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Gefährden Magnetfelder die Gesundheit? || Die Schwierigkeiten des epidemiologischen Nachweises...

Date post: 08-Dec-2016
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20 H. Schaefer Fall-Gruppe angereichert sein. Diese Anreicherung laBt sich messen, indem die Zahl der Hille, die entsprechend der Zufallsverteilung der Kontrollen erwartet werden muBte, urn die Zahl der durch das Feld erzeugten Krankheitsfalle erhoht ist und in dieser Erhohung beobachtet wird. Der Quotient der Beobachtung (ob- served) und der Erwartung (expected) ist als OlE-Quotient ein MaB der kanzero- genen Potenz des Feldes. Da aber die Gruppe der "Fane" nach dem Kennzeichen der Krankheit ausgewahlt wurde, ist sie nicht mehr mit den Kontrollen vergleichbar, wenn die Krankheit auch durch einen EinfluB (Confounder) entsteht, der zwar mit den Feldem in seiner Wir- kungsgroBe korreliert, aber eben an sich nichts mit diesen Feldem zu tun hat. Feld- abhangige Confounder beeinflussen dann die Gruppe der Erkrankten so, daB die Zahl der Fane in hohen Feldem angereichert ist, ohne daB diese Anreicherung durch das Feld selbst verursacht wird. Wir mogen einen solchen Confounder einen spezifischen Confounder nennen. Man konnte seinen EinfluB zwar durch Standar- disierungs-Verfahren (Stratifikationen) beseitigen, wenn man seine GroBe im Ver- haItnis zur GroBe des Feldeinflusses kennt. Wenn der Confounder aber mit der Starke des Feldes eng verknupft ist, sein EinfluB an der Erzeugung von "Fallen" von dem des Feldes in individuell verschiedenem AusmaB verschieden ist, so bringt die Standardisierung erhebliche Unsicherheiten mit sich. Wurde z. B. ein starkes Magnetfeld selbst tatsachlich keinerlei krebserzeugende Wirkungen entfalten, aber mit einem starken krebserzeugenden Faktor gekoppelt auftreten, so wurde man sowohl filr das Magnetfeld als auch filr diesen Faktor gleich hohe Risiken errechnen, die bei einer Standardisierung auf einen der beiden Faktoren die Wirkungslosigkeit des anderen ergaben, gleich welcher der beiden Faktoren de facto wirksam ist. Verteilen sich die beiden Faktoren aber anders, z. B. nach individuellen Gesichtspunkten, durch einen Faktor "Suszeptibilitat", der in seiner Verteilung nicht bekannt ist, so ist eine Standardisierung auf Kofak- toren nicht mehr moglich. 4 Die Schwierigkeiten des epidemiologischen Nachweises einer kanzerogenen Potenz der Magnetfelder Die in Kapitel 1.2 aufgefuhrten Schwierigkeiten haben von den bislang durchge- fuhrten Studien nur zu einem kleinen 'leil uberwunden werden konnen. Es ist un- sere Absicht, zu verdeutlichen, daB sie vermutlich im Zusammenhang unseres Themas grundsatzlich nicht zu uberwinden sind, das Problem der Gefiihrdung durch Magnetfelder also anders als durch experimentelle Abklarung bewaItigt werden muB. Die Frage einer moglichen Modell-Theorie muB einem eigenen Kapitel (11) vor- behalten bleiben, ebenso die Theorie der Confounder, die in Kapitel 8 eingehend - 232 - H. Schaefer, Gefährden Magnetfelder die Gesundheit? © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 1991
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20 H. Schaefer

Fall-Gruppe angereichert sein. Diese Anreicherung laBt sich messen, indem die Zahl der Hille, die entsprechend der Zufallsverteilung der Kontrollen erwartet werden muBte, urn die Zahl der durch das Feld erzeugten Krankheitsfalle erhoht ist und in dieser Erhohung beobachtet wird. Der Quotient der Beobachtung (ob­served) und der Erwartung (expected) ist als OlE-Quotient ein MaB der kanzero­genen Potenz des Feldes.

Da aber die Gruppe der "Fane" nach dem Kennzeichen der Krankheit ausgewahlt wurde, ist sie nicht mehr mit den Kontrollen vergleichbar, wenn die Krankheit auch durch einen EinfluB (Confounder) entsteht, der zwar mit den Feldem in seiner Wir­kungsgroBe korreliert, aber eben an sich nichts mit diesen Feldem zu tun hat. Feld­abhangige Confounder beeinflussen dann die Gruppe der Erkrankten so, daB die Zahl der Fane in hohen Feldem angereichert ist, ohne daB diese Anreicherung durch das Feld selbst verursacht wird. Wir mogen einen solchen Confounder einen spezifischen Confounder nennen. Man konnte seinen EinfluB zwar durch Standar­disierungs-Verfahren (Stratifikationen) beseitigen, wenn man seine GroBe im Ver­haItnis zur GroBe des Feldeinflusses kennt. Wenn der Confounder aber mit der Starke des Feldes eng verknupft ist, sein EinfluB an der Erzeugung von "Fallen" von dem des Feldes in individuell verschiedenem AusmaB verschieden ist, so bringt die Standardisierung erhebliche Unsicherheiten mit sich.

Wurde z. B. ein starkes Magnetfeld selbst tatsachlich keinerlei krebserzeugende Wirkungen entfalten, aber mit einem starken krebserzeugenden Faktor gekoppelt auftreten, so wurde man sowohl filr das Magnetfeld als auch filr diesen Faktor gleich hohe Risiken errechnen, die bei einer Standardisierung auf einen der beiden Faktoren die Wirkungslosigkeit des anderen ergaben, gleich welcher der beiden Faktoren de facto wirksam ist. Verteilen sich die beiden Faktoren aber anders, z. B. nach individuellen Gesichtspunkten, durch einen Faktor "Suszeptibilitat", der in seiner Verteilung nicht bekannt ist, so ist eine Standardisierung auf Kofak­toren nicht mehr moglich.

4 Die Schwierigkeiten des epidemiologischen Nachweises einer kanzerogenen Potenz der Magnetfelder

Die in Kapitel 1.2 aufgefuhrten Schwierigkeiten haben von den bislang durchge­fuhrten Studien nur zu einem kleinen 'leil uberwunden werden konnen. Es ist un­sere Absicht, zu verdeutlichen, daB sie vermutlich im Zusammenhang unseres Themas grundsatzlich nicht zu uberwinden sind, das Problem der Gefiihrdung durch Magnetfelder also anders als durch experimentelle Abklarung bewaItigt werden muB.

Die Frage einer moglichen Modell-Theorie muB einem eigenen Kapitel (11) vor­behalten bleiben, ebenso die Theorie der Confounder, die in Kapitel 8 eingehend

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H. Schaefer, Gefährden Magnetfelder die Gesundheit?© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 1991

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dargestellt wird. Nachfolgend sollen die restlichen Fragen kurz und kritisch erOr­tert werden:

1. die Frage der MeBbarkeit (Quantifizierbarkeit) der Gefahr (Dosis oder Intensi-tat);

2. die Frage nach einer Schwelle der Gefahr; 3. gibt es Dosis-Wirkungs-Beziehungen? 4. gibt es eine Hormesis? 5. wie sehen die Latenzen zwischen Einwirkung und Folge aus?

4.1 Sind die me6technischen Grundlagen ausreichend?

Aile Schwierigkeiten des Themas sind nur dann IOsbar, wenn das Problem der MeBtechnik befriedigend gelOst ist. Dieses methodische Problem gliedert sich in verschiedene Aspekte:

1. Was verstehen wir unter ,Exposition' (Gefahr)? 2. Wie laBt sich die Gefahr raumlich definieren? 3. Wie laBt sie sich zeitlich definieren?

4.l.l. Schon die erste Frage wirft ein besonderes Problem auf. In allen Studien -bis auf die von TOMENIUS, SAVITZ und SEVERSON - sind Magnetfelder nicht di­rekt gemessen worden. Sie wurden vielmehr nach einem Indikator geschatzt, der freilich statistisch signifikant - wie spatere Messungen belegen (BARNES u. a. 1989) - mit den effektiven Feldstarken korreliert, aber mit hohen Streuungen. Bestimmt wurde namlich die Dichte der elektrischen Leitungen, die in der Nahe der Wohnungen fiber den Dachern ausgespannt waren. Das Verfahren wurde oben beschrieben (Kapitel 2). Es schatzt die Starke magnetischer Felder nach der Schat­zung relativer Stromstarken in diesen Leitungen, wobei dem dickeren Draht die hOhere Stromstarke zugeschrieben wurde. Dabei wird auf eine quantitative Be­stimmung verzichtet und die "Gefahr" nur in Gruppen wachsender Wahrschein­lichkeit hoher Magnetfelder eingeteilt. Wenn also die "Gefahr" die Stlirke eines Magnetfeldes sein sollte, so ist diese nicht in allen Studien bestimmt worden. Es erhebt sich dabei die Frage, ob die Verdrahtungen (,high wiring configuration') auBer Magnetfeldern noch andere EinfluBmOglichkeiten - zum Beispiel sozio­Okonomische - indizieren. (Hohe Verdrahtungsdichte gleich schlechte Wohnge­gend oder hoher Verkehr?)

4.1.2. Die raumliche Definition der Gefahr ware dann relativ einfach, wenn ein Magnetfeld das Wohnhaus - mehr oder weniger homogen, von auBen kommend - durchdringt. Man kann dann sogar vor der Tilr der Wohnungen verlaBliche Messungen machen (TOMENIUS 1987). Spielen aber hausliche Quellen der Felder

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eine Rolle, so ist ein solches Verfahren nicht statthaft. Dann mUBten Mittelwerte an verschiedenen Orten und zu verschiedenen Zeiten die GefahrengroBe bestim­men. SAVITZ (1987) hat als erster solche Messungen gemacht. Zum GlUck gibt es gute GrUnde, anzunehmen, daB die relativ homogenen tiu,Peren Felder die Gefahr­lichkeit bestimmen (KAUNE u. a. 1987).

4.1.3. Sehr viel schwieriger ist das Problem der zeitlichen Einwirkung zu beherr­schen. Viele Menschen sind im Beruf sehr viel hoheren Feldern exponiert als zu Hause (Kapitel 10.1). Diese Exposition ist zwar kUrzer, aber das Produkt von In­tensitat und Zeit (die Dosis) ist fUr die berufliche Exposition sehr viel hoher. Kommt es aber auf die Zeitdauer an, so ist die Frage, urn welche Zeiten es sich dabei handelt - vermutlich urn Jahre, so daB die Frage des Wohnungswechsels akut wird. Diese Frage ist zwar vielfach (WERTHEIMER u. a. 1979; SAVITZ 1987; TOMENIUS 1986), aber nicht immer berUcksichtigt worden.

SAVITZ (1987, 1988) hat Ubrigens verschiedene Zeitdauern der Einwirkung der Felder zu erfassen versucht - aber mit wenig Erfolg. Die Daten hatten Fehler­quellen, die nicht auszuschlieBen waren und zum Beispiel auch dazu fUhrten, daB bei SAVITZ die Dokumentation der ,~iring configuration" (~iring Code') ver­laBlicher war als die Dokumentation der gemessenen FluBdichten (SAVITZ 1987), was die Zeitdauer der Exposition anlangt.

Die begrenzte Zahl der MeBpunkte in einer Wohnung bedingt, daB man das In­tegral der zeitlichen Wirkung nie vollstandig mess en kann. Endlich sind die Feld­starken zeitlich inkonstant; sie hangen von der Belastung der Freileitungen in der Wohnungsnahe und dem Stromverbrauch in der Wohnung abo Was ist ferner der Aufenthaltsort der Probanden? Die Wohnung? Welcher Raum? Ein Punkt auBer­halb?

Sollten also die Effekte von einer Dosis (dem integralen Produkt aus Feldstarke und Einwirkungsdauer) abhangen, so ist gerade diese Dosis retrospektiv nicht exakt bestimmbar.

4.2 Gibt es eine Schwelle?

Warum die Frage nach einer Schwelle wichtig ist, wurde oben schon (Kapitel 1.2) kurz angedeutet. Ob eine Schwelle vorliegt oder nicht, ist aus den bisherigen Da­ten nicht zu beantworten. Folgendes sind die GrUnde: Die weitaus groBte Zahl der Menschen wohnt, wie die Verteilung der Abbildung 1 zeigt, in sehr niedrigen Feld­stiirken, deren magnetische FluBdichte unter O,lIJ.T liegt. Zwar ist die Krebshau­figkeit in diesen Feldern relativ klein, und man mUBte also annehmen, daB diese Krebsfalle meist durch andere Faktoren und nicht durch Magnetfelder bedingt sind. 'D'ifft das aber auf aile Krebsfiille zu? Der EinfluB der Kofaktoren (Con­founder) ist Uberall dominant, aber auch in den kleinsten Feldern - etwa unter 0,5 mG (50 nT) - konnte ein Krebs auch dem Magnetfeld zugeschrieben werden.

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Hl:1ufigkeit [%] 16~~:~~~~~:~: .. :~~~~~~~~~~~~~~~~

•• Lowpower :::: ...•...•.........•........ ; .... : .... ; .... : ............•..... . . . . . " .: : :

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ou-______________ ~~~~~~~ .. :~·~: ~~.:~ o 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0 1.2 1.4 1.6 1.8 2.0 2.2 2.4 2.6 2.8 3.0 3.2 3.4 3.6 3.8 4.0 4.2 4.4 4.6 4.8 [mG]

o 0.1 0.2 0.3 0.4 [IJT]

Induktion [mG] bzw. [!-IT]

Abb. 1. Haufigkeit der Mel3werte der magnetischen Induktion in Wohnungen gemit13 SAVITz-Studie (USA).

Falls man an der Hypothese der Krebsgefahrdung festhalt, gibt es keinen logi­schen Grund, die Wirksamkeit etwa bei 50 oder 100 nT (0,5 -1 mG) zu begrenzen. Vielleicht ist die Situation hier ebenso wie beim Blutdruck, der auch in jedem -auch dem niedrigsten - Bereich bei einer Steigerung eine Zunahme der Wahr­scheinlichkeit koronarer Insulte zeigt (STAMLER u. a. 1972).

4.3 Gibt es Dosis-Wirkungs-Beziebungen?

Ein relativ verUillliches Kriterium, daB eine Noxe-Wirkung-Korrelation kausal in­terpretierbar ist, ist die Existenz einer sogenannten ,Dosis-Wirkungs-Kurve', das heiBt: die Thtsache, daB die Intensitat der Wirkung (zum Beispiel die Zahl der Erkrankten) mit der Intensitat der Noxe (zum Beispiel der Gr6Be der magne­tischen FluBdichte) zumindest monoton, wenn m6glich linear zunimmt. Wo ein solches Dosis-Wirkungs-VerhaItnis sich nicht nachweisen laBt, ist ein Wirkungs­zusammenhang keineswegs auszuschlieBen. Hatte die Noxe zum Beispiel eine Schwelle, unterhalb derer kein Effekt, oberhalb derer aber immer derselbe Effekt auf tritt, so k6nnte es Dosis-Wirkungs-Kurven nur dann geben , wenn ver­schiedene Individuen gegen die Noxe merklich verschieden sensibel sind, und zwar so, daB sie zur Ausl6sung der Wirkung verschieden hohe Intensitaten (hier also Feldstarken) ben6tigen. Wir haben in Kapitel 1.2 diese Grundfragen schon er6rtert.

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Dosis-Wirkungs-Kurven konnen vor allen Dingen dann unerkennbar werden, wenn starke Confounder, Kofaktoren einer Karzinogenese, wirksam sind. Da nie­mand bezweifelt, daB die Mehrzahl der Krebsfalle in allen Magnetfeldstudien an­deren Faktoren ihre Entstehung verdanken, wtirde man das Fehlen der Dosis-Wir­kungs-Beziehungen durchaus verstandlich finden.

Findet sieh jedoch eine klare Dosis-Wirkungs-Beziehung, so ist es relativ un­wahrscheinlich, daB diese Beziehung durch Confounder nur vorgetauscht wird, da eine solche Tauschung ja voraussetzen mtiBte, daB der Confounder selbst von der Dosis der vermuteten Noxe gesetzmaBig in gleieher Form abhangt, solche Abhan­gigkeiten aber vermutlich erkennbar waren, so daB der Confounder ermittelt und sein EinfluB geprtift werden kann. Sieher ist dann freilich auch nieht, daB ein Zu­sammenhang existiert, denn es gabe durchaus die Moglichkeit, daB ein Confoun­der, den man gar nieht kennt, mit der Dosis der Noxe zusammenhangt. In unse­rem Fall konnte zum Beispiel die (okonomische) Qualitat einer Wohnung mit der Zahl der tiber ihr verspannten Freileitungen sinken und der Grad der Wohlhaben­heit ein mitverursachender Faktor der Karzinogenese sein. Wie wir unten zeigen werden, haben mehrere Confounder in der gleiehen zu analysierenden Studie tiber Magnetfeldwirkungen deutliche Dosis-Wirkungs-Abhangigkeiten.

Die elementaren Daten von SAVITZ (1988) sind in Thbelle 2 bereits wiedergege­ben worden. Wie man erkennt, liegt eine angedeutete, aber nicht strenge Dosis-Wir­kungs-Beziehung vor. Nur die hochste Klasse der magnetischen FluI3dichte hat eine merklich erhOhte OR-Zahl. Auch diese schwache Beziehung findet sieh nieht mehr, wenn die Klassifikation der FluBdiehten nach Messungen erfolgt, welche zum Zeit­punkt hohen hauslichen Stromverbrauchs vorgenommen wurden (Tabelle 3). Man mtiBte daraus den SchluB ziehen, daB es bei der Kanzerogenese auf die Dauer-Ex­position ankommt, welche von den auBerhauslichen Leitungen stammt, nicht aber auf die vermutlich kurzen Belastungen durch hausliche Stromentnahme.

In dem Material, das in Thbelle 1 aufgeftihrt ist, werden Dosis-Wirkungs-Bezie­hungen nieht immer geprtift und sind auch nieht nachtraglich prtifbar. Nur in ei-

Tabelle 3. Daten des gieichen Kollektivs der Krebsfalle wie Tabelle 2. Die magnetischen FluBdichten betreffen jetzt aber die MeBergebnisse, welche bei eingeschalteten Haushalts­geraten gewonnen werden ("high power"-Bedingung). Zahien aus SAVITZ (1988), TabeI-

Ie 2. Berechnung von OlE und OR wie in Tabelle 2 angegeben.

FIuBdichten Zahl der Zahl der OlE OR 950/0 Konfidenzbereich in mG Falle m Kontrollen n fUrOR

0- <0,65 61 99 0,97 1,00 0,65 - < 1,0 23 33 1,09 1,13 0,61-2,11 1,0- <2,5 32 54 0,94 0,96 0,56-1,65

>2,5 13 18 1,14 1,17 0,54-2,57 Alle 129 204

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Tabelle 4. Krebswahrscheinlichkeit aller Krebserkrankungen bei Kindem, in OR-Werten, bezogen auf die Falle aller niedrigen Wiring-Klassen gleich 1,0, in Abhangigkeit von der Klasse der High wiring configuration nahe der Wohnung. Die starkste Klasse ist die ober­ste Reihe. Die Zahlen setzen sich aus den Fallen mit stabilem Wohnort und mit Wohungs­wechsel, doch der Adresse des Sterbeortes, zusammen. Daten entnommen der Tabelle 3

bei WERTHEIMER u. LEEPER (1979).

Expositionskriterium Zahl der Zahl der Mittlere FluBdichte OR der Er-Krebsfalle Kontrollen der Klasse in mG krankung

Large primaries, unter 52 23 7 2,88 40m Abstand Thin primaries, unter 30 21 2,2 1,82 20m Abstand First span secondaries, 42 30 1,7 1,79 unter 15 m Abst. Aile "low configurations" 199 254 >1,0 1,00 Zahl aller Falle und Kon- 322 328 trollen

nigen Fallen, in denen die Prufung moglich ist, findet sich auch eine solche Bezie­hung. Schon die erste Studie von WERTHEIMER u. a. (1979) zeigte eine Beziehung zwischen den Klassen der "High wiring configuration" und dem Krebsrisiko aller Krebsformen bei Kindem.

Thbelle 4 zeigt die Werte, welche eine deutliche Dosis-Wirkungs-Beziehung auf­weisen. Dann geben COLEMAN u. a. (1987) eine solche Beziehung an, wenn die Absmnde der Wohnung von einer Freileitung als MaB der Exposition dienen. Die OR-Werte sind bei steigenden Abstanden: 1,76-1,31-0,93 -1,0 fUr die Leuk­amie der Erwachsenen. Bei MYERS u. a. (1985) finden sich seltsame OR-Werte bei sinkenden (!) geschatzten Feldstarken: 0,5-1,6-2,4-1,0-1,0 bei fUnf ver­schiedenen Abstanden von einer Freileitung. Sonst findet sich eine Dosis-Wir­kungs-AbMngigkeit nur noch bei SEVERSON u. a. (1988) und bei SAVITZ. Diese Befunde lassen eine echte Dosis-Wirkungs-AbMngigkeit also nicht immer erken­nen.

Bei den kleinen Fallzahlen von SAVITZ findet sich nur in einer Thbelle eine kla­re Dosiswirkung; die Werte sind in Tabelle 5 wiedergegeben. Diese Thbelle zeigt freilich eine Klasseneinteilung besonderer Art: es wird eine Zwei-Klassen-Eintei­lung vorgenommen, aber bei fUnf verschiedenen Grenzwerten, welche die niedrige von der hohen Exposition trennen. Fur die Krebsfiille insgesamt ist die Dosiswir­kung schwach, fUr die LeuUmiefalle aber deutlich. Diese Klassenbildung hat den Vorteil, daB sie stets die gesamten Fallzahlen benutzt, wobei naturlich die Zahl der FaIle und ihrer Kontrollen bei steigender Exposition sinkt. Weitere Dosis-Wir­kungs-AbMngigkeiten finden sich in der Literatur nicht.

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TabeUe 5. Relatives Risiko, berechnet aIs Odds Ratio (OR), fUr aile kindlichen Krebs- und LeukamiefaIle, und die FaIlzahlen, welche zur Berechnung der OR dienten (Falle/Kon­trollen). Die magnetischen FluBdichten sind bei abgeschalteten Elektrogeraten ("low po­wer") gemessen. Die Klasseneinteilung ist so zu verstehen, daB der links angegebene Wert der magnetischen FluBdichte die FaIle mit niedriger und hoher Exposition trennt, daB also beim gleichen Material fUnf verschiedene "Schadigungsgrenzen" nach stufenweise hohe­ren Grenzwerten angenommen werden ("Cutoff"). Die Zahl der so unterschiedlich klassi­fizierten FaIle betrug fUr aIle Klassen 128, die Zahl der Kontrollen 209, die nur der Leuk­amiefaIle 36. (Daten aus SAVITZ 1988, Tabelle 6). Angegeben wird diejenige Anzahl von Fallen und Kontrollen, welche in den 128 bzw. 209 Gesamtfallen und -kontrollen in denje­nigen Feldern wohnen, welche die links angegebene Grenzmarke uberschreiten. Die Mehr­zahl der FaIle und Kontrollen wohnte in Wohnungen mit einer mittleren magnetischen

FluBdichte von weniger aIs 1 mG. Diese FaIle sind in der Tabelle nicht aufgefUhrt.

Grenzwert der ma- OR aller FaIlzahl OR der Fallzahl gnetischen Belastung Krebsfalle (Falle/Kontr. ) Leuk- (Falle/Kontr. )

arnie-FaIle

1,OmG 1,25 33/45 1,58 11/45 1,5mG 1,16 19127 1,90 8127 2,OmG 1,35 13/16 1,93 5/16 2,5mG 1,38 10/12 2,03 4/12 3,OmG 2,34 7/5 3,67 3/5

Fiir die Beurteilung der Giiltigkeit eines epidemiologisch vermutbaren Zusam­menhangs ist nicht nur der bloBe Nachweis einer Dosis-Wirkungs-Beziehung wichtig, sondern auch der Nachweis, daB die Dosis-Wirkungs-Beziehung zumin­dest im Prinzip davon unabhangig ist, in welche Klassen man die Expositionsstar­ke einteilt, das heiBt: wo man die immer willkiirlich zu wahlenden Grenzen zwi­schen einer vermutlich unschadlichen und schadlichen Exposition hinlegt. Man wird im vorliegenden Fall nicht darauf bestehen k6nnen, daB Verschiebungen der Klassengrenzen die Dosis-Wirkungs-Kurve iiberhaupt nicht verandern, zum Bei­spiel ihre Steilheit unbeeinfluBt lassen. Dafiir sind die Fallzahlen zu klein, der EinfluB von Confoundern zu machtig.

Leider ist diese Frage nur am Material der Studie von SAVITZ, und zwar an der vorlaufigen Fassung von 1987, priifbar. Das Ergebnis ist unklar, was bei der sehr schiefen Haufigkeitsverteilung der Faile auf die verschiedenen FluBdichten nicht verwundert. SAVITZ hat vier verschiedene Einteilungen der Expositionsstarke ge­priift, wobei teils die Feldstarken in etwa gleiche FluBdichten-Bereiche eingeteilt wurden, mit nur geringen Unterschieden in den Grenzwerten (Grenzen bei 0,5-1,0-2,0 mG und bei 0,65-1,0-2,5 mG). leils wurden die Faile in Quintilen und Tertilen eingeteilt, was andere Grenzwerte der FluBdichten ergibt, Grenzen, die sehr eng zusammenriicken, weil hohe FluBdichten selten sind. Keine der vier

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verschiedenen Klasseneinteilungen der FluBdichte zeigt eine Dosis-Wirkungs-Kur­ve. Die h6chsten OR-Werte finden sich bei der Quintilen-Einteilung, aber auch ohne monotone Dosis-Abhangigkeit.

Dosis-Wirkungs-Beziehungen drucken sieh nicht nur in der Korrelation von In­tensitat einer Noxe und Krankheitshaufigkeit aus, sondern bei fast allen - insbe­sondere auch bei chemischen - Noxen in einer positiven Korrelation von Exposi­tionsdauer und Erkrankungswahrscheinlichkeit. Wenn eine solche Beziehung exi­stieren wurde, muBte sie zu einer Abhangigkeit zwischen der Zahl der Erkrankten und der Zeitdauer der Exposition ftihren. Doch besteht eine solche Beziehung in paradoxer Form: die kurzeste Expositionsdauer hat die h6chste Erkrankungs­wahrscheinlichkeit (SAVITZ u. a. 1988). Die Zahl der Faile ist allerdings klein, und die Konfidenzbereiche sind breit. Die Daten gaben aber keinen Hinweis auf einen Feld-Krebs-Zusammenhang.

Freilich ware in unserem speziellen Fall die kausale Interpretation dieser Daten extrem unsieher. Bei jeder langdauernden Exposition spielen die Reparatur-Me­chanismen der Zelle, falls ein Schaden entstanden ware, eine ausschlaggebende Rolle. Wie aber die Begriffe "Reparatur", "Intensitat einer Noxe", "Schwelle der Noxe" und Wahrscheinlichkeit einer Erkrankung zusammenhangen, ist derzeit ein ungel6stes Problem. Die experimentelle Klarung wird vorwiegend an einfachen Gebilden (zum Beispiel Bakterien) versucht (vgl. KENYON u. a. 1980). Die Ver­haltnisse am Menschen sind sieher komplizierter.

Insgesamt wird man das Kapitel der Dosis-Wirkungs-Beziehung mit der Fest­stellung abschlieBen k6nnen, daB sich eine Beziehung zwar gelegentlich, aber doch relativ selten findet. Falls Magnetfelder kanzerogen sein sollten, sind Con­founder absolut dominant. Dieser SchluB wird sich unten weiter erharten lassen: die Confounder - soweit sie sich im Material der Studien identifizieren und auf mehrere Intensitaten aufteilen lassen - zeigen eine bemerkenswert strenge Dosis­Wirkungs-Beziehung, wie Thbelle 9 und Thbelle 10 angeben (vgl. Kap. 7).

4.4 Gibt es eine Hormesis?

Die Frage der Dosis-Wirkungs-Beziehungen wtirde nicht unerheblich kompliziert, wenn sich auch bei Magnetfeldern - falls sie uberhaupt wirksam sind - das Phanomen der ,Hormesis' auffinden lieBe.

Bei fast allen toxischen Einwirkungen ist die Schwellenfrage namlich durch die Existenz der ,Hormesis' kompliziert, die eingangs geschildert wurde (Kapitel1.2). So k6nnten zum Beispiel geringe Strahlendosen bzw. Feldstarken eine Schutzwir­kung vor dem geftirchteten Strahlenkrebs entfalten (Literatur bei SAGAN 1987; WACHSMANN 1987).

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4.5 Das Problem der Latenzen

Die mit der Latenz des Krankheitseintritts verbundenen Unsicherheiten sind eben­falls erheblich. Was man miBt, ist immer nur die Zahl der schon eingetretenen Er­krankungen, nicht aber ein "endgultiges" Ergebnis. Auch kennt man - wie so­eben gesagt wurde - weder die Zeitdauer der Exposition noch die Latenzzeit der Erkrankung im konkreten Einzelfall. Man ist also auf willkurliche Festlegungen hinsichtlich der fUr die Erkrankung wesentlichen Dauer der Exposition angewiesen 3 •

Alle diese Unsicherheiten werden uberboten durch die Schwankungen, welche daraus resultieren, daB verschiedene Menschen nicht nur verschiedene "Suszepti­biliUiten" (Empfindlichkeiten) fUr die Einwirkung von Noxen zu haben pflegen -eine Eigenschaft, die bei der Einwirkung von Magnetfeldern sicher eine groBe Rolle spielen wurde, falls Magnetfelder kanzerogen sind. Uberdies durften auch die Latenzen, welche zwischen Expositionsbeginn und manifester Erkrankung lie­gen, individuell stark schwanken, obgleich wir uber solche Latenzen kaum Kennt­nisse besitzen. Wir wissen zum Beispiel nicht, welche Faktoren die oft jahrzehnte­lange Latenz von Karzinomen nach Bestrahlung bestimmen (zur Problematik s. SCHIRRMACHER u. a. 1987, S. 14ff.; KROKOWSKI 1979).

Die Unsicherheit hinsichtlich der GroBe der Latenzen hat zur Folge, daB die Frage des "Zusammenhangs" zwischen angeblicher (vermuteter) Noxe und Krankheit schwer zu beurteilen ist. LOsen HiBt sich diese Zusammenhangsfrage durch eine Epidemiologie nur, wenn es gelingt, Populationen zu definieren, die einer einmaligen, definierten Einwirkung, zum Beispiel einer therapeutischen Be­strahlung oder einer Atombombe in Hiroshima oder Nagasaki, ausgesetzt waren. Diese definierbare Exposition existiert aber, wie wir in Kapitel 4.2 erorterten, in unserem Falle nicht. Die Daten werden dadurch anfiillig gegen die mangelhafte Dokumentation aller Zeitdaten. Eine lehrreiche Diskussion daruber findet sich bei WERTHEIMER u. a. (1989), in der scheinbar negative Resulate (SEVERSON u. a. 1988) dann durch Umstrukturierung der Daten hinsichtlich ihrer Zeitparameter positiv werden.

4.6 Schwache Wirkungen

Wie oben schon gesagt, wird die Wirkung der Magnetfelder, falls sie uberhaupt existiert, eine "schwache Wirkung" sein - allein schon deshalb, wie Aw (1988) sagt, weil aile Primarerfahrungen fehlen. Unter ,schwachen Wirkungen' verstehen wir (anders als in der Physik) Wirkungen, gegen die besonders viele Menschen un­empfindlich sind. Bei allen Noxen findet sich eine erhebliche Differenz der Sus-

3 Dieses Problem taucht bei allen Beurteilungen von Verlauf und Heilung chronischer Krankheiten auf, insbesondere freilich auch beim Karzinom (vgl. KROKOWSKI 1979).

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zeptibilitat bei verschiedenen Personen - eine Thtsache, die kausal vermutlich nur durch genetische Schutzfaktoren zu interpretieren ist. Selbst bei vollig gleicher Exposition gegentiber einer Noxe (zum Beispiel Asbest) tritt die Folgekrankheit nur bei einigen der Exponierten auf. Wir nennen solche Personen, welche trotz Exposition gesund bleiben, "escaper" (SCHAEFER u. a. 1987, S. 177). Man konnte also theoretisch die "epidemiologische Suszeptibilitat" einer Population durch den Quotienten der Zahl der Excaper zur Zahl der Exponierten messen. Leider ist eine solche Messung - wie oben schon gesagt wurde - immer schwierig, weil zahlreiche Kofaktoren wirken, die Exposition der Individuen nie vollstandig er­fa13t wird und die Starke der Exposition sehr zu differieren pflegt.

In einer Feld-Kontroll-Studie, wie sie meistens im Zusammenhang mit unserem Thema vorliegt, tritt die Zahl der Escaper grundsatzlich nicht in Erscheinung, weil man nur von Erkrankten ausgeht. In prospektiven Studien ist das anders. Bei ihnen wtirde eine schwache Wirkung der Magnetfelder bedeuten, daB man sehr viele Probanden beobachten muB, urn eine hinreichend groBe Zahl von "Fallen" zu erhalten. Dennoch spielt die Zahl der Escaper auch bei Fall-Kontroll-Studien insofern eine Rolle, als sich andere konkurrierende Krankheitsursachen gegen die zu testende Wirkung - zum Beispiel der Magnetfelder - durchsetzen, also in der Zahl der FaIle besonders viele solcher FaIle vorgefunden werden, welche ihre Krankheit den konkurrierenden Ursachen verdanken. 1m epidemiologischen Sprachgebrauch heiBt das, da13 die Rolle der Confounder bedeutsam wird. Frei­lich miissen Confounder, wenn sie das epidemiologische Resultat verschleiern, zwischen Hillen und Kontrollen ungleich verteilt sein (zur Nomenklatur vgl. LAST 1983). Wir werden solche Confounder unten vorstellen (Kapitel 6).

Die theoretische Interpretation schwacher Wirkungen ist vermutlich kompli­ziert, falls Wirkungen tiberhaupt existieren. Es konnen die Reparaturkrafte der Zelle offenbar mit den von auBen induzierten Wirkungen an der Zelle schritthal­ten. Die Wirkungen werden - falls sie existieren - wohl von irgendeinem Ver­starker-Mechanismus empfangen und in effektiver Form weitergegeben. Die Zell­membran ist sicher ein solcher Verstarker, was den Elektrophysiologen seit eh und je bekannt ist, aber derzeit wieder neu entdeckt wird (ADEY 1988). Es gibt sogar ziemlich spekulative Theorien dartiber, wie kleine periodische StOrungen ein sta­biles dynamisches System verandern (O'SHEA 1988). Eine ebenfalls recht speku­lative Theorie ist die der "Koharenz" von Zellreaktionen und Verstarkerwirkung (FR6HLICH 1988). Diese Theorien zu diskutieren, tiberschreitet den Rahmen die­ses Berichts.

4.7 AbschlieBende Feststellungen

Das Ergebnis der Summe dieser Unsicherheiten ist eine hohe Streuung der statisti­schen Werte. Wenn zu diesen Ursachen einer hohen Streuung noch die Tatsache hinzukommt, da13 es sich bei einer Noxe urn eine "schwach wirkende Noxe" han-

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delt, kann ein Effekt - selbst wenn er sicher vorhanden ware - unter die Grenze der epidemiologischen ErfaBbarkeit fallen. Die sogenannten ,Konfidenzbereiche' der Wahrscheinlichkeit, denen zufolge ein OR-Wert auch durch zufallige Streuung der FaIle oder Kontrollen hatten entstehen konnen, werden groB und schlieBen meist die sogenannte ,Null-Hypothese', das heiBt: den OR-Wert von 1, mit ein (zur Methode vgl. MIETTINEN 1976).

Ffir die Grundfrage, an deren LOsung die so zahlreichen und kostspieligen For­schungen in aller Welt - mit vermutlich fiber 100 Millionen Dollar Ausgaben -arbeiten, sind die soeben beschriebenen Schwierigkeiten fast gleiehbedeutend mit der Feststellung ihrer grundsatzlichen Unerklarbarkeit. Da Experimente klassi­scher Art (willkfirliche Exposition von Menschen in genau bekannten Feldern wahrend genau bestimmter Zeiten) sowohl technisch als auch ethisch nieht durch­flihrbar und die sieher zahlreiehen Kofaktoren der Karzinogenese ebensowenig ausschaltbar sind, sind Vergleiche zwischen definierten Populationen und defi­nierten Gefahrenklassen - wenn fiberhaupt - nur mit riesigen Mitteln moglieh. Das Urteil fiber die in der Literatur gezogenen SchluBfolgerungen wird also vor­erst das der Unbestimmtheit sein, das eine "schwache" Wirkung weder ausschlieBt noch bestatigt.

5 Das Spektrum moglicher Gefahrdungen

5.1 Kinder und Erwachsene als Risikogruppen

Ein Blick auf Tabelle 1 zeigt, daB positive Resultate, also OR-Werte, die deutlich fiber 1 liegen, nur beim Krebs der Kinder gefunden wurden, wobei - wie die an­deren Tabellen zeigen - die Haufigkeit der Leukamien immer erheblich fiber der Haufigkeit der Krebsfalle in ihrer Gesamtheit liegt.

DaB die erste Studie fiber Magnetfelder von WERTHEIMER und LEEPER (1979) die Leukamie der Kinder als Testobjekt einer moglichen Gefahrdung durch Ma­gnetfelder benutzte, ist aus mehreren Grfinden verstandlich: Erstens ist die Leuk­amie ein besonders empfindlicher Sensor flir Umwelt-Einflfisse, vielleicht bedingt durch ein diese Empfindlichkeit determinierendes Gen (vgl. KOHN u. a. 1989, S. 515). Sicher sind die Mechanismen, welche normalerweise die konstante Zahl der Leukozyten trotz eines enormen taglichen Umsatzes garantieren, in empfindli­chen Rfickkopplungen eingestellt (FUEDNER 1976). Zweitens kommt den Wachs­tumsgrenzen im kindlichen Organismus eine besonders hohe Empfindlichkeit zu, die hormonal determiniert ist.

Es bleibt dennoch bemerkswert, daB sich beim Erwachsenen ein EinfluB der Magnetfelder nicht zeigt. Letztlich sind die Mechanismen der Zellteilung und der genetischen Determinierung ffir alle Lebensalter im Prinzip gleichartig, und es ist

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