicher Faumlhigkeiten Einbindung in die Ge-
meinde die Neuorientierung von Gesundheitsdienstleistungen und die Foumlrderung von Um-
welten welche Gesundheit und Lebensqualitaumlt verbessern (vgl Lennox 2002 S 231) Es soll
auch darauf hingewiesen werden dass viele behinderte Menschen sehr an Informationen uumlber
Gesundheit interessiert sind und aktiv nach Informationen suchen (vgl Altgeld 2008 S 8)
Abschlieszligend laumlsst sich auffuumlhren dass gerade der Setting-Ansatz wie er in Punkt 34 darge-
stellt wurde eine sehr gute Moumlglichkeit bietet Menschen mit Behinderungen zu erreichen Er
24
bietet einen Zugangspunkt und kann Ausgangslage sein sowohl fuumlr verhaltens- als auch fuumlr
verhaumlltnisorientierte Maszlignahmen zur Foumlrderung der Gesundheit von Menschen mit Behinde-
rungen
Obwohl behinderte Menschen in der Vergangenheit nur selten gezielt an Maszlignahmen zur
Gesundheitsfoumlrderung beteiligt wurden sind doch einige Potentiale vorhanden an denen an-
zuknuumlpfen lohnenswert scheint
43 Das Setting Werkstatt fuumlr behinderte Menschen
WfbMs sind spezielle Einrichtungen fuumlr Menschen mit Behinderungen die nach dem SGB IX
als behindert gelten (siehe 21) Nach sect 136 SGB IX dienen diese Einrichtungen der bdquoTeilhabe
behinderter Menschen am Arbeitsleben [hellip] und zur Eingliederung in das Arbeitslebenldquo
Dadurch sind sie nicht Teil des allgemeinen Arbeitsmarktes da ihre Beschaumlftigten bdquowegen
Art oder Schwere der Behinderung nicht noch nicht oder noch nicht wieder auf dem allge-
meinen Arbeitsmarkt beschaumlftigt werden koumlnnenldquo (sect 136 Abs 1 SGB IX) Ihr Ziel ist es be-
hinderte Menschen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt vorzubereiten Die Beschaumlftigten arbei-
ten in verschiedensten Bereichen zB im Handwerk oder in Taumltigkeiten der elektronischen
Datenverarbeitung je nach persoumlnlicher Neigung Da es sich um kein typisches sozialversi-
cherungspflichtiges Arbeitsverhaumlltnis handelt sondern um ein bdquoarbeitnehmeraumlhnliches
Rechtsverhaumlltnisldquo11
(sect 138 SGB IX) bekommen die Beschaumlftigten keinen Lohn der dem
Mindestlohn entspricht Nach sect 138 SGB IX setzt sich ihr Arbeitsentgelt zusammen aus ei-
nem Grundbetrag und einem leistungsbemessenen Steigerungsbetrag Im Jahr 2011 verdiente
ein Beschaumlftigter im Durchschnitt 180 Euro monatlich (vgl BAG WfbM 2014) bei 35 bis 40
Arbeitsstunden pro Woche Von einer groszligen Steigerung in den letzten Jahren ist nicht auszu-
gehen Somit benoumltigen Beschaumlftigte einer WfbM idR neben ihrem Arbeitsentgelt Grundsi-
cherung Dies hat zur Folge dass sie haumlufig in prekaumlren soziooumlkonomischen Verhaumlltnissen
leben
Jede Werkstatt ist soziologisch betrachtet ein eigenes System mit individuellen Merkmalen
die unter anderem vom Standort dem Fachpersonal dem Traumlger und den Beschaumlftigten ge-
kennzeichnet sind (vgl SchlummerSchuumltte 2006 S 81) Gesetzlich festgelegt ist in sect 139
11
Begruumlndet wird dieses Rechtsverhaumlltnis haumlufig durch den Kuumlndigungsschutz Eine Werkstatt kann einen
Werkstattvertrag mit einer Beschaumlftigten oder einem Beschaumlftigten nur in seltenen Faumlllen gegen ihren oder sei-
nen Willen aufheben
25
SGB IX dass die Beschaumlftigten aus ihrer Mitte heraus regelmaumlszligig einen Werkstattrat waumlhlen
Genaueres regelt hier die Werkstaumltten-Mitwirkungsverordnung (WMVO) Wie ihr Name al-
lerdings schon sagt handelt es sich hier um die Moumlglichkeit der Mitwirkung nicht der Mitbe-
stimmung Diese kann nur erreicht werden wenn Werkstatt und Werkstattrat nach sect 5 Abs 4
WMVO eine weitergehende Vereinbarung treffen Zu den Aufgaben des Werkstattrates ge-
houmlrt es die Interessen der Beschaumlftigten in verschiedenen Angelegenheiten gegenuumlber der
Werkstatt zu vertreten Diese sind in sect 5 Abs 1 WMVO aufgelistet Die Werkstatt muss den
Werkstattrat auszligerdem informieren wenn sie eine Maszlignahme durchfuumlhrt in der der Werk-
stattrat ein Mitwirkungsrecht besitzt12
Sollte kein Einverstaumlndnis in einer Beratung erzielt
werden koumlnnen beide Seiten sich an eine Vermittlungsstelle wenden (sect 5 Abs 3 WMVO)
Das tatsaumlchliche Ausmaszlig der Mitwirkung ist jedoch stets von der Werkstattleitung abhaumlngig
Solch eine fehlende gesetzliche Verankerung von Mitbestimmung steht der Partizipation be-
hinderter Menschen im Wege welche sowohl fuumlr die gesellschaftliche Inklusion als auch die
Gesundheitsfoumlrderung immens wichtig ist
44 Gesundheitsfoumlrderung in Werkstaumltten fuumlr behinderte Menschen
Zunaumlchst gilt es sich einen Uumlberblick uumlber den aktuellen Stand von Gesundheitsfoumlrderung in
WfbMs zu verschaffen Einen ersten Einblick soll die dazu vorhandene Literatur liefern Da-
nach soll ein Abgleich dieser mit der Praxis stattfinden der sich aufgrund des gesetzten Rah-
mens dieser Arbeit nur auf einige Werkstaumltten des Bundeslandes Berlin konzentriert Hierfuumlr
werden jeweils die Leitbilder untersucht und Stimmen aus der Werkstatt ausgewertet
441 Recherche zum aktuellen Stand
Die Literatur zum Thema Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen in WfbMs ist
noch sehr duumlnn Vollstaumlndig ausgearbeitete Konzepte gibt es bisher nicht veroumlffentlicht wur-
den Berichte von abgeschlossenen oder noch laufenden Projekten Werner Schlummer wis-
senschaftlicher Mitarbeiter der Universitaumlt zu Koumlln begleitete ein Projekt zum Betrieblichen
12
Eine ausfuumlhrliche Beschreibung der Mitwirkungs- und Unterrichtungsrechte des Werkstattrates ist bei
SchlummerSchuumltte 2006 S 71 ndash 82 nachzulesen
26
Gesundheitsmanagement13
in einer WfbM zusammen mit acht Studierenden der Universitaumlt
(vgl Schlummer 2015 S 33) Auch das Projekt GESUND als Teilprojekt von PartKomm-
Plus (Forschungsverbund fuumlr gesunde Kommunen) wird wissenschaftlich durch die Katholi-
sche Hochschule fuumlr Sozialwesen begleitet (vgl Burtscher 2014 S 6)
Als Ausnahme kann das Projekt bdquoSelbstbestimmt gesuumlnderldquo im Rahmen des Programmes
bdquoHealthy Athletesldquo gesehen werden Hier bringt Special Olympics Deutschland eV Maszlig-
nahmen zur Gesundheitsfoumlrderung in die Lebenswelten behinderter Menschen Bei Healthy
Athletes werden Sportlerinnen und Sportler bei Veranstaltungen von Special Olympics kos-
tenlose Beratungen und Kontrolluntersuchungen angeboten Diese Angebote werden jedoch
auch auf Wohnheime und WfbMs ausgeweitet (vgl Special Olympics Deutschland a) S 2
eigene Paginierung) Auch das Projekt bdquoSelbstbestimmt gesuumlnderldquo bringt gesundheitsfoumlrdern-
de Maszlignahmen in Werkstaumltten Dabei werden bdquoTeilnehmern individualisierte Handlungsemp-
fehlungen zum Gesundheitsverhalten zur Verfuumlgung gestelltldquo (Special Olympics Deutschland
b) oS) Das Projekt setzt auszligerdem auf die Wirkung von Peer-Multiplikatorinnen und
-Multiplikatoren
Weitere Projekte sind trotz intensiver Recherche nicht bekannt Auch die Bundesarbeitsge-
meinschaft Werkstaumltten fuumlr behinderte Menschen eV (BAG WfbM) hat auf ihrer Homepa-
ge14
keinen Artikel zur Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung in WfbMs
Gibt man in der Suchmaske bdquoGesundheitsfoumlrderungldquo ein erhaumllt man zwei Ergebnisse einen
Artikel uumlber ein neu entwickeltes Computerspiel das von Kindern mit unterschiedlichen Be-
hinderungen gespielt werden kann und einen Artikel zum Qualifizierungsprogramm bdquoGe-
sundheitsfoumlrderung durch Schluumlsselqualifikationenldquo das sich nicht an Beschaumlftigte sondern
an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in WfbMs richtet Dies legt den Schluss nahe dass Ge-
sundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen in WfbMs bisher kaum verbreitet ist
Das Thema Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung als solches wurde in den
letzten Jahren zunehmend in der Literatur behandelt wobei die Anzahl der Veroumlffentlichun-
gen nach wie vor auf einem uumlberschaubaren Stand ist
13
Schlummers Verstaumlndnis von Betrieblichem Gesundheitsmanagement und Betrieblicher Gesundheitsfoumlrderung
sind beinahe synonym Das beschriebene Projekt kann daher im erweiterten Rahmen durchaus als Projekt zur
Gesundheitsfoumlrderung gesehen werden 14
httpwwwbagwfbmde (Stand 11112015)
27
442 Konzepte und Leitbilder von Einrichtungen der Praxis
Betrachtet werden vier verschiedene WfbMs und ihre Leitbilder Es handelt sich um die vier
Werkstaumltten von denen auch im Rahmen der Feldbefragung Stimmen einer Mitarbeiterin oder
eines Mitarbeiters und zT von Beschaumlftigten gewonnen werden konnten (siehe 443 und
Anhang Nr 2)
Aufgrund der jeweiligen Traumlgerstrukturen besitzt lediglich eine der Werkstaumltten15
als solche
ein eigenes Leitbild Bei den anderen drei Werkstaumltten muss auf das Leitbild des jeweiligen
Traumlgers zuruumlckgegriffen werden Das Thema der Gesundheit der Klientinnen und Klienten
bzw Werkstattbeschaumlftigten wird allerdings in keinem Leitbild thematisiert Auch die Such-
funktionen auf den jeweiligen Homepages bzw intensive Recherchen auf diesen brachten
keine Ergebnisse zum Stichwort bdquoGesundheitsfoumlrderungldquo Daraus laumlsst sich schlieszligen dass
Gesundheitsfoumlrderung der Werkstattbeschaumlftigten in den theoretischen Konzeptionen von
WfbMs meist nicht verankert ist
443 Gesundheitsfoumlrderung in der alltaumlglichen Praxis der Werkstaumltten ndash eine kleine Feldbe-
fragung
Im Rahmen des Informationstages der Berliner Landesarbeitsgemeinschaft Werkstaumltten fuumlr
behinderte Menschen eV (LAG WfbM) am 17112015 im Estrel Hotel Berlin wurden je-
weils eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter von vier verschiedenen WfbMs zum Thema Ge-
sundheitsfoumlrderung mit den Beschaumlftigten in der Werkstatt befragt (siehe Anhang Nr 2) Die
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben alle eine vergleichbare Position Begleitender Dienst
Paumldagogischer Dienst oder Sozialdienst In einer der Werkstaumltten konnten uumlberdies auch
Stimmen von Beschaumlftigten gewonnen werden16
Die Ergebnisse weisen keine empirische
Repraumlsentativitaumlt auf da der knappe Rahmen dieser Arbeit eine repraumlsentative empirische
Forschungsarbeit kaum zulaumlsst Die Befragungen sollen dazu dienen einen Einblick in den
Alltag der WfbMs zu ermoumlglichen und die in der Literatur und den Leibildern gewonnenen
Perspektiven zu erweitern
15
Aus Gruumlnden des Datenschutzes duumlrfen in der hier publizierten Version die Namen der Werkstaumltten nicht
genannt werden 16
In zwei der Werkstaumltten konnten keine Stimmen von Beschaumlftigten erhoben werden da eine Befragung in der
Werkstatt von den befragten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern abgelehnt wurde Der Mitarbeiter der dritten
Werkstatt signalisierte zwar waumlhrend der Befragung Zustimmung jedoch fehlte diese spaumlter von Seiten der Lei-
tung
28
Der Begriff bdquoGesundheitsfoumlrderungldquo wird von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sehr
unterschiedlich interpretiert Die Spannbreite liegt von einem Verstaumlndnis aumlhnlich des hier
dargelegten bis hin zu therapeutischer und rehabilitativer Foumlrderung Die angebotenen Maszlig-
nahmen welche einer Foumlrderung der Gesundheit dienen sollen sind jedoch bei allen aumlhnlich
Meist handelt es sich um Musik- Sport- und Bewegungsangebote die im Rahmen von sog
Begleitenden Maszlignahmen verankert sind Daruumlber hinaus werden auch entlastende Bewegun-
gen in den Arbeitsgruppen angeboten und ein Gesundheitstag in Kooperation mit Special
Olympics Deutschland geplant (eine Werkstatt) Eine andere Werkstatt kooperiert mit der
Fitnessstudiokette Fitness First Kurse zu gesunder Ernaumlhrung und Kochen werden teilweise
angeboten oder sind in Planung Nach Aussagen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden
die Maszlignahmen meist gut angenommen In einer Werkstatt wird sogar gemeinsam mit dem
Werkstattrat an einer Peer-Beratung gearbeitet mit der den Beschaumlftigten der Zugang zu den
Themen Bildung und Gesundheit verbessert werden soll Schwierigkeiten bestehen besonders
bzgl der Raumlume zB bei Turnhallen fuumlr Fuszligball
Eine Partizipation bei der Entwicklung von Angeboten ist nur teilweise gegeben Es wird
zwar in allen befragten Werkstaumltten nach Interessen der Beschaumlftigten gefragt und dement-
sprechend die Kurse angeboten jedoch besteht nur selten die Moumlglichkeit fuumlr die Beschaumlftig-
ten aktiv den jeweiligen Kurs durch eigene Entscheidungen mitzugestalten In einer Werk-
statt ist das bspw abhaumlngig von der Kursart von der Kursleiterin bzw dem Kursleiter und
vom Konzept Evaluiert werden die Angebote meist nur durch Nachfrage in den idR jaumlhr-
lich stattfindenden Entwicklungsgespraumlchen mit den einzelnen Beschaumlftigten und teilweise
daruumlber hinaus mit Fragebogen oder durch die Kursleiterin bzw den Kursleiter Eine Werk-
statt fuumlhrt sogar Statistiken zur Nachfrage Eine partizipative Evaluation findet in keiner der
befragten Werkstaumltten statt
Die befragten Beschaumlftigten einer der Werkstaumltten zeigten sich mit dem Angebot an gesund-
heitsfoumlrdernden Maszlignahmen groumlszligtenteils sehr zufrieden und empfanden die Anzahl der An-
gebote als meist genuumlgend Geaumluszligert wurde lediglich der Wunsch nach weiteren Angeboten
zu gesunder Ernaumlhrung und nach einem besseren Angebot an gesunden Speisen Das Ver-
staumlndnis von Gesundheitsfoumlrderung ist unterschiedlich Auffaumlllig ist dass auf der einen Seite
Aumlrzte und Besuche bei diesen wichtig scheinen gleichzeitig aber auch das Achten auf die
eigene Gesundheit als Teil der Gesundheitsfoumlrderung gilt Besonders letzterer Aspekt weist
darauf hin dass bei den Befragten ein gewisses Grundverstaumlndnis von Gesundheitsfoumlrderung
vorhanden ist das dem in dieser Arbeit verwendeten aumlhnelt Die Wichtigkeit der aumlrztlichen
29
Betreuung laumlsst jedoch zugleich auch auf ein eher bdquotraditionellesldquo bio-medizinisches Gesund-
heitsverstaumlndnis schlieszligen
Als angebotene Maszlignahmen werden meist Sport- und Bewegungsangebote genannt aber
auch eine Apfelpause um kurz von der Arbeit entspannen zu koumlnnen Daruumlber hinaus gab es
Angebote zur Fuszlighygiene und zur Zahn- und Augengesundheit Hier ist der Uumlbergang zwi-
schen Gesundheitsfoumlrderung und Praumlvention flieszligend Bzgl (zukuumlnftiger) Angebote werden
die Beschaumlftigten nach ihren Wuumlnschen gefragt aber eine wirkliche Mitbestimmung in Kon-
zeption und Planung dieser scheint nicht gegeben Auch bei der Evaluation findet bisher keine
Partizipation statt Die Befragung hat jedoch den bisherigen Eindruck bestaumltigt dass gesund-
heitsfoumlrdernde Maszlignahmen in WfbMs von behinderten Menschen durchaus nachgefragt wer-
den und die Werkstaumltten versucht sind im Rahmen der begleitenden Maszlignahmen ein sehr
breites Feld abzudecken Negativ scheint besonders das weitgehende Fehlen partizipativer
Strukturen
In den Werkstaumltten werden viele Angebote im Rahmen begleitender Maszlignahmen offeriert die
fuumlr die Gesundheit foumlrderlich sind Als Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung die die Prinzi-
pien der BVPG verinnerlichen koumlnnen sie jedoch nicht gesehen werden da zB die Partizipa-
tion eine eher untergeordnete Rolle spielt und die Thematik meist auf Sport- und zT Ernaumlh-
rungsangebote beschraumlnkt bleibt Auch werden die Effekte der Maszlignahmen nicht evaluiert
Entspannungsangebote werden nur selten angeboten und der Fokus richtet sich meist nur auf
die koumlrperliche Gesundheit
Daruumlber hinaus zeigt die Befragung aber auch welch groszliges Potential zur Gesundheitsfoumlrde-
rung in den Werkstaumltten liegt Mit den begleitenden Maszlignahmen sind Strukturen verankert in
denen Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung leicht integriert werden koumlnnen Offenheit fuumlr
Kooperationen scheint vielfach gegeben (zB mit Special Olympics Deutschland Fitness
First) sodass auch eine Kooperation mit den Krankenkassen und weiteren Partnern vorstell-
bar scheint Dies wuumlrde den Vorteil finanzieller Foumlrderung und Expertise durch Erfahrungen
mit bereits durchgefuumlhrten Maszlignahmen einbringen Die befragten Mitarbeiterinnen und Mit-
arbeiter schienen Gesundheitsfoumlrderung gegenuumlber prinzipiell sehr positiv eingestellt
Auch wenn in den Leitbildern und auf den Homepages Gesundheitsfoumlrderung nicht themati-
siert wird gibt es in der Praxis schon verschiedene Maszlignahmen und Projekte mit der Intenti-
on die Gesundheit der Beschaumlftigten zu verbessern
30
45 Anregungen fuumlr die Praxis
Vor dem Hintergrund der zu Rate gezogenen Literatur und den gewonnen Erkenntnissen
durch die Feldbefragung werden nun einige Uumlberlegungen fuumlr die Praxis einer gelingenden
Gesundheitsfoumlrderung getroffen Diese koumlnnen als moumlgliche Anregungen zur Umsetzung ver-
standen werden
451 Partizipation und Empowerment in der Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behin-
derung
Erfolgreiche Gesundheitsfoumlrderung braucht Partizipationsmoumlglichkeiten fuumlr die jeweilige
Zielgruppe Partizipation ist schlieszliglich nicht nur Teilnahme sondern aktive Teilhabe und
damit einhergehend die Moumlglichkeit mitzubestimmen und mitzuentscheiden Dazu gehoumlrt
auch die Definitionsmacht also die Macht (mit)zubestimmen an welche die Gesundheit be-
treffenden Aspekte in einer Maszlignahme zur Gesundheitsfoumlrderung herangegangen werden soll
(vgl Wrightvon UngerBlock 2010 S 39) Diese aktive Teilhabe muss also bereits zu Be-
ginn einer Maszlignahme Teil dieser sein Partizipation bedeutet folglich auch Macht Partizipa-
tion zu ermoumlglichen bedeutet Empowerment also die Ermaumlchtigung eines Individuums oder
einer Gruppe So bekommt Partizipation in der Gesundheitsfoumlrderung auch eine gesellschaft-
liche und politische Komponente denn dadurch koumlnnen Menschen mit Behinderungen lernen
mitzubestimmen mitzuentscheiden und eigene Interessen zu vertreten Diese erlernten Faumlhig-
keiten lassen sich auf die Handlungsebene in einer demokratischen Gesellschaft uumlbertragen
Sowohl Empowerment als auch Partizipation gehoumlren zu den in 31 erwaumlhnten Prinzipien der
BVPG Diese weist darauf hin dass Partizipation in saumlmtlichen Phasen einer Maszlignahme ge-
geben sein muss beginnend mit der Bedarfsanalyse der Planung in der Durchfuumlhrung und
abschlieszligend in der BewertungEvaluation So kann die Wirksamkeit einer Maszlignahme erhoumlht
werden (vgl BVPG 2013 S 90) Teilhabe kann als ein wichtiger Bestandteil der Qualitaumltssi-
cherung gesehen werden Bisher finden Maszlignahmen zur Qualitaumltssicherung nur selten unter
Partizipation der Zielgruppe statt Diese partizipativ zu beteiligen hilft die Qualitaumlt der Ge-
sundheitsfoumlrderung aufrechtzuerhalten oder sogar zu verbessern (vgl Wrightvon Un-
gerBlock 2010 S 35)
Teilhabe ist bei behinderten Menschen besonders wichtig Ihr Leben ist haumlufig von Beginn an
stark fremdbestimmt und von Abhaumlngigkeit gepraumlgt Somit lernen sie seltener als nicht behin-
31
derte Menschen Verantwortung zu uumlbernehmen und selbststaumlndig zu agieren Dies kann bis
hin zur sog bdquoerlernten Hilflosigkeitldquo fuumlhren Vor diesem Hintergrund scheint Partizipation
umso wichtiger aber auch umso arbeitsintensiver Sie ist daher in der Praxis der Gesundheits-
foumlrderung haumlufig sehr arbeitsintensiv und benoumltigt folglich zeitliche Ressourcen und damit
einhergehend finanzielle Ressourcen (vgl Loss 2009 S 10)
Traditionell sind viele Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung top-down organisiert das be-
deutet eine Einrichtung ein Geldgeber etc plant eine Maszlignahme fuumlhrt diese durch und eva-
luiert sie Zur Erreichung der eigenen Ziele wird die Zielgruppe mobilisiert ohne ein Mitspra-
cherecht zu den einzelnen Bausteinen der Maszlignahme zu haben Diese Struktur verdeutlicht
das Maumlchteungleichwicht zwischen Anbieter und Zielgruppe und zementiert den Status be-
hinderter Menschen als Abhaumlngige und Ohnmaumlchtige Der Gegensatz zu top-down-
Programmen ist der bottom-up-Ansatz Hier findet eine Machtteilung statt da die Gesund-
heitsfoumlrderinnen und Gesundheitsfoumlrderer ihre Macht mit der Zielgruppe teilen und eher die
Rolle von Unterstuumltzerinnen und Unterstuumltzern einnehmen Die Zielgruppe soll unterstuumltzt
werden ihre eigenen Probleme festzustellen und Loumlsungen sowie Maszlignahmen zu erarbeiten
In der Planung Durchfuumlhrung und Evaluation kommt ihr damit eine aktive Rolle zu (vgl La-
verack 2010 S 77) Bottom-up-Programme scheinen daher fuumlr Partizipation und Empower-
ment geeigneter als top-down-Strukturen Allerdings schlieszligen sich beide Ansaumltze nicht
zwingend aus sondern Maszlignahmen koumlnnen Eigenschaften beider Ansaumltze aufweisen In
WfbMs scheinen Maszlignahmen sehr haumlufig top-down organisiert zu sein Die staumlrkere Veranke-
rung von bottom-up-Strukturen waumlre hier im Sinne einer Teilhabe ndash in der Werkstatt wie auch
daruumlber hinaus auf gesellschaftlicher Ebene ndash vorteilhaft und wuumlnschenswert
452 Peer-Multiplikatorinnen und -Multiplikatoren
Eine Strategie die in der Praxis der Gesundheitsfoumlrderung bereits mit positiven Ergebnissen
getestet wurde sind Peer-Multiplikatorinnen und -Multiplikatoren Das Modell der Multipli-
katorinnen und Multiplikatoren war bereits Grundlage vieler gesundheitsfoumlrdernder Maszlignah-
men mit sozial benachteiligten Menschen die auch in der Literatur vielfach dokumentiert
sind Auch in der Arbeit mit behinderten Menschen ist dieses Konzept nicht neu Auf Maszlig-
nahmen zur Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung wurde es bisher kaum an-
gewandt scheint jedoch erfolgsversprechend Das Projekt GESUND welches mit einer Ber-
liner WfbM durchgefuumlhrt wird arbeitet mit diesem Konzept (vgl Burtscher 2014 S 8) Die
32
Funktion von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren besteht darin Kenntnisse und Informa-
tionen zur Gesundheit(-sfoumlrderung) der Zielgruppe mit Hilfe der ihnen innewohnenden Ver-
trauensstellung naumlher zu bringen Sie haben daher eine bdquoMittlerfunktionldquo (BVPG 2013 S 92)
zwischen Durchfuumlhrenden und Zielgruppe Voraussetzung dafuumlr ist dass sie der Zielgruppe
angehoumlren oder zumindest eine sehr enge Verbindung zu ihr besitzen Im Zuge einer Maszlig-
nahme werden sie selbst gestaumlrkt sozusagen bdquoempowertldquo Ihre Mittlerfunktion funktioniert
allerdings auch in die andere Richtung Sie bringen den Durchfuumlhrenden die Perspektive der
Zielgruppe naumlher Im Idealfall fuumlhrt der Einsatz von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren
zur Aktivierung der Zielgruppe die ihr selbstbestimmtes Handeln auch auf andere Bereiche
ausdehnen kann (vgl Stickan-Verfuumlrth 2005 S 108) Diesem Modell sehr aumlhnlich ist das
Modell des Peer-Counseling Hier stehen Mitglieder der Zielgruppe in beratender Funktion
ihrer Peer-Gruppe zur Verfuumlgung
453 Verknuumlpfung von Betrieblicher Gesundheitsfoumlrderung und Gesundheitsfoumlrderung in
Werkstaumltten fuumlr behinderte Menschen
Eine Uumlbertragung der Idee der Betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung auf die Gesundheitsfoumlrde-
rung in WfbMs scheint in der Tat realisierbar Den rechtlichen und finanziellen Rahmen hier-
fuumlr hat das 2015 beschlossene Praumlventionsgesetz geschaffen (siehe 33) Im Entwurf der Bun-
desregierung wird in der Anmerkung zum neuen sect 20 Abs 4 SGB V explizit darauf hinge-
wiesen dass Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung auch in WfbMs zum Leistungsspektrum der
Krankenkassen gehoumlrt (vgl Deutscher Bundestag 2015 S 34) Eine Etablierung hiervon in
der Praxis haumlngt in erster Linie neben den Krankenkassen auch von den Leitungen der WfbMs
ab Sollten diese hierfuumlr und auch gegenuumlber partizipativen Strukturen offen sein waumlre der in
351 kurz vorgestellte Gesundheitszirkel ein passender Startpunkt um von Beginn an auch
die Partizipation der Beschaumlftigten zu gewaumlhrleisten Analog zum Konzept der BGF koumlnnten
gemeinsam Maszlignahmen erarbeitet werden die die Gesundheit der Beschaumlftigten foumlrdern wuumlr-
den Den Vertreterinnen und Vertretern der Beschaumlftigten die im Gesundheitszirkel mitwir-
ken koumlnnte dabei die Rolle von Peer-Multiplikatorinnen und -Multiplikatoren zukommen
Als Effekte duumlrften die in 351 beschriebenen auch hier zu erwarten sein eine Verbesserung
der Gesundheit und eine Staumlrkung der gesundheitlichen Ressourcen eine Verringerung der
krankheitsbedingten Fehltage eine staumlrkere Identifikation der Beschaumlftigten mit der Werk-
33
statt ein besseres Arbeitsklima eine houmlhere Motivation und Arbeitszufriedenheit und eine
Steigerung der Produktivitaumlt
Es empfiehlt sich im Sinne der Partizipation und des Empowerments kein reines top-down-
Programm zu starten sondern einen bottom-up-Ansatz zu waumlhlen bzw zumindest mehrere
Elemente dessen einzubauen Als Anknuumlpfungspunkt koumlnnen bereits bestehende begleitende
Maszlignahmen mit passender Thematik genommen werden
Wie bdquonormaleldquo Betriebe koumlnnten auch WfbMs Kooperationen in ihrem raumlumlichen Umfeld
aufbauen und von Vernetzungen profitieren Aufgrund ihrer Groumlszlige sind sie in ihrem Sozial-
raum ein meist nicht zu unterschaumltzender Akteur
34
5 Fazit und Ausblick
Ausgehend von einem bio-psycho-sozialen Verstaumlndnis von Gesundheit wurden verschiedene
Aspekte der Gesundheitsfoumlrderung vertieft und anschlieszligend eine Verknuumlpfung zur Gesund-
heitsfoumlrderung mit behinderten Menschen hergestellt Hierbei lag der Fokus auf gesundheits-
foumlrdernden Maszlignahmen in WfbMs Dabei wurde die aktuelle Literatur zu Rate gezogen In-
ternetauftritte einiger Werkstaumltten durchsucht und Stimmen aus dem Feld von Mitarbeiterin-
nen und Mitarbeitern sowie Beschaumlftigten von Werkstaumltten gewonnen
Die Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung ist noch immer relativ schwach
ausgebaut Dies stellt sich besonders vor dem Hintergrund als problematisch dass behinderte
Menschen haumlufig anfaumllliger fuumlr Krankheiten sind und durchschnittlich uumlber einen subjektiv als
schlechter bewerteten Gesundheitsstatus verfuumlgen als nichtbehinderte Menschen Wie viele
sozial benachteiligte Gruppen sind sie verhaumlltnismaumlszligig schwer zu erreichen fuumlr gesundheits-
foumlrdernde Maszlignahmen Obwohl es in der Erreichbarkeit mehrere Probleme gibt verfuumlgen
Menschen mit Behinderung auf der anderen Seite uumlber groszlige Potentiale Das neue Praumlventi-
onsgesetz ist ein erheblicher Fortschritt bei der Finanzierung gesundheitsfoumlrdernder Maszlignah-
men Sogar eine Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung in Werkstaumltten ist wenn auch nicht ex-
plizit verankert so doch zumindest gewuumlnscht
Gelingende Gesundheitsfoumlrderung muss sich im Allgemeinen und auch bei der Arbeit mit
behinderten Menschen an bestimmten Prinzipien messen lassen Besonders wichtig vor dem
gesellschaftlichen Hintergrund ist hier die Partizipation der Menschen mit Behinderung und
damit einhergehend das Empowerment dieser Beide wirken sich positiv auf die Qualitaumlt der
gesundheitsfoumlrdernden Maszlignahmen aus gehen jedoch auch daruumlber hinaus Sie koumlnnen Men-
schen mit Behinderungen auch auf gesellschaftlicher Ebene empowern sodass ihnen eine
groumlszligere gesellschaftliche Teilhabe zukommt Somit erlangt Gesundheitsfoumlrderung auch vor
dem Hintergrund der Inklusion eine hohe Relevanz
In WfbMs ist gezielte Gesundheitsfoumlrderung bisher wenig verbreitet Einzelne Projekte sind
eher die Ausnahme denn die Regel Jedoch sind die Potentiale der Werkstaumltten enorm Das
Personal scheint haumlufig offen fuumlr Maszlignahmen zu sein und gerade die Strukturen der beglei-
tenden Maszlignahmen lieszligen eine relativ einfache Integration von Maszlignahmen zur (betriebli-
chen) Gesundheitsfoumlrderung zu Bestehende begleitende Maszlignahmen in welchen Sport oder
Bildungsangebote zu gesunder Ernaumlhrung angeboten werden koumlnnten ohne uumlbermaumlszligigen
Aufwand zu gezielten Maszlignahmen fuumlr Gesundheitsfoumlrderung ausgebaut werden Nachholbe-
darf bestuumlnde hier vor allem auf dem Gebiet der Partizipation Nur selten scheinen die Be-
35
schaumlftigten in Konzeption Planung Durchfuumlhrung und Evaluation aktiv eingebunden zu sein
In bestimmten Phasen wie etwa der Konzeption und besonders der Evaluation scheint aktive
Teilhabe noch uumlberhaupt nicht verankert zu sein Eine staumlrkere Partizipation in allen Berei-
chen waumlre mit houmlherem Arbeits- und Kostenaufwand verbunden welcher durch eine Einbin-
dung der Krankenkassen moumlglicherweise aufgefangen werden koumlnnte Die Partizipation foumlr-
dern wuumlrde auch die Etablierung von Peer-Beratung und Peer-Multiplikatorinnen und
-Multiplikatoren Diesen kaumlme beim Zugang zur Zielgruppe eine Schluumlsselfunktion zu und
gleichzeitig koumlnnten sie Bedarfe und Beduumlrfnisse dieser gegenuumlber den anderen Akteuren
kommunizieren Auch wenn es bisher keine konkreten ausgearbeiteten Konzepte zur Gesund-
heitsfoumlrderung in WfbMs gibt koumlnnten bestehende Konzepte zur Betrieblichen Gesundheits-
foumlrderung eventuell leicht uumlberarbeitet fuumlr Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung in Werkstaumltten
analog angewendet werden
Die Potentiale und Moumlglichkeiten zur Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung
in WfbMs sind also mannigfaltig und haumlufig vorhanden Auf diesen koumlnnte aufgebaut werden
um behinderten Menschen das Recht auf das in Artikel 25 der UN-BRK festgeschriebene bdquoer-
reichbare Houmlchstmaszlig an Gesundheitldquo zu ermoumlglichen
Gesundheitsfoumlrderung ist mehr als Werbeplakate an Bus- oder Straszligenbahnhaltestellen und
Clips im Aktuellen Sportstudio sie ist mehr als Sportangebote und Angebote zu gesunder
Ernaumlhrung sie ist auch ein Weg zum Erreichen eines Menschenrechtes das Recht auf Ge-
sundheit
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41
Anhang
Nr 1 Abbildung zu den Hauptdeterminanten der Gesundheit nach DahlgreenWhitehead
2007 S 11
Nr 2 Befragung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Beschaumlftigten der WfbMs
42
Nr 1 Abbildung zu den Hauptdeterminanten der Gesundheit nach DahlgreenWhitehead
2007 S 11
43
Nr 2 Befragung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Beschaumlftigten der WfbMs
Um moumlglichst effizient die Stimmen aus vier WfbMs unterschiedlicher Traumlger zu erheben
wurden diese auf dem Infotag der LAG WfbM Berlin am 17112015 gesammelt Hier waren
verschiedene Werkstaumltten mit Informationsstaumlnden vertreten Gewaumlhlt wurden die Werkstaumlt-
ten an deren Staumlnden der Verfasser zuerst vorbeilief Die gestellten Fragen waren stets die-
selben
Den Vertretern der Werkstatt wurde zugesichert dass ihr Name nicht in der vorliegenden Ar-
beit genannt wird lediglich ihre Position in der Werkstatt wird erwaumlhnt Es wurden auszligerdem
keine weiteren Personendaten erhoben
Wenn moumlglich sollten auszligerdem fuumlnf Beschaumlftige pro WfbM befragt werden Hierfuumlr wurde
am Ende des kurzen Interviews um Erlaubnis gefragt Den Beschaumlftigten wurden andere Fra-
gen gestellt als dem Werkstattpersonal jedoch erhielten alle Beschaumlftigten dieselben Fragen
untereinander Den Beschaumlftigen wurde komplette Anonymitaumlt in der vorliegenden Arbeit
zugesichert und es wurden keine personenbezogenen Daten abgefragt Zuerst wurde nach
ihrem Verstaumlndnis von Gesundheitsfoumlrderung gefragt Vor den Fragen 2 bis 5 wurde kurz
erklaumlrt wie Gesundheitsfoumlrderung verstanden werden kann um davon ausgehend die restli-
chen Fragen zu beantworten
Bei saumlmtlichen Interviews wurde auf Transkriptionen verzichtet es wurden lediglich die
Kernaussagen mitgeschrieben
Im Folgenden finden sich exemplarisch die jeweils gestellten Fragen
44
Fragen an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der WfbM
Name der WfbM
Position der befragten Person Begleitender Dienst
1 Was verstehen Sie unter Gesundheitsfoumlrderung
2 Was bieten Sie im Rahmen der Gesundheitsfoumlrderung an
3 Wie werden die Maszlignahmen angenommen
4 Wuumlrden Sie gerne mehr anbieten oder finden Sie die Angebote ausreichend
5 Gibt es Schwierigkeiten
6 Wie steht es um die Partizipation in den Angeboten (Werden die Angebote von Beschaumlf-
tigten mitentwickelt mitevaluiert etc)
7 Werden die Angebote evaluiert
45
Fragen an die Beschaumlftigen der WfbM
Name der WfbM
Datum
1 Wissen Sie was Gesundheitsfoumlrderung ist Wenn ja wie wuumlrden sie es beschreiben
[Moumlgliche Erklaumlrung fuumlr Beschaumlftigte die sich nichts unter Gesundheitsfoumlrderung vorstellen
koumlnnen Zur Gesundheitsfoumlrderung gehoumlrt alles was fuumlr Ihre Gesundheit gut ist zB Kur-
seMaszlignahmen usw die mit Bewegung Ernaumlhrung Wohlfuumlhlen am Arbeitsplatz oder Ent-
spannen zu tun haben]
2 Welche Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung werden Ihnen von der Werkstatt angebo-
ten
3 Werden Ihrer Meinung nach genuumlgend Angebote zur Gesundheitsfoumlrderung in der Werk-
statt angeboten
4 Duumlrfen Sie bei der Entwicklung und Evaluation (Auswertung am Ende) mitbestimmen
5 Was sind Ihre Wuumlnsche bezuumlglich der Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung
20
Der Teilhabebericht des Bundesministeriums fuumlr Arbeit und Soziales (BMAS) kommt zu dem
Ergebnis dass Menschen mit Behinderungen ihre Gesundheit haumlufig schlechter einschaumltzen
als Menschen ohne Behinderungen Dies gilt auch fuumlr das psychische Wohlbefinden welches
im ganzheitlichen Verstaumlndnis von Gesundheit das dieser Arbeit zugrunde liegt (siehe 22)
ebenfalls Teil der Gesundheit ist Auch hat ein Mensch mit Behinderung in Deutschland im
Durchschnitt mehr Krankheitstage8 als ein nicht behinderter Mensch Menschen mit Behinde-
rung konsultieren statistisch betrachtet in einem bestimmten Zeitraum haumlufiger einen Arzt als
die durchschnittliche Bevoumllkerung Dies duumlrfte ua an dem als schlechter wahrgenommenen
Gesundheitszustand liegen aber auch an der Komorbiditaumlt bestimmter Behinderungen Bzgl
des Rauchverhaltens Alkoholkonsums und einer gesundheitsbewussten Ernaumlhrung bestehen
nur relativ geringe Unterschiede zur Gesamtbevoumllkerung Auffaumlllig ist lediglich dass die
Gruppe der 18- bis 29-Jaumlhrigen Menschen mit Behinderung zu einem houmlheren Anteil regel-
maumlszligig raucht Alkohol trinkt und seltener auf gesunde Ernaumlhrung achtet In den anderen Al-
tersgruppen bestehen kaum nennenswerte Unterschiede (vgl BMAS 2013 S 192 ndash 204)
Menschen mit Behinderungen haben im Durchschnitt eine geringere Lebenserwartung wobei
es hier Unterschiede zwischen einzelnen Syndromen gibt (vgl MarksSisirakHeller 2010
S 3) Bei einigen kann die jeweilige Behinderung selbst der Ausloumlser sein jedoch besteht
besonders bei Menschen mit Lernschwierigkeiten die Gefahr dass Krankheiten nicht richtig
erkannt oder nur unzureichend behandelt werden (vgl Lennox 2002 S 230) Ausschlagge-
bend hierfuumlr duumlrfte sein dass im Gesundheitsbereich verschiedenste Barrieren existieren Zum
Beispiel ist nur ein Teil der Arztpraxen barrierefrei wobei besonders haumlufig passende Unter-
suchungsmoumlbel und Informationsmaterial in Leichter Sprache fehlen (vgl BMAS 2013
S 200201) Ebenfalls negativ wirkt sich aus dass Aumlrzte teilweise unsicher im Umgang mit
Menschen mit Lernschwierigkeiten sind und diese zT auszligerdem ihre Symptome nicht praumlzi-
se genug beschreiben koumlnnen oder uumlber eine geringer differenzierte Wahrnehmung des eige-
nen Koumlrpers verfuumlgen als Menschen ohne Behinderung (vgl SchmidtReker 2014 S 28)
Des Weiteren haben Menschen mit Lernschwierigkeiten statistisch gesehen haumlufiger Uumlberge-
wicht als der Durchschnitt der Bevoumllkerung Hier muss jedoch beruumlcksichtigt werden dass
mit bestimmten Syndromen wie bspw dem Down-Syndrom ein veraumlnderter Energiebedarf
aufgrund der geringeren Muskelspannung einhergeht oder das Saumlttigungsgefuumlhl zB beim
Prader-Willi-Syndrom veraumlndert ist (Beange 2002 S 3) Die houmlhere Wahrscheinlichkeit des
Uumlbergewichts besteht statistisch gesehen sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen mit
8 Krankheitstage werden an dieser Stelle des Bundesteilhabeberichtes verstanden als Tage in denen der Mensch
sich subjektiv zu krank gefuumlhlt hat um seinen normalen privaten und beruflichen Taumltigkeiten nachzugehen
21
Lernschwierigkeiten (vgl Reuter 2009 S 13) Eine moumlgliche Ursache hierfuumlr kann auch in
der Tatsache gesehen werden dass Menschen mit Behinderungen durchschnittlich seltener
Sport treiben als nicht behinderte Menschen (vgl BMAS 2013 S 221222)
Ein weiterer bedeutender Zusammenhang zwischen Krankheit und Behinderung ist dass viele
Behinderungen im Sinne von Einschraumlnkungen in der gesellschaftlichen Teilhabe wie auch im
gesetzlichen Verstaumlndnis nach dem SGB IX Folgen von schweren undoder chronischen
Krankheiten sind (vgl SchmidtReker 2014 S 26)
Trotz allem muumlssen auch die vorhandenen Gesundheitspotentiale behinderter Menschen be-
ruumlcksichtigt werden denn an ihnen kann eine gelingende Gesundheitsfoumlrderung ansetzen (vgl
Altgeld 2008 S 8)9 Ein ressourcenorientierter Blick achtet besonders auf die verschiedenen
Potentiale die jedem Menschen (oder auch einer Gruppe von Menschen) innewohnen
Das Verhaumlltnis zwischen Gesundheit und Behinderung haumlngt in Deutschland und vielen Tei-
len der sog westlichen Welt aus sozialmedizinischem Blickwinkel nach wie vor so zusam-
men bdquoWhile a large number of individuals who are in bad health end up with a disability a
large number of persons with disabilities end up with bad healthldquo10
(Rimmer 2009 zit nach
MarksSisirakHeller 2010 S 31) Dieser Chiasmus verdeutlicht zusammenfassend nicht nur
die vorherrschende enge Verbindung zwischen schlechterer Gesundheit und Behinderung
sondern impliziert auch die Notwendigkeit von Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Be-
hinderungen Wie in 31 beschrieben hat Gesundheitsfoumlrderung auch den Abbau gesundheit-
licher Chancenungleichheit zum Ziel
42 Erreichbarkeit von Menschen mit Behinderungen fuumlr gesundheitsfoumlrdernde Maszlignahmen
Fuumlr die Gesundheitsfoumlrderung gelten Menschen mit Behinderungen als schwer zu erreichen
Es sollen nun die wesentlichen Probleme aber auch die vorhandenen Potentiale beschrieben
werden
9 Altgeld bezieht sich in seiner Analyse auf den Gesundheitsmonitor 2007 der Bertelsmann Stiftung Da dieser
Menschen mit Lernschwierigkeiten nicht mit einbezieht sondern vorwiegend koumlrper- und sinnesbeeintraumlchtige
Menschen beruumlcksichtigt koumlnnen seine Schlussfolgerungen nicht fuumlr die gesamte sehr heterogene Gruppe der
behinderten Menschen angewendet werden 10
Waumlhrend eine groszlige Anzahl an Personen welche eine schlechte Gesundheit besitzen eine Behinderung er-
langt erlangt eine groszlige Anzahl an Personen mit Behinderungen eine schlechte Gesundheit (Uumlbersetzung des
Verfassers)
22
421 Probleme bei der Erreichbarkeit
In den bundesweiten Untersuchungen wie bspw dem Sozio-oumlkonomischen Panel (SOEP)
oder Gesundheit in Deutschland aktuell (GEDA) werden Menschen mit Lernschwierigkeiten
idR nicht erreicht Dies hat zur Folge dass sowohl gesundheitliche Potentiale als auch Be-
duumlrfnisse und Bedarfe von Menschen mit Lernschwierigkeiten in der Gesundheitsfoumlrderung
weitgehend unerkannt und dadurch ausgeklammert bleiben (vgl Burtscher 2014 S 4)
Generell gelten behinderte Menschen bisher als schwer zu erreichen fuumlr Maszlignahmen zur Ge-
sundheitsfoumlrderung was verschiedene Gruumlnde hat Sozial benachteiligte Menschen sind sehr
haumlufig eine schwer erreichbare Zielgruppe fuumlr die Gesundheitsfoumlrderung Maszlignahmen auf der
gesamtgesellschaftlichen Ebene werden eher von Menschen mit houmlherem sozialen Status an-
genommen (Hurrelmann 2006 S 164) und erst spaumlter von sozial Benachteiligten internali-
siert Es waumlre jedoch ein Fehler Menschen mit Behinderungen automatisch zur Gruppe der
sozial benachteiligten Menschen zu rechnen Jedoch zeigt der Bundesteilhabebericht dass
behinderte Menschen haumlufiger erwerbslos sind und durchschnittlich weniger Gehalt verdienen
(BMAS 2013 S 141 ndash 149) Dass die finanzielle Lage von Beschaumlftigten der WfbMs beson-
ders prekaumlr ist wird im Punkt 43 naumlher erlaumlutert Diese soziooumlkonomischen Merkmale sind
jedoch nur ein Aspekt Auch gilt es zu bedenken dass besonders Maszlignahmen auf der Verhal-
tensebene bei sozial benachteiligten Menschen oft wenig angenommen werden da sie mit den
eigenen dauerhaften Lebensvorstellungen nicht uumlbereinstimmen (vgl Hurrelmann 2006
S 164) So nehmen Menschen mit Behinderung nur sehr selten an Angeboten oumlffentlicher
Einrichtungen wie bspw Volkshochschulkursen oder Rehabilitations-Sport-Maszlignahmen teil
(vgl Burtscher 2014 S 5)
Ein weiterer Punkt ist dass das Thema Gesundheitsfoumlrderung in der Behindertenarbeit traditi-
onell kaum etabliert war Laut einer Studie aus dem Jahr 2004 sehen Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter in Behinderteneinrichtungen haumlufig wenig Relevanz in Sport Bewegung und Er-
naumlhrung fuumlr die Foumlrderung der Gesundheit behinderter Menschen Daruumlber hinaus schreiben
sie auch Selbstbewusstsein Selbststaumlndigkeit und Selbstbestimmung nur eine untergeordnete
Rolle zu (vgl Gembris-Nuumlbel 2004 S 144) Allerdings besteht die Chance dass diese Ein-
stellung sich in den letzten zehn Jahren veraumlndert hat Die Ergebnisse der im Rahmen dieser
Arbeit durchgefuumlhrten Feldbefragung geben Anlass zu dieser Annahme (siehe 443) Auszliger-
dem ist fuumlr viele Menschen mit Lernschwierigkeiten der Zugang zu Informationen welche
Gesundheitsfoumlrderung thematisieren nur schwer moumlglich Hier sind folglich Vermittlung und
Unterstuumltzung oft notwendig (vgl Gembris-Nuumlbel 2004 S 82)
23
Auch von der Politik wird das Thema der Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen
bisher nur sehr selten thematisiert Seltene Ausnahmen wie zB die 22 Landesgesundheits-
konferenz in Nordrhein-Westfalen weisen jedoch auf die Wichtigkeit von Gesundheitsfoumlrde-
rung hin welche die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben verbessern kann (vgl Ministerium
fuumlr Gesundheit Emanzipation Pflege und Alter des Landes Nordrhein-Westfalen 2013
S 31) Hervorgehoben wird hier auch die (zukuumlnftige) Gestaltung der Informationen damit
diese fuumlr alle zugaumlnglich sind Des Weiteren soll auch das Bewusstsein saumlmtlicher Beteiligten
im Bereich der Gesundheitsfoumlrderung sensibilisiert werden (vgl Ministerium fuumlr Gesundheit
Emanzipation Pflege und Alter des Landes Nordrhein-Westfalen 2013 S 32)
Schon im Grundschulalter werden behinderte Kinder oft nicht erreicht da Gesundheitsfoumlrde-
rung sehr haumlufig nur in Regelgrundschulen und weiterfuumlhrenden Schulen und nicht in separie-
renden Foumlrderschulen stattfindet (vgl Reuter 2009 S 1819)
422 Potentiale fuumlr die Erreichbarkeit
Allerdings muumlssen auch die Potentiale betrachtet werden die fuumlr eine Erreichbarkeit behin-
derter Menschen zur Gesundheitsfoumlrderung vorhanden sind Auch diese bestehen in allen Al-
tersgruppen zB im fruumlhen Schulalter Im Zuge der Inklusion bei der immer mehr Kinder
mit Behinderungen in Regelschulen unterrichtet werden ist zu hoffen dass sie zukuumlnftig haumlu-
figer an Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung teilhaben koumlnnen Solange es (noch) Foumlrder-
schulen gibt muss auch auf deren (oft ungenutztes) Potential fuumlr gesundheitsfoumlrdernde Maszlig-
nahmen hingewiesen werden das in ihrer oft ganztaumlgigen Betreuung und den damit verbun-
denen Ressourcen liegt
Nicht nur in der Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Kindern sind bereits Potentiale vor-
handen Generell weisen Gesundheitsfoumlrderung und Behindertenarbeit sehr groszlige Gemein-
samkeiten in Sprache Prinzipien und Zielen auf Beide zielen letztendlich ab auf Inklusion
Partizipation Empowerment Entwicklung persoumlnlicher Faumlhigkeiten Einbindung in die Ge-
meinde die Neuorientierung von Gesundheitsdienstleistungen und die Foumlrderung von Um-
welten welche Gesundheit und Lebensqualitaumlt verbessern (vgl Lennox 2002 S 231) Es soll
auch darauf hingewiesen werden dass viele behinderte Menschen sehr an Informationen uumlber
Gesundheit interessiert sind und aktiv nach Informationen suchen (vgl Altgeld 2008 S 8)
Abschlieszligend laumlsst sich auffuumlhren dass gerade der Setting-Ansatz wie er in Punkt 34 darge-
stellt wurde eine sehr gute Moumlglichkeit bietet Menschen mit Behinderungen zu erreichen Er
24
bietet einen Zugangspunkt und kann Ausgangslage sein sowohl fuumlr verhaltens- als auch fuumlr
verhaumlltnisorientierte Maszlignahmen zur Foumlrderung der Gesundheit von Menschen mit Behinde-
rungen
Obwohl behinderte Menschen in der Vergangenheit nur selten gezielt an Maszlignahmen zur
Gesundheitsfoumlrderung beteiligt wurden sind doch einige Potentiale vorhanden an denen an-
zuknuumlpfen lohnenswert scheint
43 Das Setting Werkstatt fuumlr behinderte Menschen
WfbMs sind spezielle Einrichtungen fuumlr Menschen mit Behinderungen die nach dem SGB IX
als behindert gelten (siehe 21) Nach sect 136 SGB IX dienen diese Einrichtungen der bdquoTeilhabe
behinderter Menschen am Arbeitsleben [hellip] und zur Eingliederung in das Arbeitslebenldquo
Dadurch sind sie nicht Teil des allgemeinen Arbeitsmarktes da ihre Beschaumlftigten bdquowegen
Art oder Schwere der Behinderung nicht noch nicht oder noch nicht wieder auf dem allge-
meinen Arbeitsmarkt beschaumlftigt werden koumlnnenldquo (sect 136 Abs 1 SGB IX) Ihr Ziel ist es be-
hinderte Menschen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt vorzubereiten Die Beschaumlftigten arbei-
ten in verschiedensten Bereichen zB im Handwerk oder in Taumltigkeiten der elektronischen
Datenverarbeitung je nach persoumlnlicher Neigung Da es sich um kein typisches sozialversi-
cherungspflichtiges Arbeitsverhaumlltnis handelt sondern um ein bdquoarbeitnehmeraumlhnliches
Rechtsverhaumlltnisldquo11
(sect 138 SGB IX) bekommen die Beschaumlftigten keinen Lohn der dem
Mindestlohn entspricht Nach sect 138 SGB IX setzt sich ihr Arbeitsentgelt zusammen aus ei-
nem Grundbetrag und einem leistungsbemessenen Steigerungsbetrag Im Jahr 2011 verdiente
ein Beschaumlftigter im Durchschnitt 180 Euro monatlich (vgl BAG WfbM 2014) bei 35 bis 40
Arbeitsstunden pro Woche Von einer groszligen Steigerung in den letzten Jahren ist nicht auszu-
gehen Somit benoumltigen Beschaumlftigte einer WfbM idR neben ihrem Arbeitsentgelt Grundsi-
cherung Dies hat zur Folge dass sie haumlufig in prekaumlren soziooumlkonomischen Verhaumlltnissen
leben
Jede Werkstatt ist soziologisch betrachtet ein eigenes System mit individuellen Merkmalen
die unter anderem vom Standort dem Fachpersonal dem Traumlger und den Beschaumlftigten ge-
kennzeichnet sind (vgl SchlummerSchuumltte 2006 S 81) Gesetzlich festgelegt ist in sect 139
11
Begruumlndet wird dieses Rechtsverhaumlltnis haumlufig durch den Kuumlndigungsschutz Eine Werkstatt kann einen
Werkstattvertrag mit einer Beschaumlftigten oder einem Beschaumlftigten nur in seltenen Faumlllen gegen ihren oder sei-
nen Willen aufheben
25
SGB IX dass die Beschaumlftigten aus ihrer Mitte heraus regelmaumlszligig einen Werkstattrat waumlhlen
Genaueres regelt hier die Werkstaumltten-Mitwirkungsverordnung (WMVO) Wie ihr Name al-
lerdings schon sagt handelt es sich hier um die Moumlglichkeit der Mitwirkung nicht der Mitbe-
stimmung Diese kann nur erreicht werden wenn Werkstatt und Werkstattrat nach sect 5 Abs 4
WMVO eine weitergehende Vereinbarung treffen Zu den Aufgaben des Werkstattrates ge-
houmlrt es die Interessen der Beschaumlftigten in verschiedenen Angelegenheiten gegenuumlber der
Werkstatt zu vertreten Diese sind in sect 5 Abs 1 WMVO aufgelistet Die Werkstatt muss den
Werkstattrat auszligerdem informieren wenn sie eine Maszlignahme durchfuumlhrt in der der Werk-
stattrat ein Mitwirkungsrecht besitzt12
Sollte kein Einverstaumlndnis in einer Beratung erzielt
werden koumlnnen beide Seiten sich an eine Vermittlungsstelle wenden (sect 5 Abs 3 WMVO)
Das tatsaumlchliche Ausmaszlig der Mitwirkung ist jedoch stets von der Werkstattleitung abhaumlngig
Solch eine fehlende gesetzliche Verankerung von Mitbestimmung steht der Partizipation be-
hinderter Menschen im Wege welche sowohl fuumlr die gesellschaftliche Inklusion als auch die
Gesundheitsfoumlrderung immens wichtig ist
44 Gesundheitsfoumlrderung in Werkstaumltten fuumlr behinderte Menschen
Zunaumlchst gilt es sich einen Uumlberblick uumlber den aktuellen Stand von Gesundheitsfoumlrderung in
WfbMs zu verschaffen Einen ersten Einblick soll die dazu vorhandene Literatur liefern Da-
nach soll ein Abgleich dieser mit der Praxis stattfinden der sich aufgrund des gesetzten Rah-
mens dieser Arbeit nur auf einige Werkstaumltten des Bundeslandes Berlin konzentriert Hierfuumlr
werden jeweils die Leitbilder untersucht und Stimmen aus der Werkstatt ausgewertet
441 Recherche zum aktuellen Stand
Die Literatur zum Thema Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen in WfbMs ist
noch sehr duumlnn Vollstaumlndig ausgearbeitete Konzepte gibt es bisher nicht veroumlffentlicht wur-
den Berichte von abgeschlossenen oder noch laufenden Projekten Werner Schlummer wis-
senschaftlicher Mitarbeiter der Universitaumlt zu Koumlln begleitete ein Projekt zum Betrieblichen
12
Eine ausfuumlhrliche Beschreibung der Mitwirkungs- und Unterrichtungsrechte des Werkstattrates ist bei
SchlummerSchuumltte 2006 S 71 ndash 82 nachzulesen
26
Gesundheitsmanagement13
in einer WfbM zusammen mit acht Studierenden der Universitaumlt
(vgl Schlummer 2015 S 33) Auch das Projekt GESUND als Teilprojekt von PartKomm-
Plus (Forschungsverbund fuumlr gesunde Kommunen) wird wissenschaftlich durch die Katholi-
sche Hochschule fuumlr Sozialwesen begleitet (vgl Burtscher 2014 S 6)
Als Ausnahme kann das Projekt bdquoSelbstbestimmt gesuumlnderldquo im Rahmen des Programmes
bdquoHealthy Athletesldquo gesehen werden Hier bringt Special Olympics Deutschland eV Maszlig-
nahmen zur Gesundheitsfoumlrderung in die Lebenswelten behinderter Menschen Bei Healthy
Athletes werden Sportlerinnen und Sportler bei Veranstaltungen von Special Olympics kos-
tenlose Beratungen und Kontrolluntersuchungen angeboten Diese Angebote werden jedoch
auch auf Wohnheime und WfbMs ausgeweitet (vgl Special Olympics Deutschland a) S 2
eigene Paginierung) Auch das Projekt bdquoSelbstbestimmt gesuumlnderldquo bringt gesundheitsfoumlrdern-
de Maszlignahmen in Werkstaumltten Dabei werden bdquoTeilnehmern individualisierte Handlungsemp-
fehlungen zum Gesundheitsverhalten zur Verfuumlgung gestelltldquo (Special Olympics Deutschland
b) oS) Das Projekt setzt auszligerdem auf die Wirkung von Peer-Multiplikatorinnen und
-Multiplikatoren
Weitere Projekte sind trotz intensiver Recherche nicht bekannt Auch die Bundesarbeitsge-
meinschaft Werkstaumltten fuumlr behinderte Menschen eV (BAG WfbM) hat auf ihrer Homepa-
ge14
keinen Artikel zur Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung in WfbMs
Gibt man in der Suchmaske bdquoGesundheitsfoumlrderungldquo ein erhaumllt man zwei Ergebnisse einen
Artikel uumlber ein neu entwickeltes Computerspiel das von Kindern mit unterschiedlichen Be-
hinderungen gespielt werden kann und einen Artikel zum Qualifizierungsprogramm bdquoGe-
sundheitsfoumlrderung durch Schluumlsselqualifikationenldquo das sich nicht an Beschaumlftigte sondern
an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in WfbMs richtet Dies legt den Schluss nahe dass Ge-
sundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen in WfbMs bisher kaum verbreitet ist
Das Thema Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung als solches wurde in den
letzten Jahren zunehmend in der Literatur behandelt wobei die Anzahl der Veroumlffentlichun-
gen nach wie vor auf einem uumlberschaubaren Stand ist
13
Schlummers Verstaumlndnis von Betrieblichem Gesundheitsmanagement und Betrieblicher Gesundheitsfoumlrderung
sind beinahe synonym Das beschriebene Projekt kann daher im erweiterten Rahmen durchaus als Projekt zur
Gesundheitsfoumlrderung gesehen werden 14
httpwwwbagwfbmde (Stand 11112015)
27
442 Konzepte und Leitbilder von Einrichtungen der Praxis
Betrachtet werden vier verschiedene WfbMs und ihre Leitbilder Es handelt sich um die vier
Werkstaumltten von denen auch im Rahmen der Feldbefragung Stimmen einer Mitarbeiterin oder
eines Mitarbeiters und zT von Beschaumlftigten gewonnen werden konnten (siehe 443 und
Anhang Nr 2)
Aufgrund der jeweiligen Traumlgerstrukturen besitzt lediglich eine der Werkstaumltten15
als solche
ein eigenes Leitbild Bei den anderen drei Werkstaumltten muss auf das Leitbild des jeweiligen
Traumlgers zuruumlckgegriffen werden Das Thema der Gesundheit der Klientinnen und Klienten
bzw Werkstattbeschaumlftigten wird allerdings in keinem Leitbild thematisiert Auch die Such-
funktionen auf den jeweiligen Homepages bzw intensive Recherchen auf diesen brachten
keine Ergebnisse zum Stichwort bdquoGesundheitsfoumlrderungldquo Daraus laumlsst sich schlieszligen dass
Gesundheitsfoumlrderung der Werkstattbeschaumlftigten in den theoretischen Konzeptionen von
WfbMs meist nicht verankert ist
443 Gesundheitsfoumlrderung in der alltaumlglichen Praxis der Werkstaumltten ndash eine kleine Feldbe-
fragung
Im Rahmen des Informationstages der Berliner Landesarbeitsgemeinschaft Werkstaumltten fuumlr
behinderte Menschen eV (LAG WfbM) am 17112015 im Estrel Hotel Berlin wurden je-
weils eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter von vier verschiedenen WfbMs zum Thema Ge-
sundheitsfoumlrderung mit den Beschaumlftigten in der Werkstatt befragt (siehe Anhang Nr 2) Die
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben alle eine vergleichbare Position Begleitender Dienst
Paumldagogischer Dienst oder Sozialdienst In einer der Werkstaumltten konnten uumlberdies auch
Stimmen von Beschaumlftigten gewonnen werden16
Die Ergebnisse weisen keine empirische
Repraumlsentativitaumlt auf da der knappe Rahmen dieser Arbeit eine repraumlsentative empirische
Forschungsarbeit kaum zulaumlsst Die Befragungen sollen dazu dienen einen Einblick in den
Alltag der WfbMs zu ermoumlglichen und die in der Literatur und den Leibildern gewonnenen
Perspektiven zu erweitern
15
Aus Gruumlnden des Datenschutzes duumlrfen in der hier publizierten Version die Namen der Werkstaumltten nicht
genannt werden 16
In zwei der Werkstaumltten konnten keine Stimmen von Beschaumlftigten erhoben werden da eine Befragung in der
Werkstatt von den befragten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern abgelehnt wurde Der Mitarbeiter der dritten
Werkstatt signalisierte zwar waumlhrend der Befragung Zustimmung jedoch fehlte diese spaumlter von Seiten der Lei-
tung
28
Der Begriff bdquoGesundheitsfoumlrderungldquo wird von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sehr
unterschiedlich interpretiert Die Spannbreite liegt von einem Verstaumlndnis aumlhnlich des hier
dargelegten bis hin zu therapeutischer und rehabilitativer Foumlrderung Die angebotenen Maszlig-
nahmen welche einer Foumlrderung der Gesundheit dienen sollen sind jedoch bei allen aumlhnlich
Meist handelt es sich um Musik- Sport- und Bewegungsangebote die im Rahmen von sog
Begleitenden Maszlignahmen verankert sind Daruumlber hinaus werden auch entlastende Bewegun-
gen in den Arbeitsgruppen angeboten und ein Gesundheitstag in Kooperation mit Special
Olympics Deutschland geplant (eine Werkstatt) Eine andere Werkstatt kooperiert mit der
Fitnessstudiokette Fitness First Kurse zu gesunder Ernaumlhrung und Kochen werden teilweise
angeboten oder sind in Planung Nach Aussagen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden
die Maszlignahmen meist gut angenommen In einer Werkstatt wird sogar gemeinsam mit dem
Werkstattrat an einer Peer-Beratung gearbeitet mit der den Beschaumlftigten der Zugang zu den
Themen Bildung und Gesundheit verbessert werden soll Schwierigkeiten bestehen besonders
bzgl der Raumlume zB bei Turnhallen fuumlr Fuszligball
Eine Partizipation bei der Entwicklung von Angeboten ist nur teilweise gegeben Es wird
zwar in allen befragten Werkstaumltten nach Interessen der Beschaumlftigten gefragt und dement-
sprechend die Kurse angeboten jedoch besteht nur selten die Moumlglichkeit fuumlr die Beschaumlftig-
ten aktiv den jeweiligen Kurs durch eigene Entscheidungen mitzugestalten In einer Werk-
statt ist das bspw abhaumlngig von der Kursart von der Kursleiterin bzw dem Kursleiter und
vom Konzept Evaluiert werden die Angebote meist nur durch Nachfrage in den idR jaumlhr-
lich stattfindenden Entwicklungsgespraumlchen mit den einzelnen Beschaumlftigten und teilweise
daruumlber hinaus mit Fragebogen oder durch die Kursleiterin bzw den Kursleiter Eine Werk-
statt fuumlhrt sogar Statistiken zur Nachfrage Eine partizipative Evaluation findet in keiner der
befragten Werkstaumltten statt
Die befragten Beschaumlftigten einer der Werkstaumltten zeigten sich mit dem Angebot an gesund-
heitsfoumlrdernden Maszlignahmen groumlszligtenteils sehr zufrieden und empfanden die Anzahl der An-
gebote als meist genuumlgend Geaumluszligert wurde lediglich der Wunsch nach weiteren Angeboten
zu gesunder Ernaumlhrung und nach einem besseren Angebot an gesunden Speisen Das Ver-
staumlndnis von Gesundheitsfoumlrderung ist unterschiedlich Auffaumlllig ist dass auf der einen Seite
Aumlrzte und Besuche bei diesen wichtig scheinen gleichzeitig aber auch das Achten auf die
eigene Gesundheit als Teil der Gesundheitsfoumlrderung gilt Besonders letzterer Aspekt weist
darauf hin dass bei den Befragten ein gewisses Grundverstaumlndnis von Gesundheitsfoumlrderung
vorhanden ist das dem in dieser Arbeit verwendeten aumlhnelt Die Wichtigkeit der aumlrztlichen
29
Betreuung laumlsst jedoch zugleich auch auf ein eher bdquotraditionellesldquo bio-medizinisches Gesund-
heitsverstaumlndnis schlieszligen
Als angebotene Maszlignahmen werden meist Sport- und Bewegungsangebote genannt aber
auch eine Apfelpause um kurz von der Arbeit entspannen zu koumlnnen Daruumlber hinaus gab es
Angebote zur Fuszlighygiene und zur Zahn- und Augengesundheit Hier ist der Uumlbergang zwi-
schen Gesundheitsfoumlrderung und Praumlvention flieszligend Bzgl (zukuumlnftiger) Angebote werden
die Beschaumlftigten nach ihren Wuumlnschen gefragt aber eine wirkliche Mitbestimmung in Kon-
zeption und Planung dieser scheint nicht gegeben Auch bei der Evaluation findet bisher keine
Partizipation statt Die Befragung hat jedoch den bisherigen Eindruck bestaumltigt dass gesund-
heitsfoumlrdernde Maszlignahmen in WfbMs von behinderten Menschen durchaus nachgefragt wer-
den und die Werkstaumltten versucht sind im Rahmen der begleitenden Maszlignahmen ein sehr
breites Feld abzudecken Negativ scheint besonders das weitgehende Fehlen partizipativer
Strukturen
In den Werkstaumltten werden viele Angebote im Rahmen begleitender Maszlignahmen offeriert die
fuumlr die Gesundheit foumlrderlich sind Als Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung die die Prinzi-
pien der BVPG verinnerlichen koumlnnen sie jedoch nicht gesehen werden da zB die Partizipa-
tion eine eher untergeordnete Rolle spielt und die Thematik meist auf Sport- und zT Ernaumlh-
rungsangebote beschraumlnkt bleibt Auch werden die Effekte der Maszlignahmen nicht evaluiert
Entspannungsangebote werden nur selten angeboten und der Fokus richtet sich meist nur auf
die koumlrperliche Gesundheit
Daruumlber hinaus zeigt die Befragung aber auch welch groszliges Potential zur Gesundheitsfoumlrde-
rung in den Werkstaumltten liegt Mit den begleitenden Maszlignahmen sind Strukturen verankert in
denen Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung leicht integriert werden koumlnnen Offenheit fuumlr
Kooperationen scheint vielfach gegeben (zB mit Special Olympics Deutschland Fitness
First) sodass auch eine Kooperation mit den Krankenkassen und weiteren Partnern vorstell-
bar scheint Dies wuumlrde den Vorteil finanzieller Foumlrderung und Expertise durch Erfahrungen
mit bereits durchgefuumlhrten Maszlignahmen einbringen Die befragten Mitarbeiterinnen und Mit-
arbeiter schienen Gesundheitsfoumlrderung gegenuumlber prinzipiell sehr positiv eingestellt
Auch wenn in den Leitbildern und auf den Homepages Gesundheitsfoumlrderung nicht themati-
siert wird gibt es in der Praxis schon verschiedene Maszlignahmen und Projekte mit der Intenti-
on die Gesundheit der Beschaumlftigten zu verbessern
30
45 Anregungen fuumlr die Praxis
Vor dem Hintergrund der zu Rate gezogenen Literatur und den gewonnen Erkenntnissen
durch die Feldbefragung werden nun einige Uumlberlegungen fuumlr die Praxis einer gelingenden
Gesundheitsfoumlrderung getroffen Diese koumlnnen als moumlgliche Anregungen zur Umsetzung ver-
standen werden
451 Partizipation und Empowerment in der Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behin-
derung
Erfolgreiche Gesundheitsfoumlrderung braucht Partizipationsmoumlglichkeiten fuumlr die jeweilige
Zielgruppe Partizipation ist schlieszliglich nicht nur Teilnahme sondern aktive Teilhabe und
damit einhergehend die Moumlglichkeit mitzubestimmen und mitzuentscheiden Dazu gehoumlrt
auch die Definitionsmacht also die Macht (mit)zubestimmen an welche die Gesundheit be-
treffenden Aspekte in einer Maszlignahme zur Gesundheitsfoumlrderung herangegangen werden soll
(vgl Wrightvon UngerBlock 2010 S 39) Diese aktive Teilhabe muss also bereits zu Be-
ginn einer Maszlignahme Teil dieser sein Partizipation bedeutet folglich auch Macht Partizipa-
tion zu ermoumlglichen bedeutet Empowerment also die Ermaumlchtigung eines Individuums oder
einer Gruppe So bekommt Partizipation in der Gesundheitsfoumlrderung auch eine gesellschaft-
liche und politische Komponente denn dadurch koumlnnen Menschen mit Behinderungen lernen
mitzubestimmen mitzuentscheiden und eigene Interessen zu vertreten Diese erlernten Faumlhig-
keiten lassen sich auf die Handlungsebene in einer demokratischen Gesellschaft uumlbertragen
Sowohl Empowerment als auch Partizipation gehoumlren zu den in 31 erwaumlhnten Prinzipien der
BVPG Diese weist darauf hin dass Partizipation in saumlmtlichen Phasen einer Maszlignahme ge-
geben sein muss beginnend mit der Bedarfsanalyse der Planung in der Durchfuumlhrung und
abschlieszligend in der BewertungEvaluation So kann die Wirksamkeit einer Maszlignahme erhoumlht
werden (vgl BVPG 2013 S 90) Teilhabe kann als ein wichtiger Bestandteil der Qualitaumltssi-
cherung gesehen werden Bisher finden Maszlignahmen zur Qualitaumltssicherung nur selten unter
Partizipation der Zielgruppe statt Diese partizipativ zu beteiligen hilft die Qualitaumlt der Ge-
sundheitsfoumlrderung aufrechtzuerhalten oder sogar zu verbessern (vgl Wrightvon Un-
gerBlock 2010 S 35)
Teilhabe ist bei behinderten Menschen besonders wichtig Ihr Leben ist haumlufig von Beginn an
stark fremdbestimmt und von Abhaumlngigkeit gepraumlgt Somit lernen sie seltener als nicht behin-
31
derte Menschen Verantwortung zu uumlbernehmen und selbststaumlndig zu agieren Dies kann bis
hin zur sog bdquoerlernten Hilflosigkeitldquo fuumlhren Vor diesem Hintergrund scheint Partizipation
umso wichtiger aber auch umso arbeitsintensiver Sie ist daher in der Praxis der Gesundheits-
foumlrderung haumlufig sehr arbeitsintensiv und benoumltigt folglich zeitliche Ressourcen und damit
einhergehend finanzielle Ressourcen (vgl Loss 2009 S 10)
Traditionell sind viele Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung top-down organisiert das be-
deutet eine Einrichtung ein Geldgeber etc plant eine Maszlignahme fuumlhrt diese durch und eva-
luiert sie Zur Erreichung der eigenen Ziele wird die Zielgruppe mobilisiert ohne ein Mitspra-
cherecht zu den einzelnen Bausteinen der Maszlignahme zu haben Diese Struktur verdeutlicht
das Maumlchteungleichwicht zwischen Anbieter und Zielgruppe und zementiert den Status be-
hinderter Menschen als Abhaumlngige und Ohnmaumlchtige Der Gegensatz zu top-down-
Programmen ist der bottom-up-Ansatz Hier findet eine Machtteilung statt da die Gesund-
heitsfoumlrderinnen und Gesundheitsfoumlrderer ihre Macht mit der Zielgruppe teilen und eher die
Rolle von Unterstuumltzerinnen und Unterstuumltzern einnehmen Die Zielgruppe soll unterstuumltzt
werden ihre eigenen Probleme festzustellen und Loumlsungen sowie Maszlignahmen zu erarbeiten
In der Planung Durchfuumlhrung und Evaluation kommt ihr damit eine aktive Rolle zu (vgl La-
verack 2010 S 77) Bottom-up-Programme scheinen daher fuumlr Partizipation und Empower-
ment geeigneter als top-down-Strukturen Allerdings schlieszligen sich beide Ansaumltze nicht
zwingend aus sondern Maszlignahmen koumlnnen Eigenschaften beider Ansaumltze aufweisen In
WfbMs scheinen Maszlignahmen sehr haumlufig top-down organisiert zu sein Die staumlrkere Veranke-
rung von bottom-up-Strukturen waumlre hier im Sinne einer Teilhabe ndash in der Werkstatt wie auch
daruumlber hinaus auf gesellschaftlicher Ebene ndash vorteilhaft und wuumlnschenswert
452 Peer-Multiplikatorinnen und -Multiplikatoren
Eine Strategie die in der Praxis der Gesundheitsfoumlrderung bereits mit positiven Ergebnissen
getestet wurde sind Peer-Multiplikatorinnen und -Multiplikatoren Das Modell der Multipli-
katorinnen und Multiplikatoren war bereits Grundlage vieler gesundheitsfoumlrdernder Maszlignah-
men mit sozial benachteiligten Menschen die auch in der Literatur vielfach dokumentiert
sind Auch in der Arbeit mit behinderten Menschen ist dieses Konzept nicht neu Auf Maszlig-
nahmen zur Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung wurde es bisher kaum an-
gewandt scheint jedoch erfolgsversprechend Das Projekt GESUND welches mit einer Ber-
liner WfbM durchgefuumlhrt wird arbeitet mit diesem Konzept (vgl Burtscher 2014 S 8) Die
32
Funktion von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren besteht darin Kenntnisse und Informa-
tionen zur Gesundheit(-sfoumlrderung) der Zielgruppe mit Hilfe der ihnen innewohnenden Ver-
trauensstellung naumlher zu bringen Sie haben daher eine bdquoMittlerfunktionldquo (BVPG 2013 S 92)
zwischen Durchfuumlhrenden und Zielgruppe Voraussetzung dafuumlr ist dass sie der Zielgruppe
angehoumlren oder zumindest eine sehr enge Verbindung zu ihr besitzen Im Zuge einer Maszlig-
nahme werden sie selbst gestaumlrkt sozusagen bdquoempowertldquo Ihre Mittlerfunktion funktioniert
allerdings auch in die andere Richtung Sie bringen den Durchfuumlhrenden die Perspektive der
Zielgruppe naumlher Im Idealfall fuumlhrt der Einsatz von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren
zur Aktivierung der Zielgruppe die ihr selbstbestimmtes Handeln auch auf andere Bereiche
ausdehnen kann (vgl Stickan-Verfuumlrth 2005 S 108) Diesem Modell sehr aumlhnlich ist das
Modell des Peer-Counseling Hier stehen Mitglieder der Zielgruppe in beratender Funktion
ihrer Peer-Gruppe zur Verfuumlgung
453 Verknuumlpfung von Betrieblicher Gesundheitsfoumlrderung und Gesundheitsfoumlrderung in
Werkstaumltten fuumlr behinderte Menschen
Eine Uumlbertragung der Idee der Betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung auf die Gesundheitsfoumlrde-
rung in WfbMs scheint in der Tat realisierbar Den rechtlichen und finanziellen Rahmen hier-
fuumlr hat das 2015 beschlossene Praumlventionsgesetz geschaffen (siehe 33) Im Entwurf der Bun-
desregierung wird in der Anmerkung zum neuen sect 20 Abs 4 SGB V explizit darauf hinge-
wiesen dass Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung auch in WfbMs zum Leistungsspektrum der
Krankenkassen gehoumlrt (vgl Deutscher Bundestag 2015 S 34) Eine Etablierung hiervon in
der Praxis haumlngt in erster Linie neben den Krankenkassen auch von den Leitungen der WfbMs
ab Sollten diese hierfuumlr und auch gegenuumlber partizipativen Strukturen offen sein waumlre der in
351 kurz vorgestellte Gesundheitszirkel ein passender Startpunkt um von Beginn an auch
die Partizipation der Beschaumlftigten zu gewaumlhrleisten Analog zum Konzept der BGF koumlnnten
gemeinsam Maszlignahmen erarbeitet werden die die Gesundheit der Beschaumlftigten foumlrdern wuumlr-
den Den Vertreterinnen und Vertretern der Beschaumlftigten die im Gesundheitszirkel mitwir-
ken koumlnnte dabei die Rolle von Peer-Multiplikatorinnen und -Multiplikatoren zukommen
Als Effekte duumlrften die in 351 beschriebenen auch hier zu erwarten sein eine Verbesserung
der Gesundheit und eine Staumlrkung der gesundheitlichen Ressourcen eine Verringerung der
krankheitsbedingten Fehltage eine staumlrkere Identifikation der Beschaumlftigten mit der Werk-
33
statt ein besseres Arbeitsklima eine houmlhere Motivation und Arbeitszufriedenheit und eine
Steigerung der Produktivitaumlt
Es empfiehlt sich im Sinne der Partizipation und des Empowerments kein reines top-down-
Programm zu starten sondern einen bottom-up-Ansatz zu waumlhlen bzw zumindest mehrere
Elemente dessen einzubauen Als Anknuumlpfungspunkt koumlnnen bereits bestehende begleitende
Maszlignahmen mit passender Thematik genommen werden
Wie bdquonormaleldquo Betriebe koumlnnten auch WfbMs Kooperationen in ihrem raumlumlichen Umfeld
aufbauen und von Vernetzungen profitieren Aufgrund ihrer Groumlszlige sind sie in ihrem Sozial-
raum ein meist nicht zu unterschaumltzender Akteur
34
5 Fazit und Ausblick
Ausgehend von einem bio-psycho-sozialen Verstaumlndnis von Gesundheit wurden verschiedene
Aspekte der Gesundheitsfoumlrderung vertieft und anschlieszligend eine Verknuumlpfung zur Gesund-
heitsfoumlrderung mit behinderten Menschen hergestellt Hierbei lag der Fokus auf gesundheits-
foumlrdernden Maszlignahmen in WfbMs Dabei wurde die aktuelle Literatur zu Rate gezogen In-
ternetauftritte einiger Werkstaumltten durchsucht und Stimmen aus dem Feld von Mitarbeiterin-
nen und Mitarbeitern sowie Beschaumlftigten von Werkstaumltten gewonnen
Die Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung ist noch immer relativ schwach
ausgebaut Dies stellt sich besonders vor dem Hintergrund als problematisch dass behinderte
Menschen haumlufig anfaumllliger fuumlr Krankheiten sind und durchschnittlich uumlber einen subjektiv als
schlechter bewerteten Gesundheitsstatus verfuumlgen als nichtbehinderte Menschen Wie viele
sozial benachteiligte Gruppen sind sie verhaumlltnismaumlszligig schwer zu erreichen fuumlr gesundheits-
foumlrdernde Maszlignahmen Obwohl es in der Erreichbarkeit mehrere Probleme gibt verfuumlgen
Menschen mit Behinderung auf der anderen Seite uumlber groszlige Potentiale Das neue Praumlventi-
onsgesetz ist ein erheblicher Fortschritt bei der Finanzierung gesundheitsfoumlrdernder Maszlignah-
men Sogar eine Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung in Werkstaumltten ist wenn auch nicht ex-
plizit verankert so doch zumindest gewuumlnscht
Gelingende Gesundheitsfoumlrderung muss sich im Allgemeinen und auch bei der Arbeit mit
behinderten Menschen an bestimmten Prinzipien messen lassen Besonders wichtig vor dem
gesellschaftlichen Hintergrund ist hier die Partizipation der Menschen mit Behinderung und
damit einhergehend das Empowerment dieser Beide wirken sich positiv auf die Qualitaumlt der
gesundheitsfoumlrdernden Maszlignahmen aus gehen jedoch auch daruumlber hinaus Sie koumlnnen Men-
schen mit Behinderungen auch auf gesellschaftlicher Ebene empowern sodass ihnen eine
groumlszligere gesellschaftliche Teilhabe zukommt Somit erlangt Gesundheitsfoumlrderung auch vor
dem Hintergrund der Inklusion eine hohe Relevanz
In WfbMs ist gezielte Gesundheitsfoumlrderung bisher wenig verbreitet Einzelne Projekte sind
eher die Ausnahme denn die Regel Jedoch sind die Potentiale der Werkstaumltten enorm Das
Personal scheint haumlufig offen fuumlr Maszlignahmen zu sein und gerade die Strukturen der beglei-
tenden Maszlignahmen lieszligen eine relativ einfache Integration von Maszlignahmen zur (betriebli-
chen) Gesundheitsfoumlrderung zu Bestehende begleitende Maszlignahmen in welchen Sport oder
Bildungsangebote zu gesunder Ernaumlhrung angeboten werden koumlnnten ohne uumlbermaumlszligigen
Aufwand zu gezielten Maszlignahmen fuumlr Gesundheitsfoumlrderung ausgebaut werden Nachholbe-
darf bestuumlnde hier vor allem auf dem Gebiet der Partizipation Nur selten scheinen die Be-
35
schaumlftigten in Konzeption Planung Durchfuumlhrung und Evaluation aktiv eingebunden zu sein
In bestimmten Phasen wie etwa der Konzeption und besonders der Evaluation scheint aktive
Teilhabe noch uumlberhaupt nicht verankert zu sein Eine staumlrkere Partizipation in allen Berei-
chen waumlre mit houmlherem Arbeits- und Kostenaufwand verbunden welcher durch eine Einbin-
dung der Krankenkassen moumlglicherweise aufgefangen werden koumlnnte Die Partizipation foumlr-
dern wuumlrde auch die Etablierung von Peer-Beratung und Peer-Multiplikatorinnen und
-Multiplikatoren Diesen kaumlme beim Zugang zur Zielgruppe eine Schluumlsselfunktion zu und
gleichzeitig koumlnnten sie Bedarfe und Beduumlrfnisse dieser gegenuumlber den anderen Akteuren
kommunizieren Auch wenn es bisher keine konkreten ausgearbeiteten Konzepte zur Gesund-
heitsfoumlrderung in WfbMs gibt koumlnnten bestehende Konzepte zur Betrieblichen Gesundheits-
foumlrderung eventuell leicht uumlberarbeitet fuumlr Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung in Werkstaumltten
analog angewendet werden
Die Potentiale und Moumlglichkeiten zur Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung
in WfbMs sind also mannigfaltig und haumlufig vorhanden Auf diesen koumlnnte aufgebaut werden
um behinderten Menschen das Recht auf das in Artikel 25 der UN-BRK festgeschriebene bdquoer-
reichbare Houmlchstmaszlig an Gesundheitldquo zu ermoumlglichen
Gesundheitsfoumlrderung ist mehr als Werbeplakate an Bus- oder Straszligenbahnhaltestellen und
Clips im Aktuellen Sportstudio sie ist mehr als Sportangebote und Angebote zu gesunder
Ernaumlhrung sie ist auch ein Weg zum Erreichen eines Menschenrechtes das Recht auf Ge-
sundheit
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41
Anhang
Nr 1 Abbildung zu den Hauptdeterminanten der Gesundheit nach DahlgreenWhitehead
2007 S 11
Nr 2 Befragung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Beschaumlftigten der WfbMs
42
Nr 1 Abbildung zu den Hauptdeterminanten der Gesundheit nach DahlgreenWhitehead
2007 S 11
43
Nr 2 Befragung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Beschaumlftigten der WfbMs
Um moumlglichst effizient die Stimmen aus vier WfbMs unterschiedlicher Traumlger zu erheben
wurden diese auf dem Infotag der LAG WfbM Berlin am 17112015 gesammelt Hier waren
verschiedene Werkstaumltten mit Informationsstaumlnden vertreten Gewaumlhlt wurden die Werkstaumlt-
ten an deren Staumlnden der Verfasser zuerst vorbeilief Die gestellten Fragen waren stets die-
selben
Den Vertretern der Werkstatt wurde zugesichert dass ihr Name nicht in der vorliegenden Ar-
beit genannt wird lediglich ihre Position in der Werkstatt wird erwaumlhnt Es wurden auszligerdem
keine weiteren Personendaten erhoben
Wenn moumlglich sollten auszligerdem fuumlnf Beschaumlftige pro WfbM befragt werden Hierfuumlr wurde
am Ende des kurzen Interviews um Erlaubnis gefragt Den Beschaumlftigten wurden andere Fra-
gen gestellt als dem Werkstattpersonal jedoch erhielten alle Beschaumlftigten dieselben Fragen
untereinander Den Beschaumlftigen wurde komplette Anonymitaumlt in der vorliegenden Arbeit
zugesichert und es wurden keine personenbezogenen Daten abgefragt Zuerst wurde nach
ihrem Verstaumlndnis von Gesundheitsfoumlrderung gefragt Vor den Fragen 2 bis 5 wurde kurz
erklaumlrt wie Gesundheitsfoumlrderung verstanden werden kann um davon ausgehend die restli-
chen Fragen zu beantworten
Bei saumlmtlichen Interviews wurde auf Transkriptionen verzichtet es wurden lediglich die
Kernaussagen mitgeschrieben
Im Folgenden finden sich exemplarisch die jeweils gestellten Fragen
44
Fragen an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der WfbM
Name der WfbM
Position der befragten Person Begleitender Dienst
1 Was verstehen Sie unter Gesundheitsfoumlrderung
2 Was bieten Sie im Rahmen der Gesundheitsfoumlrderung an
3 Wie werden die Maszlignahmen angenommen
4 Wuumlrden Sie gerne mehr anbieten oder finden Sie die Angebote ausreichend
5 Gibt es Schwierigkeiten
6 Wie steht es um die Partizipation in den Angeboten (Werden die Angebote von Beschaumlf-
tigten mitentwickelt mitevaluiert etc)
7 Werden die Angebote evaluiert
45
Fragen an die Beschaumlftigen der WfbM
Name der WfbM
Datum
1 Wissen Sie was Gesundheitsfoumlrderung ist Wenn ja wie wuumlrden sie es beschreiben
[Moumlgliche Erklaumlrung fuumlr Beschaumlftigte die sich nichts unter Gesundheitsfoumlrderung vorstellen
koumlnnen Zur Gesundheitsfoumlrderung gehoumlrt alles was fuumlr Ihre Gesundheit gut ist zB Kur-
seMaszlignahmen usw die mit Bewegung Ernaumlhrung Wohlfuumlhlen am Arbeitsplatz oder Ent-
spannen zu tun haben]
2 Welche Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung werden Ihnen von der Werkstatt angebo-
ten
3 Werden Ihrer Meinung nach genuumlgend Angebote zur Gesundheitsfoumlrderung in der Werk-
statt angeboten
4 Duumlrfen Sie bei der Entwicklung und Evaluation (Auswertung am Ende) mitbestimmen
5 Was sind Ihre Wuumlnsche bezuumlglich der Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung
21
Lernschwierigkeiten (vgl Reuter 2009 S 13) Eine moumlgliche Ursache hierfuumlr kann auch in
der Tatsache gesehen werden dass Menschen mit Behinderungen durchschnittlich seltener
Sport treiben als nicht behinderte Menschen (vgl BMAS 2013 S 221222)
Ein weiterer bedeutender Zusammenhang zwischen Krankheit und Behinderung ist dass viele
Behinderungen im Sinne von Einschraumlnkungen in der gesellschaftlichen Teilhabe wie auch im
gesetzlichen Verstaumlndnis nach dem SGB IX Folgen von schweren undoder chronischen
Krankheiten sind (vgl SchmidtReker 2014 S 26)
Trotz allem muumlssen auch die vorhandenen Gesundheitspotentiale behinderter Menschen be-
ruumlcksichtigt werden denn an ihnen kann eine gelingende Gesundheitsfoumlrderung ansetzen (vgl
Altgeld 2008 S 8)9 Ein ressourcenorientierter Blick achtet besonders auf die verschiedenen
Potentiale die jedem Menschen (oder auch einer Gruppe von Menschen) innewohnen
Das Verhaumlltnis zwischen Gesundheit und Behinderung haumlngt in Deutschland und vielen Tei-
len der sog westlichen Welt aus sozialmedizinischem Blickwinkel nach wie vor so zusam-
men bdquoWhile a large number of individuals who are in bad health end up with a disability a
large number of persons with disabilities end up with bad healthldquo10
(Rimmer 2009 zit nach
MarksSisirakHeller 2010 S 31) Dieser Chiasmus verdeutlicht zusammenfassend nicht nur
die vorherrschende enge Verbindung zwischen schlechterer Gesundheit und Behinderung
sondern impliziert auch die Notwendigkeit von Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Be-
hinderungen Wie in 31 beschrieben hat Gesundheitsfoumlrderung auch den Abbau gesundheit-
licher Chancenungleichheit zum Ziel
42 Erreichbarkeit von Menschen mit Behinderungen fuumlr gesundheitsfoumlrdernde Maszlignahmen
Fuumlr die Gesundheitsfoumlrderung gelten Menschen mit Behinderungen als schwer zu erreichen
Es sollen nun die wesentlichen Probleme aber auch die vorhandenen Potentiale beschrieben
werden
9 Altgeld bezieht sich in seiner Analyse auf den Gesundheitsmonitor 2007 der Bertelsmann Stiftung Da dieser
Menschen mit Lernschwierigkeiten nicht mit einbezieht sondern vorwiegend koumlrper- und sinnesbeeintraumlchtige
Menschen beruumlcksichtigt koumlnnen seine Schlussfolgerungen nicht fuumlr die gesamte sehr heterogene Gruppe der
behinderten Menschen angewendet werden 10
Waumlhrend eine groszlige Anzahl an Personen welche eine schlechte Gesundheit besitzen eine Behinderung er-
langt erlangt eine groszlige Anzahl an Personen mit Behinderungen eine schlechte Gesundheit (Uumlbersetzung des
Verfassers)
22
421 Probleme bei der Erreichbarkeit
In den bundesweiten Untersuchungen wie bspw dem Sozio-oumlkonomischen Panel (SOEP)
oder Gesundheit in Deutschland aktuell (GEDA) werden Menschen mit Lernschwierigkeiten
idR nicht erreicht Dies hat zur Folge dass sowohl gesundheitliche Potentiale als auch Be-
duumlrfnisse und Bedarfe von Menschen mit Lernschwierigkeiten in der Gesundheitsfoumlrderung
weitgehend unerkannt und dadurch ausgeklammert bleiben (vgl Burtscher 2014 S 4)
Generell gelten behinderte Menschen bisher als schwer zu erreichen fuumlr Maszlignahmen zur Ge-
sundheitsfoumlrderung was verschiedene Gruumlnde hat Sozial benachteiligte Menschen sind sehr
haumlufig eine schwer erreichbare Zielgruppe fuumlr die Gesundheitsfoumlrderung Maszlignahmen auf der
gesamtgesellschaftlichen Ebene werden eher von Menschen mit houmlherem sozialen Status an-
genommen (Hurrelmann 2006 S 164) und erst spaumlter von sozial Benachteiligten internali-
siert Es waumlre jedoch ein Fehler Menschen mit Behinderungen automatisch zur Gruppe der
sozial benachteiligten Menschen zu rechnen Jedoch zeigt der Bundesteilhabebericht dass
behinderte Menschen haumlufiger erwerbslos sind und durchschnittlich weniger Gehalt verdienen
(BMAS 2013 S 141 ndash 149) Dass die finanzielle Lage von Beschaumlftigten der WfbMs beson-
ders prekaumlr ist wird im Punkt 43 naumlher erlaumlutert Diese soziooumlkonomischen Merkmale sind
jedoch nur ein Aspekt Auch gilt es zu bedenken dass besonders Maszlignahmen auf der Verhal-
tensebene bei sozial benachteiligten Menschen oft wenig angenommen werden da sie mit den
eigenen dauerhaften Lebensvorstellungen nicht uumlbereinstimmen (vgl Hurrelmann 2006
S 164) So nehmen Menschen mit Behinderung nur sehr selten an Angeboten oumlffentlicher
Einrichtungen wie bspw Volkshochschulkursen oder Rehabilitations-Sport-Maszlignahmen teil
(vgl Burtscher 2014 S 5)
Ein weiterer Punkt ist dass das Thema Gesundheitsfoumlrderung in der Behindertenarbeit traditi-
onell kaum etabliert war Laut einer Studie aus dem Jahr 2004 sehen Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter in Behinderteneinrichtungen haumlufig wenig Relevanz in Sport Bewegung und Er-
naumlhrung fuumlr die Foumlrderung der Gesundheit behinderter Menschen Daruumlber hinaus schreiben
sie auch Selbstbewusstsein Selbststaumlndigkeit und Selbstbestimmung nur eine untergeordnete
Rolle zu (vgl Gembris-Nuumlbel 2004 S 144) Allerdings besteht die Chance dass diese Ein-
stellung sich in den letzten zehn Jahren veraumlndert hat Die Ergebnisse der im Rahmen dieser
Arbeit durchgefuumlhrten Feldbefragung geben Anlass zu dieser Annahme (siehe 443) Auszliger-
dem ist fuumlr viele Menschen mit Lernschwierigkeiten der Zugang zu Informationen welche
Gesundheitsfoumlrderung thematisieren nur schwer moumlglich Hier sind folglich Vermittlung und
Unterstuumltzung oft notwendig (vgl Gembris-Nuumlbel 2004 S 82)
23
Auch von der Politik wird das Thema der Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen
bisher nur sehr selten thematisiert Seltene Ausnahmen wie zB die 22 Landesgesundheits-
konferenz in Nordrhein-Westfalen weisen jedoch auf die Wichtigkeit von Gesundheitsfoumlrde-
rung hin welche die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben verbessern kann (vgl Ministerium
fuumlr Gesundheit Emanzipation Pflege und Alter des Landes Nordrhein-Westfalen 2013
S 31) Hervorgehoben wird hier auch die (zukuumlnftige) Gestaltung der Informationen damit
diese fuumlr alle zugaumlnglich sind Des Weiteren soll auch das Bewusstsein saumlmtlicher Beteiligten
im Bereich der Gesundheitsfoumlrderung sensibilisiert werden (vgl Ministerium fuumlr Gesundheit
Emanzipation Pflege und Alter des Landes Nordrhein-Westfalen 2013 S 32)
Schon im Grundschulalter werden behinderte Kinder oft nicht erreicht da Gesundheitsfoumlrde-
rung sehr haumlufig nur in Regelgrundschulen und weiterfuumlhrenden Schulen und nicht in separie-
renden Foumlrderschulen stattfindet (vgl Reuter 2009 S 1819)
422 Potentiale fuumlr die Erreichbarkeit
Allerdings muumlssen auch die Potentiale betrachtet werden die fuumlr eine Erreichbarkeit behin-
derter Menschen zur Gesundheitsfoumlrderung vorhanden sind Auch diese bestehen in allen Al-
tersgruppen zB im fruumlhen Schulalter Im Zuge der Inklusion bei der immer mehr Kinder
mit Behinderungen in Regelschulen unterrichtet werden ist zu hoffen dass sie zukuumlnftig haumlu-
figer an Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung teilhaben koumlnnen Solange es (noch) Foumlrder-
schulen gibt muss auch auf deren (oft ungenutztes) Potential fuumlr gesundheitsfoumlrdernde Maszlig-
nahmen hingewiesen werden das in ihrer oft ganztaumlgigen Betreuung und den damit verbun-
denen Ressourcen liegt
Nicht nur in der Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Kindern sind bereits Potentiale vor-
handen Generell weisen Gesundheitsfoumlrderung und Behindertenarbeit sehr groszlige Gemein-
samkeiten in Sprache Prinzipien und Zielen auf Beide zielen letztendlich ab auf Inklusion
Partizipation Empowerment Entwicklung persoumlnlicher Faumlhigkeiten Einbindung in die Ge-
meinde die Neuorientierung von Gesundheitsdienstleistungen und die Foumlrderung von Um-
welten welche Gesundheit und Lebensqualitaumlt verbessern (vgl Lennox 2002 S 231) Es soll
auch darauf hingewiesen werden dass viele behinderte Menschen sehr an Informationen uumlber
Gesundheit interessiert sind und aktiv nach Informationen suchen (vgl Altgeld 2008 S 8)
Abschlieszligend laumlsst sich auffuumlhren dass gerade der Setting-Ansatz wie er in Punkt 34 darge-
stellt wurde eine sehr gute Moumlglichkeit bietet Menschen mit Behinderungen zu erreichen Er
24
bietet einen Zugangspunkt und kann Ausgangslage sein sowohl fuumlr verhaltens- als auch fuumlr
verhaumlltnisorientierte Maszlignahmen zur Foumlrderung der Gesundheit von Menschen mit Behinde-
rungen
Obwohl behinderte Menschen in der Vergangenheit nur selten gezielt an Maszlignahmen zur
Gesundheitsfoumlrderung beteiligt wurden sind doch einige Potentiale vorhanden an denen an-
zuknuumlpfen lohnenswert scheint
43 Das Setting Werkstatt fuumlr behinderte Menschen
WfbMs sind spezielle Einrichtungen fuumlr Menschen mit Behinderungen die nach dem SGB IX
als behindert gelten (siehe 21) Nach sect 136 SGB IX dienen diese Einrichtungen der bdquoTeilhabe
behinderter Menschen am Arbeitsleben [hellip] und zur Eingliederung in das Arbeitslebenldquo
Dadurch sind sie nicht Teil des allgemeinen Arbeitsmarktes da ihre Beschaumlftigten bdquowegen
Art oder Schwere der Behinderung nicht noch nicht oder noch nicht wieder auf dem allge-
meinen Arbeitsmarkt beschaumlftigt werden koumlnnenldquo (sect 136 Abs 1 SGB IX) Ihr Ziel ist es be-
hinderte Menschen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt vorzubereiten Die Beschaumlftigten arbei-
ten in verschiedensten Bereichen zB im Handwerk oder in Taumltigkeiten der elektronischen
Datenverarbeitung je nach persoumlnlicher Neigung Da es sich um kein typisches sozialversi-
cherungspflichtiges Arbeitsverhaumlltnis handelt sondern um ein bdquoarbeitnehmeraumlhnliches
Rechtsverhaumlltnisldquo11
(sect 138 SGB IX) bekommen die Beschaumlftigten keinen Lohn der dem
Mindestlohn entspricht Nach sect 138 SGB IX setzt sich ihr Arbeitsentgelt zusammen aus ei-
nem Grundbetrag und einem leistungsbemessenen Steigerungsbetrag Im Jahr 2011 verdiente
ein Beschaumlftigter im Durchschnitt 180 Euro monatlich (vgl BAG WfbM 2014) bei 35 bis 40
Arbeitsstunden pro Woche Von einer groszligen Steigerung in den letzten Jahren ist nicht auszu-
gehen Somit benoumltigen Beschaumlftigte einer WfbM idR neben ihrem Arbeitsentgelt Grundsi-
cherung Dies hat zur Folge dass sie haumlufig in prekaumlren soziooumlkonomischen Verhaumlltnissen
leben
Jede Werkstatt ist soziologisch betrachtet ein eigenes System mit individuellen Merkmalen
die unter anderem vom Standort dem Fachpersonal dem Traumlger und den Beschaumlftigten ge-
kennzeichnet sind (vgl SchlummerSchuumltte 2006 S 81) Gesetzlich festgelegt ist in sect 139
11
Begruumlndet wird dieses Rechtsverhaumlltnis haumlufig durch den Kuumlndigungsschutz Eine Werkstatt kann einen
Werkstattvertrag mit einer Beschaumlftigten oder einem Beschaumlftigten nur in seltenen Faumlllen gegen ihren oder sei-
nen Willen aufheben
25
SGB IX dass die Beschaumlftigten aus ihrer Mitte heraus regelmaumlszligig einen Werkstattrat waumlhlen
Genaueres regelt hier die Werkstaumltten-Mitwirkungsverordnung (WMVO) Wie ihr Name al-
lerdings schon sagt handelt es sich hier um die Moumlglichkeit der Mitwirkung nicht der Mitbe-
stimmung Diese kann nur erreicht werden wenn Werkstatt und Werkstattrat nach sect 5 Abs 4
WMVO eine weitergehende Vereinbarung treffen Zu den Aufgaben des Werkstattrates ge-
houmlrt es die Interessen der Beschaumlftigten in verschiedenen Angelegenheiten gegenuumlber der
Werkstatt zu vertreten Diese sind in sect 5 Abs 1 WMVO aufgelistet Die Werkstatt muss den
Werkstattrat auszligerdem informieren wenn sie eine Maszlignahme durchfuumlhrt in der der Werk-
stattrat ein Mitwirkungsrecht besitzt12
Sollte kein Einverstaumlndnis in einer Beratung erzielt
werden koumlnnen beide Seiten sich an eine Vermittlungsstelle wenden (sect 5 Abs 3 WMVO)
Das tatsaumlchliche Ausmaszlig der Mitwirkung ist jedoch stets von der Werkstattleitung abhaumlngig
Solch eine fehlende gesetzliche Verankerung von Mitbestimmung steht der Partizipation be-
hinderter Menschen im Wege welche sowohl fuumlr die gesellschaftliche Inklusion als auch die
Gesundheitsfoumlrderung immens wichtig ist
44 Gesundheitsfoumlrderung in Werkstaumltten fuumlr behinderte Menschen
Zunaumlchst gilt es sich einen Uumlberblick uumlber den aktuellen Stand von Gesundheitsfoumlrderung in
WfbMs zu verschaffen Einen ersten Einblick soll die dazu vorhandene Literatur liefern Da-
nach soll ein Abgleich dieser mit der Praxis stattfinden der sich aufgrund des gesetzten Rah-
mens dieser Arbeit nur auf einige Werkstaumltten des Bundeslandes Berlin konzentriert Hierfuumlr
werden jeweils die Leitbilder untersucht und Stimmen aus der Werkstatt ausgewertet
441 Recherche zum aktuellen Stand
Die Literatur zum Thema Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen in WfbMs ist
noch sehr duumlnn Vollstaumlndig ausgearbeitete Konzepte gibt es bisher nicht veroumlffentlicht wur-
den Berichte von abgeschlossenen oder noch laufenden Projekten Werner Schlummer wis-
senschaftlicher Mitarbeiter der Universitaumlt zu Koumlln begleitete ein Projekt zum Betrieblichen
12
Eine ausfuumlhrliche Beschreibung der Mitwirkungs- und Unterrichtungsrechte des Werkstattrates ist bei
SchlummerSchuumltte 2006 S 71 ndash 82 nachzulesen
26
Gesundheitsmanagement13
in einer WfbM zusammen mit acht Studierenden der Universitaumlt
(vgl Schlummer 2015 S 33) Auch das Projekt GESUND als Teilprojekt von PartKomm-
Plus (Forschungsverbund fuumlr gesunde Kommunen) wird wissenschaftlich durch die Katholi-
sche Hochschule fuumlr Sozialwesen begleitet (vgl Burtscher 2014 S 6)
Als Ausnahme kann das Projekt bdquoSelbstbestimmt gesuumlnderldquo im Rahmen des Programmes
bdquoHealthy Athletesldquo gesehen werden Hier bringt Special Olympics Deutschland eV Maszlig-
nahmen zur Gesundheitsfoumlrderung in die Lebenswelten behinderter Menschen Bei Healthy
Athletes werden Sportlerinnen und Sportler bei Veranstaltungen von Special Olympics kos-
tenlose Beratungen und Kontrolluntersuchungen angeboten Diese Angebote werden jedoch
auch auf Wohnheime und WfbMs ausgeweitet (vgl Special Olympics Deutschland a) S 2
eigene Paginierung) Auch das Projekt bdquoSelbstbestimmt gesuumlnderldquo bringt gesundheitsfoumlrdern-
de Maszlignahmen in Werkstaumltten Dabei werden bdquoTeilnehmern individualisierte Handlungsemp-
fehlungen zum Gesundheitsverhalten zur Verfuumlgung gestelltldquo (Special Olympics Deutschland
b) oS) Das Projekt setzt auszligerdem auf die Wirkung von Peer-Multiplikatorinnen und
-Multiplikatoren
Weitere Projekte sind trotz intensiver Recherche nicht bekannt Auch die Bundesarbeitsge-
meinschaft Werkstaumltten fuumlr behinderte Menschen eV (BAG WfbM) hat auf ihrer Homepa-
ge14
keinen Artikel zur Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung in WfbMs
Gibt man in der Suchmaske bdquoGesundheitsfoumlrderungldquo ein erhaumllt man zwei Ergebnisse einen
Artikel uumlber ein neu entwickeltes Computerspiel das von Kindern mit unterschiedlichen Be-
hinderungen gespielt werden kann und einen Artikel zum Qualifizierungsprogramm bdquoGe-
sundheitsfoumlrderung durch Schluumlsselqualifikationenldquo das sich nicht an Beschaumlftigte sondern
an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in WfbMs richtet Dies legt den Schluss nahe dass Ge-
sundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen in WfbMs bisher kaum verbreitet ist
Das Thema Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung als solches wurde in den
letzten Jahren zunehmend in der Literatur behandelt wobei die Anzahl der Veroumlffentlichun-
gen nach wie vor auf einem uumlberschaubaren Stand ist
13
Schlummers Verstaumlndnis von Betrieblichem Gesundheitsmanagement und Betrieblicher Gesundheitsfoumlrderung
sind beinahe synonym Das beschriebene Projekt kann daher im erweiterten Rahmen durchaus als Projekt zur
Gesundheitsfoumlrderung gesehen werden 14
httpwwwbagwfbmde (Stand 11112015)
27
442 Konzepte und Leitbilder von Einrichtungen der Praxis
Betrachtet werden vier verschiedene WfbMs und ihre Leitbilder Es handelt sich um die vier
Werkstaumltten von denen auch im Rahmen der Feldbefragung Stimmen einer Mitarbeiterin oder
eines Mitarbeiters und zT von Beschaumlftigten gewonnen werden konnten (siehe 443 und
Anhang Nr 2)
Aufgrund der jeweiligen Traumlgerstrukturen besitzt lediglich eine der Werkstaumltten15
als solche
ein eigenes Leitbild Bei den anderen drei Werkstaumltten muss auf das Leitbild des jeweiligen
Traumlgers zuruumlckgegriffen werden Das Thema der Gesundheit der Klientinnen und Klienten
bzw Werkstattbeschaumlftigten wird allerdings in keinem Leitbild thematisiert Auch die Such-
funktionen auf den jeweiligen Homepages bzw intensive Recherchen auf diesen brachten
keine Ergebnisse zum Stichwort bdquoGesundheitsfoumlrderungldquo Daraus laumlsst sich schlieszligen dass
Gesundheitsfoumlrderung der Werkstattbeschaumlftigten in den theoretischen Konzeptionen von
WfbMs meist nicht verankert ist
443 Gesundheitsfoumlrderung in der alltaumlglichen Praxis der Werkstaumltten ndash eine kleine Feldbe-
fragung
Im Rahmen des Informationstages der Berliner Landesarbeitsgemeinschaft Werkstaumltten fuumlr
behinderte Menschen eV (LAG WfbM) am 17112015 im Estrel Hotel Berlin wurden je-
weils eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter von vier verschiedenen WfbMs zum Thema Ge-
sundheitsfoumlrderung mit den Beschaumlftigten in der Werkstatt befragt (siehe Anhang Nr 2) Die
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben alle eine vergleichbare Position Begleitender Dienst
Paumldagogischer Dienst oder Sozialdienst In einer der Werkstaumltten konnten uumlberdies auch
Stimmen von Beschaumlftigten gewonnen werden16
Die Ergebnisse weisen keine empirische
Repraumlsentativitaumlt auf da der knappe Rahmen dieser Arbeit eine repraumlsentative empirische
Forschungsarbeit kaum zulaumlsst Die Befragungen sollen dazu dienen einen Einblick in den
Alltag der WfbMs zu ermoumlglichen und die in der Literatur und den Leibildern gewonnenen
Perspektiven zu erweitern
15
Aus Gruumlnden des Datenschutzes duumlrfen in der hier publizierten Version die Namen der Werkstaumltten nicht
genannt werden 16
In zwei der Werkstaumltten konnten keine Stimmen von Beschaumlftigten erhoben werden da eine Befragung in der
Werkstatt von den befragten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern abgelehnt wurde Der Mitarbeiter der dritten
Werkstatt signalisierte zwar waumlhrend der Befragung Zustimmung jedoch fehlte diese spaumlter von Seiten der Lei-
tung
28
Der Begriff bdquoGesundheitsfoumlrderungldquo wird von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sehr
unterschiedlich interpretiert Die Spannbreite liegt von einem Verstaumlndnis aumlhnlich des hier
dargelegten bis hin zu therapeutischer und rehabilitativer Foumlrderung Die angebotenen Maszlig-
nahmen welche einer Foumlrderung der Gesundheit dienen sollen sind jedoch bei allen aumlhnlich
Meist handelt es sich um Musik- Sport- und Bewegungsangebote die im Rahmen von sog
Begleitenden Maszlignahmen verankert sind Daruumlber hinaus werden auch entlastende Bewegun-
gen in den Arbeitsgruppen angeboten und ein Gesundheitstag in Kooperation mit Special
Olympics Deutschland geplant (eine Werkstatt) Eine andere Werkstatt kooperiert mit der
Fitnessstudiokette Fitness First Kurse zu gesunder Ernaumlhrung und Kochen werden teilweise
angeboten oder sind in Planung Nach Aussagen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden
die Maszlignahmen meist gut angenommen In einer Werkstatt wird sogar gemeinsam mit dem
Werkstattrat an einer Peer-Beratung gearbeitet mit der den Beschaumlftigten der Zugang zu den
Themen Bildung und Gesundheit verbessert werden soll Schwierigkeiten bestehen besonders
bzgl der Raumlume zB bei Turnhallen fuumlr Fuszligball
Eine Partizipation bei der Entwicklung von Angeboten ist nur teilweise gegeben Es wird
zwar in allen befragten Werkstaumltten nach Interessen der Beschaumlftigten gefragt und dement-
sprechend die Kurse angeboten jedoch besteht nur selten die Moumlglichkeit fuumlr die Beschaumlftig-
ten aktiv den jeweiligen Kurs durch eigene Entscheidungen mitzugestalten In einer Werk-
statt ist das bspw abhaumlngig von der Kursart von der Kursleiterin bzw dem Kursleiter und
vom Konzept Evaluiert werden die Angebote meist nur durch Nachfrage in den idR jaumlhr-
lich stattfindenden Entwicklungsgespraumlchen mit den einzelnen Beschaumlftigten und teilweise
daruumlber hinaus mit Fragebogen oder durch die Kursleiterin bzw den Kursleiter Eine Werk-
statt fuumlhrt sogar Statistiken zur Nachfrage Eine partizipative Evaluation findet in keiner der
befragten Werkstaumltten statt
Die befragten Beschaumlftigten einer der Werkstaumltten zeigten sich mit dem Angebot an gesund-
heitsfoumlrdernden Maszlignahmen groumlszligtenteils sehr zufrieden und empfanden die Anzahl der An-
gebote als meist genuumlgend Geaumluszligert wurde lediglich der Wunsch nach weiteren Angeboten
zu gesunder Ernaumlhrung und nach einem besseren Angebot an gesunden Speisen Das Ver-
staumlndnis von Gesundheitsfoumlrderung ist unterschiedlich Auffaumlllig ist dass auf der einen Seite
Aumlrzte und Besuche bei diesen wichtig scheinen gleichzeitig aber auch das Achten auf die
eigene Gesundheit als Teil der Gesundheitsfoumlrderung gilt Besonders letzterer Aspekt weist
darauf hin dass bei den Befragten ein gewisses Grundverstaumlndnis von Gesundheitsfoumlrderung
vorhanden ist das dem in dieser Arbeit verwendeten aumlhnelt Die Wichtigkeit der aumlrztlichen
29
Betreuung laumlsst jedoch zugleich auch auf ein eher bdquotraditionellesldquo bio-medizinisches Gesund-
heitsverstaumlndnis schlieszligen
Als angebotene Maszlignahmen werden meist Sport- und Bewegungsangebote genannt aber
auch eine Apfelpause um kurz von der Arbeit entspannen zu koumlnnen Daruumlber hinaus gab es
Angebote zur Fuszlighygiene und zur Zahn- und Augengesundheit Hier ist der Uumlbergang zwi-
schen Gesundheitsfoumlrderung und Praumlvention flieszligend Bzgl (zukuumlnftiger) Angebote werden
die Beschaumlftigten nach ihren Wuumlnschen gefragt aber eine wirkliche Mitbestimmung in Kon-
zeption und Planung dieser scheint nicht gegeben Auch bei der Evaluation findet bisher keine
Partizipation statt Die Befragung hat jedoch den bisherigen Eindruck bestaumltigt dass gesund-
heitsfoumlrdernde Maszlignahmen in WfbMs von behinderten Menschen durchaus nachgefragt wer-
den und die Werkstaumltten versucht sind im Rahmen der begleitenden Maszlignahmen ein sehr
breites Feld abzudecken Negativ scheint besonders das weitgehende Fehlen partizipativer
Strukturen
In den Werkstaumltten werden viele Angebote im Rahmen begleitender Maszlignahmen offeriert die
fuumlr die Gesundheit foumlrderlich sind Als Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung die die Prinzi-
pien der BVPG verinnerlichen koumlnnen sie jedoch nicht gesehen werden da zB die Partizipa-
tion eine eher untergeordnete Rolle spielt und die Thematik meist auf Sport- und zT Ernaumlh-
rungsangebote beschraumlnkt bleibt Auch werden die Effekte der Maszlignahmen nicht evaluiert
Entspannungsangebote werden nur selten angeboten und der Fokus richtet sich meist nur auf
die koumlrperliche Gesundheit
Daruumlber hinaus zeigt die Befragung aber auch welch groszliges Potential zur Gesundheitsfoumlrde-
rung in den Werkstaumltten liegt Mit den begleitenden Maszlignahmen sind Strukturen verankert in
denen Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung leicht integriert werden koumlnnen Offenheit fuumlr
Kooperationen scheint vielfach gegeben (zB mit Special Olympics Deutschland Fitness
First) sodass auch eine Kooperation mit den Krankenkassen und weiteren Partnern vorstell-
bar scheint Dies wuumlrde den Vorteil finanzieller Foumlrderung und Expertise durch Erfahrungen
mit bereits durchgefuumlhrten Maszlignahmen einbringen Die befragten Mitarbeiterinnen und Mit-
arbeiter schienen Gesundheitsfoumlrderung gegenuumlber prinzipiell sehr positiv eingestellt
Auch wenn in den Leitbildern und auf den Homepages Gesundheitsfoumlrderung nicht themati-
siert wird gibt es in der Praxis schon verschiedene Maszlignahmen und Projekte mit der Intenti-
on die Gesundheit der Beschaumlftigten zu verbessern
30
45 Anregungen fuumlr die Praxis
Vor dem Hintergrund der zu Rate gezogenen Literatur und den gewonnen Erkenntnissen
durch die Feldbefragung werden nun einige Uumlberlegungen fuumlr die Praxis einer gelingenden
Gesundheitsfoumlrderung getroffen Diese koumlnnen als moumlgliche Anregungen zur Umsetzung ver-
standen werden
451 Partizipation und Empowerment in der Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behin-
derung
Erfolgreiche Gesundheitsfoumlrderung braucht Partizipationsmoumlglichkeiten fuumlr die jeweilige
Zielgruppe Partizipation ist schlieszliglich nicht nur Teilnahme sondern aktive Teilhabe und
damit einhergehend die Moumlglichkeit mitzubestimmen und mitzuentscheiden Dazu gehoumlrt
auch die Definitionsmacht also die Macht (mit)zubestimmen an welche die Gesundheit be-
treffenden Aspekte in einer Maszlignahme zur Gesundheitsfoumlrderung herangegangen werden soll
(vgl Wrightvon UngerBlock 2010 S 39) Diese aktive Teilhabe muss also bereits zu Be-
ginn einer Maszlignahme Teil dieser sein Partizipation bedeutet folglich auch Macht Partizipa-
tion zu ermoumlglichen bedeutet Empowerment also die Ermaumlchtigung eines Individuums oder
einer Gruppe So bekommt Partizipation in der Gesundheitsfoumlrderung auch eine gesellschaft-
liche und politische Komponente denn dadurch koumlnnen Menschen mit Behinderungen lernen
mitzubestimmen mitzuentscheiden und eigene Interessen zu vertreten Diese erlernten Faumlhig-
keiten lassen sich auf die Handlungsebene in einer demokratischen Gesellschaft uumlbertragen
Sowohl Empowerment als auch Partizipation gehoumlren zu den in 31 erwaumlhnten Prinzipien der
BVPG Diese weist darauf hin dass Partizipation in saumlmtlichen Phasen einer Maszlignahme ge-
geben sein muss beginnend mit der Bedarfsanalyse der Planung in der Durchfuumlhrung und
abschlieszligend in der BewertungEvaluation So kann die Wirksamkeit einer Maszlignahme erhoumlht
werden (vgl BVPG 2013 S 90) Teilhabe kann als ein wichtiger Bestandteil der Qualitaumltssi-
cherung gesehen werden Bisher finden Maszlignahmen zur Qualitaumltssicherung nur selten unter
Partizipation der Zielgruppe statt Diese partizipativ zu beteiligen hilft die Qualitaumlt der Ge-
sundheitsfoumlrderung aufrechtzuerhalten oder sogar zu verbessern (vgl Wrightvon Un-
gerBlock 2010 S 35)
Teilhabe ist bei behinderten Menschen besonders wichtig Ihr Leben ist haumlufig von Beginn an
stark fremdbestimmt und von Abhaumlngigkeit gepraumlgt Somit lernen sie seltener als nicht behin-
31
derte Menschen Verantwortung zu uumlbernehmen und selbststaumlndig zu agieren Dies kann bis
hin zur sog bdquoerlernten Hilflosigkeitldquo fuumlhren Vor diesem Hintergrund scheint Partizipation
umso wichtiger aber auch umso arbeitsintensiver Sie ist daher in der Praxis der Gesundheits-
foumlrderung haumlufig sehr arbeitsintensiv und benoumltigt folglich zeitliche Ressourcen und damit
einhergehend finanzielle Ressourcen (vgl Loss 2009 S 10)
Traditionell sind viele Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung top-down organisiert das be-
deutet eine Einrichtung ein Geldgeber etc plant eine Maszlignahme fuumlhrt diese durch und eva-
luiert sie Zur Erreichung der eigenen Ziele wird die Zielgruppe mobilisiert ohne ein Mitspra-
cherecht zu den einzelnen Bausteinen der Maszlignahme zu haben Diese Struktur verdeutlicht
das Maumlchteungleichwicht zwischen Anbieter und Zielgruppe und zementiert den Status be-
hinderter Menschen als Abhaumlngige und Ohnmaumlchtige Der Gegensatz zu top-down-
Programmen ist der bottom-up-Ansatz Hier findet eine Machtteilung statt da die Gesund-
heitsfoumlrderinnen und Gesundheitsfoumlrderer ihre Macht mit der Zielgruppe teilen und eher die
Rolle von Unterstuumltzerinnen und Unterstuumltzern einnehmen Die Zielgruppe soll unterstuumltzt
werden ihre eigenen Probleme festzustellen und Loumlsungen sowie Maszlignahmen zu erarbeiten
In der Planung Durchfuumlhrung und Evaluation kommt ihr damit eine aktive Rolle zu (vgl La-
verack 2010 S 77) Bottom-up-Programme scheinen daher fuumlr Partizipation und Empower-
ment geeigneter als top-down-Strukturen Allerdings schlieszligen sich beide Ansaumltze nicht
zwingend aus sondern Maszlignahmen koumlnnen Eigenschaften beider Ansaumltze aufweisen In
WfbMs scheinen Maszlignahmen sehr haumlufig top-down organisiert zu sein Die staumlrkere Veranke-
rung von bottom-up-Strukturen waumlre hier im Sinne einer Teilhabe ndash in der Werkstatt wie auch
daruumlber hinaus auf gesellschaftlicher Ebene ndash vorteilhaft und wuumlnschenswert
452 Peer-Multiplikatorinnen und -Multiplikatoren
Eine Strategie die in der Praxis der Gesundheitsfoumlrderung bereits mit positiven Ergebnissen
getestet wurde sind Peer-Multiplikatorinnen und -Multiplikatoren Das Modell der Multipli-
katorinnen und Multiplikatoren war bereits Grundlage vieler gesundheitsfoumlrdernder Maszlignah-
men mit sozial benachteiligten Menschen die auch in der Literatur vielfach dokumentiert
sind Auch in der Arbeit mit behinderten Menschen ist dieses Konzept nicht neu Auf Maszlig-
nahmen zur Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung wurde es bisher kaum an-
gewandt scheint jedoch erfolgsversprechend Das Projekt GESUND welches mit einer Ber-
liner WfbM durchgefuumlhrt wird arbeitet mit diesem Konzept (vgl Burtscher 2014 S 8) Die
32
Funktion von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren besteht darin Kenntnisse und Informa-
tionen zur Gesundheit(-sfoumlrderung) der Zielgruppe mit Hilfe der ihnen innewohnenden Ver-
trauensstellung naumlher zu bringen Sie haben daher eine bdquoMittlerfunktionldquo (BVPG 2013 S 92)
zwischen Durchfuumlhrenden und Zielgruppe Voraussetzung dafuumlr ist dass sie der Zielgruppe
angehoumlren oder zumindest eine sehr enge Verbindung zu ihr besitzen Im Zuge einer Maszlig-
nahme werden sie selbst gestaumlrkt sozusagen bdquoempowertldquo Ihre Mittlerfunktion funktioniert
allerdings auch in die andere Richtung Sie bringen den Durchfuumlhrenden die Perspektive der
Zielgruppe naumlher Im Idealfall fuumlhrt der Einsatz von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren
zur Aktivierung der Zielgruppe die ihr selbstbestimmtes Handeln auch auf andere Bereiche
ausdehnen kann (vgl Stickan-Verfuumlrth 2005 S 108) Diesem Modell sehr aumlhnlich ist das
Modell des Peer-Counseling Hier stehen Mitglieder der Zielgruppe in beratender Funktion
ihrer Peer-Gruppe zur Verfuumlgung
453 Verknuumlpfung von Betrieblicher Gesundheitsfoumlrderung und Gesundheitsfoumlrderung in
Werkstaumltten fuumlr behinderte Menschen
Eine Uumlbertragung der Idee der Betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung auf die Gesundheitsfoumlrde-
rung in WfbMs scheint in der Tat realisierbar Den rechtlichen und finanziellen Rahmen hier-
fuumlr hat das 2015 beschlossene Praumlventionsgesetz geschaffen (siehe 33) Im Entwurf der Bun-
desregierung wird in der Anmerkung zum neuen sect 20 Abs 4 SGB V explizit darauf hinge-
wiesen dass Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung auch in WfbMs zum Leistungsspektrum der
Krankenkassen gehoumlrt (vgl Deutscher Bundestag 2015 S 34) Eine Etablierung hiervon in
der Praxis haumlngt in erster Linie neben den Krankenkassen auch von den Leitungen der WfbMs
ab Sollten diese hierfuumlr und auch gegenuumlber partizipativen Strukturen offen sein waumlre der in
351 kurz vorgestellte Gesundheitszirkel ein passender Startpunkt um von Beginn an auch
die Partizipation der Beschaumlftigten zu gewaumlhrleisten Analog zum Konzept der BGF koumlnnten
gemeinsam Maszlignahmen erarbeitet werden die die Gesundheit der Beschaumlftigten foumlrdern wuumlr-
den Den Vertreterinnen und Vertretern der Beschaumlftigten die im Gesundheitszirkel mitwir-
ken koumlnnte dabei die Rolle von Peer-Multiplikatorinnen und -Multiplikatoren zukommen
Als Effekte duumlrften die in 351 beschriebenen auch hier zu erwarten sein eine Verbesserung
der Gesundheit und eine Staumlrkung der gesundheitlichen Ressourcen eine Verringerung der
krankheitsbedingten Fehltage eine staumlrkere Identifikation der Beschaumlftigten mit der Werk-
33
statt ein besseres Arbeitsklima eine houmlhere Motivation und Arbeitszufriedenheit und eine
Steigerung der Produktivitaumlt
Es empfiehlt sich im Sinne der Partizipation und des Empowerments kein reines top-down-
Programm zu starten sondern einen bottom-up-Ansatz zu waumlhlen bzw zumindest mehrere
Elemente dessen einzubauen Als Anknuumlpfungspunkt koumlnnen bereits bestehende begleitende
Maszlignahmen mit passender Thematik genommen werden
Wie bdquonormaleldquo Betriebe koumlnnten auch WfbMs Kooperationen in ihrem raumlumlichen Umfeld
aufbauen und von Vernetzungen profitieren Aufgrund ihrer Groumlszlige sind sie in ihrem Sozial-
raum ein meist nicht zu unterschaumltzender Akteur
34
5 Fazit und Ausblick
Ausgehend von einem bio-psycho-sozialen Verstaumlndnis von Gesundheit wurden verschiedene
Aspekte der Gesundheitsfoumlrderung vertieft und anschlieszligend eine Verknuumlpfung zur Gesund-
heitsfoumlrderung mit behinderten Menschen hergestellt Hierbei lag der Fokus auf gesundheits-
foumlrdernden Maszlignahmen in WfbMs Dabei wurde die aktuelle Literatur zu Rate gezogen In-
ternetauftritte einiger Werkstaumltten durchsucht und Stimmen aus dem Feld von Mitarbeiterin-
nen und Mitarbeitern sowie Beschaumlftigten von Werkstaumltten gewonnen
Die Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung ist noch immer relativ schwach
ausgebaut Dies stellt sich besonders vor dem Hintergrund als problematisch dass behinderte
Menschen haumlufig anfaumllliger fuumlr Krankheiten sind und durchschnittlich uumlber einen subjektiv als
schlechter bewerteten Gesundheitsstatus verfuumlgen als nichtbehinderte Menschen Wie viele
sozial benachteiligte Gruppen sind sie verhaumlltnismaumlszligig schwer zu erreichen fuumlr gesundheits-
foumlrdernde Maszlignahmen Obwohl es in der Erreichbarkeit mehrere Probleme gibt verfuumlgen
Menschen mit Behinderung auf der anderen Seite uumlber groszlige Potentiale Das neue Praumlventi-
onsgesetz ist ein erheblicher Fortschritt bei der Finanzierung gesundheitsfoumlrdernder Maszlignah-
men Sogar eine Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung in Werkstaumltten ist wenn auch nicht ex-
plizit verankert so doch zumindest gewuumlnscht
Gelingende Gesundheitsfoumlrderung muss sich im Allgemeinen und auch bei der Arbeit mit
behinderten Menschen an bestimmten Prinzipien messen lassen Besonders wichtig vor dem
gesellschaftlichen Hintergrund ist hier die Partizipation der Menschen mit Behinderung und
damit einhergehend das Empowerment dieser Beide wirken sich positiv auf die Qualitaumlt der
gesundheitsfoumlrdernden Maszlignahmen aus gehen jedoch auch daruumlber hinaus Sie koumlnnen Men-
schen mit Behinderungen auch auf gesellschaftlicher Ebene empowern sodass ihnen eine
groumlszligere gesellschaftliche Teilhabe zukommt Somit erlangt Gesundheitsfoumlrderung auch vor
dem Hintergrund der Inklusion eine hohe Relevanz
In WfbMs ist gezielte Gesundheitsfoumlrderung bisher wenig verbreitet Einzelne Projekte sind
eher die Ausnahme denn die Regel Jedoch sind die Potentiale der Werkstaumltten enorm Das
Personal scheint haumlufig offen fuumlr Maszlignahmen zu sein und gerade die Strukturen der beglei-
tenden Maszlignahmen lieszligen eine relativ einfache Integration von Maszlignahmen zur (betriebli-
chen) Gesundheitsfoumlrderung zu Bestehende begleitende Maszlignahmen in welchen Sport oder
Bildungsangebote zu gesunder Ernaumlhrung angeboten werden koumlnnten ohne uumlbermaumlszligigen
Aufwand zu gezielten Maszlignahmen fuumlr Gesundheitsfoumlrderung ausgebaut werden Nachholbe-
darf bestuumlnde hier vor allem auf dem Gebiet der Partizipation Nur selten scheinen die Be-
35
schaumlftigten in Konzeption Planung Durchfuumlhrung und Evaluation aktiv eingebunden zu sein
In bestimmten Phasen wie etwa der Konzeption und besonders der Evaluation scheint aktive
Teilhabe noch uumlberhaupt nicht verankert zu sein Eine staumlrkere Partizipation in allen Berei-
chen waumlre mit houmlherem Arbeits- und Kostenaufwand verbunden welcher durch eine Einbin-
dung der Krankenkassen moumlglicherweise aufgefangen werden koumlnnte Die Partizipation foumlr-
dern wuumlrde auch die Etablierung von Peer-Beratung und Peer-Multiplikatorinnen und
-Multiplikatoren Diesen kaumlme beim Zugang zur Zielgruppe eine Schluumlsselfunktion zu und
gleichzeitig koumlnnten sie Bedarfe und Beduumlrfnisse dieser gegenuumlber den anderen Akteuren
kommunizieren Auch wenn es bisher keine konkreten ausgearbeiteten Konzepte zur Gesund-
heitsfoumlrderung in WfbMs gibt koumlnnten bestehende Konzepte zur Betrieblichen Gesundheits-
foumlrderung eventuell leicht uumlberarbeitet fuumlr Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung in Werkstaumltten
analog angewendet werden
Die Potentiale und Moumlglichkeiten zur Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung
in WfbMs sind also mannigfaltig und haumlufig vorhanden Auf diesen koumlnnte aufgebaut werden
um behinderten Menschen das Recht auf das in Artikel 25 der UN-BRK festgeschriebene bdquoer-
reichbare Houmlchstmaszlig an Gesundheitldquo zu ermoumlglichen
Gesundheitsfoumlrderung ist mehr als Werbeplakate an Bus- oder Straszligenbahnhaltestellen und
Clips im Aktuellen Sportstudio sie ist mehr als Sportangebote und Angebote zu gesunder
Ernaumlhrung sie ist auch ein Weg zum Erreichen eines Menschenrechtes das Recht auf Ge-
sundheit
36
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41
Anhang
Nr 1 Abbildung zu den Hauptdeterminanten der Gesundheit nach DahlgreenWhitehead
2007 S 11
Nr 2 Befragung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Beschaumlftigten der WfbMs
42
Nr 1 Abbildung zu den Hauptdeterminanten der Gesundheit nach DahlgreenWhitehead
2007 S 11
43
Nr 2 Befragung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Beschaumlftigten der WfbMs
Um moumlglichst effizient die Stimmen aus vier WfbMs unterschiedlicher Traumlger zu erheben
wurden diese auf dem Infotag der LAG WfbM Berlin am 17112015 gesammelt Hier waren
verschiedene Werkstaumltten mit Informationsstaumlnden vertreten Gewaumlhlt wurden die Werkstaumlt-
ten an deren Staumlnden der Verfasser zuerst vorbeilief Die gestellten Fragen waren stets die-
selben
Den Vertretern der Werkstatt wurde zugesichert dass ihr Name nicht in der vorliegenden Ar-
beit genannt wird lediglich ihre Position in der Werkstatt wird erwaumlhnt Es wurden auszligerdem
keine weiteren Personendaten erhoben
Wenn moumlglich sollten auszligerdem fuumlnf Beschaumlftige pro WfbM befragt werden Hierfuumlr wurde
am Ende des kurzen Interviews um Erlaubnis gefragt Den Beschaumlftigten wurden andere Fra-
gen gestellt als dem Werkstattpersonal jedoch erhielten alle Beschaumlftigten dieselben Fragen
untereinander Den Beschaumlftigen wurde komplette Anonymitaumlt in der vorliegenden Arbeit
zugesichert und es wurden keine personenbezogenen Daten abgefragt Zuerst wurde nach
ihrem Verstaumlndnis von Gesundheitsfoumlrderung gefragt Vor den Fragen 2 bis 5 wurde kurz
erklaumlrt wie Gesundheitsfoumlrderung verstanden werden kann um davon ausgehend die restli-
chen Fragen zu beantworten
Bei saumlmtlichen Interviews wurde auf Transkriptionen verzichtet es wurden lediglich die
Kernaussagen mitgeschrieben
Im Folgenden finden sich exemplarisch die jeweils gestellten Fragen
44
Fragen an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der WfbM
Name der WfbM
Position der befragten Person Begleitender Dienst
1 Was verstehen Sie unter Gesundheitsfoumlrderung
2 Was bieten Sie im Rahmen der Gesundheitsfoumlrderung an
3 Wie werden die Maszlignahmen angenommen
4 Wuumlrden Sie gerne mehr anbieten oder finden Sie die Angebote ausreichend
5 Gibt es Schwierigkeiten
6 Wie steht es um die Partizipation in den Angeboten (Werden die Angebote von Beschaumlf-
tigten mitentwickelt mitevaluiert etc)
7 Werden die Angebote evaluiert
45
Fragen an die Beschaumlftigen der WfbM
Name der WfbM
Datum
1 Wissen Sie was Gesundheitsfoumlrderung ist Wenn ja wie wuumlrden sie es beschreiben
[Moumlgliche Erklaumlrung fuumlr Beschaumlftigte die sich nichts unter Gesundheitsfoumlrderung vorstellen
koumlnnen Zur Gesundheitsfoumlrderung gehoumlrt alles was fuumlr Ihre Gesundheit gut ist zB Kur-
seMaszlignahmen usw die mit Bewegung Ernaumlhrung Wohlfuumlhlen am Arbeitsplatz oder Ent-
spannen zu tun haben]
2 Welche Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung werden Ihnen von der Werkstatt angebo-
ten
3 Werden Ihrer Meinung nach genuumlgend Angebote zur Gesundheitsfoumlrderung in der Werk-
statt angeboten
4 Duumlrfen Sie bei der Entwicklung und Evaluation (Auswertung am Ende) mitbestimmen
5 Was sind Ihre Wuumlnsche bezuumlglich der Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung
22
421 Probleme bei der Erreichbarkeit
In den bundesweiten Untersuchungen wie bspw dem Sozio-oumlkonomischen Panel (SOEP)
oder Gesundheit in Deutschland aktuell (GEDA) werden Menschen mit Lernschwierigkeiten
idR nicht erreicht Dies hat zur Folge dass sowohl gesundheitliche Potentiale als auch Be-
duumlrfnisse und Bedarfe von Menschen mit Lernschwierigkeiten in der Gesundheitsfoumlrderung
weitgehend unerkannt und dadurch ausgeklammert bleiben (vgl Burtscher 2014 S 4)
Generell gelten behinderte Menschen bisher als schwer zu erreichen fuumlr Maszlignahmen zur Ge-
sundheitsfoumlrderung was verschiedene Gruumlnde hat Sozial benachteiligte Menschen sind sehr
haumlufig eine schwer erreichbare Zielgruppe fuumlr die Gesundheitsfoumlrderung Maszlignahmen auf der
gesamtgesellschaftlichen Ebene werden eher von Menschen mit houmlherem sozialen Status an-
genommen (Hurrelmann 2006 S 164) und erst spaumlter von sozial Benachteiligten internali-
siert Es waumlre jedoch ein Fehler Menschen mit Behinderungen automatisch zur Gruppe der
sozial benachteiligten Menschen zu rechnen Jedoch zeigt der Bundesteilhabebericht dass
behinderte Menschen haumlufiger erwerbslos sind und durchschnittlich weniger Gehalt verdienen
(BMAS 2013 S 141 ndash 149) Dass die finanzielle Lage von Beschaumlftigten der WfbMs beson-
ders prekaumlr ist wird im Punkt 43 naumlher erlaumlutert Diese soziooumlkonomischen Merkmale sind
jedoch nur ein Aspekt Auch gilt es zu bedenken dass besonders Maszlignahmen auf der Verhal-
tensebene bei sozial benachteiligten Menschen oft wenig angenommen werden da sie mit den
eigenen dauerhaften Lebensvorstellungen nicht uumlbereinstimmen (vgl Hurrelmann 2006
S 164) So nehmen Menschen mit Behinderung nur sehr selten an Angeboten oumlffentlicher
Einrichtungen wie bspw Volkshochschulkursen oder Rehabilitations-Sport-Maszlignahmen teil
(vgl Burtscher 2014 S 5)
Ein weiterer Punkt ist dass das Thema Gesundheitsfoumlrderung in der Behindertenarbeit traditi-
onell kaum etabliert war Laut einer Studie aus dem Jahr 2004 sehen Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter in Behinderteneinrichtungen haumlufig wenig Relevanz in Sport Bewegung und Er-
naumlhrung fuumlr die Foumlrderung der Gesundheit behinderter Menschen Daruumlber hinaus schreiben
sie auch Selbstbewusstsein Selbststaumlndigkeit und Selbstbestimmung nur eine untergeordnete
Rolle zu (vgl Gembris-Nuumlbel 2004 S 144) Allerdings besteht die Chance dass diese Ein-
stellung sich in den letzten zehn Jahren veraumlndert hat Die Ergebnisse der im Rahmen dieser
Arbeit durchgefuumlhrten Feldbefragung geben Anlass zu dieser Annahme (siehe 443) Auszliger-
dem ist fuumlr viele Menschen mit Lernschwierigkeiten der Zugang zu Informationen welche
Gesundheitsfoumlrderung thematisieren nur schwer moumlglich Hier sind folglich Vermittlung und
Unterstuumltzung oft notwendig (vgl Gembris-Nuumlbel 2004 S 82)
23
Auch von der Politik wird das Thema der Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen
bisher nur sehr selten thematisiert Seltene Ausnahmen wie zB die 22 Landesgesundheits-
konferenz in Nordrhein-Westfalen weisen jedoch auf die Wichtigkeit von Gesundheitsfoumlrde-
rung hin welche die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben verbessern kann (vgl Ministerium
fuumlr Gesundheit Emanzipation Pflege und Alter des Landes Nordrhein-Westfalen 2013
S 31) Hervorgehoben wird hier auch die (zukuumlnftige) Gestaltung der Informationen damit
diese fuumlr alle zugaumlnglich sind Des Weiteren soll auch das Bewusstsein saumlmtlicher Beteiligten
im Bereich der Gesundheitsfoumlrderung sensibilisiert werden (vgl Ministerium fuumlr Gesundheit
Emanzipation Pflege und Alter des Landes Nordrhein-Westfalen 2013 S 32)
Schon im Grundschulalter werden behinderte Kinder oft nicht erreicht da Gesundheitsfoumlrde-
rung sehr haumlufig nur in Regelgrundschulen und weiterfuumlhrenden Schulen und nicht in separie-
renden Foumlrderschulen stattfindet (vgl Reuter 2009 S 1819)
422 Potentiale fuumlr die Erreichbarkeit
Allerdings muumlssen auch die Potentiale betrachtet werden die fuumlr eine Erreichbarkeit behin-
derter Menschen zur Gesundheitsfoumlrderung vorhanden sind Auch diese bestehen in allen Al-
tersgruppen zB im fruumlhen Schulalter Im Zuge der Inklusion bei der immer mehr Kinder
mit Behinderungen in Regelschulen unterrichtet werden ist zu hoffen dass sie zukuumlnftig haumlu-
figer an Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung teilhaben koumlnnen Solange es (noch) Foumlrder-
schulen gibt muss auch auf deren (oft ungenutztes) Potential fuumlr gesundheitsfoumlrdernde Maszlig-
nahmen hingewiesen werden das in ihrer oft ganztaumlgigen Betreuung und den damit verbun-
denen Ressourcen liegt
Nicht nur in der Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Kindern sind bereits Potentiale vor-
handen Generell weisen Gesundheitsfoumlrderung und Behindertenarbeit sehr groszlige Gemein-
samkeiten in Sprache Prinzipien und Zielen auf Beide zielen letztendlich ab auf Inklusion
Partizipation Empowerment Entwicklung persoumlnlicher Faumlhigkeiten Einbindung in die Ge-
meinde die Neuorientierung von Gesundheitsdienstleistungen und die Foumlrderung von Um-
welten welche Gesundheit und Lebensqualitaumlt verbessern (vgl Lennox 2002 S 231) Es soll
auch darauf hingewiesen werden dass viele behinderte Menschen sehr an Informationen uumlber
Gesundheit interessiert sind und aktiv nach Informationen suchen (vgl Altgeld 2008 S 8)
Abschlieszligend laumlsst sich auffuumlhren dass gerade der Setting-Ansatz wie er in Punkt 34 darge-
stellt wurde eine sehr gute Moumlglichkeit bietet Menschen mit Behinderungen zu erreichen Er
24
bietet einen Zugangspunkt und kann Ausgangslage sein sowohl fuumlr verhaltens- als auch fuumlr
verhaumlltnisorientierte Maszlignahmen zur Foumlrderung der Gesundheit von Menschen mit Behinde-
rungen
Obwohl behinderte Menschen in der Vergangenheit nur selten gezielt an Maszlignahmen zur
Gesundheitsfoumlrderung beteiligt wurden sind doch einige Potentiale vorhanden an denen an-
zuknuumlpfen lohnenswert scheint
43 Das Setting Werkstatt fuumlr behinderte Menschen
WfbMs sind spezielle Einrichtungen fuumlr Menschen mit Behinderungen die nach dem SGB IX
als behindert gelten (siehe 21) Nach sect 136 SGB IX dienen diese Einrichtungen der bdquoTeilhabe
behinderter Menschen am Arbeitsleben [hellip] und zur Eingliederung in das Arbeitslebenldquo
Dadurch sind sie nicht Teil des allgemeinen Arbeitsmarktes da ihre Beschaumlftigten bdquowegen
Art oder Schwere der Behinderung nicht noch nicht oder noch nicht wieder auf dem allge-
meinen Arbeitsmarkt beschaumlftigt werden koumlnnenldquo (sect 136 Abs 1 SGB IX) Ihr Ziel ist es be-
hinderte Menschen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt vorzubereiten Die Beschaumlftigten arbei-
ten in verschiedensten Bereichen zB im Handwerk oder in Taumltigkeiten der elektronischen
Datenverarbeitung je nach persoumlnlicher Neigung Da es sich um kein typisches sozialversi-
cherungspflichtiges Arbeitsverhaumlltnis handelt sondern um ein bdquoarbeitnehmeraumlhnliches
Rechtsverhaumlltnisldquo11
(sect 138 SGB IX) bekommen die Beschaumlftigten keinen Lohn der dem
Mindestlohn entspricht Nach sect 138 SGB IX setzt sich ihr Arbeitsentgelt zusammen aus ei-
nem Grundbetrag und einem leistungsbemessenen Steigerungsbetrag Im Jahr 2011 verdiente
ein Beschaumlftigter im Durchschnitt 180 Euro monatlich (vgl BAG WfbM 2014) bei 35 bis 40
Arbeitsstunden pro Woche Von einer groszligen Steigerung in den letzten Jahren ist nicht auszu-
gehen Somit benoumltigen Beschaumlftigte einer WfbM idR neben ihrem Arbeitsentgelt Grundsi-
cherung Dies hat zur Folge dass sie haumlufig in prekaumlren soziooumlkonomischen Verhaumlltnissen
leben
Jede Werkstatt ist soziologisch betrachtet ein eigenes System mit individuellen Merkmalen
die unter anderem vom Standort dem Fachpersonal dem Traumlger und den Beschaumlftigten ge-
kennzeichnet sind (vgl SchlummerSchuumltte 2006 S 81) Gesetzlich festgelegt ist in sect 139
11
Begruumlndet wird dieses Rechtsverhaumlltnis haumlufig durch den Kuumlndigungsschutz Eine Werkstatt kann einen
Werkstattvertrag mit einer Beschaumlftigten oder einem Beschaumlftigten nur in seltenen Faumlllen gegen ihren oder sei-
nen Willen aufheben
25
SGB IX dass die Beschaumlftigten aus ihrer Mitte heraus regelmaumlszligig einen Werkstattrat waumlhlen
Genaueres regelt hier die Werkstaumltten-Mitwirkungsverordnung (WMVO) Wie ihr Name al-
lerdings schon sagt handelt es sich hier um die Moumlglichkeit der Mitwirkung nicht der Mitbe-
stimmung Diese kann nur erreicht werden wenn Werkstatt und Werkstattrat nach sect 5 Abs 4
WMVO eine weitergehende Vereinbarung treffen Zu den Aufgaben des Werkstattrates ge-
houmlrt es die Interessen der Beschaumlftigten in verschiedenen Angelegenheiten gegenuumlber der
Werkstatt zu vertreten Diese sind in sect 5 Abs 1 WMVO aufgelistet Die Werkstatt muss den
Werkstattrat auszligerdem informieren wenn sie eine Maszlignahme durchfuumlhrt in der der Werk-
stattrat ein Mitwirkungsrecht besitzt12
Sollte kein Einverstaumlndnis in einer Beratung erzielt
werden koumlnnen beide Seiten sich an eine Vermittlungsstelle wenden (sect 5 Abs 3 WMVO)
Das tatsaumlchliche Ausmaszlig der Mitwirkung ist jedoch stets von der Werkstattleitung abhaumlngig
Solch eine fehlende gesetzliche Verankerung von Mitbestimmung steht der Partizipation be-
hinderter Menschen im Wege welche sowohl fuumlr die gesellschaftliche Inklusion als auch die
Gesundheitsfoumlrderung immens wichtig ist
44 Gesundheitsfoumlrderung in Werkstaumltten fuumlr behinderte Menschen
Zunaumlchst gilt es sich einen Uumlberblick uumlber den aktuellen Stand von Gesundheitsfoumlrderung in
WfbMs zu verschaffen Einen ersten Einblick soll die dazu vorhandene Literatur liefern Da-
nach soll ein Abgleich dieser mit der Praxis stattfinden der sich aufgrund des gesetzten Rah-
mens dieser Arbeit nur auf einige Werkstaumltten des Bundeslandes Berlin konzentriert Hierfuumlr
werden jeweils die Leitbilder untersucht und Stimmen aus der Werkstatt ausgewertet
441 Recherche zum aktuellen Stand
Die Literatur zum Thema Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen in WfbMs ist
noch sehr duumlnn Vollstaumlndig ausgearbeitete Konzepte gibt es bisher nicht veroumlffentlicht wur-
den Berichte von abgeschlossenen oder noch laufenden Projekten Werner Schlummer wis-
senschaftlicher Mitarbeiter der Universitaumlt zu Koumlln begleitete ein Projekt zum Betrieblichen
12
Eine ausfuumlhrliche Beschreibung der Mitwirkungs- und Unterrichtungsrechte des Werkstattrates ist bei
SchlummerSchuumltte 2006 S 71 ndash 82 nachzulesen
26
Gesundheitsmanagement13
in einer WfbM zusammen mit acht Studierenden der Universitaumlt
(vgl Schlummer 2015 S 33) Auch das Projekt GESUND als Teilprojekt von PartKomm-
Plus (Forschungsverbund fuumlr gesunde Kommunen) wird wissenschaftlich durch die Katholi-
sche Hochschule fuumlr Sozialwesen begleitet (vgl Burtscher 2014 S 6)
Als Ausnahme kann das Projekt bdquoSelbstbestimmt gesuumlnderldquo im Rahmen des Programmes
bdquoHealthy Athletesldquo gesehen werden Hier bringt Special Olympics Deutschland eV Maszlig-
nahmen zur Gesundheitsfoumlrderung in die Lebenswelten behinderter Menschen Bei Healthy
Athletes werden Sportlerinnen und Sportler bei Veranstaltungen von Special Olympics kos-
tenlose Beratungen und Kontrolluntersuchungen angeboten Diese Angebote werden jedoch
auch auf Wohnheime und WfbMs ausgeweitet (vgl Special Olympics Deutschland a) S 2
eigene Paginierung) Auch das Projekt bdquoSelbstbestimmt gesuumlnderldquo bringt gesundheitsfoumlrdern-
de Maszlignahmen in Werkstaumltten Dabei werden bdquoTeilnehmern individualisierte Handlungsemp-
fehlungen zum Gesundheitsverhalten zur Verfuumlgung gestelltldquo (Special Olympics Deutschland
b) oS) Das Projekt setzt auszligerdem auf die Wirkung von Peer-Multiplikatorinnen und
-Multiplikatoren
Weitere Projekte sind trotz intensiver Recherche nicht bekannt Auch die Bundesarbeitsge-
meinschaft Werkstaumltten fuumlr behinderte Menschen eV (BAG WfbM) hat auf ihrer Homepa-
ge14
keinen Artikel zur Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung in WfbMs
Gibt man in der Suchmaske bdquoGesundheitsfoumlrderungldquo ein erhaumllt man zwei Ergebnisse einen
Artikel uumlber ein neu entwickeltes Computerspiel das von Kindern mit unterschiedlichen Be-
hinderungen gespielt werden kann und einen Artikel zum Qualifizierungsprogramm bdquoGe-
sundheitsfoumlrderung durch Schluumlsselqualifikationenldquo das sich nicht an Beschaumlftigte sondern
an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in WfbMs richtet Dies legt den Schluss nahe dass Ge-
sundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen in WfbMs bisher kaum verbreitet ist
Das Thema Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung als solches wurde in den
letzten Jahren zunehmend in der Literatur behandelt wobei die Anzahl der Veroumlffentlichun-
gen nach wie vor auf einem uumlberschaubaren Stand ist
13
Schlummers Verstaumlndnis von Betrieblichem Gesundheitsmanagement und Betrieblicher Gesundheitsfoumlrderung
sind beinahe synonym Das beschriebene Projekt kann daher im erweiterten Rahmen durchaus als Projekt zur
Gesundheitsfoumlrderung gesehen werden 14
httpwwwbagwfbmde (Stand 11112015)
27
442 Konzepte und Leitbilder von Einrichtungen der Praxis
Betrachtet werden vier verschiedene WfbMs und ihre Leitbilder Es handelt sich um die vier
Werkstaumltten von denen auch im Rahmen der Feldbefragung Stimmen einer Mitarbeiterin oder
eines Mitarbeiters und zT von Beschaumlftigten gewonnen werden konnten (siehe 443 und
Anhang Nr 2)
Aufgrund der jeweiligen Traumlgerstrukturen besitzt lediglich eine der Werkstaumltten15
als solche
ein eigenes Leitbild Bei den anderen drei Werkstaumltten muss auf das Leitbild des jeweiligen
Traumlgers zuruumlckgegriffen werden Das Thema der Gesundheit der Klientinnen und Klienten
bzw Werkstattbeschaumlftigten wird allerdings in keinem Leitbild thematisiert Auch die Such-
funktionen auf den jeweiligen Homepages bzw intensive Recherchen auf diesen brachten
keine Ergebnisse zum Stichwort bdquoGesundheitsfoumlrderungldquo Daraus laumlsst sich schlieszligen dass
Gesundheitsfoumlrderung der Werkstattbeschaumlftigten in den theoretischen Konzeptionen von
WfbMs meist nicht verankert ist
443 Gesundheitsfoumlrderung in der alltaumlglichen Praxis der Werkstaumltten ndash eine kleine Feldbe-
fragung
Im Rahmen des Informationstages der Berliner Landesarbeitsgemeinschaft Werkstaumltten fuumlr
behinderte Menschen eV (LAG WfbM) am 17112015 im Estrel Hotel Berlin wurden je-
weils eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter von vier verschiedenen WfbMs zum Thema Ge-
sundheitsfoumlrderung mit den Beschaumlftigten in der Werkstatt befragt (siehe Anhang Nr 2) Die
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben alle eine vergleichbare Position Begleitender Dienst
Paumldagogischer Dienst oder Sozialdienst In einer der Werkstaumltten konnten uumlberdies auch
Stimmen von Beschaumlftigten gewonnen werden16
Die Ergebnisse weisen keine empirische
Repraumlsentativitaumlt auf da der knappe Rahmen dieser Arbeit eine repraumlsentative empirische
Forschungsarbeit kaum zulaumlsst Die Befragungen sollen dazu dienen einen Einblick in den
Alltag der WfbMs zu ermoumlglichen und die in der Literatur und den Leibildern gewonnenen
Perspektiven zu erweitern
15
Aus Gruumlnden des Datenschutzes duumlrfen in der hier publizierten Version die Namen der Werkstaumltten nicht
genannt werden 16
In zwei der Werkstaumltten konnten keine Stimmen von Beschaumlftigten erhoben werden da eine Befragung in der
Werkstatt von den befragten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern abgelehnt wurde Der Mitarbeiter der dritten
Werkstatt signalisierte zwar waumlhrend der Befragung Zustimmung jedoch fehlte diese spaumlter von Seiten der Lei-
tung
28
Der Begriff bdquoGesundheitsfoumlrderungldquo wird von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sehr
unterschiedlich interpretiert Die Spannbreite liegt von einem Verstaumlndnis aumlhnlich des hier
dargelegten bis hin zu therapeutischer und rehabilitativer Foumlrderung Die angebotenen Maszlig-
nahmen welche einer Foumlrderung der Gesundheit dienen sollen sind jedoch bei allen aumlhnlich
Meist handelt es sich um Musik- Sport- und Bewegungsangebote die im Rahmen von sog
Begleitenden Maszlignahmen verankert sind Daruumlber hinaus werden auch entlastende Bewegun-
gen in den Arbeitsgruppen angeboten und ein Gesundheitstag in Kooperation mit Special
Olympics Deutschland geplant (eine Werkstatt) Eine andere Werkstatt kooperiert mit der
Fitnessstudiokette Fitness First Kurse zu gesunder Ernaumlhrung und Kochen werden teilweise
angeboten oder sind in Planung Nach Aussagen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden
die Maszlignahmen meist gut angenommen In einer Werkstatt wird sogar gemeinsam mit dem
Werkstattrat an einer Peer-Beratung gearbeitet mit der den Beschaumlftigten der Zugang zu den
Themen Bildung und Gesundheit verbessert werden soll Schwierigkeiten bestehen besonders
bzgl der Raumlume zB bei Turnhallen fuumlr Fuszligball
Eine Partizipation bei der Entwicklung von Angeboten ist nur teilweise gegeben Es wird
zwar in allen befragten Werkstaumltten nach Interessen der Beschaumlftigten gefragt und dement-
sprechend die Kurse angeboten jedoch besteht nur selten die Moumlglichkeit fuumlr die Beschaumlftig-
ten aktiv den jeweiligen Kurs durch eigene Entscheidungen mitzugestalten In einer Werk-
statt ist das bspw abhaumlngig von der Kursart von der Kursleiterin bzw dem Kursleiter und
vom Konzept Evaluiert werden die Angebote meist nur durch Nachfrage in den idR jaumlhr-
lich stattfindenden Entwicklungsgespraumlchen mit den einzelnen Beschaumlftigten und teilweise
daruumlber hinaus mit Fragebogen oder durch die Kursleiterin bzw den Kursleiter Eine Werk-
statt fuumlhrt sogar Statistiken zur Nachfrage Eine partizipative Evaluation findet in keiner der
befragten Werkstaumltten statt
Die befragten Beschaumlftigten einer der Werkstaumltten zeigten sich mit dem Angebot an gesund-
heitsfoumlrdernden Maszlignahmen groumlszligtenteils sehr zufrieden und empfanden die Anzahl der An-
gebote als meist genuumlgend Geaumluszligert wurde lediglich der Wunsch nach weiteren Angeboten
zu gesunder Ernaumlhrung und nach einem besseren Angebot an gesunden Speisen Das Ver-
staumlndnis von Gesundheitsfoumlrderung ist unterschiedlich Auffaumlllig ist dass auf der einen Seite
Aumlrzte und Besuche bei diesen wichtig scheinen gleichzeitig aber auch das Achten auf die
eigene Gesundheit als Teil der Gesundheitsfoumlrderung gilt Besonders letzterer Aspekt weist
darauf hin dass bei den Befragten ein gewisses Grundverstaumlndnis von Gesundheitsfoumlrderung
vorhanden ist das dem in dieser Arbeit verwendeten aumlhnelt Die Wichtigkeit der aumlrztlichen
29
Betreuung laumlsst jedoch zugleich auch auf ein eher bdquotraditionellesldquo bio-medizinisches Gesund-
heitsverstaumlndnis schlieszligen
Als angebotene Maszlignahmen werden meist Sport- und Bewegungsangebote genannt aber
auch eine Apfelpause um kurz von der Arbeit entspannen zu koumlnnen Daruumlber hinaus gab es
Angebote zur Fuszlighygiene und zur Zahn- und Augengesundheit Hier ist der Uumlbergang zwi-
schen Gesundheitsfoumlrderung und Praumlvention flieszligend Bzgl (zukuumlnftiger) Angebote werden
die Beschaumlftigten nach ihren Wuumlnschen gefragt aber eine wirkliche Mitbestimmung in Kon-
zeption und Planung dieser scheint nicht gegeben Auch bei der Evaluation findet bisher keine
Partizipation statt Die Befragung hat jedoch den bisherigen Eindruck bestaumltigt dass gesund-
heitsfoumlrdernde Maszlignahmen in WfbMs von behinderten Menschen durchaus nachgefragt wer-
den und die Werkstaumltten versucht sind im Rahmen der begleitenden Maszlignahmen ein sehr
breites Feld abzudecken Negativ scheint besonders das weitgehende Fehlen partizipativer
Strukturen
In den Werkstaumltten werden viele Angebote im Rahmen begleitender Maszlignahmen offeriert die
fuumlr die Gesundheit foumlrderlich sind Als Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung die die Prinzi-
pien der BVPG verinnerlichen koumlnnen sie jedoch nicht gesehen werden da zB die Partizipa-
tion eine eher untergeordnete Rolle spielt und die Thematik meist auf Sport- und zT Ernaumlh-
rungsangebote beschraumlnkt bleibt Auch werden die Effekte der Maszlignahmen nicht evaluiert
Entspannungsangebote werden nur selten angeboten und der Fokus richtet sich meist nur auf
die koumlrperliche Gesundheit
Daruumlber hinaus zeigt die Befragung aber auch welch groszliges Potential zur Gesundheitsfoumlrde-
rung in den Werkstaumltten liegt Mit den begleitenden Maszlignahmen sind Strukturen verankert in
denen Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung leicht integriert werden koumlnnen Offenheit fuumlr
Kooperationen scheint vielfach gegeben (zB mit Special Olympics Deutschland Fitness
First) sodass auch eine Kooperation mit den Krankenkassen und weiteren Partnern vorstell-
bar scheint Dies wuumlrde den Vorteil finanzieller Foumlrderung und Expertise durch Erfahrungen
mit bereits durchgefuumlhrten Maszlignahmen einbringen Die befragten Mitarbeiterinnen und Mit-
arbeiter schienen Gesundheitsfoumlrderung gegenuumlber prinzipiell sehr positiv eingestellt
Auch wenn in den Leitbildern und auf den Homepages Gesundheitsfoumlrderung nicht themati-
siert wird gibt es in der Praxis schon verschiedene Maszlignahmen und Projekte mit der Intenti-
on die Gesundheit der Beschaumlftigten zu verbessern
30
45 Anregungen fuumlr die Praxis
Vor dem Hintergrund der zu Rate gezogenen Literatur und den gewonnen Erkenntnissen
durch die Feldbefragung werden nun einige Uumlberlegungen fuumlr die Praxis einer gelingenden
Gesundheitsfoumlrderung getroffen Diese koumlnnen als moumlgliche Anregungen zur Umsetzung ver-
standen werden
451 Partizipation und Empowerment in der Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behin-
derung
Erfolgreiche Gesundheitsfoumlrderung braucht Partizipationsmoumlglichkeiten fuumlr die jeweilige
Zielgruppe Partizipation ist schlieszliglich nicht nur Teilnahme sondern aktive Teilhabe und
damit einhergehend die Moumlglichkeit mitzubestimmen und mitzuentscheiden Dazu gehoumlrt
auch die Definitionsmacht also die Macht (mit)zubestimmen an welche die Gesundheit be-
treffenden Aspekte in einer Maszlignahme zur Gesundheitsfoumlrderung herangegangen werden soll
(vgl Wrightvon UngerBlock 2010 S 39) Diese aktive Teilhabe muss also bereits zu Be-
ginn einer Maszlignahme Teil dieser sein Partizipation bedeutet folglich auch Macht Partizipa-
tion zu ermoumlglichen bedeutet Empowerment also die Ermaumlchtigung eines Individuums oder
einer Gruppe So bekommt Partizipation in der Gesundheitsfoumlrderung auch eine gesellschaft-
liche und politische Komponente denn dadurch koumlnnen Menschen mit Behinderungen lernen
mitzubestimmen mitzuentscheiden und eigene Interessen zu vertreten Diese erlernten Faumlhig-
keiten lassen sich auf die Handlungsebene in einer demokratischen Gesellschaft uumlbertragen
Sowohl Empowerment als auch Partizipation gehoumlren zu den in 31 erwaumlhnten Prinzipien der
BVPG Diese weist darauf hin dass Partizipation in saumlmtlichen Phasen einer Maszlignahme ge-
geben sein muss beginnend mit der Bedarfsanalyse der Planung in der Durchfuumlhrung und
abschlieszligend in der BewertungEvaluation So kann die Wirksamkeit einer Maszlignahme erhoumlht
werden (vgl BVPG 2013 S 90) Teilhabe kann als ein wichtiger Bestandteil der Qualitaumltssi-
cherung gesehen werden Bisher finden Maszlignahmen zur Qualitaumltssicherung nur selten unter
Partizipation der Zielgruppe statt Diese partizipativ zu beteiligen hilft die Qualitaumlt der Ge-
sundheitsfoumlrderung aufrechtzuerhalten oder sogar zu verbessern (vgl Wrightvon Un-
gerBlock 2010 S 35)
Teilhabe ist bei behinderten Menschen besonders wichtig Ihr Leben ist haumlufig von Beginn an
stark fremdbestimmt und von Abhaumlngigkeit gepraumlgt Somit lernen sie seltener als nicht behin-
31
derte Menschen Verantwortung zu uumlbernehmen und selbststaumlndig zu agieren Dies kann bis
hin zur sog bdquoerlernten Hilflosigkeitldquo fuumlhren Vor diesem Hintergrund scheint Partizipation
umso wichtiger aber auch umso arbeitsintensiver Sie ist daher in der Praxis der Gesundheits-
foumlrderung haumlufig sehr arbeitsintensiv und benoumltigt folglich zeitliche Ressourcen und damit
einhergehend finanzielle Ressourcen (vgl Loss 2009 S 10)
Traditionell sind viele Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung top-down organisiert das be-
deutet eine Einrichtung ein Geldgeber etc plant eine Maszlignahme fuumlhrt diese durch und eva-
luiert sie Zur Erreichung der eigenen Ziele wird die Zielgruppe mobilisiert ohne ein Mitspra-
cherecht zu den einzelnen Bausteinen der Maszlignahme zu haben Diese Struktur verdeutlicht
das Maumlchteungleichwicht zwischen Anbieter und Zielgruppe und zementiert den Status be-
hinderter Menschen als Abhaumlngige und Ohnmaumlchtige Der Gegensatz zu top-down-
Programmen ist der bottom-up-Ansatz Hier findet eine Machtteilung statt da die Gesund-
heitsfoumlrderinnen und Gesundheitsfoumlrderer ihre Macht mit der Zielgruppe teilen und eher die
Rolle von Unterstuumltzerinnen und Unterstuumltzern einnehmen Die Zielgruppe soll unterstuumltzt
werden ihre eigenen Probleme festzustellen und Loumlsungen sowie Maszlignahmen zu erarbeiten
In der Planung Durchfuumlhrung und Evaluation kommt ihr damit eine aktive Rolle zu (vgl La-
verack 2010 S 77) Bottom-up-Programme scheinen daher fuumlr Partizipation und Empower-
ment geeigneter als top-down-Strukturen Allerdings schlieszligen sich beide Ansaumltze nicht
zwingend aus sondern Maszlignahmen koumlnnen Eigenschaften beider Ansaumltze aufweisen In
WfbMs scheinen Maszlignahmen sehr haumlufig top-down organisiert zu sein Die staumlrkere Veranke-
rung von bottom-up-Strukturen waumlre hier im Sinne einer Teilhabe ndash in der Werkstatt wie auch
daruumlber hinaus auf gesellschaftlicher Ebene ndash vorteilhaft und wuumlnschenswert
452 Peer-Multiplikatorinnen und -Multiplikatoren
Eine Strategie die in der Praxis der Gesundheitsfoumlrderung bereits mit positiven Ergebnissen
getestet wurde sind Peer-Multiplikatorinnen und -Multiplikatoren Das Modell der Multipli-
katorinnen und Multiplikatoren war bereits Grundlage vieler gesundheitsfoumlrdernder Maszlignah-
men mit sozial benachteiligten Menschen die auch in der Literatur vielfach dokumentiert
sind Auch in der Arbeit mit behinderten Menschen ist dieses Konzept nicht neu Auf Maszlig-
nahmen zur Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung wurde es bisher kaum an-
gewandt scheint jedoch erfolgsversprechend Das Projekt GESUND welches mit einer Ber-
liner WfbM durchgefuumlhrt wird arbeitet mit diesem Konzept (vgl Burtscher 2014 S 8) Die
32
Funktion von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren besteht darin Kenntnisse und Informa-
tionen zur Gesundheit(-sfoumlrderung) der Zielgruppe mit Hilfe der ihnen innewohnenden Ver-
trauensstellung naumlher zu bringen Sie haben daher eine bdquoMittlerfunktionldquo (BVPG 2013 S 92)
zwischen Durchfuumlhrenden und Zielgruppe Voraussetzung dafuumlr ist dass sie der Zielgruppe
angehoumlren oder zumindest eine sehr enge Verbindung zu ihr besitzen Im Zuge einer Maszlig-
nahme werden sie selbst gestaumlrkt sozusagen bdquoempowertldquo Ihre Mittlerfunktion funktioniert
allerdings auch in die andere Richtung Sie bringen den Durchfuumlhrenden die Perspektive der
Zielgruppe naumlher Im Idealfall fuumlhrt der Einsatz von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren
zur Aktivierung der Zielgruppe die ihr selbstbestimmtes Handeln auch auf andere Bereiche
ausdehnen kann (vgl Stickan-Verfuumlrth 2005 S 108) Diesem Modell sehr aumlhnlich ist das
Modell des Peer-Counseling Hier stehen Mitglieder der Zielgruppe in beratender Funktion
ihrer Peer-Gruppe zur Verfuumlgung
453 Verknuumlpfung von Betrieblicher Gesundheitsfoumlrderung und Gesundheitsfoumlrderung in
Werkstaumltten fuumlr behinderte Menschen
Eine Uumlbertragung der Idee der Betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung auf die Gesundheitsfoumlrde-
rung in WfbMs scheint in der Tat realisierbar Den rechtlichen und finanziellen Rahmen hier-
fuumlr hat das 2015 beschlossene Praumlventionsgesetz geschaffen (siehe 33) Im Entwurf der Bun-
desregierung wird in der Anmerkung zum neuen sect 20 Abs 4 SGB V explizit darauf hinge-
wiesen dass Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung auch in WfbMs zum Leistungsspektrum der
Krankenkassen gehoumlrt (vgl Deutscher Bundestag 2015 S 34) Eine Etablierung hiervon in
der Praxis haumlngt in erster Linie neben den Krankenkassen auch von den Leitungen der WfbMs
ab Sollten diese hierfuumlr und auch gegenuumlber partizipativen Strukturen offen sein waumlre der in
351 kurz vorgestellte Gesundheitszirkel ein passender Startpunkt um von Beginn an auch
die Partizipation der Beschaumlftigten zu gewaumlhrleisten Analog zum Konzept der BGF koumlnnten
gemeinsam Maszlignahmen erarbeitet werden die die Gesundheit der Beschaumlftigten foumlrdern wuumlr-
den Den Vertreterinnen und Vertretern der Beschaumlftigten die im Gesundheitszirkel mitwir-
ken koumlnnte dabei die Rolle von Peer-Multiplikatorinnen und -Multiplikatoren zukommen
Als Effekte duumlrften die in 351 beschriebenen auch hier zu erwarten sein eine Verbesserung
der Gesundheit und eine Staumlrkung der gesundheitlichen Ressourcen eine Verringerung der
krankheitsbedingten Fehltage eine staumlrkere Identifikation der Beschaumlftigten mit der Werk-
33
statt ein besseres Arbeitsklima eine houmlhere Motivation und Arbeitszufriedenheit und eine
Steigerung der Produktivitaumlt
Es empfiehlt sich im Sinne der Partizipation und des Empowerments kein reines top-down-
Programm zu starten sondern einen bottom-up-Ansatz zu waumlhlen bzw zumindest mehrere
Elemente dessen einzubauen Als Anknuumlpfungspunkt koumlnnen bereits bestehende begleitende
Maszlignahmen mit passender Thematik genommen werden
Wie bdquonormaleldquo Betriebe koumlnnten auch WfbMs Kooperationen in ihrem raumlumlichen Umfeld
aufbauen und von Vernetzungen profitieren Aufgrund ihrer Groumlszlige sind sie in ihrem Sozial-
raum ein meist nicht zu unterschaumltzender Akteur
34
5 Fazit und Ausblick
Ausgehend von einem bio-psycho-sozialen Verstaumlndnis von Gesundheit wurden verschiedene
Aspekte der Gesundheitsfoumlrderung vertieft und anschlieszligend eine Verknuumlpfung zur Gesund-
heitsfoumlrderung mit behinderten Menschen hergestellt Hierbei lag der Fokus auf gesundheits-
foumlrdernden Maszlignahmen in WfbMs Dabei wurde die aktuelle Literatur zu Rate gezogen In-
ternetauftritte einiger Werkstaumltten durchsucht und Stimmen aus dem Feld von Mitarbeiterin-
nen und Mitarbeitern sowie Beschaumlftigten von Werkstaumltten gewonnen
Die Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung ist noch immer relativ schwach
ausgebaut Dies stellt sich besonders vor dem Hintergrund als problematisch dass behinderte
Menschen haumlufig anfaumllliger fuumlr Krankheiten sind und durchschnittlich uumlber einen subjektiv als
schlechter bewerteten Gesundheitsstatus verfuumlgen als nichtbehinderte Menschen Wie viele
sozial benachteiligte Gruppen sind sie verhaumlltnismaumlszligig schwer zu erreichen fuumlr gesundheits-
foumlrdernde Maszlignahmen Obwohl es in der Erreichbarkeit mehrere Probleme gibt verfuumlgen
Menschen mit Behinderung auf der anderen Seite uumlber groszlige Potentiale Das neue Praumlventi-
onsgesetz ist ein erheblicher Fortschritt bei der Finanzierung gesundheitsfoumlrdernder Maszlignah-
men Sogar eine Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung in Werkstaumltten ist wenn auch nicht ex-
plizit verankert so doch zumindest gewuumlnscht
Gelingende Gesundheitsfoumlrderung muss sich im Allgemeinen und auch bei der Arbeit mit
behinderten Menschen an bestimmten Prinzipien messen lassen Besonders wichtig vor dem
gesellschaftlichen Hintergrund ist hier die Partizipation der Menschen mit Behinderung und
damit einhergehend das Empowerment dieser Beide wirken sich positiv auf die Qualitaumlt der
gesundheitsfoumlrdernden Maszlignahmen aus gehen jedoch auch daruumlber hinaus Sie koumlnnen Men-
schen mit Behinderungen auch auf gesellschaftlicher Ebene empowern sodass ihnen eine
groumlszligere gesellschaftliche Teilhabe zukommt Somit erlangt Gesundheitsfoumlrderung auch vor
dem Hintergrund der Inklusion eine hohe Relevanz
In WfbMs ist gezielte Gesundheitsfoumlrderung bisher wenig verbreitet Einzelne Projekte sind
eher die Ausnahme denn die Regel Jedoch sind die Potentiale der Werkstaumltten enorm Das
Personal scheint haumlufig offen fuumlr Maszlignahmen zu sein und gerade die Strukturen der beglei-
tenden Maszlignahmen lieszligen eine relativ einfache Integration von Maszlignahmen zur (betriebli-
chen) Gesundheitsfoumlrderung zu Bestehende begleitende Maszlignahmen in welchen Sport oder
Bildungsangebote zu gesunder Ernaumlhrung angeboten werden koumlnnten ohne uumlbermaumlszligigen
Aufwand zu gezielten Maszlignahmen fuumlr Gesundheitsfoumlrderung ausgebaut werden Nachholbe-
darf bestuumlnde hier vor allem auf dem Gebiet der Partizipation Nur selten scheinen die Be-
35
schaumlftigten in Konzeption Planung Durchfuumlhrung und Evaluation aktiv eingebunden zu sein
In bestimmten Phasen wie etwa der Konzeption und besonders der Evaluation scheint aktive
Teilhabe noch uumlberhaupt nicht verankert zu sein Eine staumlrkere Partizipation in allen Berei-
chen waumlre mit houmlherem Arbeits- und Kostenaufwand verbunden welcher durch eine Einbin-
dung der Krankenkassen moumlglicherweise aufgefangen werden koumlnnte Die Partizipation foumlr-
dern wuumlrde auch die Etablierung von Peer-Beratung und Peer-Multiplikatorinnen und
-Multiplikatoren Diesen kaumlme beim Zugang zur Zielgruppe eine Schluumlsselfunktion zu und
gleichzeitig koumlnnten sie Bedarfe und Beduumlrfnisse dieser gegenuumlber den anderen Akteuren
kommunizieren Auch wenn es bisher keine konkreten ausgearbeiteten Konzepte zur Gesund-
heitsfoumlrderung in WfbMs gibt koumlnnten bestehende Konzepte zur Betrieblichen Gesundheits-
foumlrderung eventuell leicht uumlberarbeitet fuumlr Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung in Werkstaumltten
analog angewendet werden
Die Potentiale und Moumlglichkeiten zur Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung
in WfbMs sind also mannigfaltig und haumlufig vorhanden Auf diesen koumlnnte aufgebaut werden
um behinderten Menschen das Recht auf das in Artikel 25 der UN-BRK festgeschriebene bdquoer-
reichbare Houmlchstmaszlig an Gesundheitldquo zu ermoumlglichen
Gesundheitsfoumlrderung ist mehr als Werbeplakate an Bus- oder Straszligenbahnhaltestellen und
Clips im Aktuellen Sportstudio sie ist mehr als Sportangebote und Angebote zu gesunder
Ernaumlhrung sie ist auch ein Weg zum Erreichen eines Menschenrechtes das Recht auf Ge-
sundheit
36
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41
Anhang
Nr 1 Abbildung zu den Hauptdeterminanten der Gesundheit nach DahlgreenWhitehead
2007 S 11
Nr 2 Befragung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Beschaumlftigten der WfbMs
42
Nr 1 Abbildung zu den Hauptdeterminanten der Gesundheit nach DahlgreenWhitehead
2007 S 11
43
Nr 2 Befragung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Beschaumlftigten der WfbMs
Um moumlglichst effizient die Stimmen aus vier WfbMs unterschiedlicher Traumlger zu erheben
wurden diese auf dem Infotag der LAG WfbM Berlin am 17112015 gesammelt Hier waren
verschiedene Werkstaumltten mit Informationsstaumlnden vertreten Gewaumlhlt wurden die Werkstaumlt-
ten an deren Staumlnden der Verfasser zuerst vorbeilief Die gestellten Fragen waren stets die-
selben
Den Vertretern der Werkstatt wurde zugesichert dass ihr Name nicht in der vorliegenden Ar-
beit genannt wird lediglich ihre Position in der Werkstatt wird erwaumlhnt Es wurden auszligerdem
keine weiteren Personendaten erhoben
Wenn moumlglich sollten auszligerdem fuumlnf Beschaumlftige pro WfbM befragt werden Hierfuumlr wurde
am Ende des kurzen Interviews um Erlaubnis gefragt Den Beschaumlftigten wurden andere Fra-
gen gestellt als dem Werkstattpersonal jedoch erhielten alle Beschaumlftigten dieselben Fragen
untereinander Den Beschaumlftigen wurde komplette Anonymitaumlt in der vorliegenden Arbeit
zugesichert und es wurden keine personenbezogenen Daten abgefragt Zuerst wurde nach
ihrem Verstaumlndnis von Gesundheitsfoumlrderung gefragt Vor den Fragen 2 bis 5 wurde kurz
erklaumlrt wie Gesundheitsfoumlrderung verstanden werden kann um davon ausgehend die restli-
chen Fragen zu beantworten
Bei saumlmtlichen Interviews wurde auf Transkriptionen verzichtet es wurden lediglich die
Kernaussagen mitgeschrieben
Im Folgenden finden sich exemplarisch die jeweils gestellten Fragen
44
Fragen an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der WfbM
Name der WfbM
Position der befragten Person Begleitender Dienst
1 Was verstehen Sie unter Gesundheitsfoumlrderung
2 Was bieten Sie im Rahmen der Gesundheitsfoumlrderung an
3 Wie werden die Maszlignahmen angenommen
4 Wuumlrden Sie gerne mehr anbieten oder finden Sie die Angebote ausreichend
5 Gibt es Schwierigkeiten
6 Wie steht es um die Partizipation in den Angeboten (Werden die Angebote von Beschaumlf-
tigten mitentwickelt mitevaluiert etc)
7 Werden die Angebote evaluiert
45
Fragen an die Beschaumlftigen der WfbM
Name der WfbM
Datum
1 Wissen Sie was Gesundheitsfoumlrderung ist Wenn ja wie wuumlrden sie es beschreiben
[Moumlgliche Erklaumlrung fuumlr Beschaumlftigte die sich nichts unter Gesundheitsfoumlrderung vorstellen
koumlnnen Zur Gesundheitsfoumlrderung gehoumlrt alles was fuumlr Ihre Gesundheit gut ist zB Kur-
seMaszlignahmen usw die mit Bewegung Ernaumlhrung Wohlfuumlhlen am Arbeitsplatz oder Ent-
spannen zu tun haben]
2 Welche Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung werden Ihnen von der Werkstatt angebo-
ten
3 Werden Ihrer Meinung nach genuumlgend Angebote zur Gesundheitsfoumlrderung in der Werk-
statt angeboten
4 Duumlrfen Sie bei der Entwicklung und Evaluation (Auswertung am Ende) mitbestimmen
5 Was sind Ihre Wuumlnsche bezuumlglich der Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung
23
Auch von der Politik wird das Thema der Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen
bisher nur sehr selten thematisiert Seltene Ausnahmen wie zB die 22 Landesgesundheits-
konferenz in Nordrhein-Westfalen weisen jedoch auf die Wichtigkeit von Gesundheitsfoumlrde-
rung hin welche die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben verbessern kann (vgl Ministerium
fuumlr Gesundheit Emanzipation Pflege und Alter des Landes Nordrhein-Westfalen 2013
S 31) Hervorgehoben wird hier auch die (zukuumlnftige) Gestaltung der Informationen damit
diese fuumlr alle zugaumlnglich sind Des Weiteren soll auch das Bewusstsein saumlmtlicher Beteiligten
im Bereich der Gesundheitsfoumlrderung sensibilisiert werden (vgl Ministerium fuumlr Gesundheit
Emanzipation Pflege und Alter des Landes Nordrhein-Westfalen 2013 S 32)
Schon im Grundschulalter werden behinderte Kinder oft nicht erreicht da Gesundheitsfoumlrde-
rung sehr haumlufig nur in Regelgrundschulen und weiterfuumlhrenden Schulen und nicht in separie-
renden Foumlrderschulen stattfindet (vgl Reuter 2009 S 1819)
422 Potentiale fuumlr die Erreichbarkeit
Allerdings muumlssen auch die Potentiale betrachtet werden die fuumlr eine Erreichbarkeit behin-
derter Menschen zur Gesundheitsfoumlrderung vorhanden sind Auch diese bestehen in allen Al-
tersgruppen zB im fruumlhen Schulalter Im Zuge der Inklusion bei der immer mehr Kinder
mit Behinderungen in Regelschulen unterrichtet werden ist zu hoffen dass sie zukuumlnftig haumlu-
figer an Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung teilhaben koumlnnen Solange es (noch) Foumlrder-
schulen gibt muss auch auf deren (oft ungenutztes) Potential fuumlr gesundheitsfoumlrdernde Maszlig-
nahmen hingewiesen werden das in ihrer oft ganztaumlgigen Betreuung und den damit verbun-
denen Ressourcen liegt
Nicht nur in der Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Kindern sind bereits Potentiale vor-
handen Generell weisen Gesundheitsfoumlrderung und Behindertenarbeit sehr groszlige Gemein-
samkeiten in Sprache Prinzipien und Zielen auf Beide zielen letztendlich ab auf Inklusion
Partizipation Empowerment Entwicklung persoumlnlicher Faumlhigkeiten Einbindung in die Ge-
meinde die Neuorientierung von Gesundheitsdienstleistungen und die Foumlrderung von Um-
welten welche Gesundheit und Lebensqualitaumlt verbessern (vgl Lennox 2002 S 231) Es soll
auch darauf hingewiesen werden dass viele behinderte Menschen sehr an Informationen uumlber
Gesundheit interessiert sind und aktiv nach Informationen suchen (vgl Altgeld 2008 S 8)
Abschlieszligend laumlsst sich auffuumlhren dass gerade der Setting-Ansatz wie er in Punkt 34 darge-
stellt wurde eine sehr gute Moumlglichkeit bietet Menschen mit Behinderungen zu erreichen Er
24
bietet einen Zugangspunkt und kann Ausgangslage sein sowohl fuumlr verhaltens- als auch fuumlr
verhaumlltnisorientierte Maszlignahmen zur Foumlrderung der Gesundheit von Menschen mit Behinde-
rungen
Obwohl behinderte Menschen in der Vergangenheit nur selten gezielt an Maszlignahmen zur
Gesundheitsfoumlrderung beteiligt wurden sind doch einige Potentiale vorhanden an denen an-
zuknuumlpfen lohnenswert scheint
43 Das Setting Werkstatt fuumlr behinderte Menschen
WfbMs sind spezielle Einrichtungen fuumlr Menschen mit Behinderungen die nach dem SGB IX
als behindert gelten (siehe 21) Nach sect 136 SGB IX dienen diese Einrichtungen der bdquoTeilhabe
behinderter Menschen am Arbeitsleben [hellip] und zur Eingliederung in das Arbeitslebenldquo
Dadurch sind sie nicht Teil des allgemeinen Arbeitsmarktes da ihre Beschaumlftigten bdquowegen
Art oder Schwere der Behinderung nicht noch nicht oder noch nicht wieder auf dem allge-
meinen Arbeitsmarkt beschaumlftigt werden koumlnnenldquo (sect 136 Abs 1 SGB IX) Ihr Ziel ist es be-
hinderte Menschen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt vorzubereiten Die Beschaumlftigten arbei-
ten in verschiedensten Bereichen zB im Handwerk oder in Taumltigkeiten der elektronischen
Datenverarbeitung je nach persoumlnlicher Neigung Da es sich um kein typisches sozialversi-
cherungspflichtiges Arbeitsverhaumlltnis handelt sondern um ein bdquoarbeitnehmeraumlhnliches
Rechtsverhaumlltnisldquo11
(sect 138 SGB IX) bekommen die Beschaumlftigten keinen Lohn der dem
Mindestlohn entspricht Nach sect 138 SGB IX setzt sich ihr Arbeitsentgelt zusammen aus ei-
nem Grundbetrag und einem leistungsbemessenen Steigerungsbetrag Im Jahr 2011 verdiente
ein Beschaumlftigter im Durchschnitt 180 Euro monatlich (vgl BAG WfbM 2014) bei 35 bis 40
Arbeitsstunden pro Woche Von einer groszligen Steigerung in den letzten Jahren ist nicht auszu-
gehen Somit benoumltigen Beschaumlftigte einer WfbM idR neben ihrem Arbeitsentgelt Grundsi-
cherung Dies hat zur Folge dass sie haumlufig in prekaumlren soziooumlkonomischen Verhaumlltnissen
leben
Jede Werkstatt ist soziologisch betrachtet ein eigenes System mit individuellen Merkmalen
die unter anderem vom Standort dem Fachpersonal dem Traumlger und den Beschaumlftigten ge-
kennzeichnet sind (vgl SchlummerSchuumltte 2006 S 81) Gesetzlich festgelegt ist in sect 139
11
Begruumlndet wird dieses Rechtsverhaumlltnis haumlufig durch den Kuumlndigungsschutz Eine Werkstatt kann einen
Werkstattvertrag mit einer Beschaumlftigten oder einem Beschaumlftigten nur in seltenen Faumlllen gegen ihren oder sei-
nen Willen aufheben
25
SGB IX dass die Beschaumlftigten aus ihrer Mitte heraus regelmaumlszligig einen Werkstattrat waumlhlen
Genaueres regelt hier die Werkstaumltten-Mitwirkungsverordnung (WMVO) Wie ihr Name al-
lerdings schon sagt handelt es sich hier um die Moumlglichkeit der Mitwirkung nicht der Mitbe-
stimmung Diese kann nur erreicht werden wenn Werkstatt und Werkstattrat nach sect 5 Abs 4
WMVO eine weitergehende Vereinbarung treffen Zu den Aufgaben des Werkstattrates ge-
houmlrt es die Interessen der Beschaumlftigten in verschiedenen Angelegenheiten gegenuumlber der
Werkstatt zu vertreten Diese sind in sect 5 Abs 1 WMVO aufgelistet Die Werkstatt muss den
Werkstattrat auszligerdem informieren wenn sie eine Maszlignahme durchfuumlhrt in der der Werk-
stattrat ein Mitwirkungsrecht besitzt12
Sollte kein Einverstaumlndnis in einer Beratung erzielt
werden koumlnnen beide Seiten sich an eine Vermittlungsstelle wenden (sect 5 Abs 3 WMVO)
Das tatsaumlchliche Ausmaszlig der Mitwirkung ist jedoch stets von der Werkstattleitung abhaumlngig
Solch eine fehlende gesetzliche Verankerung von Mitbestimmung steht der Partizipation be-
hinderter Menschen im Wege welche sowohl fuumlr die gesellschaftliche Inklusion als auch die
Gesundheitsfoumlrderung immens wichtig ist
44 Gesundheitsfoumlrderung in Werkstaumltten fuumlr behinderte Menschen
Zunaumlchst gilt es sich einen Uumlberblick uumlber den aktuellen Stand von Gesundheitsfoumlrderung in
WfbMs zu verschaffen Einen ersten Einblick soll die dazu vorhandene Literatur liefern Da-
nach soll ein Abgleich dieser mit der Praxis stattfinden der sich aufgrund des gesetzten Rah-
mens dieser Arbeit nur auf einige Werkstaumltten des Bundeslandes Berlin konzentriert Hierfuumlr
werden jeweils die Leitbilder untersucht und Stimmen aus der Werkstatt ausgewertet
441 Recherche zum aktuellen Stand
Die Literatur zum Thema Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen in WfbMs ist
noch sehr duumlnn Vollstaumlndig ausgearbeitete Konzepte gibt es bisher nicht veroumlffentlicht wur-
den Berichte von abgeschlossenen oder noch laufenden Projekten Werner Schlummer wis-
senschaftlicher Mitarbeiter der Universitaumlt zu Koumlln begleitete ein Projekt zum Betrieblichen
12
Eine ausfuumlhrliche Beschreibung der Mitwirkungs- und Unterrichtungsrechte des Werkstattrates ist bei
SchlummerSchuumltte 2006 S 71 ndash 82 nachzulesen
26
Gesundheitsmanagement13
in einer WfbM zusammen mit acht Studierenden der Universitaumlt
(vgl Schlummer 2015 S 33) Auch das Projekt GESUND als Teilprojekt von PartKomm-
Plus (Forschungsverbund fuumlr gesunde Kommunen) wird wissenschaftlich durch die Katholi-
sche Hochschule fuumlr Sozialwesen begleitet (vgl Burtscher 2014 S 6)
Als Ausnahme kann das Projekt bdquoSelbstbestimmt gesuumlnderldquo im Rahmen des Programmes
bdquoHealthy Athletesldquo gesehen werden Hier bringt Special Olympics Deutschland eV Maszlig-
nahmen zur Gesundheitsfoumlrderung in die Lebenswelten behinderter Menschen Bei Healthy
Athletes werden Sportlerinnen und Sportler bei Veranstaltungen von Special Olympics kos-
tenlose Beratungen und Kontrolluntersuchungen angeboten Diese Angebote werden jedoch
auch auf Wohnheime und WfbMs ausgeweitet (vgl Special Olympics Deutschland a) S 2
eigene Paginierung) Auch das Projekt bdquoSelbstbestimmt gesuumlnderldquo bringt gesundheitsfoumlrdern-
de Maszlignahmen in Werkstaumltten Dabei werden bdquoTeilnehmern individualisierte Handlungsemp-
fehlungen zum Gesundheitsverhalten zur Verfuumlgung gestelltldquo (Special Olympics Deutschland
b) oS) Das Projekt setzt auszligerdem auf die Wirkung von Peer-Multiplikatorinnen und
-Multiplikatoren
Weitere Projekte sind trotz intensiver Recherche nicht bekannt Auch die Bundesarbeitsge-
meinschaft Werkstaumltten fuumlr behinderte Menschen eV (BAG WfbM) hat auf ihrer Homepa-
ge14
keinen Artikel zur Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung in WfbMs
Gibt man in der Suchmaske bdquoGesundheitsfoumlrderungldquo ein erhaumllt man zwei Ergebnisse einen
Artikel uumlber ein neu entwickeltes Computerspiel das von Kindern mit unterschiedlichen Be-
hinderungen gespielt werden kann und einen Artikel zum Qualifizierungsprogramm bdquoGe-
sundheitsfoumlrderung durch Schluumlsselqualifikationenldquo das sich nicht an Beschaumlftigte sondern
an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in WfbMs richtet Dies legt den Schluss nahe dass Ge-
sundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen in WfbMs bisher kaum verbreitet ist
Das Thema Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung als solches wurde in den
letzten Jahren zunehmend in der Literatur behandelt wobei die Anzahl der Veroumlffentlichun-
gen nach wie vor auf einem uumlberschaubaren Stand ist
13
Schlummers Verstaumlndnis von Betrieblichem Gesundheitsmanagement und Betrieblicher Gesundheitsfoumlrderung
sind beinahe synonym Das beschriebene Projekt kann daher im erweiterten Rahmen durchaus als Projekt zur
Gesundheitsfoumlrderung gesehen werden 14
httpwwwbagwfbmde (Stand 11112015)
27
442 Konzepte und Leitbilder von Einrichtungen der Praxis
Betrachtet werden vier verschiedene WfbMs und ihre Leitbilder Es handelt sich um die vier
Werkstaumltten von denen auch im Rahmen der Feldbefragung Stimmen einer Mitarbeiterin oder
eines Mitarbeiters und zT von Beschaumlftigten gewonnen werden konnten (siehe 443 und
Anhang Nr 2)
Aufgrund der jeweiligen Traumlgerstrukturen besitzt lediglich eine der Werkstaumltten15
als solche
ein eigenes Leitbild Bei den anderen drei Werkstaumltten muss auf das Leitbild des jeweiligen
Traumlgers zuruumlckgegriffen werden Das Thema der Gesundheit der Klientinnen und Klienten
bzw Werkstattbeschaumlftigten wird allerdings in keinem Leitbild thematisiert Auch die Such-
funktionen auf den jeweiligen Homepages bzw intensive Recherchen auf diesen brachten
keine Ergebnisse zum Stichwort bdquoGesundheitsfoumlrderungldquo Daraus laumlsst sich schlieszligen dass
Gesundheitsfoumlrderung der Werkstattbeschaumlftigten in den theoretischen Konzeptionen von
WfbMs meist nicht verankert ist
443 Gesundheitsfoumlrderung in der alltaumlglichen Praxis der Werkstaumltten ndash eine kleine Feldbe-
fragung
Im Rahmen des Informationstages der Berliner Landesarbeitsgemeinschaft Werkstaumltten fuumlr
behinderte Menschen eV (LAG WfbM) am 17112015 im Estrel Hotel Berlin wurden je-
weils eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter von vier verschiedenen WfbMs zum Thema Ge-
sundheitsfoumlrderung mit den Beschaumlftigten in der Werkstatt befragt (siehe Anhang Nr 2) Die
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben alle eine vergleichbare Position Begleitender Dienst
Paumldagogischer Dienst oder Sozialdienst In einer der Werkstaumltten konnten uumlberdies auch
Stimmen von Beschaumlftigten gewonnen werden16
Die Ergebnisse weisen keine empirische
Repraumlsentativitaumlt auf da der knappe Rahmen dieser Arbeit eine repraumlsentative empirische
Forschungsarbeit kaum zulaumlsst Die Befragungen sollen dazu dienen einen Einblick in den
Alltag der WfbMs zu ermoumlglichen und die in der Literatur und den Leibildern gewonnenen
Perspektiven zu erweitern
15
Aus Gruumlnden des Datenschutzes duumlrfen in der hier publizierten Version die Namen der Werkstaumltten nicht
genannt werden 16
In zwei der Werkstaumltten konnten keine Stimmen von Beschaumlftigten erhoben werden da eine Befragung in der
Werkstatt von den befragten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern abgelehnt wurde Der Mitarbeiter der dritten
Werkstatt signalisierte zwar waumlhrend der Befragung Zustimmung jedoch fehlte diese spaumlter von Seiten der Lei-
tung
28
Der Begriff bdquoGesundheitsfoumlrderungldquo wird von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sehr
unterschiedlich interpretiert Die Spannbreite liegt von einem Verstaumlndnis aumlhnlich des hier
dargelegten bis hin zu therapeutischer und rehabilitativer Foumlrderung Die angebotenen Maszlig-
nahmen welche einer Foumlrderung der Gesundheit dienen sollen sind jedoch bei allen aumlhnlich
Meist handelt es sich um Musik- Sport- und Bewegungsangebote die im Rahmen von sog
Begleitenden Maszlignahmen verankert sind Daruumlber hinaus werden auch entlastende Bewegun-
gen in den Arbeitsgruppen angeboten und ein Gesundheitstag in Kooperation mit Special
Olympics Deutschland geplant (eine Werkstatt) Eine andere Werkstatt kooperiert mit der
Fitnessstudiokette Fitness First Kurse zu gesunder Ernaumlhrung und Kochen werden teilweise
angeboten oder sind in Planung Nach Aussagen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden
die Maszlignahmen meist gut angenommen In einer Werkstatt wird sogar gemeinsam mit dem
Werkstattrat an einer Peer-Beratung gearbeitet mit der den Beschaumlftigten der Zugang zu den
Themen Bildung und Gesundheit verbessert werden soll Schwierigkeiten bestehen besonders
bzgl der Raumlume zB bei Turnhallen fuumlr Fuszligball
Eine Partizipation bei der Entwicklung von Angeboten ist nur teilweise gegeben Es wird
zwar in allen befragten Werkstaumltten nach Interessen der Beschaumlftigten gefragt und dement-
sprechend die Kurse angeboten jedoch besteht nur selten die Moumlglichkeit fuumlr die Beschaumlftig-
ten aktiv den jeweiligen Kurs durch eigene Entscheidungen mitzugestalten In einer Werk-
statt ist das bspw abhaumlngig von der Kursart von der Kursleiterin bzw dem Kursleiter und
vom Konzept Evaluiert werden die Angebote meist nur durch Nachfrage in den idR jaumlhr-
lich stattfindenden Entwicklungsgespraumlchen mit den einzelnen Beschaumlftigten und teilweise
daruumlber hinaus mit Fragebogen oder durch die Kursleiterin bzw den Kursleiter Eine Werk-
statt fuumlhrt sogar Statistiken zur Nachfrage Eine partizipative Evaluation findet in keiner der
befragten Werkstaumltten statt
Die befragten Beschaumlftigten einer der Werkstaumltten zeigten sich mit dem Angebot an gesund-
heitsfoumlrdernden Maszlignahmen groumlszligtenteils sehr zufrieden und empfanden die Anzahl der An-
gebote als meist genuumlgend Geaumluszligert wurde lediglich der Wunsch nach weiteren Angeboten
zu gesunder Ernaumlhrung und nach einem besseren Angebot an gesunden Speisen Das Ver-
staumlndnis von Gesundheitsfoumlrderung ist unterschiedlich Auffaumlllig ist dass auf der einen Seite
Aumlrzte und Besuche bei diesen wichtig scheinen gleichzeitig aber auch das Achten auf die
eigene Gesundheit als Teil der Gesundheitsfoumlrderung gilt Besonders letzterer Aspekt weist
darauf hin dass bei den Befragten ein gewisses Grundverstaumlndnis von Gesundheitsfoumlrderung
vorhanden ist das dem in dieser Arbeit verwendeten aumlhnelt Die Wichtigkeit der aumlrztlichen
29
Betreuung laumlsst jedoch zugleich auch auf ein eher bdquotraditionellesldquo bio-medizinisches Gesund-
heitsverstaumlndnis schlieszligen
Als angebotene Maszlignahmen werden meist Sport- und Bewegungsangebote genannt aber
auch eine Apfelpause um kurz von der Arbeit entspannen zu koumlnnen Daruumlber hinaus gab es
Angebote zur Fuszlighygiene und zur Zahn- und Augengesundheit Hier ist der Uumlbergang zwi-
schen Gesundheitsfoumlrderung und Praumlvention flieszligend Bzgl (zukuumlnftiger) Angebote werden
die Beschaumlftigten nach ihren Wuumlnschen gefragt aber eine wirkliche Mitbestimmung in Kon-
zeption und Planung dieser scheint nicht gegeben Auch bei der Evaluation findet bisher keine
Partizipation statt Die Befragung hat jedoch den bisherigen Eindruck bestaumltigt dass gesund-
heitsfoumlrdernde Maszlignahmen in WfbMs von behinderten Menschen durchaus nachgefragt wer-
den und die Werkstaumltten versucht sind im Rahmen der begleitenden Maszlignahmen ein sehr
breites Feld abzudecken Negativ scheint besonders das weitgehende Fehlen partizipativer
Strukturen
In den Werkstaumltten werden viele Angebote im Rahmen begleitender Maszlignahmen offeriert die
fuumlr die Gesundheit foumlrderlich sind Als Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung die die Prinzi-
pien der BVPG verinnerlichen koumlnnen sie jedoch nicht gesehen werden da zB die Partizipa-
tion eine eher untergeordnete Rolle spielt und die Thematik meist auf Sport- und zT Ernaumlh-
rungsangebote beschraumlnkt bleibt Auch werden die Effekte der Maszlignahmen nicht evaluiert
Entspannungsangebote werden nur selten angeboten und der Fokus richtet sich meist nur auf
die koumlrperliche Gesundheit
Daruumlber hinaus zeigt die Befragung aber auch welch groszliges Potential zur Gesundheitsfoumlrde-
rung in den Werkstaumltten liegt Mit den begleitenden Maszlignahmen sind Strukturen verankert in
denen Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung leicht integriert werden koumlnnen Offenheit fuumlr
Kooperationen scheint vielfach gegeben (zB mit Special Olympics Deutschland Fitness
First) sodass auch eine Kooperation mit den Krankenkassen und weiteren Partnern vorstell-
bar scheint Dies wuumlrde den Vorteil finanzieller Foumlrderung und Expertise durch Erfahrungen
mit bereits durchgefuumlhrten Maszlignahmen einbringen Die befragten Mitarbeiterinnen und Mit-
arbeiter schienen Gesundheitsfoumlrderung gegenuumlber prinzipiell sehr positiv eingestellt
Auch wenn in den Leitbildern und auf den Homepages Gesundheitsfoumlrderung nicht themati-
siert wird gibt es in der Praxis schon verschiedene Maszlignahmen und Projekte mit der Intenti-
on die Gesundheit der Beschaumlftigten zu verbessern
30
45 Anregungen fuumlr die Praxis
Vor dem Hintergrund der zu Rate gezogenen Literatur und den gewonnen Erkenntnissen
durch die Feldbefragung werden nun einige Uumlberlegungen fuumlr die Praxis einer gelingenden
Gesundheitsfoumlrderung getroffen Diese koumlnnen als moumlgliche Anregungen zur Umsetzung ver-
standen werden
451 Partizipation und Empowerment in der Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behin-
derung
Erfolgreiche Gesundheitsfoumlrderung braucht Partizipationsmoumlglichkeiten fuumlr die jeweilige
Zielgruppe Partizipation ist schlieszliglich nicht nur Teilnahme sondern aktive Teilhabe und
damit einhergehend die Moumlglichkeit mitzubestimmen und mitzuentscheiden Dazu gehoumlrt
auch die Definitionsmacht also die Macht (mit)zubestimmen an welche die Gesundheit be-
treffenden Aspekte in einer Maszlignahme zur Gesundheitsfoumlrderung herangegangen werden soll
(vgl Wrightvon UngerBlock 2010 S 39) Diese aktive Teilhabe muss also bereits zu Be-
ginn einer Maszlignahme Teil dieser sein Partizipation bedeutet folglich auch Macht Partizipa-
tion zu ermoumlglichen bedeutet Empowerment also die Ermaumlchtigung eines Individuums oder
einer Gruppe So bekommt Partizipation in der Gesundheitsfoumlrderung auch eine gesellschaft-
liche und politische Komponente denn dadurch koumlnnen Menschen mit Behinderungen lernen
mitzubestimmen mitzuentscheiden und eigene Interessen zu vertreten Diese erlernten Faumlhig-
keiten lassen sich auf die Handlungsebene in einer demokratischen Gesellschaft uumlbertragen
Sowohl Empowerment als auch Partizipation gehoumlren zu den in 31 erwaumlhnten Prinzipien der
BVPG Diese weist darauf hin dass Partizipation in saumlmtlichen Phasen einer Maszlignahme ge-
geben sein muss beginnend mit der Bedarfsanalyse der Planung in der Durchfuumlhrung und
abschlieszligend in der BewertungEvaluation So kann die Wirksamkeit einer Maszlignahme erhoumlht
werden (vgl BVPG 2013 S 90) Teilhabe kann als ein wichtiger Bestandteil der Qualitaumltssi-
cherung gesehen werden Bisher finden Maszlignahmen zur Qualitaumltssicherung nur selten unter
Partizipation der Zielgruppe statt Diese partizipativ zu beteiligen hilft die Qualitaumlt der Ge-
sundheitsfoumlrderung aufrechtzuerhalten oder sogar zu verbessern (vgl Wrightvon Un-
gerBlock 2010 S 35)
Teilhabe ist bei behinderten Menschen besonders wichtig Ihr Leben ist haumlufig von Beginn an
stark fremdbestimmt und von Abhaumlngigkeit gepraumlgt Somit lernen sie seltener als nicht behin-
31
derte Menschen Verantwortung zu uumlbernehmen und selbststaumlndig zu agieren Dies kann bis
hin zur sog bdquoerlernten Hilflosigkeitldquo fuumlhren Vor diesem Hintergrund scheint Partizipation
umso wichtiger aber auch umso arbeitsintensiver Sie ist daher in der Praxis der Gesundheits-
foumlrderung haumlufig sehr arbeitsintensiv und benoumltigt folglich zeitliche Ressourcen und damit
einhergehend finanzielle Ressourcen (vgl Loss 2009 S 10)
Traditionell sind viele Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung top-down organisiert das be-
deutet eine Einrichtung ein Geldgeber etc plant eine Maszlignahme fuumlhrt diese durch und eva-
luiert sie Zur Erreichung der eigenen Ziele wird die Zielgruppe mobilisiert ohne ein Mitspra-
cherecht zu den einzelnen Bausteinen der Maszlignahme zu haben Diese Struktur verdeutlicht
das Maumlchteungleichwicht zwischen Anbieter und Zielgruppe und zementiert den Status be-
hinderter Menschen als Abhaumlngige und Ohnmaumlchtige Der Gegensatz zu top-down-
Programmen ist der bottom-up-Ansatz Hier findet eine Machtteilung statt da die Gesund-
heitsfoumlrderinnen und Gesundheitsfoumlrderer ihre Macht mit der Zielgruppe teilen und eher die
Rolle von Unterstuumltzerinnen und Unterstuumltzern einnehmen Die Zielgruppe soll unterstuumltzt
werden ihre eigenen Probleme festzustellen und Loumlsungen sowie Maszlignahmen zu erarbeiten
In der Planung Durchfuumlhrung und Evaluation kommt ihr damit eine aktive Rolle zu (vgl La-
verack 2010 S 77) Bottom-up-Programme scheinen daher fuumlr Partizipation und Empower-
ment geeigneter als top-down-Strukturen Allerdings schlieszligen sich beide Ansaumltze nicht
zwingend aus sondern Maszlignahmen koumlnnen Eigenschaften beider Ansaumltze aufweisen In
WfbMs scheinen Maszlignahmen sehr haumlufig top-down organisiert zu sein Die staumlrkere Veranke-
rung von bottom-up-Strukturen waumlre hier im Sinne einer Teilhabe ndash in der Werkstatt wie auch
daruumlber hinaus auf gesellschaftlicher Ebene ndash vorteilhaft und wuumlnschenswert
452 Peer-Multiplikatorinnen und -Multiplikatoren
Eine Strategie die in der Praxis der Gesundheitsfoumlrderung bereits mit positiven Ergebnissen
getestet wurde sind Peer-Multiplikatorinnen und -Multiplikatoren Das Modell der Multipli-
katorinnen und Multiplikatoren war bereits Grundlage vieler gesundheitsfoumlrdernder Maszlignah-
men mit sozial benachteiligten Menschen die auch in der Literatur vielfach dokumentiert
sind Auch in der Arbeit mit behinderten Menschen ist dieses Konzept nicht neu Auf Maszlig-
nahmen zur Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung wurde es bisher kaum an-
gewandt scheint jedoch erfolgsversprechend Das Projekt GESUND welches mit einer Ber-
liner WfbM durchgefuumlhrt wird arbeitet mit diesem Konzept (vgl Burtscher 2014 S 8) Die
32
Funktion von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren besteht darin Kenntnisse und Informa-
tionen zur Gesundheit(-sfoumlrderung) der Zielgruppe mit Hilfe der ihnen innewohnenden Ver-
trauensstellung naumlher zu bringen Sie haben daher eine bdquoMittlerfunktionldquo (BVPG 2013 S 92)
zwischen Durchfuumlhrenden und Zielgruppe Voraussetzung dafuumlr ist dass sie der Zielgruppe
angehoumlren oder zumindest eine sehr enge Verbindung zu ihr besitzen Im Zuge einer Maszlig-
nahme werden sie selbst gestaumlrkt sozusagen bdquoempowertldquo Ihre Mittlerfunktion funktioniert
allerdings auch in die andere Richtung Sie bringen den Durchfuumlhrenden die Perspektive der
Zielgruppe naumlher Im Idealfall fuumlhrt der Einsatz von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren
zur Aktivierung der Zielgruppe die ihr selbstbestimmtes Handeln auch auf andere Bereiche
ausdehnen kann (vgl Stickan-Verfuumlrth 2005 S 108) Diesem Modell sehr aumlhnlich ist das
Modell des Peer-Counseling Hier stehen Mitglieder der Zielgruppe in beratender Funktion
ihrer Peer-Gruppe zur Verfuumlgung
453 Verknuumlpfung von Betrieblicher Gesundheitsfoumlrderung und Gesundheitsfoumlrderung in
Werkstaumltten fuumlr behinderte Menschen
Eine Uumlbertragung der Idee der Betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung auf die Gesundheitsfoumlrde-
rung in WfbMs scheint in der Tat realisierbar Den rechtlichen und finanziellen Rahmen hier-
fuumlr hat das 2015 beschlossene Praumlventionsgesetz geschaffen (siehe 33) Im Entwurf der Bun-
desregierung wird in der Anmerkung zum neuen sect 20 Abs 4 SGB V explizit darauf hinge-
wiesen dass Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung auch in WfbMs zum Leistungsspektrum der
Krankenkassen gehoumlrt (vgl Deutscher Bundestag 2015 S 34) Eine Etablierung hiervon in
der Praxis haumlngt in erster Linie neben den Krankenkassen auch von den Leitungen der WfbMs
ab Sollten diese hierfuumlr und auch gegenuumlber partizipativen Strukturen offen sein waumlre der in
351 kurz vorgestellte Gesundheitszirkel ein passender Startpunkt um von Beginn an auch
die Partizipation der Beschaumlftigten zu gewaumlhrleisten Analog zum Konzept der BGF koumlnnten
gemeinsam Maszlignahmen erarbeitet werden die die Gesundheit der Beschaumlftigten foumlrdern wuumlr-
den Den Vertreterinnen und Vertretern der Beschaumlftigten die im Gesundheitszirkel mitwir-
ken koumlnnte dabei die Rolle von Peer-Multiplikatorinnen und -Multiplikatoren zukommen
Als Effekte duumlrften die in 351 beschriebenen auch hier zu erwarten sein eine Verbesserung
der Gesundheit und eine Staumlrkung der gesundheitlichen Ressourcen eine Verringerung der
krankheitsbedingten Fehltage eine staumlrkere Identifikation der Beschaumlftigten mit der Werk-
33
statt ein besseres Arbeitsklima eine houmlhere Motivation und Arbeitszufriedenheit und eine
Steigerung der Produktivitaumlt
Es empfiehlt sich im Sinne der Partizipation und des Empowerments kein reines top-down-
Programm zu starten sondern einen bottom-up-Ansatz zu waumlhlen bzw zumindest mehrere
Elemente dessen einzubauen Als Anknuumlpfungspunkt koumlnnen bereits bestehende begleitende
Maszlignahmen mit passender Thematik genommen werden
Wie bdquonormaleldquo Betriebe koumlnnten auch WfbMs Kooperationen in ihrem raumlumlichen Umfeld
aufbauen und von Vernetzungen profitieren Aufgrund ihrer Groumlszlige sind sie in ihrem Sozial-
raum ein meist nicht zu unterschaumltzender Akteur
34
5 Fazit und Ausblick
Ausgehend von einem bio-psycho-sozialen Verstaumlndnis von Gesundheit wurden verschiedene
Aspekte der Gesundheitsfoumlrderung vertieft und anschlieszligend eine Verknuumlpfung zur Gesund-
heitsfoumlrderung mit behinderten Menschen hergestellt Hierbei lag der Fokus auf gesundheits-
foumlrdernden Maszlignahmen in WfbMs Dabei wurde die aktuelle Literatur zu Rate gezogen In-
ternetauftritte einiger Werkstaumltten durchsucht und Stimmen aus dem Feld von Mitarbeiterin-
nen und Mitarbeitern sowie Beschaumlftigten von Werkstaumltten gewonnen
Die Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung ist noch immer relativ schwach
ausgebaut Dies stellt sich besonders vor dem Hintergrund als problematisch dass behinderte
Menschen haumlufig anfaumllliger fuumlr Krankheiten sind und durchschnittlich uumlber einen subjektiv als
schlechter bewerteten Gesundheitsstatus verfuumlgen als nichtbehinderte Menschen Wie viele
sozial benachteiligte Gruppen sind sie verhaumlltnismaumlszligig schwer zu erreichen fuumlr gesundheits-
foumlrdernde Maszlignahmen Obwohl es in der Erreichbarkeit mehrere Probleme gibt verfuumlgen
Menschen mit Behinderung auf der anderen Seite uumlber groszlige Potentiale Das neue Praumlventi-
onsgesetz ist ein erheblicher Fortschritt bei der Finanzierung gesundheitsfoumlrdernder Maszlignah-
men Sogar eine Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung in Werkstaumltten ist wenn auch nicht ex-
plizit verankert so doch zumindest gewuumlnscht
Gelingende Gesundheitsfoumlrderung muss sich im Allgemeinen und auch bei der Arbeit mit
behinderten Menschen an bestimmten Prinzipien messen lassen Besonders wichtig vor dem
gesellschaftlichen Hintergrund ist hier die Partizipation der Menschen mit Behinderung und
damit einhergehend das Empowerment dieser Beide wirken sich positiv auf die Qualitaumlt der
gesundheitsfoumlrdernden Maszlignahmen aus gehen jedoch auch daruumlber hinaus Sie koumlnnen Men-
schen mit Behinderungen auch auf gesellschaftlicher Ebene empowern sodass ihnen eine
groumlszligere gesellschaftliche Teilhabe zukommt Somit erlangt Gesundheitsfoumlrderung auch vor
dem Hintergrund der Inklusion eine hohe Relevanz
In WfbMs ist gezielte Gesundheitsfoumlrderung bisher wenig verbreitet Einzelne Projekte sind
eher die Ausnahme denn die Regel Jedoch sind die Potentiale der Werkstaumltten enorm Das
Personal scheint haumlufig offen fuumlr Maszlignahmen zu sein und gerade die Strukturen der beglei-
tenden Maszlignahmen lieszligen eine relativ einfache Integration von Maszlignahmen zur (betriebli-
chen) Gesundheitsfoumlrderung zu Bestehende begleitende Maszlignahmen in welchen Sport oder
Bildungsangebote zu gesunder Ernaumlhrung angeboten werden koumlnnten ohne uumlbermaumlszligigen
Aufwand zu gezielten Maszlignahmen fuumlr Gesundheitsfoumlrderung ausgebaut werden Nachholbe-
darf bestuumlnde hier vor allem auf dem Gebiet der Partizipation Nur selten scheinen die Be-
35
schaumlftigten in Konzeption Planung Durchfuumlhrung und Evaluation aktiv eingebunden zu sein
In bestimmten Phasen wie etwa der Konzeption und besonders der Evaluation scheint aktive
Teilhabe noch uumlberhaupt nicht verankert zu sein Eine staumlrkere Partizipation in allen Berei-
chen waumlre mit houmlherem Arbeits- und Kostenaufwand verbunden welcher durch eine Einbin-
dung der Krankenkassen moumlglicherweise aufgefangen werden koumlnnte Die Partizipation foumlr-
dern wuumlrde auch die Etablierung von Peer-Beratung und Peer-Multiplikatorinnen und
-Multiplikatoren Diesen kaumlme beim Zugang zur Zielgruppe eine Schluumlsselfunktion zu und
gleichzeitig koumlnnten sie Bedarfe und Beduumlrfnisse dieser gegenuumlber den anderen Akteuren
kommunizieren Auch wenn es bisher keine konkreten ausgearbeiteten Konzepte zur Gesund-
heitsfoumlrderung in WfbMs gibt koumlnnten bestehende Konzepte zur Betrieblichen Gesundheits-
foumlrderung eventuell leicht uumlberarbeitet fuumlr Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung in Werkstaumltten
analog angewendet werden
Die Potentiale und Moumlglichkeiten zur Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung
in WfbMs sind also mannigfaltig und haumlufig vorhanden Auf diesen koumlnnte aufgebaut werden
um behinderten Menschen das Recht auf das in Artikel 25 der UN-BRK festgeschriebene bdquoer-
reichbare Houmlchstmaszlig an Gesundheitldquo zu ermoumlglichen
Gesundheitsfoumlrderung ist mehr als Werbeplakate an Bus- oder Straszligenbahnhaltestellen und
Clips im Aktuellen Sportstudio sie ist mehr als Sportangebote und Angebote zu gesunder
Ernaumlhrung sie ist auch ein Weg zum Erreichen eines Menschenrechtes das Recht auf Ge-
sundheit
36
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41
Anhang
Nr 1 Abbildung zu den Hauptdeterminanten der Gesundheit nach DahlgreenWhitehead
2007 S 11
Nr 2 Befragung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Beschaumlftigten der WfbMs
42
Nr 1 Abbildung zu den Hauptdeterminanten der Gesundheit nach DahlgreenWhitehead
2007 S 11
43
Nr 2 Befragung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Beschaumlftigten der WfbMs
Um moumlglichst effizient die Stimmen aus vier WfbMs unterschiedlicher Traumlger zu erheben
wurden diese auf dem Infotag der LAG WfbM Berlin am 17112015 gesammelt Hier waren
verschiedene Werkstaumltten mit Informationsstaumlnden vertreten Gewaumlhlt wurden die Werkstaumlt-
ten an deren Staumlnden der Verfasser zuerst vorbeilief Die gestellten Fragen waren stets die-
selben
Den Vertretern der Werkstatt wurde zugesichert dass ihr Name nicht in der vorliegenden Ar-
beit genannt wird lediglich ihre Position in der Werkstatt wird erwaumlhnt Es wurden auszligerdem
keine weiteren Personendaten erhoben
Wenn moumlglich sollten auszligerdem fuumlnf Beschaumlftige pro WfbM befragt werden Hierfuumlr wurde
am Ende des kurzen Interviews um Erlaubnis gefragt Den Beschaumlftigten wurden andere Fra-
gen gestellt als dem Werkstattpersonal jedoch erhielten alle Beschaumlftigten dieselben Fragen
untereinander Den Beschaumlftigen wurde komplette Anonymitaumlt in der vorliegenden Arbeit
zugesichert und es wurden keine personenbezogenen Daten abgefragt Zuerst wurde nach
ihrem Verstaumlndnis von Gesundheitsfoumlrderung gefragt Vor den Fragen 2 bis 5 wurde kurz
erklaumlrt wie Gesundheitsfoumlrderung verstanden werden kann um davon ausgehend die restli-
chen Fragen zu beantworten
Bei saumlmtlichen Interviews wurde auf Transkriptionen verzichtet es wurden lediglich die
Kernaussagen mitgeschrieben
Im Folgenden finden sich exemplarisch die jeweils gestellten Fragen
44
Fragen an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der WfbM
Name der WfbM
Position der befragten Person Begleitender Dienst
1 Was verstehen Sie unter Gesundheitsfoumlrderung
2 Was bieten Sie im Rahmen der Gesundheitsfoumlrderung an
3 Wie werden die Maszlignahmen angenommen
4 Wuumlrden Sie gerne mehr anbieten oder finden Sie die Angebote ausreichend
5 Gibt es Schwierigkeiten
6 Wie steht es um die Partizipation in den Angeboten (Werden die Angebote von Beschaumlf-
tigten mitentwickelt mitevaluiert etc)
7 Werden die Angebote evaluiert
45
Fragen an die Beschaumlftigen der WfbM
Name der WfbM
Datum
1 Wissen Sie was Gesundheitsfoumlrderung ist Wenn ja wie wuumlrden sie es beschreiben
[Moumlgliche Erklaumlrung fuumlr Beschaumlftigte die sich nichts unter Gesundheitsfoumlrderung vorstellen
koumlnnen Zur Gesundheitsfoumlrderung gehoumlrt alles was fuumlr Ihre Gesundheit gut ist zB Kur-
seMaszlignahmen usw die mit Bewegung Ernaumlhrung Wohlfuumlhlen am Arbeitsplatz oder Ent-
spannen zu tun haben]
2 Welche Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung werden Ihnen von der Werkstatt angebo-
ten
3 Werden Ihrer Meinung nach genuumlgend Angebote zur Gesundheitsfoumlrderung in der Werk-
statt angeboten
4 Duumlrfen Sie bei der Entwicklung und Evaluation (Auswertung am Ende) mitbestimmen
5 Was sind Ihre Wuumlnsche bezuumlglich der Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung
24
bietet einen Zugangspunkt und kann Ausgangslage sein sowohl fuumlr verhaltens- als auch fuumlr
verhaumlltnisorientierte Maszlignahmen zur Foumlrderung der Gesundheit von Menschen mit Behinde-
rungen
Obwohl behinderte Menschen in der Vergangenheit nur selten gezielt an Maszlignahmen zur
Gesundheitsfoumlrderung beteiligt wurden sind doch einige Potentiale vorhanden an denen an-
zuknuumlpfen lohnenswert scheint
43 Das Setting Werkstatt fuumlr behinderte Menschen
WfbMs sind spezielle Einrichtungen fuumlr Menschen mit Behinderungen die nach dem SGB IX
als behindert gelten (siehe 21) Nach sect 136 SGB IX dienen diese Einrichtungen der bdquoTeilhabe
behinderter Menschen am Arbeitsleben [hellip] und zur Eingliederung in das Arbeitslebenldquo
Dadurch sind sie nicht Teil des allgemeinen Arbeitsmarktes da ihre Beschaumlftigten bdquowegen
Art oder Schwere der Behinderung nicht noch nicht oder noch nicht wieder auf dem allge-
meinen Arbeitsmarkt beschaumlftigt werden koumlnnenldquo (sect 136 Abs 1 SGB IX) Ihr Ziel ist es be-
hinderte Menschen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt vorzubereiten Die Beschaumlftigten arbei-
ten in verschiedensten Bereichen zB im Handwerk oder in Taumltigkeiten der elektronischen
Datenverarbeitung je nach persoumlnlicher Neigung Da es sich um kein typisches sozialversi-
cherungspflichtiges Arbeitsverhaumlltnis handelt sondern um ein bdquoarbeitnehmeraumlhnliches
Rechtsverhaumlltnisldquo11
(sect 138 SGB IX) bekommen die Beschaumlftigten keinen Lohn der dem
Mindestlohn entspricht Nach sect 138 SGB IX setzt sich ihr Arbeitsentgelt zusammen aus ei-
nem Grundbetrag und einem leistungsbemessenen Steigerungsbetrag Im Jahr 2011 verdiente
ein Beschaumlftigter im Durchschnitt 180 Euro monatlich (vgl BAG WfbM 2014) bei 35 bis 40
Arbeitsstunden pro Woche Von einer groszligen Steigerung in den letzten Jahren ist nicht auszu-
gehen Somit benoumltigen Beschaumlftigte einer WfbM idR neben ihrem Arbeitsentgelt Grundsi-
cherung Dies hat zur Folge dass sie haumlufig in prekaumlren soziooumlkonomischen Verhaumlltnissen
leben
Jede Werkstatt ist soziologisch betrachtet ein eigenes System mit individuellen Merkmalen
die unter anderem vom Standort dem Fachpersonal dem Traumlger und den Beschaumlftigten ge-
kennzeichnet sind (vgl SchlummerSchuumltte 2006 S 81) Gesetzlich festgelegt ist in sect 139
11
Begruumlndet wird dieses Rechtsverhaumlltnis haumlufig durch den Kuumlndigungsschutz Eine Werkstatt kann einen
Werkstattvertrag mit einer Beschaumlftigten oder einem Beschaumlftigten nur in seltenen Faumlllen gegen ihren oder sei-
nen Willen aufheben
25
SGB IX dass die Beschaumlftigten aus ihrer Mitte heraus regelmaumlszligig einen Werkstattrat waumlhlen
Genaueres regelt hier die Werkstaumltten-Mitwirkungsverordnung (WMVO) Wie ihr Name al-
lerdings schon sagt handelt es sich hier um die Moumlglichkeit der Mitwirkung nicht der Mitbe-
stimmung Diese kann nur erreicht werden wenn Werkstatt und Werkstattrat nach sect 5 Abs 4
WMVO eine weitergehende Vereinbarung treffen Zu den Aufgaben des Werkstattrates ge-
houmlrt es die Interessen der Beschaumlftigten in verschiedenen Angelegenheiten gegenuumlber der
Werkstatt zu vertreten Diese sind in sect 5 Abs 1 WMVO aufgelistet Die Werkstatt muss den
Werkstattrat auszligerdem informieren wenn sie eine Maszlignahme durchfuumlhrt in der der Werk-
stattrat ein Mitwirkungsrecht besitzt12
Sollte kein Einverstaumlndnis in einer Beratung erzielt
werden koumlnnen beide Seiten sich an eine Vermittlungsstelle wenden (sect 5 Abs 3 WMVO)
Das tatsaumlchliche Ausmaszlig der Mitwirkung ist jedoch stets von der Werkstattleitung abhaumlngig
Solch eine fehlende gesetzliche Verankerung von Mitbestimmung steht der Partizipation be-
hinderter Menschen im Wege welche sowohl fuumlr die gesellschaftliche Inklusion als auch die
Gesundheitsfoumlrderung immens wichtig ist
44 Gesundheitsfoumlrderung in Werkstaumltten fuumlr behinderte Menschen
Zunaumlchst gilt es sich einen Uumlberblick uumlber den aktuellen Stand von Gesundheitsfoumlrderung in
WfbMs zu verschaffen Einen ersten Einblick soll die dazu vorhandene Literatur liefern Da-
nach soll ein Abgleich dieser mit der Praxis stattfinden der sich aufgrund des gesetzten Rah-
mens dieser Arbeit nur auf einige Werkstaumltten des Bundeslandes Berlin konzentriert Hierfuumlr
werden jeweils die Leitbilder untersucht und Stimmen aus der Werkstatt ausgewertet
441 Recherche zum aktuellen Stand
Die Literatur zum Thema Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen in WfbMs ist
noch sehr duumlnn Vollstaumlndig ausgearbeitete Konzepte gibt es bisher nicht veroumlffentlicht wur-
den Berichte von abgeschlossenen oder noch laufenden Projekten Werner Schlummer wis-
senschaftlicher Mitarbeiter der Universitaumlt zu Koumlln begleitete ein Projekt zum Betrieblichen
12
Eine ausfuumlhrliche Beschreibung der Mitwirkungs- und Unterrichtungsrechte des Werkstattrates ist bei
SchlummerSchuumltte 2006 S 71 ndash 82 nachzulesen
26
Gesundheitsmanagement13
in einer WfbM zusammen mit acht Studierenden der Universitaumlt
(vgl Schlummer 2015 S 33) Auch das Projekt GESUND als Teilprojekt von PartKomm-
Plus (Forschungsverbund fuumlr gesunde Kommunen) wird wissenschaftlich durch die Katholi-
sche Hochschule fuumlr Sozialwesen begleitet (vgl Burtscher 2014 S 6)
Als Ausnahme kann das Projekt bdquoSelbstbestimmt gesuumlnderldquo im Rahmen des Programmes
bdquoHealthy Athletesldquo gesehen werden Hier bringt Special Olympics Deutschland eV Maszlig-
nahmen zur Gesundheitsfoumlrderung in die Lebenswelten behinderter Menschen Bei Healthy
Athletes werden Sportlerinnen und Sportler bei Veranstaltungen von Special Olympics kos-
tenlose Beratungen und Kontrolluntersuchungen angeboten Diese Angebote werden jedoch
auch auf Wohnheime und WfbMs ausgeweitet (vgl Special Olympics Deutschland a) S 2
eigene Paginierung) Auch das Projekt bdquoSelbstbestimmt gesuumlnderldquo bringt gesundheitsfoumlrdern-
de Maszlignahmen in Werkstaumltten Dabei werden bdquoTeilnehmern individualisierte Handlungsemp-
fehlungen zum Gesundheitsverhalten zur Verfuumlgung gestelltldquo (Special Olympics Deutschland
b) oS) Das Projekt setzt auszligerdem auf die Wirkung von Peer-Multiplikatorinnen und
-Multiplikatoren
Weitere Projekte sind trotz intensiver Recherche nicht bekannt Auch die Bundesarbeitsge-
meinschaft Werkstaumltten fuumlr behinderte Menschen eV (BAG WfbM) hat auf ihrer Homepa-
ge14
keinen Artikel zur Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung in WfbMs
Gibt man in der Suchmaske bdquoGesundheitsfoumlrderungldquo ein erhaumllt man zwei Ergebnisse einen
Artikel uumlber ein neu entwickeltes Computerspiel das von Kindern mit unterschiedlichen Be-
hinderungen gespielt werden kann und einen Artikel zum Qualifizierungsprogramm bdquoGe-
sundheitsfoumlrderung durch Schluumlsselqualifikationenldquo das sich nicht an Beschaumlftigte sondern
an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in WfbMs richtet Dies legt den Schluss nahe dass Ge-
sundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen in WfbMs bisher kaum verbreitet ist
Das Thema Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung als solches wurde in den
letzten Jahren zunehmend in der Literatur behandelt wobei die Anzahl der Veroumlffentlichun-
gen nach wie vor auf einem uumlberschaubaren Stand ist
13
Schlummers Verstaumlndnis von Betrieblichem Gesundheitsmanagement und Betrieblicher Gesundheitsfoumlrderung
sind beinahe synonym Das beschriebene Projekt kann daher im erweiterten Rahmen durchaus als Projekt zur
Gesundheitsfoumlrderung gesehen werden 14
httpwwwbagwfbmde (Stand 11112015)
27
442 Konzepte und Leitbilder von Einrichtungen der Praxis
Betrachtet werden vier verschiedene WfbMs und ihre Leitbilder Es handelt sich um die vier
Werkstaumltten von denen auch im Rahmen der Feldbefragung Stimmen einer Mitarbeiterin oder
eines Mitarbeiters und zT von Beschaumlftigten gewonnen werden konnten (siehe 443 und
Anhang Nr 2)
Aufgrund der jeweiligen Traumlgerstrukturen besitzt lediglich eine der Werkstaumltten15
als solche
ein eigenes Leitbild Bei den anderen drei Werkstaumltten muss auf das Leitbild des jeweiligen
Traumlgers zuruumlckgegriffen werden Das Thema der Gesundheit der Klientinnen und Klienten
bzw Werkstattbeschaumlftigten wird allerdings in keinem Leitbild thematisiert Auch die Such-
funktionen auf den jeweiligen Homepages bzw intensive Recherchen auf diesen brachten
keine Ergebnisse zum Stichwort bdquoGesundheitsfoumlrderungldquo Daraus laumlsst sich schlieszligen dass
Gesundheitsfoumlrderung der Werkstattbeschaumlftigten in den theoretischen Konzeptionen von
WfbMs meist nicht verankert ist
443 Gesundheitsfoumlrderung in der alltaumlglichen Praxis der Werkstaumltten ndash eine kleine Feldbe-
fragung
Im Rahmen des Informationstages der Berliner Landesarbeitsgemeinschaft Werkstaumltten fuumlr
behinderte Menschen eV (LAG WfbM) am 17112015 im Estrel Hotel Berlin wurden je-
weils eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter von vier verschiedenen WfbMs zum Thema Ge-
sundheitsfoumlrderung mit den Beschaumlftigten in der Werkstatt befragt (siehe Anhang Nr 2) Die
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben alle eine vergleichbare Position Begleitender Dienst
Paumldagogischer Dienst oder Sozialdienst In einer der Werkstaumltten konnten uumlberdies auch
Stimmen von Beschaumlftigten gewonnen werden16
Die Ergebnisse weisen keine empirische
Repraumlsentativitaumlt auf da der knappe Rahmen dieser Arbeit eine repraumlsentative empirische
Forschungsarbeit kaum zulaumlsst Die Befragungen sollen dazu dienen einen Einblick in den
Alltag der WfbMs zu ermoumlglichen und die in der Literatur und den Leibildern gewonnenen
Perspektiven zu erweitern
15
Aus Gruumlnden des Datenschutzes duumlrfen in der hier publizierten Version die Namen der Werkstaumltten nicht
genannt werden 16
In zwei der Werkstaumltten konnten keine Stimmen von Beschaumlftigten erhoben werden da eine Befragung in der
Werkstatt von den befragten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern abgelehnt wurde Der Mitarbeiter der dritten
Werkstatt signalisierte zwar waumlhrend der Befragung Zustimmung jedoch fehlte diese spaumlter von Seiten der Lei-
tung
28
Der Begriff bdquoGesundheitsfoumlrderungldquo wird von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sehr
unterschiedlich interpretiert Die Spannbreite liegt von einem Verstaumlndnis aumlhnlich des hier
dargelegten bis hin zu therapeutischer und rehabilitativer Foumlrderung Die angebotenen Maszlig-
nahmen welche einer Foumlrderung der Gesundheit dienen sollen sind jedoch bei allen aumlhnlich
Meist handelt es sich um Musik- Sport- und Bewegungsangebote die im Rahmen von sog
Begleitenden Maszlignahmen verankert sind Daruumlber hinaus werden auch entlastende Bewegun-
gen in den Arbeitsgruppen angeboten und ein Gesundheitstag in Kooperation mit Special
Olympics Deutschland geplant (eine Werkstatt) Eine andere Werkstatt kooperiert mit der
Fitnessstudiokette Fitness First Kurse zu gesunder Ernaumlhrung und Kochen werden teilweise
angeboten oder sind in Planung Nach Aussagen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden
die Maszlignahmen meist gut angenommen In einer Werkstatt wird sogar gemeinsam mit dem
Werkstattrat an einer Peer-Beratung gearbeitet mit der den Beschaumlftigten der Zugang zu den
Themen Bildung und Gesundheit verbessert werden soll Schwierigkeiten bestehen besonders
bzgl der Raumlume zB bei Turnhallen fuumlr Fuszligball
Eine Partizipation bei der Entwicklung von Angeboten ist nur teilweise gegeben Es wird
zwar in allen befragten Werkstaumltten nach Interessen der Beschaumlftigten gefragt und dement-
sprechend die Kurse angeboten jedoch besteht nur selten die Moumlglichkeit fuumlr die Beschaumlftig-
ten aktiv den jeweiligen Kurs durch eigene Entscheidungen mitzugestalten In einer Werk-
statt ist das bspw abhaumlngig von der Kursart von der Kursleiterin bzw dem Kursleiter und
vom Konzept Evaluiert werden die Angebote meist nur durch Nachfrage in den idR jaumlhr-
lich stattfindenden Entwicklungsgespraumlchen mit den einzelnen Beschaumlftigten und teilweise
daruumlber hinaus mit Fragebogen oder durch die Kursleiterin bzw den Kursleiter Eine Werk-
statt fuumlhrt sogar Statistiken zur Nachfrage Eine partizipative Evaluation findet in keiner der
befragten Werkstaumltten statt
Die befragten Beschaumlftigten einer der Werkstaumltten zeigten sich mit dem Angebot an gesund-
heitsfoumlrdernden Maszlignahmen groumlszligtenteils sehr zufrieden und empfanden die Anzahl der An-
gebote als meist genuumlgend Geaumluszligert wurde lediglich der Wunsch nach weiteren Angeboten
zu gesunder Ernaumlhrung und nach einem besseren Angebot an gesunden Speisen Das Ver-
staumlndnis von Gesundheitsfoumlrderung ist unterschiedlich Auffaumlllig ist dass auf der einen Seite
Aumlrzte und Besuche bei diesen wichtig scheinen gleichzeitig aber auch das Achten auf die
eigene Gesundheit als Teil der Gesundheitsfoumlrderung gilt Besonders letzterer Aspekt weist
darauf hin dass bei den Befragten ein gewisses Grundverstaumlndnis von Gesundheitsfoumlrderung
vorhanden ist das dem in dieser Arbeit verwendeten aumlhnelt Die Wichtigkeit der aumlrztlichen
29
Betreuung laumlsst jedoch zugleich auch auf ein eher bdquotraditionellesldquo bio-medizinisches Gesund-
heitsverstaumlndnis schlieszligen
Als angebotene Maszlignahmen werden meist Sport- und Bewegungsangebote genannt aber
auch eine Apfelpause um kurz von der Arbeit entspannen zu koumlnnen Daruumlber hinaus gab es
Angebote zur Fuszlighygiene und zur Zahn- und Augengesundheit Hier ist der Uumlbergang zwi-
schen Gesundheitsfoumlrderung und Praumlvention flieszligend Bzgl (zukuumlnftiger) Angebote werden
die Beschaumlftigten nach ihren Wuumlnschen gefragt aber eine wirkliche Mitbestimmung in Kon-
zeption und Planung dieser scheint nicht gegeben Auch bei der Evaluation findet bisher keine
Partizipation statt Die Befragung hat jedoch den bisherigen Eindruck bestaumltigt dass gesund-
heitsfoumlrdernde Maszlignahmen in WfbMs von behinderten Menschen durchaus nachgefragt wer-
den und die Werkstaumltten versucht sind im Rahmen der begleitenden Maszlignahmen ein sehr
breites Feld abzudecken Negativ scheint besonders das weitgehende Fehlen partizipativer
Strukturen
In den Werkstaumltten werden viele Angebote im Rahmen begleitender Maszlignahmen offeriert die
fuumlr die Gesundheit foumlrderlich sind Als Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung die die Prinzi-
pien der BVPG verinnerlichen koumlnnen sie jedoch nicht gesehen werden da zB die Partizipa-
tion eine eher untergeordnete Rolle spielt und die Thematik meist auf Sport- und zT Ernaumlh-
rungsangebote beschraumlnkt bleibt Auch werden die Effekte der Maszlignahmen nicht evaluiert
Entspannungsangebote werden nur selten angeboten und der Fokus richtet sich meist nur auf
die koumlrperliche Gesundheit
Daruumlber hinaus zeigt die Befragung aber auch welch groszliges Potential zur Gesundheitsfoumlrde-
rung in den Werkstaumltten liegt Mit den begleitenden Maszlignahmen sind Strukturen verankert in
denen Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung leicht integriert werden koumlnnen Offenheit fuumlr
Kooperationen scheint vielfach gegeben (zB mit Special Olympics Deutschland Fitness
First) sodass auch eine Kooperation mit den Krankenkassen und weiteren Partnern vorstell-
bar scheint Dies wuumlrde den Vorteil finanzieller Foumlrderung und Expertise durch Erfahrungen
mit bereits durchgefuumlhrten Maszlignahmen einbringen Die befragten Mitarbeiterinnen und Mit-
arbeiter schienen Gesundheitsfoumlrderung gegenuumlber prinzipiell sehr positiv eingestellt
Auch wenn in den Leitbildern und auf den Homepages Gesundheitsfoumlrderung nicht themati-
siert wird gibt es in der Praxis schon verschiedene Maszlignahmen und Projekte mit der Intenti-
on die Gesundheit der Beschaumlftigten zu verbessern
30
45 Anregungen fuumlr die Praxis
Vor dem Hintergrund der zu Rate gezogenen Literatur und den gewonnen Erkenntnissen
durch die Feldbefragung werden nun einige Uumlberlegungen fuumlr die Praxis einer gelingenden
Gesundheitsfoumlrderung getroffen Diese koumlnnen als moumlgliche Anregungen zur Umsetzung ver-
standen werden
451 Partizipation und Empowerment in der Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behin-
derung
Erfolgreiche Gesundheitsfoumlrderung braucht Partizipationsmoumlglichkeiten fuumlr die jeweilige
Zielgruppe Partizipation ist schlieszliglich nicht nur Teilnahme sondern aktive Teilhabe und
damit einhergehend die Moumlglichkeit mitzubestimmen und mitzuentscheiden Dazu gehoumlrt
auch die Definitionsmacht also die Macht (mit)zubestimmen an welche die Gesundheit be-
treffenden Aspekte in einer Maszlignahme zur Gesundheitsfoumlrderung herangegangen werden soll
(vgl Wrightvon UngerBlock 2010 S 39) Diese aktive Teilhabe muss also bereits zu Be-
ginn einer Maszlignahme Teil dieser sein Partizipation bedeutet folglich auch Macht Partizipa-
tion zu ermoumlglichen bedeutet Empowerment also die Ermaumlchtigung eines Individuums oder
einer Gruppe So bekommt Partizipation in der Gesundheitsfoumlrderung auch eine gesellschaft-
liche und politische Komponente denn dadurch koumlnnen Menschen mit Behinderungen lernen
mitzubestimmen mitzuentscheiden und eigene Interessen zu vertreten Diese erlernten Faumlhig-
keiten lassen sich auf die Handlungsebene in einer demokratischen Gesellschaft uumlbertragen
Sowohl Empowerment als auch Partizipation gehoumlren zu den in 31 erwaumlhnten Prinzipien der
BVPG Diese weist darauf hin dass Partizipation in saumlmtlichen Phasen einer Maszlignahme ge-
geben sein muss beginnend mit der Bedarfsanalyse der Planung in der Durchfuumlhrung und
abschlieszligend in der BewertungEvaluation So kann die Wirksamkeit einer Maszlignahme erhoumlht
werden (vgl BVPG 2013 S 90) Teilhabe kann als ein wichtiger Bestandteil der Qualitaumltssi-
cherung gesehen werden Bisher finden Maszlignahmen zur Qualitaumltssicherung nur selten unter
Partizipation der Zielgruppe statt Diese partizipativ zu beteiligen hilft die Qualitaumlt der Ge-
sundheitsfoumlrderung aufrechtzuerhalten oder sogar zu verbessern (vgl Wrightvon Un-
gerBlock 2010 S 35)
Teilhabe ist bei behinderten Menschen besonders wichtig Ihr Leben ist haumlufig von Beginn an
stark fremdbestimmt und von Abhaumlngigkeit gepraumlgt Somit lernen sie seltener als nicht behin-
31
derte Menschen Verantwortung zu uumlbernehmen und selbststaumlndig zu agieren Dies kann bis
hin zur sog bdquoerlernten Hilflosigkeitldquo fuumlhren Vor diesem Hintergrund scheint Partizipation
umso wichtiger aber auch umso arbeitsintensiver Sie ist daher in der Praxis der Gesundheits-
foumlrderung haumlufig sehr arbeitsintensiv und benoumltigt folglich zeitliche Ressourcen und damit
einhergehend finanzielle Ressourcen (vgl Loss 2009 S 10)
Traditionell sind viele Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung top-down organisiert das be-
deutet eine Einrichtung ein Geldgeber etc plant eine Maszlignahme fuumlhrt diese durch und eva-
luiert sie Zur Erreichung der eigenen Ziele wird die Zielgruppe mobilisiert ohne ein Mitspra-
cherecht zu den einzelnen Bausteinen der Maszlignahme zu haben Diese Struktur verdeutlicht
das Maumlchteungleichwicht zwischen Anbieter und Zielgruppe und zementiert den Status be-
hinderter Menschen als Abhaumlngige und Ohnmaumlchtige Der Gegensatz zu top-down-
Programmen ist der bottom-up-Ansatz Hier findet eine Machtteilung statt da die Gesund-
heitsfoumlrderinnen und Gesundheitsfoumlrderer ihre Macht mit der Zielgruppe teilen und eher die
Rolle von Unterstuumltzerinnen und Unterstuumltzern einnehmen Die Zielgruppe soll unterstuumltzt
werden ihre eigenen Probleme festzustellen und Loumlsungen sowie Maszlignahmen zu erarbeiten
In der Planung Durchfuumlhrung und Evaluation kommt ihr damit eine aktive Rolle zu (vgl La-
verack 2010 S 77) Bottom-up-Programme scheinen daher fuumlr Partizipation und Empower-
ment geeigneter als top-down-Strukturen Allerdings schlieszligen sich beide Ansaumltze nicht
zwingend aus sondern Maszlignahmen koumlnnen Eigenschaften beider Ansaumltze aufweisen In
WfbMs scheinen Maszlignahmen sehr haumlufig top-down organisiert zu sein Die staumlrkere Veranke-
rung von bottom-up-Strukturen waumlre hier im Sinne einer Teilhabe ndash in der Werkstatt wie auch
daruumlber hinaus auf gesellschaftlicher Ebene ndash vorteilhaft und wuumlnschenswert
452 Peer-Multiplikatorinnen und -Multiplikatoren
Eine Strategie die in der Praxis der Gesundheitsfoumlrderung bereits mit positiven Ergebnissen
getestet wurde sind Peer-Multiplikatorinnen und -Multiplikatoren Das Modell der Multipli-
katorinnen und Multiplikatoren war bereits Grundlage vieler gesundheitsfoumlrdernder Maszlignah-
men mit sozial benachteiligten Menschen die auch in der Literatur vielfach dokumentiert
sind Auch in der Arbeit mit behinderten Menschen ist dieses Konzept nicht neu Auf Maszlig-
nahmen zur Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung wurde es bisher kaum an-
gewandt scheint jedoch erfolgsversprechend Das Projekt GESUND welches mit einer Ber-
liner WfbM durchgefuumlhrt wird arbeitet mit diesem Konzept (vgl Burtscher 2014 S 8) Die
32
Funktion von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren besteht darin Kenntnisse und Informa-
tionen zur Gesundheit(-sfoumlrderung) der Zielgruppe mit Hilfe der ihnen innewohnenden Ver-
trauensstellung naumlher zu bringen Sie haben daher eine bdquoMittlerfunktionldquo (BVPG 2013 S 92)
zwischen Durchfuumlhrenden und Zielgruppe Voraussetzung dafuumlr ist dass sie der Zielgruppe
angehoumlren oder zumindest eine sehr enge Verbindung zu ihr besitzen Im Zuge einer Maszlig-
nahme werden sie selbst gestaumlrkt sozusagen bdquoempowertldquo Ihre Mittlerfunktion funktioniert
allerdings auch in die andere Richtung Sie bringen den Durchfuumlhrenden die Perspektive der
Zielgruppe naumlher Im Idealfall fuumlhrt der Einsatz von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren
zur Aktivierung der Zielgruppe die ihr selbstbestimmtes Handeln auch auf andere Bereiche
ausdehnen kann (vgl Stickan-Verfuumlrth 2005 S 108) Diesem Modell sehr aumlhnlich ist das
Modell des Peer-Counseling Hier stehen Mitglieder der Zielgruppe in beratender Funktion
ihrer Peer-Gruppe zur Verfuumlgung
453 Verknuumlpfung von Betrieblicher Gesundheitsfoumlrderung und Gesundheitsfoumlrderung in
Werkstaumltten fuumlr behinderte Menschen
Eine Uumlbertragung der Idee der Betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung auf die Gesundheitsfoumlrde-
rung in WfbMs scheint in der Tat realisierbar Den rechtlichen und finanziellen Rahmen hier-
fuumlr hat das 2015 beschlossene Praumlventionsgesetz geschaffen (siehe 33) Im Entwurf der Bun-
desregierung wird in der Anmerkung zum neuen sect 20 Abs 4 SGB V explizit darauf hinge-
wiesen dass Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung auch in WfbMs zum Leistungsspektrum der
Krankenkassen gehoumlrt (vgl Deutscher Bundestag 2015 S 34) Eine Etablierung hiervon in
der Praxis haumlngt in erster Linie neben den Krankenkassen auch von den Leitungen der WfbMs
ab Sollten diese hierfuumlr und auch gegenuumlber partizipativen Strukturen offen sein waumlre der in
351 kurz vorgestellte Gesundheitszirkel ein passender Startpunkt um von Beginn an auch
die Partizipation der Beschaumlftigten zu gewaumlhrleisten Analog zum Konzept der BGF koumlnnten
gemeinsam Maszlignahmen erarbeitet werden die die Gesundheit der Beschaumlftigten foumlrdern wuumlr-
den Den Vertreterinnen und Vertretern der Beschaumlftigten die im Gesundheitszirkel mitwir-
ken koumlnnte dabei die Rolle von Peer-Multiplikatorinnen und -Multiplikatoren zukommen
Als Effekte duumlrften die in 351 beschriebenen auch hier zu erwarten sein eine Verbesserung
der Gesundheit und eine Staumlrkung der gesundheitlichen Ressourcen eine Verringerung der
krankheitsbedingten Fehltage eine staumlrkere Identifikation der Beschaumlftigten mit der Werk-
33
statt ein besseres Arbeitsklima eine houmlhere Motivation und Arbeitszufriedenheit und eine
Steigerung der Produktivitaumlt
Es empfiehlt sich im Sinne der Partizipation und des Empowerments kein reines top-down-
Programm zu starten sondern einen bottom-up-Ansatz zu waumlhlen bzw zumindest mehrere
Elemente dessen einzubauen Als Anknuumlpfungspunkt koumlnnen bereits bestehende begleitende
Maszlignahmen mit passender Thematik genommen werden
Wie bdquonormaleldquo Betriebe koumlnnten auch WfbMs Kooperationen in ihrem raumlumlichen Umfeld
aufbauen und von Vernetzungen profitieren Aufgrund ihrer Groumlszlige sind sie in ihrem Sozial-
raum ein meist nicht zu unterschaumltzender Akteur
34
5 Fazit und Ausblick
Ausgehend von einem bio-psycho-sozialen Verstaumlndnis von Gesundheit wurden verschiedene
Aspekte der Gesundheitsfoumlrderung vertieft und anschlieszligend eine Verknuumlpfung zur Gesund-
heitsfoumlrderung mit behinderten Menschen hergestellt Hierbei lag der Fokus auf gesundheits-
foumlrdernden Maszlignahmen in WfbMs Dabei wurde die aktuelle Literatur zu Rate gezogen In-
ternetauftritte einiger Werkstaumltten durchsucht und Stimmen aus dem Feld von Mitarbeiterin-
nen und Mitarbeitern sowie Beschaumlftigten von Werkstaumltten gewonnen
Die Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung ist noch immer relativ schwach
ausgebaut Dies stellt sich besonders vor dem Hintergrund als problematisch dass behinderte
Menschen haumlufig anfaumllliger fuumlr Krankheiten sind und durchschnittlich uumlber einen subjektiv als
schlechter bewerteten Gesundheitsstatus verfuumlgen als nichtbehinderte Menschen Wie viele
sozial benachteiligte Gruppen sind sie verhaumlltnismaumlszligig schwer zu erreichen fuumlr gesundheits-
foumlrdernde Maszlignahmen Obwohl es in der Erreichbarkeit mehrere Probleme gibt verfuumlgen
Menschen mit Behinderung auf der anderen Seite uumlber groszlige Potentiale Das neue Praumlventi-
onsgesetz ist ein erheblicher Fortschritt bei der Finanzierung gesundheitsfoumlrdernder Maszlignah-
men Sogar eine Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung in Werkstaumltten ist wenn auch nicht ex-
plizit verankert so doch zumindest gewuumlnscht
Gelingende Gesundheitsfoumlrderung muss sich im Allgemeinen und auch bei der Arbeit mit
behinderten Menschen an bestimmten Prinzipien messen lassen Besonders wichtig vor dem
gesellschaftlichen Hintergrund ist hier die Partizipation der Menschen mit Behinderung und
damit einhergehend das Empowerment dieser Beide wirken sich positiv auf die Qualitaumlt der
gesundheitsfoumlrdernden Maszlignahmen aus gehen jedoch auch daruumlber hinaus Sie koumlnnen Men-
schen mit Behinderungen auch auf gesellschaftlicher Ebene empowern sodass ihnen eine
groumlszligere gesellschaftliche Teilhabe zukommt Somit erlangt Gesundheitsfoumlrderung auch vor
dem Hintergrund der Inklusion eine hohe Relevanz
In WfbMs ist gezielte Gesundheitsfoumlrderung bisher wenig verbreitet Einzelne Projekte sind
eher die Ausnahme denn die Regel Jedoch sind die Potentiale der Werkstaumltten enorm Das
Personal scheint haumlufig offen fuumlr Maszlignahmen zu sein und gerade die Strukturen der beglei-
tenden Maszlignahmen lieszligen eine relativ einfache Integration von Maszlignahmen zur (betriebli-
chen) Gesundheitsfoumlrderung zu Bestehende begleitende Maszlignahmen in welchen Sport oder
Bildungsangebote zu gesunder Ernaumlhrung angeboten werden koumlnnten ohne uumlbermaumlszligigen
Aufwand zu gezielten Maszlignahmen fuumlr Gesundheitsfoumlrderung ausgebaut werden Nachholbe-
darf bestuumlnde hier vor allem auf dem Gebiet der Partizipation Nur selten scheinen die Be-
35
schaumlftigten in Konzeption Planung Durchfuumlhrung und Evaluation aktiv eingebunden zu sein
In bestimmten Phasen wie etwa der Konzeption und besonders der Evaluation scheint aktive
Teilhabe noch uumlberhaupt nicht verankert zu sein Eine staumlrkere Partizipation in allen Berei-
chen waumlre mit houmlherem Arbeits- und Kostenaufwand verbunden welcher durch eine Einbin-
dung der Krankenkassen moumlglicherweise aufgefangen werden koumlnnte Die Partizipation foumlr-
dern wuumlrde auch die Etablierung von Peer-Beratung und Peer-Multiplikatorinnen und
-Multiplikatoren Diesen kaumlme beim Zugang zur Zielgruppe eine Schluumlsselfunktion zu und
gleichzeitig koumlnnten sie Bedarfe und Beduumlrfnisse dieser gegenuumlber den anderen Akteuren
kommunizieren Auch wenn es bisher keine konkreten ausgearbeiteten Konzepte zur Gesund-
heitsfoumlrderung in WfbMs gibt koumlnnten bestehende Konzepte zur Betrieblichen Gesundheits-
foumlrderung eventuell leicht uumlberarbeitet fuumlr Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung in Werkstaumltten
analog angewendet werden
Die Potentiale und Moumlglichkeiten zur Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung
in WfbMs sind also mannigfaltig und haumlufig vorhanden Auf diesen koumlnnte aufgebaut werden
um behinderten Menschen das Recht auf das in Artikel 25 der UN-BRK festgeschriebene bdquoer-
reichbare Houmlchstmaszlig an Gesundheitldquo zu ermoumlglichen
Gesundheitsfoumlrderung ist mehr als Werbeplakate an Bus- oder Straszligenbahnhaltestellen und
Clips im Aktuellen Sportstudio sie ist mehr als Sportangebote und Angebote zu gesunder
Ernaumlhrung sie ist auch ein Weg zum Erreichen eines Menschenrechtes das Recht auf Ge-
sundheit
36
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41
Anhang
Nr 1 Abbildung zu den Hauptdeterminanten der Gesundheit nach DahlgreenWhitehead
2007 S 11
Nr 2 Befragung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Beschaumlftigten der WfbMs
42
Nr 1 Abbildung zu den Hauptdeterminanten der Gesundheit nach DahlgreenWhitehead
2007 S 11
43
Nr 2 Befragung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Beschaumlftigten der WfbMs
Um moumlglichst effizient die Stimmen aus vier WfbMs unterschiedlicher Traumlger zu erheben
wurden diese auf dem Infotag der LAG WfbM Berlin am 17112015 gesammelt Hier waren
verschiedene Werkstaumltten mit Informationsstaumlnden vertreten Gewaumlhlt wurden die Werkstaumlt-
ten an deren Staumlnden der Verfasser zuerst vorbeilief Die gestellten Fragen waren stets die-
selben
Den Vertretern der Werkstatt wurde zugesichert dass ihr Name nicht in der vorliegenden Ar-
beit genannt wird lediglich ihre Position in der Werkstatt wird erwaumlhnt Es wurden auszligerdem
keine weiteren Personendaten erhoben
Wenn moumlglich sollten auszligerdem fuumlnf Beschaumlftige pro WfbM befragt werden Hierfuumlr wurde
am Ende des kurzen Interviews um Erlaubnis gefragt Den Beschaumlftigten wurden andere Fra-
gen gestellt als dem Werkstattpersonal jedoch erhielten alle Beschaumlftigten dieselben Fragen
untereinander Den Beschaumlftigen wurde komplette Anonymitaumlt in der vorliegenden Arbeit
zugesichert und es wurden keine personenbezogenen Daten abgefragt Zuerst wurde nach
ihrem Verstaumlndnis von Gesundheitsfoumlrderung gefragt Vor den Fragen 2 bis 5 wurde kurz
erklaumlrt wie Gesundheitsfoumlrderung verstanden werden kann um davon ausgehend die restli-
chen Fragen zu beantworten
Bei saumlmtlichen Interviews wurde auf Transkriptionen verzichtet es wurden lediglich die
Kernaussagen mitgeschrieben
Im Folgenden finden sich exemplarisch die jeweils gestellten Fragen
44
Fragen an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der WfbM
Name der WfbM
Position der befragten Person Begleitender Dienst
1 Was verstehen Sie unter Gesundheitsfoumlrderung
2 Was bieten Sie im Rahmen der Gesundheitsfoumlrderung an
3 Wie werden die Maszlignahmen angenommen
4 Wuumlrden Sie gerne mehr anbieten oder finden Sie die Angebote ausreichend
5 Gibt es Schwierigkeiten
6 Wie steht es um die Partizipation in den Angeboten (Werden die Angebote von Beschaumlf-
tigten mitentwickelt mitevaluiert etc)
7 Werden die Angebote evaluiert
45
Fragen an die Beschaumlftigen der WfbM
Name der WfbM
Datum
1 Wissen Sie was Gesundheitsfoumlrderung ist Wenn ja wie wuumlrden sie es beschreiben
[Moumlgliche Erklaumlrung fuumlr Beschaumlftigte die sich nichts unter Gesundheitsfoumlrderung vorstellen
koumlnnen Zur Gesundheitsfoumlrderung gehoumlrt alles was fuumlr Ihre Gesundheit gut ist zB Kur-
seMaszlignahmen usw die mit Bewegung Ernaumlhrung Wohlfuumlhlen am Arbeitsplatz oder Ent-
spannen zu tun haben]
2 Welche Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung werden Ihnen von der Werkstatt angebo-
ten
3 Werden Ihrer Meinung nach genuumlgend Angebote zur Gesundheitsfoumlrderung in der Werk-
statt angeboten
4 Duumlrfen Sie bei der Entwicklung und Evaluation (Auswertung am Ende) mitbestimmen
5 Was sind Ihre Wuumlnsche bezuumlglich der Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung
25
SGB IX dass die Beschaumlftigten aus ihrer Mitte heraus regelmaumlszligig einen Werkstattrat waumlhlen
Genaueres regelt hier die Werkstaumltten-Mitwirkungsverordnung (WMVO) Wie ihr Name al-
lerdings schon sagt handelt es sich hier um die Moumlglichkeit der Mitwirkung nicht der Mitbe-
stimmung Diese kann nur erreicht werden wenn Werkstatt und Werkstattrat nach sect 5 Abs 4
WMVO eine weitergehende Vereinbarung treffen Zu den Aufgaben des Werkstattrates ge-
houmlrt es die Interessen der Beschaumlftigten in verschiedenen Angelegenheiten gegenuumlber der
Werkstatt zu vertreten Diese sind in sect 5 Abs 1 WMVO aufgelistet Die Werkstatt muss den
Werkstattrat auszligerdem informieren wenn sie eine Maszlignahme durchfuumlhrt in der der Werk-
stattrat ein Mitwirkungsrecht besitzt12
Sollte kein Einverstaumlndnis in einer Beratung erzielt
werden koumlnnen beide Seiten sich an eine Vermittlungsstelle wenden (sect 5 Abs 3 WMVO)
Das tatsaumlchliche Ausmaszlig der Mitwirkung ist jedoch stets von der Werkstattleitung abhaumlngig
Solch eine fehlende gesetzliche Verankerung von Mitbestimmung steht der Partizipation be-
hinderter Menschen im Wege welche sowohl fuumlr die gesellschaftliche Inklusion als auch die
Gesundheitsfoumlrderung immens wichtig ist
44 Gesundheitsfoumlrderung in Werkstaumltten fuumlr behinderte Menschen
Zunaumlchst gilt es sich einen Uumlberblick uumlber den aktuellen Stand von Gesundheitsfoumlrderung in
WfbMs zu verschaffen Einen ersten Einblick soll die dazu vorhandene Literatur liefern Da-
nach soll ein Abgleich dieser mit der Praxis stattfinden der sich aufgrund des gesetzten Rah-
mens dieser Arbeit nur auf einige Werkstaumltten des Bundeslandes Berlin konzentriert Hierfuumlr
werden jeweils die Leitbilder untersucht und Stimmen aus der Werkstatt ausgewertet
441 Recherche zum aktuellen Stand
Die Literatur zum Thema Gesundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen in WfbMs ist
noch sehr duumlnn Vollstaumlndig ausgearbeitete Konzepte gibt es bisher nicht veroumlffentlicht wur-
den Berichte von abgeschlossenen oder noch laufenden Projekten Werner Schlummer wis-
senschaftlicher Mitarbeiter der Universitaumlt zu Koumlln begleitete ein Projekt zum Betrieblichen
12
Eine ausfuumlhrliche Beschreibung der Mitwirkungs- und Unterrichtungsrechte des Werkstattrates ist bei
SchlummerSchuumltte 2006 S 71 ndash 82 nachzulesen
26
Gesundheitsmanagement13
in einer WfbM zusammen mit acht Studierenden der Universitaumlt
(vgl Schlummer 2015 S 33) Auch das Projekt GESUND als Teilprojekt von PartKomm-
Plus (Forschungsverbund fuumlr gesunde Kommunen) wird wissenschaftlich durch die Katholi-
sche Hochschule fuumlr Sozialwesen begleitet (vgl Burtscher 2014 S 6)
Als Ausnahme kann das Projekt bdquoSelbstbestimmt gesuumlnderldquo im Rahmen des Programmes
bdquoHealthy Athletesldquo gesehen werden Hier bringt Special Olympics Deutschland eV Maszlig-
nahmen zur Gesundheitsfoumlrderung in die Lebenswelten behinderter Menschen Bei Healthy
Athletes werden Sportlerinnen und Sportler bei Veranstaltungen von Special Olympics kos-
tenlose Beratungen und Kontrolluntersuchungen angeboten Diese Angebote werden jedoch
auch auf Wohnheime und WfbMs ausgeweitet (vgl Special Olympics Deutschland a) S 2
eigene Paginierung) Auch das Projekt bdquoSelbstbestimmt gesuumlnderldquo bringt gesundheitsfoumlrdern-
de Maszlignahmen in Werkstaumltten Dabei werden bdquoTeilnehmern individualisierte Handlungsemp-
fehlungen zum Gesundheitsverhalten zur Verfuumlgung gestelltldquo (Special Olympics Deutschland
b) oS) Das Projekt setzt auszligerdem auf die Wirkung von Peer-Multiplikatorinnen und
-Multiplikatoren
Weitere Projekte sind trotz intensiver Recherche nicht bekannt Auch die Bundesarbeitsge-
meinschaft Werkstaumltten fuumlr behinderte Menschen eV (BAG WfbM) hat auf ihrer Homepa-
ge14
keinen Artikel zur Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung in WfbMs
Gibt man in der Suchmaske bdquoGesundheitsfoumlrderungldquo ein erhaumllt man zwei Ergebnisse einen
Artikel uumlber ein neu entwickeltes Computerspiel das von Kindern mit unterschiedlichen Be-
hinderungen gespielt werden kann und einen Artikel zum Qualifizierungsprogramm bdquoGe-
sundheitsfoumlrderung durch Schluumlsselqualifikationenldquo das sich nicht an Beschaumlftigte sondern
an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in WfbMs richtet Dies legt den Schluss nahe dass Ge-
sundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen in WfbMs bisher kaum verbreitet ist
Das Thema Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung als solches wurde in den
letzten Jahren zunehmend in der Literatur behandelt wobei die Anzahl der Veroumlffentlichun-
gen nach wie vor auf einem uumlberschaubaren Stand ist
13
Schlummers Verstaumlndnis von Betrieblichem Gesundheitsmanagement und Betrieblicher Gesundheitsfoumlrderung
sind beinahe synonym Das beschriebene Projekt kann daher im erweiterten Rahmen durchaus als Projekt zur
Gesundheitsfoumlrderung gesehen werden 14
httpwwwbagwfbmde (Stand 11112015)
27
442 Konzepte und Leitbilder von Einrichtungen der Praxis
Betrachtet werden vier verschiedene WfbMs und ihre Leitbilder Es handelt sich um die vier
Werkstaumltten von denen auch im Rahmen der Feldbefragung Stimmen einer Mitarbeiterin oder
eines Mitarbeiters und zT von Beschaumlftigten gewonnen werden konnten (siehe 443 und
Anhang Nr 2)
Aufgrund der jeweiligen Traumlgerstrukturen besitzt lediglich eine der Werkstaumltten15
als solche
ein eigenes Leitbild Bei den anderen drei Werkstaumltten muss auf das Leitbild des jeweiligen
Traumlgers zuruumlckgegriffen werden Das Thema der Gesundheit der Klientinnen und Klienten
bzw Werkstattbeschaumlftigten wird allerdings in keinem Leitbild thematisiert Auch die Such-
funktionen auf den jeweiligen Homepages bzw intensive Recherchen auf diesen brachten
keine Ergebnisse zum Stichwort bdquoGesundheitsfoumlrderungldquo Daraus laumlsst sich schlieszligen dass
Gesundheitsfoumlrderung der Werkstattbeschaumlftigten in den theoretischen Konzeptionen von
WfbMs meist nicht verankert ist
443 Gesundheitsfoumlrderung in der alltaumlglichen Praxis der Werkstaumltten ndash eine kleine Feldbe-
fragung
Im Rahmen des Informationstages der Berliner Landesarbeitsgemeinschaft Werkstaumltten fuumlr
behinderte Menschen eV (LAG WfbM) am 17112015 im Estrel Hotel Berlin wurden je-
weils eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter von vier verschiedenen WfbMs zum Thema Ge-
sundheitsfoumlrderung mit den Beschaumlftigten in der Werkstatt befragt (siehe Anhang Nr 2) Die
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben alle eine vergleichbare Position Begleitender Dienst
Paumldagogischer Dienst oder Sozialdienst In einer der Werkstaumltten konnten uumlberdies auch
Stimmen von Beschaumlftigten gewonnen werden16
Die Ergebnisse weisen keine empirische
Repraumlsentativitaumlt auf da der knappe Rahmen dieser Arbeit eine repraumlsentative empirische
Forschungsarbeit kaum zulaumlsst Die Befragungen sollen dazu dienen einen Einblick in den
Alltag der WfbMs zu ermoumlglichen und die in der Literatur und den Leibildern gewonnenen
Perspektiven zu erweitern
15
Aus Gruumlnden des Datenschutzes duumlrfen in der hier publizierten Version die Namen der Werkstaumltten nicht
genannt werden 16
In zwei der Werkstaumltten konnten keine Stimmen von Beschaumlftigten erhoben werden da eine Befragung in der
Werkstatt von den befragten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern abgelehnt wurde Der Mitarbeiter der dritten
Werkstatt signalisierte zwar waumlhrend der Befragung Zustimmung jedoch fehlte diese spaumlter von Seiten der Lei-
tung
28
Der Begriff bdquoGesundheitsfoumlrderungldquo wird von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sehr
unterschiedlich interpretiert Die Spannbreite liegt von einem Verstaumlndnis aumlhnlich des hier
dargelegten bis hin zu therapeutischer und rehabilitativer Foumlrderung Die angebotenen Maszlig-
nahmen welche einer Foumlrderung der Gesundheit dienen sollen sind jedoch bei allen aumlhnlich
Meist handelt es sich um Musik- Sport- und Bewegungsangebote die im Rahmen von sog
Begleitenden Maszlignahmen verankert sind Daruumlber hinaus werden auch entlastende Bewegun-
gen in den Arbeitsgruppen angeboten und ein Gesundheitstag in Kooperation mit Special
Olympics Deutschland geplant (eine Werkstatt) Eine andere Werkstatt kooperiert mit der
Fitnessstudiokette Fitness First Kurse zu gesunder Ernaumlhrung und Kochen werden teilweise
angeboten oder sind in Planung Nach Aussagen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden
die Maszlignahmen meist gut angenommen In einer Werkstatt wird sogar gemeinsam mit dem
Werkstattrat an einer Peer-Beratung gearbeitet mit der den Beschaumlftigten der Zugang zu den
Themen Bildung und Gesundheit verbessert werden soll Schwierigkeiten bestehen besonders
bzgl der Raumlume zB bei Turnhallen fuumlr Fuszligball
Eine Partizipation bei der Entwicklung von Angeboten ist nur teilweise gegeben Es wird
zwar in allen befragten Werkstaumltten nach Interessen der Beschaumlftigten gefragt und dement-
sprechend die Kurse angeboten jedoch besteht nur selten die Moumlglichkeit fuumlr die Beschaumlftig-
ten aktiv den jeweiligen Kurs durch eigene Entscheidungen mitzugestalten In einer Werk-
statt ist das bspw abhaumlngig von der Kursart von der Kursleiterin bzw dem Kursleiter und
vom Konzept Evaluiert werden die Angebote meist nur durch Nachfrage in den idR jaumlhr-
lich stattfindenden Entwicklungsgespraumlchen mit den einzelnen Beschaumlftigten und teilweise
daruumlber hinaus mit Fragebogen oder durch die Kursleiterin bzw den Kursleiter Eine Werk-
statt fuumlhrt sogar Statistiken zur Nachfrage Eine partizipative Evaluation findet in keiner der
befragten Werkstaumltten statt
Die befragten Beschaumlftigten einer der Werkstaumltten zeigten sich mit dem Angebot an gesund-
heitsfoumlrdernden Maszlignahmen groumlszligtenteils sehr zufrieden und empfanden die Anzahl der An-
gebote als meist genuumlgend Geaumluszligert wurde lediglich der Wunsch nach weiteren Angeboten
zu gesunder Ernaumlhrung und nach einem besseren Angebot an gesunden Speisen Das Ver-
staumlndnis von Gesundheitsfoumlrderung ist unterschiedlich Auffaumlllig ist dass auf der einen Seite
Aumlrzte und Besuche bei diesen wichtig scheinen gleichzeitig aber auch das Achten auf die
eigene Gesundheit als Teil der Gesundheitsfoumlrderung gilt Besonders letzterer Aspekt weist
darauf hin dass bei den Befragten ein gewisses Grundverstaumlndnis von Gesundheitsfoumlrderung
vorhanden ist das dem in dieser Arbeit verwendeten aumlhnelt Die Wichtigkeit der aumlrztlichen
29
Betreuung laumlsst jedoch zugleich auch auf ein eher bdquotraditionellesldquo bio-medizinisches Gesund-
heitsverstaumlndnis schlieszligen
Als angebotene Maszlignahmen werden meist Sport- und Bewegungsangebote genannt aber
auch eine Apfelpause um kurz von der Arbeit entspannen zu koumlnnen Daruumlber hinaus gab es
Angebote zur Fuszlighygiene und zur Zahn- und Augengesundheit Hier ist der Uumlbergang zwi-
schen Gesundheitsfoumlrderung und Praumlvention flieszligend Bzgl (zukuumlnftiger) Angebote werden
die Beschaumlftigten nach ihren Wuumlnschen gefragt aber eine wirkliche Mitbestimmung in Kon-
zeption und Planung dieser scheint nicht gegeben Auch bei der Evaluation findet bisher keine
Partizipation statt Die Befragung hat jedoch den bisherigen Eindruck bestaumltigt dass gesund-
heitsfoumlrdernde Maszlignahmen in WfbMs von behinderten Menschen durchaus nachgefragt wer-
den und die Werkstaumltten versucht sind im Rahmen der begleitenden Maszlignahmen ein sehr
breites Feld abzudecken Negativ scheint besonders das weitgehende Fehlen partizipativer
Strukturen
In den Werkstaumltten werden viele Angebote im Rahmen begleitender Maszlignahmen offeriert die
fuumlr die Gesundheit foumlrderlich sind Als Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung die die Prinzi-
pien der BVPG verinnerlichen koumlnnen sie jedoch nicht gesehen werden da zB die Partizipa-
tion eine eher untergeordnete Rolle spielt und die Thematik meist auf Sport- und zT Ernaumlh-
rungsangebote beschraumlnkt bleibt Auch werden die Effekte der Maszlignahmen nicht evaluiert
Entspannungsangebote werden nur selten angeboten und der Fokus richtet sich meist nur auf
die koumlrperliche Gesundheit
Daruumlber hinaus zeigt die Befragung aber auch welch groszliges Potential zur Gesundheitsfoumlrde-
rung in den Werkstaumltten liegt Mit den begleitenden Maszlignahmen sind Strukturen verankert in
denen Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung leicht integriert werden koumlnnen Offenheit fuumlr
Kooperationen scheint vielfach gegeben (zB mit Special Olympics Deutschland Fitness
First) sodass auch eine Kooperation mit den Krankenkassen und weiteren Partnern vorstell-
bar scheint Dies wuumlrde den Vorteil finanzieller Foumlrderung und Expertise durch Erfahrungen
mit bereits durchgefuumlhrten Maszlignahmen einbringen Die befragten Mitarbeiterinnen und Mit-
arbeiter schienen Gesundheitsfoumlrderung gegenuumlber prinzipiell sehr positiv eingestellt
Auch wenn in den Leitbildern und auf den Homepages Gesundheitsfoumlrderung nicht themati-
siert wird gibt es in der Praxis schon verschiedene Maszlignahmen und Projekte mit der Intenti-
on die Gesundheit der Beschaumlftigten zu verbessern
30
45 Anregungen fuumlr die Praxis
Vor dem Hintergrund der zu Rate gezogenen Literatur und den gewonnen Erkenntnissen
durch die Feldbefragung werden nun einige Uumlberlegungen fuumlr die Praxis einer gelingenden
Gesundheitsfoumlrderung getroffen Diese koumlnnen als moumlgliche Anregungen zur Umsetzung ver-
standen werden
451 Partizipation und Empowerment in der Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behin-
derung
Erfolgreiche Gesundheitsfoumlrderung braucht Partizipationsmoumlglichkeiten fuumlr die jeweilige
Zielgruppe Partizipation ist schlieszliglich nicht nur Teilnahme sondern aktive Teilhabe und
damit einhergehend die Moumlglichkeit mitzubestimmen und mitzuentscheiden Dazu gehoumlrt
auch die Definitionsmacht also die Macht (mit)zubestimmen an welche die Gesundheit be-
treffenden Aspekte in einer Maszlignahme zur Gesundheitsfoumlrderung herangegangen werden soll
(vgl Wrightvon UngerBlock 2010 S 39) Diese aktive Teilhabe muss also bereits zu Be-
ginn einer Maszlignahme Teil dieser sein Partizipation bedeutet folglich auch Macht Partizipa-
tion zu ermoumlglichen bedeutet Empowerment also die Ermaumlchtigung eines Individuums oder
einer Gruppe So bekommt Partizipation in der Gesundheitsfoumlrderung auch eine gesellschaft-
liche und politische Komponente denn dadurch koumlnnen Menschen mit Behinderungen lernen
mitzubestimmen mitzuentscheiden und eigene Interessen zu vertreten Diese erlernten Faumlhig-
keiten lassen sich auf die Handlungsebene in einer demokratischen Gesellschaft uumlbertragen
Sowohl Empowerment als auch Partizipation gehoumlren zu den in 31 erwaumlhnten Prinzipien der
BVPG Diese weist darauf hin dass Partizipation in saumlmtlichen Phasen einer Maszlignahme ge-
geben sein muss beginnend mit der Bedarfsanalyse der Planung in der Durchfuumlhrung und
abschlieszligend in der BewertungEvaluation So kann die Wirksamkeit einer Maszlignahme erhoumlht
werden (vgl BVPG 2013 S 90) Teilhabe kann als ein wichtiger Bestandteil der Qualitaumltssi-
cherung gesehen werden Bisher finden Maszlignahmen zur Qualitaumltssicherung nur selten unter
Partizipation der Zielgruppe statt Diese partizipativ zu beteiligen hilft die Qualitaumlt der Ge-
sundheitsfoumlrderung aufrechtzuerhalten oder sogar zu verbessern (vgl Wrightvon Un-
gerBlock 2010 S 35)
Teilhabe ist bei behinderten Menschen besonders wichtig Ihr Leben ist haumlufig von Beginn an
stark fremdbestimmt und von Abhaumlngigkeit gepraumlgt Somit lernen sie seltener als nicht behin-
31
derte Menschen Verantwortung zu uumlbernehmen und selbststaumlndig zu agieren Dies kann bis
hin zur sog bdquoerlernten Hilflosigkeitldquo fuumlhren Vor diesem Hintergrund scheint Partizipation
umso wichtiger aber auch umso arbeitsintensiver Sie ist daher in der Praxis der Gesundheits-
foumlrderung haumlufig sehr arbeitsintensiv und benoumltigt folglich zeitliche Ressourcen und damit
einhergehend finanzielle Ressourcen (vgl Loss 2009 S 10)
Traditionell sind viele Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung top-down organisiert das be-
deutet eine Einrichtung ein Geldgeber etc plant eine Maszlignahme fuumlhrt diese durch und eva-
luiert sie Zur Erreichung der eigenen Ziele wird die Zielgruppe mobilisiert ohne ein Mitspra-
cherecht zu den einzelnen Bausteinen der Maszlignahme zu haben Diese Struktur verdeutlicht
das Maumlchteungleichwicht zwischen Anbieter und Zielgruppe und zementiert den Status be-
hinderter Menschen als Abhaumlngige und Ohnmaumlchtige Der Gegensatz zu top-down-
Programmen ist der bottom-up-Ansatz Hier findet eine Machtteilung statt da die Gesund-
heitsfoumlrderinnen und Gesundheitsfoumlrderer ihre Macht mit der Zielgruppe teilen und eher die
Rolle von Unterstuumltzerinnen und Unterstuumltzern einnehmen Die Zielgruppe soll unterstuumltzt
werden ihre eigenen Probleme festzustellen und Loumlsungen sowie Maszlignahmen zu erarbeiten
In der Planung Durchfuumlhrung und Evaluation kommt ihr damit eine aktive Rolle zu (vgl La-
verack 2010 S 77) Bottom-up-Programme scheinen daher fuumlr Partizipation und Empower-
ment geeigneter als top-down-Strukturen Allerdings schlieszligen sich beide Ansaumltze nicht
zwingend aus sondern Maszlignahmen koumlnnen Eigenschaften beider Ansaumltze aufweisen In
WfbMs scheinen Maszlignahmen sehr haumlufig top-down organisiert zu sein Die staumlrkere Veranke-
rung von bottom-up-Strukturen waumlre hier im Sinne einer Teilhabe ndash in der Werkstatt wie auch
daruumlber hinaus auf gesellschaftlicher Ebene ndash vorteilhaft und wuumlnschenswert
452 Peer-Multiplikatorinnen und -Multiplikatoren
Eine Strategie die in der Praxis der Gesundheitsfoumlrderung bereits mit positiven Ergebnissen
getestet wurde sind Peer-Multiplikatorinnen und -Multiplikatoren Das Modell der Multipli-
katorinnen und Multiplikatoren war bereits Grundlage vieler gesundheitsfoumlrdernder Maszlignah-
men mit sozial benachteiligten Menschen die auch in der Literatur vielfach dokumentiert
sind Auch in der Arbeit mit behinderten Menschen ist dieses Konzept nicht neu Auf Maszlig-
nahmen zur Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung wurde es bisher kaum an-
gewandt scheint jedoch erfolgsversprechend Das Projekt GESUND welches mit einer Ber-
liner WfbM durchgefuumlhrt wird arbeitet mit diesem Konzept (vgl Burtscher 2014 S 8) Die
32
Funktion von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren besteht darin Kenntnisse und Informa-
tionen zur Gesundheit(-sfoumlrderung) der Zielgruppe mit Hilfe der ihnen innewohnenden Ver-
trauensstellung naumlher zu bringen Sie haben daher eine bdquoMittlerfunktionldquo (BVPG 2013 S 92)
zwischen Durchfuumlhrenden und Zielgruppe Voraussetzung dafuumlr ist dass sie der Zielgruppe
angehoumlren oder zumindest eine sehr enge Verbindung zu ihr besitzen Im Zuge einer Maszlig-
nahme werden sie selbst gestaumlrkt sozusagen bdquoempowertldquo Ihre Mittlerfunktion funktioniert
allerdings auch in die andere Richtung Sie bringen den Durchfuumlhrenden die Perspektive der
Zielgruppe naumlher Im Idealfall fuumlhrt der Einsatz von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren
zur Aktivierung der Zielgruppe die ihr selbstbestimmtes Handeln auch auf andere Bereiche
ausdehnen kann (vgl Stickan-Verfuumlrth 2005 S 108) Diesem Modell sehr aumlhnlich ist das
Modell des Peer-Counseling Hier stehen Mitglieder der Zielgruppe in beratender Funktion
ihrer Peer-Gruppe zur Verfuumlgung
453 Verknuumlpfung von Betrieblicher Gesundheitsfoumlrderung und Gesundheitsfoumlrderung in
Werkstaumltten fuumlr behinderte Menschen
Eine Uumlbertragung der Idee der Betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung auf die Gesundheitsfoumlrde-
rung in WfbMs scheint in der Tat realisierbar Den rechtlichen und finanziellen Rahmen hier-
fuumlr hat das 2015 beschlossene Praumlventionsgesetz geschaffen (siehe 33) Im Entwurf der Bun-
desregierung wird in der Anmerkung zum neuen sect 20 Abs 4 SGB V explizit darauf hinge-
wiesen dass Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung auch in WfbMs zum Leistungsspektrum der
Krankenkassen gehoumlrt (vgl Deutscher Bundestag 2015 S 34) Eine Etablierung hiervon in
der Praxis haumlngt in erster Linie neben den Krankenkassen auch von den Leitungen der WfbMs
ab Sollten diese hierfuumlr und auch gegenuumlber partizipativen Strukturen offen sein waumlre der in
351 kurz vorgestellte Gesundheitszirkel ein passender Startpunkt um von Beginn an auch
die Partizipation der Beschaumlftigten zu gewaumlhrleisten Analog zum Konzept der BGF koumlnnten
gemeinsam Maszlignahmen erarbeitet werden die die Gesundheit der Beschaumlftigten foumlrdern wuumlr-
den Den Vertreterinnen und Vertretern der Beschaumlftigten die im Gesundheitszirkel mitwir-
ken koumlnnte dabei die Rolle von Peer-Multiplikatorinnen und -Multiplikatoren zukommen
Als Effekte duumlrften die in 351 beschriebenen auch hier zu erwarten sein eine Verbesserung
der Gesundheit und eine Staumlrkung der gesundheitlichen Ressourcen eine Verringerung der
krankheitsbedingten Fehltage eine staumlrkere Identifikation der Beschaumlftigten mit der Werk-
33
statt ein besseres Arbeitsklima eine houmlhere Motivation und Arbeitszufriedenheit und eine
Steigerung der Produktivitaumlt
Es empfiehlt sich im Sinne der Partizipation und des Empowerments kein reines top-down-
Programm zu starten sondern einen bottom-up-Ansatz zu waumlhlen bzw zumindest mehrere
Elemente dessen einzubauen Als Anknuumlpfungspunkt koumlnnen bereits bestehende begleitende
Maszlignahmen mit passender Thematik genommen werden
Wie bdquonormaleldquo Betriebe koumlnnten auch WfbMs Kooperationen in ihrem raumlumlichen Umfeld
aufbauen und von Vernetzungen profitieren Aufgrund ihrer Groumlszlige sind sie in ihrem Sozial-
raum ein meist nicht zu unterschaumltzender Akteur
34
5 Fazit und Ausblick
Ausgehend von einem bio-psycho-sozialen Verstaumlndnis von Gesundheit wurden verschiedene
Aspekte der Gesundheitsfoumlrderung vertieft und anschlieszligend eine Verknuumlpfung zur Gesund-
heitsfoumlrderung mit behinderten Menschen hergestellt Hierbei lag der Fokus auf gesundheits-
foumlrdernden Maszlignahmen in WfbMs Dabei wurde die aktuelle Literatur zu Rate gezogen In-
ternetauftritte einiger Werkstaumltten durchsucht und Stimmen aus dem Feld von Mitarbeiterin-
nen und Mitarbeitern sowie Beschaumlftigten von Werkstaumltten gewonnen
Die Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung ist noch immer relativ schwach
ausgebaut Dies stellt sich besonders vor dem Hintergrund als problematisch dass behinderte
Menschen haumlufig anfaumllliger fuumlr Krankheiten sind und durchschnittlich uumlber einen subjektiv als
schlechter bewerteten Gesundheitsstatus verfuumlgen als nichtbehinderte Menschen Wie viele
sozial benachteiligte Gruppen sind sie verhaumlltnismaumlszligig schwer zu erreichen fuumlr gesundheits-
foumlrdernde Maszlignahmen Obwohl es in der Erreichbarkeit mehrere Probleme gibt verfuumlgen
Menschen mit Behinderung auf der anderen Seite uumlber groszlige Potentiale Das neue Praumlventi-
onsgesetz ist ein erheblicher Fortschritt bei der Finanzierung gesundheitsfoumlrdernder Maszlignah-
men Sogar eine Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung in Werkstaumltten ist wenn auch nicht ex-
plizit verankert so doch zumindest gewuumlnscht
Gelingende Gesundheitsfoumlrderung muss sich im Allgemeinen und auch bei der Arbeit mit
behinderten Menschen an bestimmten Prinzipien messen lassen Besonders wichtig vor dem
gesellschaftlichen Hintergrund ist hier die Partizipation der Menschen mit Behinderung und
damit einhergehend das Empowerment dieser Beide wirken sich positiv auf die Qualitaumlt der
gesundheitsfoumlrdernden Maszlignahmen aus gehen jedoch auch daruumlber hinaus Sie koumlnnen Men-
schen mit Behinderungen auch auf gesellschaftlicher Ebene empowern sodass ihnen eine
groumlszligere gesellschaftliche Teilhabe zukommt Somit erlangt Gesundheitsfoumlrderung auch vor
dem Hintergrund der Inklusion eine hohe Relevanz
In WfbMs ist gezielte Gesundheitsfoumlrderung bisher wenig verbreitet Einzelne Projekte sind
eher die Ausnahme denn die Regel Jedoch sind die Potentiale der Werkstaumltten enorm Das
Personal scheint haumlufig offen fuumlr Maszlignahmen zu sein und gerade die Strukturen der beglei-
tenden Maszlignahmen lieszligen eine relativ einfache Integration von Maszlignahmen zur (betriebli-
chen) Gesundheitsfoumlrderung zu Bestehende begleitende Maszlignahmen in welchen Sport oder
Bildungsangebote zu gesunder Ernaumlhrung angeboten werden koumlnnten ohne uumlbermaumlszligigen
Aufwand zu gezielten Maszlignahmen fuumlr Gesundheitsfoumlrderung ausgebaut werden Nachholbe-
darf bestuumlnde hier vor allem auf dem Gebiet der Partizipation Nur selten scheinen die Be-
35
schaumlftigten in Konzeption Planung Durchfuumlhrung und Evaluation aktiv eingebunden zu sein
In bestimmten Phasen wie etwa der Konzeption und besonders der Evaluation scheint aktive
Teilhabe noch uumlberhaupt nicht verankert zu sein Eine staumlrkere Partizipation in allen Berei-
chen waumlre mit houmlherem Arbeits- und Kostenaufwand verbunden welcher durch eine Einbin-
dung der Krankenkassen moumlglicherweise aufgefangen werden koumlnnte Die Partizipation foumlr-
dern wuumlrde auch die Etablierung von Peer-Beratung und Peer-Multiplikatorinnen und
-Multiplikatoren Diesen kaumlme beim Zugang zur Zielgruppe eine Schluumlsselfunktion zu und
gleichzeitig koumlnnten sie Bedarfe und Beduumlrfnisse dieser gegenuumlber den anderen Akteuren
kommunizieren Auch wenn es bisher keine konkreten ausgearbeiteten Konzepte zur Gesund-
heitsfoumlrderung in WfbMs gibt koumlnnten bestehende Konzepte zur Betrieblichen Gesundheits-
foumlrderung eventuell leicht uumlberarbeitet fuumlr Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung in Werkstaumltten
analog angewendet werden
Die Potentiale und Moumlglichkeiten zur Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung
in WfbMs sind also mannigfaltig und haumlufig vorhanden Auf diesen koumlnnte aufgebaut werden
um behinderten Menschen das Recht auf das in Artikel 25 der UN-BRK festgeschriebene bdquoer-
reichbare Houmlchstmaszlig an Gesundheitldquo zu ermoumlglichen
Gesundheitsfoumlrderung ist mehr als Werbeplakate an Bus- oder Straszligenbahnhaltestellen und
Clips im Aktuellen Sportstudio sie ist mehr als Sportangebote und Angebote zu gesunder
Ernaumlhrung sie ist auch ein Weg zum Erreichen eines Menschenrechtes das Recht auf Ge-
sundheit
36
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41
Anhang
Nr 1 Abbildung zu den Hauptdeterminanten der Gesundheit nach DahlgreenWhitehead
2007 S 11
Nr 2 Befragung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Beschaumlftigten der WfbMs
42
Nr 1 Abbildung zu den Hauptdeterminanten der Gesundheit nach DahlgreenWhitehead
2007 S 11
43
Nr 2 Befragung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Beschaumlftigten der WfbMs
Um moumlglichst effizient die Stimmen aus vier WfbMs unterschiedlicher Traumlger zu erheben
wurden diese auf dem Infotag der LAG WfbM Berlin am 17112015 gesammelt Hier waren
verschiedene Werkstaumltten mit Informationsstaumlnden vertreten Gewaumlhlt wurden die Werkstaumlt-
ten an deren Staumlnden der Verfasser zuerst vorbeilief Die gestellten Fragen waren stets die-
selben
Den Vertretern der Werkstatt wurde zugesichert dass ihr Name nicht in der vorliegenden Ar-
beit genannt wird lediglich ihre Position in der Werkstatt wird erwaumlhnt Es wurden auszligerdem
keine weiteren Personendaten erhoben
Wenn moumlglich sollten auszligerdem fuumlnf Beschaumlftige pro WfbM befragt werden Hierfuumlr wurde
am Ende des kurzen Interviews um Erlaubnis gefragt Den Beschaumlftigten wurden andere Fra-
gen gestellt als dem Werkstattpersonal jedoch erhielten alle Beschaumlftigten dieselben Fragen
untereinander Den Beschaumlftigen wurde komplette Anonymitaumlt in der vorliegenden Arbeit
zugesichert und es wurden keine personenbezogenen Daten abgefragt Zuerst wurde nach
ihrem Verstaumlndnis von Gesundheitsfoumlrderung gefragt Vor den Fragen 2 bis 5 wurde kurz
erklaumlrt wie Gesundheitsfoumlrderung verstanden werden kann um davon ausgehend die restli-
chen Fragen zu beantworten
Bei saumlmtlichen Interviews wurde auf Transkriptionen verzichtet es wurden lediglich die
Kernaussagen mitgeschrieben
Im Folgenden finden sich exemplarisch die jeweils gestellten Fragen
44
Fragen an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der WfbM
Name der WfbM
Position der befragten Person Begleitender Dienst
1 Was verstehen Sie unter Gesundheitsfoumlrderung
2 Was bieten Sie im Rahmen der Gesundheitsfoumlrderung an
3 Wie werden die Maszlignahmen angenommen
4 Wuumlrden Sie gerne mehr anbieten oder finden Sie die Angebote ausreichend
5 Gibt es Schwierigkeiten
6 Wie steht es um die Partizipation in den Angeboten (Werden die Angebote von Beschaumlf-
tigten mitentwickelt mitevaluiert etc)
7 Werden die Angebote evaluiert
45
Fragen an die Beschaumlftigen der WfbM
Name der WfbM
Datum
1 Wissen Sie was Gesundheitsfoumlrderung ist Wenn ja wie wuumlrden sie es beschreiben
[Moumlgliche Erklaumlrung fuumlr Beschaumlftigte die sich nichts unter Gesundheitsfoumlrderung vorstellen
koumlnnen Zur Gesundheitsfoumlrderung gehoumlrt alles was fuumlr Ihre Gesundheit gut ist zB Kur-
seMaszlignahmen usw die mit Bewegung Ernaumlhrung Wohlfuumlhlen am Arbeitsplatz oder Ent-
spannen zu tun haben]
2 Welche Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung werden Ihnen von der Werkstatt angebo-
ten
3 Werden Ihrer Meinung nach genuumlgend Angebote zur Gesundheitsfoumlrderung in der Werk-
statt angeboten
4 Duumlrfen Sie bei der Entwicklung und Evaluation (Auswertung am Ende) mitbestimmen
5 Was sind Ihre Wuumlnsche bezuumlglich der Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung
26
Gesundheitsmanagement13
in einer WfbM zusammen mit acht Studierenden der Universitaumlt
(vgl Schlummer 2015 S 33) Auch das Projekt GESUND als Teilprojekt von PartKomm-
Plus (Forschungsverbund fuumlr gesunde Kommunen) wird wissenschaftlich durch die Katholi-
sche Hochschule fuumlr Sozialwesen begleitet (vgl Burtscher 2014 S 6)
Als Ausnahme kann das Projekt bdquoSelbstbestimmt gesuumlnderldquo im Rahmen des Programmes
bdquoHealthy Athletesldquo gesehen werden Hier bringt Special Olympics Deutschland eV Maszlig-
nahmen zur Gesundheitsfoumlrderung in die Lebenswelten behinderter Menschen Bei Healthy
Athletes werden Sportlerinnen und Sportler bei Veranstaltungen von Special Olympics kos-
tenlose Beratungen und Kontrolluntersuchungen angeboten Diese Angebote werden jedoch
auch auf Wohnheime und WfbMs ausgeweitet (vgl Special Olympics Deutschland a) S 2
eigene Paginierung) Auch das Projekt bdquoSelbstbestimmt gesuumlnderldquo bringt gesundheitsfoumlrdern-
de Maszlignahmen in Werkstaumltten Dabei werden bdquoTeilnehmern individualisierte Handlungsemp-
fehlungen zum Gesundheitsverhalten zur Verfuumlgung gestelltldquo (Special Olympics Deutschland
b) oS) Das Projekt setzt auszligerdem auf die Wirkung von Peer-Multiplikatorinnen und
-Multiplikatoren
Weitere Projekte sind trotz intensiver Recherche nicht bekannt Auch die Bundesarbeitsge-
meinschaft Werkstaumltten fuumlr behinderte Menschen eV (BAG WfbM) hat auf ihrer Homepa-
ge14
keinen Artikel zur Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung in WfbMs
Gibt man in der Suchmaske bdquoGesundheitsfoumlrderungldquo ein erhaumllt man zwei Ergebnisse einen
Artikel uumlber ein neu entwickeltes Computerspiel das von Kindern mit unterschiedlichen Be-
hinderungen gespielt werden kann und einen Artikel zum Qualifizierungsprogramm bdquoGe-
sundheitsfoumlrderung durch Schluumlsselqualifikationenldquo das sich nicht an Beschaumlftigte sondern
an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in WfbMs richtet Dies legt den Schluss nahe dass Ge-
sundheitsfoumlrderung mit behinderten Menschen in WfbMs bisher kaum verbreitet ist
Das Thema Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung als solches wurde in den
letzten Jahren zunehmend in der Literatur behandelt wobei die Anzahl der Veroumlffentlichun-
gen nach wie vor auf einem uumlberschaubaren Stand ist
13
Schlummers Verstaumlndnis von Betrieblichem Gesundheitsmanagement und Betrieblicher Gesundheitsfoumlrderung
sind beinahe synonym Das beschriebene Projekt kann daher im erweiterten Rahmen durchaus als Projekt zur
Gesundheitsfoumlrderung gesehen werden 14
httpwwwbagwfbmde (Stand 11112015)
27
442 Konzepte und Leitbilder von Einrichtungen der Praxis
Betrachtet werden vier verschiedene WfbMs und ihre Leitbilder Es handelt sich um die vier
Werkstaumltten von denen auch im Rahmen der Feldbefragung Stimmen einer Mitarbeiterin oder
eines Mitarbeiters und zT von Beschaumlftigten gewonnen werden konnten (siehe 443 und
Anhang Nr 2)
Aufgrund der jeweiligen Traumlgerstrukturen besitzt lediglich eine der Werkstaumltten15
als solche
ein eigenes Leitbild Bei den anderen drei Werkstaumltten muss auf das Leitbild des jeweiligen
Traumlgers zuruumlckgegriffen werden Das Thema der Gesundheit der Klientinnen und Klienten
bzw Werkstattbeschaumlftigten wird allerdings in keinem Leitbild thematisiert Auch die Such-
funktionen auf den jeweiligen Homepages bzw intensive Recherchen auf diesen brachten
keine Ergebnisse zum Stichwort bdquoGesundheitsfoumlrderungldquo Daraus laumlsst sich schlieszligen dass
Gesundheitsfoumlrderung der Werkstattbeschaumlftigten in den theoretischen Konzeptionen von
WfbMs meist nicht verankert ist
443 Gesundheitsfoumlrderung in der alltaumlglichen Praxis der Werkstaumltten ndash eine kleine Feldbe-
fragung
Im Rahmen des Informationstages der Berliner Landesarbeitsgemeinschaft Werkstaumltten fuumlr
behinderte Menschen eV (LAG WfbM) am 17112015 im Estrel Hotel Berlin wurden je-
weils eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter von vier verschiedenen WfbMs zum Thema Ge-
sundheitsfoumlrderung mit den Beschaumlftigten in der Werkstatt befragt (siehe Anhang Nr 2) Die
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben alle eine vergleichbare Position Begleitender Dienst
Paumldagogischer Dienst oder Sozialdienst In einer der Werkstaumltten konnten uumlberdies auch
Stimmen von Beschaumlftigten gewonnen werden16
Die Ergebnisse weisen keine empirische
Repraumlsentativitaumlt auf da der knappe Rahmen dieser Arbeit eine repraumlsentative empirische
Forschungsarbeit kaum zulaumlsst Die Befragungen sollen dazu dienen einen Einblick in den
Alltag der WfbMs zu ermoumlglichen und die in der Literatur und den Leibildern gewonnenen
Perspektiven zu erweitern
15
Aus Gruumlnden des Datenschutzes duumlrfen in der hier publizierten Version die Namen der Werkstaumltten nicht
genannt werden 16
In zwei der Werkstaumltten konnten keine Stimmen von Beschaumlftigten erhoben werden da eine Befragung in der
Werkstatt von den befragten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern abgelehnt wurde Der Mitarbeiter der dritten
Werkstatt signalisierte zwar waumlhrend der Befragung Zustimmung jedoch fehlte diese spaumlter von Seiten der Lei-
tung
28
Der Begriff bdquoGesundheitsfoumlrderungldquo wird von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sehr
unterschiedlich interpretiert Die Spannbreite liegt von einem Verstaumlndnis aumlhnlich des hier
dargelegten bis hin zu therapeutischer und rehabilitativer Foumlrderung Die angebotenen Maszlig-
nahmen welche einer Foumlrderung der Gesundheit dienen sollen sind jedoch bei allen aumlhnlich
Meist handelt es sich um Musik- Sport- und Bewegungsangebote die im Rahmen von sog
Begleitenden Maszlignahmen verankert sind Daruumlber hinaus werden auch entlastende Bewegun-
gen in den Arbeitsgruppen angeboten und ein Gesundheitstag in Kooperation mit Special
Olympics Deutschland geplant (eine Werkstatt) Eine andere Werkstatt kooperiert mit der
Fitnessstudiokette Fitness First Kurse zu gesunder Ernaumlhrung und Kochen werden teilweise
angeboten oder sind in Planung Nach Aussagen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden
die Maszlignahmen meist gut angenommen In einer Werkstatt wird sogar gemeinsam mit dem
Werkstattrat an einer Peer-Beratung gearbeitet mit der den Beschaumlftigten der Zugang zu den
Themen Bildung und Gesundheit verbessert werden soll Schwierigkeiten bestehen besonders
bzgl der Raumlume zB bei Turnhallen fuumlr Fuszligball
Eine Partizipation bei der Entwicklung von Angeboten ist nur teilweise gegeben Es wird
zwar in allen befragten Werkstaumltten nach Interessen der Beschaumlftigten gefragt und dement-
sprechend die Kurse angeboten jedoch besteht nur selten die Moumlglichkeit fuumlr die Beschaumlftig-
ten aktiv den jeweiligen Kurs durch eigene Entscheidungen mitzugestalten In einer Werk-
statt ist das bspw abhaumlngig von der Kursart von der Kursleiterin bzw dem Kursleiter und
vom Konzept Evaluiert werden die Angebote meist nur durch Nachfrage in den idR jaumlhr-
lich stattfindenden Entwicklungsgespraumlchen mit den einzelnen Beschaumlftigten und teilweise
daruumlber hinaus mit Fragebogen oder durch die Kursleiterin bzw den Kursleiter Eine Werk-
statt fuumlhrt sogar Statistiken zur Nachfrage Eine partizipative Evaluation findet in keiner der
befragten Werkstaumltten statt
Die befragten Beschaumlftigten einer der Werkstaumltten zeigten sich mit dem Angebot an gesund-
heitsfoumlrdernden Maszlignahmen groumlszligtenteils sehr zufrieden und empfanden die Anzahl der An-
gebote als meist genuumlgend Geaumluszligert wurde lediglich der Wunsch nach weiteren Angeboten
zu gesunder Ernaumlhrung und nach einem besseren Angebot an gesunden Speisen Das Ver-
staumlndnis von Gesundheitsfoumlrderung ist unterschiedlich Auffaumlllig ist dass auf der einen Seite
Aumlrzte und Besuche bei diesen wichtig scheinen gleichzeitig aber auch das Achten auf die
eigene Gesundheit als Teil der Gesundheitsfoumlrderung gilt Besonders letzterer Aspekt weist
darauf hin dass bei den Befragten ein gewisses Grundverstaumlndnis von Gesundheitsfoumlrderung
vorhanden ist das dem in dieser Arbeit verwendeten aumlhnelt Die Wichtigkeit der aumlrztlichen
29
Betreuung laumlsst jedoch zugleich auch auf ein eher bdquotraditionellesldquo bio-medizinisches Gesund-
heitsverstaumlndnis schlieszligen
Als angebotene Maszlignahmen werden meist Sport- und Bewegungsangebote genannt aber
auch eine Apfelpause um kurz von der Arbeit entspannen zu koumlnnen Daruumlber hinaus gab es
Angebote zur Fuszlighygiene und zur Zahn- und Augengesundheit Hier ist der Uumlbergang zwi-
schen Gesundheitsfoumlrderung und Praumlvention flieszligend Bzgl (zukuumlnftiger) Angebote werden
die Beschaumlftigten nach ihren Wuumlnschen gefragt aber eine wirkliche Mitbestimmung in Kon-
zeption und Planung dieser scheint nicht gegeben Auch bei der Evaluation findet bisher keine
Partizipation statt Die Befragung hat jedoch den bisherigen Eindruck bestaumltigt dass gesund-
heitsfoumlrdernde Maszlignahmen in WfbMs von behinderten Menschen durchaus nachgefragt wer-
den und die Werkstaumltten versucht sind im Rahmen der begleitenden Maszlignahmen ein sehr
breites Feld abzudecken Negativ scheint besonders das weitgehende Fehlen partizipativer
Strukturen
In den Werkstaumltten werden viele Angebote im Rahmen begleitender Maszlignahmen offeriert die
fuumlr die Gesundheit foumlrderlich sind Als Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung die die Prinzi-
pien der BVPG verinnerlichen koumlnnen sie jedoch nicht gesehen werden da zB die Partizipa-
tion eine eher untergeordnete Rolle spielt und die Thematik meist auf Sport- und zT Ernaumlh-
rungsangebote beschraumlnkt bleibt Auch werden die Effekte der Maszlignahmen nicht evaluiert
Entspannungsangebote werden nur selten angeboten und der Fokus richtet sich meist nur auf
die koumlrperliche Gesundheit
Daruumlber hinaus zeigt die Befragung aber auch welch groszliges Potential zur Gesundheitsfoumlrde-
rung in den Werkstaumltten liegt Mit den begleitenden Maszlignahmen sind Strukturen verankert in
denen Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung leicht integriert werden koumlnnen Offenheit fuumlr
Kooperationen scheint vielfach gegeben (zB mit Special Olympics Deutschland Fitness
First) sodass auch eine Kooperation mit den Krankenkassen und weiteren Partnern vorstell-
bar scheint Dies wuumlrde den Vorteil finanzieller Foumlrderung und Expertise durch Erfahrungen
mit bereits durchgefuumlhrten Maszlignahmen einbringen Die befragten Mitarbeiterinnen und Mit-
arbeiter schienen Gesundheitsfoumlrderung gegenuumlber prinzipiell sehr positiv eingestellt
Auch wenn in den Leitbildern und auf den Homepages Gesundheitsfoumlrderung nicht themati-
siert wird gibt es in der Praxis schon verschiedene Maszlignahmen und Projekte mit der Intenti-
on die Gesundheit der Beschaumlftigten zu verbessern
30
45 Anregungen fuumlr die Praxis
Vor dem Hintergrund der zu Rate gezogenen Literatur und den gewonnen Erkenntnissen
durch die Feldbefragung werden nun einige Uumlberlegungen fuumlr die Praxis einer gelingenden
Gesundheitsfoumlrderung getroffen Diese koumlnnen als moumlgliche Anregungen zur Umsetzung ver-
standen werden
451 Partizipation und Empowerment in der Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behin-
derung
Erfolgreiche Gesundheitsfoumlrderung braucht Partizipationsmoumlglichkeiten fuumlr die jeweilige
Zielgruppe Partizipation ist schlieszliglich nicht nur Teilnahme sondern aktive Teilhabe und
damit einhergehend die Moumlglichkeit mitzubestimmen und mitzuentscheiden Dazu gehoumlrt
auch die Definitionsmacht also die Macht (mit)zubestimmen an welche die Gesundheit be-
treffenden Aspekte in einer Maszlignahme zur Gesundheitsfoumlrderung herangegangen werden soll
(vgl Wrightvon UngerBlock 2010 S 39) Diese aktive Teilhabe muss also bereits zu Be-
ginn einer Maszlignahme Teil dieser sein Partizipation bedeutet folglich auch Macht Partizipa-
tion zu ermoumlglichen bedeutet Empowerment also die Ermaumlchtigung eines Individuums oder
einer Gruppe So bekommt Partizipation in der Gesundheitsfoumlrderung auch eine gesellschaft-
liche und politische Komponente denn dadurch koumlnnen Menschen mit Behinderungen lernen
mitzubestimmen mitzuentscheiden und eigene Interessen zu vertreten Diese erlernten Faumlhig-
keiten lassen sich auf die Handlungsebene in einer demokratischen Gesellschaft uumlbertragen
Sowohl Empowerment als auch Partizipation gehoumlren zu den in 31 erwaumlhnten Prinzipien der
BVPG Diese weist darauf hin dass Partizipation in saumlmtlichen Phasen einer Maszlignahme ge-
geben sein muss beginnend mit der Bedarfsanalyse der Planung in der Durchfuumlhrung und
abschlieszligend in der BewertungEvaluation So kann die Wirksamkeit einer Maszlignahme erhoumlht
werden (vgl BVPG 2013 S 90) Teilhabe kann als ein wichtiger Bestandteil der Qualitaumltssi-
cherung gesehen werden Bisher finden Maszlignahmen zur Qualitaumltssicherung nur selten unter
Partizipation der Zielgruppe statt Diese partizipativ zu beteiligen hilft die Qualitaumlt der Ge-
sundheitsfoumlrderung aufrechtzuerhalten oder sogar zu verbessern (vgl Wrightvon Un-
gerBlock 2010 S 35)
Teilhabe ist bei behinderten Menschen besonders wichtig Ihr Leben ist haumlufig von Beginn an
stark fremdbestimmt und von Abhaumlngigkeit gepraumlgt Somit lernen sie seltener als nicht behin-
31
derte Menschen Verantwortung zu uumlbernehmen und selbststaumlndig zu agieren Dies kann bis
hin zur sog bdquoerlernten Hilflosigkeitldquo fuumlhren Vor diesem Hintergrund scheint Partizipation
umso wichtiger aber auch umso arbeitsintensiver Sie ist daher in der Praxis der Gesundheits-
foumlrderung haumlufig sehr arbeitsintensiv und benoumltigt folglich zeitliche Ressourcen und damit
einhergehend finanzielle Ressourcen (vgl Loss 2009 S 10)
Traditionell sind viele Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung top-down organisiert das be-
deutet eine Einrichtung ein Geldgeber etc plant eine Maszlignahme fuumlhrt diese durch und eva-
luiert sie Zur Erreichung der eigenen Ziele wird die Zielgruppe mobilisiert ohne ein Mitspra-
cherecht zu den einzelnen Bausteinen der Maszlignahme zu haben Diese Struktur verdeutlicht
das Maumlchteungleichwicht zwischen Anbieter und Zielgruppe und zementiert den Status be-
hinderter Menschen als Abhaumlngige und Ohnmaumlchtige Der Gegensatz zu top-down-
Programmen ist der bottom-up-Ansatz Hier findet eine Machtteilung statt da die Gesund-
heitsfoumlrderinnen und Gesundheitsfoumlrderer ihre Macht mit der Zielgruppe teilen und eher die
Rolle von Unterstuumltzerinnen und Unterstuumltzern einnehmen Die Zielgruppe soll unterstuumltzt
werden ihre eigenen Probleme festzustellen und Loumlsungen sowie Maszlignahmen zu erarbeiten
In der Planung Durchfuumlhrung und Evaluation kommt ihr damit eine aktive Rolle zu (vgl La-
verack 2010 S 77) Bottom-up-Programme scheinen daher fuumlr Partizipation und Empower-
ment geeigneter als top-down-Strukturen Allerdings schlieszligen sich beide Ansaumltze nicht
zwingend aus sondern Maszlignahmen koumlnnen Eigenschaften beider Ansaumltze aufweisen In
WfbMs scheinen Maszlignahmen sehr haumlufig top-down organisiert zu sein Die staumlrkere Veranke-
rung von bottom-up-Strukturen waumlre hier im Sinne einer Teilhabe ndash in der Werkstatt wie auch
daruumlber hinaus auf gesellschaftlicher Ebene ndash vorteilhaft und wuumlnschenswert
452 Peer-Multiplikatorinnen und -Multiplikatoren
Eine Strategie die in der Praxis der Gesundheitsfoumlrderung bereits mit positiven Ergebnissen
getestet wurde sind Peer-Multiplikatorinnen und -Multiplikatoren Das Modell der Multipli-
katorinnen und Multiplikatoren war bereits Grundlage vieler gesundheitsfoumlrdernder Maszlignah-
men mit sozial benachteiligten Menschen die auch in der Literatur vielfach dokumentiert
sind Auch in der Arbeit mit behinderten Menschen ist dieses Konzept nicht neu Auf Maszlig-
nahmen zur Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung wurde es bisher kaum an-
gewandt scheint jedoch erfolgsversprechend Das Projekt GESUND welches mit einer Ber-
liner WfbM durchgefuumlhrt wird arbeitet mit diesem Konzept (vgl Burtscher 2014 S 8) Die
32
Funktion von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren besteht darin Kenntnisse und Informa-
tionen zur Gesundheit(-sfoumlrderung) der Zielgruppe mit Hilfe der ihnen innewohnenden Ver-
trauensstellung naumlher zu bringen Sie haben daher eine bdquoMittlerfunktionldquo (BVPG 2013 S 92)
zwischen Durchfuumlhrenden und Zielgruppe Voraussetzung dafuumlr ist dass sie der Zielgruppe
angehoumlren oder zumindest eine sehr enge Verbindung zu ihr besitzen Im Zuge einer Maszlig-
nahme werden sie selbst gestaumlrkt sozusagen bdquoempowertldquo Ihre Mittlerfunktion funktioniert
allerdings auch in die andere Richtung Sie bringen den Durchfuumlhrenden die Perspektive der
Zielgruppe naumlher Im Idealfall fuumlhrt der Einsatz von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren
zur Aktivierung der Zielgruppe die ihr selbstbestimmtes Handeln auch auf andere Bereiche
ausdehnen kann (vgl Stickan-Verfuumlrth 2005 S 108) Diesem Modell sehr aumlhnlich ist das
Modell des Peer-Counseling Hier stehen Mitglieder der Zielgruppe in beratender Funktion
ihrer Peer-Gruppe zur Verfuumlgung
453 Verknuumlpfung von Betrieblicher Gesundheitsfoumlrderung und Gesundheitsfoumlrderung in
Werkstaumltten fuumlr behinderte Menschen
Eine Uumlbertragung der Idee der Betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung auf die Gesundheitsfoumlrde-
rung in WfbMs scheint in der Tat realisierbar Den rechtlichen und finanziellen Rahmen hier-
fuumlr hat das 2015 beschlossene Praumlventionsgesetz geschaffen (siehe 33) Im Entwurf der Bun-
desregierung wird in der Anmerkung zum neuen sect 20 Abs 4 SGB V explizit darauf hinge-
wiesen dass Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung auch in WfbMs zum Leistungsspektrum der
Krankenkassen gehoumlrt (vgl Deutscher Bundestag 2015 S 34) Eine Etablierung hiervon in
der Praxis haumlngt in erster Linie neben den Krankenkassen auch von den Leitungen der WfbMs
ab Sollten diese hierfuumlr und auch gegenuumlber partizipativen Strukturen offen sein waumlre der in
351 kurz vorgestellte Gesundheitszirkel ein passender Startpunkt um von Beginn an auch
die Partizipation der Beschaumlftigten zu gewaumlhrleisten Analog zum Konzept der BGF koumlnnten
gemeinsam Maszlignahmen erarbeitet werden die die Gesundheit der Beschaumlftigten foumlrdern wuumlr-
den Den Vertreterinnen und Vertretern der Beschaumlftigten die im Gesundheitszirkel mitwir-
ken koumlnnte dabei die Rolle von Peer-Multiplikatorinnen und -Multiplikatoren zukommen
Als Effekte duumlrften die in 351 beschriebenen auch hier zu erwarten sein eine Verbesserung
der Gesundheit und eine Staumlrkung der gesundheitlichen Ressourcen eine Verringerung der
krankheitsbedingten Fehltage eine staumlrkere Identifikation der Beschaumlftigten mit der Werk-
33
statt ein besseres Arbeitsklima eine houmlhere Motivation und Arbeitszufriedenheit und eine
Steigerung der Produktivitaumlt
Es empfiehlt sich im Sinne der Partizipation und des Empowerments kein reines top-down-
Programm zu starten sondern einen bottom-up-Ansatz zu waumlhlen bzw zumindest mehrere
Elemente dessen einzubauen Als Anknuumlpfungspunkt koumlnnen bereits bestehende begleitende
Maszlignahmen mit passender Thematik genommen werden
Wie bdquonormaleldquo Betriebe koumlnnten auch WfbMs Kooperationen in ihrem raumlumlichen Umfeld
aufbauen und von Vernetzungen profitieren Aufgrund ihrer Groumlszlige sind sie in ihrem Sozial-
raum ein meist nicht zu unterschaumltzender Akteur
34
5 Fazit und Ausblick
Ausgehend von einem bio-psycho-sozialen Verstaumlndnis von Gesundheit wurden verschiedene
Aspekte der Gesundheitsfoumlrderung vertieft und anschlieszligend eine Verknuumlpfung zur Gesund-
heitsfoumlrderung mit behinderten Menschen hergestellt Hierbei lag der Fokus auf gesundheits-
foumlrdernden Maszlignahmen in WfbMs Dabei wurde die aktuelle Literatur zu Rate gezogen In-
ternetauftritte einiger Werkstaumltten durchsucht und Stimmen aus dem Feld von Mitarbeiterin-
nen und Mitarbeitern sowie Beschaumlftigten von Werkstaumltten gewonnen
Die Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung ist noch immer relativ schwach
ausgebaut Dies stellt sich besonders vor dem Hintergrund als problematisch dass behinderte
Menschen haumlufig anfaumllliger fuumlr Krankheiten sind und durchschnittlich uumlber einen subjektiv als
schlechter bewerteten Gesundheitsstatus verfuumlgen als nichtbehinderte Menschen Wie viele
sozial benachteiligte Gruppen sind sie verhaumlltnismaumlszligig schwer zu erreichen fuumlr gesundheits-
foumlrdernde Maszlignahmen Obwohl es in der Erreichbarkeit mehrere Probleme gibt verfuumlgen
Menschen mit Behinderung auf der anderen Seite uumlber groszlige Potentiale Das neue Praumlventi-
onsgesetz ist ein erheblicher Fortschritt bei der Finanzierung gesundheitsfoumlrdernder Maszlignah-
men Sogar eine Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung in Werkstaumltten ist wenn auch nicht ex-
plizit verankert so doch zumindest gewuumlnscht
Gelingende Gesundheitsfoumlrderung muss sich im Allgemeinen und auch bei der Arbeit mit
behinderten Menschen an bestimmten Prinzipien messen lassen Besonders wichtig vor dem
gesellschaftlichen Hintergrund ist hier die Partizipation der Menschen mit Behinderung und
damit einhergehend das Empowerment dieser Beide wirken sich positiv auf die Qualitaumlt der
gesundheitsfoumlrdernden Maszlignahmen aus gehen jedoch auch daruumlber hinaus Sie koumlnnen Men-
schen mit Behinderungen auch auf gesellschaftlicher Ebene empowern sodass ihnen eine
groumlszligere gesellschaftliche Teilhabe zukommt Somit erlangt Gesundheitsfoumlrderung auch vor
dem Hintergrund der Inklusion eine hohe Relevanz
In WfbMs ist gezielte Gesundheitsfoumlrderung bisher wenig verbreitet Einzelne Projekte sind
eher die Ausnahme denn die Regel Jedoch sind die Potentiale der Werkstaumltten enorm Das
Personal scheint haumlufig offen fuumlr Maszlignahmen zu sein und gerade die Strukturen der beglei-
tenden Maszlignahmen lieszligen eine relativ einfache Integration von Maszlignahmen zur (betriebli-
chen) Gesundheitsfoumlrderung zu Bestehende begleitende Maszlignahmen in welchen Sport oder
Bildungsangebote zu gesunder Ernaumlhrung angeboten werden koumlnnten ohne uumlbermaumlszligigen
Aufwand zu gezielten Maszlignahmen fuumlr Gesundheitsfoumlrderung ausgebaut werden Nachholbe-
darf bestuumlnde hier vor allem auf dem Gebiet der Partizipation Nur selten scheinen die Be-
35
schaumlftigten in Konzeption Planung Durchfuumlhrung und Evaluation aktiv eingebunden zu sein
In bestimmten Phasen wie etwa der Konzeption und besonders der Evaluation scheint aktive
Teilhabe noch uumlberhaupt nicht verankert zu sein Eine staumlrkere Partizipation in allen Berei-
chen waumlre mit houmlherem Arbeits- und Kostenaufwand verbunden welcher durch eine Einbin-
dung der Krankenkassen moumlglicherweise aufgefangen werden koumlnnte Die Partizipation foumlr-
dern wuumlrde auch die Etablierung von Peer-Beratung und Peer-Multiplikatorinnen und
-Multiplikatoren Diesen kaumlme beim Zugang zur Zielgruppe eine Schluumlsselfunktion zu und
gleichzeitig koumlnnten sie Bedarfe und Beduumlrfnisse dieser gegenuumlber den anderen Akteuren
kommunizieren Auch wenn es bisher keine konkreten ausgearbeiteten Konzepte zur Gesund-
heitsfoumlrderung in WfbMs gibt koumlnnten bestehende Konzepte zur Betrieblichen Gesundheits-
foumlrderung eventuell leicht uumlberarbeitet fuumlr Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung in Werkstaumltten
analog angewendet werden
Die Potentiale und Moumlglichkeiten zur Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung
in WfbMs sind also mannigfaltig und haumlufig vorhanden Auf diesen koumlnnte aufgebaut werden
um behinderten Menschen das Recht auf das in Artikel 25 der UN-BRK festgeschriebene bdquoer-
reichbare Houmlchstmaszlig an Gesundheitldquo zu ermoumlglichen
Gesundheitsfoumlrderung ist mehr als Werbeplakate an Bus- oder Straszligenbahnhaltestellen und
Clips im Aktuellen Sportstudio sie ist mehr als Sportangebote und Angebote zu gesunder
Ernaumlhrung sie ist auch ein Weg zum Erreichen eines Menschenrechtes das Recht auf Ge-
sundheit
36
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41
Anhang
Nr 1 Abbildung zu den Hauptdeterminanten der Gesundheit nach DahlgreenWhitehead
2007 S 11
Nr 2 Befragung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Beschaumlftigten der WfbMs
42
Nr 1 Abbildung zu den Hauptdeterminanten der Gesundheit nach DahlgreenWhitehead
2007 S 11
43
Nr 2 Befragung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Beschaumlftigten der WfbMs
Um moumlglichst effizient die Stimmen aus vier WfbMs unterschiedlicher Traumlger zu erheben
wurden diese auf dem Infotag der LAG WfbM Berlin am 17112015 gesammelt Hier waren
verschiedene Werkstaumltten mit Informationsstaumlnden vertreten Gewaumlhlt wurden die Werkstaumlt-
ten an deren Staumlnden der Verfasser zuerst vorbeilief Die gestellten Fragen waren stets die-
selben
Den Vertretern der Werkstatt wurde zugesichert dass ihr Name nicht in der vorliegenden Ar-
beit genannt wird lediglich ihre Position in der Werkstatt wird erwaumlhnt Es wurden auszligerdem
keine weiteren Personendaten erhoben
Wenn moumlglich sollten auszligerdem fuumlnf Beschaumlftige pro WfbM befragt werden Hierfuumlr wurde
am Ende des kurzen Interviews um Erlaubnis gefragt Den Beschaumlftigten wurden andere Fra-
gen gestellt als dem Werkstattpersonal jedoch erhielten alle Beschaumlftigten dieselben Fragen
untereinander Den Beschaumlftigen wurde komplette Anonymitaumlt in der vorliegenden Arbeit
zugesichert und es wurden keine personenbezogenen Daten abgefragt Zuerst wurde nach
ihrem Verstaumlndnis von Gesundheitsfoumlrderung gefragt Vor den Fragen 2 bis 5 wurde kurz
erklaumlrt wie Gesundheitsfoumlrderung verstanden werden kann um davon ausgehend die restli-
chen Fragen zu beantworten
Bei saumlmtlichen Interviews wurde auf Transkriptionen verzichtet es wurden lediglich die
Kernaussagen mitgeschrieben
Im Folgenden finden sich exemplarisch die jeweils gestellten Fragen
44
Fragen an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der WfbM
Name der WfbM
Position der befragten Person Begleitender Dienst
1 Was verstehen Sie unter Gesundheitsfoumlrderung
2 Was bieten Sie im Rahmen der Gesundheitsfoumlrderung an
3 Wie werden die Maszlignahmen angenommen
4 Wuumlrden Sie gerne mehr anbieten oder finden Sie die Angebote ausreichend
5 Gibt es Schwierigkeiten
6 Wie steht es um die Partizipation in den Angeboten (Werden die Angebote von Beschaumlf-
tigten mitentwickelt mitevaluiert etc)
7 Werden die Angebote evaluiert
45
Fragen an die Beschaumlftigen der WfbM
Name der WfbM
Datum
1 Wissen Sie was Gesundheitsfoumlrderung ist Wenn ja wie wuumlrden sie es beschreiben
[Moumlgliche Erklaumlrung fuumlr Beschaumlftigte die sich nichts unter Gesundheitsfoumlrderung vorstellen
koumlnnen Zur Gesundheitsfoumlrderung gehoumlrt alles was fuumlr Ihre Gesundheit gut ist zB Kur-
seMaszlignahmen usw die mit Bewegung Ernaumlhrung Wohlfuumlhlen am Arbeitsplatz oder Ent-
spannen zu tun haben]
2 Welche Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung werden Ihnen von der Werkstatt angebo-
ten
3 Werden Ihrer Meinung nach genuumlgend Angebote zur Gesundheitsfoumlrderung in der Werk-
statt angeboten
4 Duumlrfen Sie bei der Entwicklung und Evaluation (Auswertung am Ende) mitbestimmen
5 Was sind Ihre Wuumlnsche bezuumlglich der Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung
27
442 Konzepte und Leitbilder von Einrichtungen der Praxis
Betrachtet werden vier verschiedene WfbMs und ihre Leitbilder Es handelt sich um die vier
Werkstaumltten von denen auch im Rahmen der Feldbefragung Stimmen einer Mitarbeiterin oder
eines Mitarbeiters und zT von Beschaumlftigten gewonnen werden konnten (siehe 443 und
Anhang Nr 2)
Aufgrund der jeweiligen Traumlgerstrukturen besitzt lediglich eine der Werkstaumltten15
als solche
ein eigenes Leitbild Bei den anderen drei Werkstaumltten muss auf das Leitbild des jeweiligen
Traumlgers zuruumlckgegriffen werden Das Thema der Gesundheit der Klientinnen und Klienten
bzw Werkstattbeschaumlftigten wird allerdings in keinem Leitbild thematisiert Auch die Such-
funktionen auf den jeweiligen Homepages bzw intensive Recherchen auf diesen brachten
keine Ergebnisse zum Stichwort bdquoGesundheitsfoumlrderungldquo Daraus laumlsst sich schlieszligen dass
Gesundheitsfoumlrderung der Werkstattbeschaumlftigten in den theoretischen Konzeptionen von
WfbMs meist nicht verankert ist
443 Gesundheitsfoumlrderung in der alltaumlglichen Praxis der Werkstaumltten ndash eine kleine Feldbe-
fragung
Im Rahmen des Informationstages der Berliner Landesarbeitsgemeinschaft Werkstaumltten fuumlr
behinderte Menschen eV (LAG WfbM) am 17112015 im Estrel Hotel Berlin wurden je-
weils eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter von vier verschiedenen WfbMs zum Thema Ge-
sundheitsfoumlrderung mit den Beschaumlftigten in der Werkstatt befragt (siehe Anhang Nr 2) Die
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben alle eine vergleichbare Position Begleitender Dienst
Paumldagogischer Dienst oder Sozialdienst In einer der Werkstaumltten konnten uumlberdies auch
Stimmen von Beschaumlftigten gewonnen werden16
Die Ergebnisse weisen keine empirische
Repraumlsentativitaumlt auf da der knappe Rahmen dieser Arbeit eine repraumlsentative empirische
Forschungsarbeit kaum zulaumlsst Die Befragungen sollen dazu dienen einen Einblick in den
Alltag der WfbMs zu ermoumlglichen und die in der Literatur und den Leibildern gewonnenen
Perspektiven zu erweitern
15
Aus Gruumlnden des Datenschutzes duumlrfen in der hier publizierten Version die Namen der Werkstaumltten nicht
genannt werden 16
In zwei der Werkstaumltten konnten keine Stimmen von Beschaumlftigten erhoben werden da eine Befragung in der
Werkstatt von den befragten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern abgelehnt wurde Der Mitarbeiter der dritten
Werkstatt signalisierte zwar waumlhrend der Befragung Zustimmung jedoch fehlte diese spaumlter von Seiten der Lei-
tung
28
Der Begriff bdquoGesundheitsfoumlrderungldquo wird von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sehr
unterschiedlich interpretiert Die Spannbreite liegt von einem Verstaumlndnis aumlhnlich des hier
dargelegten bis hin zu therapeutischer und rehabilitativer Foumlrderung Die angebotenen Maszlig-
nahmen welche einer Foumlrderung der Gesundheit dienen sollen sind jedoch bei allen aumlhnlich
Meist handelt es sich um Musik- Sport- und Bewegungsangebote die im Rahmen von sog
Begleitenden Maszlignahmen verankert sind Daruumlber hinaus werden auch entlastende Bewegun-
gen in den Arbeitsgruppen angeboten und ein Gesundheitstag in Kooperation mit Special
Olympics Deutschland geplant (eine Werkstatt) Eine andere Werkstatt kooperiert mit der
Fitnessstudiokette Fitness First Kurse zu gesunder Ernaumlhrung und Kochen werden teilweise
angeboten oder sind in Planung Nach Aussagen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden
die Maszlignahmen meist gut angenommen In einer Werkstatt wird sogar gemeinsam mit dem
Werkstattrat an einer Peer-Beratung gearbeitet mit der den Beschaumlftigten der Zugang zu den
Themen Bildung und Gesundheit verbessert werden soll Schwierigkeiten bestehen besonders
bzgl der Raumlume zB bei Turnhallen fuumlr Fuszligball
Eine Partizipation bei der Entwicklung von Angeboten ist nur teilweise gegeben Es wird
zwar in allen befragten Werkstaumltten nach Interessen der Beschaumlftigten gefragt und dement-
sprechend die Kurse angeboten jedoch besteht nur selten die Moumlglichkeit fuumlr die Beschaumlftig-
ten aktiv den jeweiligen Kurs durch eigene Entscheidungen mitzugestalten In einer Werk-
statt ist das bspw abhaumlngig von der Kursart von der Kursleiterin bzw dem Kursleiter und
vom Konzept Evaluiert werden die Angebote meist nur durch Nachfrage in den idR jaumlhr-
lich stattfindenden Entwicklungsgespraumlchen mit den einzelnen Beschaumlftigten und teilweise
daruumlber hinaus mit Fragebogen oder durch die Kursleiterin bzw den Kursleiter Eine Werk-
statt fuumlhrt sogar Statistiken zur Nachfrage Eine partizipative Evaluation findet in keiner der
befragten Werkstaumltten statt
Die befragten Beschaumlftigten einer der Werkstaumltten zeigten sich mit dem Angebot an gesund-
heitsfoumlrdernden Maszlignahmen groumlszligtenteils sehr zufrieden und empfanden die Anzahl der An-
gebote als meist genuumlgend Geaumluszligert wurde lediglich der Wunsch nach weiteren Angeboten
zu gesunder Ernaumlhrung und nach einem besseren Angebot an gesunden Speisen Das Ver-
staumlndnis von Gesundheitsfoumlrderung ist unterschiedlich Auffaumlllig ist dass auf der einen Seite
Aumlrzte und Besuche bei diesen wichtig scheinen gleichzeitig aber auch das Achten auf die
eigene Gesundheit als Teil der Gesundheitsfoumlrderung gilt Besonders letzterer Aspekt weist
darauf hin dass bei den Befragten ein gewisses Grundverstaumlndnis von Gesundheitsfoumlrderung
vorhanden ist das dem in dieser Arbeit verwendeten aumlhnelt Die Wichtigkeit der aumlrztlichen
29
Betreuung laumlsst jedoch zugleich auch auf ein eher bdquotraditionellesldquo bio-medizinisches Gesund-
heitsverstaumlndnis schlieszligen
Als angebotene Maszlignahmen werden meist Sport- und Bewegungsangebote genannt aber
auch eine Apfelpause um kurz von der Arbeit entspannen zu koumlnnen Daruumlber hinaus gab es
Angebote zur Fuszlighygiene und zur Zahn- und Augengesundheit Hier ist der Uumlbergang zwi-
schen Gesundheitsfoumlrderung und Praumlvention flieszligend Bzgl (zukuumlnftiger) Angebote werden
die Beschaumlftigten nach ihren Wuumlnschen gefragt aber eine wirkliche Mitbestimmung in Kon-
zeption und Planung dieser scheint nicht gegeben Auch bei der Evaluation findet bisher keine
Partizipation statt Die Befragung hat jedoch den bisherigen Eindruck bestaumltigt dass gesund-
heitsfoumlrdernde Maszlignahmen in WfbMs von behinderten Menschen durchaus nachgefragt wer-
den und die Werkstaumltten versucht sind im Rahmen der begleitenden Maszlignahmen ein sehr
breites Feld abzudecken Negativ scheint besonders das weitgehende Fehlen partizipativer
Strukturen
In den Werkstaumltten werden viele Angebote im Rahmen begleitender Maszlignahmen offeriert die
fuumlr die Gesundheit foumlrderlich sind Als Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung die die Prinzi-
pien der BVPG verinnerlichen koumlnnen sie jedoch nicht gesehen werden da zB die Partizipa-
tion eine eher untergeordnete Rolle spielt und die Thematik meist auf Sport- und zT Ernaumlh-
rungsangebote beschraumlnkt bleibt Auch werden die Effekte der Maszlignahmen nicht evaluiert
Entspannungsangebote werden nur selten angeboten und der Fokus richtet sich meist nur auf
die koumlrperliche Gesundheit
Daruumlber hinaus zeigt die Befragung aber auch welch groszliges Potential zur Gesundheitsfoumlrde-
rung in den Werkstaumltten liegt Mit den begleitenden Maszlignahmen sind Strukturen verankert in
denen Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung leicht integriert werden koumlnnen Offenheit fuumlr
Kooperationen scheint vielfach gegeben (zB mit Special Olympics Deutschland Fitness
First) sodass auch eine Kooperation mit den Krankenkassen und weiteren Partnern vorstell-
bar scheint Dies wuumlrde den Vorteil finanzieller Foumlrderung und Expertise durch Erfahrungen
mit bereits durchgefuumlhrten Maszlignahmen einbringen Die befragten Mitarbeiterinnen und Mit-
arbeiter schienen Gesundheitsfoumlrderung gegenuumlber prinzipiell sehr positiv eingestellt
Auch wenn in den Leitbildern und auf den Homepages Gesundheitsfoumlrderung nicht themati-
siert wird gibt es in der Praxis schon verschiedene Maszlignahmen und Projekte mit der Intenti-
on die Gesundheit der Beschaumlftigten zu verbessern
30
45 Anregungen fuumlr die Praxis
Vor dem Hintergrund der zu Rate gezogenen Literatur und den gewonnen Erkenntnissen
durch die Feldbefragung werden nun einige Uumlberlegungen fuumlr die Praxis einer gelingenden
Gesundheitsfoumlrderung getroffen Diese koumlnnen als moumlgliche Anregungen zur Umsetzung ver-
standen werden
451 Partizipation und Empowerment in der Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behin-
derung
Erfolgreiche Gesundheitsfoumlrderung braucht Partizipationsmoumlglichkeiten fuumlr die jeweilige
Zielgruppe Partizipation ist schlieszliglich nicht nur Teilnahme sondern aktive Teilhabe und
damit einhergehend die Moumlglichkeit mitzubestimmen und mitzuentscheiden Dazu gehoumlrt
auch die Definitionsmacht also die Macht (mit)zubestimmen an welche die Gesundheit be-
treffenden Aspekte in einer Maszlignahme zur Gesundheitsfoumlrderung herangegangen werden soll
(vgl Wrightvon UngerBlock 2010 S 39) Diese aktive Teilhabe muss also bereits zu Be-
ginn einer Maszlignahme Teil dieser sein Partizipation bedeutet folglich auch Macht Partizipa-
tion zu ermoumlglichen bedeutet Empowerment also die Ermaumlchtigung eines Individuums oder
einer Gruppe So bekommt Partizipation in der Gesundheitsfoumlrderung auch eine gesellschaft-
liche und politische Komponente denn dadurch koumlnnen Menschen mit Behinderungen lernen
mitzubestimmen mitzuentscheiden und eigene Interessen zu vertreten Diese erlernten Faumlhig-
keiten lassen sich auf die Handlungsebene in einer demokratischen Gesellschaft uumlbertragen
Sowohl Empowerment als auch Partizipation gehoumlren zu den in 31 erwaumlhnten Prinzipien der
BVPG Diese weist darauf hin dass Partizipation in saumlmtlichen Phasen einer Maszlignahme ge-
geben sein muss beginnend mit der Bedarfsanalyse der Planung in der Durchfuumlhrung und
abschlieszligend in der BewertungEvaluation So kann die Wirksamkeit einer Maszlignahme erhoumlht
werden (vgl BVPG 2013 S 90) Teilhabe kann als ein wichtiger Bestandteil der Qualitaumltssi-
cherung gesehen werden Bisher finden Maszlignahmen zur Qualitaumltssicherung nur selten unter
Partizipation der Zielgruppe statt Diese partizipativ zu beteiligen hilft die Qualitaumlt der Ge-
sundheitsfoumlrderung aufrechtzuerhalten oder sogar zu verbessern (vgl Wrightvon Un-
gerBlock 2010 S 35)
Teilhabe ist bei behinderten Menschen besonders wichtig Ihr Leben ist haumlufig von Beginn an
stark fremdbestimmt und von Abhaumlngigkeit gepraumlgt Somit lernen sie seltener als nicht behin-
31
derte Menschen Verantwortung zu uumlbernehmen und selbststaumlndig zu agieren Dies kann bis
hin zur sog bdquoerlernten Hilflosigkeitldquo fuumlhren Vor diesem Hintergrund scheint Partizipation
umso wichtiger aber auch umso arbeitsintensiver Sie ist daher in der Praxis der Gesundheits-
foumlrderung haumlufig sehr arbeitsintensiv und benoumltigt folglich zeitliche Ressourcen und damit
einhergehend finanzielle Ressourcen (vgl Loss 2009 S 10)
Traditionell sind viele Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung top-down organisiert das be-
deutet eine Einrichtung ein Geldgeber etc plant eine Maszlignahme fuumlhrt diese durch und eva-
luiert sie Zur Erreichung der eigenen Ziele wird die Zielgruppe mobilisiert ohne ein Mitspra-
cherecht zu den einzelnen Bausteinen der Maszlignahme zu haben Diese Struktur verdeutlicht
das Maumlchteungleichwicht zwischen Anbieter und Zielgruppe und zementiert den Status be-
hinderter Menschen als Abhaumlngige und Ohnmaumlchtige Der Gegensatz zu top-down-
Programmen ist der bottom-up-Ansatz Hier findet eine Machtteilung statt da die Gesund-
heitsfoumlrderinnen und Gesundheitsfoumlrderer ihre Macht mit der Zielgruppe teilen und eher die
Rolle von Unterstuumltzerinnen und Unterstuumltzern einnehmen Die Zielgruppe soll unterstuumltzt
werden ihre eigenen Probleme festzustellen und Loumlsungen sowie Maszlignahmen zu erarbeiten
In der Planung Durchfuumlhrung und Evaluation kommt ihr damit eine aktive Rolle zu (vgl La-
verack 2010 S 77) Bottom-up-Programme scheinen daher fuumlr Partizipation und Empower-
ment geeigneter als top-down-Strukturen Allerdings schlieszligen sich beide Ansaumltze nicht
zwingend aus sondern Maszlignahmen koumlnnen Eigenschaften beider Ansaumltze aufweisen In
WfbMs scheinen Maszlignahmen sehr haumlufig top-down organisiert zu sein Die staumlrkere Veranke-
rung von bottom-up-Strukturen waumlre hier im Sinne einer Teilhabe ndash in der Werkstatt wie auch
daruumlber hinaus auf gesellschaftlicher Ebene ndash vorteilhaft und wuumlnschenswert
452 Peer-Multiplikatorinnen und -Multiplikatoren
Eine Strategie die in der Praxis der Gesundheitsfoumlrderung bereits mit positiven Ergebnissen
getestet wurde sind Peer-Multiplikatorinnen und -Multiplikatoren Das Modell der Multipli-
katorinnen und Multiplikatoren war bereits Grundlage vieler gesundheitsfoumlrdernder Maszlignah-
men mit sozial benachteiligten Menschen die auch in der Literatur vielfach dokumentiert
sind Auch in der Arbeit mit behinderten Menschen ist dieses Konzept nicht neu Auf Maszlig-
nahmen zur Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung wurde es bisher kaum an-
gewandt scheint jedoch erfolgsversprechend Das Projekt GESUND welches mit einer Ber-
liner WfbM durchgefuumlhrt wird arbeitet mit diesem Konzept (vgl Burtscher 2014 S 8) Die
32
Funktion von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren besteht darin Kenntnisse und Informa-
tionen zur Gesundheit(-sfoumlrderung) der Zielgruppe mit Hilfe der ihnen innewohnenden Ver-
trauensstellung naumlher zu bringen Sie haben daher eine bdquoMittlerfunktionldquo (BVPG 2013 S 92)
zwischen Durchfuumlhrenden und Zielgruppe Voraussetzung dafuumlr ist dass sie der Zielgruppe
angehoumlren oder zumindest eine sehr enge Verbindung zu ihr besitzen Im Zuge einer Maszlig-
nahme werden sie selbst gestaumlrkt sozusagen bdquoempowertldquo Ihre Mittlerfunktion funktioniert
allerdings auch in die andere Richtung Sie bringen den Durchfuumlhrenden die Perspektive der
Zielgruppe naumlher Im Idealfall fuumlhrt der Einsatz von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren
zur Aktivierung der Zielgruppe die ihr selbstbestimmtes Handeln auch auf andere Bereiche
ausdehnen kann (vgl Stickan-Verfuumlrth 2005 S 108) Diesem Modell sehr aumlhnlich ist das
Modell des Peer-Counseling Hier stehen Mitglieder der Zielgruppe in beratender Funktion
ihrer Peer-Gruppe zur Verfuumlgung
453 Verknuumlpfung von Betrieblicher Gesundheitsfoumlrderung und Gesundheitsfoumlrderung in
Werkstaumltten fuumlr behinderte Menschen
Eine Uumlbertragung der Idee der Betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung auf die Gesundheitsfoumlrde-
rung in WfbMs scheint in der Tat realisierbar Den rechtlichen und finanziellen Rahmen hier-
fuumlr hat das 2015 beschlossene Praumlventionsgesetz geschaffen (siehe 33) Im Entwurf der Bun-
desregierung wird in der Anmerkung zum neuen sect 20 Abs 4 SGB V explizit darauf hinge-
wiesen dass Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung auch in WfbMs zum Leistungsspektrum der
Krankenkassen gehoumlrt (vgl Deutscher Bundestag 2015 S 34) Eine Etablierung hiervon in
der Praxis haumlngt in erster Linie neben den Krankenkassen auch von den Leitungen der WfbMs
ab Sollten diese hierfuumlr und auch gegenuumlber partizipativen Strukturen offen sein waumlre der in
351 kurz vorgestellte Gesundheitszirkel ein passender Startpunkt um von Beginn an auch
die Partizipation der Beschaumlftigten zu gewaumlhrleisten Analog zum Konzept der BGF koumlnnten
gemeinsam Maszlignahmen erarbeitet werden die die Gesundheit der Beschaumlftigten foumlrdern wuumlr-
den Den Vertreterinnen und Vertretern der Beschaumlftigten die im Gesundheitszirkel mitwir-
ken koumlnnte dabei die Rolle von Peer-Multiplikatorinnen und -Multiplikatoren zukommen
Als Effekte duumlrften die in 351 beschriebenen auch hier zu erwarten sein eine Verbesserung
der Gesundheit und eine Staumlrkung der gesundheitlichen Ressourcen eine Verringerung der
krankheitsbedingten Fehltage eine staumlrkere Identifikation der Beschaumlftigten mit der Werk-
33
statt ein besseres Arbeitsklima eine houmlhere Motivation und Arbeitszufriedenheit und eine
Steigerung der Produktivitaumlt
Es empfiehlt sich im Sinne der Partizipation und des Empowerments kein reines top-down-
Programm zu starten sondern einen bottom-up-Ansatz zu waumlhlen bzw zumindest mehrere
Elemente dessen einzubauen Als Anknuumlpfungspunkt koumlnnen bereits bestehende begleitende
Maszlignahmen mit passender Thematik genommen werden
Wie bdquonormaleldquo Betriebe koumlnnten auch WfbMs Kooperationen in ihrem raumlumlichen Umfeld
aufbauen und von Vernetzungen profitieren Aufgrund ihrer Groumlszlige sind sie in ihrem Sozial-
raum ein meist nicht zu unterschaumltzender Akteur
34
5 Fazit und Ausblick
Ausgehend von einem bio-psycho-sozialen Verstaumlndnis von Gesundheit wurden verschiedene
Aspekte der Gesundheitsfoumlrderung vertieft und anschlieszligend eine Verknuumlpfung zur Gesund-
heitsfoumlrderung mit behinderten Menschen hergestellt Hierbei lag der Fokus auf gesundheits-
foumlrdernden Maszlignahmen in WfbMs Dabei wurde die aktuelle Literatur zu Rate gezogen In-
ternetauftritte einiger Werkstaumltten durchsucht und Stimmen aus dem Feld von Mitarbeiterin-
nen und Mitarbeitern sowie Beschaumlftigten von Werkstaumltten gewonnen
Die Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung ist noch immer relativ schwach
ausgebaut Dies stellt sich besonders vor dem Hintergrund als problematisch dass behinderte
Menschen haumlufig anfaumllliger fuumlr Krankheiten sind und durchschnittlich uumlber einen subjektiv als
schlechter bewerteten Gesundheitsstatus verfuumlgen als nichtbehinderte Menschen Wie viele
sozial benachteiligte Gruppen sind sie verhaumlltnismaumlszligig schwer zu erreichen fuumlr gesundheits-
foumlrdernde Maszlignahmen Obwohl es in der Erreichbarkeit mehrere Probleme gibt verfuumlgen
Menschen mit Behinderung auf der anderen Seite uumlber groszlige Potentiale Das neue Praumlventi-
onsgesetz ist ein erheblicher Fortschritt bei der Finanzierung gesundheitsfoumlrdernder Maszlignah-
men Sogar eine Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung in Werkstaumltten ist wenn auch nicht ex-
plizit verankert so doch zumindest gewuumlnscht
Gelingende Gesundheitsfoumlrderung muss sich im Allgemeinen und auch bei der Arbeit mit
behinderten Menschen an bestimmten Prinzipien messen lassen Besonders wichtig vor dem
gesellschaftlichen Hintergrund ist hier die Partizipation der Menschen mit Behinderung und
damit einhergehend das Empowerment dieser Beide wirken sich positiv auf die Qualitaumlt der
gesundheitsfoumlrdernden Maszlignahmen aus gehen jedoch auch daruumlber hinaus Sie koumlnnen Men-
schen mit Behinderungen auch auf gesellschaftlicher Ebene empowern sodass ihnen eine
groumlszligere gesellschaftliche Teilhabe zukommt Somit erlangt Gesundheitsfoumlrderung auch vor
dem Hintergrund der Inklusion eine hohe Relevanz
In WfbMs ist gezielte Gesundheitsfoumlrderung bisher wenig verbreitet Einzelne Projekte sind
eher die Ausnahme denn die Regel Jedoch sind die Potentiale der Werkstaumltten enorm Das
Personal scheint haumlufig offen fuumlr Maszlignahmen zu sein und gerade die Strukturen der beglei-
tenden Maszlignahmen lieszligen eine relativ einfache Integration von Maszlignahmen zur (betriebli-
chen) Gesundheitsfoumlrderung zu Bestehende begleitende Maszlignahmen in welchen Sport oder
Bildungsangebote zu gesunder Ernaumlhrung angeboten werden koumlnnten ohne uumlbermaumlszligigen
Aufwand zu gezielten Maszlignahmen fuumlr Gesundheitsfoumlrderung ausgebaut werden Nachholbe-
darf bestuumlnde hier vor allem auf dem Gebiet der Partizipation Nur selten scheinen die Be-
35
schaumlftigten in Konzeption Planung Durchfuumlhrung und Evaluation aktiv eingebunden zu sein
In bestimmten Phasen wie etwa der Konzeption und besonders der Evaluation scheint aktive
Teilhabe noch uumlberhaupt nicht verankert zu sein Eine staumlrkere Partizipation in allen Berei-
chen waumlre mit houmlherem Arbeits- und Kostenaufwand verbunden welcher durch eine Einbin-
dung der Krankenkassen moumlglicherweise aufgefangen werden koumlnnte Die Partizipation foumlr-
dern wuumlrde auch die Etablierung von Peer-Beratung und Peer-Multiplikatorinnen und
-Multiplikatoren Diesen kaumlme beim Zugang zur Zielgruppe eine Schluumlsselfunktion zu und
gleichzeitig koumlnnten sie Bedarfe und Beduumlrfnisse dieser gegenuumlber den anderen Akteuren
kommunizieren Auch wenn es bisher keine konkreten ausgearbeiteten Konzepte zur Gesund-
heitsfoumlrderung in WfbMs gibt koumlnnten bestehende Konzepte zur Betrieblichen Gesundheits-
foumlrderung eventuell leicht uumlberarbeitet fuumlr Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung in Werkstaumltten
analog angewendet werden
Die Potentiale und Moumlglichkeiten zur Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung
in WfbMs sind also mannigfaltig und haumlufig vorhanden Auf diesen koumlnnte aufgebaut werden
um behinderten Menschen das Recht auf das in Artikel 25 der UN-BRK festgeschriebene bdquoer-
reichbare Houmlchstmaszlig an Gesundheitldquo zu ermoumlglichen
Gesundheitsfoumlrderung ist mehr als Werbeplakate an Bus- oder Straszligenbahnhaltestellen und
Clips im Aktuellen Sportstudio sie ist mehr als Sportangebote und Angebote zu gesunder
Ernaumlhrung sie ist auch ein Weg zum Erreichen eines Menschenrechtes das Recht auf Ge-
sundheit
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41
Anhang
Nr 1 Abbildung zu den Hauptdeterminanten der Gesundheit nach DahlgreenWhitehead
2007 S 11
Nr 2 Befragung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Beschaumlftigten der WfbMs
42
Nr 1 Abbildung zu den Hauptdeterminanten der Gesundheit nach DahlgreenWhitehead
2007 S 11
43
Nr 2 Befragung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Beschaumlftigten der WfbMs
Um moumlglichst effizient die Stimmen aus vier WfbMs unterschiedlicher Traumlger zu erheben
wurden diese auf dem Infotag der LAG WfbM Berlin am 17112015 gesammelt Hier waren
verschiedene Werkstaumltten mit Informationsstaumlnden vertreten Gewaumlhlt wurden die Werkstaumlt-
ten an deren Staumlnden der Verfasser zuerst vorbeilief Die gestellten Fragen waren stets die-
selben
Den Vertretern der Werkstatt wurde zugesichert dass ihr Name nicht in der vorliegenden Ar-
beit genannt wird lediglich ihre Position in der Werkstatt wird erwaumlhnt Es wurden auszligerdem
keine weiteren Personendaten erhoben
Wenn moumlglich sollten auszligerdem fuumlnf Beschaumlftige pro WfbM befragt werden Hierfuumlr wurde
am Ende des kurzen Interviews um Erlaubnis gefragt Den Beschaumlftigten wurden andere Fra-
gen gestellt als dem Werkstattpersonal jedoch erhielten alle Beschaumlftigten dieselben Fragen
untereinander Den Beschaumlftigen wurde komplette Anonymitaumlt in der vorliegenden Arbeit
zugesichert und es wurden keine personenbezogenen Daten abgefragt Zuerst wurde nach
ihrem Verstaumlndnis von Gesundheitsfoumlrderung gefragt Vor den Fragen 2 bis 5 wurde kurz
erklaumlrt wie Gesundheitsfoumlrderung verstanden werden kann um davon ausgehend die restli-
chen Fragen zu beantworten
Bei saumlmtlichen Interviews wurde auf Transkriptionen verzichtet es wurden lediglich die
Kernaussagen mitgeschrieben
Im Folgenden finden sich exemplarisch die jeweils gestellten Fragen
44
Fragen an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der WfbM
Name der WfbM
Position der befragten Person Begleitender Dienst
1 Was verstehen Sie unter Gesundheitsfoumlrderung
2 Was bieten Sie im Rahmen der Gesundheitsfoumlrderung an
3 Wie werden die Maszlignahmen angenommen
4 Wuumlrden Sie gerne mehr anbieten oder finden Sie die Angebote ausreichend
5 Gibt es Schwierigkeiten
6 Wie steht es um die Partizipation in den Angeboten (Werden die Angebote von Beschaumlf-
tigten mitentwickelt mitevaluiert etc)
7 Werden die Angebote evaluiert
45
Fragen an die Beschaumlftigen der WfbM
Name der WfbM
Datum
1 Wissen Sie was Gesundheitsfoumlrderung ist Wenn ja wie wuumlrden sie es beschreiben
[Moumlgliche Erklaumlrung fuumlr Beschaumlftigte die sich nichts unter Gesundheitsfoumlrderung vorstellen
koumlnnen Zur Gesundheitsfoumlrderung gehoumlrt alles was fuumlr Ihre Gesundheit gut ist zB Kur-
seMaszlignahmen usw die mit Bewegung Ernaumlhrung Wohlfuumlhlen am Arbeitsplatz oder Ent-
spannen zu tun haben]
2 Welche Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung werden Ihnen von der Werkstatt angebo-
ten
3 Werden Ihrer Meinung nach genuumlgend Angebote zur Gesundheitsfoumlrderung in der Werk-
statt angeboten
4 Duumlrfen Sie bei der Entwicklung und Evaluation (Auswertung am Ende) mitbestimmen
5 Was sind Ihre Wuumlnsche bezuumlglich der Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung
28
Der Begriff bdquoGesundheitsfoumlrderungldquo wird von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sehr
unterschiedlich interpretiert Die Spannbreite liegt von einem Verstaumlndnis aumlhnlich des hier
dargelegten bis hin zu therapeutischer und rehabilitativer Foumlrderung Die angebotenen Maszlig-
nahmen welche einer Foumlrderung der Gesundheit dienen sollen sind jedoch bei allen aumlhnlich
Meist handelt es sich um Musik- Sport- und Bewegungsangebote die im Rahmen von sog
Begleitenden Maszlignahmen verankert sind Daruumlber hinaus werden auch entlastende Bewegun-
gen in den Arbeitsgruppen angeboten und ein Gesundheitstag in Kooperation mit Special
Olympics Deutschland geplant (eine Werkstatt) Eine andere Werkstatt kooperiert mit der
Fitnessstudiokette Fitness First Kurse zu gesunder Ernaumlhrung und Kochen werden teilweise
angeboten oder sind in Planung Nach Aussagen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden
die Maszlignahmen meist gut angenommen In einer Werkstatt wird sogar gemeinsam mit dem
Werkstattrat an einer Peer-Beratung gearbeitet mit der den Beschaumlftigten der Zugang zu den
Themen Bildung und Gesundheit verbessert werden soll Schwierigkeiten bestehen besonders
bzgl der Raumlume zB bei Turnhallen fuumlr Fuszligball
Eine Partizipation bei der Entwicklung von Angeboten ist nur teilweise gegeben Es wird
zwar in allen befragten Werkstaumltten nach Interessen der Beschaumlftigten gefragt und dement-
sprechend die Kurse angeboten jedoch besteht nur selten die Moumlglichkeit fuumlr die Beschaumlftig-
ten aktiv den jeweiligen Kurs durch eigene Entscheidungen mitzugestalten In einer Werk-
statt ist das bspw abhaumlngig von der Kursart von der Kursleiterin bzw dem Kursleiter und
vom Konzept Evaluiert werden die Angebote meist nur durch Nachfrage in den idR jaumlhr-
lich stattfindenden Entwicklungsgespraumlchen mit den einzelnen Beschaumlftigten und teilweise
daruumlber hinaus mit Fragebogen oder durch die Kursleiterin bzw den Kursleiter Eine Werk-
statt fuumlhrt sogar Statistiken zur Nachfrage Eine partizipative Evaluation findet in keiner der
befragten Werkstaumltten statt
Die befragten Beschaumlftigten einer der Werkstaumltten zeigten sich mit dem Angebot an gesund-
heitsfoumlrdernden Maszlignahmen groumlszligtenteils sehr zufrieden und empfanden die Anzahl der An-
gebote als meist genuumlgend Geaumluszligert wurde lediglich der Wunsch nach weiteren Angeboten
zu gesunder Ernaumlhrung und nach einem besseren Angebot an gesunden Speisen Das Ver-
staumlndnis von Gesundheitsfoumlrderung ist unterschiedlich Auffaumlllig ist dass auf der einen Seite
Aumlrzte und Besuche bei diesen wichtig scheinen gleichzeitig aber auch das Achten auf die
eigene Gesundheit als Teil der Gesundheitsfoumlrderung gilt Besonders letzterer Aspekt weist
darauf hin dass bei den Befragten ein gewisses Grundverstaumlndnis von Gesundheitsfoumlrderung
vorhanden ist das dem in dieser Arbeit verwendeten aumlhnelt Die Wichtigkeit der aumlrztlichen
29
Betreuung laumlsst jedoch zugleich auch auf ein eher bdquotraditionellesldquo bio-medizinisches Gesund-
heitsverstaumlndnis schlieszligen
Als angebotene Maszlignahmen werden meist Sport- und Bewegungsangebote genannt aber
auch eine Apfelpause um kurz von der Arbeit entspannen zu koumlnnen Daruumlber hinaus gab es
Angebote zur Fuszlighygiene und zur Zahn- und Augengesundheit Hier ist der Uumlbergang zwi-
schen Gesundheitsfoumlrderung und Praumlvention flieszligend Bzgl (zukuumlnftiger) Angebote werden
die Beschaumlftigten nach ihren Wuumlnschen gefragt aber eine wirkliche Mitbestimmung in Kon-
zeption und Planung dieser scheint nicht gegeben Auch bei der Evaluation findet bisher keine
Partizipation statt Die Befragung hat jedoch den bisherigen Eindruck bestaumltigt dass gesund-
heitsfoumlrdernde Maszlignahmen in WfbMs von behinderten Menschen durchaus nachgefragt wer-
den und die Werkstaumltten versucht sind im Rahmen der begleitenden Maszlignahmen ein sehr
breites Feld abzudecken Negativ scheint besonders das weitgehende Fehlen partizipativer
Strukturen
In den Werkstaumltten werden viele Angebote im Rahmen begleitender Maszlignahmen offeriert die
fuumlr die Gesundheit foumlrderlich sind Als Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung die die Prinzi-
pien der BVPG verinnerlichen koumlnnen sie jedoch nicht gesehen werden da zB die Partizipa-
tion eine eher untergeordnete Rolle spielt und die Thematik meist auf Sport- und zT Ernaumlh-
rungsangebote beschraumlnkt bleibt Auch werden die Effekte der Maszlignahmen nicht evaluiert
Entspannungsangebote werden nur selten angeboten und der Fokus richtet sich meist nur auf
die koumlrperliche Gesundheit
Daruumlber hinaus zeigt die Befragung aber auch welch groszliges Potential zur Gesundheitsfoumlrde-
rung in den Werkstaumltten liegt Mit den begleitenden Maszlignahmen sind Strukturen verankert in
denen Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung leicht integriert werden koumlnnen Offenheit fuumlr
Kooperationen scheint vielfach gegeben (zB mit Special Olympics Deutschland Fitness
First) sodass auch eine Kooperation mit den Krankenkassen und weiteren Partnern vorstell-
bar scheint Dies wuumlrde den Vorteil finanzieller Foumlrderung und Expertise durch Erfahrungen
mit bereits durchgefuumlhrten Maszlignahmen einbringen Die befragten Mitarbeiterinnen und Mit-
arbeiter schienen Gesundheitsfoumlrderung gegenuumlber prinzipiell sehr positiv eingestellt
Auch wenn in den Leitbildern und auf den Homepages Gesundheitsfoumlrderung nicht themati-
siert wird gibt es in der Praxis schon verschiedene Maszlignahmen und Projekte mit der Intenti-
on die Gesundheit der Beschaumlftigten zu verbessern
30
45 Anregungen fuumlr die Praxis
Vor dem Hintergrund der zu Rate gezogenen Literatur und den gewonnen Erkenntnissen
durch die Feldbefragung werden nun einige Uumlberlegungen fuumlr die Praxis einer gelingenden
Gesundheitsfoumlrderung getroffen Diese koumlnnen als moumlgliche Anregungen zur Umsetzung ver-
standen werden
451 Partizipation und Empowerment in der Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behin-
derung
Erfolgreiche Gesundheitsfoumlrderung braucht Partizipationsmoumlglichkeiten fuumlr die jeweilige
Zielgruppe Partizipation ist schlieszliglich nicht nur Teilnahme sondern aktive Teilhabe und
damit einhergehend die Moumlglichkeit mitzubestimmen und mitzuentscheiden Dazu gehoumlrt
auch die Definitionsmacht also die Macht (mit)zubestimmen an welche die Gesundheit be-
treffenden Aspekte in einer Maszlignahme zur Gesundheitsfoumlrderung herangegangen werden soll
(vgl Wrightvon UngerBlock 2010 S 39) Diese aktive Teilhabe muss also bereits zu Be-
ginn einer Maszlignahme Teil dieser sein Partizipation bedeutet folglich auch Macht Partizipa-
tion zu ermoumlglichen bedeutet Empowerment also die Ermaumlchtigung eines Individuums oder
einer Gruppe So bekommt Partizipation in der Gesundheitsfoumlrderung auch eine gesellschaft-
liche und politische Komponente denn dadurch koumlnnen Menschen mit Behinderungen lernen
mitzubestimmen mitzuentscheiden und eigene Interessen zu vertreten Diese erlernten Faumlhig-
keiten lassen sich auf die Handlungsebene in einer demokratischen Gesellschaft uumlbertragen
Sowohl Empowerment als auch Partizipation gehoumlren zu den in 31 erwaumlhnten Prinzipien der
BVPG Diese weist darauf hin dass Partizipation in saumlmtlichen Phasen einer Maszlignahme ge-
geben sein muss beginnend mit der Bedarfsanalyse der Planung in der Durchfuumlhrung und
abschlieszligend in der BewertungEvaluation So kann die Wirksamkeit einer Maszlignahme erhoumlht
werden (vgl BVPG 2013 S 90) Teilhabe kann als ein wichtiger Bestandteil der Qualitaumltssi-
cherung gesehen werden Bisher finden Maszlignahmen zur Qualitaumltssicherung nur selten unter
Partizipation der Zielgruppe statt Diese partizipativ zu beteiligen hilft die Qualitaumlt der Ge-
sundheitsfoumlrderung aufrechtzuerhalten oder sogar zu verbessern (vgl Wrightvon Un-
gerBlock 2010 S 35)
Teilhabe ist bei behinderten Menschen besonders wichtig Ihr Leben ist haumlufig von Beginn an
stark fremdbestimmt und von Abhaumlngigkeit gepraumlgt Somit lernen sie seltener als nicht behin-
31
derte Menschen Verantwortung zu uumlbernehmen und selbststaumlndig zu agieren Dies kann bis
hin zur sog bdquoerlernten Hilflosigkeitldquo fuumlhren Vor diesem Hintergrund scheint Partizipation
umso wichtiger aber auch umso arbeitsintensiver Sie ist daher in der Praxis der Gesundheits-
foumlrderung haumlufig sehr arbeitsintensiv und benoumltigt folglich zeitliche Ressourcen und damit
einhergehend finanzielle Ressourcen (vgl Loss 2009 S 10)
Traditionell sind viele Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung top-down organisiert das be-
deutet eine Einrichtung ein Geldgeber etc plant eine Maszlignahme fuumlhrt diese durch und eva-
luiert sie Zur Erreichung der eigenen Ziele wird die Zielgruppe mobilisiert ohne ein Mitspra-
cherecht zu den einzelnen Bausteinen der Maszlignahme zu haben Diese Struktur verdeutlicht
das Maumlchteungleichwicht zwischen Anbieter und Zielgruppe und zementiert den Status be-
hinderter Menschen als Abhaumlngige und Ohnmaumlchtige Der Gegensatz zu top-down-
Programmen ist der bottom-up-Ansatz Hier findet eine Machtteilung statt da die Gesund-
heitsfoumlrderinnen und Gesundheitsfoumlrderer ihre Macht mit der Zielgruppe teilen und eher die
Rolle von Unterstuumltzerinnen und Unterstuumltzern einnehmen Die Zielgruppe soll unterstuumltzt
werden ihre eigenen Probleme festzustellen und Loumlsungen sowie Maszlignahmen zu erarbeiten
In der Planung Durchfuumlhrung und Evaluation kommt ihr damit eine aktive Rolle zu (vgl La-
verack 2010 S 77) Bottom-up-Programme scheinen daher fuumlr Partizipation und Empower-
ment geeigneter als top-down-Strukturen Allerdings schlieszligen sich beide Ansaumltze nicht
zwingend aus sondern Maszlignahmen koumlnnen Eigenschaften beider Ansaumltze aufweisen In
WfbMs scheinen Maszlignahmen sehr haumlufig top-down organisiert zu sein Die staumlrkere Veranke-
rung von bottom-up-Strukturen waumlre hier im Sinne einer Teilhabe ndash in der Werkstatt wie auch
daruumlber hinaus auf gesellschaftlicher Ebene ndash vorteilhaft und wuumlnschenswert
452 Peer-Multiplikatorinnen und -Multiplikatoren
Eine Strategie die in der Praxis der Gesundheitsfoumlrderung bereits mit positiven Ergebnissen
getestet wurde sind Peer-Multiplikatorinnen und -Multiplikatoren Das Modell der Multipli-
katorinnen und Multiplikatoren war bereits Grundlage vieler gesundheitsfoumlrdernder Maszlignah-
men mit sozial benachteiligten Menschen die auch in der Literatur vielfach dokumentiert
sind Auch in der Arbeit mit behinderten Menschen ist dieses Konzept nicht neu Auf Maszlig-
nahmen zur Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung wurde es bisher kaum an-
gewandt scheint jedoch erfolgsversprechend Das Projekt GESUND welches mit einer Ber-
liner WfbM durchgefuumlhrt wird arbeitet mit diesem Konzept (vgl Burtscher 2014 S 8) Die
32
Funktion von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren besteht darin Kenntnisse und Informa-
tionen zur Gesundheit(-sfoumlrderung) der Zielgruppe mit Hilfe der ihnen innewohnenden Ver-
trauensstellung naumlher zu bringen Sie haben daher eine bdquoMittlerfunktionldquo (BVPG 2013 S 92)
zwischen Durchfuumlhrenden und Zielgruppe Voraussetzung dafuumlr ist dass sie der Zielgruppe
angehoumlren oder zumindest eine sehr enge Verbindung zu ihr besitzen Im Zuge einer Maszlig-
nahme werden sie selbst gestaumlrkt sozusagen bdquoempowertldquo Ihre Mittlerfunktion funktioniert
allerdings auch in die andere Richtung Sie bringen den Durchfuumlhrenden die Perspektive der
Zielgruppe naumlher Im Idealfall fuumlhrt der Einsatz von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren
zur Aktivierung der Zielgruppe die ihr selbstbestimmtes Handeln auch auf andere Bereiche
ausdehnen kann (vgl Stickan-Verfuumlrth 2005 S 108) Diesem Modell sehr aumlhnlich ist das
Modell des Peer-Counseling Hier stehen Mitglieder der Zielgruppe in beratender Funktion
ihrer Peer-Gruppe zur Verfuumlgung
453 Verknuumlpfung von Betrieblicher Gesundheitsfoumlrderung und Gesundheitsfoumlrderung in
Werkstaumltten fuumlr behinderte Menschen
Eine Uumlbertragung der Idee der Betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung auf die Gesundheitsfoumlrde-
rung in WfbMs scheint in der Tat realisierbar Den rechtlichen und finanziellen Rahmen hier-
fuumlr hat das 2015 beschlossene Praumlventionsgesetz geschaffen (siehe 33) Im Entwurf der Bun-
desregierung wird in der Anmerkung zum neuen sect 20 Abs 4 SGB V explizit darauf hinge-
wiesen dass Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung auch in WfbMs zum Leistungsspektrum der
Krankenkassen gehoumlrt (vgl Deutscher Bundestag 2015 S 34) Eine Etablierung hiervon in
der Praxis haumlngt in erster Linie neben den Krankenkassen auch von den Leitungen der WfbMs
ab Sollten diese hierfuumlr und auch gegenuumlber partizipativen Strukturen offen sein waumlre der in
351 kurz vorgestellte Gesundheitszirkel ein passender Startpunkt um von Beginn an auch
die Partizipation der Beschaumlftigten zu gewaumlhrleisten Analog zum Konzept der BGF koumlnnten
gemeinsam Maszlignahmen erarbeitet werden die die Gesundheit der Beschaumlftigten foumlrdern wuumlr-
den Den Vertreterinnen und Vertretern der Beschaumlftigten die im Gesundheitszirkel mitwir-
ken koumlnnte dabei die Rolle von Peer-Multiplikatorinnen und -Multiplikatoren zukommen
Als Effekte duumlrften die in 351 beschriebenen auch hier zu erwarten sein eine Verbesserung
der Gesundheit und eine Staumlrkung der gesundheitlichen Ressourcen eine Verringerung der
krankheitsbedingten Fehltage eine staumlrkere Identifikation der Beschaumlftigten mit der Werk-
33
statt ein besseres Arbeitsklima eine houmlhere Motivation und Arbeitszufriedenheit und eine
Steigerung der Produktivitaumlt
Es empfiehlt sich im Sinne der Partizipation und des Empowerments kein reines top-down-
Programm zu starten sondern einen bottom-up-Ansatz zu waumlhlen bzw zumindest mehrere
Elemente dessen einzubauen Als Anknuumlpfungspunkt koumlnnen bereits bestehende begleitende
Maszlignahmen mit passender Thematik genommen werden
Wie bdquonormaleldquo Betriebe koumlnnten auch WfbMs Kooperationen in ihrem raumlumlichen Umfeld
aufbauen und von Vernetzungen profitieren Aufgrund ihrer Groumlszlige sind sie in ihrem Sozial-
raum ein meist nicht zu unterschaumltzender Akteur
34
5 Fazit und Ausblick
Ausgehend von einem bio-psycho-sozialen Verstaumlndnis von Gesundheit wurden verschiedene
Aspekte der Gesundheitsfoumlrderung vertieft und anschlieszligend eine Verknuumlpfung zur Gesund-
heitsfoumlrderung mit behinderten Menschen hergestellt Hierbei lag der Fokus auf gesundheits-
foumlrdernden Maszlignahmen in WfbMs Dabei wurde die aktuelle Literatur zu Rate gezogen In-
ternetauftritte einiger Werkstaumltten durchsucht und Stimmen aus dem Feld von Mitarbeiterin-
nen und Mitarbeitern sowie Beschaumlftigten von Werkstaumltten gewonnen
Die Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung ist noch immer relativ schwach
ausgebaut Dies stellt sich besonders vor dem Hintergrund als problematisch dass behinderte
Menschen haumlufig anfaumllliger fuumlr Krankheiten sind und durchschnittlich uumlber einen subjektiv als
schlechter bewerteten Gesundheitsstatus verfuumlgen als nichtbehinderte Menschen Wie viele
sozial benachteiligte Gruppen sind sie verhaumlltnismaumlszligig schwer zu erreichen fuumlr gesundheits-
foumlrdernde Maszlignahmen Obwohl es in der Erreichbarkeit mehrere Probleme gibt verfuumlgen
Menschen mit Behinderung auf der anderen Seite uumlber groszlige Potentiale Das neue Praumlventi-
onsgesetz ist ein erheblicher Fortschritt bei der Finanzierung gesundheitsfoumlrdernder Maszlignah-
men Sogar eine Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung in Werkstaumltten ist wenn auch nicht ex-
plizit verankert so doch zumindest gewuumlnscht
Gelingende Gesundheitsfoumlrderung muss sich im Allgemeinen und auch bei der Arbeit mit
behinderten Menschen an bestimmten Prinzipien messen lassen Besonders wichtig vor dem
gesellschaftlichen Hintergrund ist hier die Partizipation der Menschen mit Behinderung und
damit einhergehend das Empowerment dieser Beide wirken sich positiv auf die Qualitaumlt der
gesundheitsfoumlrdernden Maszlignahmen aus gehen jedoch auch daruumlber hinaus Sie koumlnnen Men-
schen mit Behinderungen auch auf gesellschaftlicher Ebene empowern sodass ihnen eine
groumlszligere gesellschaftliche Teilhabe zukommt Somit erlangt Gesundheitsfoumlrderung auch vor
dem Hintergrund der Inklusion eine hohe Relevanz
In WfbMs ist gezielte Gesundheitsfoumlrderung bisher wenig verbreitet Einzelne Projekte sind
eher die Ausnahme denn die Regel Jedoch sind die Potentiale der Werkstaumltten enorm Das
Personal scheint haumlufig offen fuumlr Maszlignahmen zu sein und gerade die Strukturen der beglei-
tenden Maszlignahmen lieszligen eine relativ einfache Integration von Maszlignahmen zur (betriebli-
chen) Gesundheitsfoumlrderung zu Bestehende begleitende Maszlignahmen in welchen Sport oder
Bildungsangebote zu gesunder Ernaumlhrung angeboten werden koumlnnten ohne uumlbermaumlszligigen
Aufwand zu gezielten Maszlignahmen fuumlr Gesundheitsfoumlrderung ausgebaut werden Nachholbe-
darf bestuumlnde hier vor allem auf dem Gebiet der Partizipation Nur selten scheinen die Be-
35
schaumlftigten in Konzeption Planung Durchfuumlhrung und Evaluation aktiv eingebunden zu sein
In bestimmten Phasen wie etwa der Konzeption und besonders der Evaluation scheint aktive
Teilhabe noch uumlberhaupt nicht verankert zu sein Eine staumlrkere Partizipation in allen Berei-
chen waumlre mit houmlherem Arbeits- und Kostenaufwand verbunden welcher durch eine Einbin-
dung der Krankenkassen moumlglicherweise aufgefangen werden koumlnnte Die Partizipation foumlr-
dern wuumlrde auch die Etablierung von Peer-Beratung und Peer-Multiplikatorinnen und
-Multiplikatoren Diesen kaumlme beim Zugang zur Zielgruppe eine Schluumlsselfunktion zu und
gleichzeitig koumlnnten sie Bedarfe und Beduumlrfnisse dieser gegenuumlber den anderen Akteuren
kommunizieren Auch wenn es bisher keine konkreten ausgearbeiteten Konzepte zur Gesund-
heitsfoumlrderung in WfbMs gibt koumlnnten bestehende Konzepte zur Betrieblichen Gesundheits-
foumlrderung eventuell leicht uumlberarbeitet fuumlr Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung in Werkstaumltten
analog angewendet werden
Die Potentiale und Moumlglichkeiten zur Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung
in WfbMs sind also mannigfaltig und haumlufig vorhanden Auf diesen koumlnnte aufgebaut werden
um behinderten Menschen das Recht auf das in Artikel 25 der UN-BRK festgeschriebene bdquoer-
reichbare Houmlchstmaszlig an Gesundheitldquo zu ermoumlglichen
Gesundheitsfoumlrderung ist mehr als Werbeplakate an Bus- oder Straszligenbahnhaltestellen und
Clips im Aktuellen Sportstudio sie ist mehr als Sportangebote und Angebote zu gesunder
Ernaumlhrung sie ist auch ein Weg zum Erreichen eines Menschenrechtes das Recht auf Ge-
sundheit
36
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41
Anhang
Nr 1 Abbildung zu den Hauptdeterminanten der Gesundheit nach DahlgreenWhitehead
2007 S 11
Nr 2 Befragung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Beschaumlftigten der WfbMs
42
Nr 1 Abbildung zu den Hauptdeterminanten der Gesundheit nach DahlgreenWhitehead
2007 S 11
43
Nr 2 Befragung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Beschaumlftigten der WfbMs
Um moumlglichst effizient die Stimmen aus vier WfbMs unterschiedlicher Traumlger zu erheben
wurden diese auf dem Infotag der LAG WfbM Berlin am 17112015 gesammelt Hier waren
verschiedene Werkstaumltten mit Informationsstaumlnden vertreten Gewaumlhlt wurden die Werkstaumlt-
ten an deren Staumlnden der Verfasser zuerst vorbeilief Die gestellten Fragen waren stets die-
selben
Den Vertretern der Werkstatt wurde zugesichert dass ihr Name nicht in der vorliegenden Ar-
beit genannt wird lediglich ihre Position in der Werkstatt wird erwaumlhnt Es wurden auszligerdem
keine weiteren Personendaten erhoben
Wenn moumlglich sollten auszligerdem fuumlnf Beschaumlftige pro WfbM befragt werden Hierfuumlr wurde
am Ende des kurzen Interviews um Erlaubnis gefragt Den Beschaumlftigten wurden andere Fra-
gen gestellt als dem Werkstattpersonal jedoch erhielten alle Beschaumlftigten dieselben Fragen
untereinander Den Beschaumlftigen wurde komplette Anonymitaumlt in der vorliegenden Arbeit
zugesichert und es wurden keine personenbezogenen Daten abgefragt Zuerst wurde nach
ihrem Verstaumlndnis von Gesundheitsfoumlrderung gefragt Vor den Fragen 2 bis 5 wurde kurz
erklaumlrt wie Gesundheitsfoumlrderung verstanden werden kann um davon ausgehend die restli-
chen Fragen zu beantworten
Bei saumlmtlichen Interviews wurde auf Transkriptionen verzichtet es wurden lediglich die
Kernaussagen mitgeschrieben
Im Folgenden finden sich exemplarisch die jeweils gestellten Fragen
44
Fragen an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der WfbM
Name der WfbM
Position der befragten Person Begleitender Dienst
1 Was verstehen Sie unter Gesundheitsfoumlrderung
2 Was bieten Sie im Rahmen der Gesundheitsfoumlrderung an
3 Wie werden die Maszlignahmen angenommen
4 Wuumlrden Sie gerne mehr anbieten oder finden Sie die Angebote ausreichend
5 Gibt es Schwierigkeiten
6 Wie steht es um die Partizipation in den Angeboten (Werden die Angebote von Beschaumlf-
tigten mitentwickelt mitevaluiert etc)
7 Werden die Angebote evaluiert
45
Fragen an die Beschaumlftigen der WfbM
Name der WfbM
Datum
1 Wissen Sie was Gesundheitsfoumlrderung ist Wenn ja wie wuumlrden sie es beschreiben
[Moumlgliche Erklaumlrung fuumlr Beschaumlftigte die sich nichts unter Gesundheitsfoumlrderung vorstellen
koumlnnen Zur Gesundheitsfoumlrderung gehoumlrt alles was fuumlr Ihre Gesundheit gut ist zB Kur-
seMaszlignahmen usw die mit Bewegung Ernaumlhrung Wohlfuumlhlen am Arbeitsplatz oder Ent-
spannen zu tun haben]
2 Welche Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung werden Ihnen von der Werkstatt angebo-
ten
3 Werden Ihrer Meinung nach genuumlgend Angebote zur Gesundheitsfoumlrderung in der Werk-
statt angeboten
4 Duumlrfen Sie bei der Entwicklung und Evaluation (Auswertung am Ende) mitbestimmen
5 Was sind Ihre Wuumlnsche bezuumlglich der Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung
29
Betreuung laumlsst jedoch zugleich auch auf ein eher bdquotraditionellesldquo bio-medizinisches Gesund-
heitsverstaumlndnis schlieszligen
Als angebotene Maszlignahmen werden meist Sport- und Bewegungsangebote genannt aber
auch eine Apfelpause um kurz von der Arbeit entspannen zu koumlnnen Daruumlber hinaus gab es
Angebote zur Fuszlighygiene und zur Zahn- und Augengesundheit Hier ist der Uumlbergang zwi-
schen Gesundheitsfoumlrderung und Praumlvention flieszligend Bzgl (zukuumlnftiger) Angebote werden
die Beschaumlftigten nach ihren Wuumlnschen gefragt aber eine wirkliche Mitbestimmung in Kon-
zeption und Planung dieser scheint nicht gegeben Auch bei der Evaluation findet bisher keine
Partizipation statt Die Befragung hat jedoch den bisherigen Eindruck bestaumltigt dass gesund-
heitsfoumlrdernde Maszlignahmen in WfbMs von behinderten Menschen durchaus nachgefragt wer-
den und die Werkstaumltten versucht sind im Rahmen der begleitenden Maszlignahmen ein sehr
breites Feld abzudecken Negativ scheint besonders das weitgehende Fehlen partizipativer
Strukturen
In den Werkstaumltten werden viele Angebote im Rahmen begleitender Maszlignahmen offeriert die
fuumlr die Gesundheit foumlrderlich sind Als Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung die die Prinzi-
pien der BVPG verinnerlichen koumlnnen sie jedoch nicht gesehen werden da zB die Partizipa-
tion eine eher untergeordnete Rolle spielt und die Thematik meist auf Sport- und zT Ernaumlh-
rungsangebote beschraumlnkt bleibt Auch werden die Effekte der Maszlignahmen nicht evaluiert
Entspannungsangebote werden nur selten angeboten und der Fokus richtet sich meist nur auf
die koumlrperliche Gesundheit
Daruumlber hinaus zeigt die Befragung aber auch welch groszliges Potential zur Gesundheitsfoumlrde-
rung in den Werkstaumltten liegt Mit den begleitenden Maszlignahmen sind Strukturen verankert in
denen Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung leicht integriert werden koumlnnen Offenheit fuumlr
Kooperationen scheint vielfach gegeben (zB mit Special Olympics Deutschland Fitness
First) sodass auch eine Kooperation mit den Krankenkassen und weiteren Partnern vorstell-
bar scheint Dies wuumlrde den Vorteil finanzieller Foumlrderung und Expertise durch Erfahrungen
mit bereits durchgefuumlhrten Maszlignahmen einbringen Die befragten Mitarbeiterinnen und Mit-
arbeiter schienen Gesundheitsfoumlrderung gegenuumlber prinzipiell sehr positiv eingestellt
Auch wenn in den Leitbildern und auf den Homepages Gesundheitsfoumlrderung nicht themati-
siert wird gibt es in der Praxis schon verschiedene Maszlignahmen und Projekte mit der Intenti-
on die Gesundheit der Beschaumlftigten zu verbessern
30
45 Anregungen fuumlr die Praxis
Vor dem Hintergrund der zu Rate gezogenen Literatur und den gewonnen Erkenntnissen
durch die Feldbefragung werden nun einige Uumlberlegungen fuumlr die Praxis einer gelingenden
Gesundheitsfoumlrderung getroffen Diese koumlnnen als moumlgliche Anregungen zur Umsetzung ver-
standen werden
451 Partizipation und Empowerment in der Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behin-
derung
Erfolgreiche Gesundheitsfoumlrderung braucht Partizipationsmoumlglichkeiten fuumlr die jeweilige
Zielgruppe Partizipation ist schlieszliglich nicht nur Teilnahme sondern aktive Teilhabe und
damit einhergehend die Moumlglichkeit mitzubestimmen und mitzuentscheiden Dazu gehoumlrt
auch die Definitionsmacht also die Macht (mit)zubestimmen an welche die Gesundheit be-
treffenden Aspekte in einer Maszlignahme zur Gesundheitsfoumlrderung herangegangen werden soll
(vgl Wrightvon UngerBlock 2010 S 39) Diese aktive Teilhabe muss also bereits zu Be-
ginn einer Maszlignahme Teil dieser sein Partizipation bedeutet folglich auch Macht Partizipa-
tion zu ermoumlglichen bedeutet Empowerment also die Ermaumlchtigung eines Individuums oder
einer Gruppe So bekommt Partizipation in der Gesundheitsfoumlrderung auch eine gesellschaft-
liche und politische Komponente denn dadurch koumlnnen Menschen mit Behinderungen lernen
mitzubestimmen mitzuentscheiden und eigene Interessen zu vertreten Diese erlernten Faumlhig-
keiten lassen sich auf die Handlungsebene in einer demokratischen Gesellschaft uumlbertragen
Sowohl Empowerment als auch Partizipation gehoumlren zu den in 31 erwaumlhnten Prinzipien der
BVPG Diese weist darauf hin dass Partizipation in saumlmtlichen Phasen einer Maszlignahme ge-
geben sein muss beginnend mit der Bedarfsanalyse der Planung in der Durchfuumlhrung und
abschlieszligend in der BewertungEvaluation So kann die Wirksamkeit einer Maszlignahme erhoumlht
werden (vgl BVPG 2013 S 90) Teilhabe kann als ein wichtiger Bestandteil der Qualitaumltssi-
cherung gesehen werden Bisher finden Maszlignahmen zur Qualitaumltssicherung nur selten unter
Partizipation der Zielgruppe statt Diese partizipativ zu beteiligen hilft die Qualitaumlt der Ge-
sundheitsfoumlrderung aufrechtzuerhalten oder sogar zu verbessern (vgl Wrightvon Un-
gerBlock 2010 S 35)
Teilhabe ist bei behinderten Menschen besonders wichtig Ihr Leben ist haumlufig von Beginn an
stark fremdbestimmt und von Abhaumlngigkeit gepraumlgt Somit lernen sie seltener als nicht behin-
31
derte Menschen Verantwortung zu uumlbernehmen und selbststaumlndig zu agieren Dies kann bis
hin zur sog bdquoerlernten Hilflosigkeitldquo fuumlhren Vor diesem Hintergrund scheint Partizipation
umso wichtiger aber auch umso arbeitsintensiver Sie ist daher in der Praxis der Gesundheits-
foumlrderung haumlufig sehr arbeitsintensiv und benoumltigt folglich zeitliche Ressourcen und damit
einhergehend finanzielle Ressourcen (vgl Loss 2009 S 10)
Traditionell sind viele Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung top-down organisiert das be-
deutet eine Einrichtung ein Geldgeber etc plant eine Maszlignahme fuumlhrt diese durch und eva-
luiert sie Zur Erreichung der eigenen Ziele wird die Zielgruppe mobilisiert ohne ein Mitspra-
cherecht zu den einzelnen Bausteinen der Maszlignahme zu haben Diese Struktur verdeutlicht
das Maumlchteungleichwicht zwischen Anbieter und Zielgruppe und zementiert den Status be-
hinderter Menschen als Abhaumlngige und Ohnmaumlchtige Der Gegensatz zu top-down-
Programmen ist der bottom-up-Ansatz Hier findet eine Machtteilung statt da die Gesund-
heitsfoumlrderinnen und Gesundheitsfoumlrderer ihre Macht mit der Zielgruppe teilen und eher die
Rolle von Unterstuumltzerinnen und Unterstuumltzern einnehmen Die Zielgruppe soll unterstuumltzt
werden ihre eigenen Probleme festzustellen und Loumlsungen sowie Maszlignahmen zu erarbeiten
In der Planung Durchfuumlhrung und Evaluation kommt ihr damit eine aktive Rolle zu (vgl La-
verack 2010 S 77) Bottom-up-Programme scheinen daher fuumlr Partizipation und Empower-
ment geeigneter als top-down-Strukturen Allerdings schlieszligen sich beide Ansaumltze nicht
zwingend aus sondern Maszlignahmen koumlnnen Eigenschaften beider Ansaumltze aufweisen In
WfbMs scheinen Maszlignahmen sehr haumlufig top-down organisiert zu sein Die staumlrkere Veranke-
rung von bottom-up-Strukturen waumlre hier im Sinne einer Teilhabe ndash in der Werkstatt wie auch
daruumlber hinaus auf gesellschaftlicher Ebene ndash vorteilhaft und wuumlnschenswert
452 Peer-Multiplikatorinnen und -Multiplikatoren
Eine Strategie die in der Praxis der Gesundheitsfoumlrderung bereits mit positiven Ergebnissen
getestet wurde sind Peer-Multiplikatorinnen und -Multiplikatoren Das Modell der Multipli-
katorinnen und Multiplikatoren war bereits Grundlage vieler gesundheitsfoumlrdernder Maszlignah-
men mit sozial benachteiligten Menschen die auch in der Literatur vielfach dokumentiert
sind Auch in der Arbeit mit behinderten Menschen ist dieses Konzept nicht neu Auf Maszlig-
nahmen zur Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung wurde es bisher kaum an-
gewandt scheint jedoch erfolgsversprechend Das Projekt GESUND welches mit einer Ber-
liner WfbM durchgefuumlhrt wird arbeitet mit diesem Konzept (vgl Burtscher 2014 S 8) Die
32
Funktion von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren besteht darin Kenntnisse und Informa-
tionen zur Gesundheit(-sfoumlrderung) der Zielgruppe mit Hilfe der ihnen innewohnenden Ver-
trauensstellung naumlher zu bringen Sie haben daher eine bdquoMittlerfunktionldquo (BVPG 2013 S 92)
zwischen Durchfuumlhrenden und Zielgruppe Voraussetzung dafuumlr ist dass sie der Zielgruppe
angehoumlren oder zumindest eine sehr enge Verbindung zu ihr besitzen Im Zuge einer Maszlig-
nahme werden sie selbst gestaumlrkt sozusagen bdquoempowertldquo Ihre Mittlerfunktion funktioniert
allerdings auch in die andere Richtung Sie bringen den Durchfuumlhrenden die Perspektive der
Zielgruppe naumlher Im Idealfall fuumlhrt der Einsatz von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren
zur Aktivierung der Zielgruppe die ihr selbstbestimmtes Handeln auch auf andere Bereiche
ausdehnen kann (vgl Stickan-Verfuumlrth 2005 S 108) Diesem Modell sehr aumlhnlich ist das
Modell des Peer-Counseling Hier stehen Mitglieder der Zielgruppe in beratender Funktion
ihrer Peer-Gruppe zur Verfuumlgung
453 Verknuumlpfung von Betrieblicher Gesundheitsfoumlrderung und Gesundheitsfoumlrderung in
Werkstaumltten fuumlr behinderte Menschen
Eine Uumlbertragung der Idee der Betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung auf die Gesundheitsfoumlrde-
rung in WfbMs scheint in der Tat realisierbar Den rechtlichen und finanziellen Rahmen hier-
fuumlr hat das 2015 beschlossene Praumlventionsgesetz geschaffen (siehe 33) Im Entwurf der Bun-
desregierung wird in der Anmerkung zum neuen sect 20 Abs 4 SGB V explizit darauf hinge-
wiesen dass Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung auch in WfbMs zum Leistungsspektrum der
Krankenkassen gehoumlrt (vgl Deutscher Bundestag 2015 S 34) Eine Etablierung hiervon in
der Praxis haumlngt in erster Linie neben den Krankenkassen auch von den Leitungen der WfbMs
ab Sollten diese hierfuumlr und auch gegenuumlber partizipativen Strukturen offen sein waumlre der in
351 kurz vorgestellte Gesundheitszirkel ein passender Startpunkt um von Beginn an auch
die Partizipation der Beschaumlftigten zu gewaumlhrleisten Analog zum Konzept der BGF koumlnnten
gemeinsam Maszlignahmen erarbeitet werden die die Gesundheit der Beschaumlftigten foumlrdern wuumlr-
den Den Vertreterinnen und Vertretern der Beschaumlftigten die im Gesundheitszirkel mitwir-
ken koumlnnte dabei die Rolle von Peer-Multiplikatorinnen und -Multiplikatoren zukommen
Als Effekte duumlrften die in 351 beschriebenen auch hier zu erwarten sein eine Verbesserung
der Gesundheit und eine Staumlrkung der gesundheitlichen Ressourcen eine Verringerung der
krankheitsbedingten Fehltage eine staumlrkere Identifikation der Beschaumlftigten mit der Werk-
33
statt ein besseres Arbeitsklima eine houmlhere Motivation und Arbeitszufriedenheit und eine
Steigerung der Produktivitaumlt
Es empfiehlt sich im Sinne der Partizipation und des Empowerments kein reines top-down-
Programm zu starten sondern einen bottom-up-Ansatz zu waumlhlen bzw zumindest mehrere
Elemente dessen einzubauen Als Anknuumlpfungspunkt koumlnnen bereits bestehende begleitende
Maszlignahmen mit passender Thematik genommen werden
Wie bdquonormaleldquo Betriebe koumlnnten auch WfbMs Kooperationen in ihrem raumlumlichen Umfeld
aufbauen und von Vernetzungen profitieren Aufgrund ihrer Groumlszlige sind sie in ihrem Sozial-
raum ein meist nicht zu unterschaumltzender Akteur
34
5 Fazit und Ausblick
Ausgehend von einem bio-psycho-sozialen Verstaumlndnis von Gesundheit wurden verschiedene
Aspekte der Gesundheitsfoumlrderung vertieft und anschlieszligend eine Verknuumlpfung zur Gesund-
heitsfoumlrderung mit behinderten Menschen hergestellt Hierbei lag der Fokus auf gesundheits-
foumlrdernden Maszlignahmen in WfbMs Dabei wurde die aktuelle Literatur zu Rate gezogen In-
ternetauftritte einiger Werkstaumltten durchsucht und Stimmen aus dem Feld von Mitarbeiterin-
nen und Mitarbeitern sowie Beschaumlftigten von Werkstaumltten gewonnen
Die Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung ist noch immer relativ schwach
ausgebaut Dies stellt sich besonders vor dem Hintergrund als problematisch dass behinderte
Menschen haumlufig anfaumllliger fuumlr Krankheiten sind und durchschnittlich uumlber einen subjektiv als
schlechter bewerteten Gesundheitsstatus verfuumlgen als nichtbehinderte Menschen Wie viele
sozial benachteiligte Gruppen sind sie verhaumlltnismaumlszligig schwer zu erreichen fuumlr gesundheits-
foumlrdernde Maszlignahmen Obwohl es in der Erreichbarkeit mehrere Probleme gibt verfuumlgen
Menschen mit Behinderung auf der anderen Seite uumlber groszlige Potentiale Das neue Praumlventi-
onsgesetz ist ein erheblicher Fortschritt bei der Finanzierung gesundheitsfoumlrdernder Maszlignah-
men Sogar eine Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung in Werkstaumltten ist wenn auch nicht ex-
plizit verankert so doch zumindest gewuumlnscht
Gelingende Gesundheitsfoumlrderung muss sich im Allgemeinen und auch bei der Arbeit mit
behinderten Menschen an bestimmten Prinzipien messen lassen Besonders wichtig vor dem
gesellschaftlichen Hintergrund ist hier die Partizipation der Menschen mit Behinderung und
damit einhergehend das Empowerment dieser Beide wirken sich positiv auf die Qualitaumlt der
gesundheitsfoumlrdernden Maszlignahmen aus gehen jedoch auch daruumlber hinaus Sie koumlnnen Men-
schen mit Behinderungen auch auf gesellschaftlicher Ebene empowern sodass ihnen eine
groumlszligere gesellschaftliche Teilhabe zukommt Somit erlangt Gesundheitsfoumlrderung auch vor
dem Hintergrund der Inklusion eine hohe Relevanz
In WfbMs ist gezielte Gesundheitsfoumlrderung bisher wenig verbreitet Einzelne Projekte sind
eher die Ausnahme denn die Regel Jedoch sind die Potentiale der Werkstaumltten enorm Das
Personal scheint haumlufig offen fuumlr Maszlignahmen zu sein und gerade die Strukturen der beglei-
tenden Maszlignahmen lieszligen eine relativ einfache Integration von Maszlignahmen zur (betriebli-
chen) Gesundheitsfoumlrderung zu Bestehende begleitende Maszlignahmen in welchen Sport oder
Bildungsangebote zu gesunder Ernaumlhrung angeboten werden koumlnnten ohne uumlbermaumlszligigen
Aufwand zu gezielten Maszlignahmen fuumlr Gesundheitsfoumlrderung ausgebaut werden Nachholbe-
darf bestuumlnde hier vor allem auf dem Gebiet der Partizipation Nur selten scheinen die Be-
35
schaumlftigten in Konzeption Planung Durchfuumlhrung und Evaluation aktiv eingebunden zu sein
In bestimmten Phasen wie etwa der Konzeption und besonders der Evaluation scheint aktive
Teilhabe noch uumlberhaupt nicht verankert zu sein Eine staumlrkere Partizipation in allen Berei-
chen waumlre mit houmlherem Arbeits- und Kostenaufwand verbunden welcher durch eine Einbin-
dung der Krankenkassen moumlglicherweise aufgefangen werden koumlnnte Die Partizipation foumlr-
dern wuumlrde auch die Etablierung von Peer-Beratung und Peer-Multiplikatorinnen und
-Multiplikatoren Diesen kaumlme beim Zugang zur Zielgruppe eine Schluumlsselfunktion zu und
gleichzeitig koumlnnten sie Bedarfe und Beduumlrfnisse dieser gegenuumlber den anderen Akteuren
kommunizieren Auch wenn es bisher keine konkreten ausgearbeiteten Konzepte zur Gesund-
heitsfoumlrderung in WfbMs gibt koumlnnten bestehende Konzepte zur Betrieblichen Gesundheits-
foumlrderung eventuell leicht uumlberarbeitet fuumlr Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung in Werkstaumltten
analog angewendet werden
Die Potentiale und Moumlglichkeiten zur Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung
in WfbMs sind also mannigfaltig und haumlufig vorhanden Auf diesen koumlnnte aufgebaut werden
um behinderten Menschen das Recht auf das in Artikel 25 der UN-BRK festgeschriebene bdquoer-
reichbare Houmlchstmaszlig an Gesundheitldquo zu ermoumlglichen
Gesundheitsfoumlrderung ist mehr als Werbeplakate an Bus- oder Straszligenbahnhaltestellen und
Clips im Aktuellen Sportstudio sie ist mehr als Sportangebote und Angebote zu gesunder
Ernaumlhrung sie ist auch ein Weg zum Erreichen eines Menschenrechtes das Recht auf Ge-
sundheit
36
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41
Anhang
Nr 1 Abbildung zu den Hauptdeterminanten der Gesundheit nach DahlgreenWhitehead
2007 S 11
Nr 2 Befragung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Beschaumlftigten der WfbMs
42
Nr 1 Abbildung zu den Hauptdeterminanten der Gesundheit nach DahlgreenWhitehead
2007 S 11
43
Nr 2 Befragung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Beschaumlftigten der WfbMs
Um moumlglichst effizient die Stimmen aus vier WfbMs unterschiedlicher Traumlger zu erheben
wurden diese auf dem Infotag der LAG WfbM Berlin am 17112015 gesammelt Hier waren
verschiedene Werkstaumltten mit Informationsstaumlnden vertreten Gewaumlhlt wurden die Werkstaumlt-
ten an deren Staumlnden der Verfasser zuerst vorbeilief Die gestellten Fragen waren stets die-
selben
Den Vertretern der Werkstatt wurde zugesichert dass ihr Name nicht in der vorliegenden Ar-
beit genannt wird lediglich ihre Position in der Werkstatt wird erwaumlhnt Es wurden auszligerdem
keine weiteren Personendaten erhoben
Wenn moumlglich sollten auszligerdem fuumlnf Beschaumlftige pro WfbM befragt werden Hierfuumlr wurde
am Ende des kurzen Interviews um Erlaubnis gefragt Den Beschaumlftigten wurden andere Fra-
gen gestellt als dem Werkstattpersonal jedoch erhielten alle Beschaumlftigten dieselben Fragen
untereinander Den Beschaumlftigen wurde komplette Anonymitaumlt in der vorliegenden Arbeit
zugesichert und es wurden keine personenbezogenen Daten abgefragt Zuerst wurde nach
ihrem Verstaumlndnis von Gesundheitsfoumlrderung gefragt Vor den Fragen 2 bis 5 wurde kurz
erklaumlrt wie Gesundheitsfoumlrderung verstanden werden kann um davon ausgehend die restli-
chen Fragen zu beantworten
Bei saumlmtlichen Interviews wurde auf Transkriptionen verzichtet es wurden lediglich die
Kernaussagen mitgeschrieben
Im Folgenden finden sich exemplarisch die jeweils gestellten Fragen
44
Fragen an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der WfbM
Name der WfbM
Position der befragten Person Begleitender Dienst
1 Was verstehen Sie unter Gesundheitsfoumlrderung
2 Was bieten Sie im Rahmen der Gesundheitsfoumlrderung an
3 Wie werden die Maszlignahmen angenommen
4 Wuumlrden Sie gerne mehr anbieten oder finden Sie die Angebote ausreichend
5 Gibt es Schwierigkeiten
6 Wie steht es um die Partizipation in den Angeboten (Werden die Angebote von Beschaumlf-
tigten mitentwickelt mitevaluiert etc)
7 Werden die Angebote evaluiert
45
Fragen an die Beschaumlftigen der WfbM
Name der WfbM
Datum
1 Wissen Sie was Gesundheitsfoumlrderung ist Wenn ja wie wuumlrden sie es beschreiben
[Moumlgliche Erklaumlrung fuumlr Beschaumlftigte die sich nichts unter Gesundheitsfoumlrderung vorstellen
koumlnnen Zur Gesundheitsfoumlrderung gehoumlrt alles was fuumlr Ihre Gesundheit gut ist zB Kur-
seMaszlignahmen usw die mit Bewegung Ernaumlhrung Wohlfuumlhlen am Arbeitsplatz oder Ent-
spannen zu tun haben]
2 Welche Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung werden Ihnen von der Werkstatt angebo-
ten
3 Werden Ihrer Meinung nach genuumlgend Angebote zur Gesundheitsfoumlrderung in der Werk-
statt angeboten
4 Duumlrfen Sie bei der Entwicklung und Evaluation (Auswertung am Ende) mitbestimmen
5 Was sind Ihre Wuumlnsche bezuumlglich der Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung
30
45 Anregungen fuumlr die Praxis
Vor dem Hintergrund der zu Rate gezogenen Literatur und den gewonnen Erkenntnissen
durch die Feldbefragung werden nun einige Uumlberlegungen fuumlr die Praxis einer gelingenden
Gesundheitsfoumlrderung getroffen Diese koumlnnen als moumlgliche Anregungen zur Umsetzung ver-
standen werden
451 Partizipation und Empowerment in der Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behin-
derung
Erfolgreiche Gesundheitsfoumlrderung braucht Partizipationsmoumlglichkeiten fuumlr die jeweilige
Zielgruppe Partizipation ist schlieszliglich nicht nur Teilnahme sondern aktive Teilhabe und
damit einhergehend die Moumlglichkeit mitzubestimmen und mitzuentscheiden Dazu gehoumlrt
auch die Definitionsmacht also die Macht (mit)zubestimmen an welche die Gesundheit be-
treffenden Aspekte in einer Maszlignahme zur Gesundheitsfoumlrderung herangegangen werden soll
(vgl Wrightvon UngerBlock 2010 S 39) Diese aktive Teilhabe muss also bereits zu Be-
ginn einer Maszlignahme Teil dieser sein Partizipation bedeutet folglich auch Macht Partizipa-
tion zu ermoumlglichen bedeutet Empowerment also die Ermaumlchtigung eines Individuums oder
einer Gruppe So bekommt Partizipation in der Gesundheitsfoumlrderung auch eine gesellschaft-
liche und politische Komponente denn dadurch koumlnnen Menschen mit Behinderungen lernen
mitzubestimmen mitzuentscheiden und eigene Interessen zu vertreten Diese erlernten Faumlhig-
keiten lassen sich auf die Handlungsebene in einer demokratischen Gesellschaft uumlbertragen
Sowohl Empowerment als auch Partizipation gehoumlren zu den in 31 erwaumlhnten Prinzipien der
BVPG Diese weist darauf hin dass Partizipation in saumlmtlichen Phasen einer Maszlignahme ge-
geben sein muss beginnend mit der Bedarfsanalyse der Planung in der Durchfuumlhrung und
abschlieszligend in der BewertungEvaluation So kann die Wirksamkeit einer Maszlignahme erhoumlht
werden (vgl BVPG 2013 S 90) Teilhabe kann als ein wichtiger Bestandteil der Qualitaumltssi-
cherung gesehen werden Bisher finden Maszlignahmen zur Qualitaumltssicherung nur selten unter
Partizipation der Zielgruppe statt Diese partizipativ zu beteiligen hilft die Qualitaumlt der Ge-
sundheitsfoumlrderung aufrechtzuerhalten oder sogar zu verbessern (vgl Wrightvon Un-
gerBlock 2010 S 35)
Teilhabe ist bei behinderten Menschen besonders wichtig Ihr Leben ist haumlufig von Beginn an
stark fremdbestimmt und von Abhaumlngigkeit gepraumlgt Somit lernen sie seltener als nicht behin-
31
derte Menschen Verantwortung zu uumlbernehmen und selbststaumlndig zu agieren Dies kann bis
hin zur sog bdquoerlernten Hilflosigkeitldquo fuumlhren Vor diesem Hintergrund scheint Partizipation
umso wichtiger aber auch umso arbeitsintensiver Sie ist daher in der Praxis der Gesundheits-
foumlrderung haumlufig sehr arbeitsintensiv und benoumltigt folglich zeitliche Ressourcen und damit
einhergehend finanzielle Ressourcen (vgl Loss 2009 S 10)
Traditionell sind viele Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung top-down organisiert das be-
deutet eine Einrichtung ein Geldgeber etc plant eine Maszlignahme fuumlhrt diese durch und eva-
luiert sie Zur Erreichung der eigenen Ziele wird die Zielgruppe mobilisiert ohne ein Mitspra-
cherecht zu den einzelnen Bausteinen der Maszlignahme zu haben Diese Struktur verdeutlicht
das Maumlchteungleichwicht zwischen Anbieter und Zielgruppe und zementiert den Status be-
hinderter Menschen als Abhaumlngige und Ohnmaumlchtige Der Gegensatz zu top-down-
Programmen ist der bottom-up-Ansatz Hier findet eine Machtteilung statt da die Gesund-
heitsfoumlrderinnen und Gesundheitsfoumlrderer ihre Macht mit der Zielgruppe teilen und eher die
Rolle von Unterstuumltzerinnen und Unterstuumltzern einnehmen Die Zielgruppe soll unterstuumltzt
werden ihre eigenen Probleme festzustellen und Loumlsungen sowie Maszlignahmen zu erarbeiten
In der Planung Durchfuumlhrung und Evaluation kommt ihr damit eine aktive Rolle zu (vgl La-
verack 2010 S 77) Bottom-up-Programme scheinen daher fuumlr Partizipation und Empower-
ment geeigneter als top-down-Strukturen Allerdings schlieszligen sich beide Ansaumltze nicht
zwingend aus sondern Maszlignahmen koumlnnen Eigenschaften beider Ansaumltze aufweisen In
WfbMs scheinen Maszlignahmen sehr haumlufig top-down organisiert zu sein Die staumlrkere Veranke-
rung von bottom-up-Strukturen waumlre hier im Sinne einer Teilhabe ndash in der Werkstatt wie auch
daruumlber hinaus auf gesellschaftlicher Ebene ndash vorteilhaft und wuumlnschenswert
452 Peer-Multiplikatorinnen und -Multiplikatoren
Eine Strategie die in der Praxis der Gesundheitsfoumlrderung bereits mit positiven Ergebnissen
getestet wurde sind Peer-Multiplikatorinnen und -Multiplikatoren Das Modell der Multipli-
katorinnen und Multiplikatoren war bereits Grundlage vieler gesundheitsfoumlrdernder Maszlignah-
men mit sozial benachteiligten Menschen die auch in der Literatur vielfach dokumentiert
sind Auch in der Arbeit mit behinderten Menschen ist dieses Konzept nicht neu Auf Maszlig-
nahmen zur Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung wurde es bisher kaum an-
gewandt scheint jedoch erfolgsversprechend Das Projekt GESUND welches mit einer Ber-
liner WfbM durchgefuumlhrt wird arbeitet mit diesem Konzept (vgl Burtscher 2014 S 8) Die
32
Funktion von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren besteht darin Kenntnisse und Informa-
tionen zur Gesundheit(-sfoumlrderung) der Zielgruppe mit Hilfe der ihnen innewohnenden Ver-
trauensstellung naumlher zu bringen Sie haben daher eine bdquoMittlerfunktionldquo (BVPG 2013 S 92)
zwischen Durchfuumlhrenden und Zielgruppe Voraussetzung dafuumlr ist dass sie der Zielgruppe
angehoumlren oder zumindest eine sehr enge Verbindung zu ihr besitzen Im Zuge einer Maszlig-
nahme werden sie selbst gestaumlrkt sozusagen bdquoempowertldquo Ihre Mittlerfunktion funktioniert
allerdings auch in die andere Richtung Sie bringen den Durchfuumlhrenden die Perspektive der
Zielgruppe naumlher Im Idealfall fuumlhrt der Einsatz von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren
zur Aktivierung der Zielgruppe die ihr selbstbestimmtes Handeln auch auf andere Bereiche
ausdehnen kann (vgl Stickan-Verfuumlrth 2005 S 108) Diesem Modell sehr aumlhnlich ist das
Modell des Peer-Counseling Hier stehen Mitglieder der Zielgruppe in beratender Funktion
ihrer Peer-Gruppe zur Verfuumlgung
453 Verknuumlpfung von Betrieblicher Gesundheitsfoumlrderung und Gesundheitsfoumlrderung in
Werkstaumltten fuumlr behinderte Menschen
Eine Uumlbertragung der Idee der Betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung auf die Gesundheitsfoumlrde-
rung in WfbMs scheint in der Tat realisierbar Den rechtlichen und finanziellen Rahmen hier-
fuumlr hat das 2015 beschlossene Praumlventionsgesetz geschaffen (siehe 33) Im Entwurf der Bun-
desregierung wird in der Anmerkung zum neuen sect 20 Abs 4 SGB V explizit darauf hinge-
wiesen dass Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung auch in WfbMs zum Leistungsspektrum der
Krankenkassen gehoumlrt (vgl Deutscher Bundestag 2015 S 34) Eine Etablierung hiervon in
der Praxis haumlngt in erster Linie neben den Krankenkassen auch von den Leitungen der WfbMs
ab Sollten diese hierfuumlr und auch gegenuumlber partizipativen Strukturen offen sein waumlre der in
351 kurz vorgestellte Gesundheitszirkel ein passender Startpunkt um von Beginn an auch
die Partizipation der Beschaumlftigten zu gewaumlhrleisten Analog zum Konzept der BGF koumlnnten
gemeinsam Maszlignahmen erarbeitet werden die die Gesundheit der Beschaumlftigten foumlrdern wuumlr-
den Den Vertreterinnen und Vertretern der Beschaumlftigten die im Gesundheitszirkel mitwir-
ken koumlnnte dabei die Rolle von Peer-Multiplikatorinnen und -Multiplikatoren zukommen
Als Effekte duumlrften die in 351 beschriebenen auch hier zu erwarten sein eine Verbesserung
der Gesundheit und eine Staumlrkung der gesundheitlichen Ressourcen eine Verringerung der
krankheitsbedingten Fehltage eine staumlrkere Identifikation der Beschaumlftigten mit der Werk-
33
statt ein besseres Arbeitsklima eine houmlhere Motivation und Arbeitszufriedenheit und eine
Steigerung der Produktivitaumlt
Es empfiehlt sich im Sinne der Partizipation und des Empowerments kein reines top-down-
Programm zu starten sondern einen bottom-up-Ansatz zu waumlhlen bzw zumindest mehrere
Elemente dessen einzubauen Als Anknuumlpfungspunkt koumlnnen bereits bestehende begleitende
Maszlignahmen mit passender Thematik genommen werden
Wie bdquonormaleldquo Betriebe koumlnnten auch WfbMs Kooperationen in ihrem raumlumlichen Umfeld
aufbauen und von Vernetzungen profitieren Aufgrund ihrer Groumlszlige sind sie in ihrem Sozial-
raum ein meist nicht zu unterschaumltzender Akteur
34
5 Fazit und Ausblick
Ausgehend von einem bio-psycho-sozialen Verstaumlndnis von Gesundheit wurden verschiedene
Aspekte der Gesundheitsfoumlrderung vertieft und anschlieszligend eine Verknuumlpfung zur Gesund-
heitsfoumlrderung mit behinderten Menschen hergestellt Hierbei lag der Fokus auf gesundheits-
foumlrdernden Maszlignahmen in WfbMs Dabei wurde die aktuelle Literatur zu Rate gezogen In-
ternetauftritte einiger Werkstaumltten durchsucht und Stimmen aus dem Feld von Mitarbeiterin-
nen und Mitarbeitern sowie Beschaumlftigten von Werkstaumltten gewonnen
Die Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung ist noch immer relativ schwach
ausgebaut Dies stellt sich besonders vor dem Hintergrund als problematisch dass behinderte
Menschen haumlufig anfaumllliger fuumlr Krankheiten sind und durchschnittlich uumlber einen subjektiv als
schlechter bewerteten Gesundheitsstatus verfuumlgen als nichtbehinderte Menschen Wie viele
sozial benachteiligte Gruppen sind sie verhaumlltnismaumlszligig schwer zu erreichen fuumlr gesundheits-
foumlrdernde Maszlignahmen Obwohl es in der Erreichbarkeit mehrere Probleme gibt verfuumlgen
Menschen mit Behinderung auf der anderen Seite uumlber groszlige Potentiale Das neue Praumlventi-
onsgesetz ist ein erheblicher Fortschritt bei der Finanzierung gesundheitsfoumlrdernder Maszlignah-
men Sogar eine Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung in Werkstaumltten ist wenn auch nicht ex-
plizit verankert so doch zumindest gewuumlnscht
Gelingende Gesundheitsfoumlrderung muss sich im Allgemeinen und auch bei der Arbeit mit
behinderten Menschen an bestimmten Prinzipien messen lassen Besonders wichtig vor dem
gesellschaftlichen Hintergrund ist hier die Partizipation der Menschen mit Behinderung und
damit einhergehend das Empowerment dieser Beide wirken sich positiv auf die Qualitaumlt der
gesundheitsfoumlrdernden Maszlignahmen aus gehen jedoch auch daruumlber hinaus Sie koumlnnen Men-
schen mit Behinderungen auch auf gesellschaftlicher Ebene empowern sodass ihnen eine
groumlszligere gesellschaftliche Teilhabe zukommt Somit erlangt Gesundheitsfoumlrderung auch vor
dem Hintergrund der Inklusion eine hohe Relevanz
In WfbMs ist gezielte Gesundheitsfoumlrderung bisher wenig verbreitet Einzelne Projekte sind
eher die Ausnahme denn die Regel Jedoch sind die Potentiale der Werkstaumltten enorm Das
Personal scheint haumlufig offen fuumlr Maszlignahmen zu sein und gerade die Strukturen der beglei-
tenden Maszlignahmen lieszligen eine relativ einfache Integration von Maszlignahmen zur (betriebli-
chen) Gesundheitsfoumlrderung zu Bestehende begleitende Maszlignahmen in welchen Sport oder
Bildungsangebote zu gesunder Ernaumlhrung angeboten werden koumlnnten ohne uumlbermaumlszligigen
Aufwand zu gezielten Maszlignahmen fuumlr Gesundheitsfoumlrderung ausgebaut werden Nachholbe-
darf bestuumlnde hier vor allem auf dem Gebiet der Partizipation Nur selten scheinen die Be-
35
schaumlftigten in Konzeption Planung Durchfuumlhrung und Evaluation aktiv eingebunden zu sein
In bestimmten Phasen wie etwa der Konzeption und besonders der Evaluation scheint aktive
Teilhabe noch uumlberhaupt nicht verankert zu sein Eine staumlrkere Partizipation in allen Berei-
chen waumlre mit houmlherem Arbeits- und Kostenaufwand verbunden welcher durch eine Einbin-
dung der Krankenkassen moumlglicherweise aufgefangen werden koumlnnte Die Partizipation foumlr-
dern wuumlrde auch die Etablierung von Peer-Beratung und Peer-Multiplikatorinnen und
-Multiplikatoren Diesen kaumlme beim Zugang zur Zielgruppe eine Schluumlsselfunktion zu und
gleichzeitig koumlnnten sie Bedarfe und Beduumlrfnisse dieser gegenuumlber den anderen Akteuren
kommunizieren Auch wenn es bisher keine konkreten ausgearbeiteten Konzepte zur Gesund-
heitsfoumlrderung in WfbMs gibt koumlnnten bestehende Konzepte zur Betrieblichen Gesundheits-
foumlrderung eventuell leicht uumlberarbeitet fuumlr Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung in Werkstaumltten
analog angewendet werden
Die Potentiale und Moumlglichkeiten zur Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung
in WfbMs sind also mannigfaltig und haumlufig vorhanden Auf diesen koumlnnte aufgebaut werden
um behinderten Menschen das Recht auf das in Artikel 25 der UN-BRK festgeschriebene bdquoer-
reichbare Houmlchstmaszlig an Gesundheitldquo zu ermoumlglichen
Gesundheitsfoumlrderung ist mehr als Werbeplakate an Bus- oder Straszligenbahnhaltestellen und
Clips im Aktuellen Sportstudio sie ist mehr als Sportangebote und Angebote zu gesunder
Ernaumlhrung sie ist auch ein Weg zum Erreichen eines Menschenrechtes das Recht auf Ge-
sundheit
36
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41
Anhang
Nr 1 Abbildung zu den Hauptdeterminanten der Gesundheit nach DahlgreenWhitehead
2007 S 11
Nr 2 Befragung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Beschaumlftigten der WfbMs
42
Nr 1 Abbildung zu den Hauptdeterminanten der Gesundheit nach DahlgreenWhitehead
2007 S 11
43
Nr 2 Befragung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Beschaumlftigten der WfbMs
Um moumlglichst effizient die Stimmen aus vier WfbMs unterschiedlicher Traumlger zu erheben
wurden diese auf dem Infotag der LAG WfbM Berlin am 17112015 gesammelt Hier waren
verschiedene Werkstaumltten mit Informationsstaumlnden vertreten Gewaumlhlt wurden die Werkstaumlt-
ten an deren Staumlnden der Verfasser zuerst vorbeilief Die gestellten Fragen waren stets die-
selben
Den Vertretern der Werkstatt wurde zugesichert dass ihr Name nicht in der vorliegenden Ar-
beit genannt wird lediglich ihre Position in der Werkstatt wird erwaumlhnt Es wurden auszligerdem
keine weiteren Personendaten erhoben
Wenn moumlglich sollten auszligerdem fuumlnf Beschaumlftige pro WfbM befragt werden Hierfuumlr wurde
am Ende des kurzen Interviews um Erlaubnis gefragt Den Beschaumlftigten wurden andere Fra-
gen gestellt als dem Werkstattpersonal jedoch erhielten alle Beschaumlftigten dieselben Fragen
untereinander Den Beschaumlftigen wurde komplette Anonymitaumlt in der vorliegenden Arbeit
zugesichert und es wurden keine personenbezogenen Daten abgefragt Zuerst wurde nach
ihrem Verstaumlndnis von Gesundheitsfoumlrderung gefragt Vor den Fragen 2 bis 5 wurde kurz
erklaumlrt wie Gesundheitsfoumlrderung verstanden werden kann um davon ausgehend die restli-
chen Fragen zu beantworten
Bei saumlmtlichen Interviews wurde auf Transkriptionen verzichtet es wurden lediglich die
Kernaussagen mitgeschrieben
Im Folgenden finden sich exemplarisch die jeweils gestellten Fragen
44
Fragen an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der WfbM
Name der WfbM
Position der befragten Person Begleitender Dienst
1 Was verstehen Sie unter Gesundheitsfoumlrderung
2 Was bieten Sie im Rahmen der Gesundheitsfoumlrderung an
3 Wie werden die Maszlignahmen angenommen
4 Wuumlrden Sie gerne mehr anbieten oder finden Sie die Angebote ausreichend
5 Gibt es Schwierigkeiten
6 Wie steht es um die Partizipation in den Angeboten (Werden die Angebote von Beschaumlf-
tigten mitentwickelt mitevaluiert etc)
7 Werden die Angebote evaluiert
45
Fragen an die Beschaumlftigen der WfbM
Name der WfbM
Datum
1 Wissen Sie was Gesundheitsfoumlrderung ist Wenn ja wie wuumlrden sie es beschreiben
[Moumlgliche Erklaumlrung fuumlr Beschaumlftigte die sich nichts unter Gesundheitsfoumlrderung vorstellen
koumlnnen Zur Gesundheitsfoumlrderung gehoumlrt alles was fuumlr Ihre Gesundheit gut ist zB Kur-
seMaszlignahmen usw die mit Bewegung Ernaumlhrung Wohlfuumlhlen am Arbeitsplatz oder Ent-
spannen zu tun haben]
2 Welche Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung werden Ihnen von der Werkstatt angebo-
ten
3 Werden Ihrer Meinung nach genuumlgend Angebote zur Gesundheitsfoumlrderung in der Werk-
statt angeboten
4 Duumlrfen Sie bei der Entwicklung und Evaluation (Auswertung am Ende) mitbestimmen
5 Was sind Ihre Wuumlnsche bezuumlglich der Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung
31
derte Menschen Verantwortung zu uumlbernehmen und selbststaumlndig zu agieren Dies kann bis
hin zur sog bdquoerlernten Hilflosigkeitldquo fuumlhren Vor diesem Hintergrund scheint Partizipation
umso wichtiger aber auch umso arbeitsintensiver Sie ist daher in der Praxis der Gesundheits-
foumlrderung haumlufig sehr arbeitsintensiv und benoumltigt folglich zeitliche Ressourcen und damit
einhergehend finanzielle Ressourcen (vgl Loss 2009 S 10)
Traditionell sind viele Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung top-down organisiert das be-
deutet eine Einrichtung ein Geldgeber etc plant eine Maszlignahme fuumlhrt diese durch und eva-
luiert sie Zur Erreichung der eigenen Ziele wird die Zielgruppe mobilisiert ohne ein Mitspra-
cherecht zu den einzelnen Bausteinen der Maszlignahme zu haben Diese Struktur verdeutlicht
das Maumlchteungleichwicht zwischen Anbieter und Zielgruppe und zementiert den Status be-
hinderter Menschen als Abhaumlngige und Ohnmaumlchtige Der Gegensatz zu top-down-
Programmen ist der bottom-up-Ansatz Hier findet eine Machtteilung statt da die Gesund-
heitsfoumlrderinnen und Gesundheitsfoumlrderer ihre Macht mit der Zielgruppe teilen und eher die
Rolle von Unterstuumltzerinnen und Unterstuumltzern einnehmen Die Zielgruppe soll unterstuumltzt
werden ihre eigenen Probleme festzustellen und Loumlsungen sowie Maszlignahmen zu erarbeiten
In der Planung Durchfuumlhrung und Evaluation kommt ihr damit eine aktive Rolle zu (vgl La-
verack 2010 S 77) Bottom-up-Programme scheinen daher fuumlr Partizipation und Empower-
ment geeigneter als top-down-Strukturen Allerdings schlieszligen sich beide Ansaumltze nicht
zwingend aus sondern Maszlignahmen koumlnnen Eigenschaften beider Ansaumltze aufweisen In
WfbMs scheinen Maszlignahmen sehr haumlufig top-down organisiert zu sein Die staumlrkere Veranke-
rung von bottom-up-Strukturen waumlre hier im Sinne einer Teilhabe ndash in der Werkstatt wie auch
daruumlber hinaus auf gesellschaftlicher Ebene ndash vorteilhaft und wuumlnschenswert
452 Peer-Multiplikatorinnen und -Multiplikatoren
Eine Strategie die in der Praxis der Gesundheitsfoumlrderung bereits mit positiven Ergebnissen
getestet wurde sind Peer-Multiplikatorinnen und -Multiplikatoren Das Modell der Multipli-
katorinnen und Multiplikatoren war bereits Grundlage vieler gesundheitsfoumlrdernder Maszlignah-
men mit sozial benachteiligten Menschen die auch in der Literatur vielfach dokumentiert
sind Auch in der Arbeit mit behinderten Menschen ist dieses Konzept nicht neu Auf Maszlig-
nahmen zur Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung wurde es bisher kaum an-
gewandt scheint jedoch erfolgsversprechend Das Projekt GESUND welches mit einer Ber-
liner WfbM durchgefuumlhrt wird arbeitet mit diesem Konzept (vgl Burtscher 2014 S 8) Die
32
Funktion von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren besteht darin Kenntnisse und Informa-
tionen zur Gesundheit(-sfoumlrderung) der Zielgruppe mit Hilfe der ihnen innewohnenden Ver-
trauensstellung naumlher zu bringen Sie haben daher eine bdquoMittlerfunktionldquo (BVPG 2013 S 92)
zwischen Durchfuumlhrenden und Zielgruppe Voraussetzung dafuumlr ist dass sie der Zielgruppe
angehoumlren oder zumindest eine sehr enge Verbindung zu ihr besitzen Im Zuge einer Maszlig-
nahme werden sie selbst gestaumlrkt sozusagen bdquoempowertldquo Ihre Mittlerfunktion funktioniert
allerdings auch in die andere Richtung Sie bringen den Durchfuumlhrenden die Perspektive der
Zielgruppe naumlher Im Idealfall fuumlhrt der Einsatz von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren
zur Aktivierung der Zielgruppe die ihr selbstbestimmtes Handeln auch auf andere Bereiche
ausdehnen kann (vgl Stickan-Verfuumlrth 2005 S 108) Diesem Modell sehr aumlhnlich ist das
Modell des Peer-Counseling Hier stehen Mitglieder der Zielgruppe in beratender Funktion
ihrer Peer-Gruppe zur Verfuumlgung
453 Verknuumlpfung von Betrieblicher Gesundheitsfoumlrderung und Gesundheitsfoumlrderung in
Werkstaumltten fuumlr behinderte Menschen
Eine Uumlbertragung der Idee der Betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung auf die Gesundheitsfoumlrde-
rung in WfbMs scheint in der Tat realisierbar Den rechtlichen und finanziellen Rahmen hier-
fuumlr hat das 2015 beschlossene Praumlventionsgesetz geschaffen (siehe 33) Im Entwurf der Bun-
desregierung wird in der Anmerkung zum neuen sect 20 Abs 4 SGB V explizit darauf hinge-
wiesen dass Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung auch in WfbMs zum Leistungsspektrum der
Krankenkassen gehoumlrt (vgl Deutscher Bundestag 2015 S 34) Eine Etablierung hiervon in
der Praxis haumlngt in erster Linie neben den Krankenkassen auch von den Leitungen der WfbMs
ab Sollten diese hierfuumlr und auch gegenuumlber partizipativen Strukturen offen sein waumlre der in
351 kurz vorgestellte Gesundheitszirkel ein passender Startpunkt um von Beginn an auch
die Partizipation der Beschaumlftigten zu gewaumlhrleisten Analog zum Konzept der BGF koumlnnten
gemeinsam Maszlignahmen erarbeitet werden die die Gesundheit der Beschaumlftigten foumlrdern wuumlr-
den Den Vertreterinnen und Vertretern der Beschaumlftigten die im Gesundheitszirkel mitwir-
ken koumlnnte dabei die Rolle von Peer-Multiplikatorinnen und -Multiplikatoren zukommen
Als Effekte duumlrften die in 351 beschriebenen auch hier zu erwarten sein eine Verbesserung
der Gesundheit und eine Staumlrkung der gesundheitlichen Ressourcen eine Verringerung der
krankheitsbedingten Fehltage eine staumlrkere Identifikation der Beschaumlftigten mit der Werk-
33
statt ein besseres Arbeitsklima eine houmlhere Motivation und Arbeitszufriedenheit und eine
Steigerung der Produktivitaumlt
Es empfiehlt sich im Sinne der Partizipation und des Empowerments kein reines top-down-
Programm zu starten sondern einen bottom-up-Ansatz zu waumlhlen bzw zumindest mehrere
Elemente dessen einzubauen Als Anknuumlpfungspunkt koumlnnen bereits bestehende begleitende
Maszlignahmen mit passender Thematik genommen werden
Wie bdquonormaleldquo Betriebe koumlnnten auch WfbMs Kooperationen in ihrem raumlumlichen Umfeld
aufbauen und von Vernetzungen profitieren Aufgrund ihrer Groumlszlige sind sie in ihrem Sozial-
raum ein meist nicht zu unterschaumltzender Akteur
34
5 Fazit und Ausblick
Ausgehend von einem bio-psycho-sozialen Verstaumlndnis von Gesundheit wurden verschiedene
Aspekte der Gesundheitsfoumlrderung vertieft und anschlieszligend eine Verknuumlpfung zur Gesund-
heitsfoumlrderung mit behinderten Menschen hergestellt Hierbei lag der Fokus auf gesundheits-
foumlrdernden Maszlignahmen in WfbMs Dabei wurde die aktuelle Literatur zu Rate gezogen In-
ternetauftritte einiger Werkstaumltten durchsucht und Stimmen aus dem Feld von Mitarbeiterin-
nen und Mitarbeitern sowie Beschaumlftigten von Werkstaumltten gewonnen
Die Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung ist noch immer relativ schwach
ausgebaut Dies stellt sich besonders vor dem Hintergrund als problematisch dass behinderte
Menschen haumlufig anfaumllliger fuumlr Krankheiten sind und durchschnittlich uumlber einen subjektiv als
schlechter bewerteten Gesundheitsstatus verfuumlgen als nichtbehinderte Menschen Wie viele
sozial benachteiligte Gruppen sind sie verhaumlltnismaumlszligig schwer zu erreichen fuumlr gesundheits-
foumlrdernde Maszlignahmen Obwohl es in der Erreichbarkeit mehrere Probleme gibt verfuumlgen
Menschen mit Behinderung auf der anderen Seite uumlber groszlige Potentiale Das neue Praumlventi-
onsgesetz ist ein erheblicher Fortschritt bei der Finanzierung gesundheitsfoumlrdernder Maszlignah-
men Sogar eine Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung in Werkstaumltten ist wenn auch nicht ex-
plizit verankert so doch zumindest gewuumlnscht
Gelingende Gesundheitsfoumlrderung muss sich im Allgemeinen und auch bei der Arbeit mit
behinderten Menschen an bestimmten Prinzipien messen lassen Besonders wichtig vor dem
gesellschaftlichen Hintergrund ist hier die Partizipation der Menschen mit Behinderung und
damit einhergehend das Empowerment dieser Beide wirken sich positiv auf die Qualitaumlt der
gesundheitsfoumlrdernden Maszlignahmen aus gehen jedoch auch daruumlber hinaus Sie koumlnnen Men-
schen mit Behinderungen auch auf gesellschaftlicher Ebene empowern sodass ihnen eine
groumlszligere gesellschaftliche Teilhabe zukommt Somit erlangt Gesundheitsfoumlrderung auch vor
dem Hintergrund der Inklusion eine hohe Relevanz
In WfbMs ist gezielte Gesundheitsfoumlrderung bisher wenig verbreitet Einzelne Projekte sind
eher die Ausnahme denn die Regel Jedoch sind die Potentiale der Werkstaumltten enorm Das
Personal scheint haumlufig offen fuumlr Maszlignahmen zu sein und gerade die Strukturen der beglei-
tenden Maszlignahmen lieszligen eine relativ einfache Integration von Maszlignahmen zur (betriebli-
chen) Gesundheitsfoumlrderung zu Bestehende begleitende Maszlignahmen in welchen Sport oder
Bildungsangebote zu gesunder Ernaumlhrung angeboten werden koumlnnten ohne uumlbermaumlszligigen
Aufwand zu gezielten Maszlignahmen fuumlr Gesundheitsfoumlrderung ausgebaut werden Nachholbe-
darf bestuumlnde hier vor allem auf dem Gebiet der Partizipation Nur selten scheinen die Be-
35
schaumlftigten in Konzeption Planung Durchfuumlhrung und Evaluation aktiv eingebunden zu sein
In bestimmten Phasen wie etwa der Konzeption und besonders der Evaluation scheint aktive
Teilhabe noch uumlberhaupt nicht verankert zu sein Eine staumlrkere Partizipation in allen Berei-
chen waumlre mit houmlherem Arbeits- und Kostenaufwand verbunden welcher durch eine Einbin-
dung der Krankenkassen moumlglicherweise aufgefangen werden koumlnnte Die Partizipation foumlr-
dern wuumlrde auch die Etablierung von Peer-Beratung und Peer-Multiplikatorinnen und
-Multiplikatoren Diesen kaumlme beim Zugang zur Zielgruppe eine Schluumlsselfunktion zu und
gleichzeitig koumlnnten sie Bedarfe und Beduumlrfnisse dieser gegenuumlber den anderen Akteuren
kommunizieren Auch wenn es bisher keine konkreten ausgearbeiteten Konzepte zur Gesund-
heitsfoumlrderung in WfbMs gibt koumlnnten bestehende Konzepte zur Betrieblichen Gesundheits-
foumlrderung eventuell leicht uumlberarbeitet fuumlr Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung in Werkstaumltten
analog angewendet werden
Die Potentiale und Moumlglichkeiten zur Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung
in WfbMs sind also mannigfaltig und haumlufig vorhanden Auf diesen koumlnnte aufgebaut werden
um behinderten Menschen das Recht auf das in Artikel 25 der UN-BRK festgeschriebene bdquoer-
reichbare Houmlchstmaszlig an Gesundheitldquo zu ermoumlglichen
Gesundheitsfoumlrderung ist mehr als Werbeplakate an Bus- oder Straszligenbahnhaltestellen und
Clips im Aktuellen Sportstudio sie ist mehr als Sportangebote und Angebote zu gesunder
Ernaumlhrung sie ist auch ein Weg zum Erreichen eines Menschenrechtes das Recht auf Ge-
sundheit
36
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41
Anhang
Nr 1 Abbildung zu den Hauptdeterminanten der Gesundheit nach DahlgreenWhitehead
2007 S 11
Nr 2 Befragung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Beschaumlftigten der WfbMs
42
Nr 1 Abbildung zu den Hauptdeterminanten der Gesundheit nach DahlgreenWhitehead
2007 S 11
43
Nr 2 Befragung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Beschaumlftigten der WfbMs
Um moumlglichst effizient die Stimmen aus vier WfbMs unterschiedlicher Traumlger zu erheben
wurden diese auf dem Infotag der LAG WfbM Berlin am 17112015 gesammelt Hier waren
verschiedene Werkstaumltten mit Informationsstaumlnden vertreten Gewaumlhlt wurden die Werkstaumlt-
ten an deren Staumlnden der Verfasser zuerst vorbeilief Die gestellten Fragen waren stets die-
selben
Den Vertretern der Werkstatt wurde zugesichert dass ihr Name nicht in der vorliegenden Ar-
beit genannt wird lediglich ihre Position in der Werkstatt wird erwaumlhnt Es wurden auszligerdem
keine weiteren Personendaten erhoben
Wenn moumlglich sollten auszligerdem fuumlnf Beschaumlftige pro WfbM befragt werden Hierfuumlr wurde
am Ende des kurzen Interviews um Erlaubnis gefragt Den Beschaumlftigten wurden andere Fra-
gen gestellt als dem Werkstattpersonal jedoch erhielten alle Beschaumlftigten dieselben Fragen
untereinander Den Beschaumlftigen wurde komplette Anonymitaumlt in der vorliegenden Arbeit
zugesichert und es wurden keine personenbezogenen Daten abgefragt Zuerst wurde nach
ihrem Verstaumlndnis von Gesundheitsfoumlrderung gefragt Vor den Fragen 2 bis 5 wurde kurz
erklaumlrt wie Gesundheitsfoumlrderung verstanden werden kann um davon ausgehend die restli-
chen Fragen zu beantworten
Bei saumlmtlichen Interviews wurde auf Transkriptionen verzichtet es wurden lediglich die
Kernaussagen mitgeschrieben
Im Folgenden finden sich exemplarisch die jeweils gestellten Fragen
44
Fragen an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der WfbM
Name der WfbM
Position der befragten Person Begleitender Dienst
1 Was verstehen Sie unter Gesundheitsfoumlrderung
2 Was bieten Sie im Rahmen der Gesundheitsfoumlrderung an
3 Wie werden die Maszlignahmen angenommen
4 Wuumlrden Sie gerne mehr anbieten oder finden Sie die Angebote ausreichend
5 Gibt es Schwierigkeiten
6 Wie steht es um die Partizipation in den Angeboten (Werden die Angebote von Beschaumlf-
tigten mitentwickelt mitevaluiert etc)
7 Werden die Angebote evaluiert
45
Fragen an die Beschaumlftigen der WfbM
Name der WfbM
Datum
1 Wissen Sie was Gesundheitsfoumlrderung ist Wenn ja wie wuumlrden sie es beschreiben
[Moumlgliche Erklaumlrung fuumlr Beschaumlftigte die sich nichts unter Gesundheitsfoumlrderung vorstellen
koumlnnen Zur Gesundheitsfoumlrderung gehoumlrt alles was fuumlr Ihre Gesundheit gut ist zB Kur-
seMaszlignahmen usw die mit Bewegung Ernaumlhrung Wohlfuumlhlen am Arbeitsplatz oder Ent-
spannen zu tun haben]
2 Welche Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung werden Ihnen von der Werkstatt angebo-
ten
3 Werden Ihrer Meinung nach genuumlgend Angebote zur Gesundheitsfoumlrderung in der Werk-
statt angeboten
4 Duumlrfen Sie bei der Entwicklung und Evaluation (Auswertung am Ende) mitbestimmen
5 Was sind Ihre Wuumlnsche bezuumlglich der Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung
32
Funktion von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren besteht darin Kenntnisse und Informa-
tionen zur Gesundheit(-sfoumlrderung) der Zielgruppe mit Hilfe der ihnen innewohnenden Ver-
trauensstellung naumlher zu bringen Sie haben daher eine bdquoMittlerfunktionldquo (BVPG 2013 S 92)
zwischen Durchfuumlhrenden und Zielgruppe Voraussetzung dafuumlr ist dass sie der Zielgruppe
angehoumlren oder zumindest eine sehr enge Verbindung zu ihr besitzen Im Zuge einer Maszlig-
nahme werden sie selbst gestaumlrkt sozusagen bdquoempowertldquo Ihre Mittlerfunktion funktioniert
allerdings auch in die andere Richtung Sie bringen den Durchfuumlhrenden die Perspektive der
Zielgruppe naumlher Im Idealfall fuumlhrt der Einsatz von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren
zur Aktivierung der Zielgruppe die ihr selbstbestimmtes Handeln auch auf andere Bereiche
ausdehnen kann (vgl Stickan-Verfuumlrth 2005 S 108) Diesem Modell sehr aumlhnlich ist das
Modell des Peer-Counseling Hier stehen Mitglieder der Zielgruppe in beratender Funktion
ihrer Peer-Gruppe zur Verfuumlgung
453 Verknuumlpfung von Betrieblicher Gesundheitsfoumlrderung und Gesundheitsfoumlrderung in
Werkstaumltten fuumlr behinderte Menschen
Eine Uumlbertragung der Idee der Betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung auf die Gesundheitsfoumlrde-
rung in WfbMs scheint in der Tat realisierbar Den rechtlichen und finanziellen Rahmen hier-
fuumlr hat das 2015 beschlossene Praumlventionsgesetz geschaffen (siehe 33) Im Entwurf der Bun-
desregierung wird in der Anmerkung zum neuen sect 20 Abs 4 SGB V explizit darauf hinge-
wiesen dass Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung auch in WfbMs zum Leistungsspektrum der
Krankenkassen gehoumlrt (vgl Deutscher Bundestag 2015 S 34) Eine Etablierung hiervon in
der Praxis haumlngt in erster Linie neben den Krankenkassen auch von den Leitungen der WfbMs
ab Sollten diese hierfuumlr und auch gegenuumlber partizipativen Strukturen offen sein waumlre der in
351 kurz vorgestellte Gesundheitszirkel ein passender Startpunkt um von Beginn an auch
die Partizipation der Beschaumlftigten zu gewaumlhrleisten Analog zum Konzept der BGF koumlnnten
gemeinsam Maszlignahmen erarbeitet werden die die Gesundheit der Beschaumlftigten foumlrdern wuumlr-
den Den Vertreterinnen und Vertretern der Beschaumlftigten die im Gesundheitszirkel mitwir-
ken koumlnnte dabei die Rolle von Peer-Multiplikatorinnen und -Multiplikatoren zukommen
Als Effekte duumlrften die in 351 beschriebenen auch hier zu erwarten sein eine Verbesserung
der Gesundheit und eine Staumlrkung der gesundheitlichen Ressourcen eine Verringerung der
krankheitsbedingten Fehltage eine staumlrkere Identifikation der Beschaumlftigten mit der Werk-
33
statt ein besseres Arbeitsklima eine houmlhere Motivation und Arbeitszufriedenheit und eine
Steigerung der Produktivitaumlt
Es empfiehlt sich im Sinne der Partizipation und des Empowerments kein reines top-down-
Programm zu starten sondern einen bottom-up-Ansatz zu waumlhlen bzw zumindest mehrere
Elemente dessen einzubauen Als Anknuumlpfungspunkt koumlnnen bereits bestehende begleitende
Maszlignahmen mit passender Thematik genommen werden
Wie bdquonormaleldquo Betriebe koumlnnten auch WfbMs Kooperationen in ihrem raumlumlichen Umfeld
aufbauen und von Vernetzungen profitieren Aufgrund ihrer Groumlszlige sind sie in ihrem Sozial-
raum ein meist nicht zu unterschaumltzender Akteur
34
5 Fazit und Ausblick
Ausgehend von einem bio-psycho-sozialen Verstaumlndnis von Gesundheit wurden verschiedene
Aspekte der Gesundheitsfoumlrderung vertieft und anschlieszligend eine Verknuumlpfung zur Gesund-
heitsfoumlrderung mit behinderten Menschen hergestellt Hierbei lag der Fokus auf gesundheits-
foumlrdernden Maszlignahmen in WfbMs Dabei wurde die aktuelle Literatur zu Rate gezogen In-
ternetauftritte einiger Werkstaumltten durchsucht und Stimmen aus dem Feld von Mitarbeiterin-
nen und Mitarbeitern sowie Beschaumlftigten von Werkstaumltten gewonnen
Die Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung ist noch immer relativ schwach
ausgebaut Dies stellt sich besonders vor dem Hintergrund als problematisch dass behinderte
Menschen haumlufig anfaumllliger fuumlr Krankheiten sind und durchschnittlich uumlber einen subjektiv als
schlechter bewerteten Gesundheitsstatus verfuumlgen als nichtbehinderte Menschen Wie viele
sozial benachteiligte Gruppen sind sie verhaumlltnismaumlszligig schwer zu erreichen fuumlr gesundheits-
foumlrdernde Maszlignahmen Obwohl es in der Erreichbarkeit mehrere Probleme gibt verfuumlgen
Menschen mit Behinderung auf der anderen Seite uumlber groszlige Potentiale Das neue Praumlventi-
onsgesetz ist ein erheblicher Fortschritt bei der Finanzierung gesundheitsfoumlrdernder Maszlignah-
men Sogar eine Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung in Werkstaumltten ist wenn auch nicht ex-
plizit verankert so doch zumindest gewuumlnscht
Gelingende Gesundheitsfoumlrderung muss sich im Allgemeinen und auch bei der Arbeit mit
behinderten Menschen an bestimmten Prinzipien messen lassen Besonders wichtig vor dem
gesellschaftlichen Hintergrund ist hier die Partizipation der Menschen mit Behinderung und
damit einhergehend das Empowerment dieser Beide wirken sich positiv auf die Qualitaumlt der
gesundheitsfoumlrdernden Maszlignahmen aus gehen jedoch auch daruumlber hinaus Sie koumlnnen Men-
schen mit Behinderungen auch auf gesellschaftlicher Ebene empowern sodass ihnen eine
groumlszligere gesellschaftliche Teilhabe zukommt Somit erlangt Gesundheitsfoumlrderung auch vor
dem Hintergrund der Inklusion eine hohe Relevanz
In WfbMs ist gezielte Gesundheitsfoumlrderung bisher wenig verbreitet Einzelne Projekte sind
eher die Ausnahme denn die Regel Jedoch sind die Potentiale der Werkstaumltten enorm Das
Personal scheint haumlufig offen fuumlr Maszlignahmen zu sein und gerade die Strukturen der beglei-
tenden Maszlignahmen lieszligen eine relativ einfache Integration von Maszlignahmen zur (betriebli-
chen) Gesundheitsfoumlrderung zu Bestehende begleitende Maszlignahmen in welchen Sport oder
Bildungsangebote zu gesunder Ernaumlhrung angeboten werden koumlnnten ohne uumlbermaumlszligigen
Aufwand zu gezielten Maszlignahmen fuumlr Gesundheitsfoumlrderung ausgebaut werden Nachholbe-
darf bestuumlnde hier vor allem auf dem Gebiet der Partizipation Nur selten scheinen die Be-
35
schaumlftigten in Konzeption Planung Durchfuumlhrung und Evaluation aktiv eingebunden zu sein
In bestimmten Phasen wie etwa der Konzeption und besonders der Evaluation scheint aktive
Teilhabe noch uumlberhaupt nicht verankert zu sein Eine staumlrkere Partizipation in allen Berei-
chen waumlre mit houmlherem Arbeits- und Kostenaufwand verbunden welcher durch eine Einbin-
dung der Krankenkassen moumlglicherweise aufgefangen werden koumlnnte Die Partizipation foumlr-
dern wuumlrde auch die Etablierung von Peer-Beratung und Peer-Multiplikatorinnen und
-Multiplikatoren Diesen kaumlme beim Zugang zur Zielgruppe eine Schluumlsselfunktion zu und
gleichzeitig koumlnnten sie Bedarfe und Beduumlrfnisse dieser gegenuumlber den anderen Akteuren
kommunizieren Auch wenn es bisher keine konkreten ausgearbeiteten Konzepte zur Gesund-
heitsfoumlrderung in WfbMs gibt koumlnnten bestehende Konzepte zur Betrieblichen Gesundheits-
foumlrderung eventuell leicht uumlberarbeitet fuumlr Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung in Werkstaumltten
analog angewendet werden
Die Potentiale und Moumlglichkeiten zur Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung
in WfbMs sind also mannigfaltig und haumlufig vorhanden Auf diesen koumlnnte aufgebaut werden
um behinderten Menschen das Recht auf das in Artikel 25 der UN-BRK festgeschriebene bdquoer-
reichbare Houmlchstmaszlig an Gesundheitldquo zu ermoumlglichen
Gesundheitsfoumlrderung ist mehr als Werbeplakate an Bus- oder Straszligenbahnhaltestellen und
Clips im Aktuellen Sportstudio sie ist mehr als Sportangebote und Angebote zu gesunder
Ernaumlhrung sie ist auch ein Weg zum Erreichen eines Menschenrechtes das Recht auf Ge-
sundheit
36
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41
Anhang
Nr 1 Abbildung zu den Hauptdeterminanten der Gesundheit nach DahlgreenWhitehead
2007 S 11
Nr 2 Befragung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Beschaumlftigten der WfbMs
42
Nr 1 Abbildung zu den Hauptdeterminanten der Gesundheit nach DahlgreenWhitehead
2007 S 11
43
Nr 2 Befragung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Beschaumlftigten der WfbMs
Um moumlglichst effizient die Stimmen aus vier WfbMs unterschiedlicher Traumlger zu erheben
wurden diese auf dem Infotag der LAG WfbM Berlin am 17112015 gesammelt Hier waren
verschiedene Werkstaumltten mit Informationsstaumlnden vertreten Gewaumlhlt wurden die Werkstaumlt-
ten an deren Staumlnden der Verfasser zuerst vorbeilief Die gestellten Fragen waren stets die-
selben
Den Vertretern der Werkstatt wurde zugesichert dass ihr Name nicht in der vorliegenden Ar-
beit genannt wird lediglich ihre Position in der Werkstatt wird erwaumlhnt Es wurden auszligerdem
keine weiteren Personendaten erhoben
Wenn moumlglich sollten auszligerdem fuumlnf Beschaumlftige pro WfbM befragt werden Hierfuumlr wurde
am Ende des kurzen Interviews um Erlaubnis gefragt Den Beschaumlftigten wurden andere Fra-
gen gestellt als dem Werkstattpersonal jedoch erhielten alle Beschaumlftigten dieselben Fragen
untereinander Den Beschaumlftigen wurde komplette Anonymitaumlt in der vorliegenden Arbeit
zugesichert und es wurden keine personenbezogenen Daten abgefragt Zuerst wurde nach
ihrem Verstaumlndnis von Gesundheitsfoumlrderung gefragt Vor den Fragen 2 bis 5 wurde kurz
erklaumlrt wie Gesundheitsfoumlrderung verstanden werden kann um davon ausgehend die restli-
chen Fragen zu beantworten
Bei saumlmtlichen Interviews wurde auf Transkriptionen verzichtet es wurden lediglich die
Kernaussagen mitgeschrieben
Im Folgenden finden sich exemplarisch die jeweils gestellten Fragen
44
Fragen an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der WfbM
Name der WfbM
Position der befragten Person Begleitender Dienst
1 Was verstehen Sie unter Gesundheitsfoumlrderung
2 Was bieten Sie im Rahmen der Gesundheitsfoumlrderung an
3 Wie werden die Maszlignahmen angenommen
4 Wuumlrden Sie gerne mehr anbieten oder finden Sie die Angebote ausreichend
5 Gibt es Schwierigkeiten
6 Wie steht es um die Partizipation in den Angeboten (Werden die Angebote von Beschaumlf-
tigten mitentwickelt mitevaluiert etc)
7 Werden die Angebote evaluiert
45
Fragen an die Beschaumlftigen der WfbM
Name der WfbM
Datum
1 Wissen Sie was Gesundheitsfoumlrderung ist Wenn ja wie wuumlrden sie es beschreiben
[Moumlgliche Erklaumlrung fuumlr Beschaumlftigte die sich nichts unter Gesundheitsfoumlrderung vorstellen
koumlnnen Zur Gesundheitsfoumlrderung gehoumlrt alles was fuumlr Ihre Gesundheit gut ist zB Kur-
seMaszlignahmen usw die mit Bewegung Ernaumlhrung Wohlfuumlhlen am Arbeitsplatz oder Ent-
spannen zu tun haben]
2 Welche Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung werden Ihnen von der Werkstatt angebo-
ten
3 Werden Ihrer Meinung nach genuumlgend Angebote zur Gesundheitsfoumlrderung in der Werk-
statt angeboten
4 Duumlrfen Sie bei der Entwicklung und Evaluation (Auswertung am Ende) mitbestimmen
5 Was sind Ihre Wuumlnsche bezuumlglich der Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung
33
statt ein besseres Arbeitsklima eine houmlhere Motivation und Arbeitszufriedenheit und eine
Steigerung der Produktivitaumlt
Es empfiehlt sich im Sinne der Partizipation und des Empowerments kein reines top-down-
Programm zu starten sondern einen bottom-up-Ansatz zu waumlhlen bzw zumindest mehrere
Elemente dessen einzubauen Als Anknuumlpfungspunkt koumlnnen bereits bestehende begleitende
Maszlignahmen mit passender Thematik genommen werden
Wie bdquonormaleldquo Betriebe koumlnnten auch WfbMs Kooperationen in ihrem raumlumlichen Umfeld
aufbauen und von Vernetzungen profitieren Aufgrund ihrer Groumlszlige sind sie in ihrem Sozial-
raum ein meist nicht zu unterschaumltzender Akteur
34
5 Fazit und Ausblick
Ausgehend von einem bio-psycho-sozialen Verstaumlndnis von Gesundheit wurden verschiedene
Aspekte der Gesundheitsfoumlrderung vertieft und anschlieszligend eine Verknuumlpfung zur Gesund-
heitsfoumlrderung mit behinderten Menschen hergestellt Hierbei lag der Fokus auf gesundheits-
foumlrdernden Maszlignahmen in WfbMs Dabei wurde die aktuelle Literatur zu Rate gezogen In-
ternetauftritte einiger Werkstaumltten durchsucht und Stimmen aus dem Feld von Mitarbeiterin-
nen und Mitarbeitern sowie Beschaumlftigten von Werkstaumltten gewonnen
Die Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung ist noch immer relativ schwach
ausgebaut Dies stellt sich besonders vor dem Hintergrund als problematisch dass behinderte
Menschen haumlufig anfaumllliger fuumlr Krankheiten sind und durchschnittlich uumlber einen subjektiv als
schlechter bewerteten Gesundheitsstatus verfuumlgen als nichtbehinderte Menschen Wie viele
sozial benachteiligte Gruppen sind sie verhaumlltnismaumlszligig schwer zu erreichen fuumlr gesundheits-
foumlrdernde Maszlignahmen Obwohl es in der Erreichbarkeit mehrere Probleme gibt verfuumlgen
Menschen mit Behinderung auf der anderen Seite uumlber groszlige Potentiale Das neue Praumlventi-
onsgesetz ist ein erheblicher Fortschritt bei der Finanzierung gesundheitsfoumlrdernder Maszlignah-
men Sogar eine Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung in Werkstaumltten ist wenn auch nicht ex-
plizit verankert so doch zumindest gewuumlnscht
Gelingende Gesundheitsfoumlrderung muss sich im Allgemeinen und auch bei der Arbeit mit
behinderten Menschen an bestimmten Prinzipien messen lassen Besonders wichtig vor dem
gesellschaftlichen Hintergrund ist hier die Partizipation der Menschen mit Behinderung und
damit einhergehend das Empowerment dieser Beide wirken sich positiv auf die Qualitaumlt der
gesundheitsfoumlrdernden Maszlignahmen aus gehen jedoch auch daruumlber hinaus Sie koumlnnen Men-
schen mit Behinderungen auch auf gesellschaftlicher Ebene empowern sodass ihnen eine
groumlszligere gesellschaftliche Teilhabe zukommt Somit erlangt Gesundheitsfoumlrderung auch vor
dem Hintergrund der Inklusion eine hohe Relevanz
In WfbMs ist gezielte Gesundheitsfoumlrderung bisher wenig verbreitet Einzelne Projekte sind
eher die Ausnahme denn die Regel Jedoch sind die Potentiale der Werkstaumltten enorm Das
Personal scheint haumlufig offen fuumlr Maszlignahmen zu sein und gerade die Strukturen der beglei-
tenden Maszlignahmen lieszligen eine relativ einfache Integration von Maszlignahmen zur (betriebli-
chen) Gesundheitsfoumlrderung zu Bestehende begleitende Maszlignahmen in welchen Sport oder
Bildungsangebote zu gesunder Ernaumlhrung angeboten werden koumlnnten ohne uumlbermaumlszligigen
Aufwand zu gezielten Maszlignahmen fuumlr Gesundheitsfoumlrderung ausgebaut werden Nachholbe-
darf bestuumlnde hier vor allem auf dem Gebiet der Partizipation Nur selten scheinen die Be-
35
schaumlftigten in Konzeption Planung Durchfuumlhrung und Evaluation aktiv eingebunden zu sein
In bestimmten Phasen wie etwa der Konzeption und besonders der Evaluation scheint aktive
Teilhabe noch uumlberhaupt nicht verankert zu sein Eine staumlrkere Partizipation in allen Berei-
chen waumlre mit houmlherem Arbeits- und Kostenaufwand verbunden welcher durch eine Einbin-
dung der Krankenkassen moumlglicherweise aufgefangen werden koumlnnte Die Partizipation foumlr-
dern wuumlrde auch die Etablierung von Peer-Beratung und Peer-Multiplikatorinnen und
-Multiplikatoren Diesen kaumlme beim Zugang zur Zielgruppe eine Schluumlsselfunktion zu und
gleichzeitig koumlnnten sie Bedarfe und Beduumlrfnisse dieser gegenuumlber den anderen Akteuren
kommunizieren Auch wenn es bisher keine konkreten ausgearbeiteten Konzepte zur Gesund-
heitsfoumlrderung in WfbMs gibt koumlnnten bestehende Konzepte zur Betrieblichen Gesundheits-
foumlrderung eventuell leicht uumlberarbeitet fuumlr Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung in Werkstaumltten
analog angewendet werden
Die Potentiale und Moumlglichkeiten zur Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung
in WfbMs sind also mannigfaltig und haumlufig vorhanden Auf diesen koumlnnte aufgebaut werden
um behinderten Menschen das Recht auf das in Artikel 25 der UN-BRK festgeschriebene bdquoer-
reichbare Houmlchstmaszlig an Gesundheitldquo zu ermoumlglichen
Gesundheitsfoumlrderung ist mehr als Werbeplakate an Bus- oder Straszligenbahnhaltestellen und
Clips im Aktuellen Sportstudio sie ist mehr als Sportangebote und Angebote zu gesunder
Ernaumlhrung sie ist auch ein Weg zum Erreichen eines Menschenrechtes das Recht auf Ge-
sundheit
36
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41
Anhang
Nr 1 Abbildung zu den Hauptdeterminanten der Gesundheit nach DahlgreenWhitehead
2007 S 11
Nr 2 Befragung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Beschaumlftigten der WfbMs
42
Nr 1 Abbildung zu den Hauptdeterminanten der Gesundheit nach DahlgreenWhitehead
2007 S 11
43
Nr 2 Befragung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Beschaumlftigten der WfbMs
Um moumlglichst effizient die Stimmen aus vier WfbMs unterschiedlicher Traumlger zu erheben
wurden diese auf dem Infotag der LAG WfbM Berlin am 17112015 gesammelt Hier waren
verschiedene Werkstaumltten mit Informationsstaumlnden vertreten Gewaumlhlt wurden die Werkstaumlt-
ten an deren Staumlnden der Verfasser zuerst vorbeilief Die gestellten Fragen waren stets die-
selben
Den Vertretern der Werkstatt wurde zugesichert dass ihr Name nicht in der vorliegenden Ar-
beit genannt wird lediglich ihre Position in der Werkstatt wird erwaumlhnt Es wurden auszligerdem
keine weiteren Personendaten erhoben
Wenn moumlglich sollten auszligerdem fuumlnf Beschaumlftige pro WfbM befragt werden Hierfuumlr wurde
am Ende des kurzen Interviews um Erlaubnis gefragt Den Beschaumlftigten wurden andere Fra-
gen gestellt als dem Werkstattpersonal jedoch erhielten alle Beschaumlftigten dieselben Fragen
untereinander Den Beschaumlftigen wurde komplette Anonymitaumlt in der vorliegenden Arbeit
zugesichert und es wurden keine personenbezogenen Daten abgefragt Zuerst wurde nach
ihrem Verstaumlndnis von Gesundheitsfoumlrderung gefragt Vor den Fragen 2 bis 5 wurde kurz
erklaumlrt wie Gesundheitsfoumlrderung verstanden werden kann um davon ausgehend die restli-
chen Fragen zu beantworten
Bei saumlmtlichen Interviews wurde auf Transkriptionen verzichtet es wurden lediglich die
Kernaussagen mitgeschrieben
Im Folgenden finden sich exemplarisch die jeweils gestellten Fragen
44
Fragen an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der WfbM
Name der WfbM
Position der befragten Person Begleitender Dienst
1 Was verstehen Sie unter Gesundheitsfoumlrderung
2 Was bieten Sie im Rahmen der Gesundheitsfoumlrderung an
3 Wie werden die Maszlignahmen angenommen
4 Wuumlrden Sie gerne mehr anbieten oder finden Sie die Angebote ausreichend
5 Gibt es Schwierigkeiten
6 Wie steht es um die Partizipation in den Angeboten (Werden die Angebote von Beschaumlf-
tigten mitentwickelt mitevaluiert etc)
7 Werden die Angebote evaluiert
45
Fragen an die Beschaumlftigen der WfbM
Name der WfbM
Datum
1 Wissen Sie was Gesundheitsfoumlrderung ist Wenn ja wie wuumlrden sie es beschreiben
[Moumlgliche Erklaumlrung fuumlr Beschaumlftigte die sich nichts unter Gesundheitsfoumlrderung vorstellen
koumlnnen Zur Gesundheitsfoumlrderung gehoumlrt alles was fuumlr Ihre Gesundheit gut ist zB Kur-
seMaszlignahmen usw die mit Bewegung Ernaumlhrung Wohlfuumlhlen am Arbeitsplatz oder Ent-
spannen zu tun haben]
2 Welche Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung werden Ihnen von der Werkstatt angebo-
ten
3 Werden Ihrer Meinung nach genuumlgend Angebote zur Gesundheitsfoumlrderung in der Werk-
statt angeboten
4 Duumlrfen Sie bei der Entwicklung und Evaluation (Auswertung am Ende) mitbestimmen
5 Was sind Ihre Wuumlnsche bezuumlglich der Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung
34
5 Fazit und Ausblick
Ausgehend von einem bio-psycho-sozialen Verstaumlndnis von Gesundheit wurden verschiedene
Aspekte der Gesundheitsfoumlrderung vertieft und anschlieszligend eine Verknuumlpfung zur Gesund-
heitsfoumlrderung mit behinderten Menschen hergestellt Hierbei lag der Fokus auf gesundheits-
foumlrdernden Maszlignahmen in WfbMs Dabei wurde die aktuelle Literatur zu Rate gezogen In-
ternetauftritte einiger Werkstaumltten durchsucht und Stimmen aus dem Feld von Mitarbeiterin-
nen und Mitarbeitern sowie Beschaumlftigten von Werkstaumltten gewonnen
Die Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung ist noch immer relativ schwach
ausgebaut Dies stellt sich besonders vor dem Hintergrund als problematisch dass behinderte
Menschen haumlufig anfaumllliger fuumlr Krankheiten sind und durchschnittlich uumlber einen subjektiv als
schlechter bewerteten Gesundheitsstatus verfuumlgen als nichtbehinderte Menschen Wie viele
sozial benachteiligte Gruppen sind sie verhaumlltnismaumlszligig schwer zu erreichen fuumlr gesundheits-
foumlrdernde Maszlignahmen Obwohl es in der Erreichbarkeit mehrere Probleme gibt verfuumlgen
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schen mit Behinderungen auch auf gesellschaftlicher Ebene empowern sodass ihnen eine
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In WfbMs ist gezielte Gesundheitsfoumlrderung bisher wenig verbreitet Einzelne Projekte sind
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41
Anhang
Nr 1 Abbildung zu den Hauptdeterminanten der Gesundheit nach DahlgreenWhitehead
2007 S 11
Nr 2 Befragung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Beschaumlftigten der WfbMs
42
Nr 1 Abbildung zu den Hauptdeterminanten der Gesundheit nach DahlgreenWhitehead
2007 S 11
43
Nr 2 Befragung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Beschaumlftigten der WfbMs
Um moumlglichst effizient die Stimmen aus vier WfbMs unterschiedlicher Traumlger zu erheben
wurden diese auf dem Infotag der LAG WfbM Berlin am 17112015 gesammelt Hier waren
verschiedene Werkstaumltten mit Informationsstaumlnden vertreten Gewaumlhlt wurden die Werkstaumlt-
ten an deren Staumlnden der Verfasser zuerst vorbeilief Die gestellten Fragen waren stets die-
selben
Den Vertretern der Werkstatt wurde zugesichert dass ihr Name nicht in der vorliegenden Ar-
beit genannt wird lediglich ihre Position in der Werkstatt wird erwaumlhnt Es wurden auszligerdem
keine weiteren Personendaten erhoben
Wenn moumlglich sollten auszligerdem fuumlnf Beschaumlftige pro WfbM befragt werden Hierfuumlr wurde
am Ende des kurzen Interviews um Erlaubnis gefragt Den Beschaumlftigten wurden andere Fra-
gen gestellt als dem Werkstattpersonal jedoch erhielten alle Beschaumlftigten dieselben Fragen
untereinander Den Beschaumlftigen wurde komplette Anonymitaumlt in der vorliegenden Arbeit
zugesichert und es wurden keine personenbezogenen Daten abgefragt Zuerst wurde nach
ihrem Verstaumlndnis von Gesundheitsfoumlrderung gefragt Vor den Fragen 2 bis 5 wurde kurz
erklaumlrt wie Gesundheitsfoumlrderung verstanden werden kann um davon ausgehend die restli-
chen Fragen zu beantworten
Bei saumlmtlichen Interviews wurde auf Transkriptionen verzichtet es wurden lediglich die
Kernaussagen mitgeschrieben
Im Folgenden finden sich exemplarisch die jeweils gestellten Fragen
44
Fragen an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der WfbM
Name der WfbM
Position der befragten Person Begleitender Dienst
1 Was verstehen Sie unter Gesundheitsfoumlrderung
2 Was bieten Sie im Rahmen der Gesundheitsfoumlrderung an
3 Wie werden die Maszlignahmen angenommen
4 Wuumlrden Sie gerne mehr anbieten oder finden Sie die Angebote ausreichend
5 Gibt es Schwierigkeiten
6 Wie steht es um die Partizipation in den Angeboten (Werden die Angebote von Beschaumlf-
tigten mitentwickelt mitevaluiert etc)
7 Werden die Angebote evaluiert
45
Fragen an die Beschaumlftigen der WfbM
Name der WfbM
Datum
1 Wissen Sie was Gesundheitsfoumlrderung ist Wenn ja wie wuumlrden sie es beschreiben
[Moumlgliche Erklaumlrung fuumlr Beschaumlftigte die sich nichts unter Gesundheitsfoumlrderung vorstellen
koumlnnen Zur Gesundheitsfoumlrderung gehoumlrt alles was fuumlr Ihre Gesundheit gut ist zB Kur-
seMaszlignahmen usw die mit Bewegung Ernaumlhrung Wohlfuumlhlen am Arbeitsplatz oder Ent-
spannen zu tun haben]
2 Welche Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung werden Ihnen von der Werkstatt angebo-
ten
3 Werden Ihrer Meinung nach genuumlgend Angebote zur Gesundheitsfoumlrderung in der Werk-
statt angeboten
4 Duumlrfen Sie bei der Entwicklung und Evaluation (Auswertung am Ende) mitbestimmen
5 Was sind Ihre Wuumlnsche bezuumlglich der Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung
35
schaumlftigten in Konzeption Planung Durchfuumlhrung und Evaluation aktiv eingebunden zu sein
In bestimmten Phasen wie etwa der Konzeption und besonders der Evaluation scheint aktive
Teilhabe noch uumlberhaupt nicht verankert zu sein Eine staumlrkere Partizipation in allen Berei-
chen waumlre mit houmlherem Arbeits- und Kostenaufwand verbunden welcher durch eine Einbin-
dung der Krankenkassen moumlglicherweise aufgefangen werden koumlnnte Die Partizipation foumlr-
dern wuumlrde auch die Etablierung von Peer-Beratung und Peer-Multiplikatorinnen und
-Multiplikatoren Diesen kaumlme beim Zugang zur Zielgruppe eine Schluumlsselfunktion zu und
gleichzeitig koumlnnten sie Bedarfe und Beduumlrfnisse dieser gegenuumlber den anderen Akteuren
kommunizieren Auch wenn es bisher keine konkreten ausgearbeiteten Konzepte zur Gesund-
heitsfoumlrderung in WfbMs gibt koumlnnten bestehende Konzepte zur Betrieblichen Gesundheits-
foumlrderung eventuell leicht uumlberarbeitet fuumlr Betriebliche Gesundheitsfoumlrderung in Werkstaumltten
analog angewendet werden
Die Potentiale und Moumlglichkeiten zur Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinderung
in WfbMs sind also mannigfaltig und haumlufig vorhanden Auf diesen koumlnnte aufgebaut werden
um behinderten Menschen das Recht auf das in Artikel 25 der UN-BRK festgeschriebene bdquoer-
reichbare Houmlchstmaszlig an Gesundheitldquo zu ermoumlglichen
Gesundheitsfoumlrderung ist mehr als Werbeplakate an Bus- oder Straszligenbahnhaltestellen und
Clips im Aktuellen Sportstudio sie ist mehr als Sportangebote und Angebote zu gesunder
Ernaumlhrung sie ist auch ein Weg zum Erreichen eines Menschenrechtes das Recht auf Ge-
sundheit
36
6 Literatur
Altgeld Thomas (2008) Gesundheitsfoumlrderungspotenziale bei Menschen mit Behinderungen
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der Gesundheitsfoumlrderung und Praumlvention In Wright Michael T (Hrsg) Partizipative
Qualitaumltsentwicklung in der Gesundheitsfoumlrderung und Praumlvention Bern Verlag Hans Hu-
ber S 35 ndash 52
40
Weiterfuumlhrende Literatur
Brehmer-Rinderer BarbaraWeber Germain (2013) Gesundheitsfoumlrderung von Menschen
mit intellektueller Behinderung Stand der Forschung und aktuelle Problembereiche In
Zeitschrift fuumlr Gesundheitspsychologie 21 JgHeft 3 S 144 ndash 156
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(Abrufdatum 05092015)
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mierung in der Gesundheitsfoumlrderung von Menschen mit Entwicklungsverzoumlgerungen In
Schmidt Bettina (Hrsg) Akzeptierende Gesundheitsfoumlrderung Unterstuumltzung zwischen
Einmischung und Vernachlaumlssigung WeinheimBasel Beltz Juventa S 143 ndash 155
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Hurrelmann KlausKlotz TheodorHaisch Jochen (Hrsg) Lehrbuch Praumlvention und Ge-
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Strauch StefanieSchliermann Rainer (2010) Effekte eines Sport- und Bewegungsangebotes
auf die Motorik und das Koumlrperselbstkonzept bei Erwachsenen mit geistiger Behinderung
In Heilpaumldagogische Forschung 36 BandHeft 2 S 54 ndash 64
41
Anhang
Nr 1 Abbildung zu den Hauptdeterminanten der Gesundheit nach DahlgreenWhitehead
2007 S 11
Nr 2 Befragung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Beschaumlftigten der WfbMs
42
Nr 1 Abbildung zu den Hauptdeterminanten der Gesundheit nach DahlgreenWhitehead
2007 S 11
43
Nr 2 Befragung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Beschaumlftigten der WfbMs
Um moumlglichst effizient die Stimmen aus vier WfbMs unterschiedlicher Traumlger zu erheben
wurden diese auf dem Infotag der LAG WfbM Berlin am 17112015 gesammelt Hier waren
verschiedene Werkstaumltten mit Informationsstaumlnden vertreten Gewaumlhlt wurden die Werkstaumlt-
ten an deren Staumlnden der Verfasser zuerst vorbeilief Die gestellten Fragen waren stets die-
selben
Den Vertretern der Werkstatt wurde zugesichert dass ihr Name nicht in der vorliegenden Ar-
beit genannt wird lediglich ihre Position in der Werkstatt wird erwaumlhnt Es wurden auszligerdem
keine weiteren Personendaten erhoben
Wenn moumlglich sollten auszligerdem fuumlnf Beschaumlftige pro WfbM befragt werden Hierfuumlr wurde
am Ende des kurzen Interviews um Erlaubnis gefragt Den Beschaumlftigten wurden andere Fra-
gen gestellt als dem Werkstattpersonal jedoch erhielten alle Beschaumlftigten dieselben Fragen
untereinander Den Beschaumlftigen wurde komplette Anonymitaumlt in der vorliegenden Arbeit
zugesichert und es wurden keine personenbezogenen Daten abgefragt Zuerst wurde nach
ihrem Verstaumlndnis von Gesundheitsfoumlrderung gefragt Vor den Fragen 2 bis 5 wurde kurz
erklaumlrt wie Gesundheitsfoumlrderung verstanden werden kann um davon ausgehend die restli-
chen Fragen zu beantworten
Bei saumlmtlichen Interviews wurde auf Transkriptionen verzichtet es wurden lediglich die
Kernaussagen mitgeschrieben
Im Folgenden finden sich exemplarisch die jeweils gestellten Fragen
44
Fragen an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der WfbM
Name der WfbM
Position der befragten Person Begleitender Dienst
1 Was verstehen Sie unter Gesundheitsfoumlrderung
2 Was bieten Sie im Rahmen der Gesundheitsfoumlrderung an
3 Wie werden die Maszlignahmen angenommen
4 Wuumlrden Sie gerne mehr anbieten oder finden Sie die Angebote ausreichend
5 Gibt es Schwierigkeiten
6 Wie steht es um die Partizipation in den Angeboten (Werden die Angebote von Beschaumlf-
tigten mitentwickelt mitevaluiert etc)
7 Werden die Angebote evaluiert
45
Fragen an die Beschaumlftigen der WfbM
Name der WfbM
Datum
1 Wissen Sie was Gesundheitsfoumlrderung ist Wenn ja wie wuumlrden sie es beschreiben
[Moumlgliche Erklaumlrung fuumlr Beschaumlftigte die sich nichts unter Gesundheitsfoumlrderung vorstellen
koumlnnen Zur Gesundheitsfoumlrderung gehoumlrt alles was fuumlr Ihre Gesundheit gut ist zB Kur-
seMaszlignahmen usw die mit Bewegung Ernaumlhrung Wohlfuumlhlen am Arbeitsplatz oder Ent-
spannen zu tun haben]
2 Welche Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung werden Ihnen von der Werkstatt angebo-
ten
3 Werden Ihrer Meinung nach genuumlgend Angebote zur Gesundheitsfoumlrderung in der Werk-
statt angeboten
4 Duumlrfen Sie bei der Entwicklung und Evaluation (Auswertung am Ende) mitbestimmen
5 Was sind Ihre Wuumlnsche bezuumlglich der Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung
36
6 Literatur
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Kooperationsverbund Gesundheitliche Chancengleichheit (2007) Dokumentation der Fachta-
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on In Zeitschrift fuumlr Inklusion-online o JgHeft 2 Im Internet unter
httpwwwinklusion-onlinenetindexphpinklusion-onlinearticleview1313 (Abrufda-
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Strauch StefanieSchliermann Rainer (2010) Effekte eines Sport- und Bewegungsangebotes
auf die Motorik und das Koumlrperselbstkonzept bei Erwachsenen mit geistiger Behinderung
In Heilpaumldagogische Forschung 36 BandHeft 2 S 54 ndash 64
41
Anhang
Nr 1 Abbildung zu den Hauptdeterminanten der Gesundheit nach DahlgreenWhitehead
2007 S 11
Nr 2 Befragung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Beschaumlftigten der WfbMs
42
Nr 1 Abbildung zu den Hauptdeterminanten der Gesundheit nach DahlgreenWhitehead
2007 S 11
43
Nr 2 Befragung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Beschaumlftigten der WfbMs
Um moumlglichst effizient die Stimmen aus vier WfbMs unterschiedlicher Traumlger zu erheben
wurden diese auf dem Infotag der LAG WfbM Berlin am 17112015 gesammelt Hier waren
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Den Vertretern der Werkstatt wurde zugesichert dass ihr Name nicht in der vorliegenden Ar-
beit genannt wird lediglich ihre Position in der Werkstatt wird erwaumlhnt Es wurden auszligerdem
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ihrem Verstaumlndnis von Gesundheitsfoumlrderung gefragt Vor den Fragen 2 bis 5 wurde kurz
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Bei saumlmtlichen Interviews wurde auf Transkriptionen verzichtet es wurden lediglich die
Kernaussagen mitgeschrieben
Im Folgenden finden sich exemplarisch die jeweils gestellten Fragen
44
Fragen an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der WfbM
Name der WfbM
Position der befragten Person Begleitender Dienst
1 Was verstehen Sie unter Gesundheitsfoumlrderung
2 Was bieten Sie im Rahmen der Gesundheitsfoumlrderung an
3 Wie werden die Maszlignahmen angenommen
4 Wuumlrden Sie gerne mehr anbieten oder finden Sie die Angebote ausreichend
5 Gibt es Schwierigkeiten
6 Wie steht es um die Partizipation in den Angeboten (Werden die Angebote von Beschaumlf-
tigten mitentwickelt mitevaluiert etc)
7 Werden die Angebote evaluiert
45
Fragen an die Beschaumlftigen der WfbM
Name der WfbM
Datum
1 Wissen Sie was Gesundheitsfoumlrderung ist Wenn ja wie wuumlrden sie es beschreiben
[Moumlgliche Erklaumlrung fuumlr Beschaumlftigte die sich nichts unter Gesundheitsfoumlrderung vorstellen
koumlnnen Zur Gesundheitsfoumlrderung gehoumlrt alles was fuumlr Ihre Gesundheit gut ist zB Kur-
seMaszlignahmen usw die mit Bewegung Ernaumlhrung Wohlfuumlhlen am Arbeitsplatz oder Ent-
spannen zu tun haben]
2 Welche Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung werden Ihnen von der Werkstatt angebo-
ten
3 Werden Ihrer Meinung nach genuumlgend Angebote zur Gesundheitsfoumlrderung in der Werk-
statt angeboten
4 Duumlrfen Sie bei der Entwicklung und Evaluation (Auswertung am Ende) mitbestimmen
5 Was sind Ihre Wuumlnsche bezuumlglich der Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung
37
Deutscher Bundestag (2015) Gesetzentwurf der Bundesregierung Entwurf eines Gesetzes
zur Staumlrkung der Gesundheitsfoumlrderung und der Praumlvention (Praumlventionsgesetz ndash PraumlvG)
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sundheitsfoumlrderung und Selbsthilfe Band Nr 14 Bremerhaven Wirtschaftsverlag NW ndash
Verlag fuumlr neue Wissenschaft GmbH S 19 ndash 24
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Hannack ElkeRaumlder Evelyn (2011) Auf dem Weg zu guter Arbeit ndash Gesundheit in der Ar-
beitswelt In Schott ThomasHornberg Claudia Die Gesellschaft und ihre Gesundheit 20
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VS Verlag fuumlr Sozialwissenschaften S 433 ndash 444
Hartung SusanneRosenbrock Rolf (2015) SettingansatzLebensweltansatz Im Internet un-
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satzmarksuchwort=1 (Abrufdatum 30102015)
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Juventa Verlag 6 Aufl
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sundheitsfoumlrderung In Hurrelmann KlausKlotz TheodorHaisch Jochen (Hrsg) Lehr-
buch Praumlvention und Gesundheitsfoumlrderung Bern Verlag Hans Huber 3 Aufl S 13 ndash 23
Lampert Thomas et al (2013) Soziooumlkonomischer Status und Gesundheit Ergebnisse der
Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS1) Berlin Heidelberg Sprin-
ger-Verlag Im Internet unter httpedocrkideoaarticlesreLuDm5PVIZYPDF26Hk
qtdFJnIbwpdf (Abrufdatum 06102015)
Laverack Glenn (Hrsg) (2010) Gesundheitsfoumlrderung amp Empowerment Grundlagen und
Methoden mit vielen Beispielen aus der praktischen Arbeit Werbach-Gamburg Verlag fuumlr
Gesundheitsfoumlrderung
38
Lennox Nicholas (2002) Health Promotion and Disease Prevention In Prasher Vee
PJanicki Matthew P Physical Health of Adults with Intellectual Disabilities Bodmin
Cornwall MPG Books S 230 ndash 251
Loss Julika (2009) Partizipation sozial benachteiligter Bevoumllkerungsgruppen ndash Herausforde-
rungen und Voraussetzungen In Impuse Newsletter zur Gesundheitsfoumlrderung o Jg
Heft 3 S 1011 Im Internet unter httpwwwgesundheit-ndsdeCMSimagesstories
PDFsoimpulseimpulse64_ohne_Bilderpdf (Abrufdatum 21102015)
Marks BethSisirak JasminaHeller Tamar (2010) Health Matters for People with Devel-
opmental Disabilities Creating a Sustainable Health Promotion Program Baltimore Mary-
land USA Paul H Brooks Publishing Co
Mielck Andreas (2010) Konzepte sozialer Gerechtigkeit im Kontext nachhaltiger Gesund-
heitsfoumlrderung In Goumlpel EberhardGesundheitsAkademie eV (Hrsg) Nachhaltige Ge-
sundheitsfoumlrderung Gesundheit gemeinsam gestalten ndash Band 4 Frankfurt am Main Mabu-
se-Verlag S 110 ndash 124
Ministerium fuumlr Gesundheit Emanzipation Pflege und Alter des Landes Nordrhein-
Westfalen (2013) 22 Landesgesundheitskonferenz NRW Von der Integration zur Inklu-
sion Gesundheitliche Versorgung von Menschen mit Behinderungen verbessernldquo Im In-
ternet unter httpwwwmgepanrwdemediapoolpdfgesundheitLGK_2013_Entschliess
ungpdf (Abrufdatum 07092015)
Reuter Christiane (2009) Gesundheitsfoumlrderung fuumlr Kinder mit geistiger Behinderung Eine
Studie zur Durchfuumlhrbarkeit und Wirksamkeit der Konzeption bdquoVernetzte Gesundheitser-ziehung im Grundschulalterldquo im Setting Schule und Tagesstaumltte Goumlttingen Cuvillier Verlag
Roumlmisch KathrinWalther Kerstin (2015) Gesundheitsrisiko Behinderung Herausforde-
rungen an gesundheitsfoumlrdernde Erwachsenenbildung In Erwachsenenbildung und Behin-
derung 26 JgHeft 1 S 3 ndash 10
Rosenbrock RolfHartung Susanne (2015) Gesundheitsfoumlrderung und Betrieb Im Internet
unter httpwwwleitbegriffebzgadealphabetisches-verzeichnisgesundheitsfoerderung-
und-betrieb (Abrufdatum 01112015)
Schlummer Werner (2015) Gesundheitsmanagement in Werkstaumltten ndash Werkstattraumlte gestal-
ten mit In Erwachsenenbildung und Behinderung 26 JgHeft 1 S 32 ndash 37
Schlummer WernerSchuumltte Ute (2006) Mitwirkung von Menschen mit geistiger Behinde-
rung Schule Arbeit Wohnen Muumlnchen Ernst Reinhardt
Schmidt StefanReker Sarah (2014) Partizipation und Teilhabe von Menschen mit geistiger
Behinderung an Gesundheit In Erwachsenenbildung und Behinderung 25 JgHeft 2
S 26 ndash 32
Simon DietaHeger GuumlntherReszies Sabine (Hrsg) (2011) Praxishandbuch Betriebliche
Gesundheitsfoumlrderung Ein Leitfaden fuumlr kleine und mittlere Unternehmen Stuttgart W
Kohlhammer
39
Slesina WolfgangBohley Stefanie (2011) Gesundheitsfoumlrderung und Praumlvention in Settings
Betriebliches Gesundheitsmanagement In Schott ThomasHornberg Claudia Die Gesell-
schaft und ihre Gesundheit 20 Jahre Public Health in Deutschland Bilanz und Ausblick
einer Wissenschaft Wiesbaden VS Verlag fuumlr Sozialwissenschaften S 619 ndash 633
Special Olympics Deutschland (o J) a BMG Projekt ndash Selbstbestimmt gesuumlnder bdquoSelbstbe-
stimmt gesuumlnder III ndash Zielgruppenspezifische Angebote zur Praumlvention und Gesundheits-
foumlrderung fuumlr junge Erwachsene mit geistiger und Mehrfachbehinderung in Lebensweltenldquo
Im Internet unter httpspecialolympicsdesport-angebotehealthy-athletesR-gesunde-
athletenselbstbestimmt-gesuender (Abrufdatum 19112015)
Special Olympics Deutschland (o J) b Special Olympics Healthy Athletes Gesundheits-
kompetenzen fuumlr Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung Selbstbestimmt ge-
suumlnder Im Internet unter httpspecialolympicsdefileadminuser_uploadDownloadcen
terHealthy_AthletesFlyer_HA_Selbstbestimmt_gesuenderpdf (Abrufdatum 19112015)
Stickan-Verfuumlrth Martina (2005) Multiplikatorinnen und Mediatorinnen als Schluumlsselper-
sonen erfolgreicher Praumlvention In Geene RaimundSteinkuumlhler Judith (Hrsg) Strategien
und Erfahrungen Mehr Gesundheit fuumlr alle Die BKK-Initiative als ein Modell fuumlr sozial-
lagenbezogene Gesundheitsfoumlrderung Gesundheitsfoumlrderung und Selbsthilfe Band Nr 14
Bremerhaven Wirtschaftsverlag NW ndash Verlag fuumlr neue Wissenschaft GmbH S 103 ndash 113
Unternehmensnetzwerk zur betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung in der Europaumlischen Union
eV (2007) Luxemburger Deklaration zur betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung in der Eu-
ropaumlischen Union Im Internet unter httpwwwluxemburger-deklarationdefileadminrs-
dokumentedateienLuxDeklLuxemburger_Dekl_Mai2014pdf (Abrufdatum 24102015)
WHO ndash Weltgesundheitsorganisation (1986) Ottawa-Charta zur Gesundheitsfoumlrderung Im
Internet unter httpwwweurowhoint__dataassetspdf_file0006129534Ottawa_
Charter_Gpdf (Abrufdatum 30082015)
WHO ndash Weltgesundheitsorganisation (1997) Die Jakarta-Erklaumlrung zur Gesundheitsfoumlrde-
rung fuumlr das 21 Jahrhundert Im Internet unter httpwwwwhointhealthpromotionconfe
rencespreviousjakartaenhpr_jakarta_declaration_germanpdf (Abrufdatum 24102015)
WHO ndash Weltgesundheitsorganisation (2005) Internationale Klassifikation der Funktionsfauml-
higkeit Behinderung und Gesundheit (ICF) Genf o V Im Internet unter
httpwwwdimdidedynamicdeklassidownloadcentericfendfassungicf_endfassung-
2005-10-01pdf (Abrufdatum 23102015)
WHO ndash Weltgesundheitsorganisation (2014) Verfassung der Weltgesundheitsorganisation
Im Internet unter httpswwwadminchopcdeclassified-compilation194601312014
0508000008101pdf (Abrufdatum 24102015)
Wright Michael Tvon Unger HellaBlock Martina (2010) Partizipation der Zielgruppe in
der Gesundheitsfoumlrderung und Praumlvention In Wright Michael T (Hrsg) Partizipative
Qualitaumltsentwicklung in der Gesundheitsfoumlrderung und Praumlvention Bern Verlag Hans Hu-
ber S 35 ndash 52
40
Weiterfuumlhrende Literatur
Brehmer-Rinderer BarbaraWeber Germain (2013) Gesundheitsfoumlrderung von Menschen
mit intellektueller Behinderung Stand der Forschung und aktuelle Problembereiche In
Zeitschrift fuumlr Gesundheitspsychologie 21 JgHeft 3 S 144 ndash 156
Burtscher Reinhard (2015) Partizipative Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinde-
rung In impuse fuumlr Gesundheitsfoumlrderung o JgHeft 2 S 56 Im Internet unter
httpwwwgesundheit-ndsdeCMSimagesstoriesPDFsLVG-Zeitschrift-Nr87-Webpdf
(Abrufdatum 05092015)
Clausen Jens (2014) Behinderte Gesundheit Bildung und Partizipation statt Menschenopti-
mierung in der Gesundheitsfoumlrderung von Menschen mit Entwicklungsverzoumlgerungen In
Schmidt Bettina (Hrsg) Akzeptierende Gesundheitsfoumlrderung Unterstuumltzung zwischen
Einmischung und Vernachlaumlssigung WeinheimBasel Beltz Juventa S 143 ndash 155
Eckerstorfer Peter (1995) Gesundheitsfoumlrderung in Geschuumltzten Werkstaumltten nach sect 11
BEinstG Im Internet unter httpwwweckerstorferinfoGFinGWpdf (Abrufdatum
21102015)
Faltermaier Toni (2010) Praumlvention und Gesundheitsfoumlrderung im Erwachsenenalter In
Hurrelmann KlausKlotz TheodorHaisch Jochen (Hrsg) Lehrbuch Praumlvention und Ge-
sundheitsfoumlrderung Bern Verlag Hans Huber 3 Aufl S 79 ndash 87
Frings Stefanie (2014) Du musst dein Aumlndern leben (koumlnnen) ndash das Gesundheitsprogramm
Healthy Athletesreg In Erwachsenenbildung und Behinderung 25 JgHeft 2 S 12 ndash 19
Haveman MeindertStoumlppler Reinhilde (2014) Gesundheit und Krankheit bei Menschen mit
geistiger Behinderung Stuttgart W Kohlhammer
Kooperationsverbund Gesundheitliche Chancengleichheit (2007) Dokumentation der Fachta-
gung Gesundheitsfoumlrdernde Werkstaumltten fuumlr Menschen mit Behinderung In Internet unter
httpwwwgesundheitliche-chancengleichheitdegesundheitsfoerdernde-werkstaetten-
fuer-menschen-mit-behinderungen2 (Abrufdatum 27102015)
Robert Koch-Institut in Zusammenarbeit mit dem Statistischen Bundesamt (2007) Gesund-
heitsberichterstattung des Bundes Gesundheit in Deutschland Berlin o V 2 Aufl Im
Internet unter httpwwwrkideDEContentGesundheitsmonitoringGesundheitsbericht
erstattungGesInDtldgesundheitsberichtpdf__blob=publicationFile (Abrufdatum
21102015)
Simon ToniKruschel Robert (2013) Gesundheitsfoumlrderung mithilfe des Index fuumlr Inklusi-
on In Zeitschrift fuumlr Inklusion-online o JgHeft 2 Im Internet unter
httpwwwinklusion-onlinenetindexphpinklusion-onlinearticleview1313 (Abrufda-
tum 15082015)
Strauch StefanieSchliermann Rainer (2010) Effekte eines Sport- und Bewegungsangebotes
auf die Motorik und das Koumlrperselbstkonzept bei Erwachsenen mit geistiger Behinderung
In Heilpaumldagogische Forschung 36 BandHeft 2 S 54 ndash 64
41
Anhang
Nr 1 Abbildung zu den Hauptdeterminanten der Gesundheit nach DahlgreenWhitehead
2007 S 11
Nr 2 Befragung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Beschaumlftigten der WfbMs
42
Nr 1 Abbildung zu den Hauptdeterminanten der Gesundheit nach DahlgreenWhitehead
2007 S 11
43
Nr 2 Befragung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Beschaumlftigten der WfbMs
Um moumlglichst effizient die Stimmen aus vier WfbMs unterschiedlicher Traumlger zu erheben
wurden diese auf dem Infotag der LAG WfbM Berlin am 17112015 gesammelt Hier waren
verschiedene Werkstaumltten mit Informationsstaumlnden vertreten Gewaumlhlt wurden die Werkstaumlt-
ten an deren Staumlnden der Verfasser zuerst vorbeilief Die gestellten Fragen waren stets die-
selben
Den Vertretern der Werkstatt wurde zugesichert dass ihr Name nicht in der vorliegenden Ar-
beit genannt wird lediglich ihre Position in der Werkstatt wird erwaumlhnt Es wurden auszligerdem
keine weiteren Personendaten erhoben
Wenn moumlglich sollten auszligerdem fuumlnf Beschaumlftige pro WfbM befragt werden Hierfuumlr wurde
am Ende des kurzen Interviews um Erlaubnis gefragt Den Beschaumlftigten wurden andere Fra-
gen gestellt als dem Werkstattpersonal jedoch erhielten alle Beschaumlftigten dieselben Fragen
untereinander Den Beschaumlftigen wurde komplette Anonymitaumlt in der vorliegenden Arbeit
zugesichert und es wurden keine personenbezogenen Daten abgefragt Zuerst wurde nach
ihrem Verstaumlndnis von Gesundheitsfoumlrderung gefragt Vor den Fragen 2 bis 5 wurde kurz
erklaumlrt wie Gesundheitsfoumlrderung verstanden werden kann um davon ausgehend die restli-
chen Fragen zu beantworten
Bei saumlmtlichen Interviews wurde auf Transkriptionen verzichtet es wurden lediglich die
Kernaussagen mitgeschrieben
Im Folgenden finden sich exemplarisch die jeweils gestellten Fragen
44
Fragen an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der WfbM
Name der WfbM
Position der befragten Person Begleitender Dienst
1 Was verstehen Sie unter Gesundheitsfoumlrderung
2 Was bieten Sie im Rahmen der Gesundheitsfoumlrderung an
3 Wie werden die Maszlignahmen angenommen
4 Wuumlrden Sie gerne mehr anbieten oder finden Sie die Angebote ausreichend
5 Gibt es Schwierigkeiten
6 Wie steht es um die Partizipation in den Angeboten (Werden die Angebote von Beschaumlf-
tigten mitentwickelt mitevaluiert etc)
7 Werden die Angebote evaluiert
45
Fragen an die Beschaumlftigen der WfbM
Name der WfbM
Datum
1 Wissen Sie was Gesundheitsfoumlrderung ist Wenn ja wie wuumlrden sie es beschreiben
[Moumlgliche Erklaumlrung fuumlr Beschaumlftigte die sich nichts unter Gesundheitsfoumlrderung vorstellen
koumlnnen Zur Gesundheitsfoumlrderung gehoumlrt alles was fuumlr Ihre Gesundheit gut ist zB Kur-
seMaszlignahmen usw die mit Bewegung Ernaumlhrung Wohlfuumlhlen am Arbeitsplatz oder Ent-
spannen zu tun haben]
2 Welche Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung werden Ihnen von der Werkstatt angebo-
ten
3 Werden Ihrer Meinung nach genuumlgend Angebote zur Gesundheitsfoumlrderung in der Werk-
statt angeboten
4 Duumlrfen Sie bei der Entwicklung und Evaluation (Auswertung am Ende) mitbestimmen
5 Was sind Ihre Wuumlnsche bezuumlglich der Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung
38
Lennox Nicholas (2002) Health Promotion and Disease Prevention In Prasher Vee
PJanicki Matthew P Physical Health of Adults with Intellectual Disabilities Bodmin
Cornwall MPG Books S 230 ndash 251
Loss Julika (2009) Partizipation sozial benachteiligter Bevoumllkerungsgruppen ndash Herausforde-
rungen und Voraussetzungen In Impuse Newsletter zur Gesundheitsfoumlrderung o Jg
Heft 3 S 1011 Im Internet unter httpwwwgesundheit-ndsdeCMSimagesstories
PDFsoimpulseimpulse64_ohne_Bilderpdf (Abrufdatum 21102015)
Marks BethSisirak JasminaHeller Tamar (2010) Health Matters for People with Devel-
opmental Disabilities Creating a Sustainable Health Promotion Program Baltimore Mary-
land USA Paul H Brooks Publishing Co
Mielck Andreas (2010) Konzepte sozialer Gerechtigkeit im Kontext nachhaltiger Gesund-
heitsfoumlrderung In Goumlpel EberhardGesundheitsAkademie eV (Hrsg) Nachhaltige Ge-
sundheitsfoumlrderung Gesundheit gemeinsam gestalten ndash Band 4 Frankfurt am Main Mabu-
se-Verlag S 110 ndash 124
Ministerium fuumlr Gesundheit Emanzipation Pflege und Alter des Landes Nordrhein-
Westfalen (2013) 22 Landesgesundheitskonferenz NRW Von der Integration zur Inklu-
sion Gesundheitliche Versorgung von Menschen mit Behinderungen verbessernldquo Im In-
ternet unter httpwwwmgepanrwdemediapoolpdfgesundheitLGK_2013_Entschliess
ungpdf (Abrufdatum 07092015)
Reuter Christiane (2009) Gesundheitsfoumlrderung fuumlr Kinder mit geistiger Behinderung Eine
Studie zur Durchfuumlhrbarkeit und Wirksamkeit der Konzeption bdquoVernetzte Gesundheitser-ziehung im Grundschulalterldquo im Setting Schule und Tagesstaumltte Goumlttingen Cuvillier Verlag
Roumlmisch KathrinWalther Kerstin (2015) Gesundheitsrisiko Behinderung Herausforde-
rungen an gesundheitsfoumlrdernde Erwachsenenbildung In Erwachsenenbildung und Behin-
derung 26 JgHeft 1 S 3 ndash 10
Rosenbrock RolfHartung Susanne (2015) Gesundheitsfoumlrderung und Betrieb Im Internet
unter httpwwwleitbegriffebzgadealphabetisches-verzeichnisgesundheitsfoerderung-
und-betrieb (Abrufdatum 01112015)
Schlummer Werner (2015) Gesundheitsmanagement in Werkstaumltten ndash Werkstattraumlte gestal-
ten mit In Erwachsenenbildung und Behinderung 26 JgHeft 1 S 32 ndash 37
Schlummer WernerSchuumltte Ute (2006) Mitwirkung von Menschen mit geistiger Behinde-
rung Schule Arbeit Wohnen Muumlnchen Ernst Reinhardt
Schmidt StefanReker Sarah (2014) Partizipation und Teilhabe von Menschen mit geistiger
Behinderung an Gesundheit In Erwachsenenbildung und Behinderung 25 JgHeft 2
S 26 ndash 32
Simon DietaHeger GuumlntherReszies Sabine (Hrsg) (2011) Praxishandbuch Betriebliche
Gesundheitsfoumlrderung Ein Leitfaden fuumlr kleine und mittlere Unternehmen Stuttgart W
Kohlhammer
39
Slesina WolfgangBohley Stefanie (2011) Gesundheitsfoumlrderung und Praumlvention in Settings
Betriebliches Gesundheitsmanagement In Schott ThomasHornberg Claudia Die Gesell-
schaft und ihre Gesundheit 20 Jahre Public Health in Deutschland Bilanz und Ausblick
einer Wissenschaft Wiesbaden VS Verlag fuumlr Sozialwissenschaften S 619 ndash 633
Special Olympics Deutschland (o J) a BMG Projekt ndash Selbstbestimmt gesuumlnder bdquoSelbstbe-
stimmt gesuumlnder III ndash Zielgruppenspezifische Angebote zur Praumlvention und Gesundheits-
foumlrderung fuumlr junge Erwachsene mit geistiger und Mehrfachbehinderung in Lebensweltenldquo
Im Internet unter httpspecialolympicsdesport-angebotehealthy-athletesR-gesunde-
athletenselbstbestimmt-gesuender (Abrufdatum 19112015)
Special Olympics Deutschland (o J) b Special Olympics Healthy Athletes Gesundheits-
kompetenzen fuumlr Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung Selbstbestimmt ge-
suumlnder Im Internet unter httpspecialolympicsdefileadminuser_uploadDownloadcen
terHealthy_AthletesFlyer_HA_Selbstbestimmt_gesuenderpdf (Abrufdatum 19112015)
Stickan-Verfuumlrth Martina (2005) Multiplikatorinnen und Mediatorinnen als Schluumlsselper-
sonen erfolgreicher Praumlvention In Geene RaimundSteinkuumlhler Judith (Hrsg) Strategien
und Erfahrungen Mehr Gesundheit fuumlr alle Die BKK-Initiative als ein Modell fuumlr sozial-
lagenbezogene Gesundheitsfoumlrderung Gesundheitsfoumlrderung und Selbsthilfe Band Nr 14
Bremerhaven Wirtschaftsverlag NW ndash Verlag fuumlr neue Wissenschaft GmbH S 103 ndash 113
Unternehmensnetzwerk zur betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung in der Europaumlischen Union
eV (2007) Luxemburger Deklaration zur betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung in der Eu-
ropaumlischen Union Im Internet unter httpwwwluxemburger-deklarationdefileadminrs-
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Internet unter httpwwweurowhoint__dataassetspdf_file0006129534Ottawa_
Charter_Gpdf (Abrufdatum 30082015)
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rung fuumlr das 21 Jahrhundert Im Internet unter httpwwwwhointhealthpromotionconfe
rencespreviousjakartaenhpr_jakarta_declaration_germanpdf (Abrufdatum 24102015)
WHO ndash Weltgesundheitsorganisation (2005) Internationale Klassifikation der Funktionsfauml-
higkeit Behinderung und Gesundheit (ICF) Genf o V Im Internet unter
httpwwwdimdidedynamicdeklassidownloadcentericfendfassungicf_endfassung-
2005-10-01pdf (Abrufdatum 23102015)
WHO ndash Weltgesundheitsorganisation (2014) Verfassung der Weltgesundheitsorganisation
Im Internet unter httpswwwadminchopcdeclassified-compilation194601312014
0508000008101pdf (Abrufdatum 24102015)
Wright Michael Tvon Unger HellaBlock Martina (2010) Partizipation der Zielgruppe in
der Gesundheitsfoumlrderung und Praumlvention In Wright Michael T (Hrsg) Partizipative
Qualitaumltsentwicklung in der Gesundheitsfoumlrderung und Praumlvention Bern Verlag Hans Hu-
ber S 35 ndash 52
40
Weiterfuumlhrende Literatur
Brehmer-Rinderer BarbaraWeber Germain (2013) Gesundheitsfoumlrderung von Menschen
mit intellektueller Behinderung Stand der Forschung und aktuelle Problembereiche In
Zeitschrift fuumlr Gesundheitspsychologie 21 JgHeft 3 S 144 ndash 156
Burtscher Reinhard (2015) Partizipative Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinde-
rung In impuse fuumlr Gesundheitsfoumlrderung o JgHeft 2 S 56 Im Internet unter
httpwwwgesundheit-ndsdeCMSimagesstoriesPDFsLVG-Zeitschrift-Nr87-Webpdf
(Abrufdatum 05092015)
Clausen Jens (2014) Behinderte Gesundheit Bildung und Partizipation statt Menschenopti-
mierung in der Gesundheitsfoumlrderung von Menschen mit Entwicklungsverzoumlgerungen In
Schmidt Bettina (Hrsg) Akzeptierende Gesundheitsfoumlrderung Unterstuumltzung zwischen
Einmischung und Vernachlaumlssigung WeinheimBasel Beltz Juventa S 143 ndash 155
Eckerstorfer Peter (1995) Gesundheitsfoumlrderung in Geschuumltzten Werkstaumltten nach sect 11
BEinstG Im Internet unter httpwwweckerstorferinfoGFinGWpdf (Abrufdatum
21102015)
Faltermaier Toni (2010) Praumlvention und Gesundheitsfoumlrderung im Erwachsenenalter In
Hurrelmann KlausKlotz TheodorHaisch Jochen (Hrsg) Lehrbuch Praumlvention und Ge-
sundheitsfoumlrderung Bern Verlag Hans Huber 3 Aufl S 79 ndash 87
Frings Stefanie (2014) Du musst dein Aumlndern leben (koumlnnen) ndash das Gesundheitsprogramm
Healthy Athletesreg In Erwachsenenbildung und Behinderung 25 JgHeft 2 S 12 ndash 19
Haveman MeindertStoumlppler Reinhilde (2014) Gesundheit und Krankheit bei Menschen mit
geistiger Behinderung Stuttgart W Kohlhammer
Kooperationsverbund Gesundheitliche Chancengleichheit (2007) Dokumentation der Fachta-
gung Gesundheitsfoumlrdernde Werkstaumltten fuumlr Menschen mit Behinderung In Internet unter
httpwwwgesundheitliche-chancengleichheitdegesundheitsfoerdernde-werkstaetten-
fuer-menschen-mit-behinderungen2 (Abrufdatum 27102015)
Robert Koch-Institut in Zusammenarbeit mit dem Statistischen Bundesamt (2007) Gesund-
heitsberichterstattung des Bundes Gesundheit in Deutschland Berlin o V 2 Aufl Im
Internet unter httpwwwrkideDEContentGesundheitsmonitoringGesundheitsbericht
erstattungGesInDtldgesundheitsberichtpdf__blob=publicationFile (Abrufdatum
21102015)
Simon ToniKruschel Robert (2013) Gesundheitsfoumlrderung mithilfe des Index fuumlr Inklusi-
on In Zeitschrift fuumlr Inklusion-online o JgHeft 2 Im Internet unter
httpwwwinklusion-onlinenetindexphpinklusion-onlinearticleview1313 (Abrufda-
tum 15082015)
Strauch StefanieSchliermann Rainer (2010) Effekte eines Sport- und Bewegungsangebotes
auf die Motorik und das Koumlrperselbstkonzept bei Erwachsenen mit geistiger Behinderung
In Heilpaumldagogische Forschung 36 BandHeft 2 S 54 ndash 64
41
Anhang
Nr 1 Abbildung zu den Hauptdeterminanten der Gesundheit nach DahlgreenWhitehead
2007 S 11
Nr 2 Befragung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Beschaumlftigten der WfbMs
42
Nr 1 Abbildung zu den Hauptdeterminanten der Gesundheit nach DahlgreenWhitehead
2007 S 11
43
Nr 2 Befragung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Beschaumlftigten der WfbMs
Um moumlglichst effizient die Stimmen aus vier WfbMs unterschiedlicher Traumlger zu erheben
wurden diese auf dem Infotag der LAG WfbM Berlin am 17112015 gesammelt Hier waren
verschiedene Werkstaumltten mit Informationsstaumlnden vertreten Gewaumlhlt wurden die Werkstaumlt-
ten an deren Staumlnden der Verfasser zuerst vorbeilief Die gestellten Fragen waren stets die-
selben
Den Vertretern der Werkstatt wurde zugesichert dass ihr Name nicht in der vorliegenden Ar-
beit genannt wird lediglich ihre Position in der Werkstatt wird erwaumlhnt Es wurden auszligerdem
keine weiteren Personendaten erhoben
Wenn moumlglich sollten auszligerdem fuumlnf Beschaumlftige pro WfbM befragt werden Hierfuumlr wurde
am Ende des kurzen Interviews um Erlaubnis gefragt Den Beschaumlftigten wurden andere Fra-
gen gestellt als dem Werkstattpersonal jedoch erhielten alle Beschaumlftigten dieselben Fragen
untereinander Den Beschaumlftigen wurde komplette Anonymitaumlt in der vorliegenden Arbeit
zugesichert und es wurden keine personenbezogenen Daten abgefragt Zuerst wurde nach
ihrem Verstaumlndnis von Gesundheitsfoumlrderung gefragt Vor den Fragen 2 bis 5 wurde kurz
erklaumlrt wie Gesundheitsfoumlrderung verstanden werden kann um davon ausgehend die restli-
chen Fragen zu beantworten
Bei saumlmtlichen Interviews wurde auf Transkriptionen verzichtet es wurden lediglich die
Kernaussagen mitgeschrieben
Im Folgenden finden sich exemplarisch die jeweils gestellten Fragen
44
Fragen an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der WfbM
Name der WfbM
Position der befragten Person Begleitender Dienst
1 Was verstehen Sie unter Gesundheitsfoumlrderung
2 Was bieten Sie im Rahmen der Gesundheitsfoumlrderung an
3 Wie werden die Maszlignahmen angenommen
4 Wuumlrden Sie gerne mehr anbieten oder finden Sie die Angebote ausreichend
5 Gibt es Schwierigkeiten
6 Wie steht es um die Partizipation in den Angeboten (Werden die Angebote von Beschaumlf-
tigten mitentwickelt mitevaluiert etc)
7 Werden die Angebote evaluiert
45
Fragen an die Beschaumlftigen der WfbM
Name der WfbM
Datum
1 Wissen Sie was Gesundheitsfoumlrderung ist Wenn ja wie wuumlrden sie es beschreiben
[Moumlgliche Erklaumlrung fuumlr Beschaumlftigte die sich nichts unter Gesundheitsfoumlrderung vorstellen
koumlnnen Zur Gesundheitsfoumlrderung gehoumlrt alles was fuumlr Ihre Gesundheit gut ist zB Kur-
seMaszlignahmen usw die mit Bewegung Ernaumlhrung Wohlfuumlhlen am Arbeitsplatz oder Ent-
spannen zu tun haben]
2 Welche Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung werden Ihnen von der Werkstatt angebo-
ten
3 Werden Ihrer Meinung nach genuumlgend Angebote zur Gesundheitsfoumlrderung in der Werk-
statt angeboten
4 Duumlrfen Sie bei der Entwicklung und Evaluation (Auswertung am Ende) mitbestimmen
5 Was sind Ihre Wuumlnsche bezuumlglich der Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung
39
Slesina WolfgangBohley Stefanie (2011) Gesundheitsfoumlrderung und Praumlvention in Settings
Betriebliches Gesundheitsmanagement In Schott ThomasHornberg Claudia Die Gesell-
schaft und ihre Gesundheit 20 Jahre Public Health in Deutschland Bilanz und Ausblick
einer Wissenschaft Wiesbaden VS Verlag fuumlr Sozialwissenschaften S 619 ndash 633
Special Olympics Deutschland (o J) a BMG Projekt ndash Selbstbestimmt gesuumlnder bdquoSelbstbe-
stimmt gesuumlnder III ndash Zielgruppenspezifische Angebote zur Praumlvention und Gesundheits-
foumlrderung fuumlr junge Erwachsene mit geistiger und Mehrfachbehinderung in Lebensweltenldquo
Im Internet unter httpspecialolympicsdesport-angebotehealthy-athletesR-gesunde-
athletenselbstbestimmt-gesuender (Abrufdatum 19112015)
Special Olympics Deutschland (o J) b Special Olympics Healthy Athletes Gesundheits-
kompetenzen fuumlr Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung Selbstbestimmt ge-
suumlnder Im Internet unter httpspecialolympicsdefileadminuser_uploadDownloadcen
terHealthy_AthletesFlyer_HA_Selbstbestimmt_gesuenderpdf (Abrufdatum 19112015)
Stickan-Verfuumlrth Martina (2005) Multiplikatorinnen und Mediatorinnen als Schluumlsselper-
sonen erfolgreicher Praumlvention In Geene RaimundSteinkuumlhler Judith (Hrsg) Strategien
und Erfahrungen Mehr Gesundheit fuumlr alle Die BKK-Initiative als ein Modell fuumlr sozial-
lagenbezogene Gesundheitsfoumlrderung Gesundheitsfoumlrderung und Selbsthilfe Band Nr 14
Bremerhaven Wirtschaftsverlag NW ndash Verlag fuumlr neue Wissenschaft GmbH S 103 ndash 113
Unternehmensnetzwerk zur betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung in der Europaumlischen Union
eV (2007) Luxemburger Deklaration zur betrieblichen Gesundheitsfoumlrderung in der Eu-
ropaumlischen Union Im Internet unter httpwwwluxemburger-deklarationdefileadminrs-
dokumentedateienLuxDeklLuxemburger_Dekl_Mai2014pdf (Abrufdatum 24102015)
WHO ndash Weltgesundheitsorganisation (1986) Ottawa-Charta zur Gesundheitsfoumlrderung Im
Internet unter httpwwweurowhoint__dataassetspdf_file0006129534Ottawa_
Charter_Gpdf (Abrufdatum 30082015)
WHO ndash Weltgesundheitsorganisation (1997) Die Jakarta-Erklaumlrung zur Gesundheitsfoumlrde-
rung fuumlr das 21 Jahrhundert Im Internet unter httpwwwwhointhealthpromotionconfe
rencespreviousjakartaenhpr_jakarta_declaration_germanpdf (Abrufdatum 24102015)
WHO ndash Weltgesundheitsorganisation (2005) Internationale Klassifikation der Funktionsfauml-
higkeit Behinderung und Gesundheit (ICF) Genf o V Im Internet unter
httpwwwdimdidedynamicdeklassidownloadcentericfendfassungicf_endfassung-
2005-10-01pdf (Abrufdatum 23102015)
WHO ndash Weltgesundheitsorganisation (2014) Verfassung der Weltgesundheitsorganisation
Im Internet unter httpswwwadminchopcdeclassified-compilation194601312014
0508000008101pdf (Abrufdatum 24102015)
Wright Michael Tvon Unger HellaBlock Martina (2010) Partizipation der Zielgruppe in
der Gesundheitsfoumlrderung und Praumlvention In Wright Michael T (Hrsg) Partizipative
Qualitaumltsentwicklung in der Gesundheitsfoumlrderung und Praumlvention Bern Verlag Hans Hu-
ber S 35 ndash 52
40
Weiterfuumlhrende Literatur
Brehmer-Rinderer BarbaraWeber Germain (2013) Gesundheitsfoumlrderung von Menschen
mit intellektueller Behinderung Stand der Forschung und aktuelle Problembereiche In
Zeitschrift fuumlr Gesundheitspsychologie 21 JgHeft 3 S 144 ndash 156
Burtscher Reinhard (2015) Partizipative Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinde-
rung In impuse fuumlr Gesundheitsfoumlrderung o JgHeft 2 S 56 Im Internet unter
httpwwwgesundheit-ndsdeCMSimagesstoriesPDFsLVG-Zeitschrift-Nr87-Webpdf
(Abrufdatum 05092015)
Clausen Jens (2014) Behinderte Gesundheit Bildung und Partizipation statt Menschenopti-
mierung in der Gesundheitsfoumlrderung von Menschen mit Entwicklungsverzoumlgerungen In
Schmidt Bettina (Hrsg) Akzeptierende Gesundheitsfoumlrderung Unterstuumltzung zwischen
Einmischung und Vernachlaumlssigung WeinheimBasel Beltz Juventa S 143 ndash 155
Eckerstorfer Peter (1995) Gesundheitsfoumlrderung in Geschuumltzten Werkstaumltten nach sect 11
BEinstG Im Internet unter httpwwweckerstorferinfoGFinGWpdf (Abrufdatum
21102015)
Faltermaier Toni (2010) Praumlvention und Gesundheitsfoumlrderung im Erwachsenenalter In
Hurrelmann KlausKlotz TheodorHaisch Jochen (Hrsg) Lehrbuch Praumlvention und Ge-
sundheitsfoumlrderung Bern Verlag Hans Huber 3 Aufl S 79 ndash 87
Frings Stefanie (2014) Du musst dein Aumlndern leben (koumlnnen) ndash das Gesundheitsprogramm
Healthy Athletesreg In Erwachsenenbildung und Behinderung 25 JgHeft 2 S 12 ndash 19
Haveman MeindertStoumlppler Reinhilde (2014) Gesundheit und Krankheit bei Menschen mit
geistiger Behinderung Stuttgart W Kohlhammer
Kooperationsverbund Gesundheitliche Chancengleichheit (2007) Dokumentation der Fachta-
gung Gesundheitsfoumlrdernde Werkstaumltten fuumlr Menschen mit Behinderung In Internet unter
httpwwwgesundheitliche-chancengleichheitdegesundheitsfoerdernde-werkstaetten-
fuer-menschen-mit-behinderungen2 (Abrufdatum 27102015)
Robert Koch-Institut in Zusammenarbeit mit dem Statistischen Bundesamt (2007) Gesund-
heitsberichterstattung des Bundes Gesundheit in Deutschland Berlin o V 2 Aufl Im
Internet unter httpwwwrkideDEContentGesundheitsmonitoringGesundheitsbericht
erstattungGesInDtldgesundheitsberichtpdf__blob=publicationFile (Abrufdatum
21102015)
Simon ToniKruschel Robert (2013) Gesundheitsfoumlrderung mithilfe des Index fuumlr Inklusi-
on In Zeitschrift fuumlr Inklusion-online o JgHeft 2 Im Internet unter
httpwwwinklusion-onlinenetindexphpinklusion-onlinearticleview1313 (Abrufda-
tum 15082015)
Strauch StefanieSchliermann Rainer (2010) Effekte eines Sport- und Bewegungsangebotes
auf die Motorik und das Koumlrperselbstkonzept bei Erwachsenen mit geistiger Behinderung
In Heilpaumldagogische Forschung 36 BandHeft 2 S 54 ndash 64
41
Anhang
Nr 1 Abbildung zu den Hauptdeterminanten der Gesundheit nach DahlgreenWhitehead
2007 S 11
Nr 2 Befragung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Beschaumlftigten der WfbMs
42
Nr 1 Abbildung zu den Hauptdeterminanten der Gesundheit nach DahlgreenWhitehead
2007 S 11
43
Nr 2 Befragung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Beschaumlftigten der WfbMs
Um moumlglichst effizient die Stimmen aus vier WfbMs unterschiedlicher Traumlger zu erheben
wurden diese auf dem Infotag der LAG WfbM Berlin am 17112015 gesammelt Hier waren
verschiedene Werkstaumltten mit Informationsstaumlnden vertreten Gewaumlhlt wurden die Werkstaumlt-
ten an deren Staumlnden der Verfasser zuerst vorbeilief Die gestellten Fragen waren stets die-
selben
Den Vertretern der Werkstatt wurde zugesichert dass ihr Name nicht in der vorliegenden Ar-
beit genannt wird lediglich ihre Position in der Werkstatt wird erwaumlhnt Es wurden auszligerdem
keine weiteren Personendaten erhoben
Wenn moumlglich sollten auszligerdem fuumlnf Beschaumlftige pro WfbM befragt werden Hierfuumlr wurde
am Ende des kurzen Interviews um Erlaubnis gefragt Den Beschaumlftigten wurden andere Fra-
gen gestellt als dem Werkstattpersonal jedoch erhielten alle Beschaumlftigten dieselben Fragen
untereinander Den Beschaumlftigen wurde komplette Anonymitaumlt in der vorliegenden Arbeit
zugesichert und es wurden keine personenbezogenen Daten abgefragt Zuerst wurde nach
ihrem Verstaumlndnis von Gesundheitsfoumlrderung gefragt Vor den Fragen 2 bis 5 wurde kurz
erklaumlrt wie Gesundheitsfoumlrderung verstanden werden kann um davon ausgehend die restli-
chen Fragen zu beantworten
Bei saumlmtlichen Interviews wurde auf Transkriptionen verzichtet es wurden lediglich die
Kernaussagen mitgeschrieben
Im Folgenden finden sich exemplarisch die jeweils gestellten Fragen
44
Fragen an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der WfbM
Name der WfbM
Position der befragten Person Begleitender Dienst
1 Was verstehen Sie unter Gesundheitsfoumlrderung
2 Was bieten Sie im Rahmen der Gesundheitsfoumlrderung an
3 Wie werden die Maszlignahmen angenommen
4 Wuumlrden Sie gerne mehr anbieten oder finden Sie die Angebote ausreichend
5 Gibt es Schwierigkeiten
6 Wie steht es um die Partizipation in den Angeboten (Werden die Angebote von Beschaumlf-
tigten mitentwickelt mitevaluiert etc)
7 Werden die Angebote evaluiert
45
Fragen an die Beschaumlftigen der WfbM
Name der WfbM
Datum
1 Wissen Sie was Gesundheitsfoumlrderung ist Wenn ja wie wuumlrden sie es beschreiben
[Moumlgliche Erklaumlrung fuumlr Beschaumlftigte die sich nichts unter Gesundheitsfoumlrderung vorstellen
koumlnnen Zur Gesundheitsfoumlrderung gehoumlrt alles was fuumlr Ihre Gesundheit gut ist zB Kur-
seMaszlignahmen usw die mit Bewegung Ernaumlhrung Wohlfuumlhlen am Arbeitsplatz oder Ent-
spannen zu tun haben]
2 Welche Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung werden Ihnen von der Werkstatt angebo-
ten
3 Werden Ihrer Meinung nach genuumlgend Angebote zur Gesundheitsfoumlrderung in der Werk-
statt angeboten
4 Duumlrfen Sie bei der Entwicklung und Evaluation (Auswertung am Ende) mitbestimmen
5 Was sind Ihre Wuumlnsche bezuumlglich der Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung
40
Weiterfuumlhrende Literatur
Brehmer-Rinderer BarbaraWeber Germain (2013) Gesundheitsfoumlrderung von Menschen
mit intellektueller Behinderung Stand der Forschung und aktuelle Problembereiche In
Zeitschrift fuumlr Gesundheitspsychologie 21 JgHeft 3 S 144 ndash 156
Burtscher Reinhard (2015) Partizipative Gesundheitsfoumlrderung mit Menschen mit Behinde-
rung In impuse fuumlr Gesundheitsfoumlrderung o JgHeft 2 S 56 Im Internet unter
httpwwwgesundheit-ndsdeCMSimagesstoriesPDFsLVG-Zeitschrift-Nr87-Webpdf
(Abrufdatum 05092015)
Clausen Jens (2014) Behinderte Gesundheit Bildung und Partizipation statt Menschenopti-
mierung in der Gesundheitsfoumlrderung von Menschen mit Entwicklungsverzoumlgerungen In
Schmidt Bettina (Hrsg) Akzeptierende Gesundheitsfoumlrderung Unterstuumltzung zwischen
Einmischung und Vernachlaumlssigung WeinheimBasel Beltz Juventa S 143 ndash 155
Eckerstorfer Peter (1995) Gesundheitsfoumlrderung in Geschuumltzten Werkstaumltten nach sect 11
BEinstG Im Internet unter httpwwweckerstorferinfoGFinGWpdf (Abrufdatum
21102015)
Faltermaier Toni (2010) Praumlvention und Gesundheitsfoumlrderung im Erwachsenenalter In
Hurrelmann KlausKlotz TheodorHaisch Jochen (Hrsg) Lehrbuch Praumlvention und Ge-
sundheitsfoumlrderung Bern Verlag Hans Huber 3 Aufl S 79 ndash 87
Frings Stefanie (2014) Du musst dein Aumlndern leben (koumlnnen) ndash das Gesundheitsprogramm
Healthy Athletesreg In Erwachsenenbildung und Behinderung 25 JgHeft 2 S 12 ndash 19
Haveman MeindertStoumlppler Reinhilde (2014) Gesundheit und Krankheit bei Menschen mit
geistiger Behinderung Stuttgart W Kohlhammer
Kooperationsverbund Gesundheitliche Chancengleichheit (2007) Dokumentation der Fachta-
gung Gesundheitsfoumlrdernde Werkstaumltten fuumlr Menschen mit Behinderung In Internet unter
httpwwwgesundheitliche-chancengleichheitdegesundheitsfoerdernde-werkstaetten-
fuer-menschen-mit-behinderungen2 (Abrufdatum 27102015)
Robert Koch-Institut in Zusammenarbeit mit dem Statistischen Bundesamt (2007) Gesund-
heitsberichterstattung des Bundes Gesundheit in Deutschland Berlin o V 2 Aufl Im
Internet unter httpwwwrkideDEContentGesundheitsmonitoringGesundheitsbericht
erstattungGesInDtldgesundheitsberichtpdf__blob=publicationFile (Abrufdatum
21102015)
Simon ToniKruschel Robert (2013) Gesundheitsfoumlrderung mithilfe des Index fuumlr Inklusi-
on In Zeitschrift fuumlr Inklusion-online o JgHeft 2 Im Internet unter
httpwwwinklusion-onlinenetindexphpinklusion-onlinearticleview1313 (Abrufda-
tum 15082015)
Strauch StefanieSchliermann Rainer (2010) Effekte eines Sport- und Bewegungsangebotes
auf die Motorik und das Koumlrperselbstkonzept bei Erwachsenen mit geistiger Behinderung
In Heilpaumldagogische Forschung 36 BandHeft 2 S 54 ndash 64
41
Anhang
Nr 1 Abbildung zu den Hauptdeterminanten der Gesundheit nach DahlgreenWhitehead
2007 S 11
Nr 2 Befragung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Beschaumlftigten der WfbMs
42
Nr 1 Abbildung zu den Hauptdeterminanten der Gesundheit nach DahlgreenWhitehead
2007 S 11
43
Nr 2 Befragung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Beschaumlftigten der WfbMs
Um moumlglichst effizient die Stimmen aus vier WfbMs unterschiedlicher Traumlger zu erheben
wurden diese auf dem Infotag der LAG WfbM Berlin am 17112015 gesammelt Hier waren
verschiedene Werkstaumltten mit Informationsstaumlnden vertreten Gewaumlhlt wurden die Werkstaumlt-
ten an deren Staumlnden der Verfasser zuerst vorbeilief Die gestellten Fragen waren stets die-
selben
Den Vertretern der Werkstatt wurde zugesichert dass ihr Name nicht in der vorliegenden Ar-
beit genannt wird lediglich ihre Position in der Werkstatt wird erwaumlhnt Es wurden auszligerdem
keine weiteren Personendaten erhoben
Wenn moumlglich sollten auszligerdem fuumlnf Beschaumlftige pro WfbM befragt werden Hierfuumlr wurde
am Ende des kurzen Interviews um Erlaubnis gefragt Den Beschaumlftigten wurden andere Fra-
gen gestellt als dem Werkstattpersonal jedoch erhielten alle Beschaumlftigten dieselben Fragen
untereinander Den Beschaumlftigen wurde komplette Anonymitaumlt in der vorliegenden Arbeit
zugesichert und es wurden keine personenbezogenen Daten abgefragt Zuerst wurde nach
ihrem Verstaumlndnis von Gesundheitsfoumlrderung gefragt Vor den Fragen 2 bis 5 wurde kurz
erklaumlrt wie Gesundheitsfoumlrderung verstanden werden kann um davon ausgehend die restli-
chen Fragen zu beantworten
Bei saumlmtlichen Interviews wurde auf Transkriptionen verzichtet es wurden lediglich die
Kernaussagen mitgeschrieben
Im Folgenden finden sich exemplarisch die jeweils gestellten Fragen
44
Fragen an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der WfbM
Name der WfbM
Position der befragten Person Begleitender Dienst
1 Was verstehen Sie unter Gesundheitsfoumlrderung
2 Was bieten Sie im Rahmen der Gesundheitsfoumlrderung an
3 Wie werden die Maszlignahmen angenommen
4 Wuumlrden Sie gerne mehr anbieten oder finden Sie die Angebote ausreichend
5 Gibt es Schwierigkeiten
6 Wie steht es um die Partizipation in den Angeboten (Werden die Angebote von Beschaumlf-
tigten mitentwickelt mitevaluiert etc)
7 Werden die Angebote evaluiert
45
Fragen an die Beschaumlftigen der WfbM
Name der WfbM
Datum
1 Wissen Sie was Gesundheitsfoumlrderung ist Wenn ja wie wuumlrden sie es beschreiben
[Moumlgliche Erklaumlrung fuumlr Beschaumlftigte die sich nichts unter Gesundheitsfoumlrderung vorstellen
koumlnnen Zur Gesundheitsfoumlrderung gehoumlrt alles was fuumlr Ihre Gesundheit gut ist zB Kur-
seMaszlignahmen usw die mit Bewegung Ernaumlhrung Wohlfuumlhlen am Arbeitsplatz oder Ent-
spannen zu tun haben]
2 Welche Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung werden Ihnen von der Werkstatt angebo-
ten
3 Werden Ihrer Meinung nach genuumlgend Angebote zur Gesundheitsfoumlrderung in der Werk-
statt angeboten
4 Duumlrfen Sie bei der Entwicklung und Evaluation (Auswertung am Ende) mitbestimmen
5 Was sind Ihre Wuumlnsche bezuumlglich der Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung
41
Anhang
Nr 1 Abbildung zu den Hauptdeterminanten der Gesundheit nach DahlgreenWhitehead
2007 S 11
Nr 2 Befragung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Beschaumlftigten der WfbMs
42
Nr 1 Abbildung zu den Hauptdeterminanten der Gesundheit nach DahlgreenWhitehead
2007 S 11
43
Nr 2 Befragung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Beschaumlftigten der WfbMs
Um moumlglichst effizient die Stimmen aus vier WfbMs unterschiedlicher Traumlger zu erheben
wurden diese auf dem Infotag der LAG WfbM Berlin am 17112015 gesammelt Hier waren
verschiedene Werkstaumltten mit Informationsstaumlnden vertreten Gewaumlhlt wurden die Werkstaumlt-
ten an deren Staumlnden der Verfasser zuerst vorbeilief Die gestellten Fragen waren stets die-
selben
Den Vertretern der Werkstatt wurde zugesichert dass ihr Name nicht in der vorliegenden Ar-
beit genannt wird lediglich ihre Position in der Werkstatt wird erwaumlhnt Es wurden auszligerdem
keine weiteren Personendaten erhoben
Wenn moumlglich sollten auszligerdem fuumlnf Beschaumlftige pro WfbM befragt werden Hierfuumlr wurde
am Ende des kurzen Interviews um Erlaubnis gefragt Den Beschaumlftigten wurden andere Fra-
gen gestellt als dem Werkstattpersonal jedoch erhielten alle Beschaumlftigten dieselben Fragen
untereinander Den Beschaumlftigen wurde komplette Anonymitaumlt in der vorliegenden Arbeit
zugesichert und es wurden keine personenbezogenen Daten abgefragt Zuerst wurde nach
ihrem Verstaumlndnis von Gesundheitsfoumlrderung gefragt Vor den Fragen 2 bis 5 wurde kurz
erklaumlrt wie Gesundheitsfoumlrderung verstanden werden kann um davon ausgehend die restli-
chen Fragen zu beantworten
Bei saumlmtlichen Interviews wurde auf Transkriptionen verzichtet es wurden lediglich die
Kernaussagen mitgeschrieben
Im Folgenden finden sich exemplarisch die jeweils gestellten Fragen
44
Fragen an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der WfbM
Name der WfbM
Position der befragten Person Begleitender Dienst
1 Was verstehen Sie unter Gesundheitsfoumlrderung
2 Was bieten Sie im Rahmen der Gesundheitsfoumlrderung an
3 Wie werden die Maszlignahmen angenommen
4 Wuumlrden Sie gerne mehr anbieten oder finden Sie die Angebote ausreichend
5 Gibt es Schwierigkeiten
6 Wie steht es um die Partizipation in den Angeboten (Werden die Angebote von Beschaumlf-
tigten mitentwickelt mitevaluiert etc)
7 Werden die Angebote evaluiert
45
Fragen an die Beschaumlftigen der WfbM
Name der WfbM
Datum
1 Wissen Sie was Gesundheitsfoumlrderung ist Wenn ja wie wuumlrden sie es beschreiben
[Moumlgliche Erklaumlrung fuumlr Beschaumlftigte die sich nichts unter Gesundheitsfoumlrderung vorstellen
koumlnnen Zur Gesundheitsfoumlrderung gehoumlrt alles was fuumlr Ihre Gesundheit gut ist zB Kur-
seMaszlignahmen usw die mit Bewegung Ernaumlhrung Wohlfuumlhlen am Arbeitsplatz oder Ent-
spannen zu tun haben]
2 Welche Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung werden Ihnen von der Werkstatt angebo-
ten
3 Werden Ihrer Meinung nach genuumlgend Angebote zur Gesundheitsfoumlrderung in der Werk-
statt angeboten
4 Duumlrfen Sie bei der Entwicklung und Evaluation (Auswertung am Ende) mitbestimmen
5 Was sind Ihre Wuumlnsche bezuumlglich der Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung
42
Nr 1 Abbildung zu den Hauptdeterminanten der Gesundheit nach DahlgreenWhitehead
2007 S 11
43
Nr 2 Befragung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Beschaumlftigten der WfbMs
Um moumlglichst effizient die Stimmen aus vier WfbMs unterschiedlicher Traumlger zu erheben
wurden diese auf dem Infotag der LAG WfbM Berlin am 17112015 gesammelt Hier waren
verschiedene Werkstaumltten mit Informationsstaumlnden vertreten Gewaumlhlt wurden die Werkstaumlt-
ten an deren Staumlnden der Verfasser zuerst vorbeilief Die gestellten Fragen waren stets die-
selben
Den Vertretern der Werkstatt wurde zugesichert dass ihr Name nicht in der vorliegenden Ar-
beit genannt wird lediglich ihre Position in der Werkstatt wird erwaumlhnt Es wurden auszligerdem
keine weiteren Personendaten erhoben
Wenn moumlglich sollten auszligerdem fuumlnf Beschaumlftige pro WfbM befragt werden Hierfuumlr wurde
am Ende des kurzen Interviews um Erlaubnis gefragt Den Beschaumlftigten wurden andere Fra-
gen gestellt als dem Werkstattpersonal jedoch erhielten alle Beschaumlftigten dieselben Fragen
untereinander Den Beschaumlftigen wurde komplette Anonymitaumlt in der vorliegenden Arbeit
zugesichert und es wurden keine personenbezogenen Daten abgefragt Zuerst wurde nach
ihrem Verstaumlndnis von Gesundheitsfoumlrderung gefragt Vor den Fragen 2 bis 5 wurde kurz
erklaumlrt wie Gesundheitsfoumlrderung verstanden werden kann um davon ausgehend die restli-
chen Fragen zu beantworten
Bei saumlmtlichen Interviews wurde auf Transkriptionen verzichtet es wurden lediglich die
Kernaussagen mitgeschrieben
Im Folgenden finden sich exemplarisch die jeweils gestellten Fragen
44
Fragen an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der WfbM
Name der WfbM
Position der befragten Person Begleitender Dienst
1 Was verstehen Sie unter Gesundheitsfoumlrderung
2 Was bieten Sie im Rahmen der Gesundheitsfoumlrderung an
3 Wie werden die Maszlignahmen angenommen
4 Wuumlrden Sie gerne mehr anbieten oder finden Sie die Angebote ausreichend
5 Gibt es Schwierigkeiten
6 Wie steht es um die Partizipation in den Angeboten (Werden die Angebote von Beschaumlf-
tigten mitentwickelt mitevaluiert etc)
7 Werden die Angebote evaluiert
45
Fragen an die Beschaumlftigen der WfbM
Name der WfbM
Datum
1 Wissen Sie was Gesundheitsfoumlrderung ist Wenn ja wie wuumlrden sie es beschreiben
[Moumlgliche Erklaumlrung fuumlr Beschaumlftigte die sich nichts unter Gesundheitsfoumlrderung vorstellen
koumlnnen Zur Gesundheitsfoumlrderung gehoumlrt alles was fuumlr Ihre Gesundheit gut ist zB Kur-
seMaszlignahmen usw die mit Bewegung Ernaumlhrung Wohlfuumlhlen am Arbeitsplatz oder Ent-
spannen zu tun haben]
2 Welche Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung werden Ihnen von der Werkstatt angebo-
ten
3 Werden Ihrer Meinung nach genuumlgend Angebote zur Gesundheitsfoumlrderung in der Werk-
statt angeboten
4 Duumlrfen Sie bei der Entwicklung und Evaluation (Auswertung am Ende) mitbestimmen
5 Was sind Ihre Wuumlnsche bezuumlglich der Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung
43
Nr 2 Befragung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Beschaumlftigten der WfbMs
Um moumlglichst effizient die Stimmen aus vier WfbMs unterschiedlicher Traumlger zu erheben
wurden diese auf dem Infotag der LAG WfbM Berlin am 17112015 gesammelt Hier waren
verschiedene Werkstaumltten mit Informationsstaumlnden vertreten Gewaumlhlt wurden die Werkstaumlt-
ten an deren Staumlnden der Verfasser zuerst vorbeilief Die gestellten Fragen waren stets die-
selben
Den Vertretern der Werkstatt wurde zugesichert dass ihr Name nicht in der vorliegenden Ar-
beit genannt wird lediglich ihre Position in der Werkstatt wird erwaumlhnt Es wurden auszligerdem
keine weiteren Personendaten erhoben
Wenn moumlglich sollten auszligerdem fuumlnf Beschaumlftige pro WfbM befragt werden Hierfuumlr wurde
am Ende des kurzen Interviews um Erlaubnis gefragt Den Beschaumlftigten wurden andere Fra-
gen gestellt als dem Werkstattpersonal jedoch erhielten alle Beschaumlftigten dieselben Fragen
untereinander Den Beschaumlftigen wurde komplette Anonymitaumlt in der vorliegenden Arbeit
zugesichert und es wurden keine personenbezogenen Daten abgefragt Zuerst wurde nach
ihrem Verstaumlndnis von Gesundheitsfoumlrderung gefragt Vor den Fragen 2 bis 5 wurde kurz
erklaumlrt wie Gesundheitsfoumlrderung verstanden werden kann um davon ausgehend die restli-
chen Fragen zu beantworten
Bei saumlmtlichen Interviews wurde auf Transkriptionen verzichtet es wurden lediglich die
Kernaussagen mitgeschrieben
Im Folgenden finden sich exemplarisch die jeweils gestellten Fragen
44
Fragen an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der WfbM
Name der WfbM
Position der befragten Person Begleitender Dienst
1 Was verstehen Sie unter Gesundheitsfoumlrderung
2 Was bieten Sie im Rahmen der Gesundheitsfoumlrderung an
3 Wie werden die Maszlignahmen angenommen
4 Wuumlrden Sie gerne mehr anbieten oder finden Sie die Angebote ausreichend
5 Gibt es Schwierigkeiten
6 Wie steht es um die Partizipation in den Angeboten (Werden die Angebote von Beschaumlf-
tigten mitentwickelt mitevaluiert etc)
7 Werden die Angebote evaluiert
45
Fragen an die Beschaumlftigen der WfbM
Name der WfbM
Datum
1 Wissen Sie was Gesundheitsfoumlrderung ist Wenn ja wie wuumlrden sie es beschreiben
[Moumlgliche Erklaumlrung fuumlr Beschaumlftigte die sich nichts unter Gesundheitsfoumlrderung vorstellen
koumlnnen Zur Gesundheitsfoumlrderung gehoumlrt alles was fuumlr Ihre Gesundheit gut ist zB Kur-
seMaszlignahmen usw die mit Bewegung Ernaumlhrung Wohlfuumlhlen am Arbeitsplatz oder Ent-
spannen zu tun haben]
2 Welche Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung werden Ihnen von der Werkstatt angebo-
ten
3 Werden Ihrer Meinung nach genuumlgend Angebote zur Gesundheitsfoumlrderung in der Werk-
statt angeboten
4 Duumlrfen Sie bei der Entwicklung und Evaluation (Auswertung am Ende) mitbestimmen
5 Was sind Ihre Wuumlnsche bezuumlglich der Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung
44
Fragen an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der WfbM
Name der WfbM
Position der befragten Person Begleitender Dienst
1 Was verstehen Sie unter Gesundheitsfoumlrderung
2 Was bieten Sie im Rahmen der Gesundheitsfoumlrderung an
3 Wie werden die Maszlignahmen angenommen
4 Wuumlrden Sie gerne mehr anbieten oder finden Sie die Angebote ausreichend
5 Gibt es Schwierigkeiten
6 Wie steht es um die Partizipation in den Angeboten (Werden die Angebote von Beschaumlf-
tigten mitentwickelt mitevaluiert etc)
7 Werden die Angebote evaluiert
45
Fragen an die Beschaumlftigen der WfbM
Name der WfbM
Datum
1 Wissen Sie was Gesundheitsfoumlrderung ist Wenn ja wie wuumlrden sie es beschreiben
[Moumlgliche Erklaumlrung fuumlr Beschaumlftigte die sich nichts unter Gesundheitsfoumlrderung vorstellen
koumlnnen Zur Gesundheitsfoumlrderung gehoumlrt alles was fuumlr Ihre Gesundheit gut ist zB Kur-
seMaszlignahmen usw die mit Bewegung Ernaumlhrung Wohlfuumlhlen am Arbeitsplatz oder Ent-
spannen zu tun haben]
2 Welche Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung werden Ihnen von der Werkstatt angebo-
ten
3 Werden Ihrer Meinung nach genuumlgend Angebote zur Gesundheitsfoumlrderung in der Werk-
statt angeboten
4 Duumlrfen Sie bei der Entwicklung und Evaluation (Auswertung am Ende) mitbestimmen
5 Was sind Ihre Wuumlnsche bezuumlglich der Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung
45
Fragen an die Beschaumlftigen der WfbM
Name der WfbM
Datum
1 Wissen Sie was Gesundheitsfoumlrderung ist Wenn ja wie wuumlrden sie es beschreiben
[Moumlgliche Erklaumlrung fuumlr Beschaumlftigte die sich nichts unter Gesundheitsfoumlrderung vorstellen
koumlnnen Zur Gesundheitsfoumlrderung gehoumlrt alles was fuumlr Ihre Gesundheit gut ist zB Kur-
seMaszlignahmen usw die mit Bewegung Ernaumlhrung Wohlfuumlhlen am Arbeitsplatz oder Ent-
spannen zu tun haben]
2 Welche Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung werden Ihnen von der Werkstatt angebo-
ten
3 Werden Ihrer Meinung nach genuumlgend Angebote zur Gesundheitsfoumlrderung in der Werk-
statt angeboten
4 Duumlrfen Sie bei der Entwicklung und Evaluation (Auswertung am Ende) mitbestimmen
5 Was sind Ihre Wuumlnsche bezuumlglich der Maszlignahmen zur Gesundheitsfoumlrderung