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Geistige Fitness fürs Leben

Date post: 23-Mar-2016
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Mit 70 noch Student? Kein ungewöhnliches Bild mehr an deutschen Unis. Immer mehr ältere Menschen zieht es an die Hochschulen. Sie sehen darin eine Bereicherung für Geist und Seele. Wir sprachen mit einem von ihnen über das Studieren im Alter.
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4 Dossier: Älter werden - time is ticking Juli 2012 Geistige Fitness fürs Leben Mit 70 noch Student? Kein ungewöhnliches Bild mehr an deutschen Unis. Immer mehr ältere Menschen zieht es an die Hoch- schulen. Sie sehen darin eine Bereicherung für Geist und Seele. Wir sprachen mit einem von ihnen über das Studieren im Alter. STUDIEREN IM ALTER Von Ofelia Harms A einem heißen Sommertag steht Johannes Becker vor dem Rednerpult. Vor sich sieht der 43-jährige Professor für Finanzwis- senschaft fast nur graue Haare. Der Hörsaal der Westfälischen Wilhelms- Universität (WWU) Münster ist voll von Menschen, die das übliche Studentenalter längst überschrit- ten haben. Zusammen mit jungen Studierenden sitzen die pensioni- erten Lehrer, Ingenieure oder Ärzte und bringen ihre Erfahrungen in die Lehrveranstaltung ein. Als Gasthör- er interessieren sie sich aber nicht nur für Wirtschaftswissenschaften, sondern auch für Geschichte, Phi- losophie, Theologie und Sprachen. Seit Jahren steigt in der Bundesrepu- blik die Zahl der sogenannten Seni- orenstudenten. Im Wintersemester 2011/2012 haben sich insgesamt 38.600 ältere Gasthörer an deut- schen Hochschulen weitergebildet, wie die Zahlen des Statistischen Bundesamtes belegen. In Münster sind es etwa 2.000, die über 200 Veranstaltungen pro Semester be- suchen. In der Aula am Aasee in Münster steht an diesem Tag die Ringvorle- sung „Die europäische Schuldenkri- se“ auf dem Programm. Unter den aufmerksamen Zuhörern befindet sich der 60-jährige Weert Zell. Der groß gebaute pensionierte Bauinge- nieur mit den kurzen grauen Haaren besucht hier regelmäßig Lehrveran- staltungen seit seinem Eintritt in den Vorruhestand im April vergangenen Jahres. Der Grund: „Nach meiner aufreibenden beruflichen Tätigkeit wollte ich in kein leeres Loch fallen und beschloss, die Zeit mit einem Studium sinnvoll zu füllen“. Mit sei- ner Motivation steht Zell keines- wegs alleine da. Laut einer Umfrage der WWU-Münster studieren die meisten Senioren, um geistig fit zu bleiben, ihre Allgemeinbildung zu erweitern, sich fundiertes Wissen anzueignen und auf diese Weise die Zeit nach Familien- und Erwerbsar- beit sinnvoll zu nutzen. Zell selbst belegt eine breite Palette von Fächern pro Semester. Von „Der Geschichte des Christentums“, über „Die Entwicklung der Menschheit in Europa“ bis hin zu „Moralentwick- lung und Bildung“, der zweifache Familienvater aus Haltern am See will sich möglichst umfassend wei- terbilden und verbringt dafür bis zu 25 Stunden die Woche an der Uni- versität. „Es sind Themen die mich persönlich interessieren und in mei- nem Alltag weiterbringen“, sagt der 60-Jährige. Beispielsweise belegte er das Fach „Gesellschaft und Lan- deskunde Chinas“, weil sein ältester Sohn in diesem Jahr eine Chinesin heiratet. Der promovierte Bauingenieur en- gagiert sich zudem ehrenamtlich als Berater der Stiftung „Partner für Schulen NRW“. Dort betreut er als „Senior“-Experte Schulleiter bei den unterschiedlichsten Aufgaben. „Ich finde man soll der Gesellschaft et- was zurückgeben und deshalb setze ich mich ehrenamtlich für Schulen ein“. Durch das Studium bekommt er seinen Worten zufolge die Gele- genheit, sich gründlicher auf seine Beratungsgespräche vorzubereiten. Als besonders hilfreich erweisen sich demnach die erlernten Kompeten- zen aus dem Bereich der Erziehungs- und Sozialwissenschaften. Doch es gibt auch andere Gründe für seine Lernbegeisterung. Da Zell als jun- ger Mann ein technisches Fach stu- dierte, wollte er sich den Bereichen widmen, wo er die meisten Wissens- lücken hatte, nämlich den Geistes- und Sozialwissenschaften. Veronika Jüttemann, wissenschaft- liche Mitarbeiterin des Programms „Studium im Alter“ an der WWU, erläutert, dass die Lernmotivation Zells von vielen anderen Senioren- studenten geteilt wird. Demnach gilt das Studium im höheren Alter für viele nicht mehr der Berufsvorbe- reitung, sondern allein der persön- lichen Weiterbildung, sagt die Expertin. Die Studierenden ha- ben somit die Mög- lichkeit, sich mit den Fächern auseinander- zusetzen, die sie in jungen Jahren aus ökonomischen Erwägungen heraus nicht gewählt hatten. Darüber hinaus seien geis- tes- und sozialwissenschaftliche Veranstaltungen für Laien leichter zugänglich als naturwissenschaftli- che Vorlesungen, die von den Teil- nehmern ein hohes Maß an speziel- len Vorkenntnissen erfordern, erklärt Jüttemann. Sorgen um Studienplätze aufgrund der wachsenden Zahl an Senioren- studenten brauchen sich jüngere Kommilitonen nach Ansicht Jütte- manns nicht machen. „Im Vorfeld eines jeden Semesters schreiben wir die Dozenten an und fragen, ob sie ihre Veranstaltungen für Teilnehmer des Studiums im Alter öffnen“. Nur wenn die Dozenten denken, dass die Veranstaltung thematisch geeignet sei, der Raum groß genug sei und den jüngeren Studierenden kein Platz weggenommen werde, werde die Veranstaltung für die Älteren ge- öffnet und erscheint in einem eige- nen Vorlesungsverzeichnis, erläutert sie. Für Zell ist es gerade dieser Umgang mit den unterschiedlichs- ten Menschen, was ihn am Studentenleben am meisten reizt. “Ich betrachte mich als ei- nen sozialen Menschen und würde mich nicht sehr wohl als Eremit in der Wüste fühlen”, betont er. An der Universität habe man die Chance, sowohl mit jüngeren als auch mit äl- teren Menschen zusammenzukom- men, was ihm großen Spaß bereite. Von den jüngeren Studenten werde er manchmal im Unterricht um Rat gefragt: „Es ist eine Mischung aus Bewunderung und Verwunderung“, sagt der 60-Jährige. Einerseits erhal- te er Lob dafür, dass er trotz seines Alters noch die Universitätsbank drücke, anderseits bekomme er häu- fig Fragen zu hören, wie: “Wollen Sie nicht lieber im Garten Sitzen?” Das Studium scheint sich aber auch positiv auf Zells soziales Umfeld auszuwirken. “Wenn bei einem Ge- spräch unter Freunden die Themen abflachen greife ich auf universitäre Aspekte zurück, die meine Freunde hören wollen und die Diskussion be- reichern“. Auch seine Familie unter- stützt seinen Wissensdrang: „Meine Frau hatte nach meinem Ausschei- den aus dem Berufsleben die Sorge, dass ich zuhause viel Unordnung machen würde“. Mit der Aufnahme des Studiums sei dies aber ideal gelöst worden, sagte er mit einem Grinsen im Gesicht. Zwar fühlt sich der 60-Jährige voll integriert in den Studentenalltag. Doch zugleich stellt er auch große Unterschiede zu seinem früheren Studium fest. „Heutzutage gibt es eine relativ hohe Arbeitsbelastung für die Studenten“. Dies sei dadurch bedingt, dass einerseits immer mehr Stoff in weniger Zeit vermittelt wer- de und dass der Arbeitsmarkt immer schnellere Abschlüsse erwarte. Schwierigkeiten beim Lernen habe Zell auch mit 60 Jahren nicht: „Da ich mich während meiner gesam- ten beruflichen Laufbahn habe wei- terbilden müssen, fällt es mir nicht besonders schwer dem Vorlesung zu folgen“, sagt der ehemalige Logistik- Leiter des Chemieparks Marl. Vor allem sei er nun in der Lage. wich- tige von weniger wichtigen Inhal- ten zu unterscheiden. Das Gleiche gelte allerdings nicht für all seine Kommilitonen: „Vor allem ehema- lige Hausfrauen müssen sich stark konzentrieren, um dem Unterricht folgen zu können“, sagt Zell, der aber davon überzeugt ist, man könne die- se Konzentrationsschwierigkeiten bereits nach wenigen Semestern an der Uni überwinden. Sich an der Universität weiterbilden möchte Zell bis zu seinem 75. Geburtstag: „Dann will ich mich voll und ganz meinen künftigen Enkelkindern widmen, die sicherlich viel Zeit von ihrem Opa in Anspruch nehmen werden“. Rund 40.000 Senioren besuchen Hochschulen in Deutschland “Wollen Sie nicht lieber im Garten sitzen?” FOTO: OFELIA HARMS Für den 60-jährigen Weert Zell stellt das Studium im Alter eine Bereicherung dar “Ich wollte in kein leeres Loch fallen” Jeder der Interesse hat, kann als Gasthörer ein Studium im Alter aufnehmen, unabhängig vom Schulabschluss. Deutschland- weit sind rund 40.000 Gasthörer an Hochschulen angemeldet. Davon gehören 49 Prozent der „Generation 60 plus“ an. Wäh- rend die Gesamtzahl der Gast- hörer in den letzten zehn Jahren um ein Prozent gesunken ist, hat die Zahl der über 60-jährigen um 25 Prozent zugenommen. Das Durchschnittsalter der Gasthö- rer ist seit dem Wintersemester 2000/2001 von 49 auf 52 Jahre gestiegen. Zwei Drittel der Se- niorenstudierenden sind weib- lich. Die Semestergebühr für ein Gaststudium in Deutschland liegt im Durchschnitt bei 100 Euro. Die Kurse für ältere Studierende sind in der Regel in einem eige- nen Universitäts-Verzeichnis zu finden. Durchschnittlich besu- chen Senioren zwei Veranstal- tungen pro Woche. Mit 4.900 Gasthörern war Geschichte im vergangenen Wintersemester das beliebteste Studienfach, gefolgt von Wirtschaftswissen- schaften (4.500) und Philoso- phie (3.600). Als Gasthörer müssen sich die älteren Studie- renden in der Regel nicht für ein Fach entscheiden, sondern können Veranstaltungen aus verschiedensten Fachbereichen besuchen. Zwar ist in diesem Falle keine Abschlussprüfung möglich, dennoch gestattet das Gaststudium eine wissenschaft- liche Weiterbildung. Personen, die älter als 50 Jahre alt sind und ein reguläres Studi- um verfolgen, gibt es auch. Für sie gelten aber die gleichen Stu- dienanforderungen und -voraus- setzungen wie für alle anderen regulären Studierenden. An der WWU Münster betrug ihre Zahl im vergangenen Wintersemester 623 Personen, davon waren 429 zwischen 50 und 60 Jahre alt. Ordentlich immatrikuliert waren im Wintersemester 2010/2011 insgesamt 2,21 Millionen Stu- dierende. Davon waren lediglich 0,2 Prozent über 60 Jahre alt. Im Vergleich zu der großen Zahl der ordentlich immatrikulierten Stu- dierenden machen Gasthörerin- nen und -hörer nur knapp zwei Prozent aus. FOTO: OFELIA HARMS Mit 75 ist Schluss mit Lernen WEITERFüHRENDE INFOS UNTER: UNI-MUENSTER.DE/STUDIUM-IM-ALTER/ INDEX.HTML
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4 Dossier: Älter werden - time is ticking Juli 2012

Geistige Fitness fürs LebenMit 70 noch Student? Kein ungewöhnliches Bild mehr an deutschen Unis. Immer mehr ältere Menschen zieht es an die Hoch-schulen. Sie sehen darin eine Bereicherung für Geist und Seele. Wir sprachen mit einem von ihnen über das Studieren im Alter.

S t U D I e r e n I M A Lt e r

Von Ofelia Harms

A einem heißen Sommertag steht Johannes Becker vor

dem rednerpult. Vor sich sieht der 43-jährige Professor für Finanzwis-senschaft fast nur graue Haare. Der Hörsaal der Westfälischen Wilhelms-Universität (WWU) Münster ist voll von Menschen, die das übliche Studentenalter längst überschrit-ten haben. Zusammen mit jungen Studierenden sitzen die pensioni-erten Lehrer, Ingenieure oder Ärzte und bringen ihre erfahrungen in die Lehrveranstaltung ein. Als Gasthör-er interessieren sie sich aber nicht nur für Wirtschaftswissenschaften, sondern auch für Geschichte, Phi-losophie, theologie und Sprachen.Seit Jahren steigt in der Bundesrepu-blik die Zahl der sogenannten Seni-orenstudenten. Im Wintersemester 2011/2012 haben sich insgesamt 38.600 ältere Gasthörer an deut-schen Hochschulen weitergebildet, wie die Zahlen des Statistischen Bundesamtes belegen. In Münster sind es etwa 2.000, die über 200 Veranstaltungen pro Semester be-suchen.

In der Aula am Aasee in Münster steht an diesem tag die ringvorle-sung „Die europäische Schuldenkri-se“ auf dem Programm. Unter den aufmerksamen Zuhörern befindet sich der 60-jährige Weert Zell. Der groß gebaute pensionierte Bauinge-nieur mit den kurzen grauen Haaren besucht hier regelmäßig Lehrveran-staltungen seit seinem eintritt in den Vorruhestand im April vergangenen Jahres. Der Grund: „nach meiner aufreibenden beruflichen tätigkeit wollte ich in kein leeres Loch fallen und beschloss, die Zeit mit einem Studium sinnvoll zu füllen“. Mit sei-ner Motivation steht Zell keines-wegs alleine da. Laut einer Umfrage der WWU-Münster studieren die meisten Senioren, um geistig fit zu bleiben, ihre Allgemeinbildung zu erweitern, sich fundiertes Wissen anzueignen und auf diese Weise die Zeit nach Familien- und erwerbsar-beit sinnvoll zu nutzen.

Zell selbst belegt eine breite Palette von Fächern pro Semester. Von „Der Geschichte des Christentums“, über

„Die entwicklung der Menschheit in europa“ bis hin zu „Moralentwick-lung und Bildung“, der zweifache Familienvater aus Haltern am See will sich möglichst umfassend wei-terbilden und verbringt dafür bis zu 25 Stunden die Woche an der Uni-versität. „es sind themen die mich persönlich interessieren und in mei-nem Alltag weiterbringen“, sagt der 60-Jährige. Beispielsweise belegte er das Fach „Gesellschaft und Lan-deskunde Chinas“, weil sein ältester Sohn in diesem Jahr eine Chinesin heiratet.

Der promovierte Bauingenieur en-gagiert sich zudem ehrenamtlich als Berater der Stiftung „Partner für Schulen nrW“. Dort betreut er als „Senior“-experte Schulleiter bei den unterschiedlichsten Aufgaben. „Ich finde man soll der Gesellschaft et-was zurückgeben und deshalb setze ich mich ehrenamtlich für Schulen ein“. Durch das Studium bekommt er seinen Worten zufolge die Gele-genheit, sich gründlicher auf seine Beratungsgespräche vorzubereiten. Als besonders hilfreich erweisen sich demnach die erlernten Kompeten-zen aus dem Bereich der erziehungs- und Sozialwissenschaften. Doch es gibt auch andere Gründe für seine Lernbegeisterung. Da Zell als jun-ger Mann ein technisches Fach stu-

dierte, wollte er sich den Bereichen widmen, wo er die meisten Wissens-lücken hatte, nämlich den Geistes- und Sozialwissenschaften.

Veronika Jüttemann, wissenschaft-liche Mitarbeiterin des Programms „Studium im Alter“ an der WWU, erläutert, dass die Lernmotivation Zells von vielen anderen Senioren-studenten geteilt wird. Demnach gilt das Studium im höheren Alter für viele nicht mehr der Berufsvorbe-reitung, sondern allein der persön-lichen Weiterbildung, sagt die expertin. Die Studierenden ha-ben somit die Mög-lichkeit, sich mit den Fächern auseinander-zusetzen, die sie in jungen Jahren aus ökonomischen erwägungen heraus nicht gewählt hatten. Darüber hinaus seien geis-tes- und sozialwissenschaftliche Veranstaltungen für Laien leichter zugänglich als naturwissenschaftli-che Vorlesungen, die von den teil-nehmern ein hohes Maß an speziel-len Vorkenntnissen erfordern, erklärt Jüttemann.

Sorgen um Studienplätze aufgrund der wachsenden Zahl an Senioren-studenten brauchen sich jüngere Kommilitonen nach Ansicht Jütte-

manns nicht machen. „Im Vorfeld eines jeden Semesters schreiben wir die Dozenten an und fragen, ob sie ihre Veranstaltungen für teilnehmer des Studiums im Alter öffnen“. nur wenn die Dozenten denken, dass die Veranstaltung thematisch geeignet sei, der raum groß genug sei und den jüngeren Studierenden kein Platz weggenommen werde, werde die Veranstaltung für die Älteren ge-öffnet und erscheint in einem eige-nen Vorlesungsverzeichnis, erläutert sie.

Für Zell ist es gerade dieser Umgang mit den unterschiedlichs-ten Menschen, was ihn am Studentenleben am meisten reizt. “Ich betrachte mich als ei-

nen sozialen Menschen und würde mich nicht sehr wohl als eremit in der Wüste fühlen”, betont er. An der Universität habe man die Chance, sowohl mit jüngeren als auch mit äl-teren Menschen zusammenzukom-men, was ihm großen Spaß bereite. Von den jüngeren Studenten werde er manchmal im Unterricht um rat gefragt: „es ist eine Mischung aus Bewunderung und Verwunderung“, sagt der 60-Jährige. einerseits erhal-te er Lob dafür, dass er trotz seines Alters noch die Universitätsbank drücke, anderseits bekomme er häu-

fig Fragen zu hören, wie: “Wollen Sie nicht lieber im Garten Sitzen?”Das Studium scheint sich aber auch positiv auf Zells soziales Umfeld auszuwirken. “Wenn bei einem Ge-spräch unter Freunden die themen abflachen greife ich auf universitäre Aspekte zurück, die meine Freunde hören wollen und die Diskussion be-reichern“. Auch seine Familie unter-stützt seinen Wissensdrang: „Meine Frau hatte nach meinem Ausschei-den aus dem Berufsleben die Sorge, dass ich zuhause viel Unordnung machen würde“. Mit der Aufnahme des Studiums sei dies aber ideal gelöst worden, sagte er mit einem Grinsen im Gesicht.

Zwar fühlt sich der 60-Jährige voll integriert in den Studentenalltag. Doch zugleich stellt er auch große Unterschiede zu seinem früheren Studium fest. „Heutzutage gibt es eine relativ hohe Arbeitsbelastung für die Studenten“. Dies sei dadurch bedingt, dass einerseits immer mehr Stoff in weniger Zeit vermittelt wer-de und dass der Arbeitsmarkt immer schnellere Abschlüsse erwarte.

Schwierigkeiten beim Lernen habe Zell auch mit 60 Jahren nicht: „Da ich mich während meiner gesam-ten beruflichen Laufbahn habe wei-terbilden müssen, fällt es mir nicht besonders schwer dem Vorlesung zu folgen“, sagt der ehemalige Logistik-Leiter des Chemieparks Marl. Vor allem sei er nun in der Lage. wich-tige von weniger wichtigen Inhal-ten zu unterscheiden. Das Gleiche gelte allerdings nicht für all seine Kommilitonen: „Vor allem ehema-lige Hausfrauen müssen sich stark konzentrieren, um dem Unterricht folgen zu können“, sagt Zell, der aber davon überzeugt ist, man könne die-se Konzentrationsschwierigkeiten bereits nach wenigen Semestern an der Uni überwinden. Sich an der Universität weiterbilden möchte Zell bis zu seinem 75. Geburtstag: „Dann will ich mich voll und ganz meinen künftigen enkelkindern widmen, die sicherlich viel Zeit von ihrem Opa in Anspruch nehmen werden“.

rund 40.000 Senioren besuchen Hochschulen in Deutschland

“Wollen Sie nicht lieber im Garten

sitzen?”

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Für den 60-jährigen Weert Zell stellt das Studium im Alter eine Bereicherung dar

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Jeder der Interesse hat, kann als Gasthörer ein Studium im Alter aufnehmen, unabhängig vom Schulabschluss. Deutschland-weit sind rund 40.000 Gasthörer an Hochschulen angemeldet. Davon gehören 49 Prozent der „Generation 60 plus“ an. Wäh-rend die Gesamtzahl der Gast-hörer in den letzten zehn Jahren um ein Prozent gesunken ist, hat die Zahl der über 60-jährigen um 25 Prozent zugenommen. Das Durchschnittsalter der Gasthö-rer ist seit dem Wintersemester 2000/2001 von 49 auf 52 Jahre gestiegen. Zwei Drittel der Se-

niorenstudierenden sind weib-lich. Die Semestergebühr für ein Gaststudium in Deutschland liegt im Durchschnitt bei 100 euro.

Die Kurse für ältere Studierende sind in der regel in einem eige-nen Universitäts-Verzeichnis zu finden. Durchschnittlich besu-chen Senioren zwei Veranstal-tungen pro Woche. Mit 4.900 Gasthörern war Geschichte im vergangenen Wintersemester das beliebteste Studienfach, gefolgt von Wirtschaftswissen-schaften (4.500) und Philoso-

phie (3.600). Als Gasthörer müssen sich die älteren Studie-renden in der regel nicht für ein Fach entscheiden, sondern können Veranstaltungen aus verschiedensten Fachbereichen besuchen. Zwar ist in diesem Falle keine Abschlussprüfung möglich, dennoch gestattet das Gaststudium eine wissenschaft-liche Weiterbildung.

Personen, die älter als 50 Jahre alt sind und ein reguläres Studi-um verfolgen, gibt es auch. Für sie gelten aber die gleichen Stu-dienanforderungen und -voraus-

setzungen wie für alle anderen regulären Studierenden. An der WWU Münster betrug ihre Zahl im vergangenen Wintersemester 623 Personen, davon waren 429 zwischen 50 und 60 Jahre alt.

Ordentlich immatrikuliert waren im Wintersemester 2010/2011 insgesamt 2,21 Millionen Stu-dierende. Davon waren lediglich 0,2 Prozent über 60 Jahre alt. Im Vergleich zu der großen Zahl der ordentlich immatrikulierten Stu-dierenden machen Gasthörerin-nen und -hörer nur knapp zwei Prozent aus.

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Mit 75 ist Schluss mit Lernen

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