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Gericht Entscheidungsdatum Geschäftszahl Spruch€¦sei Punjabi, er spreche auch mittelmäßig...

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10.12.2015 www.ris.bka.gv.at Seite 1 von 29 Gericht BVwG Entscheidungsdatum 10.12.2015 Geschäftszahl W160 2113130-1 Spruch W160 2113130-1/3E IM NAMEN DER REPUBLIK! Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. LAMMER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.08.2015, Zl. 831502500-14135062, zu Recht erkannt: A) Die Beschwerde wird gemäß den §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 55, 57 AsylG 2005 idgF., § 9 BFA-VG idgF., und §§ 52, 55 FPG idgF. als unbegründet abgewiesen. B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig. Text ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE: I. Verfahrensgang: Vorangegangenes erstes Asylverfahren des Beschwerdeführers: 1. Der Beschwerdeführer stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 17.10.2013 einen (ersten) Antrag auf internationalen Schutz. 2. Mit Bescheid vom 06.11.2013, Zl. 13 15.025, wies das Bundesasylamt den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 04.08.2011 gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihm den Status eines Asylberechtigten ebenso wie gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG den Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien nicht zu (Spruchpunkt II.) und verband diese Entscheidung gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG mit einer Ausweisung nach Indien (Spruchpunkt III.). Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft. Gegenständliches, zweites Asylverfahren des Beschwerdeführers: 1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Indien, reiste neuerlich illegal und schlepperunterstützt in das Bundesgebiet ein und stellte am 25.02.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz. Anlässlich der am selben Tag erfolgten Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes brachte er vor, er sei in XXXX, Indien, geboren worden. Er sei verheiratet und habe eine Tochter, die in Indien bei ihrer Mutter lebe. Der Beschwerdeführer gehöre der Religion der Sikh und der Volksgruppe der Punjabi an. Seine Muttersprache sei Punjabi, er spreche auch mittelmäßig Hindi und schlecht Englisch. Auf Vorhalt, dass er bereits unter der Zahl
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10.12.2015

www.ris.bka.gv.at Seite 1 von 29

Gericht

BVwG

Entscheidungsdatum

10.12.2015

Geschäftszahl

W160 2113130-1

Spruch

W160 2113130-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. LAMMER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.08.2015, Zl. 831502500-14135062, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß den §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 55, 57 AsylG 2005 idgF., § 9 BFA-VG idgF., und §§ 52, 55 FPG idgF. als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Vorangegangenes erstes Asylverfahren des Beschwerdeführers:

1. Der Beschwerdeführer stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 17.10.2013 einen (ersten) Antrag auf internationalen Schutz.

2. Mit Bescheid vom 06.11.2013, Zl. 13 15.025, wies das Bundesasylamt den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 04.08.2011 gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihm den Status eines Asylberechtigten ebenso wie gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG den Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien nicht zu (Spruchpunkt II.) und verband diese Entscheidung gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG mit einer Ausweisung nach Indien (Spruchpunkt III.). Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

Gegenständliches, zweites Asylverfahren des Beschwerdeführers:

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Indien, reiste neuerlich illegal und schlepperunterstützt in das Bundesgebiet ein und stellte am 25.02.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz. Anlässlich der am selben Tag erfolgten Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes brachte er vor, er sei in XXXX, Indien, geboren worden. Er sei verheiratet und habe eine Tochter, die in Indien bei ihrer Mutter lebe. Der Beschwerdeführer gehöre der Religion der Sikh und der Volksgruppe der Punjabi an. Seine Muttersprache sei Punjabi, er spreche auch mittelmäßig Hindi und schlecht Englisch. Auf Vorhalt, dass er bereits unter der Zahl

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13 15.025 in Österreich einen Asylantrag gestellt habe, über dem bereits entschieden worden sei, gab er an, dass er seit dieser Entscheidung Österreich verlassen habe, weil ihm seine Familie mitgeteilt hätte, dass sich in Indien alles beruhigt habe und er wieder nachhause kommen könne. Aus diesem Grund habe er die freiwillige Rückkehr in Anspruch genommen. Er habe sich in Indien vom 06.11.2013 bis 18.02.2014 an seiner Wohnadresse aufgehalten. Er habe nun einen neuen Fluchtgrund und wolle in Österreich um Asyl ansuchen. Als er im November 2013 freiwillig nach Indien zurückgekehrt sei, habe es am 25.12.2013 einen Grundstückstreit zwischen seiner Familie und seinen drei Onkeln gegeben. Dabei sei der Beschwerdeführer von seinen Onkeln und Cousins verprügelt worden. Sein Vater und er hätten dies bei der Polizei gemeldet. Es sei aber nichts unternommen worden, weil seine Onkel die Polizei bestochen hätten. Der Beschwerdeführer sei später noch einmal von seinen drei Onkeln und den Cousins angegriffen und mit dem Umbringen bedroht worden. Aus diesem Grund habe er beschlossen, das Heimatland wieder zu verlassen, weil er schon einmal in Österreich gewesen sei, es ihm hier gefalle, und es ein sicheres Land sei. Bei einer Rückkehr befürchte er, von seinen Cousins und seinen Onkeln umgebracht zu werden. Von staatlicher Seite habe er keine Probleme, von seinen Onkeln und Cousins schon. Seit dem 25.12.2013 habe einen neuen Asylgrund, vorgestern sei er nach Österreich eingereist. Der Beschwerdeführer gab an, er sei am 05.11.2013 freiwillig von XXXX geflogen. Bis 18.02.2014 sei er an seiner Wohnadresse in Indien geblieben. An diesem Tag sei er schlepperunterstützt nach XXXX geflogen, nach einer zweitägigen Unterkunft in einem Schlepperquartier sei er auf einem LKW versteckt etwa 7 Stunden zu einem Bahnhof gefahren. Dort sei er mit einem Schlepper in den Zug eingestiegen und sei erst so auf mehreren Etappen bis nach XXXX gelangt. Zu seiner Reiseroute könne er keine Angaben machen.

2. Der Beschwerdeführer meldete am 03.07.2014 beim XXXXXXXX das freie Gewerbe "Güterbeförderung mit Kraftfahrzeugen oder Kraftfahrzeugen mit Anhängern, deren höchst zulässiges Gesamtgewicht insgesamt 3500 Kilo nicht übersteigt" an.

3. Am 28.04.2015 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Beisein eines geeigneten Dolmetschers niederschriftlich einvernommen. Er brachte dazu im Wesentlichen vor, er sei im Dorf XXXX im Bezirk XXXX [Anm.: gemeint wohl XXXX], Bundesstaat XXXX, geboren. Am 05.11.2014 sei er freiwillig nach Indien zurückgekehrt. Er habe Indien am 19. oder 20. Februar 2015 verlassen und sei am 28.02.2015 in Österreich angekommen [Anm.:

Gemeint ist offenbar eine Rückkehr nach Indien im November 2013 sowie eine neuerliche Einreise nach Österreich im Februar 2014]. Sein Reisepass befinde sich in Indien, er sei erneut illegal eingereist. Er habe sich nach seiner Rückkehr nach Indien kurze Zeit im Heimatort und danach im Dorf seiner Schwiegereltern, XXXX, im Bezirk XXXX [Anm.: gemeint wohl XXXX] aufgehalten. Er habe sich ca. eine Woche im Heimatdorf aufgehalten, dann sei er untergetaucht weil die Probleme angefangen hätten. Derzeit habe er Kontakt zu seinen Eltern im Heimatland. Seine beiden Schwestern seien verheiratet und würden bei ihren Ehemännern leben. Er sei verheiratet, seine Ehegattin seit etwa 28 Jahre alt. Er habe zwei Kinder, eine sechsjährige Tochter sowie einen sieben Monate alten Sohn. Beide würden bei seiner Ehegattin, die wiederum bei seinen Eltern sei in XXXX sei, leben. Seine Angehörigen würden 15 Kila Land und ein paar Tiere besitzen. Der Beschwerdeführer habe seinen Lebensunterhalt in Indien acht Jahre lang durch den Vertrieb von Tierfutter bestritten. Dies bis zu seiner ersten Ausreise aus Indien. Nach seiner aktuellen Rückkehr habe nicht gearbeitet. Er habe in Indien zwölf Jahre die Grundschule absolviert. Er spreche ganz wenig Deutsch, in Österreich verrichte er gelegentlich Hilfsarbeiten, etwa Verteilung von Reklame oder Hilfe bei Wohnungsumzügen. Er habe sich im Jänner 2015 [Anm.:

gemeint wohl Jänner 2014] zur Ausreise entschieden. Er könne seinen indischen Führerschein vorlegen. Sein nunmehrige Fluchtgrund sei, dass es eine Grundstücksstreit zwischen seinem Vater und dessen Brüdern (den Onkeln des Beschwerdeführers) gegeben habe. Der Beschwerdeführer sei der einzige Sohn, bei den Onkel handle es sich um 3-4 Personen. Deswegen habe er Angst gehabt und sei zu den Schwiegereltern gefahren. Dort habe er den Entschluss gefasst, Indien zu verlassen. Zum genauen Geschehen befragt, gab er an, er habe Drohungen bekommen und die Cousins hätten versucht, ihn anzugreifen. Es sei ihm bei einen Aufeinandertreffen auf dem Feld mit dem Umbringen gedroht worden. Gefragt, was dann passiert sei, gab er an, er sei zu den Schwiegereltern gefahren. Es sei ihm zweimal gedroht worden, beim zweiten Mal sei er dann zu seinen Schwiegereltern gefahren. Beim ersten Mal hätten sie versucht ihn zu verprügeln, aber die Feldarbeiter hätten sie auseinandergehalten. Dies seien die Feldarbeiter der Nachbarn gewesen. Der Beschwerdeführer sei auf dem Weg zu dem Feld seiner Familie gewesen, um Tierfutter zu holen, der Vorfall sei auf dem Weg passiert. Bei dem Streit gehe es um zwei Kila Grund. Der Großvater habe diesem Grund für den Beschwerdeführer bestimmt, die Onkel würden dieses Land aber besetzt halten und ihm es nicht geben. Das Grundstück sei noch immer auf den Namen des Großvaters eingetragen, dieser sei verstorben. Es seien Gerichtsverfahren gelaufen, das Gericht habe aber zu Gunsten der Onkel entschieden. Der Großvater hätte auch einem Bruder gehabt, und durch seine Anteile habe das Gericht gemeint, dass die Onkel Recht hätten. Auf nähere Befragung gab er an, das Grundstück habe zur Hälfte seinem Großvater und zur Hälfte seinem Großonkel gehört, aber auch sie hätten einen Anspruch darauf. Gefragt, ob die Onkel wissen würden, wo der Beschwerdeführer in Indien lebe, gab er an, sie hätten nichts von seinen Schwiegereltern gewusst. Jedoch hätten sie vom Heimatdorf gewusst, sie würden ja auch dort leben. Die Onkel hätten gedroht; wenn er geblieben wäre, hätten sie ihn vielleicht umgebracht. Seine Onkel hätten ihn wegen dem Grundstück umgebracht. Auf Vorhalt, dass er angegeben habe, das Gericht hätte zu

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Gunsten der Onkel entschieden und es sohin wohl keinen Grund für die Onkel gebe, ihn zu verfolgen, meinte der Beschwerdeführer, er habe das Thema nicht beendet, sondern seinen Anteil verlangt. Auf Vorhalt, dass das momentan bedeute, dass das Grundstück seinen Onkeln gehöre, meinte der Beschwerdeführer: "Ja, wir haben berufen.". Gefragt, warum er trotz Kenntnis eines Asylverfahrens in Österreichs keine Beweismittel mitgebracht habe, meinte er, es gebe die alten Beweismittel nicht mehr. Er habe keine Zeit gehabt, Beweismittel zu sammeln, er sei schnell ausgereist. Auf Vorhalt, dass er im November zurückgekehrt und im Februar ausgereist sei, es folglich kein plötzlicher Aufbruch gewesen sei, gab er an, er habe nicht zurück in sein Dorf können, um Beweismittel zu holen. Sobald die Verfahren vor Gericht beendet seien, kehre er freiwillig zurück. Sie hätten bereits Geld für das Verfahren ausgegeben und würden die Entscheidung abwarten wollen. Aufgefordert, konkret den Angriff zu schildern, gab er an, in der ersten Woche, als er mit seinem Vater Tierfutter holen gegangen sei, seien sie auf die Onkel und deren Söhne getroffen, es sei zum Streit gekommen. Sie hätten ihn an seinem Turban gezerrt und ihm zwei Ohrfeigen geben. Der Beschwerdeführer gab an, er verstehe den anwesenden Dolmetscher gut. Er gehöre der Volksgruppe der Jat und der Religion der Sikh an. Im Herkunftsland habe er keine weiteren Probleme gehabt. Er sei nie wegen seiner Volksgruppen- oder Religionszugehörigkeit verfolgt worden und nie politisch tätig gewesen. Gefragt, warum er nicht bei der Polizei Anzeige erstattet habe, führte er aus, es würden Verfahren laufen, aber auch wegen der Angriffe habe er Anzeige erstattet. "Die" seien am nächsten Morgen freigelassen worden. Er habe am 29.01.2015 Anzeige erstattet. Gefragt, warum er die Anzeige nicht mitgenommen habe, meinte er, er habe nicht vorgehabt, nach Österreich zu kommen, sondern habe nach Deutschland gehen wollen, wo er Verwandte habe und es besser für ihn sei. Zum Inhalt der Anzeige meinte er, er habe angegeben, dass die Gegner ihn unterwegs angegriffen hätten. Er habe die Anzeige in der Stadt XXXX im Wachzimmer SADR erstattet. Er habe die Anzeige erst so spät erstattet, weil er zu den Schwiegereltern gefahren sei und er nicht vorher in die Stadt gekommen wäre. Der Beschwerdeführer verzichtete auf Einsicht- und Stellungnahme bezüglich der Länderinformationen zu seinem Herkunftsstaat. Er habe keine Familienangehörige in Österreich und lebe in keiner familienähnlichen Gemeinschaft. In seiner Freizeit fahre er in den Tempel oder gehe mit Freunden spazieren. Er spreche Punjabi und Hindi. Bei einer Rückkehr habe er Angst vor seinem Onkel und könne nicht in seinem Heimatdorf leben. Gefragt, warum er sich nicht woanders in Indien niederlasse, gab er an, seine Familie versuche gerade, sich woanders niederzulassen. Wenn es soweit sei und das Verfahren geklärt sei, kehre er zurück. Der Beschwerdeführer legte einen indischen Führerschein lautend auf den von ihm angegebenen Namen vor.

4. Mit dem im Spruch angeführten angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Dem Beschwerdeführer wurde gemäß §§ 57 und 55 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

Das Bundesamt stellte zusammengefasst fest, dass die von ihm angegebenen Gründe für das Verlassen des Heimatstaates nicht glaubhaft seien. Es könne nicht festgestellt werden, dass er einer Verfolgung durch Dritte ausgesetzt (gewesen) sei. Er habe in Österreich keine Familienangehörigen, jedoch habe er familiäre Anknüpfungspunkte in Indien. Es seien keine Gründe für die Annahme einer Integration in Österreich namhaft gemacht worden. Beweiswürdigend wurde ausgeführt, die Angaben des Beschwerdeführers seien knapp und inhaltslos gewesen. Er habe keine Beweismittel für den von ihm behaupteten Streit um ein Grundstück, welches ihm nicht gehöre, vorgelegt. Es wäre zu erwarten gewesen, dass er sich bemühen würde, ein Schriftstück vorzulegen, zumal er Indien nicht fluchtartig verlassen habe. Es sei unglaubwürdig, dass er nicht im Besitz gerichtlicher Dokumente wäre, zumal er angegeben habe, dass er gegen den Onkel prozessiert hätte. Auch die behauptete Anzeigeerstattung gegen den Onkel habe er nicht belegen können. Seinen Angaben nach hätte er den Streit selbst provoziert , indem er sich widerrechtlich am Grundstück des Onkels befunden hätte. Er habe nicht plausibel erklären können, warum er Indien verlassen hätte müssen, anstatt in Indien die gerichtliche Berufungsentscheidung abzuwarten. In Gefahr wäre er seinem Vorbringen nach nur im Heimatort gewesen, demgegenüber hätte er sich bin zur Ausreise bei den Schwiegereltern aufhalten können, weil die Onkel nicht gewusst hätten, wo diese wohnen würden. Demnach habe er die Möglichkeit gehabt, sich an einen anderen Ort zu begeben, um seinen angeblichen Problemen zu entgehen. Dass er geplant habe, nach Deutschland zu gehen, weil er Verwandte habe, lasse den Schluss zu, dass er geplant aus Indien ausgereist sei und nicht gezwungen gewesen sei, das Land fluchtartig zu verlassen. Sein Fluchtvorbringen sei vage und er sei nicht imstande gewesen, dieses glaubhaft darzulegen. Da in Indien kein Meldewesen existiere, sei es ihm möglich, sich woanders niederzulassen. Da ihm im Herkunftsstaat, wie bereits dargelegt, keine Verfolgung drohe und er erwachsen, arbeitsfähig und gebildet sei, könne er durch Arbeit selbst für sein Auskommen sorgen. Er habe den Großteil seines Lebens in Indien verbracht und habe durch seine Familienangehörige dort ein soziales Netz. Der Beschwerdeführer habe keine sozialen oder familiären Anknüpfungspunkte in Österreich, seine Familie befinde

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sich in Indien. Er habe keine für eine Integration sprechenden Gründe namhaft machen können. Rechtlich führte die belangte Behörde zu Spruchpunkt I. aus, mangels Glaubhaftmachung der Angaben habe es nicht zu einer Zuerkennung des Status des Asylberechtigten kommen können. Zu Spruchpunkt II. wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer habe eine Gefährdungslage nicht glaubhaft gemacht. Es seien keine Anhaltspunkte dafür hervorgekommen, dass er bei einer Rückkehr einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt wäre. Zudem stehe ihm eine innerstaatliche Fluchtalternative offen. Er selbst habe angegeben, nach Indien zurückkehren zu wollen. Da es sich bei ihm um eine junge gesunde Person handle, könne er sich im Heimatland eine Existenz aufbauen, eine völlig auswegslose Situation sei in seinem Fall nicht zu erwarten. Auch aus der allgemeinen Lage in Indien sei keine Gefährdung ersichtlich. Zu Spruchpunkt III. führte das Bundesamt rechtlich aus, der Beschwerdeführer habe keine Verwandten in Österreich, weshalb kein Eingriff in sein Familienleben bestehe. Der Beschwerdeführer gehe keiner geregelten Arbeit nach und spreche nicht Deutsch. Auch sonstige private Bindungen in Österreich habe er nicht. Er befinde sich zudem erst seit sehr kurzer Zeit in Österreich. Es seien im Verfahren keine Ansatzpunkte hervorgetreten, die die Vermutung einer besonderen Integration seiner Person in Österreich rechtfertigen würden, zumal er weder Deutsch spreche noch über private Kontakte verfüge, die ihn an Österreich binden würde. Er befinde sich erst seit kurzer Zeit in Österreich, sei illegal eingereist und habe kein Aufenthaltsrecht, das nicht auf dem Asylgesetz fuße. Seine Angehörigen seien in Indien, wo auch er den überwiegenden Teil seines Lebens verbracht habe. Demgegenüber stehe das Interesse der Öffentlichkeit an einem geordneten Vollzug des Fremdenwesens, dem widersprechend er mit der illegalen Einreise gehandelt habe. Aufgrund dieser Gesamtabwägung der Interessen und unter Beachtung aller bekannten Umstände ergebe sich, dass die Rückkehrentscheidung gerechtfertigt sei. Bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen hätten keine Hinweise gefunden werden können, welche den Schluss zulassen würden, dass durch ihre Rückkehrentscheidung auf unzulässige Weise im Sinne von Art. 8 Abs. 2 EMRK in sein Recht auf Schutz des Familien- und Privatlebens eingegriffen würde. Die Erteilung eines Aufenthaltstitels gem. § 55 AsylG sei daher nicht in Betracht gekommen. Über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gem. §§ 55 und 57 AsylG habe das Bundesamt gem. § 58 Abs. 3 AsylG im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen. Da ihm ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt würde, sei gem. § 10 Abs. 1 AsylG diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung zu verbinden. Unter Spruchpunkt II. sei ausführlich geprüft und schließlich festgestellt worden, dass ihm eine Gefahr iSd § 50 Abs. 1 FPG nicht drohe. Gem. § 50 Abs. 2 FPG wäre eine Abschiebung auch dann unzulässig, wenn dem Fremden die Flüchtlingseigenschaft zukomme. Auch dies sei bezüglich seiner Person verneint worden. § 50 Abs. 3 FPG schließlich normiere die Unzulässigkeit der Abschiebung für den Fall, dass der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegenstehe. Eine solche Empfehlung existiere für Indien nicht. Es gebe keine Anhaltspunkte, wonach eine Verlängerung der 14-tägigen Frist zur freiwilligen Ausreise nötig wäre.

5. In der gegen diese am 12.08.2015 ordnungsgemäß zugestellte Entscheidung wurde am 19.08.2015 fristgerecht durch den damaligen rechtsfreundlichen Vertreter des Beschwerdeführers Beschwerde erhoben und nach geraffter Wiederholung des Verfahrensganges, des Vorbringens des Beschwerdeführers sowie des Bescheidinhaltes ausgeführt, die Behörde hätte zur Erforschung der materiellen Wahrheit entsprechende Beweise im Herkunftsland aufnehmen müssen. Diese hätte einen Vertrauensanwalt aus Indien beiziehen müssen, um zu erkennen, dass seine Angaben richtig seien und er bei er Rückkehr "Widrigkeiten gegen Leib und Leben" erfahren müsste. Erst bei Einholung entsprechender Beweise hätte die belangte Behörde daher einen Bescheid erlassen dürfen. Beantragt wurde die Einholung eines länderkundlichen Sachverständigengutachtens zum Beweis der Richtigkeit der Angaben des Beschwerdeführers, wonach dieser im Herkunftsland keinen staatlichen Schutz bekomme. Der Beschwerdeführer habe sich zudem bereits in der kurzen Zeit in Österreich sozial, gesellschaftlich und sprachlich integriert und einen entsprechenden Bekannten- und Freundschaftskreis aufgebaut.

6. Mit Schreiben vom 05.11.2015 teilte der rechtsfreundliche Vertreter des Beschwerdeführers die Auflösung des Vollmachtverhältnisses mit.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer stellte (nach rechtskräftigem negativen Abschluss seines ersten Asylverfahrens) am 25.02.2014 einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz.

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Indien. Er gehört der Religionsgemeinschaft der Sikh sowie der Volksgruppe der Jat an. Der Beschwerdeführer stammt aus dem XXXX, wo seine Familienangehörigen nach wie vor leben. Er hat in Indien zwölf Jahre lang die Grundschule besucht und hat achtjährige berufliche Erfahrungen im Vertrieb von Tierfutter.

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Das Vorbringen des Beschwerdeführers betreffend die Fluchtgründe wird den Feststellungen mangels Glaubhaftmachung nicht zugrunde gelegt. Es kann nicht festgestellt werden, dass ihm in Indien eine an asylrelevante Merkmale anknüpfende Verfolgung droht.

Dem Beschwerdeführer steht in Indien eine innerstaatliche Schutz- bzw. Fluchtalternative offen.

Der Beschwerdeführer hielt sich im Rahmen seines ersten Asylverfahrens nachweislich im Zeitraum zwischen der Asylantragstellung 17.10.2013 und Erlass des in Rechtskraft erwachsenen Bescheids des Bundesasylamtes vom 06.11.2013 in Österreich auf. Der Beschwerdeführer befindet sich nunmehr nachweislich seit 25.02.2014 (wieder) im Bundesgebiet. Er hat in Österreich keine Familienmitglieder und keine sonstigen intensiven sozialen Kontakte. Er gehört keinem Verein und keiner sonstigen Gruppierung an. Der Beschwerdeführer hat nicht mehr als rudimentäre Deutschkenntnisse und führt gelegentlich Hilfsarbeiten aus. Er leidet nicht an lebensbedrohlichen Krankheiten und steht im erwerbsfähigen Alter. Der Beschwerdeführer ist verheiratet, seine Ehegattin und die beiden gemeinsamen Kinder leben ebenso wie die Eltern des Beschwerdeführers in Indien.

Zum Herkunftsstaat werden folgende Feststellungen getroffen, welche bereits das Bundesamt seiner Entscheidung zugrunde legte und denen der Beschwerdeführer nicht entgegengetreten ist:

Sicherheitslage

Blutige Terroranschläge haben in den vergangenen Jahren in Indiens Millionen-Metropolen wiederholt Todesopfer gefordert (Eurasisches Magazin 24.5.2014). Außerhalb des parlamentarischen Systems sind in einigen Regionen im Norden und Nordosten Indiens bewaffnete Gruppen aktiv, die aus unterschiedlichen Gründen gegen den indischen Staat oder die existierende staatliche Ordnung kämpfen (so die sog. Naxaliten, eine maoistisch ausgerichtete Gruppierung, die besonders in einigen Gebieten von Odisha, Jharkhand und Chattisgarh aktiv ist) (GIZ 5.2014).

Indien ist mit einer Reihe von Sicherheitsproblemen konfrontiert. Es gibt landesweit mehrere linksorientierte bewaffnete Gruppen (Maoisten). Nach einem Anstieg der Aktivitäten von aufständischen Gruppen in den Jahren 2003 - 2010, nahmen diese Aktivitäten aufgrund von internen Machtkämpfen, einer eingeschränkten Unterstützung in den Stammesgemeinden und von effektiven Operationen gegen deren Führerschaft durch die Sicherheitskräfte, ab. Im Jahr 2013 haben etwa 76 Bezirke, der mehr als 600 Bezirke Indiens, irgendeine Art maoistischer Gewalt erfahren. Aufständische Gruppen aus Pakistan haben ihre Fähigkeit gezeigt, Angriffe über das von Indien administrierte Kaschmir, in das Zentrum von Indien durchzuführen - erwähnenswert sind die Angriffe im Dezember 2001 auf das indische Parlament und die Angriffe in Mumbai im Juli 2006 und November 2008. Beweise von den Angriffen im Jahre 2006 deuten an, dass pakistanischen Gruppen indischen Zellen Unterstützung bieten. Die Angriffe im Jahr 2008 waren aus Pakistan geplant, unterstützt und geführt. Einheimische Aufständischengruppen - sowohl hinduistisch als auch islamistisch - waren in eine Serie terroristischer Angriffe auf indische Schlüsselstädte verwickelt. Die Sicherheitslage in den Gegenden Kaschmir, Nordosten und speziell in Assam ist schwach. Dort kommt es immer wieder zu Aufständen. Eine andere nennenswerte Sicherheitsangelegenheit ist die kommunale Gewalt zwischen der hinduistischen Mehrheit und der muslimischen Minderheit in der indischen Bevölkerung. Darüber hinaus ist das organisierte Verbrechen in den Hauptstädten ein Problem, allerdings nicht für ausländische Firmen. Es gibt Entführungen mit Lösegeldforderungen, aber diese sind auf die lokale Bevölkerung begrenzt. Die schlechte Straßensicherheit im Land ist ein signifikantes Problem. Die größte unmittelbare externe Sicherheitsbedrohung ist Pakistan, speziell in Bezug auf den langjährigen Kaschmirdisput (IHS- Jane's Sentinel Security 1.7.2014).

Gegen militante Gruppierungen, die meist für die Unabhängigkeit bestimmter Regionen eintreten und/oder radikalen Auffassungen anhängen, geht die Regierung mit großer Härte und Konsequenz vor, insbesondere sobald die innere Sicherheit als gefährdet angesehen wird. Sofern solche Gruppen der Gewalt abschwören, ist die Regierung in der Regel zu Verhandlungen über ihre Forderungen bereit. Gewaltlose Unabhängigkeitsgruppen können sich politisch frei betätigen (AA 3.3.2014).

Trotz mehrerer, großer Erfolge durch Indiens Sicherheits- und Geheimdienstbehörden, die immer wieder unter starken Ressourcenproblem zu leiden haben, ist es in der Realität so, dass der Sicherheitsapparat weiterhin leicht verwundbar ist (South Asia Terrorism Portal 28.3.2014).

Rechtsschutz/Justizwesen

Das Gesetz garantiert ein unabhängiges Gerichtswesen und die Regierung respektierte weitgehend dessen Unabhängigkeit, obwohl Korruption im Gerichtswesen stark verbreitet war (USDOS 27.2.2014).

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Bundesverwaltungsgericht 10.12.2015

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Die Gerichte führen Strafprozesse in richterlicher Unabhängigkeit. Eine generell diskriminierende Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis lässt sich nicht feststellen, allerdings sind vor allem die unteren Instanzen nicht frei von Korruption. Der Chief Justice rief im November 2011 dazu auf, korrupte Richter tatsächlich mit Namen und Fakten publik zu machen und strafrechtlich zu verfolgen (AA 3.3.2014).

Das Gerichtswesen war auch weiterhin überlastet und der Rückstau bei Gericht führte zu langen Verzögerungen oder der Vorenthaltung von Rechtsprechung (USDOS 27.2.2014).

Im August 2013 gab der Justizminister bekannt, dass im Supreme Court drei und in den hohen Gerichten 275 Positionen zu besetzen seien. Alarmierend war auch die Zahl der offenen Position in den untergeordneten Richterschaften, mit mehr als 3.700 Positionen, die zu besetzen waren. Der Justizminister führte langwierige Verspätungen in den Gerichten auf die offenen Stellen zurück (USDOS 27.2.2014).

Sehr problematisch ist die häufig sehr lange Verfahrensdauer, v.a. da die Gerichte überlastet sind. Die Regeldauer eines Strafverfahrens (von der Anklage bis zum Urteil) beträgt ca. vier Jahre; in einigen Fällen dauern Verfahren bis zu zehn Jahren. Auch der Zeugenschutz ist mangelhaft. Dies führt dazu, dass Zeugen vor Gericht häufig nicht frei aussagen, da sie bestochen oder bedroht worden sind. Da die Richter alle sechs Monate rotieren, ist es üblich, rechtlich anspruchsvollere Fälle oder solche mit sehr komplexen Sachverhalten für den Nachfolger auf Wiedervorlage zu legen (AA 3.3.2014 vgl. auch: BAA 16.7.2010).

Das Gerichtswesen ist von der Exekutive getrennt. Richter zeigten einen beträchtlichen Einsatz in der Bearbeitung von "Public Interest Litigation" (Klagen im öffentlichen Interesse). Jedoch eröffneten in den letzten Jahren auch Richter Verfahren wegen ungebührlichem Verhalten vor Gericht gegen Aktivisten und Journalisten, die gegen Korruption in der Richterschaft vorgingen oder Urteile anzweifelten. In den unteren Ebenen des Gerichtswesens ist Berichten zufolge Korruption weit verbreitet. Viele Bürger haben Schwierigkeiten, Recht durch die Gerichte durchzusetzen. Das System hat einen starken Arbeitsrückstand und ist unterbesetzt, mit Millionen von anhängigen Fällen. Dies führt zu einer überlangen Untersuchungshaft für viele Verdächtige, oft länger als es der eigentliche Strafrahmen wäre. Das System versagt darin, gleichen Schutz für marginalisierte Gruppen zu bieten (FH 19.5.2014)

Laut einem Freedom House Bericht aus dem Jahre 2014 wird geschätzt, dass 32 Millionen Fälle in unteren Gerichten noch einer Entscheidung harren, während es beim Höchstgericht 66.000 sind. Dies führte zu langen vorprozessualen Haftzuweisungen, die für eine große Zahl an Verdächtigen oftmals länger sind als das eigentliche Strafausmaß. Die Errichtung von verschiedenen Fast-Track-Gerichten zwecks Abarbeitung anhängiger Gerichtsfälle, führte dazu, dass das Recht auf ein faires Verfahren in einigen Fällen nicht eingehalten wird (FH 19.5.2014).

In der Verfassung verankerte rechtsstaatliche Garantien (z.B. das Recht auf ein faires Verfahren, Art. 21) werden durch eine Reihe von Sicherheitsgesetzen eingeschränkt. Diese Gesetze wurden nach den Terroranschlägen von Mumbai im November 2008 nochmals verschärft; u. a. wurde die Unschuldsvermutung für bestimmte Straftatbestände außer Kraft gesetzt. Besonders in Unruhegebieten haben die Sicherheitskräfte zur Bekämpfung sezessionistischer und terroristischer Gruppen weitreichende Befugnisse, die oft exzessiv genutzt werden. Die Dauer der Untersuchungshaft liegt weit über der durchschnittlichen Dauer in westlichen Ländern - Haftprüfungen erfolgen selten und i.d.R. nur auf Betreiben des Verteidigers. Freilassungen auf Kaution sind jedoch sehr häufig. Allerdings nimmt der Betreffende damit in Kauf, dass sein Fall über viele Jahre hinweg erstmals nicht beachtet wird, bevor ein erster Verhandlungstermin vor dem Berufungsgericht angesetzt wird (AA 3.3.2014).

Das Strafgesetz sieht öffentliche Verhandlungen vor, außer in Verfahren, in denen die Aussagen Staatsgeheimnisse oder die Staatssicherheit betreffen können. Es gibt kostenfreie Rechtsberatung für bedürftige Angeklagte, aber in der Praxis war der Zugang zu kompetenter Beratung oft begrenzt. Alle gegen einen Angeklagten vorgebrachten Beweise müssen diesem zugänglich sein und Verurteilungen veröffentlicht werden (USDOS 27.2.2014).

Das Gesetz erlaubt den Angeklagten in den meisten Zivil- und Kriminalfällen den Zugang zu relevanten Regierungsbeweisen, aber die Regierung behielt sich das Recht vor, Informationen zurückzuhalten und tat dies auch in Fällen, die sie für heikel erachtete. Die Angeklagten haben das Recht Zeugen zu befragen, unterprivilegierte Angeklagte genossen aufgrund des Mangels von ordentlicher legaler Repräsentation, manchmal dieses Recht nicht. Das Gericht ist verpflichtet Urteile öffentlich zu verkünden und es gibt effektive Wege der Berufung in beinahe allen Ebenen der Justiz (USDOS 27.2.2014).

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Im ländlichen Indien gibt es auch informelle Ratssitzungen, deren Entscheidungen manchmal in Gewalt gegen Personen, die soziale Regeln brechen - besonders Frauen und untere Kaste - resultieren (FH 19.5.2014)

Der Staat bietet zwar eine kostenlose Rechtsberatung für mittellose Angeklagte, aber in der Praxis ist der Zugang zu einem kompetenten Anwalt oft schwierig, insbesondere für Arme (BAA 16.7.2010).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (3.3.2014): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Indien, Zugriff 5.3.2014

- AI - Amnesty International (5.2013): Amnesty International Report, State of the Human Rights 2013, http://files.amnesty.org/air13/AmnestyInternational_AnnualReport2013_complete_en.pdf, Zugriff 4.3.2013

- BAA Analyse (16.7.2010): Indien: Justizwesen in Indien.

- FH - Freedom House (23.4.2013): Freedom in the World 2013 - India, http://www.freedomhouse.org/report/freedom-world/2013/india, Zugriff 4.3.2014

- FH - Freedom House (19.5.2014): Freedom in the World 201 - India, http://www.refworld.org/docid/5379d1d710.html, Zugriff 28.7.2014

- Freedom House (26.6.2014): Freedom in the World 2014 - Indian Kashmir, 26 June 2014, http://www.refworld.org/docid/53b2b8c45.html, Zugriff 28.7.2014

- USDOS - US Department of State (27.2.2014): India, Country Report on Human Rights Practices,

http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm#wrapper, Zugriff 4.3.2014

Sicherheitsbehörden

Die Polizei handelt aufgrund von Polizeigesetzen der einzelnen Bundesstaaten (AA 3.3.2014). Die indische Polizei (Indian Police Service) ist keine direkte Strafverfolgungs- oder Vollzugsbehörde. Sie fungiert vielmehr als Ausbildungs- und Rekrutierungsstelle für Führungsoffiziere der Polizei in den Bundesstaaten. Im Hinblick auf die föderalen Strukturen ist die Polizei dezentral in den einzelnen Bundesstaaten organisiert. Die einzelnen Einheiten sind zwar dezentral organisiert, haben jedoch angesichts eines nationalen Polizeigesetzes, zahlreichen nationalen Strafrechten und der oben beschrieben zentralen Rekrutierungsstelle für Führungskräfte eine Reihe von Gemeinsamkeiten. Allgemein ist die Polizei mit der Strafverfolgung, Verbrechensprävention und -bekämpfung sowie Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung betraut und übt gleichzeitig eine teilweise Kontrolle über die verschiedenen Geheimdienste aus (BICC 6.2014).

Die Streitkräfte haben neben der Aufrechterhaltung der externen Sicherheit auch Aufgaben im Inneren, so den Kampf gegen bewaffnete Aufständische, die Unterstützung der Polizei und der paramilitärischen Einheiten sowie den Einsatz bei Naturkatastrophen (BICC 6.2014).

Das indische Militär ist der zivilen Verwaltung unterstellt und hat in der Vergangenheit wenig Interesse an einer politischen Rolle gezeigt. Der Oberbefehl obliegt dem Präsidenten. Ihrem Selbstverständnis nach ist die Armee zwar die "Beschützerin der Nation", aber nur im militärischen Sinne (BICC 6.2014).

Das Militär kann im Inland tätig werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit notwendig ist. Die zivile Kontrolle des Militärapparats wurde allerdings nie in Frage gestellt. Daneben bestehen zum Großteil dem Innenministerium unterstehende paramilitärische Einheiten, wie z.B. die Zentralen Reservepolizeikräfte ("Central Reserve Police Force"), die zum Schutz wichtiger Behörden und Einrichtungen gebildete zentrale Sicherheitspolizei ("Central Industrial Security Force") die Grenzsicherheitskräfte ("Border Security Force") und die v.a. an der indo-chinesischen Grenze stationierte "Indo-Tibetan Border Police". Die Grenzspezialkräfte ("Special Frontier Force)" unterstehen jedoch dem Büro des Premierministers, die Eisenbahnschutzkräfte ("Railway Protection Force") dem Eisenbahnministerium (AA 3.3.2014).

Ein Mangel an Vertrauen in die Zuverlässigkeit der Polizei entsteht neben den strukturellen Defiziten auch durch häufige Berichte über Menschenrechtsverletzungen wie Folter und außergerichtliche Tötungen und Drohungen, die mutmaßlich durch die Polizei verübt wurden (BICC 12.2013 vgl. auch: USDOS 27.2.2014). Übergriffe durch

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die Polizei werden als schwere Menschenrechtsverletzungen gezählt, die außergerichtliche Tötungen, Folter und Vergewaltigungen beinhalteten (USDOS 27.2.2014). Die Polizei ist mit einer Unterbesetzung - in Relation zur Größe der Bevölkerung - konfrontiert. BürgerInnen sind oftmals besonderen Herausforderungen ausgesetzt, wie zum Beispiel Bestechungen, um die Polizei dazu zu bringen, eine Anzeige zu erstatten (FIR- First Information Report), welche notwendig ist, um die Untersuchung eines Verbrechens in die Wege zu leiten (USDOS 27.2.2014).

Die sog. Grenzsicherheitskräfte sichern u.a. die indisch-pakistanische Grenze in Jammu und Kaschmir sowie die Grenzen zu Bangladesch und Myanmar. Sie werden darüber hinaus zur Gewährleistung der inneren Sicherheit und zur Bekämpfung Aufständischer sowie bei gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen religiösen Gruppen eingesetzt. Die sog. Grenzspezialkräfte sind eine Eliteeinheit, die an sensiblen Abschnitten der Grenze zu China eingesetzt werden. Auch für das Handeln der Geheimdienste, das sog. Aufklärungsbüro ("Intelligence Bureau" - Inlandsgeheimdienst) und den Forschungs- und Analyseflügel ("Research and Analysis Wing" - Auslandsgeheimdienst), bestehen gesetzliche Grundlagen (AA 3.3.2014).

StammesdorfbewohnerInnen und AktivistInnen der Zivilgesellschaft, gerieten zwischen Maoisten und der Polizei. Sie waren gefährdet willkürlich verhaftet, von Regierungskräften gefoltert, sowie durch Maoisten erpresst und getötet zu werden (HRW 21.1.2014 vgl. AI 5.2013).

Ausschreitungen zwischen bewaffneten Maoisten und Sicherheitskräften fanden auch weiterhin in Ost- und Zentralindien statt. Beide Seiten machen regelmäßig Zivilisten zum Ziel (AI 5.2013).

Die Anschläge von Mumbai haben allerdings zu Gesetzesänderungen geführt. So wurde eine Nationale Ermittlungsagentur ("National Investigation Agency", NIA) zur Terrorismusbekämpfung nach Vorbild des US-amerikanischen FBI eingerichtet. Weiter wurde der "Unlawful Activities (Prevention) Act" (UAPA) verschärft. Die Änderungen beinhalten u.a. eine erweiterte Terrorismusdefinition und in Fällen mit Bezug zu Terrorismus die Ausweitung der Untersuchungshaft ohne Anklage von 90 auf 180 Tage und erleichterte Regeln für den Beweis der Täterschaft eines Angeklagten (die faktisch einer Beweislastumkehr nahekommen) (AA 3.3.2014).

Es gab auch weiterhin Berichte über Vergewaltigungen durch die Polizei Manche Vergewaltigungsopfer hatten Angst, aufgrund des drohenden sozialen Stigmas und möglichen Vergeltungshandlungen, sich zu melden und das Verbrechen anzuzeigen; speziell dann, wenn der Täter ein Polizist oder ein anderer Beamter war. Die Nationale Menschenrechtskommission (NHRC) hat das Mandat Vergewaltigungsfälle in denen Polizisten involviert sind zu untersuchen. Gemäß Sektion 19 des Menschenrechtschutzgesetzes, kann die NHRC Informationen über Mitglieder des Militärs und den paramilitärischen Streitkräften verlangen, jedoch hat sie kein Mandant, um Fälle zu untersuchen in denen diese Einheiten verwickelt sind (USDOS 27.2.2014).

Auf Bezirksebene (Bundesstaaten sind in Bezirke unterteilt) gibt es das Prinzip der "doppelten Kontrolle", wobei ein hochrangiger Polizeioffizier, der für den Bezirk zuständig ist - District Superintendent of Police, seinem Vorgesetzten innerhalb der Bundespolizei Bericht erstattet. Zur gleichen Zeit unterliegt ein District Superintendent (Bezirksinspektor) der allgemeinen Kontrolle eines District Magistrate (Bezirksrichter). Ein Problem im System der indischen Sicherheitskräfte ist, dass es keine externe Beschwerdestelle auf nationaler Ebene gibt. Mit einem Urteil vom 22. September 2006 ordnete das oberste Gericht Indiens an, dass alle Bundesstaaten eine Beschwerdestelle der örtlichen Polizei schaffen sollten. Bis zum Jahr 2009 haben jedoch erst 18 Staaten diesem Urteil Folge geleistet. Weiters ist problematisch, dass die Polizei für die eigenen, internen Disziplinarverfahren zuständig ist (BAA 24.2.2010).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (3.3.2014): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Indien, Zugriff 5.3.2014

- AI - Amnesty International (5.2013): Amnesty International Report, State of the Human Rights 2013, http://files.amnesty.org/air13/AmnestyInternational_AnnualReport2013_complete_en.pdf, Zugriff 4.3.2013

- BAA Staatendokumentation (24.2.2010): Analyse zu Indien - Sicherheitskräfte in Indien

- BICC - Bonn International Centre for Conversion(6.2014):

Informationsdienst - Sicherheit, Rüstung und Entwicklung in Empfängerländern deutscher Rüstungsexporte: Länderportrait Indien, http://ruestungsexport.info/uploads/pdf/countries/2014_Indien.pdf, Zugriff 4.8.2014

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- BICC - Bonn International Centre for Conversion (12.2013):

Informationsdienst - Sicherheit, Rüstung und Entwicklung in Empfängerländern deutscher Rüstungsexporte: Länderportrait Indien, http://www.bicc.de/ruestungsexport/pdf/countries/2013_Indien.pdf, Zugriff 18.3.2014

- HRW (21.1.2014): World Report 2014 - India, http://www.hrw.org/world-report/2014/country-chapters/india?page=3, Zugriff 5.3.2014

- USDOS - US Department of State (27.2.2014): India, Country Report on Human Rights Practices,

http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm#wrapper, Zugriff 4.3.2014

Korruption

Korruption ist weit verbreitet (USDOS 27.4.2014). Indien kletterte, im Korruptionsindex 2013 von Transparency International von Platz 123 auf Platz 94 von insgesamt 177 Ländern, hoch (TI 3.12.2013 vgl. auch: FH 19.5.2014).

Durch heimischen und internationalen Druck wurde die Korruptionsbekämpfung intensiviert. Obwohl jedes Jahr Politiker und Beamte bei der Entgegennahme von Bestechungsgeldern erwischt werden, gibt es zahlreiche Korruptionsfälle, welche unbemerkt und unbestraft bleibt. Die Regierung hat bereits eine Reihe von Initiativen ("Right to Information Act" 2005) unternommen, um das Problem in den Griff zu bekommen, wie der. Der "Right to Information Act" wurde insbesondere für die Erhöhung von Transparenz und zur Aufdeckung von korrupten Aktivitäten verwendet. Diese Effekte der Gesetzgebung hatten starken Einfluss auf den öffentlichen Bereich, allerdings wurden seit 2009 Berichten zufolge mehr als 12 Informationsrechtsaktivisten getötet (FH 19.5.2014)

Das Gesetz sieht Strafen für Korruption im öffentlichen Dienst vor, die Regierung hat das Gesetz aber nicht effektiv umgesetzt und in der Praxis kommen Staatsdiener mit korrupten Praktiken häufig straflos davon. Korruption ist auf allen Regierungsebenen vertreten. Das CBI (Central Bureau of Investigation) registrierte im Untersuchungszeitraum [Anm.: Jänner bis November] 583 Korruptionsfälle. Die Zentrale Überwachungskommission registrierte im Jahr 2012 7.224 Fälle, im Vergleich zu 5.528 im Jahr 2012 und empfahl in 5.720 Fällen weitere Untersuchungen durchzuführen. Das CBI betreibt eine gebührenfreie Hotline - um Beschwerden aufzunehmen - und ein Webportal, um Informationen zu veröffentlichen (USDOS 27.2.2014).

NGOs stellten fest, dass Bestechungsgelder üblicherweise für die Beschleunigung von Gerichtsverfahren, für Polizeischutz, für Schuleinschreibung, oder Zugang zu Wasserversorgung oder Beihilfen bezahlt wurden. Zivilgesellschaftliche Organisationen lenkten die öffentliche Aufmerksamkeit u.a. mit öffentlichen Demonstrationen und mittels Websites während des gesamten Jahres auf das Thema Korruption (USDOS 27.2.2014).

Die Regierung ernannte Hauptüberwachungsbeamte (Chief Vigilance Offifers), um öffentlichen Beschwerden und Missstände im Banken-, Versicherungs- und anderen Sektoren, die durch private, öffentliche und körperschaftliche Gremien bedient werden, nachzugehen. Das Parlament verabschiedete im Dezember ein Gesetz zu Ombudsmannorganisation, Lokpal, um Vorwürfe von Regierungskorruption zu untersuchen (USDOS 27.2.2014).

Auch viele staatlich unterstützte Programme für die Armutsbekämpfung und Schaffung von Arbeitsplätzen, litten unter Korruption. Das Gesetz stellt öffentlichen oder privaten Angestellten, die Beweise für interne Informationen für illegale Aktivitäten, wie Korruption oder das Verlangen von Bestechungsgeldern liefern, keinen Schutz zur Verfügung (USDOS 27.2.2014).

Die unteren Bereiche des Gerichtswesens sind im speziellen von Korruption betroffen und die meisten BürgerInnen haben Schwierigkeiten, Recht durch die Gerichte zu erhalten (FH 19.5.2014).

Eine neue Helpline, um Menschen im Umgang mit Bestechungsforderung durch Regierungsmitarbeiter in der Hauptstadt XXXX zu unterstützen, erhielt mehr als 4.000 Anrufe in den ersten Stunden ihres Bestehens. Die Korruptionsbekämpfungshelpline ist eine Initiative der neuen Aam Aadami (Normalbürger) Partei (AAP), welche XXXX mit Unterstützung der Kongresspartei regiert. Diese Helpline steht 14 Stunden pro Tag zur Verfügung und soll helfen die alltägliche Korruption zu bekämpfen (BBC Lokpal bill 9.1.2014).

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Das Unterhaus des indischen Parlaments hat ein neues Korruptionsbekämpfungsgesetz verabschiedet, wobei ein unabhängiger Ombudsmann die Befugnis haben soll, Politiker und öffentlich Bedienstete diesbezüglich strafrechtlich zu verfolgen. Am 17.12.2013 verabschiedete auch das Oberhaus die sogenannte "Lokpal bill", die eine Hauptforderung der Anna Hazare Kampagne war (BBC Lokpal Bill 18.12.2013)

Nach Aussage eines vormaligen hochrangigen Beraters der Korruptionsbekämpfungskampagne, zeitigt die im Parlament platzierte Lokpal Bill nur eine "schwache" Wirkung (BBC 9.1.2014).

Quellen:

- BBC (16.12.2013): Anna Hazare anti-corruption fast enters seventh day, http://www.bbc.co.uk/news/world-asia-india-25396351

- BBC (9.1.2014): India's XXXX government's anti-corruption helpline gets thousands of calls,

http://www.bbc.co.uk/news/world-asia-india-25663763, Zugriff 29.7.2014

- BBC (9.1.2014): India's XXXX government's anti-corruption helpline gets thousands of calls,

http://www.bbc.co.uk/news/world-asia-india-25663763, Zugriff 29.7.2014

- FH - Freedom House (19.5.2014): Freedom in the World 201 - India, http://www.refworld.org/docid/5379d1d710.html, Zugriff 28.7.2014

- FH - Freedom House (23.4.2013): Freedom in the World 2013 - India, http://www.freedomhouse.org/report/freedom-world/2013/india, Zugriff 4.3.2014

- TI- Transparency International (3.12.2013): Corruption Perceptions Index 2013, http://www.transparency.org/cpi2013/results, Zugriff 4.3.2014

- USDOS - US Department of State (27.2.2014): India, Country Report on Human Rights Practices,

http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm#wrapper, Zugriff 4.3.2014

Allgemeine Menschenrechtslage

Die Menschenrechtslage ist in Indien regional sehr unterschiedlich (BICC 6.2014).

Wesentliche Grundrechte sind in der indischen Verfassung garantiert (Art. 12-35). Eine Reihe von Sicherheitsgesetzen schränken die rechtsstaatlichen Garantien aber ein (AA 3.3.2014).

Während die Bürger- und Menschenrechte von der Regierung größtenteils respektiert werden, ist die Lage in den Regionen, wo es interne Konflikte gibt, besonders in Jammu und Kaschmir und im Nordosten, teilweise sehr schlecht. Den Sicherheitskräften, aber auch den nicht-staatlichen bewaffneten Gruppen, seien es separatistische Organisationen oder regierungstreue Milizen, werden massive Menschenrechtsverletzungen angelastet. Dem Militär und den paramilitärischen Einheiten werden Entführungen, Folter, Vergewaltigungen, willkürliche Festnahmen und außergerichtliche Hinrichtungen vorgeworfen. Es gibt Befürchtungen, dass die neue, drakonische Anti-Terror-Gesetzgebung die Menschenrechtslage verschlimmern wird und dass diese Gesetze gegen politische Gegner missbraucht werden. Frauen, Mitglieder ethnischer und religiöser Minderheiten sowie niedriger Kasten werden systematisch diskriminiert. Den Sicherheitskräften wird Parteilichkeit vorgeworfen, besonders bei Spannungen zwischen Hindus und Moslems, welche im Jahr 2002 zu Tausenden von Todesfällen führten. Die Stimmung wird durch hindu-nationalistische Parteien angeheizt, welche auch in der Regierung vertreten sind (BICC 6.2014).

Die Behörden verstießen auch weiterhin gegen die Privatsphäre der BürgerInnen. In manchen Bundesstaaten schränkt das Gesetz die religiöse Konversion ein und es gab Berichte von Verhaftungen, aber keine Verurteilungen unter dem Gesetz. Manche Einschränkungen in Bezug auf die Bewegungsfreiheit hielten an (USDOS 27.2.2014).

Im Oktober 1993 wurde die Nationale Menschenrechtskommission (NHRC) gegründet. Ihre Satzung beinhaltet den Schutz des Menschenrechtgesetzes aus dem Jahre 1993. Die Kommission verkörpert das Anliegen Indiens für den Schutz der Menschenrechte. Sie ist unabhängig und wurde durch ein Umsetzungsgesetz des Parlaments gegründet. Die NHRC hat die Befugnis eines Zivilgerichtes (NHRC o. D.).

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Die NHRC empfiehlt, dass das Kriminalermittlungsbüro alle Morde, in denen die angeblichen Verdächtigen während ihrer Anklage, Verhaftung, oder bei ihrem Fluchtversuch getötet wurden, untersucht. Viele Bundesstaaten sind diesem unverbindlichen Rat nicht gefolgt und führten interne Revisionen im Ermessen der Vorgesetzten durch. Die NHRC Richtlinien weisen die Bundesstaatenregierungen an, alle Fälle von Tod durch Polizeihandlung binnen 48 Stunden an die NHRC zu melden. Jedoch hielten sich viele Bundesstaatenregierungen nicht an diese Richtlinien. Die NHRC wies die Bundesstaatenregierung an, eine finanzielle Kompensation an die Familien von Opfern zu richten; aber die Bundesstaatenregierungen erfüllten diese Richtlinien nicht. Die Sicherheitskräfte mussten Tode innerhalb des Gewahrsams nicht an die NHRC melden (USDOS 27.2.2014).

Die Verfassungs- und Rechtsordnung enthalten Garantien für die grundlegenden Menschenrechte und Freiheiten. Die Umsetzung dieser Verfassungsziele ist nicht in vollem Umfang gewährleistet. Wesentliche Grundrechte sind in der indischen Verfassung garantiert (Art. 12-35). Eine Reihe von Sicherheitsgesetzen schränken die rechtsstaatlichen Garantien aber ein (AA 3.3.2014).

23 Bundesstaaten haben eigene Menschenrechtskommissionen, die eigenständige Untersuchungen durchführen, aber unter der Nationalen Menschenrechtskommission arbeiten. In sieben Bundesstaaten war die Position des/der Vorsitzenden nicht besetzt. Menschenrechtgruppen mutmaßten, dass die Menschenrechtskommissionen durch lokale Politik in ihrer Tätigkeit eingeschränkt waren (USDOS 27.2.2014).

Manche Menschenrechtsorganisationen behaupteten, dass rechtliche und institutionelle Schwächen die Arbeit der NHRC behinderten. Während die NHRC die Autorität besitzt: Untersuchungen und Beschwerden nachzugehen oder von der Bundesregierung die Veröffentlichung eines Bericht verlangen kann; hat sie nicht die Verfügungsmacht um Anfragen durchzusetzen, Vorgänge für Strafverfolgungen zu initiieren, oder Interimskompensationen anzuweisen; noch ist es ihr möglich unabhängig Menschenrechtsverletzungen der Streitkräfte nachzugehen. Menschenrechtsorganisationen kritisierten die finanzielle Abhängigkeit der NHRC von der Regierung und deren Versäumnis, Verstöße, die älter als ein Jahr sind zu untersuchen. Sie behaupteten, dass die NHRC nicht alle Verstöße registrierte und es verabsäumte Fälle gründlich zu untersuchen und Beschwerdeführer nicht adäquat schütze (USDOS 27.2.2014).

Die NHRC arbeitete gemeinsam mit verschiedenen NGOs. Auch hatten die NGOs mehrere Repräsentationen in mehreren NHRC Komitees. Menschenrechtsbeobachter in Jammu und Kaschmir war es möglich Menschenrechtsverstöße zu dokumentieren, wurden aber von Sicherheitskräften in ihrer Arbeit behindert oder belästigt. (USDOS 27.2.2014).

Indien, die bevölkerungsreichste Demokratie der Welt, hat, trotz Zusicherungen, die wichtigsten Probleme anzugehen, weiterhin signifikante Menschenrechtsprobleme. Das Land hat eine blühende Zivilgesellschaft, freie Medien und eine unabhängige Justiz. Aber lang bestehende missbräuchliche Praktiken, Korruption und ein Mangel an Verantwortlichkeit für Täter begünstigen Menschenrechtsverletzungen (HRW 21.1.2014).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (3.3.2014): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Indien, Zugriff 5.3.2014

- AI - Amnesty International (5.2013): Amnesty International Report, State of the Human Rights 2013, http://files.amnesty.org/air13/AmnestyInternational_AnnualReport2013_complete_en.pdf, Zugriff 4.3.2013

- BICC - Bonn International Centre for Conversion (6.2014):

Informationsdienst - Sicherheit, Rüstung und Entwicklung in Empfängerländern deutscher Rüstungsexporte: Länderportrait Indien, http://ruestungsexport.info/uploads/pdf/countries/2014_Indien.pdf, Zugriff 4.8.2014

- HRW - Human Rights Watch (21.1.2014): World Report 2014 - India, http://www.ecoi.net/local_link/267784/395137_de.html, Zugriff 30.7.2014

- NHRC (o. D. ): The National Human Rights Commission India, http://www.nhrc.nic.in/Documents/Publications/NHRCindia.pdf, Zugriff 18.3.2014

- USDOS - US Department of State(27.2.2014): India, Country Report on Human Rights Practices,

http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm#wrapper, Zugriff 4.3.2014

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Bewegungsfreiheit

Das Gesetz gewährt interne/landesweite Bewegungsfreiheit, Auslandsreisen, Migration und Repatriierung; die Regierung respektiert diese Rechte im Allgemeinen (USDOS 27.2.2014). Es gibt kein staatliches Melde- oder Registrierungssystem [Anm.: siehe Kapitel Behandlung nach Rückkehr], so dass ein Großteil der Bevölkerung keinen Ausweis besitzt. Dies begünstigt die Niederlassung in einem anderen Landesteil im Falle von Verfolgung. Auch bei strafrechtlicher Verfolgung ist nicht selten ein unbehelligtes Leben in ländlichen Bezirken in anderen Landesteilen möglich, ohne dass die Person ihre Identität verbergen muss. Mit dem geplanten Datenverbundsystem für die zentralen Sicherheitsbehörden und die Unionsstaaten, Crime and Criminal Tracking Network System (CCTNS), soll künftig ein solcher Informationsaustausch auf allen Ebenen gewährleistet sein. Für 2012 war eine Anbindung von 15.000 Polizeistationen und 6.000 übergeordneten Stellen vorgesehen. Die Umsetzung des ambitionierten Vorhabens liegt jedoch weit hinter dem ursprünglichen Zeitplan. Es ist davon auszugehen, dass Betroffene sich durch Flucht in einen anderen Landesteil jeglicher Art der privaten/halbstaatlichen Probleme entziehen können, da nicht davon auszugehen ist, dass über das Dorf hinaus Anwohner oder lokale Behörden Hinweise erhalten oder recherchieren können oder sich überhaupt dafür interessieren, was ein Zugezogener in der Vergangenheit gemacht haben könnte. Es fehlen jegliche zentrale Aktenführung oder Informationsaustausch. Es bedarf lediglich eines sehr einfachen, öffentlichen Namensänderungsverfahrens, um seine Identität zu verschleiern. Ob der Betreffende nach der Umsiedlung dort die Möglichkeit hat, sich ein wirtschaftliches Auskommen zu verschaffen, hängt ausschließlich von seiner Eigeninitiative ab. Vorübergehende Notlagen können durch Armenspeisungen im Tempel, insbesondere der Sikh-Tempel, die auch gegen kleinere Dienstleistungen Unterkunft gewähren, problemlos ausgeglichen werden (AA 3.3.2014).

Die Regierung darf die legale Ausstellung eines Passes, an einen Anwärter, von dem geglaubt wird, dass er in Aktivitäten außerhalb des Landes verwickelt ist, die "schädlich für die Souveränität und Integrität der Nation" sind, verweigern (USDOS 27.2.2014).

Einige Einschränkungen in Bezug auf Bewegungsfreiheit hielten an. Die Regierung verlangte auch weiterhin Spezialerlaubnisse für Bürger und Ausländer, um in Teile von Arunachal Pradesh und Jammu und Kaschmir zu reisen. Die Bundesstaatenregierungen verlangten vor Reiseantritt von den BürgerInnen spezielle Genehmigungen einzuholen, um in diese Gegenden zu reisen. Die Sicherheitskräfte untersuchten Wagen und deren InhaberInnen bei Checkpoints, meistens in den unruhigen Gegenden des Kaschmirtals, vor öffentlichen Veranstaltungen in XXXX oder nach großen terroristischen Angriffen (USDOS 27.2.2014).

BürgerInnen von Jammu und Kaschmir waren auch weiterhin mit massiven Behinderungen konfrontiert, oft dauerte es bis zu zwei Jahre, bis ihnen das Außenministerium einen Pass ausstellte oder erneuerte. Die Regierung setzte AntragstellerInnen - geboren in Jammu und Kaschmir -- zusätzlichen Kontrollen aus, (USDOS 27.2.2014).

Die indische Regierung ist dabei ihren Bürgern eine 12-stellige digitale Identitätsnummer auszustellen, damit soll die Verteilung von Dienstleistungen effizienter und Korruption bekämpft werden, 110 Millionen Menschen waren im Jänner 2012 eingeschrieben und 60 Millionen Nummern wurden ausgestellt. Die Einschreibung ist freiwillig, wird aber stark beworben (The Independent 16.1.2012).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (3.3.2014): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Indien

- The Independent (16.1.2012): Counting the billions: India starts to empower its people,

http://www.independent.co.uk/news/world/asia/counting-the-billions-india-starts-to-empower-its-people-6290180.html, Zugriff 5.3.2013

- USDOS - US Department of State (27.2.2014): India, Country Report on Human Rights Practices,

http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm#wrapper, Zugriff 4.3.2014

Meldewesen

Es gibt kein Meldewesen in Indien (AA 3.3.2014).

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Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (3.3.2014): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Indien, Zugriff 5.3.2014

Binnenflüchtlinge (IDPs) und Flüchtlinge

Die Regierung kooperierte im Allgemeinen mit UNHCR und anderen humanitären Organisationen, in dem sie Schutz und Hilfe, manchen aber nicht allen IDPs, Flüchtlingen, zurückkehrenden Flüchtlingen, Asylwerbern, staatlosen Personen und anderen betroffenen Personen anbietet. Die Regierung erlaubte allgemein nur UNHCR die Unterstützung von Asylwerben und Flüchtlingen aus nicht benachbarten Ländern. Das Land beherbergte eine große Flüchtlingszahl (USDOS 27.2.2014).

Bezugnehmend auf Statistiken von IDMC (International Displacement Monitoring Centre) aus dem Jahre 2012, vertrieben regionale Konflikte mindestens 506.000 Personen. Die Schätzung der genauen Zahl der Vertriebenen durch Konflikt oder Gewalt war schwierig, da keine Zentralregierungsbehörde verantwortlich für das Überwachen der Zahlen von jenen, die vertrieben wurden oder zurückgekehrt sind. Humanitäre- und Menschenrechtsorganisationen haben eingeschränkten Zugang zu den Lagern und den betroffenen Regionen von Vertriebenen. Viele IDPs hatten unzureichenden Zugang zu Nahrung, sauberem Wasser, Zuflucht und Gesundheitsvorsorge. IDPs, die an ihren gewohnheitsmäßigen Wohnort zurückkehrten waren oft benachteiligt oder Diskriminierung ausgesetzt (USDOS 27.2.2014).

IDP-Lager bestanden weiterhin in Chhattisgarh für vertriebene Stammespersonen, die zwischen die Fronten der Naxalities und der staatlich-unterstützten Milizen Salwa Judum im Jahr 2006 gerieten. Statistiken, die im März durch das IDMC - durch den norwegischen Flüchtlingsrat und den Vereinten Nationen geführt - veröffentlicht wurden, gaben an, dass mindestens 148.000 IDPs in den Naxalite-Konfliktregionen sind, zumeist in den Staaten Chhattisgarh und Andhra Pradesh (USDOS 27.2.2014).

Indien ist ein wichtiges Flüchtlingsaufnahmeland, hat allerdings die VN-Konvention über die Anerkennung von Flüchtlingen von 1951 und das Protokoll von 1967 nicht unterzeichnet und gewährt ausländischen Flüchtlingen in der Regel keinen besonderen Status. Besondere Gesetze zugunsten von Flüchtlingen gibt es nicht. Das Innenministerium hat 2002 eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die ein Flüchtlingsgesetz vorbereiten soll. Bisher wurde jedoch kein Entwurf vorgelegt. Nach zuverlässigen Angaben des US-amerikanischen "Committee for Refugees and Immigrants" halten sich in Indien 420.000 politische Flüchtlinge und Asylsuchende auf (2010), die insbesondere aus China (25 Prozent v.a. Tibet), Sri Lanka (Tamilen), Myanmar (v.a. christliche, ethnische Chinesen leben in Mizoram), Nepal (infolge der maoistischen Aufstände), Bangladesch (Buddhisten), Afghanistan (Hindus) und Bhutan stammen. Aktuelle Informationen sind von dieser Organisation nicht mehr verfügbar.

Indien

behandelt Flüchtlinge je nach Nationalität unterschiedlich. Es gewährt Tibetern und Tamilen aus Sri Lanka grundsätzlich Schutz (in der Regel durch indische Passersatzpapiere, Certificate of Identity, die mit einem dauernden Bleiberecht verbunden sind). Nepalesen können frei nach Indien einreisen und genießen mit Ausweispapieren nach dem Freundschaftsvertrag beider Länder von 1950 die meisten der Rechte indischer Bürger. Nach einem 2007 aktualisierten Abkommen von 1949 mit Bhutan erhalten dessen Staatsangehörige eine Aufenthaltsberechtigung in Indien und viele Rechte, die indischen Staatsangehörigen zustehen. Als Asylberechtigte anerkannte myanmarische und afghanische Staatsangehörige erhalten ein UNHCR-Dokument, das sie als anerkannte Flüchtlinge ausweist, sowie eine indische Aufenthaltserlaubnis. Staatsangehörige anderer Nationen, die durch UNHCR als Asylberechtigte anerkannt werden, erhalten ebenfalls ein UNHCR Dokument, das sie als Asylberechtigte ausweist, jedoch keine Aufenthaltserlaubnis. Hinduistische Afghanen mit mindestens 12-jähriger Aufenthaltsdauer in Indien wurden besonders ermutigt, die indische Staatsangehörigkeit anzunehmen, und sie haben dies auch zum Teil wahrgenommen. Eine größere Anzahl lebt gut integriert in der Hauptstadt. UNHCR hat keinen formalen Status in Indien. Zwar wird den UNHCR-Mitarbeitern Zugang zu Flüchtlingen in den städtischen Gebieten gewährt, aber der weit wichtigere Zugang zu den staatlichen Flüchtlingslagern, außer in Tamil Nadu, wird ihnen verwehrt. Im Januar 2008 haben erstmals formelle, hochrangige bilaterale Konsultationen zwischen Indien und dem UNHCR in Genf stattgefunden. Der UNHCR betreute im Dezember 2011 ca. 31.600 registrierte Flüchtlinge und Asylantragsteller (davon 42 Prozent aus Afghanistan, 52 Prozent aus Myanmar), eine Zunahme um 28 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Insgesamt geht der UNHCR noch von ca. 100.000 tibetischen Flüchtlingen (laut tibetischer Exilregierung 130.000) aus, sowie 73.000 Sri Lankern, die nicht vom UNHCR betreut werden.

204.600 Flüchtlinge zum Jahresende 2011 bedeuten insgesamt eine Zunahme um 3 Prozent (AA 3.3.2014).

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Grundsätzlich kann jeder Flüchtling nach 12-jährigem Aufenthalt in Indien indischer Staatsangehöriger werden. Der Großteil der Tibeter lehnt dies jedoch als politisches Pro-Tibet- Statement ab, getragen von der Hoffnung, eines Tages in die Heimat zurückzukehren. Indien teilt den Flüchtlingen Siedlungsgebiete zu (große tibetische Siedlungen nicht nur in und um Dharamsala, sondern auch in Bylakuppe in Karnataka), Afghanen erhielten Land in Laxpat Nagar in XXXX. Schon aufgrund der religiösen Verwandtschaft werden diese Flüchtlinge nicht nur toleriert, sondern in die indische Gesellschaft integriert und dort akzeptiert. Gerade tibetische Flüchtlinge haben mit Hilfe der NROs (teils mit ausländischer Unterstützung) sowie Bemühungen der tibetischen Exilregierung und Institutionen Möglichkeiten zur Schul-/Berufsausbildung sowie Zugang zu Startkapital und sind dementsprechend wirtschaftlich aktiv. Tibeter werden ebenso in den Dörfern der indischen

(ethnischen) Tibeter integriert (einige Regionen Nordindiens gehören zum großtibetischen Siedlungsgebiet, z.B. Sikkim, Ladakh, u.a.) (AA 3.3.2014).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (3.3.2014): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Indien, Zugriff 5.3.2014

- USDOS - US Department of State (27.2.2014): India, Country Report on Human Rights Practices,

http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm#wrapper, Zugriff 4.3.2014

Grundversorgung/Wirtschaft

Indien gehört trotz Abschwächung des Wirtschaftswachstums auf 5 Prozent (2012/13; 2011/12 dagegen noch 6,2 Prozent, 2013/14 - geschätzt - : 4,9Prozent) nach wie vor zu den am stärksten expandierenden Volkswirtschaften der Welt (weltweit an 10. Stelle). Bei derzeit 1,2 Mrd. Einwohnern wird es bis zur Mitte des Jahrhunderts voraussichtlich nicht nur das bevölkerungsreichste Land der Erde sein, sondern auch mit seinem Bruttoinlandsprodukt nach China und USA an dritter Stelle liegen (AA 3.2013).

Indien ist die drittgrößte Wirtschaft in Asien und ist durch eine hohe Inflation, einer schwachen Währung und einem Rückgang an ausländischen Investitionen belastet. Eine Flaute im Bergbau und Manufaktur, haben ihr restliches dazu beigetragen (BBC 31.1.2014).

Laut Zahlen der Weltbank betrug im Jahre 2012 das Pro-Kopf-Einkommen in Indien US Dollar 1.489. Das jährliche Wirtschaftswachstum in Indien sei zwar von 7,5 auf 5 Prozent gefallen, das aber sei immer noch ein sehr ansehnlicher Wert. Dies umso mehr, als der Internationale Währungsfonds für das laufende und das kommende Jahr eine Belebung des Wachstums erwarte. Das Land hat die im Jahre 2008 in den Vereinigten Staaten ausgebrochene Krise schlechter weggesteckt als China. Während China Leistungsbilanzüberschüsse und damit Devisenreserven ansammelt, ist die indische Leistungsbilanz negativ geworden. Während Peking seine Währung künstlich vor zu einer starken Aufwertung schützt, hat die indische Rupie erheblich an Wert verloren (FAZ 23.1.2014).

Das hohe Wachstum der letzten Jahre hat die regionalen Entwicklungsunterschiede auf dem Subkontinent und das zunehmende Einkommensgefälle zwischen der expandierenden städtischen Mittelschicht und der überwiegend armen Bevölkerung auf dem Lande, wo noch knapp 70 Prozent aller Inder leben, schärfer hervortreten lassen. Die erhofften massiven Beschäftigungseffekte des Wachstums sind bislang ausgeblieben (AA 3.2014).

Das Land hat eine aufstrebende urbane Mittelschicht. Es hat große Fortschritte wie zum Beispiel im IT-Bereich gemacht, dessen große Facharbeitskräfte es zu einem beliebten Ziel für internationale Firmen machen, die versuchen ihre Arbeit auszulagern. Der Großteil der ländlichen Bevölkerung ist weiterhin arm, da das Leben auch weiterhin durch das altertümliche Hindukastensystem beeinflusst wird, welches jeder Person einen Platz in der sozialen Hierarchie zuweist. Diskriminierungen auf Basis der Kaste ist gegenwärtig illegal und mehrere Maßnahmen wurden eingeführt um benachteiligte Gruppen zu stärken und ihnen Zugangsmöglichkeiten zu erleichtern - wie zum Beispiel Bildung und Arbeit. Armutsbekämpfung und Alphabetisierungskampagnen sind im Gange (BBC 16.5.2014 vgl. auch: BBC 11.12.2013).

Indien steht vor gewaltigen Herausforderungen bei der Armutsbekämpfung und in der Bildungs- und Infrastrukturentwicklung. Etwa 30 Prozent der Bevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze von 1 US-Dollar pro Kopf und Tag. Rund 70 Prozent haben weniger als 2 US-Dollar pro Tag zur Verfügung. Auf dem Human Development Index der UNDP (2013) steht Indien auf Platz 136 unter 186 erfassten Staaten. Während es weltweit die meisten Millionäre und Milliardäre beheimatet, liegt Indien bei vielen Sozialindikatoren deutlich

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unter den Durchschnittswerten von Subsahara-Afrika. Etwa ein Viertel der Bevölkerung lebt unter dem von den Vereinten Nationen veranschlagten Existenzminimum. Sofern es nicht zu außergewöhnlichen Naturkatastrophen kommt, ist jedoch eine für das Überleben ausreichende Nahrungsversorgung auch den schwächsten Teilen der Bevölkerung grundsätzlich sichergestellt. Es gibt keine staatlichen Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer, Sozialhilfe oder ein anderes soziales Netz. Rückkehrer sind auf die Unterstützung der eigenen Familie oder Freunde angewiesen. Vorübergehende Notlagen können durch Armenspeisungen im Tempel, insbesondere der Sikh-Tempel, die auch gegen kleinere Dienstleistungen Unterkunft gewähren, problemlos ausgeglichen werden (AA 3.3.2014).

Voraussetzung für den wirtschaftlichen Aufstieg Indiens und die Überwindung des über Jahrzehnte schwachen Wachstums war die sukzessive Deregulierung und Öffnung der indischen Volkswirtschaft nach der Finanzkrise von 1991. Dieser Prozess ist allerdings noch nicht abgeschlossen. Das Wirtschaftswachstum wird ganz wesentlich von der Binnennachfrage getragen, für deren weiteren Anstieg schon die demographische Entwicklung spricht. Die industriepolitische Strategie strebt den weiteren Auf- und Ausbau einer eigenen industriellen Produktion an. Dabei erfolgt gelegentlich ein Rückgriff auf protektionistische Maßnahmen wie Importzölle, Exportquoten, Lokalisierungszwänge oder Buy Indian-Vorgaben in öffentlichen Ausschreibungen. Seit September 2012 hat die indische Regierung weitere Liberalisierungsschritte eingeleitet und damit einen längeren Stillstand der Reformpolitik überwunden. So wurde die hoch umstrittene Zulassung ausländischer Investitionen auch in Supermarktketten beschlossen, ferner u.a. die Zulassung ausländischer Beteiligung an Fluggesellschaften und Strombörsen. Auch in anderen Branchen wurden die Grenzen für ausländische Kapitalbeteiligungen heraufgesetzt. Weitere wichtige Reformvorhaben zur Öffnung des Finanzsektors wie z.B. die Anhebung der Schwelle für Auslandsinvestoren an Versicherungsunternehmen sind allerdings noch nicht beschlossen worden (AA 3.2014).

Die globale Rezession, hat die indische Wirtschaft besonders stark getroffen - die Regierung sieht sich mit Korruptionsvorwürfen konfrontiert, da sie kein integratives Wachstum zu garantieren konnte (AI 5.2013). Im April stiegen die Verbraucherpreise 8,6 Prozent im Jahresvergleich (FAZ 16.5.2014). Arme und marginalisierte Gemeinschaften, die geschätzt 30 - 50 Prozent der Bevölkerung ausmachen, waren besonders stark vom Preisanstieg betroffen (AI 5.2013).

Nur ca. 8 Prozent aller Beschäftigten stehen in einem vertraglich geregelten Arbeitsverhältnis. Die übrigen 92 Prozent werden dem sog. "informellen Sektor" zugerechnet - sie sind weder gegen Krankheit oder Arbeitsunfälle abgesichert, noch haben sie Anspruch auf soziale Leistungen oder Altersversorgung (AA 3.2014).

Backsteinöfen sind ein wichtiger Bestandteil von Indiens wachsender Wirtschaft. Es gibt mehr als zwei Millionen ZiegelarbeiterInnen in Indien. Viele Ofenanlagen haben ArbeiterInnen, die unter fast sklavenähnlichen Bedingungen arbeiten und höchstens £1.50 für einen 12 Stunden Tag verdienen. Viele leiden unter Krankheiten aufgrund des beizenden Rauches der Öfen und den rauen Arbeitsbedingungen (BBC 4.1.2014). Das Ausmaß von Zwangs- und Kinderarbeit in den Backsteinöfen in Indien nimmt epidemische Ausmaße an. Schwangere Frauen, Kinder und junge Mädchen arbeiten 12 - 18 Stunden pro Tag. Sie sind schlecht ernährt, es gibt kein sauberes Wasser und sie leben wie Sklaven (BBC 2.1.2014).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (3.3.2014): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Indien, Zugriff 5.3.2014

- AA - Auswärtiges Amt (3.2014): Indien, Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_AC539C62A8F3AE6159C84F7909652AC5/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Indien/Innenpolitik_node.html, Zugriff 6.8.2014

- AI - Amnesty International (5.2013): Amnesty International Report, State of the Human Rights 2013, http://files.amnesty.org/air13/AmnestyInternational_AnnualReport2013_complete_en.pdf, Zugriff 4.3.2013

- BBC (4.1.2014): India brick industry: Calls to improve working conditions, http://www.bbc.co.uk/news/world-asia-india-25595093, Zugriff 6.8.2014

- BBC (16.5.2014) India profile - Overview, http://www.bbc.co.uk/news/world-south-asia-12557384, Zugriff 6.8.2014

- BBC (16.5.2014) India profile - Overview, http://www.bbc.co.uk/news/world-south-asia-12557384, Zugriff 17.3.2014

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- BBC (2.1.2014): Why India's brick kiln workers 'live like slaves', http://www.bbc.co.uk/news/world-asia-india-25556965, Zugriff 14.8.2014

- BBC (31.1.2014): World Bank chief economist on future of India's economy, http://www.bbc.com/news/world-asia-india-25742983, Zugriff 17.3.2014

- FAZ- Frankfurter Allgemeine Zeitung (23.1.2014): Ein Wirtschaftswunder und ein fragiler Subkontinent, http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/weltwirtschaftsforum/china-und-indien-ein-wirtschaftswunder-und-ein-fragiler-subkontinent-12766222-p2.html, Zugriff 6.8.2014

- FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung (16.5.2014): Modi ist Mann der Stunde,

http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/fruehaufsteher/wahlentscheid-in-indien-modi-ist-der-mann-der-stunde-12941572.html, Zugriff 7.8.2014

- USDOS - US Department of State (27.2.2014): India, Country Report on Human Rights Practices,

http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm#wrapper, Zugriff 4.3.2014

Behandlung nach Rückkehr

Allein die Tatsache, dass eine Person einen Asylantrag gestellt hat, führt nicht zu nachteiligen Konsequenzen für abgeschobene indische Staatsangehörige. In den letzten Jahren hatten indische Asylbewerber, die in ihr Heimatland abgeschoben wurden, grundsätzlich - abgesehen von einer intensiven Prüfung der (Ersatz-) Reisedokumente und einer Befragung durch die Sicherheitsbehörden - keine Probleme von Seiten des Staates zu befürchten. Polizeilich gesuchte Personen müssen allerdings bei Einreise mit Verhaftung und Übergabe an die Sicherheitsbehörden rechnen. Zu staatlichen oder sonstigen Aufnahmeeinrichtungen für zurückkehrende unbegleitete Minderjährige liegen dem Auswärtigen Amt keine Erkenntnisse vor. Im Einzelfall wäre die Aufnahme in ein Waisenhaus oder bei Verwandten mit Hilfe der Botschaft sicherzustellen. Vor allem bei Jungen ist jedoch davon auszugehen, dass sich Verwandte finden werden (AA 3.3.2014).

Indien sieht sich als Teil des weltweiten Trends in Richtung einer zunehmenden Verstädterung. Das Land hat laut dem Zensus 2011 eine Gesamtbevölkerung von 1.210 Mio. Menschen, von denen 29% in städtischen Gebieten leben. Der Beitrag des städtischen Sektors zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) wird gegenwärtig auf 50-60% geschätzt. In diesem Zusammenhang ist es zu einem Hauptgegenstand politischer Ankündigungen des Ministeriums für Stadtentwicklung geworden, dass die Produktivität der städtischen Gebiete erhöht werden soll. Das Ministerium für Stadtentwicklung ist verantwortlich für die Ausgestaltung politischer Maßnahmen, Förderprogramme und Kontrollprogramme, sowie für die Koordinierung der Aktivitäten verschiedener Bundesministerien, Staatenregierungen und weiterer Schnittstellenbehörden, insofern als die städtische Entwicklung nahezu alle Belange des Landes betrifft. Nach 1950 entwarf die Indische Regierung einen Zehn-Jahres-Plan für Wohnungsbau und Stadtentwicklung, der in das Programm zur Verminderung städtischer Armut (Nehru Rojgar Yojana - NRY) mündete. Dieser Plan legte Wert auf die Schaffung von Institutionen und die Errichtung von Wohnungen für Staatsbedienstete und schwächere Gruppen. Das im Folgenden erweiterte Industrielle Wohungsbauprogramm bezog sich auf alle Arbeitergruppen. Als Nachfolger der Globalen Obdachstrategie (Global Shelter Strategy - GSS) wurde im Jahr 1988 die Nationale Wohnungspolitik (NHP) ausgerufen, deren langfristiges Ziel die Lösung des Wohnungsmangels, die Verbesserung der Wohnumstände der inadäquat lebenden Personen und die Bereitstellung eines Mindestlevels an Grundversorgung und Zusatzleistungen für jedermann war. Die Regierung trug dabei die Aufgabe, die ärmsten und gefährdetsten Gruppen zu versorgen und durch die Beseitigung von Hindernissen und Bereitstellung von Land und Dienstleistungen als Vermittler für andere Einkommensgruppen und den privaten Sektor aufzutreten. Das Hausbauprogramm für Bedienstete der Zentralregierung ist darauf ausgerichtet, Regierungsmitarbeitern Unterstützung beim eigenständigen Haus- bzw. Wohnungsbau zukommen zu lassen. Bei der Suche nach einer privaten Mietwohnung können die örtlichen Immobilienagenturen in der entsprechenden Stadt weiterhelfen (BAMF 8.2013).

Der Zugang zu gefälschten Dokumenten oder echten Dokumenten falschen Inhalts ist sehr leicht. Gegen entsprechende Zahlungen ist jedes Dokument zu erhalten und wird von den entsprechenden Behörden ohne Vorbehalte ausgestellt, da es sich nach dem dortigen Verständnis lediglich um "Embassy Requirements" zur Verwirklichung des allseits bestehenden Ausreisewunsches handelt. Erleichtert wird der Zugang überdies durch die Möglichkeit, Namen ohne größere Anstrengung zu ändern. Angesichts der hohen Zahl der Fälschungen wurde im Jahr 2000 das Legalisierungsverfahren für indische Urkunden eingestellt. Die Überprüfung der Echtheit von Haftbefehlen gestaltet sich schwierig. Z. B. besteht zwischen zahlreichen Personen aus dem XXXX, XXXX eine Namensidentität, so dass die Zuordnung eines Haftbefehls häufig problematisch ist. Der Namenszusatz männlicher Sikhs ist "XXXX" (Löwe), der aller weiblicher Sikhs "Kaur" (Löwin); XXXX ist

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zudem ein verbreiteter Hindu-Nachname in Nordindien. Die Mitteilung sämtlicher Vornamen sowie des Geburtsdatums und des Namens der Eltern ist daher für die eindeutige Zuordnung unerlässlich. Hinzu kommt, dass die indischen Gerichte keine einheitlichen Formulare verwenden. Die vorgelegten Dokumente ("Warrant of Arrest", "First Investigation Report", Bestätigungsschreiben von Rechtsanwälten, "Affidavits" von Dorfvorstehern oder Angehörigen) stellen sich bei Überprüfung sehr häufig als gefälscht heraus. Zudem wird die Überprüfung dadurch erschwert, dass die Behörden sowie die anderen Beteiligten nur zögerlich oder überhaupt nicht kooperieren. Hinweise auf Fälschungen sind insbesondere unvollständige Siegelstempel, fehlende Unterschriften sowie bei Rechtsanwälten fehlende Adressangaben und Aktenzeichen, zudem sind Fotos äußerst hilfreich. Überprüfungen im Asylverfahren ergeben gewöhnlich, dass weder der Sachvortrag noch die Identität des Betreffenden bestätigt werden kann (AA 3.3.2014).

Die Identifizierungsbehörde Indiens wurde eingerichtet, um die rechtliche und technische Infrastruktur zu schaffen, die notwendig ist, um allen indischen Einwohnern Identitätsnummern (UID) auszustellen. Das neue System wird Aadhaar genannt. Damit sollen gefälschte und doppelte Identitäten ausgeschlossen werden. Das neue Identitätssystem wird mit Fotos, demographischen und biometrischen Details verbunden und ermöglicht dem Träger sich selbst auszuweisen und überall in Indien Zugang zu Dienstleistungen und Beihilfen zu erhalten. Der Erhalt einer UID geschieht auf freiwilliger Basis, es gibt keine rechtlichen Anforderungen zum Registrieren (UKBA 30.3.2012).

Die Regierung bereitet derzeit ein nationales Bevölkerungsregister vor (National Population Register - NPR) um nationale Personalausweise auszustellen (The Indian Tribune 8.7.2014).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (3.3.2014): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Indien, Zugriff 5.3.2014

- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (8.2013):

Länderinformationsblatt Indien, http://www.bamf.de/SharedDocs/MILo-DB/DE/Rueckkehrfoerderung/Laenderinformationen/Informationsblaetter/cfs_indien-dl_de.pdf?__blob=publicationFile, Zugriff 7.8.2014

- The Tribune India (8.7.2014): National ID cards soon, says Rajnath, http://www.tribuneindia.com/2014/20140709/main8.htm, Zugriff 7.8.2014

- Times of India (20.7.2014):

- 88% people in XXXX have Aadhar cards, http://timesofindia.indiatimes.com/city/chandigarh/88-people-in-XXXX-have-Aadhar-cards/articleshow/38746366.cms, Zugriff 13.8.2014

- UKBA - UK Border Agency - Home Office (30.3.2012): Country of Origin Information Report; India / Unique Identification Authority of India: Unique identification project - Background, http://uidai.gov.in/index.php?option=com_content&view=article&id=141&Itemid=164, Zugriff 7.8.2014

2. Beweiswürdigung:

Die Staatsangehörigkeit und Herkunft des Beschwerdeführers erscheinen auf Grund seiner Sprach- und Ortskenntnisse glaubhaft. Die Feststellungen über die allgemeine Lebenssituation des Beschwerdeführers im Herkunftsstaat (insb. Existenz von Familienangehörigen, Ausbildung und Berufserfahrung) und in Österreich (insb. Deutschkenntnisse, Gelegenheitsarbeit, Gesundheitszustand) beruhen auf den Angaben des Beschwerdeführers im Verfahren.

Hinsichtlich der im gegenständlichen Verfahren konkret geltend gemachten Ausreismotive des Beschwerdeführers gelangt auch das erkennende Gericht in Übereinstimmung mit der diesbezüglichen Beurteilung durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zum Ergebnis, dass eine bestehende Verfolgungsgefahr im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention nicht glaubhaft gemacht werden konnte.

Wie schon seitens des Bundesamtes zutreffend ausgeführt, stellten sich die Angaben des Beschwerdeführers als vage und unplausibel dar. Bereits das Bundesamt hielt zutreffend fest, dass der Beschwerdeführer nur sehr detailarme Angaben machen konnte, weshalb diese als nicht lebensnah zu beurteilen sind. Entgegen den Behauptungen des Beschwerdeführers handelt es sich nach Ansicht des erkennenden Gerichts nicht um eine

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fluchtartige Ausreise aus Indien, da der Beschwerdeführer laut seinen eigenen Angaben am 05.11.2013 nach Indien gereist und seinen Heimatstaat, nachdem die Probleme seiner Behauptung nach am 25.12.2013 begonnen hätten, etwa am 20.02.2013 wieder verlassen hat. Vor diesem Hintergrund ist es nicht erklärlich, dass der Beschwerdeführer, keinerlei Unterlagen, die geeignet wären, seine Angaben (etwa jene zum Gerichtsverfahren oder zur Anzeigeerstattung) zu belegen, mit sich führte oder sich solche von seinen Verwandten, mit denen er in aufrechten Kontakt ist, übermitteln hätte lassen. Nicht nachvollziehbar ist, dass der Beschwerdeführer den von ihm behaupteten Sachverhalt vorerst so darstellte, als hätten seine Onkel das Land, das der Großvater des Beschwerdeführers für ihm bestimmt hätte, besetzt gehalten. Demgegenüber gab er auf Nachfrage an, es hätte ein Gerichtsverfahren gegeben bei dem das Gericht zu Gunsten der Onkel entschieden hätte (Akt Seite 47). Diese beiden Schilderungen sind insofern nicht miteinander vereinbar, als nach der ersten Darstellung die Onkeln widerrechtlich bzw. rechtsgrundlos das Land besetzt halten würden, nach der zweiten Darstellung jedoch die Onkeln aufgrund einer Gerichtsentscheidung das Land in Anspruch nehmen würden. Hinzu kommt, dass der Beschwerdeführer die der behaupteten Auseinandersetzung wegen des Grundstücks zu Grunde liegenden Eigentums-bzw. Besitzverhältnisse an besagtem Grundstück verschiedentlich darstellte. So gab er auf die Frage, ob es eine Besitzurkunde gebe, vorerst an, der Grund wäre noch immer auf den Namen des verstorbenen Großvaters eingetragen, womit er seinen Großvater als Alleineigentümer des Grundstücks darstellte. Auf Nachfrage führte er jedoch divergierend dazu aus, das Grundstück hätte je zur Hälfte seinem Großvater und seinem Onkel gehört (Akt 47). Es ist nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer sowohl zu den aktuellen Besitz-bzw. Eigentumsverhältnissen am Grundstück sowie auch zu den Voreigentümern (Großvater als Alleineigentümer/Großvater und Großonkel als Miteigentümer) widerstreitende Angaben machen würde, wenn dieses Vorbringen den Tatsachen entspräche. Da der Beschwerdeführer sich jedoch divergierend zu diesen Kernpunkten seines Vorbringens äußerte, ist dieses als nicht glaubhaft zu erachten. Der Beschwerdeführer äußerte sich zudem widersprüchlich zu den behaupteten Vorfällen mit den Onkeln/Cousins, indem er bei der Erstbefragung angab, er wäre bei dem ersten Zusammentreffen mit Onkeln und Cousins verprügelt worden (Akt Seite 7), vor dem Bundesamt jedoch ausführte, diese hätten lediglich versucht ihn zu verprügeln, jedoch hätten Feldarbeiter sie auseinandergehalten (Akt Seite 47). Davon wiederum abweichend dabei zu einem späteren Zeitpunkt in der Einvernahme an, er sei von den Kontrahenten am Turban gezerrt worden und hätten ihm diese zwei Ohrfeigen gegeben (Akt Seite 49) und wich damit abermals von seinem bis dahin erstatteten Vorbringen ab. Da es sich bereits bei diesem ersten Zusammentreffen um ein einschneidendes Erlebnis handeln würde, zeigen die in den Ausführungen des Beschwerdeführers auftretenden Ungereimtheiten, dass es sich dabei um rein gedanklich konstruierte Geschehensabläufe handelt. Maßgeblich für die Unglaubhaftigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers ist weiters, dass er vor dem Bundesamt angab, er würde, sobald das gegen die Entscheidung des Gerichts anhängige Berufungsverfahren beendet wäre, freiwillig nach Indien zurückkehren (Akt Seite 49). Angesichts dessen, dass nach den Schilderungen des Beschwerdeführers die Bedrohungssituation bestanden hätte, trotzdem den Onkeln vom Gericht das Grundstück zugesprochen worden wäre, ist es nicht nachvollziehbar, weshalb der Beschwerdeführer nach Beendigung des Berufungsverfahrens aus freien Stücken nach Indien zurückkehren würde. Dies deshalb, da nach der allgemeinen Lebenserfahrung sowohl bei einem Obsiegen des Beschwerdeführers als auch eine Bestätigung des gerichtlichen Urteils ein der jetzigen behaupteten Situation gleichzusetzender Konflikt bestehen bleiben würde. Dass der Beschwerdeführer mit dem Ende des Berufungsverfahrens auch die behauptete Bedrohungssituation als beendet erachtet, zeigt, dass sein Vorbringen nicht lebensnah ist.

Zusammenschauend ergibt sich, dass der Beschwerdeführer eine Gefährdung durch seine Onkel/Cousins aufgrund eines Grundstücksstreites nicht glaubhaft machen konnte. Es kann daher nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr der Gefahr einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt wäre.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat auf die Unzulänglichkeiten im Antwortverhalten des Beschwerdeführers zutreffend hingewiesen und bleibt in diesem Kontakt festzuhalten, dass die belangte Behörde insgesamt ein durchwegs mängelfreies Ermittlungsverfahren durchgeführt, maßgebliche Feststellungen zur Lage in Indien getroffen und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die im Rahmen der Beweiswürdigung angestellten schlüssigen Erwägungen sowie die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und objektiv nachvollziehbar zusammengefasst hat. Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich daher aus oben angeführten Überlegungen der Beurteilung durch die belangte Behörde an, dass es dem Beschwerdeführer in concreto nicht gelungen ist, eine bestehende Verfolgungsgefahr in seinem Heimatland glaubhaft zu machen.

Es konnte weder eine konkret gegen die Person des Beschwerdeführers gerichtete asylrelevante Verfolgung festgestellt werden, noch sind im Verfahren sonst Anhaltspunkte hervorgekommen, die eine mögliche Verfolgung im Herkunftsstaat für wahrscheinlich erscheinen lassen hätten.

Unabhängig davon, könnte der Beschwerdeführer vor einer Bedrohung der behaupteten Art (Bedrohung/Verfolgung durch seine Onkel/Cousins aufgrund eines Grundstücksstreits) durch Niederlassung in

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einem Landesteil seines Herkunftsstaates außerhalb seiner unmittelbaren Herkunftsregion vor dem Hintergrund der Feststellungen in der angefochtenen Entscheidung Sicherheit erlangen.

Aus den Länderberichten ergibt sich deutlich, dass in Indien volle Bewegungsfreiheit gewährleistet ist. Es kann grundsätzlich örtlich begrenzten Konflikten bzw. Verfolgungshandlungen durch Übersiedlung in einen anderen Landesteil ausgewichen werden. Weiters gibt es kein staatliches Melde- oder Registrierungssystem für indische Bürger und diese besitzen in der Mehrzahl keine Ausweise. Die indische Verfassung garantiert indischen Staatsangehörigen das Recht auf Bewegungsfreiheit im Staatsgebiet sowie das Recht auf Niederlassung und Aufenthalt in jedem Teil des Landes. Auch bei strafrechtlicher Verfolgung ist in der Regel ein unbehelligtes Leben in ländlichen Bezirken in anderen Teilen Indiens möglich, ohne dass diese Person ihre Identität verbergen muss. Der Beschwerdeführer würde daher auch bei Zugrundelegung seiner Angaben über eine Bedrohungssituation die Möglichkeit haben, vor einer Verfolgung durch Niederlassung in einem Landesteil seines Heimatlandes außerhalb seiner Herkunftsregion Sicherheit zu finden. Dies erscheint für den Beschwerdeführer auf Grund seiner absolvierten zwölfjährigen Grundschulbildung und den beruflichen Erfahrungen im Vertrieb von Tierfutter zumutbar, zumal er seinen Lebensunterhalt auch durch andere Gelegenheitsarbeiten erwirtschaften könnte. Der Beschwerdeführer verfügt über eine Schulausbildung und hat Berufserfahrung sowie ausreichend sprachliche Kenntnisse; daher ist er nicht als in besonderem Maße verletzlich anzusehen (siehe dazu auch die Ausführungen im Rahmen der rechtlichen Beurteilung).

Die oben wiedergegebenen Feststellungen zur Situation in Indien ergeben sich aus den im angefochtenen Bescheid (und dem Vorbescheid sowie der Beschwerde) herangezogenen Länderberichten, die zusammengefasst dieser Entscheidung zugrunde gelegt werden. Bei den angeführten Quellen handelt es sich um Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Organisationen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild der Situation in Indien ergeben.

Der Beschwerdeführer ist den allgemeinen Feststellungen weder nach dem Vorhalt im Zuge der Einvernahme beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl noch in der eingebrachten Beschwerde substantiiert entgegengetreten. Insbesondere den Feststellungen zur innerstaatlichen Fluchtalternative konnte der Beschwerdeführer nichts Relevantes entgegensetzen. Zu der in der Beschwerde allenfalls vorgebrachten allgemeinen Kritik an den zitierten Länderberichten zu Indien ist darauf zu verweisen, dass die landeskundigen Feststellungen der belangten Behörde von der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl stammen, die zur Objektivität verpflichtet ist und der Beobachtung eines Beirates unterliegt. Sie stützen sich auf verlässliche und unzweifelhafte Quellen von angesehenen staatlichen und nichtstaatlichen Einrichtungen und wurden ausgewogen zusammengestellt. Daher können unvollständige oder teilweise unrichtige Informationen über die Situation in Indien ausgeschlossen werden. Auch weisen die zugrunde gelegten Länderfeststellungen die gebotene Aktualität auf, da sich an der maßgeblichen Situation betreffend Länderberichten älteren Datums nichts Entscheidungsrelevantes geändert hat. Die in der Beschwerde monierte Kritik an den Länderberichten ist somit nicht geeignet, Zweifel an den vorliegenden Länderberichten aufzuwerfen. Vor allem die entscheidungsrelevante Möglichkeit des Beschwerdeführers, sich außerhalb seiner Heimatprovinz niederzulassen, ohne eine Verfolgung fürchten zu müssen, wird durch diese Berichte nicht infrage gestellt. Gerade den Feststellungen zur innerstaatlichen Fluchtalternative ist der Beschwerdeführer in der Beschwerde nicht substantiiert entgegengetreten.

Aufgrund der Gesamtheit dieser Erwägungen geht das Bundesverwaltungsgericht in Übereinstimmung mit der belangten Behörde davon aus, dass der Beschwerdeführer eine asylrelevante Verfolgung seiner Person nicht glaubhaft dargelegt hat. Eine weitere Beweisaufnahme, insbesondere die in der Beschwerde beantragten Ermittlungen durch einen länderkundlichen Sachverständigen, waren deshalb zur Entscheidungsfindung nicht mehr nötig.

3. Rechtliche Beurteilung:

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

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Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Normen (VwGVG, BFA-VG, AsylG) nicht getroffen und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Zum Spruchteil A)

I. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung i.S.d. Art. 1 Abschnitt A Z. 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht. Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offen steht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG 2005) gesetzt hat.

Flüchtling i.S.d. Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK (i.d.F. des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) - deren Bestimmungen gemäß § 74 AsylG 2005 unberührt bleiben - ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politi-schen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren."

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.01.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde (vgl. VwGH 19.12.2007, 2006/20/0771). Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.01.2001, 2001/20/0011). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK nennt (VwGH 09.09.1993, 93/01/0284; 15.03.2001, 99/20/0128; 23.11.2006, 2005/20/0551); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet.

Gemäß § 3 Abs. 3 Z. 1 und § 11 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Asylantrag abzuweisen, wenn dem Asylwerber in einem Teil seines Herkunftsstaates vom Staat oder von sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden und ihm der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann ("innerstaatliche Fluchtalternative"). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK vorliegen kann (vgl. zur Rechtslage vor dem AsylG 2005 z.B. VwGH 15.03.2001, 99/20/0036; 15.03.2001, 99/20/0134, wonach Asylsuchende nicht des Schutzes durch Asyl bedürfen, wenn sie in bestimmten Landesteilen vor Verfolgung sicher sind und ihnen insoweit auch zumutbar ist, den Schutz ihres Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen). Damit ist - wie der Verwaltungsgerichtshof zur GFK judiziert - nicht das Erfordernis einer landesweiten Verfolgung gemeint, sondern vielmehr, dass sich die asylrelevante Verfolgungsgefahr für den Betroffenen - mangels zumutbarer Ausweichmöglichkeit innerhalb des Herkunftsstaates - im gesamten Herkunftsstaat auswirken muss (VwGH 09.11.2004, 2003/01/0534). Das Zumutbarkeitskalkül, das dem Konzept einer "inländischen Flucht- oder Schutzalternative" (VwGH 9.11.2004, 2003/01/0534) innewohnt, setzt daher voraus, dass der Asylwerber dort nicht in eine ausweglose Lage gerät, zumal wirtschaftliche Benachteiligungen auch dann asylrelevant sein können, wenn sie jede Existenzgrundlage entziehen (VwGH 08.09.1999, 98/01/0614, 29.03.2001, 2000/20/0539).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 28.03.1995, 95/19/0041; 27.06.1995, 94/20/0836; 23.7.1999, 99/20/0208; 21.09.2000, 99/20/0373; 26.02.2002, 99/20/0509 m.w.N.; 12.09.2002, 99/20/0505; 17.09.2003, 2001/20/0177) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn

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sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen - würden sie von staatlichen Organen gesetzt - asylrelevant wären. Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 m.w.N.).

Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen wer-den, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe Dritter präventiv zu schützen (VwGH 13.11.2008, 2006/01/0191). Für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht - unter dem Fehlen einer solchen ist nicht "zu verstehen, dass die mangelnde Schutzfähigkeit zur Voraussetzung hat, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht" (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256) -, kommt es darauf an, ob jemand, der von dritter Seite (aus den in der GFK genannten Gründen) verfolgt wird, trotz staatlichen Schutzes einen - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteil aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten hat (vgl. VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 im Anschluss an Goodwin-Gill, The Refugee in International Law, 2. Auflage [1996] 73; weiters VwGH 26.02.2002, 99/20/0509 m.w.N.; 20.09.2004, 2001/20/0430; 17.10.2006, 2006/20/0120; 13.11.2008, 2006/01/0191). Für einen Verfolgten macht es nämlich keinen Unterschied, ob er auf Grund staatlicher Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einen Nachteil zu erwarten hat oder ob ihm dieser Nachteil mit derselben Wahrscheinlichkeit auf Grund einer Verfolgung droht, die von anderen ausgeht und die vom Staat nicht ausreichend verhindert wird. In diesem Sinne ist die oben verwendete Formulierung zu verstehen, dass der Herkunftsstaat "nicht gewillt oder nicht in der Lage" sei, Schutz zu gewähren (VwGH 26.02.2002, 99/20/0509). In beiden Fällen ist es dem Verfolgten nicht möglich bzw. im Hinblick auf seine wohlbegründete Furcht nicht zumutbar, sich des Schutzes seines Heimatlandes zu bedienen (vgl. VwGH 22.03.2000, 99/01/0256; 13.11.2008, 2006/01/0191).

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (vgl. VwGH 15.03.2001, Zl. 99/20/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein (vgl. VwGH 16.06.1994, Zl. 94/19/0183).

Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH 19.10.2000, Zl. 98/20/0233).

Im gegenständlichen Fall sind nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes die dargestellten Voraussetzungen für eine Asylgewährung nicht gegeben.

Umstände, die individuell und konkret den Beschwerdeführer betreffen und auf eine konkrete Verfolgung des Beschwerdeführers hindeuten würden, konnten nicht festgestellt werden. Erachtet die zur Entscheidung über einen Asylantrag zuständige Instanz - wie im gegenständlichen Fall - im Rahmen der Beweiswürdigung die Angaben des Asylwerbers grundsätzlich als unwahr, dann können die von ihm behaupteten Fluchtgründe nicht als Feststellung der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden und es ist auch deren Eignung zur Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung nicht näher zu beurteilen (VwGH 09.05.1996, Zl.95/20/0380). Demzufolge ergibt sich aus dem als nicht glaubhaft zu beurteilenden Vorbringen des Beschwerdeführers keine Verfolgungsgefahr.

So kommt es aber nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bei der Beurteilung des Vorliegens von Fluchtgründen immer auf die konkrete Situation des jeweiligen Asylwerbers, nicht aber auf die allgemeinen politischen Verhältnisse an. Es bestehen auch keine ausreichenden Hinweise dafür, dass sich aus der allgemeinen Situation allein etwas für den Beschwerdeführer gewinnen ließe, zumal keine ausreichenden Anhaltspunkte bestehen, dass der Beschwerdeführer schon allein auf Grund der Zugehörigkeit zu einer Gruppe mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung zu fürchten habe. Derartiges wurde vom Beschwerdeführer auch nicht behauptet. Wenngleich nicht verkannt wird, dass es in Indien zu Menschenrechtsverletzungen kommen kann, ist hiebei auch die Anzahl der dort lebenden Personen in Betracht zu ziehen (über 1 Milliarde Menschen), womit sich aber die Anzahl der berichteten Übergriffe relativiert, sodass auch unter Berücksichtigung dieser Berichte über Menschenrechtsverletzungen keine asylrelevante Verfolgungsgefahr betreffend den Beschwerdeführer auf Grund der allgemeinen Situation allein mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit erkannt werden kann.

Im Übrigen hätte der Beschwerdeführer auch bei Wahrunterstellung der behaupteten Bedrohungssituation, wie sich aus den Länderfeststellungen ergibt, nicht im gesamten Staatsgebiet Verfolgung zu befürchten, weshalb ihm

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keine Flüchtlingseigenschaft im Sinne von Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK zukommt. Eine innerstaatliche Fluchtalternative ist in der Regel, insbesondere für den gesunden und arbeitsfähigen Beschwerdeführer, zumutbar (vgl. auch z.B. VwGH 26.06.1997, 95/21/0294; 11.06.1997, 95/21/0908; 06.11.1998, 95/21/1121). Anhaltspunkte für eine Unzumutbarkeit im Fall des Beschwerdeführers, sich in anderen Landesteilen niederzulassen, sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Aus den Länderberichten geht auch hervor, dass die Möglichkeiten, sich außerhalb der engeren Heimat in Indien eine Existenzgrundlage zu schaffen, sehr stark von den individuellen Fähigkeiten, Kenntnissen und der körperlichen Verfassung abhängen und durch Unterstützung seitens Verwandter, Freunde oder Glaubensbrüder deutlich erhöht werden können. Selbst für unqualifizierte, aber gesunde Menschen ist es zufolge der Länderfeststellungen in der Regel möglich, sich durch Gelegenheitsjobs (im schlechtesten Falle als Tellerwäscher, Abfallsammler, Lagerarbeiter, Rikschafahrer etc.) den Lebensunterhalt zu sichern. Zudem garantieren die Gesetze die Reisefreiheit und die Regierung respektierte dies im Allgemeinen in der Praxis. Im Lichte dieser Gegebenheiten ist nicht ersichtlich, weshalb es dem Beschwerdeführer, der über eine zwölfjährige Schulbildung und Berufserfahrung verfügt, Punjabi spricht und gesund ist, nicht möglich sein sollte, sich (allenfalls auch ohne die Unterstützung durch Verwandte) eine Existenzgrundlage in einem anderen Teil Indiens zu schaffen.

Selbst wenn man vom Vorbringen des Beschwerdeführers ausginge, ergibt sich aus den vom Bundesamt herangezogenen und nicht ausreichend konkret bestrittenen Feststellungen zur allgemeinen Situation zudem, dass es dem Beschwerdeführer möglich wäre, etwaigen Repressionen auszuweichen, zumal sich aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers jedenfalls nicht entnehmen lässt, dass er selbst eine exponierte Persönlichkeit wäre, die landesweit gesucht würde. Es ist sohin von einer innerstaatlichen Fluchtalternative (§ 11 AsylG) auszugehen, da sich nämlich aus den Feststellungen des Bundesamtes ergibt, dass selbst bei strafrechtlicher Verfolgung ein unbehelligtes Leben in ländlichen Gebieten in anderen Teilen Indiens möglich ist, ohne dass die Person ihre Identität verbergen muss, bekannte Persönlichkeiten durch einen Umzug einer Verfolgung zwar nicht entgehen können, wohl aber weniger bekannte Personen, wie der Beschwerdeführer.

Es kann nicht erkannt werden, weshalb dem Beschwerdeführer ein Aufenthalt außerhalb der engeren Heimat, also in einem anderen Gebiet Indiens, etwa in XXXX, nicht möglich sein sollte.

Da es nach den vom Bundesamt herangezogenen Feststellungen Existenzmöglichkeiten für den Beschwerdeführer außerhalb seiner engeren Heimat gibt, ist es ihm zumutbar, sich in einen anderen Teil Indiens, etwa nach XXXX, zu begeben. Dafür, dass es ihm problemlos möglich ist, in sein Heimatland zu reisen, etwa nach XXXX, aber auch in viele andere Teile seines Heimatlandes, ohne in seine engere Heimat zurückkehren zu müssen, besteht für Indien keinerlei Zweifel. Es sind sohin die Voraussetzungen für das Vorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative gegeben, weswegen auch aus diesem Grunde weder die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten noch die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Betracht kommt (vgl. VwGH 24.01.2008, 2006/19/0985).

Da sohin keine Umstände vorliegen, wonach es ausreichend wahrscheinlich erscheint, dass der Beschwerdeführer in seiner Heimat in asylrelevanter Weise bedroht wäre, ist die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten durch das Bundesasylamt im Ergebnis nicht zu beanstanden.

Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen,

1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder

2. dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist,

wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 AsylG 2005 ist mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 leg.cit. zu verbinden (Abs. 2 leg. cit.). Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß Abs. 3 leg. cit. abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht.

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§ 8 AsylG 2005 beschränkt den Prüfungsrahmen auf den "Herkunftsstaat" des Asylwerbers. Dies ist dahin gehend zu verstehen, dass damit derjenige Staat zu bezeichnen ist, hinsichtlich dessen auch die Flüchtlingseigenschaft des Asylwerbers auf Grund seines Antrages zu prüfen ist (VwGH 22.04.1999, 98/20/0561; 20.05.1999, 98/20/0300).

Nach der (zur Auslegung der Bestimmungen zum subsidiären Schutz anwendbaren) Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 8 AsylG 1997 iVm § 57 FremdenG 1997 ist Voraussetzung einer positiven Entscheidung nach dieser Bestimmung, dass eine konkrete, den Asylwerber betreffende, aktuelle, durch staatliche Stellen zumindest gebilligte oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesen nicht abwendbare Gefährdung bzw. Bedrohung vorliege. Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 08.06.2000, 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, eine positive Entscheidung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben (vgl. VwGH 14.10.1998, 98/01/0122; 25.01.2001, 2001/20/0011).

Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören - der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten (oder anderer in § 8 Abs. 1 AsylG 2005 erwähnter) Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen (VwSlg. 15.437 A/2000;

VwGH 25.11.1999, 99/20/0465; 08.06.2000, 99/20/0203; 08.06.2000, 99/20/0586; 21.09.2000, 99/20/0373; 25.01.2001, 2000/20/0367;

25.01.2001, 2000/20/0438; 25.01.2001, 2000/20/0480; 21.06.2001, 99/20/0460; 16.04.2002, 2000/20/0131). Diese in der Rechtsprechung zum AsylG 1997 erwähnten Fälle sind nun z.T. durch andere in § 8 Abs. 1 AsylG 2005 erwähnte Fallgestaltungen ausdrücklich abgedeckt. Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat (unter dem Gesichtspunkt des § 57 FremdenG, dies ist nun auf § 8 Abs. 1 AsylG 2005 zu übertragen) als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 27.02.2001, 98/21/0427).

Gemäß der Judikatur des VwGH erfordert die Beurteilung des Vorliegens eines tatsächlichen Risikos eine ganzheitliche Bewertung der Gefahr an dem für die Zulässigkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 EMRK auch sonst gültigen Maßstab des "real risk", wobei sich die Gefahrenprognose auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat (vgl. VwGH vom 31.03.2005, Zl. 2002/20/0582, Zl. 2005/20/0095). Dabei kann bei der Prüfung von außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegenden Gegebenheiten nur dann in der Außerlandesschaffung des Antragsstellers eine Verletzung des Art. 3 EMRK liegen, wenn außergewöhnliche, exzeptionelle Umstände, glaubhaft gemacht sind (vgl. EGMR, Urteil vom 06.02.2001, Beschwerde Nr. 44599/98, Bensaid v United Kingdom; VwGH 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443).

Wie die Beweiswürdigung ergeben hat, ist das in den Einvernahmen und in der Beschwerde erstattete Vorbringen des Beschwerdeführers hinsichtlich einer ihn selbst betreffenden Verfolgungsgefahr als nicht glaubhaft zu bewerten, weshalb auf Grund des konkreten Vorbringens des Beschwerdeführers auch keinerlei Bedrohung im Sinne des § 8 AsylG erkannt werden kann.

Zudem ist auch im gegebenen Zusammenhang die innerstaatliche Fluchtalternative einschlägig, sodass auf die bereits oben zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides getätigten und auch hier zutreffenden diesbezüglichen Ausführungen verwiesen wird. Es kommt daher auch aus dem Grunde des Vorliegens der innerstaatlichen Schutz- bzw. Fluchtalternative die Zuerkennung des Status eine subsidiär Schutzberechtigten nicht in Betracht.

Aus der allgemeinen Situation allein ergeben sich aber auch keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass es wahrscheinlich wäre, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr im Sinne des § 8 AsylG bedroht wäre. Auf die bereits oben zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides getätigten und auch hier einschlägigen Ausführungen wird ebenfalls verwiesen.

Im Hinblick auf die Feststellungen zur allgemeinen Situation, wonach die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln gewährleistet ist, kann auch nicht angenommen werden, dass der Beschwerdeführer, der in Indien aufgewachsen ist und über Schulbildung und Berufspraxis verfügt, im Falle einer Rückkehr in eine ausweglose Lage geriete. Der Beschwerdeführer ist ein gesunder und arbeitsfähiger Mann, sodass es ihm

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zumutbar ist, sich in seiner Heimat den notwendigen Unterhalt zu sichern, was sich auch schon aus den Ausführungen zur innerstaatlichen Fluchtalternative ergibt. Er verfügt zudem in seiner Heimat über soziale Anknüpfungspunkte (insb. Eltern, Ehegattin und Schwiegereltern), weshalb auch von daher nicht angenommen werden kann, der Beschwerdeführer geriete im Falle einer Rückkehr in eine lebensbedrohliche Notlage. Schwierige Lebensumstände genügen für eine Schutzgewährung im Sinne des § 8 AsylG nicht.

Da sohin keine Gründe für die Annahme bestehen, dass der Beschwerdeführer im Heimatland im Sinne des § 8 AsylG bedroht wäre, ist die durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ausgesprochene Nichtzuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien nicht zu beanstanden.

Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 10. Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird sowie kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt.

Gemäß § 57 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

Der Beschwerdeführer befindet sich erst seit Februar 2014 im Bundesgebiet und sein Aufenthalt ist nicht geduldet. Er ist nicht Zeuge oder Opfer von strafbaren Handlungen und auch kein Opfer von Gewalt. Die Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 liegen daher nicht vor, wobei dies weder im Verfahren noch in der Beschwerde auch nur behauptet wurde.

Im vorliegenden Verfahren erfolgte die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz im Hinblick auf den Status des subsidiär Schutzberechtigten auch nicht gemäß § 8 Abs. 3a AsylG 2005 und ist auch keine Aberkennung gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 ergangen, wie aus dem Verfahrensgang ersichtlich ist.

Gemäß § 52 Abs. 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird, kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

Der Beschwerdeführer ist als Staatsangehöriger von Indien kein begünstigter Drittstaatsangehöriger und es kommt ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu, da mit der erfolgten Abweisung seines Antrags auf internationalen Schutz das Aufenthaltsrecht nach § 13 AsylG 2005 mit der Erlassung dieser Entscheidung endet.

Gemäß § 55 Abs.1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn 1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-

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VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und 2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird. Nach § 55 Abs. 2 AsylG 2005, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen, wenn nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vorliegt.

§ 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet:

"(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre."

Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität aufweisen, etwa ein gemeinsamer Haushalt vorliegt (vgl. dazu EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; Frowein - Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK-Kommentar, 2. Auflage (1996) Rz 16 zu Art. 8; Baumgartner, Welche Formen des Zusammenlebens schützt die Verfassung? ÖJZ 1998, 761; vgl. auch Rosenmayer, Aufenthaltsverbot, Schubhaft und Abschiebung, ZfV 1988, 1). In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; s. auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988,

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1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).

Nach ständiger Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts kommt dem öffentlichen Interesse aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSd Art 8 Abs 2 EMRK ein hoher Stellenwert zu. Der Verfassungsgerichtshof und der Verwaltungsgerichtshof haben in ihrer Judikatur ein öffentliches Interesse in dem Sinne bejaht, als eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragsstellung im Inland aufhalten durften, verhindert werden soll (VfSlg. 17.516 und VwGH vom 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479).

Der Beschwerdeführer hat keine Verwandten oder sonstige nahe Angehörige in Österreich. Die Ausweisung bildet daher keinen unzulässigen Eingriff in das Recht des Beschwerdeführers auf Schutz des Familienlebens.

Im Falle einer bloß auf die Stellung eines Asylantrags gestützten Aufenthalts wurde in der Entscheidung des EGMR (N. gegen United Kingdom vom 27.05.2008,

Nr. 26565/05) auch ein Aufenthalt in der Dauer von zehn Jahren nicht als allfälliger Hinderungsgrund gegen eine Ausweisung unter dem Aspekt einer Verletzung von Art. 8 EMRK thematisiert.

In seiner davor erfolgten Entscheidung Nnyanzi gegen United Kingdom vom 08.04.2008 (Nr. 21878/06) kommt der EGMR zu dem Ergebnis, dass bei der vorzunehmenden Interessenabwägung zwischen dem Privatleben des Asylwerbers und dem staatlichen Interesse eine unterschiedliche Behandlung von Asylwerbern, denen der Aufenthalt bloß aufgrund ihres Status als Asylwerber zukommt, und Personen mit rechtmäßigem Aufenthalt gerechtfertigt sei, da der Aufenthalt eines Asylwerbers auch während eines jahrelangen Asylverfahrens nie sicher ist. So spricht der EGMR in dieser Entscheidung ausdrücklich davon, dass ein Asylweber nicht das garantierte Recht hat, in ein Land einzureisen und sich dort niederzulassen. Eine Abschiebung ist daher immer dann gerechtfertigt, wenn diese im Einklang mit dem Gesetz steht und auf einem in Art 8 Abs. 2 EMRK angeführten Grund beruht. Insbesondere ist nach Ansicht des EGMR das öffentliche Interesse jedes Staates an einer effektiven Einwanderungskontrolle jedenfalls höher als das Privatleben eines Asylwerbers; auch dann, wenn der Asylwerber im Aufnahmestaat ein Studium betreibt, sozial integriert ist und schon 10 Jahre im Aufnahmestaat lebte.

Eine besonders fortgeschrittene Integration des Beschwerdeführers während seines nur auf das Asylgesetz gestützten Aufenthaltes im Bundesgebiet kann seitens des Bundesverwaltungsgerichtes derzeit nicht erkannt werden:

Ausgehend davon, dass der Verwaltungsgerichtshof bei einem dreieinhalbjährigen Aufenthalt im Allgemeinen von einer eher kürzeren Aufenthaltsdauer ausgeht (vgl. Chvosta, ÖJZ 2007/74 unter Hinweis auf die VwGH 8.3.2005, 2004/18/0354; 27.3.2007, 2005/21/0378), und im Erkenntnis vom 26.6.2007, 2007/10/0479, feststellt, "dass der Aufenthalt im Bundesgebiet in der Dauer von drei Jahren [...] jedenfalls nicht so lange ist, dass daraus eine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abgeleitet werden könnte", ist im Fall des Beschwerdeführers, der sich seit Februar 2014 (sohin seit nicht einmal zwei Jahren) in Österreich aufgehalten hat, anzunehmen, dass der Aufenthalt im Bundesgebiet nicht nur zu kurz ist, um seinem Interesse an einem Weiterverbleib im Bundesgebiet ein relevantes Gewicht zu verleihen, sondern auch zu kurz ist, als dass ein Eingriff in das genannte Recht anzunehmen wäre. Die Dauer des ersten Asylverfahrens des Beschwerdeführers (Antragstellung am 17.10.2013, Bescheid des BAA am 06.11.2013, Ausreise nach Angaben des Beschwerdeführers unmittelbar danach), fällt aufgrund ihrer Kürze nicht ins Gewicht. Die Dauer des Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet seit seiner Einreise im Februar 2014 ist demnach als kurz zu bezeichnen und wird weiter dadurch relativiert, dass der Aufenthalt bloß aufgrund der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung als Asylwerber rechtmäßig war. Dies musste dem Beschwerdeführer bewusst gewesen sein.

Die Tätigkeit des Beschwerdeführers als Gelegenheitsarbeiter kann sich nicht mangels weiterer integrativer Schritte nicht ausschlaggebend zu seinen Gunsten auswirken. Weitere ausgeprägte private und persönliche Interessen hat der Beschwerdeführer im Verfahren nicht dargetan und hat er auch keine mehr als rudimentären Kenntnisse der deutschen Sprache. Es ist davon auszugehen, dass im Falle des Beschwerdeführers ein nur geringer Grad an Integration erreicht worden ist. Die Schutzwürdigkeit seines Privat- und Familienlebens in Österreich ist aufgrund des Umstandes, dass er seinen Aufenthalt nur auf einen im Ergebnis nicht berechtigten Asylantrag gestützt hat, nur in geringem Maße gegeben. Im Hinblick auf den Umstand, dass der erwachsene Beschwerdeführer den überwiegenden Teil seines Lebens im Herkunftsstaat verbracht hat und seine Familie (insbesondere auch Ehegattin und minderjährige Kinder) dort lebt, ist davon auszugehen, dass anhaltende

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Bindungen zum Herkunftsstaat bestehen, zumal der Beschwerdeführer auch eine Sprache des Herkunftsstaates als Muttersprache beherrscht und mit seiner Familie in Kontakt steht.

Der Umstand, dass der Beschwerdeführer in Österreich nicht straffällig geworden ist, bewirkt keine Erhöhung des Gewichtes der Schutzwürdigkeit von persönlichen Interessen an einem Aufenthalt in Österreich, da das Fehlen ausreichender Unterhaltsmittel und die Begehung von Straftaten eigene Gründe für die Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen darstellen (VwGH 24.07.2002, 2002/18/0112).

Auch in der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid wurde kein integrationsrelevantes Vorbringen erstattet, sondern eine Integration des Beschwerdeführers lediglich völlig unsubstantiiert behauptet.

Daher ist davon auszugehen, dass die Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet nur geringes Gewicht haben und gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung, dem nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein hoher Stellenwert zukommt, in den Hintergrund treten. Die Verfügung der Rückkehrentscheidung war daher im vorliegenden Fall dringend geboten und erscheint auch nicht unverhältnismäßig.

Daher sind auch die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung nach § 55 AsylG 2005 nicht gegeben.

Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei.

Nach § 50 Abs. 1 FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

Nach § 50 Abs. 2 FPG ist Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).

Nach § 50 Abs. 3 FPG ist Abschiebung in einen Staat unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

Die Zulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat ist gegeben, da nach den die Abweisung seines Antrages auf internationalen Schutz tragenden Feststellungen der vorliegenden Entscheidung keine Gründe vorliegen, aus denen sich eine Unzulässigkeit der Abschiebung im Sinne des § 50 FPG ergeben würde.

Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt nach § 55 Abs. 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

Da derartige Gründe im Verfahren nicht vorgebracht wurden, ist die Frist zu Recht mit 14 Tagen festgelegt worden.

Entfall der mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

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Gemäß § 24 Abs. 1 des VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Nach Abs. 4 leg.cit. kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Gemäß Art. 47 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (2010/C 83/02) - folgend: GRC - hat jede Person, deren durch das Recht der Union garantierte Rechte oder Freiheiten verletzt worden sind, das Recht, nach Maßgabe der in diesem Artikel vorgesehenen Bedingungen bei einem Gericht einen wirksamen Rechtsbehelf einzulegen. Zufolge Abs. 2 leg.cit. hat jede Person ein Recht darauf, dass ihre Sache von einem unabhängigen, unparteiischen und zuvor durch Gesetz errichteten Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Jede Person kann sich beraten, verteidigen und vertreten lassen.

Nach Art. 52 Abs. 1 GRC muss jede Einschränkung der Ausübung der in dieser Charta anerkannten Rechte und Freiheiten gesetzlich vorgesehen sein und den Wesensgehalt dieser Rechte und Freiheiten achten. Unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit dürfen Einschränkungen nur vorgenommen werden, wenn sie notwendig sind und den von der Union anerkannten, dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entsprechen.

Zur Frage der Verhandlungspflicht brachte der Verfassungsgerichtshof etwa in seinem Erkenntnis vom 14.3.2012, U 466/11, ua. zum Ausdruck, er hege vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des EGMR (zur Zulässigkeit des Unterbleibens einer mündlichen Verhandlung) weder Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des § 41 Abs. 7 AsylG 2005 noch könne er finden, dass der Asylgerichtshof der Bestimmung durch das Absehen von der Verhandlung einen verfassungswidrigen Inhalt unterstellt habe. Das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung in Fällen, in denen der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheine oder sich aus den Ermittlungen zweifelsfrei ergebe, dass das Vorbringen tatsachenwidrig sei, stehe im Einklang mit Art 47 Abs. 2 GRC, wenn zuvor bereits ein Verwaltungsverfahren stattgefunden habe, in dessen Rahmen Parteiengehör gewährt worden sei.

Der Beschwerdeführer stellte in der Beschwerde einen Antrag auf Abhaltung einer mündlichen Verhandlung.

Die Voraussetzungen für ein Absehen von der Verhandlung gem. § 21 Abs. 7 BFA-VG, wonach eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht, sind im gegenständlichen Fall jedoch erfüllt. Dies ergibt sich schon allein aus dem Umstand, dass in concreto eine innerstaatliche Fluchtalternative, die Spruchpunkt I. und II. allein zu tragen vermag, gegeben ist, der - wie aufgezeigt - in der Beschwerde nicht konkret entgegen getreten wurde. Auch hinsichtlich Spruchpunkt II. wurde in der Beschwerde der Beurteilung durch den angefochtenen Bescheid nichts Konkretes entgegengehalten, womit der erste Tatbestand des § 21 Abs. 7 BFA-VG erfüllt ist.

Im Hinblick auf die Feststellung der Unglaubwürdigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers zu einer konkreten Bedrohungssituation in seiner Heimat, zu der in der Beschwerde ebenfalls keine konkreten Mängel dargetan wurden, ist der zweite Tatbestand des § 21 Abs. 7 BFA-VG ebenfalls gegeben.

Die Beschwerde enthält keine substantiierten Ausführungen, mit denen den Feststellungen und der rechtlichen Beurteilung in der angefochtenen Entscheidung zu Spruchpunkt III. entgegengetreten wurde und es ist daher auch diesbezüglich der Sachverhalt als geklärt anzusehen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem jüngst ergangenen Erkenntnis vom 28.05.2014, Zl. Ra 2014/20/0017, grundsätzliche Ausführungen zur Verhandlungspflicht des Verwaltungsgerichtes getätigt und dabei unter anderem folgendes festgehalten:

"Mit Blick darauf, dass der Gesetzgeber (...) im Zuge der Schaffung des § 21 Abs. 7 BFA-VG vom bisherigen Verständnis gleichlautender Vorläuferbestimmungen ausgegangen ist, sich aber die Rechtsprechung auch bereits damit auseinandergesetzt hat, dass sich jener Rechtsrahmen, in dessen Kontext die hier fragliche Vorschrift eingebettet ist, gegenüber jenem, als sie ursprünglich geschaffen wurde, in maßgeblicher Weise verändert hat, geht der Verwaltungsgerichtshof davon aus, dass für die Auslegung der in § 21 Abs. 7 BFA-VG enthaltenen

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Wendung "wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint" nunmehr folgende Kriterien beachtlich sind:

"Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhalts ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten ist bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen."

Ausgehend von diesem Kriterienkatalog ist im gegenständlichen Fall maßgeblich, dass die belangte Behörde den entscheidungswesentlichen Sachverhalt vollständig ermittelt und ein durchwegs mängelfreies Ermittlungsverfahren durchgeführt hat. Aufgrund des eher kurzen Zeitraumes von knapp vier Monaten zwischen Erlassung des angefochtenen Bescheides und der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes ist davon auszugehen, dass der entscheidungswesentliche Sachverhalt noch die gebotene Aktualität aufweist. Weiters hat die belangte Behörde die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in gesetzmäßiger Weise offengelegt und teilt das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung. Der Beschwerde ist kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender Sachverhalt zu entnehmen. Den Feststellungen der belangten Behörde widersprechende Ausführungen haben sich als unsubstantiiert erwiesen. Sohin erscheint der gegenständliche Sachverhalt iSd § 21 Abs. 7 BFA-VG aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint und konnte eine mündliche Verhandlung unterbleiben.

Zum Spruchteil B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben (vgl. dazu insb. zur Glaubhaftmachung VwGH 29.05.2006, 2005/17/0252). Zur Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung ist die zur asylrechtlichen Ausweisung ergangene zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes übertragbar. Die fehlenden Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung des Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 ergeben sich aus der Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung, jene für den Aufenthaltstitel nach § 57 AsylG 2005 aus durch den klaren Wortlaut der Bestimmung eindeutig umschriebene Sachverhaltselemente, deren Vorliegen im Fall des Beschwerdeführers nicht einmal behauptet wurde. Die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat knüpft an die zitierte Rechtsprechung zu den Spruchpunkten I. und II. des angefochtenen Bescheides an.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:BVWG:2015:W160.2113130.1.00


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