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Genesis XIV

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Genesis XIV Von Friedrich Cornelius in Greifenberg (Ammersee) Der am längsten bekannte Bericht über eine Episode der frühen orientalischen Geschichte harrt noch immer der genauen geschicht- lichen Einordnung. Oder vielmehr, diese ist durdi mannigfaltige Vor- schläge so verwirrt worden, daß der an sich einfache Tatbestand ver- dunkelt worden ist 1 . Nach Gen 14 haben vier Könige, nänilich Kedor La'omer von Elam, Amraphel von Sinear, Ariok von Ellasar und Tid'al, Fürst der Goim, Palästina mit Krieg überzogen. Um das Ereignis historisch zu gebrauchen, müssen wir es erst räumlich und zeitlich fixieren. Wo Elam liegt, wissen wir. Kudur-Lagamara ist ein gut elamischer Name; daß sich ein König von Elam dieses Namens bisher noch nicht hat nachweisen lassen 2 , ist bei unserer lückenhaften Kunde über die elamische Herrscherfolge kein Einwand. Es wäre erstaunlich, wenn es anders wäre. Denn der Kedor La'omer der Genesis hat ja keinen Ruhm geerntet, und für Unterlegene pflegt man keine Denkmäler zu errichten. In Palästina kann ein Herrscher von Elam nur eingreifen, wenn mindestens auch Babylonien mittut. Darum ist Sinear notwendig gleich Babylonien, wie auch bis vor wenigen Jahrzehnten allgemein angenommen wurde. Aber da fand man einen hethitischen (religiösen) Text, der Babel neben Sinear nennt 3 . Das hat viele Forscher irre ge- 1 Die jüngste Behandlung von K. JARITZ, ZAW 70 (1958), S. 255f., sucht zu zeigen, daß es sich nur um eine lokale Auseinandersetzung im syrisch-palästinensischen Raum gehandelt habe; JARITZ folgt dabei den Ansätzen von F. M. BOHL, King Ham- murabi of Babylon in the setting of bis time, 1946, S. 17f., der das Ereignis wenigstens chronologisch wieder der späten Regierungszeit Hammurabis zugewiesen hat. Sein Grund ist freilich anfechtbar. Ariwuk, der Sohn des Zimrilim von Mari scheint aller- dings denselben Namen zu tragen wie Ariok von Ellasar; aber das verbürgt noch keine Identität der Person. 2 W. F. ALBRIGHT hält seinen früheren Vorschlag, la'omer als Verschreibung aus Nahunte und Amraphel von Ammiditana abzuleiten (BASOR 88, 1942, S. 33ff.), nach brieflicher Mitteilung nicht mehr aufrecht. 8 KUB XV 34, behandelt von H. TH. BOSSERT, Asia 1946, S. 37. Jedenfalls steht Sinear in diesem Text in einem Atem mit Assur und Babel, und erst später folgen Qatna, Alalah und eine große Zahl von syrischen Orten. An der östlichen Lage von Zeitschrift f. alttestamcntl. Wiss. Band 72, 1960. l Brought to you by | Université de Paris I - Bibliotheque de la Sorbon Authenticated | 194.214.27.178 Download Date | 8/24/13 4:51 PM
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Genesis XIVVon Friedrich Cornelius in Greifenberg (Ammersee)

Der am längsten bekannte Bericht über eine Episode der frühenorientalischen Geschichte harrt noch immer der genauen geschicht-lichen Einordnung. Oder vielmehr, diese ist durdi mannigfaltige Vor-schläge so verwirrt worden, daß der an sich einfache Tatbestand ver-dunkelt worden ist1.

Nach Gen 14 haben vier Könige, nänilich Kedor La'omer vonElam, Amraphel von Sinear, Ariok von Ellasar und Tid'al, Fürstder Goim, Palästina mit Krieg überzogen. Um das Ereignis historischzu gebrauchen, müssen wir es erst räumlich und zeitlich fixieren.

Wo Elam liegt, wissen wir. Kudur-Lagamara ist ein gut elamischerName; daß sich ein König von Elam dieses Namens bisher noch nichthat nachweisen lassen2, ist bei unserer lückenhaften Kunde über dieelamische Herrscherfolge kein Einwand. Es wäre erstaunlich, wennes anders wäre. Denn der Kedor La'omer der Genesis hat ja keinenRuhm geerntet, und für Unterlegene pflegt man keine Denkmälerzu errichten.

In Palästina kann ein Herrscher von Elam nur eingreifen, wennmindestens auch Babylonien mittut. Darum ist Sinear notwendiggleich Babylonien, wie auch bis vor wenigen Jahrzehnten allgemeinangenommen wurde. Aber da fand man einen hethitischen (religiösen)Text, der Babel neben Sinear nennt3. Das hat viele Forscher irre ge-

1 Die jüngste Behandlung von K. JARITZ, ZAW 70 (1958), S. 255f., sucht zuzeigen, daß es sich nur um eine lokale Auseinandersetzung im syrisch-palästinensischenRaum gehandelt habe; JARITZ folgt dabei den Ansätzen von F. M. BOHL, King Ham-murabi of Babylon in the setting of bis time, 1946, S. 17f., der das Ereignis wenigstenschronologisch wieder der späten Regierungszeit Hammurabis zugewiesen hat. SeinGrund ist freilich anfechtbar. Ariwuk, der Sohn des Zimrilim von Mari scheint aller-dings denselben Namen zu tragen wie Ariok von Ellasar; aber das verbürgt noch keineIdentität der Person.

2 W. F. ALBRIGHT hält seinen früheren Vorschlag, la'omer als Verschreibungaus Nahunte und Amraphel von Ammiditana abzuleiten (BASOR 88, 1942, S. 33ff.),nach brieflicher Mitteilung nicht mehr aufrecht.

8 KUB XV 34, behandelt von H. TH. BOSSERT, Asia 1946, S. 37. Jedenfallssteht Sinear in diesem Text in einem Atem mit Assur und Babel, und erst später folgenQatna, Alalah und eine große Zahl von syrischen Orten. An der östlichen Lage von

Zeitschrift f. alttestamcntl. Wiss. Band 72, 1960. l

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macht. In Wahrheit ist das gar kein Grund, Sinear anderswohin zuverlegen. In yne vielen Texten ist Rom neben Latium genannt! Be-weisen sie, daß Rom nicht in Latium gelegen hat ?

Wenn wir Sinear gleich Babylonien (Sumer und Akkad) setzen,so ist Amraphel am ehesten mit Hammurabi gleichbenannt. Auch diesist eine sehr alte Annahme. Hammurabi ist sogar der einzige Herrschervon Babel, von dem wir wissen, daß er seine Feldzüge bis in verhältnis-mäßige Nähe von Palästina ausgedehnt hat. Er kommt also auch ge-schichtlich am ehesten in Betracht4.

Ariok ist ein hurritischer Name. Darum ist Ellasar nicht Larsa,wie man eine Zeitlang gemeint hat, sondern muß eine hurritische Stadtsein. In hethitischer Schreibweise, wo manchmal ein r ausfällt, ent-spräche lautlich Alzija5, und das ist ein wohlbekannter Ort im hurri-tischen Gebiete. Seine Lage wäre aus den hethitischen Urkunden nichtnäher zu bestimmen. Aber der Name wird bei den Assyrern verkürztzu Alzi (oder Alsi), und dieses gehört zu den Nairi-Ländern in derGegend der Tigris-Quelle6. Von Alzi aus zieht Salmanassar III. überden Arsanias gegen Suhmi, Daiaeni undUrartu7. Im Parallelbericht,steht an Stelle von Alzi Enzite8, und dieses ist das Amzeta des Ptole-Sinear kann also auch nach diesem Verzeichnis der Kultorte und Länder, aus deneneine Zederngottheit ins Hethiterland gerufen wird, kein Zweifel sein. Möglich wärees, den Namen auf Larsa, heute Sinkara, zu beziehen, doch ist dieser Sprung überJahrtausende trotz mancher auffallenden Langlebigkeit mesopotamischer Ortsnamenallzu gewagt. (Auch H. S. GÜTERBOCK in Ugaritica III, 1956, S. 103, Anm. 3, setztSanhara gleich Babel.)

4 Den veränderten Anlaut möchte ich durch etymologische Fehldeutung (An-klang an Amumi oder absichtlich pejorativ an Amar Esel) erklären. Amutpi'el, denBOHL und JARITZ vorschlagen, ist Herrscher von Qatna; aber Sinear mit Qatna gleich-zusetzen, verbietet das eben angeführte bethitische Dokument ganz entschieden.Wohl aber ist Hammurabi vergottet worden, konnte also durch den Zusatz -el vonanderen gleichnamigen Herrschern unterschieden werden.

* Das hethitische z ist kein weiches s, sondern entspricht etwa dem hebräischen§ade. Für den Ausfall von r in hethitischen Schreibungen vgl. z. B. die OrtsnamenTapika = griech. Tephrike (RHA 57, S. 52), Laanda = lat. Laranda, ferner A. GÖTZB-H. PEDERSEN, MurSilis' Sprachlähmung, 1934, S. 31, und H. EHELOLF, ZAW N. F. 9(1936), S. 172.

* Bei Tukulti-Ninurta immer in einem Atemzug mit Madani (d. h. Mitani) undBurukuzzi genannt.

7 Schwarzer Obelisk, 3. Regierungsjahr, Z. 40ff.; soviel ich sehe, die letzte Er-wähnung in dieser Form des Namens.

8 Monolith-Inschrift 3. Jahr. In einem zusammenfassenden Text ist durchKontamination mit dem Feldzug des 15. Jahres Miliddu zwischen die Länder jenseitsdes Arsanias eingeschoben. (Mir sind die Texte zur Zeit leider nur in LUCKENBILLSÜbersetzung zugänglich.) Der Arriwuk, Sohn des Zimrilim, den BOHL und JARITZheranziehen, scheint namensgleich mit Ariok; aber was berechtigt, ihn einem Königvon Elam gleichzuordnen ?

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maios, das er mit 72° Länge, 39° 20' Breite um einen Grad östlichund 10 Minuten südlich von Melitene ansetzt, also ebenfalls in derLandschaft um die Tigrisquelle.

Tid'al ist längst als der hethitische Königsname Tudhalijas er-kannt9. Ein Tudhalijas I. ist für uns der erste bisher bekannte Herr-scher der Hethiter nach Anittas, dem Begründer der Herrschaft vonKussar über die Hatti. Anittas aber muß ein Zeitgenosse der Mari-Tafeln und damit des ersten Teiles von Hammurabis langer Regierungsein. Denn in den Mari-Tafeln werden noch Waren aus Hattusa er-wähnt. Anittas aber hat Hattusa zerstört, und es ist rund ein Jahr-hundert lang nicht wieder aufgebaut worden. Es ist also chronologischsehr gut möglich, daß Tid'al der hethitische König, der Nachfolger desAnittas ist, wenn der Feldzug von Gen 14 in die letzten Jahre desHammurabi fällt.

Aber wie verhält sich dazu der seltsame Titel, den dieser Tid'alin Gen 14 führt ? Fürst der Goim, d. h. der Fremden, ist ein Ausdruck,der der Erklärung bedarf. Der kleinasiatische Tudhalijas und seineNachfolger erscheinen in der Tradition als Könige der Hatti. Aberin Wirklichkeit waren die Hatti ein unterworfenes Volk, dessen Haupt-stadt der Vorgänger des Tudhalijas zerstört hatte. Für die einhei-mischen Hatti waren Tudhalijas und seine Krieger buchstäblich »dieFremden«. Und es muß als Möglichkeit in Betracht gezogen werden,daß sie sich auch selbst so nannten, ehe sie mit den Hatti verschmolzen.Zwei Analogien gibt es dafür. Nach TniEME10, dessen Aufstellungenallerdings nicht unangefochten geblieben sind, bedeutet »Arier« imAltindischen soviel wie »die Fremden«. Und das ägyptische Herrscher-haus der 15. Dynastie heißt »Herrscher der Fremdlande«, Hyksos.Beide Analogien, glaube ich, sind auch sachliche Hinweise.

Die Herrschaft der Hyksos beginnt in Ägypten um 1690/80, dasheißt, in den letzten Jahren des Hammurabi oder den ersten seinesNachfolgers11. Nun sehen wir in Gen 14 einen Herrscher mit dem

9 So auch BOHL a. a. 0.10 P. THIEME, »Der Fremdling im Rgveda«, Abh. f. d. Kunde d. Morgenlandes

23, 2 (1938).11 Über die Chronologie siehe zuletzt JCS 12, 1958, S. 101 ff. Ich hoffe hier die

Einwände von B. LANDSBERGER, JCS VIII, 1954, S. 3l ff., und A. GÖTZE, JCS XI,1957, S. 53ff., gegen die »kurze« Chronologie widerlegt zu haben, die hauptsächlichauf nicht überlieferten, sondern hypothetisch unterstellten Genealogien beruhen.Der in Alalah im Testament des Ammitaqum als Zeuge genannte Zukrasi, Kriegs-oberst von Jamhad, der nach einer Tafel aus Boghazköi KBo VII 14 im Kampf gegeneinen Hethiterkönig (nicht Großkönig, also vor Labarna I.) gefallen ist, gehört chrono-logisch vier Generationen vor den Untergang von Alalah VII. und damit wohl nocheinige Jahre früher als die Ereignisse von Gen 14. — Über den Beginn der Hyksos-zeit vgl. H. E. WINLOCK, The rise and fall of the middle kingdom in Thebes, 1947,

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Titel, der dem der Hyksos fast gleich ist, mit Hammurabi zusammenin Palästina zu Felde ziehen. Hammurabi kann in diese Gegend erstnach der Eroberung von Mari, das heißt, erst in seinen letzten Jahren,(1694—£6), gekommen sein. Das Zusammentreffen bedeutet: WasGen 14 beschrieben ist, ist derselbe Feldzug, durch den Ägypten denHyksos anheimfiel, oder mindestens ein Feldzug desselben Krieges.

Die Hyksos haben Streitwagen und Pferd nach Ägypten gebracht.Auch in Palästina gibt es seit der Hyksoszeit diese Kampf weise, unddazu arische Dynasten. Noch der König von Jerusalem zur Zeit Davidsführt den indischen Namen Aruna, wie der Held der Bhagavadgita.Man pflegt diese arischen Einflüsse mit der Oberschicht der Hurriterin Verbindung zu bringen, die bekanntlich arische Männernamentrug und arische Götter verehrte12. Aber auch im hethitischen Gesetz-buch erscheinen die Uman-Manda, das heißt die arischen Krieger13,als privilegierter Stand. Es hat also nicht nur bei den Hurritern,sondern auch bei den Hethitern arische Elemente gegeben, die sichoffenbar militärisch hervortaten. Nachdem die Arier im Hurriter-lande als die Rossezüchter und Streitwagenkämpfer auftreten, dürfenwir ihnen wohl auch im Hethiterheer gleiche reisige Kampfweise zu-schreiben. Es hat sich ja als irrig herausgestellt, daß die Hethiter dasRoß erst nachträglich durch die Hurriter kennengelernt hätten14.Nicht nur Anittas hat schon Streit wagenkämpf er in seinem Dienst,sondern auch in den Mari-Tafeln werden Rosse aus HurSama bezogen,das nach den hethitischen Urkunden nahe bei Nerik gelegen hat —wie ich dargetan zu haben hoffe15, im Umkreis von Tokat im Iristal.Arische Einflüsse in Ägypten können also sehr wohl auf Arier im Ge-folge des Tudhalijas, Fürsten der Fremden, zurückgehen.

Was suchte Hammurabi überhaupt in Palästina? Und warumnahm er dabei Verbündete von Elam bis Kleinasien zu Hilfe ? Er mußes mit einem sehr mächtigen Feind zu tun gehabt haben, wenn er sichsolcher Unterstützung bedürftig fühlen konnte. Der einzige Feind,gegen den sie nötig scheinen konnte, war eben Ägypten. Wenn auch

S. 96 ff. Daß die sogenannte Ära von Tanis nicht die Hyksos, sondern die ihnen voraus-liegende Einführung des Seth-Kultes in Auaris unter der 13. Dynastie zum Ausgangs-punkt hat, hat J. v. BECKERATH, Tanis und Theben, 1951, S. 40f., nachgewiesen.

12 Siehe die Zusammenstellung bei R. T. O'CALLAGHAN, Aram Naharaim, Ana-lecta Orientalia 26, 1948, S. 56 ff.

18 Oder heißt das »die Reisigem ? Es scheint ein indogermanisches Wort *mandos»Pferd« gegeben zu haben. Vgl. A. WALDE*}. B. , Etymologisches Wörter-buch der lateinischen Sprache II, 1954, S. 29, s. v. mannus.

14 Eine unerwartete Bestätigung finde ich bei M. HILZHEIMER, NatürlicheRassengeschichte der Haussäugetiere, 1926, S. 118: Die Rosse der Ägypter stimmenin ihrem Schlag mit denen der Hethiter, nicht mit denen der Assyrer überein.

15 Orientalia NS 26 (1958), S. 225ff.

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unter der 13. Dynastie die Pharaonen so schnell gewechselt habenwie in unserer Zeit die französischen Kabinette, so stand Ägyptendoch nach außen noch mächtig da. Der Bund, von dem Gen 14 er-zählt, war dazu bestimmt, Palästina der ägyptischen Herrschaft, zuentreißen.

Aber dieses Bündnis des Hammurabi mit den Hurri von Alzijaund den Hethitern erwies sich politisch als ein großer Fehler — vomStandpunkt Babels aus gesehen. Nicht Babel erntete den Erfolg,sondern ein Hyksos nahm Ägypten selbst in Besitz, oder mindestensUnterägypten. Und die Hurriter setzten sich in der Gegend um dasEuphratknie fest und drängten in den nächsten Jahrzehnten denEinfluß Babels weit zurück. Ja, durch die Kampfbriiderschaft warden Bergvölkern das Tor in die mesopotamische Ebene geöffnet, undwenige Jahre nach dem Tod des Hammurabi sah sich Babel selbstdurch ein anderes Bergvolk, die Kassiten, bedroht, die mindestensin ihrer Religion ebenfalls arisch beeinflußt waren.

Soviel über den Rahmen von Gen 14, der allgemein für geschicht-lich anerkannt ist. Mein Ansatz wird jetzt durch das Genesis-Apo-kryphon aus Qumran bestätigt. Wenn der Inhalt dieser Rolle auchzum größten Teile reine Phantasie ist, wie man sie aus der Haggadagewohnt ist, und uns zum Beispiel in der Beschreibung der Sara dieerste Schönheitskönigin vor Augen stellt, so sind doch die geogra-phischen Bezeichnungen nicht der Gegenwart des Schreibers angepaßt.In ihnen haben wir, wie es scheint, noch einen Rest von mündlicherÜberlieferung. Sie setzt richtig Babel für Sinear, und läßt die KönigeAriok und Tid cal aus Kappadokien1 und aus Mesopotamien kommen.Daß sie dabei die Heimat dieser beiden vertauscht hat (Ellasar durchKaphtok und Goim durch Mesopotamien erklärt), ist bei einem Ab-stand von anderthalb Jahrtausenden eine fast unwahrscheinlichgeringe Verschiebung.

Muß man die ganze Einzelausmalung von Gen 14 für spätereDichtung halten ? Die Kritik erklärt besonders die Bewohner vonSodom und Gomorrha für Phantasie. Ich will nicht unbedingt dasGegenteil behaupten, aber doch auf eine andere Möglichkeit hin weisen.Um 1650 (nach der »kurzen« Chronologie) hat ein ungeheures Erd-beben sowohl die kretischen Paläste als auch Ugarit und Alalah VIIvernichtet. Und in eben diese Zeit setzt die biblische Überlieferung

16 Ist nicht auch Am 9 7 Kaphtok statt Kaphtor zu lesen ? Über Kappadokiensind die Philister jedenfalls gekommen, Beziehungen zu Kreta sind archäologischnicht nachweisbar. G. FOHRER macht mich freundlich darauf aufmerksam, daß auchdie LXX an dieser Stelle und Dtn 223 Kappadokia liest. Auf die Aufsätze vonM. RIEMSCHNEIDER, Acta antiqua 4 (1956), S. 17ff., und G. A. WAINWRIGHT, VetusTestamentum 6 (1956), S.l99ff., einzugehen (die ähnliche Gleichsetzungen vertreten),muß ich auf andere Gelegenheit versparen.

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den Untergang von Sodom und Gemorrha, nämlich in die spätereLebenszeit des Abraham, der gegen Kudurlagamar gefochten undihm seine Beute aus Sodom wieder abgenommen habe. Das Jordan-tal ist eine Zone der Erdbeben; auch Qumran ist ja unter Herodesdurch ein Erdbeben zerstört worden. Die Schichten des Westuferssind gegenüber denen der Ostseite um mehr als hundert Meter Höhen-unterschied verschoben17. Wann das geschehen ist, wissen wir nicht.Aber sehr wohl kann der Südteil des Toten Meeres, eine Ebene, dienur 4—6m unter dem Seespiegcl liegt, bei einem Erdbeben abge-sunken sein. Die Katastrophe wird in den Farben eines ungeheurenVulkanausbruchs geschildert. Nun sind zwar keine Lavagesteine amToten Meer gefunden worden, aber eine Entzündung von Erdgasenist am Asphaltsee bei einem Erdbeben nahezu unvermeidlich. DieAusmalung spricht also nicht gegen, sondern für die Geschichtlichkeitdes Ereignisses. Und folglich kann auch die Beteiligung der beidenOrte am Kampf gegen Kudurlagamar geschichtlich sein. Oder dürfteein Historiker daran Anstoß nehmen, wenn in einem antiken Berichtdie Bewohner von Pompeji und Herculanum handelnd auftretenwürden ?

Wie gesagt, mehr als eine Möglichkeit will ich nicht behaupten.Zuständige Forscher müßten an Ort und Stelle nachprüfen, ob sichReste der verschütteten Orte finden lassen, und ob diese Reste aufeinen Untergang um 1650 hindeuten18. Aber schon das Aufzeigeneiner solchen Möglichkeit ist eine Erweiterung des geschichtlichenGesichtskreises. Natürlich muß außerdem mit legendärer Weiter-bildung gerechnet werden. Dazu zähle ich besonders die Einführungdes Melchisedek aus PS HO19.

17 Vgl. zu der geologischen Frage und zu der Lage der Orte: M. BLANCKENHORN,Naturwissenschaftliche Studien am Toten Meer, 1912; A. KOEPPEL, Uferstudien amToten Meer, 1932; F. C. CLAPP, A JA 40 (1936), S. 323 ff.; M. J. LAGRANGE, Revuebibl. 41 (1942), S. 489ff.

18 ALBRIGHT, BASOR 14 (1924), S. 2ff., macht auf Grund von Indizien eineehemalige Besiedelung des versunkenen Südteiles wahrscheinlich. KOEPPEL a. a. O.wendet dagegen ein, daß auch bei einer tieferen Lage des Seespiegels, wie sie eine alteUferlinie am Nordufer noch erkennen läßt, der Südteil ein unbewohnbarer Morastgewesen sein müsse, da an dessen Nordrand eine Erhebung vorhanden ist, die bis injunge Zeit als Furt benutzbar war. Der Einwand hält nicht stich: Die BewohnerPalästinas in der älteren und mittleren Bronzezeit waren längst geübt, Entwässerungs-gräben anzulegen, die den Sumpf in Ackerfeld umwandeln konnten. Von diesen Gräbenwäre heute nach dreieinhalb Jahrtausenden einebnender Tätigkeit des Wassers natür-lich keine Spur mehr übrig. Die Gestaltung des Meeresbodens ist also der Hypotheseeiner Überflutung ehemaligen festen Landes hier sehr günstig. Nichtsdestowenigerbleibt sie eine Hypothese, solange nicht direkte Reste gefunden sind, die auch eineDatierung erlauben.

19 Ist der Ausdruck im Psalm schon Nomen proprium ?

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EVA OSSWALD, Erzählung von Abrahams Aufenthalt in Ägypten 7

Daß Abraham, den uns ALT wieder als geschichtliche Persönlich-keit zu sehen berechtigt hat, auch in seinem religiösen Wirken geradein die Zeit hineingehört, in der Gen 14 spielt, nämlich in die Epoche,in der babylonische Religion und religiöse Unsitte die syrischen Länderüberschwemmte, muß in anderem Zusammenhang näher dargelegtwerden20.

(Abgeschlossen am 8. 6. 1959)

Beobachtungen zur Erzählung von AbrahamsAufenthalt in Ägypten im »Genesis-Apokryphon«1

Von Eva Oßwald in Jena(Weimar, Asbachstntße 46)

Unter den reichen Handschriftenfunden von Qumran befindetsich auch eine außerordentlich schlecht erhaltene Lederrolle ausHöhle IQ, die Erzählungen über die Patriarchen in aramäischerSprache enthält und von ihren Herausgebern N. AVIGAD und Y. YADINden Namen »A Genesis Apocryphon« erhielt1. Angesichts des bisherveröffentlichten Textes der Rolle erhebt sich u. a. die Frage, in welchemVerhältnis die Erzählungen über die Geburt des Noah (Kol. II) undüber Abraham (Kol. XlXff.) zu den entsprechenden Stücken derkanonischen Genesis stehen und welche Beziehungen zwischen demneu gefundenen Text und der bisher bekannten apokryphen Literatur,vor allem dem ohne Zweifel nahe verwandten Jubiläenbuch bestehen.Darüber hinaus wäre zu untersuchen, ob sich in den midraschartigenErweiterungen der Targume und in anderen jüdischen ÜberlieferungenTraditionen und Motive nachweisen lassen, die es erlauben, Bezie-hungen zum Inhalt des »Genesis-Apokryphons« herzustellen. Erstwenn diese Aufgabe gelöst ist, könnte man versuchen, das »Genesis-

20 Zum Schluß möchte ich den Kollegen K. ALAND, O. EISSFELDT und G. FOHRERherzlichst für ihre freundlichen Hinweise danken, die sie mir zu diesem Aufsatz habenzukommen lassen.

1 Die Anregung zu nachstehender Untersuchung habe ich in einem von Prof.D. R. MEYER im Herbstsemester 1958 geleiteten Oberseminar empfangen.

2 A Genesis Apocryphon. A Scroll from the Wüderness of Judaea, Jerusalem1956. Bisher sind die Kolumnen II und XIX —XXII veröffentlicht worden. — Vgl. auchR. DE VAUX, Manuscrits du Dosert de Juda, RB 64 (1957), S.623—625; H. BARDTKE,Die Handschriftenfunde am Toten Meer, Bd. II, Die Sekte von Qumran, Berlin 1958,S. 145ff.; Übersetzung S. 276ff.; G. VERM&S, Le plus ancien Midrash sur la Genese,Cahiers Sioniens 10 (1957), war mir nicht zugänglich.

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