+ All Categories
Home > Documents > Geschichten aus der Berner Mühle - kulturmuehle-berne.de · Der Verein Kulturmühle Berne e. V....

Geschichten aus der Berner Mühle - kulturmuehle-berne.de · Der Verein Kulturmühle Berne e. V....

Date post: 14-Oct-2019
Category:
Upload: others
View: 0 times
Download: 0 times
Share this document with a friend
23
. . . die Müllerei ist von Gott gegeben, aber das Mühlsteinschärfen und das Mahlen bei Nacht, das hat der Teufel gemacht . . . Geschichten aus der Berner Mühle
Transcript
Page 1: Geschichten aus der Berner Mühle - kulturmuehle-berne.de · Der Verein Kulturmühle Berne e. V. konnte in den letzten Jahren die von ihm gepachtete alte Berner Mühle mit erheblichem

. . . die Müllerei ist von Gott gegeben,aber das Mühlsteinschärfenund das Mahlen bei Nacht,

das hat der Teufel gemacht . . .

Geschichtenaus der

Berner Mühle

Page 2: Geschichten aus der Berner Mühle - kulturmuehle-berne.de · Der Verein Kulturmühle Berne e. V. konnte in den letzten Jahren die von ihm gepachtete alte Berner Mühle mit erheblichem

Der Verein Kulturmühle Berne e. V. konnte in den letzten Jahren die von ihmgepachtete alte Berner Mühle mit erheblichem Eigenaufwand renovieren und restau-rieren. In dem so vor dem endgültigen Verfall geretteten und wiederhergerichtetenGebäude der alten Motormühle von 1905 konnten auch die zwei noch vorhandenenMahlgänge erhalten werden. Im Rahmen meiner einjährigen hauptamtlichen Tätig-keit für den Verein war es mir möglich, zumindest einen Großteil der Geschichte deralten, vormals „Herrschaftlichen Mühle“ in Berne aufzuarbeiten. In dieser kleinenBroschüre will ich deshalb ein paar Geschichten aus der Geschichte der Mühleerzählen. Diesen short-storys aus vier Jahrhunderten, die ich aus den diesbezügli-chen Akten des Oldenburger Staatsarchivs rekonstruiert habe, stelle ich jeweils zuAnfang eine kurze Zusammenfassung voran, die das damalige historische Gesche-hen, soweit es für diese Geschichten wichtig war, kurz beleuchten sollen.

Stephan Leenen

Okotober 1995

Page 3: Geschichten aus der Berner Mühle - kulturmuehle-berne.de · Der Verein Kulturmühle Berne e. V. konnte in den letzten Jahren die von ihm gepachtete alte Berner Mühle mit erheblichem

Literaturverzeichnis

Karl Wilhelm Anton, Encyclopädie für Müller, Mühlen- und Maschinenbauer, Voll-ständiges Lehrbuch, Leipzig 1871

Klaus Dede, Wesermarsch, Fischerhude 1982

Albrecht Eckhardt/ Heinrich Schmidt (Hg.), Geschichte des Landes Oldenburg, 3.verb. u. erw. Aufl. 1988

Ingo Hashagen, Als sich noch die Flügel drehten ...,Die Geschichte der ehemaligen Windmühlen und der einzigen Wassermühle in derWesermarsch, Fischerhude 1986

Erich Heckmann/ Hermann Rudolph, Kleine Geschichte des Oldenburger Landes,Oldenburg 1965

Wilhelm Kleeberg, Niedersächsische Mühlengeschichte, hg. v. d. Vereinigung zurErhaltung von Wind- und Wassermühlen in Niedersachsen e. V., Hannover 1964Johannes Mager, Günter Meissner, Wolfgang Orf, Kulturgeschichte der Mühlen,Tübingen 1989

Gerold Meiners, Stedingen und die Stedinger, Bremen 1987

Ingeborg Weber-Kellermann, Landleben im 19. Jahrhundert, München 1987

Page 4: Geschichten aus der Berner Mühle - kulturmuehle-berne.de · Der Verein Kulturmühle Berne e. V. konnte in den letzten Jahren die von ihm gepachtete alte Berner Mühle mit erheblichem

Quellenverzeichnis

Staatsarchiv Oldenburg

I. Brandkassenregister

207 Ab A: General-Brandversicherungs-Societät 1764-1792

207 Ab (A2) Nr. 2 Vogtei Berne 1764-91

207 Ab (A4) Nr. 4 Mühlen

207 Ab (A5) Nr. 5 Veränderungsgefälle in der Vogtei Berne pro ao. 1771 (Page 425)

207 Ab (B4) Nr. 9 Vogtei Berne (1793-1834)

207 Ab (cd 4) Nr. 73 Berne 1834-1890

207 Ab (Dfc 1-4) Nr. 423-426 Landkreis WesermarschBerne (Bd. 1-4) 1890 - ca. 1970

207 Ab (Nr. 905) F 6Herrschaftliche Gebäude usw. (Windmühlen) 1881-1907

II. Mühlenakten

71-2, Band 363 (1658-1740)71-4, Band 312 (1805-1811)71,5/ Nr. 1507 (1814-1856)71,5/ Nr. 1508 (1814-1856)71,5/ Nr. 1509 (1819-1836)71,5/ Nr. 1510 (1820)

22

Page 5: Geschichten aus der Berner Mühle - kulturmuehle-berne.de · Der Verein Kulturmühle Berne e. V. konnte in den letzten Jahren die von ihm gepachtete alte Berner Mühle mit erheblichem

I. als alles anfing . . .im 15. Jahrhundert in Berne

Im Jahre 1464 “wart de Windmöhlethor berne upgebawet von einem Dro-sten up Delmenhorst mit namen HinrichKlüver up Befehl von Graf Gerhard”, soberichtet der Chronist Hinrich Vollers inseiner Chronik des Stedinger Landes.Der vorherrschende Mühlentyp dieserZeit war im Norden Deutschlands dieBockwindmühle. Eine Mühle, die, ganzaus Holz gefertigt, auf einem Holzbockstand und mittels Muskelkraft an einemlangen Steert in den Wind gedreht wer-den mußte. Die Kappen- oder Hollän-derwindmühle, wie sie nach ihrerursprünglichen Herkunft heißt, eroberteDeutschland erst im 18. Jahrhundert.Wassermühlen zur Mehlerzeugung hin-gegen waren in unseren Breiten selten,wenn man einmal absieht von der 1573in Neumühlen erbauten Wassermühle,die ab 1681 nach ihrem adligen Besitzerals Witzlebensche Wassermühlebekannt war. Wassermühlen mußten anOrten mit entsprechendem Gefälleerrichtet werden, sodaß der Bach oderFluß, mit der nötigen Wucht versehen,auf das große Schaufelrad gelenkt wer-den konnte. In unserer Gegend war dasnur schwer zu bewerkstelligen. DieMühle in Neumühlen, die 1955/56 end-gültig abgebrochen wurde, verfügtedeshalb auch über einen großenMühlenteich, in dem das Wasser ange-staut wurde.

In der frühen Neuzeit, in der wir unsMitte des 15. Jahrhunderts befinden,legte der jeweilige Territorialherr, in die-sem Falle also die damaligen Grafenvon Oldenburg und Delmenhorst, fest,wo eine Mühle gebaut wurde. Mühlen-bann und Mahlzwang waren die feuda-len Knebel, die das Müllerhandwerkbestimmten und für die soziale Zwi-schenstellung des Müllers auf dem Dorfbestimmend waren. Das schlechteAnsehen des Müllerstandes war mitdafür verantwortlich, daß den Müllernbis ins 16. Jahrhundert das Bürgerrechtverwehrt wurde. Noch im 17. Jahhun-dert wurde den Söhnen von Müllern die

Zugehörigkeit zu städtischen Zünftenversagt, da ihrem Handwerk nochimmer der Ruch des Unehrenhaftenanhing.

Der Müller besaß das Monopol überdie ihm zugeteilte Bauernschaft. Stan-den ihm qua Vertrag in der Refel 1/8 bisein 1/16 des Mahlgutes als Lohn zu, soargwöhnten die Bauern oft, vom unge-liebten Müller betrogen zu werden. Ein-zelne bekannt gewordene Vorfälle die-ser Art schienen diese Vorurteile nochzu bestätigen. Im Mittelalter mußte derMüller die Leiter bei Hinrichtungen stel-len oder gar das Galgengerüst aufrich-ten, während der sozial noch unter ihmstehende Leineweber die Galgengrubeaushob. Auch aus Berne sind Zwistig-keiten, das Anschwärzen des Müllersbei der Obrigkeit und bittere Auseinan-dersetzungen im Dorfe aktenkundiggeworden. Aber da die Pachtvergabesich mehr und mehr auf Bewerber ausBerne oder den umliegenden dörflichenFlecken konzentrierte, waren zumindestdiese Pächter, die außerdem im Ort zweibis drei Bürgen finden mußten, sozialnicht mehr ausgegrenzt.

Vielerorts wurde dem Müller ein aus-führlicher Eid auferlegt, dessen Inhaltwir in den vorliegenden Pachtverträgenfür die Berner Windmühle im 17. und 18.Jahrhundert wiederfinden.

So gelobten die Müller in Preußen1616:

“Ihr sollt geloben und schweren, demDurchlauchtigen Hochgebohrnen Für-sten und Herrn ..., daß Ihr diese Mühl-ordnung und alles dasjenige, so inunterschiedlichen Puncten verfassetund Euch vorgelesen, getrewlich undfleißig wollet halten, auch ewre Knechtund Gesinde, mit allem Ernst dahin wei-sen und vermahnen, den Armen als denReichen, dasjenige Getraydt, so Euch zumahlen jederzeit überantwortet wird, derProb gemäß, Gerecht, wiederum zu lie-fern, und zuzustellen. Nichts durchEuch, oder Ewer Gesindlein verhalten,noch heimlich abtragen lassen, Allesgetrewlich und ohne Gefährde, Als mirGott helffe und sein heiliges Wort.”(Mager,1989,S.130)

3

Page 6: Geschichten aus der Berner Mühle - kulturmuehle-berne.de · Der Verein Kulturmühle Berne e. V. konnte in den letzten Jahren die von ihm gepachtete alte Berner Mühle mit erheblichem

Der Pachtvertrag der Berner Mühle zwischen dem dänischen König und TöleMencken zu Elsfleth von 1698, gültig vom „Maitag“ bis 1704.

4

Page 7: Geschichten aus der Berner Mühle - kulturmuehle-berne.de · Der Verein Kulturmühle Berne e. V. konnte in den letzten Jahren die von ihm gepachtete alte Berner Mühle mit erheblichem

genötigt den Transport von Korn undMehl durch die Müller und Mühlenpäch-ter zu gestatten.

V. Die Berner Mühlein Privatbesitz

Im Brandkassenregister war die Müh-le 1809 auf 1500 Reichstaler geschätztworden. Dieser Wert stieg bis 1823,durch umfangreiche Verbesserungenund Renovierungen, auf 3400 Taler an.Müllerhaus und Stall wurden mit 2200Reichstalern veranschlagt. Am 27.August 1856 kaufte der “Gastwirth undHausmann Hermann Gerhard Jürgenszu Bardewisch” die Berner Mühle fürdas Höchstgebot von 8050 Talern, dieer schon am 3. Oktober des Jahres voll-ständig bezahlt hatte.

1868 erwarb August Diedrich Clodiusdie Mühle, die 1871 auf Johann Christi-an Wefer überging. Dieser ließ 1896 einMaschinenhaus für 5100 Mark bauenund darin eine Motormühle aufstellen.1908 wurde die reparaturbedürftigeBockwindmühle abgebrochen undstattdessen ein zweites Maschinenhauserrichtet. Von dem nach und nachgroßflächig bebauten WeferschenMühlengelände sind heute nur nochReste geblieben. Neben dem modernenMühlengebäude, das 1906 errichtetwurde und den Garagen an der LangenStraße sind nur eins von zwei Motoren-häusern und ein paar Mauerrestegeblieben. Der teilweise überdachteHof, die Stallungen. Schweinekoben,Lagerräume sind nach und nach in denSechziger und Siebziger Jahren abge-rissen worden. Das in den ZwanzigerJahren vis a vis angesiedelte Drosch-ken- und Taxiunternehmen von KarlLange und Karl Wenke hinterließ aufdem Gelände ebenso keine Spuren wiedie alte Bockwindmühle, deren Dachnoch jahrelang als Wetterschutz für dieWeferschen Kühe auf der Weide diente,auf der sich heute das Autohaus Lampebefindet. Im Mühlengebäude selbst blie-ben noch zwei Mahlgänge erhalten, vondenen der eine aus der alten Bockwind-

mühle stammt. Die technischen Neue-rungen des 19. und 20. Jahrhundertshaben in wenigen Jahrzehnten diealthergebrachte in Jahrhunderten verfei-nerte und verbesserte handwerklicheMühlentechnik abgelöst. So wurde derSeemannsche Gallerieholländer in Lem-werder 1909, nach Verlust seiner Flügel,zuerst mit einem Petroleummotorbetrieben. Dann wurde der obligatori-sche Deutz-Gasmotor eingebaut undschließlich ab 1922 ein Elektromotorangeschafft. Auch die WeverscheMotormühle arbeitete schließlich mitzwei unabhängigen Antriebssystemen,dem dieselbetriebenen Deutz-Sauggas-motor und einem Elektromotor. Von die-ser Maschinerie sind außerhalb derMühle nur noch die zwei gut Mannsho-hen Transmissionsräder erhalten geblie-ben, die heute in einer der Garagenlagern.

Am 1. Mai 1900 hatten sich die Ste-dinger Inhaber von Mühlenbetriebenvertraglich auf einheitliche, gemeinver-bindliche Mahltarife geeinigt. Gleichzei-tig waren die unterzeichnenden Mühlen-besitzer dem Müllerbund von Bremenund Umgebung beigetreten. Über vier-zig Müller, darunter auch Christel Wefer,dessen Berner Mühlenbetrieb damalsverwaltungsrechtlich zum Amt Elsflethzählte, versuchten so, bei Androhungeiner Konventionalstrafe von 100Reichsmark und im Wiederholungsfallevon 500 Reichsmark, qua Preisabspra-che sich ihren örtlichen Kundenstammzu sichern. Den landwirtschaftlichenBetrieben wurde für bis zu 200 PfundGetreide ein Mahllohn von 10 Pfennigpro 25 Pfund berechnet, der sich fürFeinmahlen verdoppelte. Dabei mußtesich “der Kunde 1% für Verstauben inAbzug bringen lassen”. Für Händler,“grössere Konsumenten und Bäcker”fielen pro Tonne Getreide acht Mark an.

Christel Martin Wefer lieferte dasMahlgut auch noch mit einem Pferde-fuhrwerk aus, mit dem auf dem Rück-weg gleich das neue, zu mahlendeGetreide zur Mühle gebracht werdenkonnte. Die Wefersche Motormühlestellte ihren Betrieb 1938 ein.

21

Page 8: Geschichten aus der Berner Mühle - kulturmuehle-berne.de · Der Verein Kulturmühle Berne e. V. konnte in den letzten Jahren die von ihm gepachtete alte Berner Mühle mit erheblichem

Wie überhaupt bedrängte und ver-hängnißvolle Zeiten schätzbare Wirkun-gen zu erzeugen pflegen, so hat auchdie Abwendung eines zu befürchtendenBrodmangels außerdem noch einegroße Wohltat zurückgelassen; man hatden Vortheil kennen gelernt, daß selbstund nicht vom Bäcker gebackenes Brodweit sättigender und nahrhafter miteinem Worte haushälterischer ist.

Die Bäcker klagen schon jetzt übereinen Verluste im Absatze am Schwarz-enbrode von 4/5, und dies sind unterandern die segensreichen Früchte einerhohen Einwirkung glücklich abgewand-ten Brodmangels. Allein es tretenUmstände ein, die den Gespannlosen,den sogenannten kleinen Leuten, dasSelbstbacken verleiden und sehrbeschweren, und da diese gerade inmeinem mir angewiesenen Wirkungs-kreis einzuschreiten scheinen; so hoffeich um so vertrauensvoller euer hochge-neigte Aufnahme meiner ganz gehor-samsten Bitte betr: die Freyheit für dieMahlmüller die Kornfrüchte von den Ein-wohnern abholen und nachdem siegemahlen sind, an dieselben zurückbrin-gen zu dürfen, zu finden, je mehr dasGlück und der Wohlstand der Untertha-nen dadurch befördert wird.

Die ehrerbietige Anlage ergiebt mitMehrerem, daß den Mahlmüllern dieAbholung und Zurückbringung derFrüchte hochoberlich untersagt ist,obgleich die Windmüller Steencke zuHarmhusen und N.N. zu Lemwerder hierin der kleinen Gemeine, in welcher 4Grob- oder Schwarzbrodbäcker woh-nen, diesem Verbote zuwider handeln.Durch dieses Verbot entsteht der Nach-theil für die unbespannten Einwohnerdaß sie im Interesse der Bäcker undMehlhändler das `Bremer 4’ zu 25 PfundGewicht, das ungemahlen 27-28 Pfundwiegt, wenn die Matte abgeht, mit 2 1/2Pfund Gewichtsverlust kaufen müssen.

- Nimmt der Müller auf Bitten dieKornfrüchte mit, so bringt er sie unterder gewöhnlichen Entschuldigung

- die Bäcker gehen vor, man habe denWagen nicht stärker beladen können, eshabe nicht Wind genug gewehet, um die

Kleinigkeit, welche er verächtlich `Pün-gel’ nennt, könne man sich nicht gutbekümmern, mit der nächsten Tour nichtwieder oder spät zurück, und so bleibensolche Püngel 8 - 14 Tage auf der Wind-mühle liegen, die Säcke werden von denRatzen und Mäusen zerfressen und dieSackbünder von den besuchendenMahlgästen abgelöst oder geschnitten.

Nimmt ein Bespannter, deren es indieser Gemeine jetzt nur 12 giebt, diewenigstens aus 1100 Seelen besteht,den Püngel des Unspannten gelegent-lich nach der Mühle mit, so muß der letz-tere dem erstern dafür hofdiensten, undobendrein zum öftern den Verdruß erle-ben, ihn nicht mit zurückgebracht zusehen, indem man nicht habe daraufwarten können, oder ein andererErsuchter sich damit entschuldigt, ersey noch nicht durchgemahlen.

Der Brodlose fällt dadurch demBäcker in die Hände, muß von diesemsein interim bedürftiges unhaushälteri-sches Brod kaufen, und leidet Schaden.

Diese nachtheiligen Umstände wer-den zur Zeit des Schweinemästens nochdrückender; ein und mehrere Tage Man-gel an Schweinefutter setzt doppelteTage in der Mästung zurück, oder manwird die Beute der Brod- und Mehl-händler. Alle diese Angaben sind aufunumstößliche Wahrheits-Erfahrungengegründet, die nöthigenfalls durchBerichtseinforderung vom Großherzogli-chen Amte Berne sicher bestätigt wer-den, ich wiederhole daher die ganzgehorsamste Bitte, dem Mahlmüller vonButtel zu Dreisielen, der sich zum Abho-len und Zurückbringen der Mahlfrüchtegeneigt finden wird, zum Besten desLandes und besonders des WeserDeichstrichs die gnädige Erlaubniß zurAbholung und Rückbringung dieserMahlfrüchte wohlgewogentlich zu ert-heilen.

Warfleth 1832 Juny 18.Hoene.”

Aber erst am 11. September 1832 sahsich die großherzogliche Kammer, diesich nur schwerlich von angestammtenRechten und Vorschriften trennte,

20

Page 9: Geschichten aus der Berner Mühle - kulturmuehle-berne.de · Der Verein Kulturmühle Berne e. V. konnte in den letzten Jahren die von ihm gepachtete alte Berner Mühle mit erheblichem

Der Müller arbeitete auf der herr-schaftlichen Mühle lediglich als Pächter.Die Bauern waren gezwungen für dieMühle Hand- und Fuhrendienste zu lei-sten und in der Mühle beschäftigteHandwerker, vor allem auswärtige Zim-merleute, zu beköstigen. Andererseitswar der Müller im Gegensatz zu denBauern von der Unterbringung herr-schaftlicher Soldaten in Friedens- undKriegszeiten befreit. Seine Verpflichtunggegenüber den Bauern bestand in dergerechten , ordnungsgemäßen und billi-gen Arbeitserfüllung: “Wer zuerstkommt, mahlt zuerst”. Zur Kontrollewurde von jedem zur Vermahlunggebrachten Scheffel (ein Scheffel waren26 Liter) mit dem `Kerbholz’, einem inzwei Teile gespaltenen Holzscheit, einTeil des Getreides abgenommen, vondem der eine Teil dem Müller zukam. Dieim Pachtvertrag festgelegte Instandhal-tung der Mühle erforderte vom Müllergroßes handwerkliches Geschick, dajeder Stillstand der Mühle für ihn einenAusfall an Einnahmen bedeutete, da dieBeamten des Grundherrn den Bauernfür diese Zeit eine andere Mühle anwei-sen konnten.

II. Pachtverträge in der Zeit derDänenherrschaft

(1667 - 1770)

Der älteste erhalten gebliebenePachtvertrag zwischen dem Statthalterdes dänischen Königshauses, das 1667die Oldenburger Grafschaften geerbthatte, und dem Mühlenpächter JacobEmbken datierte auf den 4. Dezember1669.

In diesem auf vier Jahre abgeschlos-senen Vertrag gingen König undMühlenpächter gegenseitige Verpflich-tungen ein. So hatte der Pächter dieMahlgäste ehrlich, gewissenhaft, unbe-stechlich und der Reihe nach zu bedie-nen. Außerdem mußte er Mühle undWohnhaus, Garten und Geräte auf eige-ne Kosten in gutem Stande halten. DerKönig verpflichtete sich für Schädendurch “Brandt, Waßer oder Kriegsge-walt, welches gottgnädig verhüten wol-

le” einzutreten. Wenn aber ein Schadeneinträte durch “des Bestehres (Pächt-ers) oder der Seinigen Verwahrlosungund Verschleiß”, dann hatten der Päch-ter und seine Erben dafür einzustehen.Der Pächter und seine Bürgen standenmit ihrem Vermögen und Eigentum fürdie Erfüllung des Vertrages ein. Und sogelobte Jacob Embken:

“Daß ich demnach bey wirklicher Ver-pfändung aller meiner Haab und Güeter,wie die nahmen haben mögen (dieErben), in guten trewen Zusagen undversprechen tue, allem was ietz BerürterLeye mir eingebunden und zu verrichtenoblieget, getreulich und wie einem ehrli-chen Man gebüeret und wol anstehet,nachzukommen...”

Als Bürge benannte er den Vogt derbenachbarten Vogtei Wüstenland,Johann Dietrich Mönnich. Zu dieser Zeitwurden oft die örtlichen Beamten derLandesherrschaft, die Vögte, als Bürgenin solche Pachtverträge einbezogen. Sokonnte der Landesherr sicher sein, daßdie Einhaltung der Verträge besondersgut überwacht wurde.

Das dänische Königshaus hatte abge-sehen vom Deichbau, der in dieser Zeitwesentlich vorangetrieben wurde, keinInteresse daran, in diese entfernte Pro-vinz Geld zu investieren. Die Mühle soll-te Gewinn abwerfen. Und so gerietendie Mühlenpächter oft mit der däni-schen Krone in Streit, wenn es um dieFinanzierung notwendiger Reparaturenging. Die Landesverwaltung in Campeversuchte im Jahre 1686 der Krone,indem sie die Mühle zur Erbpacht aus-rufen ließ, alle weiteren Kosten zuersparen. Denn da “die allergnädigsteHerrschaft von den Pachtgeldern fastwenig Eigennieß gehabt” hatte, solltennun die neuen Pächter für den unbefri-steten Vertrag neben der jährlichenPacht auch alle möglichen Folge- undBetriebskosten tragen. Die Söhne desfrüheren Vogts im Wüstenland, JohannDietrich und Anton Günter Münnichübernahmen die Mühle. Beide hattenauf ihren Gütern und Anton Günter alsoberster Deichbeauftragter genuganderes zu tun, als sich in der Mühle zu

5

Page 10: Geschichten aus der Berner Mühle - kulturmuehle-berne.de · Der Verein Kulturmühle Berne e. V. konnte in den letzten Jahren die von ihm gepachtete alte Berner Mühle mit erheblichem

verdingen. Und so war es auch. Die bei-den Brüder witterten eine weitere Ein-nahmequelle. Sie pachteten die Mühlefür jährlich 46 1/2 Reichstaler und ver-suchten sich als Subunternehmer. Diesging auch zehn Jahre lang gut. Dannkündigte der König den Vertrag, da ihmwohl zu Ohren gekommen war, daß erbesser selbst die Mühle für einen höhe-ren Pachtzins verpachten könnte, alsweiterhin den niedrigeren Betrag vonden Gebrüdern Münnich zu erhalten.Nun präsentierten die beiden Brüdereine Rechnung über sage und schreibe350 Reichstaler für geleistete Repara-turarbeiten. Das von einem bestelltenMühlenmeister erstellte Inventar derMühle bewies aber, daß diese auf einengeradezu jämmerlichen Zustand herun-tergewirtschaftet worden war. Nicht nurHolzdielen, die Mattenkiste, in der derNaturallohn des Müllers aufgehobenwurde, Werkzeuge und der Trichtergangmußten ausgetauscht werden. Selbstdie Welle, das Kammrad, sowie eine derzwei Ruthen, an denen die Flügel befe-stigt waren, mußten überholt werden.Nach dieser amtlichen Besichtigungdürften die Gebrüder Münnich nichtmehr auf ihre Kosten gekommen sein.

Aus dem Pachtvertrag mit TöleMencke, der die Mühle vom Maitag1698 bis 1704 gepachtet hatte, gehthervor, daß einige Bauern, die gezwun-gen waren bei der herrschaftlichenMühle ihr Korn mahlen zu lassen, gerneandernorts, wo es für sie billiger war, ihrGetreide mahlen ließen. Besonders dieweit ab wohnenden Bauern und geradedie, die ihre Häuser nahe der Weser undOllen hatten, waren nicht abgeneigt, beientsprechender Witterung, den Müllerum seine Einkünfte zu prellen. Da derjährliche Pachtzins für die Mühle sichaber nach der Kopfzahl der Bevölkerungmaß, war der Mühlenpächter auf jedenSack Getreide angewiesen, der ihm zumVermahlen zugerechnet wurde. ImVetrag mit Töle Mencke heißt es dennauch:

“Wobey ... denen sämbtlichen Untert-hanen, welche zu dieser Mühle gehören,mittels öffentlicher Publication von den

Cantzeln bey willkührlicher Strafe anbe-fohlen werden soll, daß sie ihr getraydenicht zu andern, sondern zu dieser Ber-ner Mühle bringen, und daselbst mahlenlaßen, überdem auch dasjenige, was siean Wagen und Handdiensten, od son-sten bey dieser Mühlen zu verrichtenschuldig sein, nach wie vor tun sollen.”

Auch die von den Berner und Altene-scher Kötern, den bäuerlichen Kleinstel-leninhabern, zu leistenden Hand- undSpanndienste für die Mühle wurdennicht ohne Murren von diesen geleistet.Es war offensichtlich für die Bauern nurschwer einzusehen, warum sie, wennsie ihr Korn schon gegen Bezahlungmahlen lassen mußten, auch noch zuHilfsdiensten für den Mühlenpächterherangezogen wurden. Im Jahre 1704mußte ein Beamter des Landesherrn dieVerbindlichkeit dieser Zwangsdienstefür die örtlichen Bauern extra noch ein-mal feststellen.

II.1 Warum der Müller den Beutelnicht ziehen will - Streit um dieReparaturkosten für die Mühle,

ein Dauerthema

Auch die Verwaltungskammer inCampe, die die Interessen des Landes-herrn in der Vogtei Berne vertrat, kamihren Verpflichtungen gegenüber denMühlenpächtern oft nur zögernd,manchmal auch gar nicht nach. DieBeamten, denen einerseits das Wohldes Landes am Herz gelegen habenmuß, waren auf der anderen Seitegezwungen, die Interessen der däni-schen Krone zu vertreten. Auch wenn eshistorisch unrichtig ist, die dänischeHerrschaft in Stedingen als bloßeFremdherrschaft zu verteufeln; die fernedeutsche Provinz sollte der Krone nichtnur einen territorialen, sondern aucheinen materiellen Gewinn einbringen.Und so beschwerten sich oft in dieserZeit die verschiedenen Mühlenpächterüber unterlassene Reparaturen, soDavid Goden 1700, dem die Anschaf-fung und Einbringung eines neuenKammrades zugesagt worden war. Für

6

Page 11: Geschichten aus der Berner Mühle - kulturmuehle-berne.de · Der Verein Kulturmühle Berne e. V. konnte in den letzten Jahren die von ihm gepachtete alte Berner Mühle mit erheblichem

gemäß, gegen denselben zu verfahren.”Der Bäcker Haye konnte diese Fak-

ten nicht in Abrede stellen. Aber er erwi-derte:

“Übrigens habe ich auch dem Denun-cianten gestern, als das Mehl noch imSchiffe sich befand, die Matten davonangeboten, Er wollte solche jedochnicht haben. Denunciant Theilen räumtedie letzte Anfuhr des Denuncirten ein,bemerkte indeß, dieser habe schonmehrere Male Mehl bekommen unddavon ihm weder die Anzeige gemachtnoch die Matten entrichtet, er habedaher geglaubt die Matten für den hierbefragten Fall nicht annehmen zu dür-fen, Denunciant würde ihm solche auchnicht angeboten haben, wenn er nichtihn mit dem Mehl betroffen hätte.“

Das Mehl des `denuncirten’ BäckersHaye wurde beschlagnahmt und dessenVerarbeitung oder Veräußerung unterStrafe gestellt.

Zwei Tage später wurde derNeumühlener Müller Sanders ins Amtbestellt. Dieser behauptete nun, er hättedem Haye kein Mehl geliefert. ImGegenteil hätte dieser das Mahlgut zuseiner Mühle gebracht und das Mehlhinterher wieder abgeholt. Er selbst hät-te nicht gewußt, daß der GrobbäckerHaye dazu nicht berechtigt gewesenwäre. Daraufhin wurde dem Müller San-ders das Vermahlen fremden Mehlsstrengstens untersagt. Er machte nocheine Eingabe beim Großherzog, die aberabschlägig beschieden wurde.

IV.4 Mit Pferd und Wagen

Aus heutiger Sicht nahm der regiona-le Konkurrenzkampf der Müller direktkuriose Züge an. So beschwerte sichder Berner Mühlenpächter 1822 beimAmt, daß der Pächter der DreisielenerMühle sich Pferde halte und den Ein-wohnern das Mahlgut ins Haus brächte.Daraufhin wurde diesem der Transportvon Korn und Mehl untersagt. Gleichzei-tig schaffte sich aber der Berner PächterWulzen nun ein Pferd an, um den Drei-sielener Müller auszustechen. Nachdemer gehört hatte, daß dies dem Dreisie-lener Müller untersagt worden war, ver-kaufte er sein Pferd wieder. Nun ver-suchte ersterer aber wiederum seineKunden mit einem Pferdegespann zubeliefern, was erneut dem Amt Berne zuOhren gebracht wurde und erneut ver-boten wurde. Der Transport von Fleisch,Brot und Bier mit Fuhrwerken oder Boo-ten war den Herstellern gestattet, nichtaber den Müllern das Ausfahren vonMehl und Getreide. Im Juni 1832 bat derWarflether Pfarrer Hoene den Großher-zog den Müllern das Recht zum Trans-port des Korns und der Mahlfrüchte ein-zuräumen. Er schrieb:

“Großherzogliche hohe Landesregie-rung haben nie das Wohl der Untertha-nen aus den Augen gelassen, das sich invielen andern, aber neulich noch in derwohlwollenden Abhülfe eines zubefürchtenden Brodmangels bewährthat.

19

Page 12: Geschichten aus der Berner Mühle - kulturmuehle-berne.de · Der Verein Kulturmühle Berne e. V. konnte in den letzten Jahren die von ihm gepachtete alte Berner Mühle mit erheblichem

Von den vier Pächtern der Mühlegeriet in den nächsten vier Jahren Pundtin Konkurs und Müller verlor seingesamtes Vermögen. Schließlich blie-ben Kückens und Bulling auf Zahlungs-forderungen des Amtes sitzen. DieMühlenpacht hatte ihnen kein Glückgebracht.

Der nächste Pächter Friedrich Ger-hard Theilen versuchte 1840 seine Ein-nahmen dadurch zu erhöhen, daß ersich mit den Berner Bierbrauern anleg-te. Ihnen sollte untersagt werden, denvon ihnen verwandten Malz selbst mitHandmühlen zu vermahlen. Seine Ein-gabe wurde aber von der Kammerabgeschlagen.

Als auch der nachfolgende PächterHinrich Lange und danach dessengleichnamiger Sohn in finanzielleSchwierigkeiten gerieten, verstärktdurch das am 31. August 1848 endgül-tig aufgehobene alte Bannrecht, wuchsin der landesherrlichen Verwaltung dieÜberzeugung, daß allein aus dem Ver-kauf der Mühle noch ein geringer Ertragzu erzielen wäre.

IV.3 `confiscirtes Mehl’ - freierHandel, wenn’s keiner sieht

Der Pächter der Berner Mühle Die-drich H. Wulzen zeigte am 17. Novem-ber 1828 dem Amt in Berne an, daß derMüller Bruns aus Hude gerade bei Ber-ner Bäckern Mehl abliefere, ohne ihmvorher den ihm zustehenden Malterdafür bezahlt zu haben. Daraufhin wur-de eine `große Quantität’ Mehl (sechsSack Roggen- und zwei Sack Weizen-mehl) beschlagnahmt und eine amtlicheUntersuchung eingeleitet. Bruns hinter-legte erst einmal auf dem Amt 15 Reich-staler, um sein Mehl wieder zu erhalten.Er gab an, von einem Verbot der Ein-führung von Mehl aus Hude in Bernenichts gewußt zu haben. Zugleich hoffteer, daß er die verauslagten 15 Talerzurückerstattet bekäme. Nach denErmittlungen des Amtes Berne war dieentsprechende amtliche Verordnungvon 1822, die die Einfuhr fremden Mehls

in die Stedinger Vogteien untersagte,aber auch im Amt Ganderkesee öffent-lich gemacht worden. In seiner Einlas-sung vom 5. Januar 1836, der Streit zogsich, wenn man den Akten glauben darfschon acht Jahre hin, sprach Brunsganz selbstbewußt von einem doch frei-en Handel:

“Sollte bey dieser Mühle (in Berne),ein Zwangs-Recht sayn, so ist auch derRocken nicht von da nach der Hude zumMahlen gebracht, und würde sich dannauf das beziehen müssen, was in derGegend geerntet wird. Da nun Unter-zeichneter, nicht anders wußte, als dasein freyer Handel, mit Mehl und Rockenim hiesigen Lande statt fünde, und vomVerboth, desselben zu Berne nichtswußte, wodurch er sein Mehl verlorengehen sollte, so muß er daherunterthännigst die GroßherzoglicheRegierung bitten, dieselbe wolle gnä-digst geruhen zu verfügen, das die Con-fiscation des in Arrest genommenenMehls aufhöre, und ihm wieder freygegeben werde.”

Als Bruns schließlich klein bei gebenmußte und bei der großherzoglichenCammer um Gnade bat, hatte er demBerner Mühlenpächter 57 GroschenMalter und die Kosten des Verfahrensbezahlen. Die fünfzehn Taler Auslöse fürsein beschlagnahmtes Mehl erhielt erobendrein nicht zurückerstattet.

Am 23. Februar 1836 “sistirte der hiesige Mühlenpächter

Friedrich Gerhard Theilen den BäckerFriedrich Haye aus Ranzenbüttel ( d. h.er führte ihn beim Amt vor) und zeigtean, dieser letztere habe gestern Abendein Schiff mit 7 Sack Mehl (enthaltend28 Scheffel), und zwar Roggenmehl vondem Müller Sanders zu Neumühlenbekommen, dieser sey nicht befugt inden Bannbezirk dieser Mühle Mehl ein-zuführen, wenn er nicht die Mattendavon ihm entrichte. Er habe deshalbseinen Mitcomparenten (den Vorgela-denen) verschiedentlich, aber ohneErfolg gewarnt, und da derselbe wieangeführt jetzt 7 Sack Mehl bekommenund ihm die Matten davon nicht entrich-tet habe, so bitte er den Gesetzen

18

Page 13: Geschichten aus der Berner Mühle - kulturmuehle-berne.de · Der Verein Kulturmühle Berne e. V. konnte in den letzten Jahren die von ihm gepachtete alte Berner Mühle mit erheblichem

Auszug aus einer Handwerkerrechnung über geleistete Reparaturarbeiten an derBerner Mühle.

7

Page 14: Geschichten aus der Berner Mühle - kulturmuehle-berne.de · Der Verein Kulturmühle Berne e. V. konnte in den letzten Jahren die von ihm gepachtete alte Berner Mühle mit erheblichem

diese kostspielige Instandsetzung derMühle waren die Verbindungswegenach Kopenhagen offenbar besondersweit. Als am 28. Mai 1740 der Lieger-Stein des Mahlgangs auseinanderge-brochen war, erhielt der Pächter JohannHinrich Gode erst am 24. Oktober denneuen Mühlstein in die Mühle geliefert.Womit der Pächter in der Zwischenzeitseinen Lebensunterhalt fristen konnteist nicht überliefert.

Hermann Brögelmann, der die Mühleseit 1704 auf zehn Jahre in Pacht hatte,schrieb im November 1708 an die Kam-mer, daß ihm bei Vertragsabschlußzugesagt worden wäre, daß ein neuesMühlenhaus gebaut und die Mühle ineinen guten Stand gesetzt würde.

“... weill aber nach so vielen verfloße-nen Jahren weder das eine noch dasandere bewerckstelliget worden, unddie Mühle nunmehro wegen daran nichtverfertigter Herrschaftlicher Stücke, soschlecht geworden, daß auch der itzigeMüller dieselbe diesen Sonnabend ste-hen laßen muß, weill Er ohne großeGefahr dieselbe nicht mehr gebrauchenkan”,

müße der Pächter nun darum bitten,vom Pachtvertrag losgesprochen zuwerden. Er könne seinen Verpflichtun-gen nicht mehr nachkommen und zweif-le nicht, daß Euer Hochwohlgeborenseinem Wunsch entsprechen würden,da “ich ein alter Mann bin und dadurchnichts gewinne”.

Zu diesem Brief des Mühlenpächtersverfaßte der zuständige Beamte inCampe eine längere Notiz. Darin stellteer erst einmal fest, daß der Brief desPächters mit “erdichteten Lügen ange-füllet” wäre.

So sei diesem ein Mühlenhaus nichtversprochen und die Mühle in brauch-barem Stande geliefert worden, wie esauch im Heuervertrag festgehalten wor-den war. Ganz im Gegenteil hätte derPächter die Mühle jetzt schon im fünftenJahr “gebrauchet und meines wißenskeinen heller aus seinen mitteln daranverbauet, oder verunkostet”. Demnachhatte es der Pächter den ganzen Som-mer über “negligiret”, daß der zuständi-

ge Mühlenmeister die Mühle besichtig-te, in der die Welle dringend überho-lungsbedürftig war. Diese Reparaturhätte auf Kosten des Landesherrndurchgeführt werden sollen. Nunmehrsei

“verschiedenes mehr gleichfalß nötigan der Mühle zu repariren, so er aufeigene Kosten thun und stehen muß,weil ihm aber der geitz an der Seele sit-zet, will er den Beutel nicht ziehen, unddie erforderlichen Kosten daran vermei-den ... (und) alle schuldt auf die nichtgelieferte Säule und Welle ... (legen), ichhabe aber nunmehro den ernst wiederihn ergriffen, und will ihn schon anzu-weißen wißen, daß er die Mühle in gut-em stande schaffen und erhalten solle.”

Über den Ausgang dieser Auseinan-dersetzung liegen leider keine Aktenver-merke mehr vor. Da aber im Heuerver-trag, der gute Zustand der Mühle fest-geschrieben und von einem neu zuerrichtenden Mühlenhaus keine Redewar, dürfte der Pächter hier einenschlechten Stand gehabt haben.

Im Jahre 1731 gerieten der neueMühlenpächter Hinrich Hajen und dervormalige Pächter Baltzer Regemüller inStreit darüber, wer die Beschaffung undEinbringung einer neuen Welle zubezahlen hätte, deren Anschaffungallein schon um die 60 Reichstalerkosten sollte.

Hajen wandte sich an die königlicheKammer und gab an, daß die Abnüt-zung der alten Welle allein zum Ver-dienst des bisherigen Pächters beige-tragen hätte und dieser die Reparatur-kosten auch zu tragen hätte.

Anläßlich einer Vorladung am 25. Juni1731 konnte über die Übernahme dieserKosten keine Einigung erzielt werden.Nun sollte die Obrigkeit entscheiden.Schließlich stellte die Verwaltung inCampe fest, daß schon vor über einemJahr eine neue Welle im Auftrag derHerrschaft gehauen worden war;irgendwie war aber seitens des damali-gen Pächters die Einbringung der Welle,die ja einen längeren Stillstand der Müh-le bedeutet hätte, immer wieder verzö-gert worden.

8

Page 15: Geschichten aus der Berner Mühle - kulturmuehle-berne.de · Der Verein Kulturmühle Berne e. V. konnte in den letzten Jahren die von ihm gepachtete alte Berner Mühle mit erheblichem

Cammer in Afterpacht zu nehmen, undmußte den vollen wirklichen jährlichenPachtzins zu zahlen, übernehmen,; alleinals er die Berner Windmühle eine Zeit-lang verwaltet hatte, bedauerte er schondiesen seinen Schritt, indem er einsah:daß er die ausgelobte Pacht, wegen deshiesigen wenigen Gemahls schwerlicherlangen werde; dies hat sich auch lei-der wirklich gefunden, obgleich alleMühe angewandt worden ist, dasGemahl zu vermehren.

Im Herbste 1831 wurde der Suppli-cantin Ehemann bettlägerig krank, undobgleich alles, was die VermögensUmstände nur irgend erlaubten, zurWiederherstellung desselben ange-wandt wurde, so wollte doch keine Bes-serung Platz greifen, und im Monat Maydiese Jahres erfolgte leider schon derTod desselben.

Durch diese so lange angehalteneKrankheit, und den darauf erfolgten Todder Supplicantin Ehemanns, ist dieunterthänige Supplicantin sehr zurück-gekommen, indem sie allein an Arztlohnund Medicin nahe an die 100 Taler hat

ausgeben müssen, und diesen Ausga-ben, gesellen sich bekantlich noch man-che andere hinzu, und da die Einnahmeüberhaupt wegen des geringenGemahls nur unbedeutend gewesen,und es noch ist, so ist es der unterthäni-gen Supplicantin durchaus nicht mög-lich, die May 1832 fällig gewordeneMühlenpacht zu berichtigen, und bittetdemnach die Großherzogliche Cammerganz unterthänigst:

höchstdieselbe wolle geruhen, derunterthänigsten Supplicantin die jezoMay 1832 fällig gewesene Mühlenpachtad 153 Taler, wenn nicht ganz, doch biszur Hälfte, gnädigst zu erlassen.

Da nun bereits vom GroßherzoglichenAmte Berne, wegen obiger Mühlen-pacht die Pfandung erkannt, und voll-streckt worden ist, so bittet dieunterthänige Supplicantin schließlichnoch ganz gehorsamst:

Großherzogliche Cammer möge gnä-digst geruhen, die ebengedachte Pfan-dung baldmöglichst bis weiter aufhebenzu lassen

Wittwe Seidts”

17

Page 16: Geschichten aus der Berner Mühle - kulturmuehle-berne.de · Der Verein Kulturmühle Berne e. V. konnte in den letzten Jahren die von ihm gepachtete alte Berner Mühle mit erheblichem

schließlich auf die Berner Bockwind-mühle.

IV.2 Verschuldung und Konkurse der Pächter

Das Los eines Mühlenpächters warkeineswegs ein gesichertes, rosiges.1828 mußte der aus Blankenburg stam-mende Müller Diedrich Heinrich WultzenKonkurs anmelden. Sein Sohn FriedrichWultzen, der nun die Mühle übernahm,mußte sich verpflichten die rückständi-gen Pachtzahlungen seines Vaters auf-zubringen und von diesem vernachläs-sigte Reparaturarbeiten ins Werk zu set-zen.

Er konnte aber weder die jährlichePacht von 306 Talern aufbringen, nochseinen handwerklichen Verpflichtungennachkommen. Nicht einmal einen sol-venten Bürgen konnte er benennen. Sei-ne Frau hatte das anliegende Müller-haus gekauft, in der Hoffnung diesesdurch den Ertrag der Mühle abbezahlenzu können. Das Vorhaben scheitertekläglich. Friedrich Wulzen wurde vonder Mühle entfernt. Der folgende Päch-ter Dierks

“erfüllte seinen Contract eben sowenig, und starb ohne Vermögen zu hin-terlassen. Die Supplicanten (Bittsteller,gemeint sind seine Bürgen) wurden nuntheils als Bürgen, theils als Hauptpäch-ter angehalten, die rückständigen Repa-rationen, welche einige Hundert Talerkosteten, beschaffen zu lassen und diePachtgelder zu bezahlen; so daß es kei-nen Zweifel unterworfen ist, daß sieeinen bedeutenden Verlust erlittenhaben”,

schrieb das Amt Berne in seinemBericht nach Oldenburg. Die folgendenPächter Borchert Kückens zu Rantzen-büttel, Heinrich Bulling zu Schlüte, Frie-drich Müller zu Berne und Johann Pundtkonnten in den nächsten Jahren, trotzmehrmaliger Eingaben an das Amt, kei-ne Verringerung der Pachtsumme errei-chen. Nun versuchten diese vier einengeeigneten Pächter für die Berner Müh-le zu finden und verfielen auf den MüllerSeidts, der vorher auf der Seemann-

schen Mühle in Lemwerder als Knechtgearbeitet hatte. Der Brief der WitweSeidts an die großherzogliche Kammer,in dem sie nach dem plötzlichen Todeihres Mannes um eine Herabsetzung derausstehenden Forderungen bittet, zeugtvon der Not der Berner Mühlenbetreiberin einer Zeit wirtschaftlicher Umwälzun-gen im ländlichen Raum:

1832 Sept. 15.An

Großherzoglichehochpreisliche

Cammerin

Oldenburg[...]

Der weyland Ehemann der unterthäni-gen Supplicantin (Bittstellerin) hatte seitseiner Confirmation, stets auf Wind-mühlen gearbeitet, und namentlich inden letzten 8 Jahren- bis Martiny 1829 -die Mühle zu Lemwerder verwaltet; der-selbe dürfte sich schmeicheln, nichtallein die Mühle zur Zufriedenheit seinerHerrschaft verwaltet zu haben, sonderner hatte auch durch seine prompte undredliche Bedienung der beikommendenMahlgäste allgemein ein gutes Zutrauensich erworben; als der Müller Seemannzu Lemwerder mit Tode abgegangenwar, beabsichtigte derselbe, die See-mannsche Mühle in Pacht zu nehmen,allein bei der öffentlichen Verpachtungderselben, wurde sie zu hoch aufgebo-ten, und er konnte also die Mühle nichterlangen, und mußte daher abziehen.

Kurz darauf bot sich die Gelegenheitdar; daß die Pächter der Herrschaftli-chen Berner Windmühle, BorchertKückens und Consorten, diese obge-nannte Mühle wieder in Afterpacht aus-geben wollten; und da der SupplicantinEhemann, wie schon gesagt, seit seinerConfirmation als Müller gedient, mithinkein andres Geschäft so gut und gründ-lich verstand, als das Müllerfach, und fürden Augenblick keine Gelegenheit fand,seinen Unterhalt auf andere Weise sichzu verschaffen, so sah er sich genöthigt,die Herrschaftliche Berner Windmühlemit Genehmigung Großherzoglicher

16

Page 17: Geschichten aus der Berner Mühle - kulturmuehle-berne.de · Der Verein Kulturmühle Berne e. V. konnte in den letzten Jahren die von ihm gepachtete alte Berner Mühle mit erheblichem

Im Januar 1732 konnte aber der amt-liche Beschluß darüber, daß der vorma-lige Mühlenpächter durch sein Verschul-den nun für die Einbringung einer neuenWelle aufkommen sollte, nicht mehrumgesetzt werden.

Die Herrschaft hatte dem Contractnach das Holz für die Welle zu liefern,die Berner Untertanen mußten diebehauene Welle anliefern und der altePächter die Einbringung (Legung)bezahlen und den Stillstand dem neuenPächter vergelten.

“Das an den vorigen Mühlen PächterBaltzer RegeMüller übersandte Memo-riale cum Decreto aber, habe (ich) nichtbesorgen können, weil der Supplicatbereits vor Anlangung dieser Documen-ten, von hier weg, nach der waddenserMühle gezogen, auch /: wie anfänglichvermuhtet :\ sich bis daher hier nochnicht wieder sehen laßen”,

schrieb die Verwaltung in Campe anden Landdrosten in Oldenburg .Schonam 29. August 1731 hatten drei Bürgen

des vormaligen Müllers in einem Schrei-ben an die Herren Landdrosten undJustizrat mitgeteilt, daß

“der bißherige Wind Müller zur BerneBaltzer Regemüller sich bey seinerMühlen Pacht dergestalt in Schuldengesetzet, daß sein hauß und gütherjüngster tagen zur vergantung (Verstei-gerung) gediehen, da dann ich unterandern Creditoren mein Capital ad 100Reichstaler nebst enständigen Zinsen,fast gantz verlustig zu gehen beklagenmuß, wann nemlich der Müller schuldigerkant werden solte ... von deßen bür-gen verlanget worden, die annach ein-zubringen vom jetzigen Müller verlangteWelle zu bekostigen.”

So war es nicht verwunderlich, daßder vormalige Pächter sich in diesemKostenstreit schnellstens aus demStaub gemacht hatte. Zurück bliebenseine Bürgen.Eine ausgediente Mühlen-welle wurde öffentlich “ von den Cant-zeln” versteigert. Da es sich um einenaus einem Baum gearbeiteten etwa drei

9

Page 18: Geschichten aus der Berner Mühle - kulturmuehle-berne.de · Der Verein Kulturmühle Berne e. V. konnte in den letzten Jahren die von ihm gepachtete alte Berner Mühle mit erheblichem

bis vier Meter langen, an dem Ende, woder Wellkopf, in den die Flügelruten grif-fen, aufgesetzt war, zylindrisch geform-ten Balken handelte, konnte er noch alsBauholz Verwendung finden. Allerdingslagen die erzielten Gebote natürlich weitunter den Anschaffungskosten. So wur-de für eine Welle, die aber einige Ein-schnitte aufwies, wo die ZimmerleuteHolz zur Verkeilung der neuen Welle her-ausgeschnitten hatten, 1739 in Bernelediglich 36 Groschen erzielt. DieseSumme wurde der königlichen Kassezugeführt.

III. Glück zu ! - der Arbeitsalltagdes Windmüllers

Die Marschlandschaft zeichnete sichseit Beginn ihrer Kultivierung dadurchaus, daß die vielen Flüße,Tiefer, Sieleund Gräben neben den oft kaum pas-sierbaren Kleiwegen (Kleie= die Ablage-rung,die die Weser im Laufe der Jahr-hunderte mit sich gebracht hat) einzweites Wegesystem bildeten. Diekünstlich angelegten Entwässerungs-gräben wurden intensiv als Verbin-dungswege genutzt. Materiallieferungenzum Hausbau, Torfkähne mit dembegehrten Brennmaterial, selbst Schul-kindertransporte und, wenn es nichtanders ging, auch Viehtransporte wur-den mit Kähnen bewerkstelligt. Auchder Mühlengraben bei der Berner Mühleermöglichte die Anlieferung des Mahl-guts und die Abholung des gemahlenenKorns unabhängig vom Zustand derunbefestigten Straßen. Der Mühlengra-ben war auch ein Hauptumschlagplatzder Torflieferungen für die Küchenherdeund Stubenöfen der Berner. (vgl. Mei-ners 188)

Da im 17. und 18. Jahrhundert derViehzucht noch nicht ihre spätereBedeutung in Stedingen zukam, wurdeauf gut 50 Prozent der landwirtschaftlichgenutzen Fläche Ackerbau betrieben.Angebaut wurden vorwiegend Gerste,Hafer und Bohnen. Die unterschiedli-chen Preise für Hafer (8 Grote proScheffel),Gerste (16) und Roggen (24)

führten zu einem zunehmendenRoggenanbau im 18. und 19. Jahrhun-dert, der erst mit der Intensivierung derWeidewirtschaft wieder verschwand.(vgl. Meiners, S.279)

Der Arbeitsalltag des Windmüllers warvon den herrschenden Wetterverhältnis-sen abhängig.

Der Standort einer Windmühle wurdevon vornherein nach den dort herr-schenden Windverhältnissen ausge-sucht und bestimmt. In direkter Nach-barschaft der Mühle durfte es keinestörenden oder den Betrieb gefährden-den hohen Bäume, Gebäude usw.geben.

Andererseits bedeutete ein heftigerSturm für den Müller gar zu oft denfinanziellen Ruin. So konnten die Flügel`übern Berg’ geweht werden oder es lie-fen die Kammradbremse und die Wel-lenlager heiß bis zum Glühen. Die frei-stehenden Mühlen waren besondersvom Blitzeinschlag bedroht, der überallvorhandene Mehlstaub konnte sichselbst entzünden; auch kam es vor, daßdie schnell rotierenden Mühlsteine wieeine Granate zerplatzten. Das Lebendes Müllers und seiner Knappen , des-sen Wohlergebhen von der Funkti-onstüchtigkeit der Mühle abhing, warzum Anderen von dieser riesigenMaschinerie bedroht.

Einen guten Müller mit langjährigerErfahrung kennzeichnete denn auch dieFähigkeit in all dem “Rütteln und Schüt-teln, Klappern, Knarren und Knirschen,Ächzen, Brummen, Heulen, Rauschen,Klopfen und Summen”, (Mager,1989,S.142) das den Müller während desArbeitsbetriebs umgab, mit geschärftenSinnen mögliche Fehler- und Gefahren-quellen in seiner Megamaschine sofortzu erkennen und einzuordnen.

Sein Arbeitsalltag war völlig bezogenauf die sich wandelnden Witterungsbe-dingungen. Lag die Windmühle beiWindstille oder Sturm oft recht langestill, so fiel der Müller andererseits aus-drücklich nicht unter das sonn- und fei-ertägliche Arbeitsverbot. Der Windbestimmte, wann gemahlen wurde, wares nun Tag oder Nacht.

10

Page 19: Geschichten aus der Berner Mühle - kulturmuehle-berne.de · Der Verein Kulturmühle Berne e. V. konnte in den letzten Jahren die von ihm gepachtete alte Berner Mühle mit erheblichem

reduzieren, schrieb der Mühlenknechtund Berner Grobbäcker Wulzen an sei-ne `Herzogliche Durchlaucht’, daß er dieMühle pachten und durchaus 900Reichstaler dafür jährlich zahlen wolle.

Dierk Müller behielt aber die Mühleauf vier weitere Jahre für jährlich 700Reichstaler in Pacht. In den folgendenJahren verschlimmerte sich aber seinefinanzielle Situation zusehens. Am 19.Januar 1810 berichtete der Mühlenmei-ster Thormählen dem Amt, daß notwen-dige, befohlene Reparaturen von DierkMüller nicht durchgeführt wordenwaren. Das Amt empfahl daraufhingegen den Müller, falls erforderlich`ernstliche Zwangsmittel’ anzuwenden.Im März 1810 war der Pächter schon200 Reichstaler an Pacht schuldig, dienun öffentlich `beigefordert’ werden soll-ten. Bis 1819 behielt Dierk Müller dieBerner Bockwindmühle mit Mühe inPacht. In diesen Jahren lag er mit derlandesherrlichen Verwaltung, die bis1813 französische und dann wiedergräfliche Interessen vertrat, in einemDauerstreit um die Pachtberechnungund die Erstattung der Speisegelder.

In den Jahren der Besetzung Stedin-gens durch napoleonische Truppen(1807-1813) waren mit der eingeführtenGewerbefreiheit neue Mühlen gebautund die vormaligen Bannbezirke aufge-hoben worden. Zwar hatte Dierk Müllerdie Mühle erst weitergeführt, aber mitden neu gebauten Holländerwind-mühlen in Hiddigwarder Moor undHekeln (1812), war der Konkurrenz-kampf spürbar härter geworden. Zudemhatte der Müller Meyerholz dieSägemühle in Dreisielen um einen Rog-genmahlgang erweitert. Nachdem dienapoleonischen Truppen, geschlagenbei der Völkerschlacht in Leipzig, vonrussischen Kosaken, die im Oktober1813 in Oldenburg einzogen, vertriebenwaren, wurde erneut die alte landes-fürstliche Herrschaft eingesetzt. Dieneuen Mühlen wurden dem BernerBannbezirk zugeordnet und auch derGallerieholländer in Dreisielen durfteseinen Kornmahlgang behalten. Dafürmußten deren Besitzer nun Ausgleichs-

abgaben an die Landeskasse und denBerner Mühlenpächter zahlen: HermannSteenken (Hekeln) jährlich 100 Taler,Hinrich Meyerholz (Dreisielen) 70 Talerund Johann Conrad Seemann 72 Taler.

Zwischenzeitlich hatte Diederich Hin-rich Wulzen aus Blankenburg die Mühlevon den Franzosen gekauft. Nun wurdedieser als Pächter eingesetzt und for-derte, sehr zum Unbehagen des Lan-desfürsten, die von ihm in seiner Mühleverausgabten Reparaturkosten zurück,die ja nun allein dem Landesherrn zuGute kamen. Ganz stillschweigend undunter der Hand wurden ihm vom AmtBerne diese Kosten erstattet,

“weil es unangenehm seyn könnte,mit ihm als domainenkäufer in weitläufti-ge Erörterungen zu gerathen, und diegnädigste Landes Herrschaft es dochnicht ablehnen kann, ihm diejenigenReparationen, die Ihr, wie es namentlichmit der Mühlen Ruthe der fall ist, würk-lich zum Vortheil gekommen sind, ver-güten zu lassen”.

Das alte Zwangs- und Bannrecht wur-de wieder aufgerichtet. Aus den amtli-chen Berichten der ersten Jahre nachder Befreiung von der `französischenOccupation’ wird deutlich, daß die Ste-dinger Eingesessenen sich nur widerwil-lig und nur durch Strafandrohungenwieder in das alte Bannrecht fügten. Esdurfte kein fremdes Mehl in die BernerVogtei eingeführt und kein Korn im `Aus-land’, zum Beispiel in Rönnebeck oderBremen gemahlen werden oder von dorteingeführt werden.

Schon im 17. Jahrhundert hatte derAdel in ganz Westeuropa aus Frankreichdie Modeerscheinung des weißen Wei-zenbrotes übernommen. Nun hattensich die Ernährungsgewohnheiten, ver-stärkt durch die französische Besat-zungszeit, auch in der Bevölkerung ver-ändert. Die kombinierte Säge- undKornmühle in Dreisielen und die neueKornmühle in Hekeln besaßen bereitseinen Pellgang, mir dem die Gerstegepellt wurde. 1822 stellte sich für dieLandesherrschaft die Frage, in welcherMühle ein besonderer Weizenmahlgangeingerichet werden sollte. Die Wahl fiel

15

Page 20: Geschichten aus der Berner Mühle - kulturmuehle-berne.de · Der Verein Kulturmühle Berne e. V. konnte in den letzten Jahren die von ihm gepachtete alte Berner Mühle mit erheblichem

lität herrsche und geherrscht habe, sodaß, wie aus zweien Attesten der Predi-ger zu Berne und Warfleth, welche ersich von diesen erbeten habe”, hervor-ginge, allein in den letzten drei Monatendie Zahl der Sterbefälle die Geburten-zahl um 71 überstiegen hätte. Zumanderen führte er aus, daß

“ein so großer Theil seiner Mahlgäste,hart an der Weser wohne. Diese hättendie Ronnebecker Mühle sich geradegegenüber an der anderen Seite desFlusses, und wenn gleich wegen desBesuchs ... und vornämlich solcheraußerhalb Landes befindlicher Mühlen inältere und neuere Zeiten verschiedent-lich Publicationen erlassen wordenwären, um deren Wiederholung undnachdrückliche erneuerte Einschärfunger denn auch eventualiter, wenn er in derMühlenpacht bleiben sollte, jetzt gleichhierdurch gebeten haben wolle, so wür-den darum jene Mahlgäste dieses dochnicht unterlassen. Sie würden dabei nurmit umso Behutsamkeit verfahren, beiNachtzeit, oder Morgens früh, über dendort nicht breiten Strohm schiffen, einsolches auch zum Theil schon jetzt

geschehe, und auf diese Weise den Ver-dienst schmälern”.

Zudem verlöre er bei jeder dreitägigenWindstille Kunden, denen es danngestattet wäre, ihr Getreide bei derWitzlebenschen Wassermühle mahlenzu lassen. Schließlich wäre auch derAnsatz von neun Scheffeln pro Personzu hoch, da die Bevölkerung auf Grundder gestiegenen Getreidepreise immermehr die Kartoffel dem Roggenver-brauch vorzöge. Dies wirkte sich wiederauf die Schweinemast aus. Diese erhiel-ten nun die Kartoffelschalen und keinenGerstenschrot mehr. In Berne würde, imGegensatz zu Elsfleth vor allem BremerBier konsumiert, so daß der Anschlagfür vermahlenen Malz auch zu hochwäre. Demgegenüber wären die Speise-gelder für Schmiede und Zimmerleutekeineswegs geringer ausgefallen.

Schließlich mußte der Pächter am 13.April 1807 einen auf 700 Reichstalererhöhten Pachtzins akzeptieren. Amgleichen Tage, während der Mühlen-pächter Müller eine weitere Eingabe andie herrschaftliche Kammer in Campeschrieb, um diese Summe doch noch zu

14

Page 21: Geschichten aus der Berner Mühle - kulturmuehle-berne.de · Der Verein Kulturmühle Berne e. V. konnte in den letzten Jahren die von ihm gepachtete alte Berner Mühle mit erheblichem

Die Müllersfrau hatte ebenso viele All-tagspflichten zu erfüllen wie der Müller.So kamen ihr neben der Beköstigungvon Familie und Gesinde, die Kinderer-ziehung, Backen, Spinnen, Nähen, dasWaschen der rasch verstaubten Klei-dung, Mitarbeit in der angegliedertenKleinlandwirtschaft und -tierhaltung undoft genug die Aushilfe in der Mühle zu.Der Mülleralltag war so randvoll mitArbeit, daß der Meister zumeist mehrereGesellen beschäftigte.

Da mußten die Kornsäcke der ange-kommenden `Mahlgäste’ gezählt, gewo-gen, in die `Mahlpost’ eingetragen undmit dem Sackaufzug auf Speicher oderSchüttboden gezogen und gestapeltwerden.

Beim Ingangsetzen des Mahlwerkeswar die günstigste Flügelstellung zuregulieren, das Korn ständig nachzu-schütten, alle Arbeitsgänge der Mühleständig zu kontrollieren, verschiedenesMahlgut abzufüllen, auf der `Mehlwaa-ge’ auszuwiegen, zu lagern oder denKunden wieder zu übergeben; manmußte die Mühle reinigen, bei Stillegungsichern, die Wellenlager schmieren,periodisch die Mahlsteine nachschär-fen, oft verschlissene Teile auswech-seln, Bretter und Schindeln neu befesti-gen usw. usf.

Speziell der Bockwindmüller lebte beiall dieser ausfüllenden Tätigkeit amunbequemsten. Da er selbst in seinerMühle nicht wohnen konnte, in der rück-wärtig angebauten kleinen Feise standnur eine Pritsche, arbeitete er in seinernur mit Brettern und Holzschindelngedeckten zugigen Mühle, in der sichjegliches Heizen verbot, zu jeder Jah-reszeit unter harten Arbeitsbedingun-gen. Die Berner Müller mußten sich,wenn sie nicht aus Berne selbst stamm-ten, über lange Jahre in der Wulzen-schen Köterei, einem Häuschen vis a visder Mühle einmieten.

Als 1831 die Köterei vom Landesherrnfür 1000 Reichstaler gekauft wurde,fand der Müller hier zwar eine feste Blei-be. Nun mußte er aber für das Haus einezusätzliche Pacht bezahlen und es inStand halten.

IV. Das 19. Jahrhundert - eineWelt verändert sich

Napoleonische Besetzung undRestauration -

der Weg in die Moderne hatbegonnen

Erst die jahrhundertelange fortschrei-tende Qualifizierung des Müllerhand-werks befreite diesen schließlich im Ver-lauf des 18. Jahrhunderts von den letz-ten feudalen Fesseln. Dabei hatte auchder wachsende Geldbedarf der adligenLandesherren seinen Einfluß gehabt. Dievon Frankreich aus auf ganz Europaüberschwappende feudalabsolutisti-sche Ordnung, mit der ein ausgeprägtesund teures höfisches Leben verbundenwar, führte vermittels der schließlich all-gemein verbreiteten Pacht- und Erb-pachtverträge zu wachsender Selbstän-digkeit der Müller gegenüber der grund-herrlichen Abhängigkeit.

Im Rahmen dieser Entwicklung ent-standen im 17. und 18. Jahrhundert dieMüllerzünfte, die eine dreijährige Gesel-lenzeit, Gesellenstück und ein eigenesBrauchtum ausbildeten.

Der unaufhaltsame technische Fort-schritt - die Zerstörung einer dampfbe-triebenen Mühle bei London durchansässige Müller 1791 stellt aus heuti-ger Sicht die auffälligste Verzweiflungs-tat der traditionell arbeitenden Müllerdar - , die sich rasch entwickelnde aufKapitalertrag gerichtete moderne Wirt-schaftsweise und der mit einem raschenBevölkerungswachstum verbundenezunehmende Getreidebedarf bedrohtedie traditionelle, zunftgebundene Pro-duktionsweise der Müller. Mühlenord-nungen und Zwangsrechte, Zunftzwän-ge und althergebrachtes Müllerhand-werk wurden von dieser Entwicklungüberrollt. Die traditionelle Lebens- undProduktionsweise der Müller wandeltesich im Verlauf des 19. Jahrhunderts zurindustriellen Produktion. Dabei bliebendie Nutzung der Wind- und Wasserkraftschließlich auf der Strecke. Die im Rah-men der ökonomischen und politischenAuseinandersetzungen zwischen demerstarkten Bürgertum und der altherge-

11

Page 22: Geschichten aus der Berner Mühle - kulturmuehle-berne.de · Der Verein Kulturmühle Berne e. V. konnte in den letzten Jahren die von ihm gepachtete alte Berner Mühle mit erheblichem

brachten adligen Herrschaftselite abge-schafften Privilegien des Müllers liefer-ten den Müllerstand schließlich einergnadenlosen wirtschaftlichen Konkur-renz aus.

Die in Nordwestdeutschland mit dernapoleonischen Besetzung eingeführteGewerbefreiheit legte den Grundsteineiner ökonomischen Entwicklung anderen Ende der industriell produzieren-de Großmüller stand. Die vormaligenwind- und wasserbetriebenen altherge-brachten Mühlen wurden nach und nachabgerissen, umgenutzt oder einfachdem Verfall preisgegeben. Wachsenderwirtschaftlicher Konkurrenzdruck, tech-nische Innovationen und die sichändernden Ernährungsgewohnheitenbedingten gemeinsam das sogenannteMühlensterben, d. h. das weitgehendeVerschwinden der traditionellen Mühlenaus unserer Landschaft. Der zunehmen-de Kartoffelanbau und der im 19. Jahr-

hundert einsetzende Rückgang desBrot-Pro-Kopf-Verbrauchs verschobendas Kosten-Nutzen-Verhältnis zuUngunsten der traditionell wirtschaften-den Müller. Meiners belegt, daß zwi-schen 1800 und 1850 der Getreidever-brauch pro Kopf in Deutschland von 235auf 160 Kg zurückging. Gleichzeitigwandelte sich in den bäuerlichen Betrie-ben auch die Aufzucht und Masthaltunggrundlegend. Neue Futtermittel wieSojaschrot usw. kamen zum Einsatz, dieauf dem Weltmarkt günstiger undschließlich in fertigen Mischungen sei-tens der Genossenschaften und Han-delsketten angeboten wurden. So wur-de auch auf dem Futtermittelsektor denMühlen nach und nach ein weiteresBetätigungsfeld entzogen.

“Arbeiteten in den Niederlanden noch1855 rund 9000 Windmühlen, so warenes 1943 nur mehr 1400 und 1980 etwa800; in Deutschland zählte man 1882noch 19900 Windmühlen, 1907 18000und 1925 lediglich 8200.” (Mager,S.141)

IV.1 der Konkurrenzkampf derörtlichen Müller und dasherrschaftliche Bannrecht

im 19. Jahrhundert

Im September 1806 erschien derKnecht des damaligen MühlenpächtersDierk Müller auf dem Amt und bot sich

12

Page 23: Geschichten aus der Berner Mühle - kulturmuehle-berne.de · Der Verein Kulturmühle Berne e. V. konnte in den letzten Jahren die von ihm gepachtete alte Berner Mühle mit erheblichem

selbst als neuen Pächter des geradeauslaufenden Pachtvertrages an. Er gaban, Dierk Müller hätte in den achtzehnbis zwanzig Jahren, in denen er dieMühle in Pacht hatte, eine viel zu gerin-ge Pacht gezahlt. Er selbst wollte stattder bisherigen 500 Reichstaler jährlich800 Reichstaler zahlen. Vorerst sollteder Versuch eines Knechts sich an dieStelle des Müllers zu setzen aber erfolg-los bleiben. Zunächst wurde der `After-pächter’ Müller im Dezember vom Amtvorgeladen und ihm eine neue Zählungder Einwohnerschaft des Bannbezirksder Mühle vorgerechnet, nach der er imneuen Jahr einen weit höheren Pacht-beitrag zu leisten hätte.

Das Amt hatte für die Vogtei Berne,ohne Neuenkoop, aber mit dem Kirch-spiel Warfleth, mit Ausnahme der vierDorfschaften Motzen, Ritzenbüttel,Ganspe und Bardenfleth, 3206 Perso-nen als Zwangs-Mahlgäste ermittelt.Davon wurden 241 Kinder unter 3 Jah-ren abgezogen, sowie für 187 Holland-gänger, Ziegelbrenner usw., die im Jahrnur etwa 4 Monate im Lande blieben einQuartal abgerechnet. Für jeden Konsu-menten veranschlagte das Amt pro Jahrneun Scheffel Rocken (Roggen), der mitje einem Reichstaler veranschlagt wur-de.

Für den Verdienst an Malz, Schweine-korn, Malter von fremdem Mehl usw.wären bei der letzten Verpachtung nur

74 Reichstaler ausgewogen worden.Dies sei aber im Vergleich zu den ande-ren herrschaftlichen Mühlen in Stedin-gen zu wenig gewesen So wurden fürden neuen Pachtanschlag für diesenPosten nun 100 Reichstaler veran-schlagt. Trotz des Abzuges eines auf300 Reichstaler verdoppelten Repara-turkostenanteils und einer von 100 auf80 Reichstaler verminderten Entschädi-gung der Beköstigungskosten für aus-wärtige Handwerker erhöhte sich dieserPachtanschlag nun in etwa auf die Sum-me, die der Mühlenknecht selbst ange-boten hatte: 818 Reichstaler und 33Groschen.

Als Dierk Müller diese Zahl mitgeteiltwurde, beklagte er sich bitter über die`außerordentlich hohe Summa’ undwollte von einer neuen Pacht Abstandnehmen. Durch seine Bürgen ließ erbeeiden, daß zum einen “in diesem Jah-re in dortiger Gegend eine große Morta-

13


Recommended