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Gefährden Magnetfelder die Gesundheit? || Tierversuche und zelluläre Modelle als Bestätigung der...

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58 H. Schaefer recht zutreffen. Aummig ist auch, daB Elektroberufe, die keine erkennbar hohe Magnetfeldbelastung haben - wie Radio-Amateure, Radio-Reparateure oder Te- lefonarbeiter - mit hohen Krebsraten aufwarten (McDoWALL 1986; MILHAM 1985, 1988; WRIGHT u. a.; PEARCE u. a. 1989). Es sind also folgende Tatsachen, welche die Analyse beruflicher Krebsrisiken zeigt: Die Risiken verteilen sich nicht erkennbar einheitlich nach der bestehenden Exposition im Magnetfeld. Wo sich hohe Risiken finden, entstehen sie durch Metalldampfe (wie beim La- ten und SchweiBen) viel eher als durch Magnetfelder. Auffallig ist, daB aIle elektrischen Berufe ein Krebsrisiko haben, welches dasje- nige ubersteigt, das im Mittelwert aus Individuen aller Berufe resultiert. Auffallig ist ferner, daB mehrfach Kinder von Exponierten hahere Risiken zei- gen, Hirntumoren zu bekommen (JOHNSON u. a. 1989; BUNIN u. a. 1990), daB aber auch die Exponierten selbst hohe Haufigkeiten von Tumoren des Nervensystems aufweisen (LIN u. a. 1985; MILHAM 1985; SPEERS u. a. 1988; THOMAS u. a. 1987). In den Studien an Kindern, welche hauslichen Feldern ausgesetzt sind (SAVITZ 1987), zeigen sich Hinweise auf die besondere Rolle von Hirntumoren nicht. Fur die beruflich bedingten Hirntumoren ist freilich - wegen der zahlreichen chemischen Kofaktoren - ein Zusammenhang mit Magnetfeldern keineswegs erwiesen (so auch WILSON u. a. 1990, S.307). Diese mangelnde Beweiskraft gilt auch fUr aIle anderen Korrelationen, wie sie in den Tabellen 14 und 15 aufgefUhrt und auch von SAVITZ und CALLE (1987) refe- riert sind. Das Risiko ist fUr die akute Leukamie haher als fUr alle anderen Leuk- ami en zusammen, was aus den Tabellen nicht hervorgeht (SAVITZ und CALLE 1987). Aber auch dieses Datum beweist derzeit nichts. Wie schwierig die Einflusse am Arbeitsplatz zu beurteilen sind, zeigen Beob- achtungen an weiBen Bergarbeitern. Hier finden sich exzessive Erhahungen der Leukamie-Haufigkeiten: von OR = 2,53 fUr alle Leukamien; von 4,74 fUr die mye- loische Leukamie und von 8,22 fUr die chronische Leukamie (GILMAN u. a. 1985). Obschon diese Bergarbeiter auch Magnetfeldern ausgesetzt sind, durften diese exzessiven Werte doch dem besonders schweren Beruf des Bergmanns anzu- lasten sein, denn ahnlich hohe Werte find en sich bei keinem Beruf mit sicheren Einwirkungen von Magnetfeldern. 11 Tierversuche uod zelluUire Modelle als Bestatiguog der Epidemiologie Selbst wenn es wesentlich uberzeugendere epidemiologische Korrelationen zwi- schen Magnetfeldern und Krebshaufigkeit gabe, ware die Deutung dieser Korrela- - 270 - H. Schaefer, Gefährden Magnetfelder die Gesundheit? © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 1991
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58 H. Schaefer

recht zutreffen. Aummig ist auch, daB Elektroberufe, die keine erkennbar hohe Magnetfeldbelastung haben - wie Radio-Amateure, Radio-Reparateure oder Te­lefonarbeiter - mit hohen Krebsraten aufwarten (McDoWALL 1986; MILHAM 1985, 1988; WRIGHT u. a.; PEARCE u. a. 1989).

Es sind also folgende Tatsachen, welche die Analyse beruflicher Krebsrisiken zeigt:

Die Risiken verteilen sich nicht erkennbar einheitlich nach der bestehenden Exposition im Magnetfeld. Wo sich hohe Risiken finden, entstehen sie durch Metalldampfe (wie beim La­ten und SchweiBen) viel eher als durch Magnetfelder. Auffallig ist, daB aIle elektrischen Berufe ein Krebsrisiko haben, welches dasje­nige ubersteigt, das im Mittelwert aus Individuen aller Berufe resultiert. Auffallig ist ferner, daB mehrfach Kinder von Exponierten hahere Risiken zei­gen, Hirntumoren zu bekommen (JOHNSON u. a. 1989; BUNIN u. a. 1990), daB aber auch die Exponierten selbst hohe Haufigkeiten von Tumoren des Nervensystems aufweisen (LIN u. a. 1985; MILHAM 1985; SPEERS u. a. 1988; THOMAS u. a. 1987). In den Studien an Kindern, welche hauslichen Feldern ausgesetzt sind (SAVITZ 1987), zeigen sich Hinweise auf die besondere Rolle von Hirntumoren nicht. Fur die beruflich bedingten Hirntumoren ist freilich - wegen der zahlreichen chemischen Kofaktoren - ein Zusammenhang mit Magnetfeldern keineswegs erwiesen (so auch WILSON u. a. 1990, S.307).

Diese mangelnde Beweiskraft gilt auch fUr aIle anderen Korrelationen, wie sie in den Tabellen 14 und 15 aufgefUhrt und auch von SAVITZ und CALLE (1987) refe­riert sind. Das Risiko ist fUr die akute Leukamie haher als fUr alle anderen Leuk­ami en zusammen, was aus den Tabellen nicht hervorgeht (SAVITZ und CALLE 1987). Aber auch dieses Datum beweist derzeit nichts.

Wie schwierig die Einflusse am Arbeitsplatz zu beurteilen sind, zeigen Beob­achtungen an weiBen Bergarbeitern. Hier finden sich exzessive Erhahungen der Leukamie-Haufigkeiten: von OR = 2,53 fUr alle Leukamien; von 4,74 fUr die mye­loische Leukamie und von 8,22 fUr die chronische Leukamie (GILMAN u. a. 1985). Obschon diese Bergarbeiter auch Magnetfeldern ausgesetzt sind, durften diese exzessiven Werte doch dem besonders schweren Beruf des Bergmanns anzu­lasten sein, denn ahnlich hohe Werte find en sich bei keinem Beruf mit sicheren Einwirkungen von Magnetfeldern.

11 Tierversuche uod zelluUire Modelle als Bestatiguog der Epidemiologie

Selbst wenn es wesentlich uberzeugendere epidemiologische Korrelationen zwi­schen Magnetfeldern und Krebshaufigkeit gabe, ware die Deutung dieser Korrela-

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H. Schaefer, Gefährden Magnetfelder die Gesundheit?© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 1991

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tionen als eine kausale Beziehung keineswegs gestattet, ehe nicht eine andere Be­dingung erfUllt ist: die Interpretation der Korrelation durch ein "apodiktisches" Modell. Diese Forderung folgt aus der Thtsache, daB zahlreiche Confounder be­kannt sind und es wenig wahrscheinlich ist, daB man heute schon alle Confounder kennt. Die Moglichkeit, Confounder durch Standardisierungsverfahren rechne­risch auszuschalten, ist nur dann relativ verlaBlich, wenn sich die Confounder un­abhangig von der Starke der Magnetfelder oder der Anwesenheit von High wiring configurations verteilen. Von den in Kapitel 7 behandelten Confoundern war de­ren relative Unabhangigkeit von den Magnetfeldstarken fur einige derselben er­weislich. Der EinfluB der Verkehrsdichte als ein mit der Magnetfeldstarke korre­lierter Confounder konnte aber nicht ausgeschlossen werden.

DaB Confounder als Erklarung eines epidemiologischen Zusammenhangs un­wahrscheinlich sind, laBt sich also nur dadurch belegen, daB ein Modell der Ma­gnetfeld-Wirkung existiert, das eine kanzerogene Wirkung mit hoher Wahrschein­lichkeit beweist. Ein solches Modell konnte einerseits ein Tierversuch sein, der bei hinreichend langer Expositionszeit beim Tier maligne Neoplasmen auslost. Es konnten Experimente sein, die solche zellularen Effekte demonstrieren, welche ei­ne kanzerogene Wirkung sehr wahrscheinlich machen.

Aile Modelle mussen aber eine Bedingung erfullen: sie mussen eine Wirkung auch noch bei so kleinen Feldstarken nachweisen, wie sie in der realen AuBenwelt als Exposition fUr den Menschen existieren, also bei 1 Il T und weniger.

Eine Komplikation entsteht in vielen dieser Modell-Versuche dadurch, daB statt der Sinus-Felder, wie sie vorwiegend auf den Menschen einwirken und deren Er­gebnis also modelliert werden solI, Impuls-Felder verwendet werden - mit nahe­zu rechteckigem Zeitverlauf und also sehr hohen Flankensteilheiten. Dadurch werden hohere Induktionsstrome erzielt als durch den Sinus-Strom, weil die In­duktion vom Differentialquotienten der Feldstarke nach der Zeit abhangt.

11.1 Das Zyklotron-Resonanz-Problem

Die Strategie unserer eigenen Forschungs-Ansatze, die sich ausschlieBlich mit Mo­dell-Versuchen beschaftigten, sah nun so aus, daB wir ein geeignetes biologisches Material (Tier, Zellen) in relativ starken Feldern untersuchten - in der Annahme, daB dann, wenn Wirkungen in hohen magnetischen FluBdichten fehlen, auch in kleinen FluBdichten mit Wirkungen nicht zu rechnen ist. Dies entspricht der all­gemein akzeptierten Theorie toxischer Wirkungen. Sollte es eine ,Hormesis' ge­ben (Kapitel 4.4), so wurde der SchluB auf fehlende Ge/ahren durch kleine Felder erst recht berechtigt sein.

Diese toxikologisch selbstverstandliche Annahme wurde durch eine Hypothese in Frage gestellt, welche so lautet, daB durch Phanomene der Resonanz zwischen dem exponierten Material und dem Feld Effekte moglicherweise nur in einem en­gen Bereich von Frequenzen oder Intensitaten elektromagnetischer Felder auftre-

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ten, in einem sogenannten "window" oder ,Fenster' (LIBOFF 1985; Literatur bei LIBOFF u. a. 1990). Diese sogenannte ,Zyklotron-Resonanz-Theorie' ist naturlich theoretisch durchaus denkbar und setzt nur entsprechend resonanzfahige Struk­turen der Zelle voraus, die uberdies fur die Kanzerogenese von Bedeutung sein muJ3ten.

Diese Zyklotron-Resonanz-Theorie erzeugt nun - falls sie stimmt - eine Reihe extrem schwieriger experimenteller Probleme. Naturlich ware es eine einfache LO­sung, nachzuweisen, daJ3 die Theorie, die in allgemeiner Form kaum zu bezweifeln ist, auf die hier maJ3gebenden Objekte, Zellen von Warmblutern, gar nicht an­wendbar ist. Das ist in der Tat gesagt worden - mit verschiedenen Argumenten: Bei Resonanz sollte das Calcium-Ion im Vordergrund stehen, aber es zeigt experi­mentell keine Resonanz (PARKINSON u. a. 1989). Eine Resonanz von Ionen sei theoretisch nicht moglich (DURNEY u. a. 1988). Die von Resonanz-Feldern er­zeugte Energie bleibe weit unter der thermischen Energie und sei also zu vernach­lassigen (LEITGEB 1990). Die Theorie verletze die Gesetze der Mechanik (HALLE 1988).

Die Einwande sind theoretisch zulassig, schlieJ3en aber meines Erachtens nicht aus, daJ3 Effekte auftreten, auf welche diese Einwande nicht zutreffen. DaJ3 die Theorie sehr kompliziert ist, haben LIBOFF u. a. (1989) noch einmal dargelegt. Entscheidend ist hier - wie uberall - das Experiment. Die erste Bestatigung war noch nicht vollig uberzeugend: an Ratten fand sich eine Anderung des Lernver­haltens nur bei Kombination eines statischen Magnetfeldes mit einem magneti­schen 60-Hz-Feld (THOMAS u. a. 1986). Auch fanden OSSENKOPP u. a. (1986) ein Window der Wirkung von 60-Hz-Magnetfeldern auf die Hemmung induzierter epileptischer Anfalle bei der Ratte. Beide Experimente sind schwierig zu interpre­tieren und vielleicht noch schwieriger fehlerfrei durchzuftihren. Uberzeugender sind dann doch Messungen zellularer Effekte. Diese sind nun, wenn man den Ex­perimenten trauen darf, mehrfach nachgewiesen, und zwar sowohl als ein "Be­reich" der wirksamen Feldstarke, oberhalb und unterhalb desselben der Effekt ausbleibt, als auch durch den Nachweis, daJ3 der Effekt nur bei Kombination mehrerer Wirkungsmodi auftritt, zum Beispiel einer Uberlagerung von Gleichfel­dern und Wechselfeldern (BLACKMAN u. a. 1989; FITZSIMMONS u. a. 1989; Ross 1990; SMITH u. a. 1987; TAKAHASHI 1986; TsONG u. a. 1989). So verschiedenar­tig auch die Objekte sind, an denen ein Window-Effekt gezeigt wurde, so scheinen doch aIle Versuche wenigstens die Existenz solcher Effekte nahezulegen. Die An­nahme experimenteller Fehler konnte ihre Leugnung freilich berechtigt erscheinen lassen.

Die Folgerungen, welche aus der Anerkennung eines Window-Effektes zu zie­hen waren, waren erheblich. Zwar konnte man den Standpunkt vertreten, daJ3 ein Window-Effekt durch Zyklotron-Resonanz ohne Bedeutung ware, wenn man den EinfluJ3 eben derjenigen Feldstarken miJ3t, welche als mogliche EinfluJ3quellen in der Natur tatsachlich vorkommen: 0,1-1 Mikrotesla, 50/60 Hz. Falls aber die hier eventuell wirksame Resonanz eine Kombination von Feldern, zum Beispiel

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von Magnetfeldern technischer Frequenz mit magnetischen Gleichfeldern (etwa dem Erdfeld), oder gar mit Mikrowellen voraussetzt, erfordern die notwendigen Testversuche so zahlreiche experimentelle Kombinationen, daB sie finanziell kaum realisierbar sind. DaB andererseits Magnetfelder vollig verschiedene Wirkungen auf Zellen ausiiben, wenn ihre Form wechselt, ist erwiesen. Felder mit rechtecki­gem Zeitverlauf oder kurzen Pulsen ("pulsed magnetic fields") oder ein Wechsel von 60 und 75 Hz losen zum Beispiel an der Transkription der mit Gel-Chromato­graphie leicht testbaren Protein-Synthese der Speichelzelle einer Miicke Unter­schiede aus, wenn sich die Form oder die Frequenz des Magnetfeldes andern (GOODMAN u. a. 1983). Selbst die Chromosomen scheinen sehr spezifisch beein­fluBt zu werden (GOODMAN u. a. 1987) - ein Befund, den wir an einem anderen Objekt (menschlichen Leukozyten) freilich nicht fanden (s. unten).

Hier deuten sich also Spezifitaten zellularer Reaktionen auf Magnetfelder an, die eine Priifung an fUr den Menschen maBgebenden Objekten so gut wie unmog­lich machen. Oberdies fragt sich natiirlich, ob diese Effekte einen Schaden, zum Beispiel die Auslosung von Krebs, induzieren, was natiirlich niemand behauptet, was aber auch kaum wahrscheinlich ist.

Die Konsequenz, die wir seIber fUr unsere Forschungs-Strategie aus dieser Sach­lage gezogen haben, ist die, daB wir Effekte nur in dem real vorliegenden FluB­dichte-Bereich festzustellen suchen, uns also nicht auf die Extrapolierbarkeit nach unten bei fehlenden Effekten in starken Feldern verlassen. Da diese Feststellung einer eventuellen Wirkung so schwacher Felder ohnehin auch dann notwendig wa­re, wenn man Effekte in starken Feldern fande, konnte die Zyklotron-Theorie un­beachtet bleiben. Eine Rolle konnte sie zwar auch dann noch spielen, wenn zwei Bedingungen zutrafen: wenn erstens eine kanzerogene Wirkung auf Zellen in ei­ner bestimmten, auch fUr den Menschen existierenden Resonanzlage VOn uns iibersehen und also auch nicht experimentell gepriift worden ware und wenn die Zyklotron-Theorie auch wirklich auf zellulare Prozesse anwendbar ware. Dariiber hinaus halten wir es fUr wenig wahrscheinlich, daB Magnetfelder auf nicht be­kannte Weise kanzerogene Potenz entwickeln, wenn alle derzeit bekannten Ein­fluBmoglichkeiten auf Zellen des Warmbliiters mit kanzerogener Wirkung gegen Felder der magnetischen FluBdichte von 1 tJ. T unempfindlich sein sollten.

11.2 Tierversuche mit langzeitiger Exposition

Ein verhaltnismaBig eindeutiges Resultat wiirde man dann in der Hand haben, wenn es gelange, mit Feldern der Intensitat VOn etwa 1 tJ.T an Tieren bei langdau­ernder Exposition Krebs auszulosen. In der Literatur sind unS keine Versuche die­ser Art bekannt geworden. Wir haben einige tierexperimentelle Beobachtungen in Thbelle 16 zusammengestellt, aber keiner dieser Versuche befriedigt die zwei For­derungen, daB die magnetische Feldstarke hinreichend (dem realen Fall vergleich­bar) kleine Werte zeigte und lange Zeit (mindestens die Lebenszeit eines kurzlebi-

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gen Tieres) angedauert hatte. Vnter den Resultaten der Tabelle 16 ist allerdings bemerkenswert, daB - wenn tiberhaupt - Wirkungen von Magnetfeldern be­riehtet werden, diese Wirkungen meist protektiv, anti-kanzerogen oder lebensver­langernd waren.

Die Resultate der Tabelle 16 sind demnach ftir die Krebshypothese wenig tiber­zeugend. Die Intensitat der Magnetfelder ist breit gestreut, reieht aber nie in den Mikro-Tesla-Bereieh, auf den es doch ankommt. Nur drei Versuchsreihen sind mit technischen Wechselfeldern gemacht. Es konnte endlich eine Anwendung des ,Hormesis~Prinzips moglich sein: falls die tumoriziden Wirkungen hoher Feld­starken eine Schiidigung des Wachstums von Tumorzellen bedeuten, konnten klei­ne Feldstarken dieses Wachstum fordern, also den Gesamtorganismus schadigen!

Vor allem ist die Versuchsdauer zu kurz, urn die jahrelangen Expositionen der Kinder in den Epidemiologien zu modellieren.

Bei dieser Versuchslage haben wir uns in unserem Forschungsverbund ent­schlossen, Versuche mit langeren Expositionszeiten an Ratten durchzufiihren, un­ter der Leitung von BUNTENKbTrER. Diese Versuche zeigen - freilich bei FluB­diehten von 15 mT und nach vorlaufigen Feststellungen - auch nach mehrmona­tiger Expositionszeit an Ratten keinerlei pathologischen Effekte, was die Entwiek­lung von Foeten anlangt. MiBbildungen traten nicht auf, auch keine Erbschaden (BUNTENKOTTER u. a. 1988). Seltsam ist, daB die Zahl der Spontantumoren der bestrahlten Gruppe hoher liegt (77,8070 der Tiere) als bei den Kontrollen (55,6% der Tiere). Aber die Zahl der Tiere war zu klein, urn den Effekt statistisch zu si­chern (BUNTENKOTTER 1988). Der Versuch muB jetzt auf FluBdiehten im Mikro­Tesla-Bereich erweitert werden.

Nattirlich konnen auch gegen diese Resultate zwei Einwande prinzipieller Art gemacht werden: Einerseits ist der SchluB vom Tier auf den Menschen gerade bei der Krebsentstehung problematisch. Aber die Prtifung der Kanzerogenitat chemi­scher Stoffe erfolgt in aller Welt mit derartigen Methoden, weil es andere Metho­den nieht gibt. Zweitens kann unwiderlegbar eingewandt werden, daB eine jahre­lange Exposition beim Menschen auch bei kurzlebigen Tieren nicht durch eine Exposition von Monaten oder selbst einem Jahr zu imitieren ist. Besttinde nam­lich der Magnetfeld-Effekt zum Beispiel darin, das Zellwachstum zu beschleuni­gen - meBbar zum Beispiel am Proliferationsindex -, so ware die Wahrschein­lichkeit, daB ein Krebs entsteht, nieht unbedingt bei kurzlebigen Tieren genau so meBbar erhOht wie beim langlebigen Menschen. Die in den Epidemiologien ge­messene Krebs-Wahrscheinlichkeit - definiert tiber Odds-Ratio - kann namlich zweierlei Vrsachen haben: Erstens kann ein ProzeB, der in kurzen Zeitraumen zu Ende geht, ein zusatzliches Risiko schaffen, geg~n das eine Abwehr des Korpers gering oder nicht vorhanden ist. Ein solcher ProzeB ware im Tierversuch model­lierbar. Es kann zweitens sein, daB das Magnetfeld-Risiko sieh anderen Risiken addiert oder gar potenziert. Die Wahrscheinlichkeit hinge dann von der Haufig­keit ab, mit der beide Risiken - mit der Chance ihrer Interferenz zeitlich gekop­pelt - auftreten. Nach der Theorie der "schwachen" Wirkung (KapiteI4.6) mtiBte

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der zweite Fall hier realisiert sein. Da solche Risiken zum Beispiel sozi06konomi­scher Natur sein k6nnten, lassen sie sich im Tierversuch nicht modellieren.

Aus diesen Grunden sind Experimente an isolierten menschlichen Zellen uner­Uilllich. Wann immer kanzerogene Wirkungen erzielt werden sollten, muBten sie uber Mechanismen des Zell-Stoffwechsels und des Zell-Wachstums vermittelt wer­den und also auch in kurzzeitigen Experimenten beobachtbar sein. DaB sehr lan­ge Expositionszeiten fur die kanzerogene Wirkung am Menschen notwendig sind, hatte dann mit den naturlichen Reparatur-Mechanismen der Zelle zu tun, welche selten, aber eben zufalligerweise doch gelegentlich versagen oder durch andere Einflusse (Confounder) uberwaltigt werden.

11.3 Grundsatzliche Moglichkeiten zellularer Modelle

Die Begunstigung des Krebswachstums beim Menschen kann auf zwei grundsatz­lich verschiedene Weisen geschehen: Erstens k6nnte eine Mutation im Genom er­zeugt werden, welche die krebsige Entartung der Zelle determiniert. Ein "apodik­tisches" Modell ware dann schon der Nachweis, daB sich an Chromosomen durch Magnetfelder entsprechender Kleinheit Veranderungen erzielen lassen.

Die andere Form der Begunstigung k6nnte an der Tumor-Promotion angreifen. Bei Versuchen, eine Krebs-Initiation der Zellen durch Magnetfelder zu model­

lieren, spielt die Zellart vermutlich keine entscheidende Rolle, da selbst pflanzli­che Zellen fur genetische Effekte auch der Saugetiere gute Modelle abgeben. Ver­suche der Art, daB Effekte im Magnetfeld beobachtet werden, die nicht das Ge­nom betreffen, die aber m6glicherweise Ruckwirkungen auf Mutationen im gene­tischen Apparat gestatten, sind noch keine apodiktischen Modelle, m6gen aber darauf hinweisen, daB es apodiktische Modelle geben k6nnte.

Es ist nun, wie es scheint, in der Zellforschung eine unbestrittene Meinung der Art entstanden, daB die kanzerogene Mutation auch durch Prozesse an der Zell­membran ausgel6st werden kann. Hierbei spielen die Glykokalyx und die Sialin­saure ebenso eine Rolle wie das Calcium, obgleich der Mechanismus im Detail noch nicht offenliegt (hierzu GABIUS u. a. 1988; DERrINGER 1988; SCHIRRMA­CHER u. a. 1982). Die Effekte an der Zellmembran k6nnten auf zwei v6llig ver­schiedene Weisen in die Kanzerogenese eingreifen. Es k6nnten durch Messenger­Prozesse - also durch einen chemischen WirkungsfluB von der Membran auf den Zellkern - am Genom diejenigen Veranderungen an Chromosomen bewirkt werden, welche letztlich zu der kanzerogenen Mutation fuhren (DERrINGER 1988).

AuBerdem k6nnte aber im Magnetfeld die Oberflachenstruktur der Zelle so ge­andert werden, daB der Zusammenhalt der Zellen verschlechtert wird, daB heiBt, daB eine schon genetisch veranderte, maligne entartete Zelle leichter aus dem Zell­verband, in dem sie wachst, austritt und also Metastasen bildet. Dieser ProzeB wurde nicht mehr die Initiation, sondern bereits die Promotion des Karzinoms

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beeinflussen und wurde im Endeffekt die epidemiologischen Befunde ebenfalls kausal interpretieren.

Diese beiden Modell-Typen einer Mutations-Auslosung und einer Metastasen­Promotion sind freilich extreme Modell-Theorien, zwischen denen zahlreiche an­dere Prozesse einer Krebs-Progression liegen, die alle einer Beeinflussung durch Magnetfelder im Prinzip zuganglich waren, wie uns die enorm komplizierte Theo­rie der Krebsentstehung zeigt (Literatur hierzu bei ALBERTS u. a. 1989, S. 1192ff.). Man muBte aber annehmen durfen, daB - falls Magnetfelder in irgend­einen dieser Mechanismen eingreifen - sich auch Wirkungen an den elementaren Strukturen der Zellmembran, der Chromosomen, des Spindelapparates (Tubuli) der Zellteilung oder zumindest am Calcium-Stoffwechsel der Zelle finden. Insbe­sondere der Calcium-Stoffwechsel konnte von hoher Bedeutung fUr die Entste­hung der Krebs-Mutation sein, weil nahezu alle Prozesse der Zellteilung yom in­trazellularen Calcium-Spiegel abhangig sind, was auch auf die Permeabilitat der Gap-junction zutrifft (die Literatur ist weitverbreitet, die Tatsachen allgemein be­kannt).

11.4 Die Melatonin-Hypothese

Eine besonders interessante Hypothese, die neuerdings intensiv diskutiert wird, ist eine Mischung von zellularen und systemischen Effekten, welche den Magnetfel­dern zugeschrieben werden (vgl. WILSON u. a. 1990). Die Grundzuge dieser Hy­pothese sehen folgendermaBen aus.

Wir wissen, daB bei der Promotion und Metastasierung mutierter Krebszellen die Empfindlichkeit (Suszeptibilitat) der Zelle fur mutagene Wirkungen einer­seits, die Abwehrkrafte des Immun-Systems des Korpers andererseits eine ent­scheidende Rolle spielen. Es hat sich nun in den letzten Jahren ein Modell heraus­kristallisiert, das in vereinfachter Form ungefahr so aussieht: Die Zirbeldruse (das Pinealorgan) spielt bei der Krebsabwehr offenbar eine wichtige Rolle (DAS GuP­TA u. a. 1967, 1988). Ihr Hormon, das Melatonin, hemmt die Krebsausbreitung (COHEN u. a. 1978; BLASKE 1984), und an der Ratte waren entsprechende Versu­che erfolgreich (TAMARKIN u. a. 1981). (Weitere Literatur s. BLASK 1990.)

Die Theorie nimmt dann eine Reihe von Ereignissen an, deren Ablauf wir gleichsam von ruc.kwarts schildern:

1. Melatonin hemmt die Ausbreitung, nicht die Initiation, des Krebses durch Un­terdruckung der Corticoid-Hemmung der Immun-Abwehrkrafte und durch Anta­gonisierung anderer das Krebswachstum fOrdernder Hormone.

2. Die Melatoninproduktion erfolgt in der Nacht starker als am Tage, wird vorwie­gend durch Impulse aus der Retina (Zyklopen-Auge!), doch vermutlich auch durch einen Erregungszustand neuraler Teile des Pinealorgans gehemmt.

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3. Die nachtliche Melatonin-Produktion sinkt im elektrischen Feld (Schwelle: et­wa 2 kVlm) betrachtlich abo Die ersten Versuche, die dieses Verhalten nachwiesen, fanden allerdings mit 66 kVlm statt (WILSON U. a. 1981)!

4. Das Magnetfeld erregt die Pinealzellen entweder direkt (bei noch unbekanntem Mechanismus) oder tiber die Wirbelstrome. Die Tierversuche sind freilich bislang nur unter Applikation elektrischer Felder durchgeftihrt worden. Sie waren daher viel eher auf die Kanzerogenese-Wirkung elektrischer Felder anwendbar. Elektri­sche Felder machen aber - nach den epidemiologischen Daten - keinen Krebs. Nattirlich haben Magnetfelder auch eine elektrische Induktion. Auf diese muB dann also umgerechnet werden.

5. Die Umrechnung von Magnetfeldern auf ihre elektrische Induktion zeigt dann allerdings, daB auch von schwachen Magnetfeldern Stromdichten induziert wer­den, welche zum Beispiel die extrem erregbaren Lorenzini-Ampullen der Fische tatsachlich erregen konnten, wie wir gleich zeigen werden.

6. Durch den ProzeB dieser Erregung werden Hemmungsreaktionen, welche auf die Krebs-Promotion wirken, gehemmt, also das Krebswachstum letztlich gefor­dert. Abbildung 3 gibt ein Blockschaltbild dieser Reaktionen.

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NAchtliche Produktion G? 18 87

Retina Aligemeiner Erregungs-zustand Gehirn

Ie±) Magnetfeld L

Abb.3. Blockschaltbild der moglichen Krebs-Promotion durch Melatonin, des sen Produk­tion durch elektromagnetische Felder gehemmt werden konnte. Elektrische Felder erregen das Pinealorgan und hemmen dadurch die Melatoninproduktion. Vgl. Text. Auch schwache Magnetfelder technischer Frequenz haben diesen Effekt, bei Exposition in einem durch elektrische Heizdecken erzeugten Magnetfeld (WILSON U. ANDERSON 1988, S. 174). Die hierbei auftretenden Magnetfelder haben eine FluBdichte von etwa 15-33 mG (FLORIG

U. a. 1990).

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Gefahrden Magnetfelder die Gesundheit? 67

Es bleiben folgende Fragen:

1. Trifft das Ergebnis der Tierversuche auch am Menschen zu? 2. Reichen die real existierenden Feldstarken aus, urn den ErregungsprozeB im

Pinealorgan zu initiieren?

Zur ersten Frage liegen Messungen noch nicht vor. Diese Pineal-Theorie ist also noch kein "apodiktisches" Modell, ware aber ein Modell von hoher Uberzeu­gungskraft, wenn die zweite Frage positiv beantwortet werden konnte.

Die zweite Frage laBt sich leider auch noch nicht "apodiktisch" entscheiden, weil aIle bisherigen Experimente - soweit sie mir bekannt sind - mit hoheren magnetischen Feldstarken und bei konstantem Magnetfeld durchgefUhrt wurden, wenn die Erregungspotentiale im Pineal organ direkt gemessen wurden (SEMM u. a. 1980). Es gibt aber folgende Modell-Moglichkeit:

Wir kennen die Schwellen-Feldstarke und die dabei induzierte Verschiebungs­stromstarke bei der Ratte annahernd. Wie bei WILSON u. a. (1990, S. 28) berich­tet wird, liegt die Schwelle bei 0,2 bis 2 kVlm. Die ersten beweisenden Versuche wurden freilich mit 65 kVlm durchgefiihrt (WILSON u. a. 1981). - Der Mecha­nismus, wie diese elektrischen Feldstarken das Pinealorgan beeinflussen konnen, konnte in zwei Prozessen bestehen, zwischen denen der Versuch mit elektrischen Feldern nicht zu unterscheiden gestattet. Es konnte erstens die elektrostatische Aufladung der Haare, die zu Vibrationen der doppelten Frequenz der Wechselfel­der fiihrt, von den Tieren empfunden und als Reiz dem Pinealorgan zugefuhrt werden. Die Schwelle dieser Vibrations-Empfindung liegt fUr den Menschen bei 30-65 kVlm (KAro u. a. 1989), geht aber bei sorgfaltiger Betrachtung bis 2 kVlm - auch beim Menschen - herunter (CABANES u. a. 1981), und Tiere sind -schon der langeren Haare und ihres besseren Hebelansatzes wegen - eher emp­findlicher als der Mensch. Es uberrascht also nicht, daB diese subjektiven Schwel­len mit den Schwellen des Pinealeffektes gut ubereinstimmen.

Nun erregen aber Magnetfelder diese Vibrationen nicht, und es scheint bislang keine Tierversuche zu geben, welche die Wirkung von Magnetfeldern von 50 Hz auf das Pinealorgan untersuchten. Messungen von SEMM u. a. (1983, 1986) sind mit magnetischen Gleichfeldern von der Starke des erdmagnetischen Feldes vorge­nommen worden. Schwellen sind also nicht bekannt. Es scheint nur ein Experi­ment am Menschen zu geben, welches besagt, daB bei nachtlicher Benutzung ei­ner elektrischen Heizdecke, die ein Magnetfeld von 1,5 - 3,3, maximal aber bis 30 J.LT zu erzeugen pflegt (FLORIO 1990), die Exkretion von Melatonin signifikant gesenkt wird (WILSON, zitiert nach WILSON u. a. 1990, S. 175). Hier waren also hohere Magnetfelder wirksam, als sie in den epidemiologischen Studien, die sie modellieren sollen, vorlagen.

Nun gibt es durchaus die Moglichkeit, eine Beeinflussung des Pinealorgans durch die Induktionsstrome zu erklaren, welche in den elektromagnetischen Fel­dern entstehen. Fur elektrische Felder berechnet sich die Verschiebungs-Strom-

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dichte bei einer Schwellen-Feldstarke von 2 kVlm (s. oben), wenn 10 kVlm 28 nA/cm2 induzieren, zu 5,6 nA/cm2 (nach Daten von WILSON 1990, S. 39).

Nun kenne ich nur ein Experiment, bei dem so kleine Stromdichten eine Erre­gung bewirken. Einige Raubfische, zum Beispiel Raja clavata und ocellata, haben in ihren Lorenzini-Ampullen hochempfindliche Elektrosensoren entwickelt, deren Schwelle im niedrigsten Fall bei 0,05 nA/cm2 liegt (KALMIJN 1966). Die sonst fUr den Menschen und seine Hautsinne tiblichen Schwellen liegen bei 0,1 mA/cm2,

also sechs Zehnerpotenzen h6her! Die Schwellen bei nattirlichen Erregungsvor­gangen an Ganglienzellen liegen bei 20 J.1A/cm2, also ebenfalls ftinf Zehnerpo­tenzen h6her als die der LORENzINI-Ampullen. Sollte es aber im Pinealorgan elektrosensible Zellen einer Sensibilitat von der gleichen Gr6Benordnung geben, wie sie LORENZINI-Ampullen besitzen, so ware die Hemmung der Melatonin­Produktion durch die Wirbelstr6me in elektrischen Feldern kein Problem (Litera­tur bei SCHAEFER 1983).

Nun sollten diese Effekte aber auch in Magnetfeldern von weniger als 1 J.1T FluBdichte zu finden sein. Die von dieser FluBdichte induzierte Wirbelstrom­Dichte ist beim Menschen wenigstens ungefahr zu errechnen. Nach den oben (S.9) zitierten Modell-Rechnungen von Meyer-Waarden induziert 1 J.1T etwa 1 nA/cm2• Die Induktionswerte, welche bei WILSON u. a. (1990, S. 39) angegeben sind, ergeben rund 2 nA/cm2• Diese Rechnung ist ungenau, wei! sie auf den Tho­rax, aber nicht auf das Gehirn zutrifft. Sollte aber die Pineal-Schwelle gleich der­jenigen der Lorenzini-Ampullen sein, namlich 0,05 nA/cm2, besttinde ein so er­heblicher Spielraum, daB das Modell anwendbar sein k6nnte.

Auch diese Stromdichten-Rechnung laBt das Modell also zwar als eindrucks­voll, aber keineswegs als nachweisbar zutreffend bestehen. Es ist kein "apodikti­sches" Modell.

Das Modell brachte - wenn es gtiltig ware - freilich eine Reihe bemerkenswer­ter Erklarungsm6glichkeiten. Zunachst ist die Melatonin-Hemmung nur in der Nacht von Bedeutung, denn tags tiber wird ohnehin wenig Melatonin produziert. Es ware also verstandlich, daB hohe (berufliche oder durch Haushaltsgerate be­dingte) Felder untertags keine Wirkung haben, sondern nur die Felder, die nachts - von auBerhauslichen Quellen ausgehend - auf die Kinder wirken. Dann ware es auch leichter verstandlich zu machen, daB sozi06konomische Faktoren eine obligate Rolle als Kofaktoren spielen, wei! diese Faktoren vermutlich das emotio­nale Gleichgewicht der Kinder beeinflussen und dieses sicher nicht nur am Tage den pinealen Erregungszustand veriindert. DaB StreB aber die Melatonin-Produk­tion hemmt, ist gut gesichert (die groBe Literatur findet sich bei REITER [1990] zitiert).

Noch ein anderer sehr ratselhafter Befund k6nnte von der Pinealtheorie erklart werden. Von REICHMANIS u. a. (1979) und PERRY u. a. (1981) ist behauptet wor­den (s. Kapitel 5.2), daB Magnetfelder die Suizid-Haufigkeit steigern, und WIL­SON (1988) bemerkt dazu, daB elektroII).agnetische Felder tiber das Pinealorgan Depressionen erzeugen k6nnten - auf einem der soeben er6rterten Wege. Der

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epidemiologische Suizid-Zusammenhang konnte aIso modellmaBig interpretier­bar sein. Aber auch hier ist das Modell keineswegs "apodiktisch".

Aile diese Erorterungen sind hinsichtlich ihrer quantitativen Fragen nicht bis zur KHirung des Problems vorgedrungen. Es bleibt ungewiB, ob einer dieser Me­chanismen bei FluBdichten von 0,2 bis 1 ~T, wie es die SAVITz-Studie und aile vorausgehenden Studien voraussetzen, tatsachlich schon wirksam ist.

DaB diese PineaI-Theorie der Krebsbeeinflussung (die bereits eine Theorie und keine Hypothese mehr ist) flir die klinische Onkologie eine enorme Bedeutung hat, sei nur am Rande bemerkt. Sie laBt Deutungsmoglichkeiten flir andere als chemische Quellen einer Kanzerogenese zu. Der chemischen Kanzerogenese wtir­de zwar nach wie vor das Hauptgewicht zuzuschreiben sein, weil chemische Ein­fltisse die flir die Initiation der Krebse wesentlichste Rolle spielen. Die klinischen Verlaufe aber, insbesondere die dann manifest werdende Haufigkeit der Krebs­krankheit, hangen stark von der Promotion des chemisch initiierten Krebses ab, und hier sind Einfltisse nervoser - insbesondere emotionaIer - Art auch natur­wissenschaftlich interpretierbar.

11.5 Experimentelle Prufungen zelluHirer Modelle

IJ.5.1 Magnetjelder haben Wirkungen auf zelluliire Prozesse DaB Magnetfelder grundsatzlich - und auch bei kleinen Feldstarken - biologi­schen Wirkungen auslosen, ist aIlein schon dadurch erwiesen, daB Tiere sich im Magnetfeld orientieren konnen, wobei die Empfindlichkeit der Wahrnehmung weit unter 0,4 G, der Starke des Erdfeldes, liegt, und vielleicht schon 0,1 % Ande­rung dieses Feldes von bestimmten Fischen wahrgenommen werden (Literatur bei KIRSCHVINK 1990, und TENFORDE 1990). Die ersten Versuche tiber zellulare Ef­fekte magnetischer Gleichfelder zeigten, daB sie den Stoffwechsel (und zwar die Eiwei6-Synthese, zum Beispiel den Thymidin-Einbau) verandern (Literatur bei MARET u. a. 1986). Diese Stoffwechsel-Anderungen sind in mehreren Arbeiten von GOODMAN u. a. (1983, 1986, 1987, 1989) anaIysiert worden. Mit der Gel­Elektrophorese lieB sich zeigen, daB die Ribonukleinsaure (RNA) beeinfluBt wird und durch Felder bis herunter zu FluBdichten von 0,38 mT sich die Polypeptid­synthese deutlich verandert, und zwar in enger Abhangigkeit von geringen Fre­quenzanderungen und Anderungen der Zeitform (pulse, Sinus) des Magnetfeldes (GOODMAN u. a. 1989). Diese Versuche wurden an verschiedenen Objekten (Spei­cheldrtisen von Mticken, Schleim-Molch, Myxomyceten) durchgeflihrt, doch fin­den sich Wirkungen auch an menschlichen Lymphozyten (COSSARIZZA u. a. 1989; PHILLIPS u. a. 1989).

Wie diese Magnetfelder innerhaIb der Zelle wirken, ist wenig bekannt. DaB et­wa magnetosensible Stoffe in den Zellen die Wirkung vermitteln, trifft nur in ver­einzelten Fallen zu. Der physikalischen Moglichkeiten gibt es genug (MARET u. a. 1986). Die elektrischen Krafte sind schwach, bleiben zum Beispiel weit hinter der

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natOrlichen Potentialdifferenz der Zellmembran zurOck (RID ELLA 1985) und konnten also nur mit neuen, hypothetischen Annahmen elektrophysiologisch ge­deutet werden (O'SHEA 1988).

Trotz einer groBen Zahl von Arbeiten sind aber Effekte in dem uns hier interes­sierenden Bereich einer magnetischen FluBdichte von 1 ~ T bislang offenbar nicht erfolgreich durchgefOhrt worden. Bei allen bislang beschriebenen Wirkungen auf den Stoffwechsel der Zellen muB - wie bei der Einwirkung auf alle funktionellen Prozesse - betont werden, daB solche Effekte grundsiitzlich reversibel zu sein pf/egen. Schaden der Gesundheit entstehen in der Regel nur dort, wo morphologi­sche Veranderungen auftreten. Die Befunde sagen also nur soviel, daB Magnetfel­der in das Leben der Zellen verandernd eingreifen.

11.5.2 Die Beeinf/ussung des Genoms (Initiations-Modell) Zu einer Klarung der Frage, ob Magnetfelder kanzerogen sind, wOrden Versuche beitragen, mit denen mutationsverdachtige Veranderungen an Chromosomen durch Magnetfelder nachgewiesen wOrden. Versuche dieser Art sind mehrfach -und auch von unserem Forschungsverbund - durchgefOhrt worden. Hierbei wur­de also die Hypothese getestet, daB Magnetfelder eine Initiation - nicht nur eine Promotion - des Krebses bewirken.

Man sollte gleich zu Beginn ihrer Darstellung die Bedenken erwahnen, die man gegen negative Resultate solcher Experimente anfOhren kann. Bei der hohen Be­deutung, welche die Chromosomen fOr die Existenzsicherung der Individuen und der Arten besitzen, ist es selbstverstandlich, daB die Natur wirksame Reparatur­Mechanismen entwickelt hat, welche eventuelle chromosomale Schaden beseiti­gen. Doch trotz dieser Mechanismen mOBte ein Effekt von Magnetfeldern beob­achtbar sein, wenn diese Felder Krebs initiieren. Nur ware ein positiver Befund nicht unbedingt schon ein Beweis fOr eine kanzerogene Potenz der Felder. Fande man freilich keine Effekte an Chromosomen, so ware eine krebsinitiierende Wir­kung der Felder zumindest unwahrscheinlich, denn die Anderung insbesondere der Haufigkeit des Schwester-Chromatid-Austausches (SCE) wird sicher zu Recht als ein guter Test fOr mogliche Krebsgefiihrdung angesehen (LAURENT 1989). Be­merkswert ist daher der von NORDENSON u. a. (1988) erhobene Befund, daB bei Arbeitern, die in 400-kV-Stationen hohen Feldern ausgesetzt sind, in der Tht hohe SCE-Raten ihrer Lymphozyten gefunden wurden. Solche Befunde sagen aber das­selbe aus wie die epidemiologischen Untersuchungen an Arbeitern: die Arbeits­welt ist mit nicht genau bekannten Wirkungen kanzerogen, aber der Beweis, daB Magnetfelder diese Rolle spielen, ist nicht erbracht, zumal dem Befund von BAU­CHINGER u. a. (1981) widersprochen wird: es fanden sich bei elektrischen Arbei­tern nicht immer chromosomale Befunde.

Der zweite Einwand betrifft die kurze Dauer aller experimentellen Magnetfeld­Einwirkungen. Wenn zum Beispiel bei kurzzeitiger Exposition im Magnetfeld sich keine chromosomalen Veriinderungen finden, so besagt das nichts gegen den Be­fund von NORDENSON u. a .. Effekte, die man in einem kurzen Versuch nicht fin-

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det, k6nnen sehr wohl bei langen Expositionen entstehen. Negative Befunde auch bei Versuchen mit Zellen widerlegen nicht die Annahme von Magnetfeldwirkun­gen. Positive Befunde sagen dagegen sehr viel mehr aus. Freilich kann man, wenn kurzzeitige Versuche mit hohen FeldsHirken ergebnislos verlaufen, so argumentie­ren, daB ein Effekt bei langer Einwirkungszeit schwacher Felder dann unwahr­scheinlich ist.

Unsere eigenen Versuche haben daher den Nachdruck auf Untersuchungen mit relativ starken Feldern gelegt und FluBdichten von bis zu 16 Tesla (!) bei Gleichfel­dern eingeschlossen. Doch werden wir, urn den EinfluB eines Zyklotron-Effektes auszuschlieBen, auch auf FluBdichten unter 1 Il T heruntergehen.

Beobachtet wurden sogenannte ,Aberrationen', also Abweichungen der chro­mosomalen Strukturen und die Zahl der Schwester-Chromatid-Austausche (SCE­Rate), die beide bei der Zellteilung beobachtet werden. Beide Phfinomene muBten gegen die Norm versHirkt sein, wenn Mutationen zu erwarten waren.

Unsere Versuche in zwei unabhangig voneinander arbeitenden Laboratorien er­gaben keinen sicheren Anhalt flir eine Erh6hung der Aberrations- und Austausch­Haufigkeiten. In beiden Instituten wurden menschliche Lymphozyten untersucht, deren Teilungshaufigkeit durch mitogene Substanzen (zum Beispiel Trenimon) so gesteigert wird, daB eventuelle Feldeinflusse leichter beobachtbar waren (EBERLE u. a. 1988; OBE 1988; ROSENTHAL u. a. 1989). Zwar fand sich in einem Institut (OBE) eine leichte ErMhung der SCE-Rate, die aber von den Autoren als so ge­ring bewertet wurde, daB eine mutagene Wirkung des Feldes nicht erschlossen werden konnte. Die andere Untersuchung fand auch diesen kleinen Effekt nicht bei denjenigen Mutagenen, welche nach OBE verwandt worden waren (EBERLE u. a. 1988).

Man kann mit der SCE-Rate von ROSENTHAL u. a. (1989) einen observed/ex­pected-Quotienten bilden, der sich gr6BenordnungsmaBig mit den OR-Werten der epidemiologischen Studien vergleichen laBt. Von 30 Messungen zeigen 22 eine -wenn auch meist extrem wenig - erh6hte SCE-Rate im Magnetfeld, 8 dagegen eine erniedrigte. Die drei Mchsten O/E-Werte von Einzelmessungen (SCE-Rate im Feld durch SCE-Rate ohne Feld) betrugen 1,45-1,37-1,18. Der Mittelwert aller O/E-Werte betrug 1,06. Man wird erh6hte Werte als zufallsbedingt ansehen k6n­nen, wenngleich auch hier der Einwand von AHLBOM (1988), den er zu den epi­demiologischen Studien machte, gilt: daB auch die geringen Erh6hungen der Wer­te durch das Magnetfeld durch ihre Haufigkeit und Ausnahmslosigkeit zu denken geben. Die Messungen wurden auch hier mit einer "schwachen Wirkung" uberein­stimmen (s. Kapitel 4.6). Auffallend ist auch, daB EBERLE u. a. (1990) - freilich nur bei 3 von 9 Mutagenen - eine Erh6hung der SCE-Raten fanden, in einem Fall sogar eine Erh6hung ohne Mutagen, nur unter Einwirkung des Magnetfeldes bei einem Signifikanzniveau von 511,10, allerdings im Bereich von 1-9 mT. 1m Be­reich von 1 - 100 Il T, der epidemiologisch interessant ist, fand sich aber nichts. Bei Chromsalzen als Mutagenen bewirkte ein Feld mit 2 mT und 6,8 oder 600 Hz so­gar eine Senkung der SCE-Rate (Hormesis? - vgl. KapiteI4.4).

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In der Literatur finden sich leider keine eindeutigen Befunde. Die Experimente widersprechen sich, sind zudem mit verschiedenen Feldformen (pulsierendes Feld, 50-bis-60 Hz Sinus-Feld) und FeldsUirken gemacht worden. Aberrationen oder SCE-Raten-Anderungen fanden sich meistens nicht (BENZ u. a. 1986; COHEN u. a. 1986; COHEN u. a. 1988; REESE u. a. 1988; TAKAHASHI u. a. 1987), doch finden andere Untersucher eine Zunahme chromosomaler Aberrationen (NOR­DENSON u. a. 1989; SAGRADO u. a. 1989). Wo Befunde auftraten, finden sie sich im Bereich von tiber 161lT.

Abschliej3end darf gesagt werden, daj3 eine Krebs-Initiation durch Magnetfel­der unwahrscheinlich ist.

11.5.3 Zellwachstum und Prolijerationsindex Schwieriger ist die Forschungslage bei der Beeinflussung des Zellwachstums. Un­sere eigenen Versuche zeigen eindeutig, daB das Wachstum menschlicher Lympho­zyten und das von Ascites-Sarkom-Zellen durch Magnetfelder gesteigert wird, ge­messen mit dem sogenannten ,Proliferations Index'. Die Effekte sind klein, aber - wie auch die OR-Raten der Epidemiologien - durchweg in Richtung einer Steigerung des Proliferationsindex' verandert (s. Abbildung 4). Dieses Ergebnis

Delta P, [%]

Delta P, [%]

Amml1'

~ r----------------------------------------------------' Zusammengestellt ohne Benx:kslchhgung elnes MaBstabes fOr die Abszlsse vom Inshtut zur Erforschung elektnscher Unfalle

~~------------------------------------------------------~

10 8CXX>

Induktlon des magneltschen Wechselfeldes [IJT]

Abb.4. Anderung des Proliferations-Index vorbehandeiter menschlicher peripherer Lym­phozyten. (Versuche von P. EBERLE, Institut fUr Humanbioiogie, Braunschweig).

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Gefahrden Magnetfelder die Gesundheit? 73

fanden drei unserer Laboratorien unabhangig voneinander (EBERLE; LISS; OBE). Diese gesteigerten Wachstumsraten finden sich freilich nur dann deutlich, wenn die Zellteilung durch Zusatz von mitosesteigernden Agenzien (zum Beispiel 1feni­mon) gesteigert und die Zelle dadurch auch fUr einen m6glichen Magnetfeld-Ein­fluB sensibilisiert wird.

Die Daten der Literatur sind auch beziiglich der Wachstums-Beeinflussung wi­derspriichlich. Einige Autoren finden die Mitosehaufigkeit bzw. das Zellwachs­tum gesteigert (CADOSSI u. a. 1988; DIHEL u. a. 1985; PHILLIPS u. a. 1986; Ross 1990). Andere Untersucher finden nichts dergleichen (COHEN u. a. 1987). Die Experimente sind schwierig, zum Beispiel der EinfluB der Kultur-Medien offen­bar hoch (COHEN u. a. 1988).

Doch gibt es eine Reihe weiterer Beobachtungen der Art, daB die Mitosen durch Magnetfelder gesteigert werden, so daB EASTERLY (1981), der diese Literatur re­feriert, hierauf ein Modell der Krebs-Promotion aufgebaut hat. Wahrend die bis­herigen Experimente mit relativ hohen Magnetfeldstarken angestellt wurden, zei­gen unsere Versuche, die in der Abbildung 4 dargestellt wurden, erstmals, daB auch Magnetfelder im real existierenden Bereich von 1 ~T diese Wirkung besit­zen, daB also diese wachstumsfardernde Wirkung des Feldes tatsachlich ein apo­diktisches Modell sein k6nnte, wenn sich unsere Versuche bestatigen.

Das Zellwachstum wird von zahlreichen Mechanismen gesteuert, und es ist aus solchen Versuchen kein Hinweis auf den Ort der Einwirkung abzuleiten. Auch se­hen die in der Abbildung dargestellten Resultate noch chaotisch aus, zeigen jeden­falls keine monotone Dosis-Wirkungs-Beziehung. Auffallig ist aber auch hier die Einseitigkeit der Veranderung: der Proliferationsindex steigt immer nur an, wo er doch - methodisch gesehen - ebenso durch zufiUlige Einfliisse gesenkt hatte er­scheinen k6nnen. Die Anstiege liegen im gleichen Bereich wie die der OR-Werte der epidemiologischen Studien.

11.6 AbschlieOende Beurteilung der Modell-Versuche

Die an Tieren und Zellen in Kultur durchgefiihrten Experimente lassen in der Synopsis folgende Schliisse zu:

1. Eine Initiation von Krebs (also eine mutagene Wirkung an Chromosomen) ist unwahrscheinlich. Zwar gibt es widersprtichliche Resultate der Art, daB Aberra­tionen und Schwester-Chromatid-Austausche im Magnetfeld gelegentlich ver­mehrt auftreten, aber dann immer unter Feldstarken, wie sie als Gefahr fUr den Menschen bei Dauerbelastung nicht vorkommen.

2. Magnetfelder greifen in den Stoffwechsel und die EiweiB-Synthese ein, aber nur bei relativ hohen Feldstarken (tiber 0,38 mT). Es ist zudem nicht ersichtlich, wie diese Wirkungen kanzerogen sein sollten.

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3. Der SchluB von der Wirkungslosigkeit hoher auf die kleinen Feldstarken mag nicht berechtigt sein (Zyklotron-Resonanz), weil es einige Experimente gibt, wel­che flir die Resonanz-Theorie sprechen. Aber auch diese Theorie verlangt den Nachweis von Wirkungen im Bereich der real gefahrdenden Feldstarken, der nicht vorliegt.

4. Eine Krebs-Promotion am Ganztier zeigt sich nicht in gesicherter Form. Die Zahl der Tiere ist zu klein, die Feldstarken, denen sie ausgesetzt waren, zu hoch.

5. Eine Erklarung der magnetischen Krebs-Promotion konnte in der magneti­schen Beeinflussung des Pinealorgans liegen, die sicher existiert. Aber es ist nicht erwiesen, ob diese Wirkungen eine hinreichend niedrige Schwelle haben.

6. Das Zellwachstum ist noch bei 1 Il T anscheinend beschleunigt. Doch ist auch dieses Resultat nicht allgemein akzeptiert. Der Befund konnte eine schwache Kan­zerogenitat erklaren.

Es gibt also zur Zeit kein apodiktisches Modell einer von Magnetfeldern ausge­henden kanzerogenen Wirkung - mit Ausnahme der Befunde bei der Zellteilung, die weiterer Bestatigung bedurfen.

12 Storungen der Foetal-Entwicklung durch Magnetfelder?

Gesundheitsgefahren konnten nicht nur durch Krebsauslosung entstehen, wenn­gleich diese Gefahr dominiert und sich die Forschung vorwiegend ihrer angenom­men hat. Eine Gefahr wurde es auch sein, wenn Magnetfelder entweder genetische Veranderungen hervorriefen, welche die Nachkommenschaft schadigen, oder wenn die foetale Entwicklung im Mutterleib gestort wurde, mit der Folge von Fruchtschaden (miscarriages). Naturlich konnen MiBbildungen der Foeten auch durch Schadigungen des genetischen Apparates bedingt sein.

Wir konnen hier, schon aus Grunden mangelnder Kompetenz, nicht auf die schwierige Unterscheidung von Schaden durch genetische Anderungen und durch Anderungen der foetalen Entwicklung eingehen, zumal die erarbeiteten Befunde zu dieser Frage sparlich sind. Y.on zahlreichen Moglichkeiten einer Schadigung der Erbsubstanz ist nur eine einzige, und auch diese mehr zufaIlig, beobachtet worden: die Entwicklung von Hirntumoren bei Kindern, deren Vater haufigen und starken Magnetfeldern ausgesetzt waren. Diese Literatur wurde schon in Kap. 10.2 besprochen (vgl. Tabelle 14). Die Wahrscheinlichkeit, nach denen Kin­der mit Neuroblastomen von Vatern mit hoher magnetischer Exposition stam­men, ist bei BUNIN u. a. (1990) sogar mit einem OR-Wert von 4,0 angegeben wor­den. Diese Zahlen sagen aber wenig uber Magnetfeldwirkungen aus, weil es zahl­lose industrielle Einwirkungsmoglichkeiten auf das Erbgut der Vater gibt, die hier

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