Date post: | 11-Mar-2016 |
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Geruchswahrnehmungsstörungen
• Überblick• Vorübergehende Riechstörungen• Tumore• Endokrine Erkrankungen• Neurologische Störungen
– Parkinson– Alzheimer Demenz
• Psychiatrische Störungen– Depression– Schizophrenie
• Multiple Chemikalienüberempfindlichkeit (MCS)
Klassifikation• Anosmie
– Komplettes Ausbleiben von Geruchswahrnehmung
• Spezifische Anosmie– Keine Geruchswahrnehmung für bestimmte Duftstoffe
• Hyposmie– Verminderte geruchliche Sensitivität
• Hyperosmie– Erhöhte geruchliche Sensitivität
• Dysosmie– Parosmie: Veränderte Qualitätswahrnehmung bei vorhandener
Duftquelle • Bei negativer Valenz: Cacosmie
– Phantosmie: olfaktorische Halluzination
Vorübergehende Riechstörungen
• Akute Rhinitis– Entzündung der Nasenschleimhaut– Erkältung, Grippe
• Sinusitis– Nasennebenhöhlenentzündung
• Ventilationsstörung durch Anschwellen der Nasenschleimhaut– Erhöhte Schleimsekretion– Vermindertes Volumen der vorderen Nasenhöhle
Vorübergehende Riechstörungen
Tumore• Nasen- und Nebenhöhlentumore• Tumore im ZNS
– Rechtsseitige (fronto-temporale Tumore) führen zu umfassenderen Geruchswahrnehmungsstörungen als linksseitige
– Daniels et al. (2001)
• Patienten mit rechtsseitigen Tumoren zeigen reduzierte olfaktorisch ereigniskorrelierte Potentiale (OERP) nach beidseitiger Stimulation
• Patienten mit linksseitigen Tumoren zeigen reduzierte Potentiale nur nach linksseitiger Stimulation
– Daniels et al. (2001)
Endokrine Erkrankungen I• Cushing-Syndrom
– Erhöhter Kortisol-Spiegel aufgrund eines Geschwulstes des Nebennierenrinde bzw. des HVL
– Hyposmie (Modalitäts-unspezifisch?)
• Nebennierenrinden-Insuffizienz (AddisonKrankheit)– Verminderung aller Hormone der
Nebennierenrinde (insbesondere Glukokortikoide und Mineralokortikoide)
– Hyperosmie (Modalitäts-unspezifisch?)
Endokrine Erkrankungen II• Kallmann-Syndrom (olfaktogenitales Syndrom)
– Hypogonadismus– Keine Sekretion von GnRh im Hypothalamus– Überwiegend bei Männern– Oligophrenie– Schädeldysplasie
– Deutliche Hyposmie oder Anosmie– Vermindertes Volumen des Bulbus olfaktorius– Verminderte Anzahl olfaktorischer Rezeptorzellen,
Verminderung der Zilien-Anzahl
• Hummel et al. (1991)
CSEKPs bei Kallmann-Patienten
Neurologische Störungen, die evtl. mit Geruchswahrnehmungsstörungen einher gehen
• Alzheimer Demenz• Down Syndrom• Chorea Huntigton• Korsakoff Syndrom• Multiple Sklerose• Parkinson• Epilepsie
Parkinson I
• Diagnostik– Tremor– Rigor (Bewegungssteifheit, Zahnradphänomen)– Bradykinese (Bewegungsverlangsamung)
• Biologische Korrelate– Degeneration dopaminerger Nervenzellen
• Nach 7 Jahren sind nur noch etwa 10% vorhanden
Parkinson II
• Neuropathologie des Geruchs-Kortex– Zell-Untergang im anterioren olfaktorischen
Nukleus
– Zell-Untergang im Bulbus olfaktorius• Bereits in frühen Krankheits-Stadien
– Funktionsverlust im Tuberkulum olfaktorium? (hohe Dichte dopaminerger Neurone)
• Pearce et al. (1995)
Bulbusolfaktorius
Anteriorerolfakt. N.
PiriformerKortex
EntorhinalerKortex Amygdala
Hippokampus
primärer
sekundärerolfakt. Kortex
Tuberkulumolfaktorium
Orbitofrontaler Kortex, Insel, Thalamus
Orbitofrontaler Kortex, Hypothalamus
Parkinson III• Geruchswahrnehmungsstörung
– Kardinalsymptom (bei ca. 90% der Patienten)– Anosmie (bei 30-50% der Patienten)– Reduzierte Fähigkeit zur Geruchsidentifikation– Reduzierte geruchliche Sensitivität– Verlängerte Latenzen der Komponenten im olfaktorisch
ereigniskorrelierten Potential (Barz et al., 1997)
– Keine Progression der Wahrnehmungsstörung im Erkrankungsverlauf
– Keine Veränderung der Wahrnehmungsstörung unter dopaminergerMedikation
• Suboptimale Einatmungstechnik (Sobel et al., 2001)• Verminderte Flussstärke• Geringeres nasales Luftvolumen
Parkinson IV• Riechverlust = Frühsymptom (Erstsymptom?)
– Angehörige von Parkinson-Patienten mit reduzierter Geruchswahrnehmung entwickeln mit höherer Wahrscheinlichkeit eine Parkinson-Erkrankung als Angehörige mit normalem Riechvermögen (Berendse et al., 2001)
– Die olfaktorische Wahrnehmungsstörung geht wahrscheinlich der motorischen Störung voraus
– Hohe differentialdiagnostische Relevanz
Alzheimer Demenz I
• Diagnostik– Gedächtnisbeeinträchtigungen (anterograde/ retrograde
Amnesie)– Aphasie (Störungen der Sprache)– Apraxie (Störungen bei motorischen Aktivitäten)– Agnosie (Unfähigkeit Gegenstände wiederzuerkennen)– Störungen der Exekutivfunktion
• Prävalenz– 1% aller 60-jährigen– 50% aller 85-jährigen
Alzheimer Demenz II
• Histopathologie– Deutliche Reduktion des Gehirnvolumens– Neurofibrilläre Tangels
• Haarlockenförmige Proteinfasern in Nervenzellen• Beeinträchtigung des intrazellulären Transportes
– Senile Plaques• Amyloidablagerungen (Proteinspeicher) zwischen Nervenzellen• Bewirken eine verminderte Zell-Zell-Kommunikation und Zelltod
• Biochemie– Verminderter Acetylcholin-Spiegel– Erhöhte Zink- und Aluminium-Spiegel
Alzheimer Demenz II• Ist AD eine Typ III Diabetes?
– Insulinresistenz im ZNS– Reduzierte Insulin-Rezeptor (IR)-Expression– Intranasale Insulinapplikation bei AD-Patienten:
Gedächtnisverbesserung
• Eigenschaften von Insulin im ZNS– Regulation der neuronalen Differenzierung– Dendriten-Wachstum, neuronale Plastizität– IR-Expression
• Bulbus olfaktorius (höchste IR-Dichte), Hippokampus, Hypothalamus, Amygdala
– Li und Hölscher (2007)
Alzheimer Demenz III• Allgemeine Neuropathologie (Nordin & Murphy, 2002)
– Erkrankungsbeginn:• Entorhinaler Kortex• Amygdala• Piriformer Kortex• Anteriorer olfaktorischer Nukleus
– Forschreitende Erkrankung, zusätzlich:• Bulbus olfaktorius• Hippokampus
– Zelluntergang in der Amygdala, dem Entorhinalen Kortex und dem Piriformen Kortex ist deutlicher als im Hippokampus
Bulbusolfaktorius
Anteriorerolfakt. N.
PiriformerKortex
EntorhinalerKortex Amygdala
Hippokampus
primärer
sekundärerolfakt. Kortex
Tuberkulumolfaktorium
Orbitofrontaler Kortex, Insel, Thalamus
Orbitofrontaler Kortex, Hypothalamus
Alzheimer Demenz IV• Geruchswahrnehmungsstörung
– Erkrankungsbeginn:• Geruchliche Identifikation
– Modalitätsspezifisch
– Forschreitende Erkrankung, zusätzlich:• Wahrnehmungsschwelle
– Assoziation mit dem Ausmaß der Erkrankung• Bekanntheit
– Modalitätsspezifisch
– Geruchswahrnehmungstests eignen sich wahrscheinlich besser zur Früherkennung der Alzheimer Demenz als andere sensorische oder kognitive Tests!
Murphy et al. (1990)
Geruchliche Sensitivität bei Alzheimer Demenz
Depression I
• Diagnostik– Depressive Verstimmung– Vermindertes Interesse oder Freude an fast allen
Aktivitäten
– Gewichtsverlust oder Gewichtszunahme– Schlaflosigkeit oder vermehrter Schlaf– Psychomotorische Unruhe oder Verlangsamung– Müdigkeit oder Energieverlust– Gefühle von Wertlosigkeit– Verminderte Fähigkeit sich zu konzentrieren– Suizidgefahr
Depression II• Neurobiologie
– Amygdala• Verstärkte Aktivität unter Ruhebedingung• Vergrößertes Volumen• Verstärkte Aktivität nach Vorgabe negativer Wörter und
subliminal präsentierter Angst-Reize
– Ventromedialer orbitofrontaler Kortex• Reduzierter Glukose-Metabolismus• Reduziertes Volumen
• Biochemie– Verminderte Noradrenalin- und Serotonin-Verfügbarkeit– Erhöhter Kortisol-Spiegel
Depression III• Bulbektomie-Modell
– Entfernung des Bulbus olfaktorius– Pharmakologisches Depressions-Modell– Verlust der tonisch inhibierenden Kontrolle des Bulbus
olfaktorius auf die Amygdala
– Effekte• Erhöhte Aktivität der Amygdala• Verminderte Aktivität im Frontalkortex• Verminderte Noradrenalin- und Serotonin-Verfügbarkeit• Erhöhter Kortisol-Spiegel
BO
PfK
ErK
KoMe
BaLa
OFK
Zentr
TubOlf
Thalamus
Hypothalamus
Hipp
N. retikularis
N. accumbens
ACK
Endokrine undvegetativeAdaptationen
ReflexivemotorischeAdaptationen
InstrumentellmotiviertesVerhalten(implizit)
Amygdala
Olfaktorisch-amygdaloide Interkonnektionen
Flexibles instrumentellesVerhaltens(explizit)
Depression und Geruchswahrnehmung
Lombion-Pouthier et al. (2006)Pause et al. (2001, 2005)Pollatos et al. (2007)Serby et al. (1990, 1992)
Reduzierte olfaktorische Sensitivität
Unauffällige Leistungen bei überschwelligerGeruchsdarbietung:
GeruchsidentifikationGeruchsdiskriminationIntensitätseinschätzungenValenzeinschätzungen
Zentralnervöse Geruchsverarbeitung
Pause et al. (2003)
Verminderte geruchlicheEnkodierungsleistung
Major Depression
0
5µV
-
+500 1000 1500
[ms]
___Hilflosigkeit
---- Kontrolle
PEA & Menthol
Induzierte Hilflosigkeit
Verminderte geruchlicheEnkodierungsleistung
Laudien et al. (2006)
Schizophrenie• Diagnostik
– Positive Symptome (Typ I)• Wahnvorstellungen• Halluzinationen• Desorganisiertes Denken und Sprechen
– Negative Symptome (Typ II)• Alogie (Spracharmut)• Anhedonie (abgestumpfter, flacher Affekt)• Antriebsschwäche (Willenslosigkeit)
– Typen• Desorganisierter Typus• Katatoner Typus (katatoner Stupor/ katatone Erregung)• Paranoider Typus
Schizophrenie
• Neurobiologie• Hypoaktivität im Präfrontalkortex• Ventrikel-Erweiterungen
• Negativ-Symptomatik
• Dopamin-Hypothese• Positiv-Symptomatik
• Psychologie• Selektive Wahrnehmung bedrohungsrelevanter
Reize• Paranoide Schizophrenie
Die olfaktorische Identifikations-Leistung ist bei Schizophrenie vermindert
Insbesondere • bei männlichen (und postmenopausalen weiblichen)
Schizophrenen – Kopala et al., 89, 95
• bei Patienten mit Negativ-Symptomatik– Brewer et al., 96
• bei unirhinaler linksseitiger Messung– Good et al., 98
Aber auch• bei Neuroleptika-naiven Patienten
– Kopala et al., 92• bei (nicht-erkrankten) monozygoten Zwillingen und
Familienangehörigen– Kopala et al., 98, 01
Schizophrenie und olfaktorische Sensitivität ?
• Sensitivität ist erhöht– Neuroleptika-naive Schizophrene: Sirota et al. (99)
• Sensitivität ist unauffällig– Kopala et al. (89, 92); Park & Schoppe (97)
• Sensitivität ist erniedrigt– Negativ-Symptomatik: Geddes et al. (91)– Unirhinal linksseitig: Purdon & Flor-Henry (00)
OEKP
Paranoide Schizophrenie
IBA = Isobutyraldehyd (verdorbene Butter)PEA = Phenylethyl-Alkohol (Rose)
Affektive Verarbeitungsstörung bei paranoid Schizophrenen?
• Valente olfaktorische Information wird abweichend verarbeitet
• Reduzierte Latenz der frühen Komponenten, besonders auf den negativ valenten Geruch (störungsspezifisch)– EKP: Pause et al. (2008)-> Hypersensitivität für negative (bedrohungsrelevante) Reize?
• Verstärkte präfrontale und reduzierte limbische Aktivierung (Insula, N. accumbens und parahippokampalen Gyrus) nach Stimulation mit unangenehmen Geruch– PET: Crespo-Facorro et al. (2001)
Multiple Chemikalienüberempfindlichkeit (MCS)
• Definition– A chronic condition– with symptoms that recur reproducibly– in response to low levels of exposure– to multiple unrelated chemicals.– Symptoms improve or resolve when incitants
are removed.– Symptoms can occur in multiple organ systems
• Bartha et al. (1999)
Multiple Chemikalienüberempfindlichkeit (MCS)
• Prävalenz (USA)– 50-60%: besonders sensitiv für bestimmte chemische
Gerüche– 2-6%: MCS
• Phänomenolgie– Initiierendes Ereignis
• Lösungsmittel, Pestizide– Evtl. wiederholte Exposition
– Intoleranz entwickelt sich im Verlauf gegenüber vielen weiteren Substanzen (Exposition unterhalb der toxikologischen Schwelle)
– Auslösende Substanzen werden gemieden
Auslösende Gerüche
• Neue Teppiche• Parfum• Zeitungen• Auto-Abgase• Nagellack-Entferner• Haarspray• Insektizide• Hotelräume• Benzin
• Frischer Asphalt• Duschvorhänge• Ölgemälde• Wäscherei• Neue Reifen• Zigarrenrauch• Zigarettenrauch• Straßenverkehr• Wageninnenraum
Symptome• Geruchswahrnehmung
– Hyperosmie– Dysosmie
• Kopfschmerzen• Müdigkeit• Gedächtnisschwierigkeiten• Angst/ Depression• Gastrointestinale Beschwerden• Schwindel• U.a.
Störungsursache?
• Neuronale Sensitivierung?– Behandlung: Vermeidung aller potentiellen Auslöser
• Klassische Konditionierung?– Therapie: Löschung über wiederholte CS-Exposition