Abstracts
BöblingenBöblingen7. Februar 20097. Februar 2009
BraunschweigBraunschweig25. April 200925. April 2009
Neustadt / WeinstraßeNeustadt / Weinstraße19. September 200919. September 2009
BochumBochum21. März 200921. März 2009
MagdeburgMagdeburg5. Dezember 20095. Dezember 2009
GladbeckGladbeck13. Juni 200913. Juni 2009
RostockRostock12. September12. September 2009
MünchenMünchen10. Oktober 200910. Oktober 2009
Entzündung und Neoplasie
Magdeburg
Samstag, 5. Dezember 20099.00 – 16.00 Uhr
Veranstaltungsort:Herrenkrug Parkhotel an der ElbeHerrenkrug 339114 Magdeburg
Wissenschaftliche Leitung:Prof. Dr. P. Malfertheiner, Magdeburg
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Programm 8.55 Uhr Begrüßung
Prof. Dr. P. Malfertheiner, Magdeburg
9.00 Uhr STATE-OF-THE-ART LECTURE
Chronische Entzündung als Grundlage gastrointestinaler Neoplasien Prof. Dr. J. Schölmerich, Regensburg
Sitzung 1: Ösophagus Vorsitz: Prof. Dr. P. Malfertheiner, Magdeburg Prof. Dr. H. Lippert, Magdeburg
9.30 Uhr Ösophagitis als Vorstufe des Ösophaguskarzinoms: PPI und Chemoprävention (ohne Abstract) Dr. R. Hunt, Hamilton, Kanada
10.00 Uhr Ösophaguskarzinom: Prävention, Früherkennung und multimodale Therapiestrategie PD Dr. F. Lordick, Braunschweig
10.30 Uhr Kaffeepause
Sitzung 2: Magen Vorsitz: PD Dr. H. Wittenburg, Leipzig Prof. Dr. J. Schölmerich, Regensburg
11.00 Uhr H. pylori-Gastritis als Ausgangspunkt für das Magenkarzinom – Ansatz für Prävention Prof. Dr. P. Malfertheiner, Magdeburg
11.30 Uhr Magenkarzinom: stadienadaptierte Therapiekonzepte Prof. Dr. M. Ebert, München
12.00 Uhr STATE-OF-THE-ART LECTURE
Prävention des kolorektalen Karzinoms bei CED Prof. Dr. J.F. Riemann, Ludwigshafen
12.30 Uhr Mittagspause mit Imbiss
2
Sitzung 3: Gallenwege Vorsitz: Prof. Dr. Dr. h. c. mult. M. Büchler, Heidelberg Prof. Dr. T. Sauerbruch, Bonn
14.00 Uhr Cholangitis und cholangiozelluläres Karzinom PD Dr. H. Wittenburg, Leipzig
Sitzung 4: Leber
14.30 Uhr Hepatitis und hepatozelluläres Karzinom Prof. Dr. T. Sauerbruch, Bonn
15.00 Uhr Radiologische Interventionen beim hepatozellulären Karzinom Prof. Dr. J. Ricke, Magdeburg
15.30 Uhr Aktuelle therapeutische Strategien des hepatozellulären Karzinoms Prof. Dr. Dr. h. c. mult. M.W. Büchler, Heidelberg
16.00 Uhr Schlusswort Prof. Dr. P. Malfertheiner, Magdeburg
Anschriften der Referenten und Vorsitzenden siehe Seite 27
3
Chronische Entzündung als Grundlage gastrointestinaler Neoplasien
J. Schölmerich
Klinik für Innere Medizin I, Universitätsklinikum Regensburg
Das Konzept der Karzinogenese auf dem Boden einer Entzündung ist durchaus alt.
Es basiert auf Virchows Vorstellungen im vorletzten Jahrhundert. Inzwischen ist dies
Konzept für viele Organe von der Blase über die Cervix, das Bronchialsystem, die
serösen Häute und andere auch zu den gastrointestinalen Tumoren von Ösophagus,
Magen, Pankreas, Kolon und Leber fortentwickelt worden. Auf den ersten Blick
macht die Assoziation von Lokalisation, Entzündung und Karzinom an den
verschiedenen Organen den Verdacht auf eine solche Beziehung deutlich (Abb. 1).
Abb. 1: Lokalisation, entzündliche Läsionenund Karzinom
Ösophagus: Barrett-Ösophagus Ösophaguskarzinom
Magen: chronische Gastritis Magenkarzinom
Gallengänge: PSC CCC
Leber: Hepatitis HCC
Dünndarm: Zöliakie MALT-Lymphom
Kolon/Rektum: Morbus Crohn KRKColitis ulcerosa KRK
Eine chronische Entzündung führt in der Regel zu einer zellulären Infiltration mit
unterschiedlichen Zellen des Immunsystems. In der Folge kommt es zu einer
Proliferation von Fibroblasten und Kapillarsprossen, der vermehrten Bildung von
kollagenem Bindegewebe und gelegentlich zu Granulomen. Die in diesen Ablauf
involvierten Zytokine sind auch an der Signaltransduktion der Apoptose oder deren
Hemmung beteiligt. Gleiches gilt auch für die Proliferation und Zellzykluskontrolle.
Nicht wirklich geklärt ist die Rolle von Stammzellen der verschiedenen Organe und
deren Interaktionen mit Mediatoren der chronischen Entzündung.
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Chronische Entzündung als Grundlage gastrointestinaler Neoplasien
J. Schölmerich
Klinik für Innere Medizin I, Universitätsklinikum Regensburg
Das Konzept der Karzinogenese auf dem Boden einer Entzündung ist durchaus alt.
Es basiert auf Virchows Vorstellungen im vorletzten Jahrhundert. Inzwischen ist dies
Konzept für viele Organe von der Blase über die Cervix, das Bronchialsystem, die
serösen Häute und andere auch zu den gastrointestinalen Tumoren von Ösophagus,
Magen, Pankreas, Kolon und Leber fortentwickelt worden. Auf den ersten Blick
macht die Assoziation von Lokalisation, Entzündung und Karzinom an den
verschiedenen Organen den Verdacht auf eine solche Beziehung deutlich (Abb. 1).
Abb. 1: Lokalisation, entzündliche Läsionenund Karzinom
Ösophagus: Barrett-Ösophagus Ösophaguskarzinom
Magen: chronische Gastritis Magenkarzinom
Gallengänge: PSC CCC
Leber: Hepatitis HCC
Dünndarm: Zöliakie MALT-Lymphom
Kolon/Rektum: Morbus Crohn KRKColitis ulcerosa KRK
Eine chronische Entzündung führt in der Regel zu einer zellulären Infiltration mit
unterschiedlichen Zellen des Immunsystems. In der Folge kommt es zu einer
Proliferation von Fibroblasten und Kapillarsprossen, der vermehrten Bildung von
kollagenem Bindegewebe und gelegentlich zu Granulomen. Die in diesen Ablauf
involvierten Zytokine sind auch an der Signaltransduktion der Apoptose oder deren
Hemmung beteiligt. Gleiches gilt auch für die Proliferation und Zellzykluskontrolle.
Nicht wirklich geklärt ist die Rolle von Stammzellen der verschiedenen Organe und
deren Interaktionen mit Mediatoren der chronischen Entzündung.
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Im Folgenden sollen einzelne klinische Situationen analysiert und in ihrer Bedeutung
charakterisiert werden.
Unbestritten ist, dass beim Barrett-Ösophagus infolge einer chronischen Refluxer-
krankung eine intestinale Metaplasie und damit eine dramatische Veränderung des
ursprünglichen Epithels des Ösophagus über unterschiedlich weite Ausdehnungen
erfolgt. Die Prävalenz dieses „Barrett-Ösophagus" ist bezüglich der endoskopischen
Entdeckung 20-fach geringer als die der autoptisch entdeckten. Dies lässt darauf
schließen, dass die Karzinominzidenz eher gering ist, was sich auch durch eine
Analyse vorliegender Studien zeigen lässt, wo das Risiko bei höheren Patienten-
zahlen in der jeweiligen Studie deutlich absinkt und wahrscheinlich in der Größen-
ordnung von weniger als 1% pro Jahr liegt. Dies entspricht auch der beobachteten
Inzidenz von 6000 Adenokarzinomen des Ösophagus pro Jahr in Deutschland
(Abb. 2).
Abb. 2: Publikationsbias bezüglich desKrebsrisikos bei Barrett-Ösophagus
Vermutliches wahres Risiko 0,5%/Jahr
Stud
ieng
röße
(Pat
ient
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hre)
Karzinomrisiko/1000 Patientenjahre
Shaheen, 2000
Die Rolle der Helicobacter-pylori-induzierten Gastritis für die Entstehung eines
Magenkarzinoms ist inzwischen ebenfalls unbestritten. Die kausale Beziehung wurde
zunächst durch epidemiologische Studien untermauert, ist inzwischen aber auch
durch zellbiologische Daten gestützt und Anlass zur Indikation zur Eradikation bei
Vorliegen einer Familienanamnese oder einer entsprechenden Histologie mit
Nachweis einer H. pylori-assoziierten „Risikogastritis".
Die Rolle von H. pylori bei der Entstehung gastraler MALT-Lymphome ist inzwischen
auch allgemein akzeptiert. Hier ist die Eradikationstherapie das erste Beispiel einer
Antibiotikatherapie zur Bekämpfung einer Neoplasie.
5
Sehr umstritten ist nach wie vor das Problem der Assoziation einer chronischen
Pankreatitis mit dem Pankreaskarzinom. Epidemiologische Daten weisen auf einen
Zusammenhang hin; deutlich ist, dass bei der hereditären Pankreatitis das Pankreas-
karzinomrisiko erhöht ist (Abb. 3). Eine Aktivierung von K-ras in pankreatischen
Stammzellen ist als Mechanismus denkbar, die Sequenz der Pankreatitis-
assoziierten intestinalen Neoplasien ist offensichtlich durch genetische Variation
definiert. Der quantitative Beitrag der chronischen Entzündung ist allerdings bis heute
nicht klar.
Abb. 3: Hereditäre Pankreatitis –Risiko Pankreaskarzinom
40% Lebenszeitrisiko
75% Vererbung durch den Vater
Lowenfels, 1997
Kum
ulat
ive
Inzi
denz
(%)
Kum
ulat
ive
Inzi
denz
(%)
Alter
Unstrittig ist die Assoziation einer Hepatitis-B-assoziierten Lebererkrankung mit dem
Leberzellkarzinom. Dies ist wohl auch für die Hepatitis C als sicher anzusehen, auch
wenn der Mechanismus wohl unterschiedlich ist. Jede Form der Leberzirrhose ist mit
einem erhöhten HCC-Risiko verbunden, dementsprechend steigt die Inzidenz des
HCC weltweit und insbesondere auch in den westlichen Industrieländern deutlich
(Abb. 4). Besonders für das HCC sind unterschiedliche molekulare Veränderungen
und Verbindungen derselben zu Subtypen des hepatozellulären Karzinoms
beschrieben, grundsätzlich ist aber auch hier von einem Zusammenhang zwischen
der chronischen Entzündung und der daraus resultierenden Regeneration und den
Karzinomen auszugehen. Hier bietet sich die spannende Möglichkeit, durch
Prävention einer chronischen viralen Leberentzündung auch das Karzinomrisiko zu
reduzieren, wie dies beispielsweise für Kinder schon durch eine Impfung gegen
Hepatitis B gezeigt werden konnte.
6
El-Serag, 2007
Abb. 4: Anstieg der Inzidenz des HCC –USA 1976–2002
Jahr
Andere (meist Asiaten)Weiße Schwarze
Alte
rsad
just
iert
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zide
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o 10
0.00
0
Das Problem der Dünndarmkarzinome bei Morbus Crohn ist quantitativ zu
vernachlässigen, stellt aber ebenfalls ein Beispiel einer erhöhten Karzinominzidenz
bei chronischer Entzündung dar.
Von besonderem Interesse ist das Karzinomrisiko bei Colitis ulcerosa. Dieses Risiko
ist bis vor wenigen Jahren als exorbitant hoch dargestellt worden. Ganz offensichtlich
handelt es sich hier um eine Fehleinschätzung durch Studien, die ausschließlich aus
Referenzzentren für besonders schwere Verläufe dieser Erkrankung hervorgingen.
Populationsbasierte Studien lassen heute kein wesentlich erhöhtes Karzinomrisiko
für die breite Masse der Patienten mit Colitis ulcerosa erkennen (Abb. 5). Das Risiko
beschränkt sich ganz offensichtlich auf diejenigen, die an einer chronischen, nicht
wirklich beherrschten Entzündung leiden, dies gilt für makroskopische und
histologische Nachweise der Entzündung (Abb. 6). Die bislang als Paradebeispiel
einer möglichen Prävention von Karzinomen angesehene regelmäßige kolosko-
pische Untersuchung von Patienten mit Colitis ulcerosa ab einer Laufzeit von
10 Jahren wird sicher zu relativieren sein. Sie muss auf Patienten mit chronischer,
nicht beherrschter Entzündung beschränkt werden. Nichtsdestotrotz eignet sich
natürlich dieses Modell angesichts der zahlreichen Tiermodelle einer chronischen
Kolitis in ausgezeichneter Weise zur Analyse der Mechanismen, wie dies von einigen
Arbeitsgruppen auch in exzellenter Weise demonstriert wird.
7
Abb. 5: Das Risiko eines kolorektalen Karzinoms bei CED ist begrenzt in nicht-tertiären Referenzkohorten – Niederlande
Baars, AGA 2008
Alle Patienten in nicht-tertiären Referenzzentren (n = 30) wurden gesammelt (nationenweites Register von Pathologieberichten) seit 1990
94 Patienten (56 CU, 38 MC) mit bestätigtem CED-bedingten KRK
3 Patienten/Hospital/15 Jahre0,5% Risiko/Patient/15 Jahre0,03%/Patient /Jahr
Abb. 6: Karzinomprävention –Endoskopischer Aspekt hilft, das Risiko vorherzusagen
Rutter, 2004
„Risikofaktoren” OR (95% CI)
Postinflammatorische Polypen 2,29 (1,3-4,1)
Strikturen 4,62 (1,03-20,8)
„Normal aussehendes Kolon” 0,38 (0,19-0,73)*
*5-Jahres-Risiko bei normaler Koloskopie nichterhöht!
Insgesamt ist das Verdauungssystem paradigmatisch für die Assoziation einer
chronischen Entzündung mit der Entwicklung von Neoplasien. Die Mechanismen
sind wahrscheinlich ähnlich, auch wenn die bisherigen Daten hier ganz unterschied-
liche Zielstrukturen analysiert haben. Die falsche Zelle am falschen Platz, der
übertrieben produzierte und sezernierte Botenstoff und eine entzündungsassoziierte
Aktivierung genetisch präformierter Signaltransduktionswege sind nachgewiesene
oder denkbare Mechanismen und bieten einen weiten Raum für mögliche
Interventionen.
8
Ösophaguskarzinom: Prävention, Früherkennung und multi-modale Therapiestrategie
F. Lordick
Medizinische Klinik III, Klinikum Braunschweig
Adenokarzinome des Ösophagus und des gastroösophagealen Übergangs sind eine
der am stärksten zunehmenden Tumorentitäten in der westlichen Hemisphäre und
stellen mittlerweile eine der häufigsten Todesursachen durch Krebs dar. Die Risiko-
faktoren, die zur Entstehung von Plattenepithel- und Adenokarzinomen des
Ösophagus führen, unterscheiden sich grundlegend. Übergewicht gilt als einer der
führenden Risikofaktoren für die Entstehung von Adenokarzinomen des Ösophagus.
Durch die dramatische Zunahme von Personen mit erhöhtem Body-Mass-Index in
Ländern der westlichen Hemisphäre lässt sich der begleitende Anstieg der Karzinom-
inzidenz schlüssig erklären. Formal sind die Zwischenschritte von erhöhtem
Körpergewicht bis zur Entstehung eines Karzinoms durch die Ereignisse
gastroösophagealer Reflux, Metaplasie der Schleimhaut im distalen Ösophagus
(Barrett-Ösophagus), Low-grade-Dysplasie, High-grade-Dysplasie und Manifestation
eines invasiven Karzinoms gut charakterisiert. Somit ergeben sich potenziell gute
Ansatzpunkte für primär präventive Schritte (Gewichtsnormalisierung der Gesamt-
bevölkerung) als auch für die Definition von Screening- und Surveillance-
Populationen. Der Beweis, dass endoskopisches Screening und Surveillance zu
einer Verbesserung der Inzidenzrate und Mortalität an Ösophaguskarzinomen
beiträgt, konnte bislang mittels prospektiver Studien noch nicht belegt werden.
Die Prognose in den lokal fortgeschrittenen Stadien II und III ist ungünstig, mit einer
hohen Rate lokaler Rezidive und Fernmetastasen und einem 5-Jahres-Überleben
von lediglich 20–30%. Durch multimodale Behandlungsstrategien lässt sich die
Prognose im Vergleich zu alleiniger chirurgischer Therapie verbessern. Drei in
Europa durchgeführte randomisierte Studien zeigten, dass perioperative Chemo-
therapie zu einem signifikanten Überlebensvorteil für Patienten mit Magenkarzino-
men und Adenokarzinomen des gastroösophagealen Übergangs führt. Aufgrund
aktueller Metaanalysen werden Patienten mit lokal fortgeschrittenen Adeno-
karzinomen des Ösophagus entweder mit präoperativer Chemotherapie, an
manchen Zentren auch mit Radiochemotherapie vorbehandelt.
9
Zusätzlich zur alleinigen Chemotherapie wird der perioperative Einsatz zielgerichteter
Substanzen wie Bevacizumab, Cetuximab und Panitumumab derzeit bei resektablen
gastroösophagealen Tumoren in klinischen Studien geprüft.
Trotz der vielversprechenden Ergebnisse aus multimodalen Therapiekonzepten
erhält ein Großteil der neoadjuvant behandelten Patienten eine ineffektive, nebenwir-
kungsreiche Therapie. Die Positronenemissionstomografie mit dem Glukose-
analogon [18F]-Fluorodeoxyglukose (FDG-PET) bietet die Chance, durch Messung
quantitativer Änderungen der Glukoseanreicherung im Tumor, früh im Verlauf der
Therapie das histopathologische Tumoransprechen sowie die Prognose des
Patienten vorherzusagen. Insbesondere bei Patienten, die nicht auf eine Therapie
ansprechen, besteht somit die Möglichkeit, im Verlauf einer Therapie das
therapeutische Prozedere zu ändern und dem Patienten alternative Therapie-
konzepte anzubieten. Das Konzept der PET-Response-adaptierten Therapie benötigt
jedoch dringend der weiteren Validierung im Rahmen klinischer Studien.
Literatur beim Verfasser.
10
H. pylori-Gastritis als Ausgangspunkt für das Magenkarzinom – Ansatz für Prävention
P. Malfertheiner
Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Infektiologie, Otto-von-Guericke
Universität Magdeburg
Das Magenkarzinom nimmt unter den Neoplasien hinsichtlich der Sterblichkeit welt-
weit immer noch die zweithäufigste Stelle ein und hat somit trotz des Fortschritts
neuer Behandlungsmöglichkeiten nichts an seiner Bedrohlichkeit verloren.
Helicobacter pylori ist der wichtigste Risikofaktor für die Entwicklung des Magen-
karzinoms. Bei Anwendung geeigneter epidemiologischer Methoden lässt sich das
Risiko für die Entwicklung eines Magenkarzinoms bei Infizierten im Vergleich zu
Nichtinfizierten um das 20-Fache erhöht beziffern. Bei sorgfältiger Schätzung können
etwa 70% aller Magenkarzinome auf eine H. pylori-Infektion als Ausgangspunkt
zurückgeführt werden.
Neben den epidemiologischen Fakten ist der kausale Bezug zwischen H. pylori-
Infektion und Magenkarzinom durch eine Liste weiterer Fakten belegt, die sich auf
biologische Plausibilität berufen.
Die biologische Plausibilität ist sowohl zellbiologisch durch eine Vielzahl von in-vitro-
Untersuchungen über Proliferation und Apoptose der Karzinomzellen bei gleich-
zeitiger Infektion mit H. pylori belegt als auch durch tierexperimentelle Unter-
suchungen, in denen die zeitliche Sequenz der H. pylori-getriggerten Karzinogenese
nachgewiesen wurde. Neueste Daten weisen auf eine wichtige Interaktion mit
diätetischen Karzinogenesen hin. Letztlich bestimmt das Zusammenspiel von
bakteriellen Virulenzfaktoren, Wirtsfaktoren sowie Umweltfaktoren, ob bei Subkol-
lektiven von H. pylori-Infizierten die chronische Entzündung in das Magenkarzinom
entwickelt.
Unter den bakteriellen Risikofaktoren sind die CagA-Pathogenitätsinsel, das
vakuolisierende Zytotoxin A und die sogenannten äußeren Membranproteine als die
wichtigsten in der Magenkarzinogenese erkannt.
Die wesentlichen Wirtsfaktoren sind auf die Entzündung bezogene Zytokine sowie
das Interleukin-1β, TNF-α und das angeborene Immunantwortsystem (Toll-like-
Rezeptoren).
11
Der wesentliche Beweis für die Rolle von H. pylori in der Entstehung des
Magenkarzinoms kommt aus klinischen Studien, die gezeigt haben, dass eine
frühzeitige H. pylori-Eradikation das Auftreten eines Magenkarzinoms verhindern
kann. Nach derzeitigen Erkenntnissen ist es wichtig, die Behandlung der H. pylori-
Infektion frühzeitig vorzunehmen, da es im Verlauf der Entwicklung der chronischen
Gastritis einen „point of no return“ gibt, ab dem eine Rückbildung der Veränderungen
an der Magenschleimhaut nicht mehr erreicht werden kann und insbesondere die
Progression zum Karzinom nicht mehr aufzuhalten ist.
Unter dem Druck der derzeit verfügbaren Erkenntnisse ist es angemessen, adäquate
Präventionsstrategien (Abb. 1) anzugehen.
Abb. 1: Journal of Digestive Diseases, im Druck 2010
Themenbezogene Referenzen: Malfertheiner P, Sipponen P, Naumann M, Moayyedi P, Mégraud F, Xiao SD, Sugano K, Nyrén O; Lejondal, H. pylori-Gastric Cancer Task Force. Helicobacter pylori eradication has the potential to prevent gastric cancer: a state-of-the-art critique. Am J Gastroenterol. 2005; 100 (9): 2100–15. Malfertheiner P, Megraud F, O'Morain C, Bazzoli F, El-Omar E, Graham D, Hunt R, Rokkas T, Vakil N, Kuipers EJ. Current concepts in the management of Helicobacter pylori infection: the Maastricht III Consensus Report. Gut. 2007; 56 (6): 772–81.
12
Fischbach W, Malfertheiner P, Hoffmann JC, Bolten W, Bornschein J, Götze O, Höhne W, Kist M, Koletzko S, Labenz J, Layer P, Miehlke S, Morgner A, Peitz U, Preiss JC, Prinz C, Rosien U, Schmidt WE, Schwarzer A, Suerbaum S, Timmer A, Treiber G, Vieth M. S3-guideline "Helicobacter pylori and gastroduodenal ulcer disease". Z Gastroenterol. 2009; 47 (1): 68–102. Talley NJ, Fock KM, Moayyedi P. Gastric Cancer Consensus conference recom-mends Helicobacter pylori screening and treatment in asymptomatic persons from high-risk populations to prevent gastric cancer. Am J Gastroenterol. 2008; 103 (3): 510–4.
13
Magenkarzinom: stadienadaptierte Therapiekonzepte
M. Ebert
II. Medizinische Klinik, Klinikum rechts der Isar, Technische Universität München
Jährlich erkranken ca. 1 Million Menschen weltweit an einem Magenkarzinom.
Wenngleich erhebliche Fortschritte in der Diagnostik und Therapie dieser Tumorer-
krankung verzeichnet werden konnten, so bleibt die Prognose für die meisten
Patienten in den fortgeschrittenen Stadien schlecht und weist nur eine geringfügige
Verbesserung im Vergleich zu den Vorjahren auf. Die meisten Patienten werden mit
fortgeschrittenen Stadien diagnostiziert, sodass multimodale Therapiekonzepte hier
einen besonderen Stellenwert besitzen. Beim lokal fortgeschrittenen Adenokarzinom
des Magens ist die neoadjuvante Behandlung derzeit ein allgemeiner Standard.
Entsprechend der positiven Daten der MAGIC-Studie und der französischen
Multizenterstudie ist die neoadjuvante Chemotherapie beim Adenokarzinom des
Magens daher ein etabliertes Therapieverfahren. Diskussionen bestehen nun noch
bei der Frage der möglichen Überlegenheit der neoadjuvanten Radiochemotherapie
des Adenokarzinoms des Ösophagus bzw. der Kardia im Vergleich zur alleinigen
Chemotherapie. Dies wird derzeit noch kontrovers diskutiert. Die Indikation zur
adjuvanten Therapie des Magenkarzinoms im nodal-positiven Stadium ist ebenfalls
noch nicht vollständig geklärt, dabei reichen die Strategien von der adjuvanten
Radiochemotherapie und alleinigen Chemotherapie bis hin zur abwartenden Haltung.
In der metastasierten Situation ist die palliative Chemotherapie des Magenkarzinoms
indiziert. In diesen Stadien werden bevorzugt Platinderivate in Kombination mit
Fluorpyrimidinen eingesetzt, die gegebenenfalls auch in Kombination mit Docetaxel
verabreicht werden können. In der Zweitlinienphase ist die Therapie mit Irinotecan
eine weitere Therapieoption. Neuartig ist die Kombination von Chemotherapie mit
Cisplatin und Capecitabin mit dem HER2-Antikörper Trastuzumab bei HER2+-
Magenkarzinomen. In der TOGA-Studie konnte bei dieser Subgruppe mit HER2-
Überexpression eine signifikante Verbesserung des progressionsfreien und des
Gesamtüberlebens nachgewiesen werden.
14
Prävention des kolorektalen Karzinoms bei CED
J.F. Riemann
c/o Stiftung LebensBlicke, Klinikum der Stadt Ludwigshafen
Epidemiologie: Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (CED)
haben ein deutlich erhöhtes Risiko für ein Kolonkarzinom. Dieses Risiko ist abhängig
von der Dauer und dem Befallsmuster der entzündlichen Darmerkrankung.
Insbesondere für die Colitis ulcerosa ist dabei ein erhöhtes Kolonkarzinomrisiko gut
belegt. Bei Pancolitis steigt das Risiko von 2% innerhalb der ersten 10 Jahre auf 9%
nach 20 Jahren und 18% nach 30 Jahren, bei Linksseitencolitis ist das Risiko
deutlich geringer, bei einer isolierten Proktitis besteht kein wesentlich erhöhtes
Risiko. Ein wichtiger Risikofaktor für das Entstehen eines KRK ist zusätzlich das
Vorliegen einer primär sklerosierenden Cholangitis (PSC) (zusätzlich etwa 5-fach
erhöhtes KRK-Risiko). Beim Morbus Crohn sind die Daten widersprüchlicher, es
zeigte sich jedoch in den meisten Studien bei langjährigem Kolonbefall eine
Risikoerhöhung ähnlich wie bei der Colitis ulcerosa.
Patienten, die ein CED-assoziiertes Karzinom entwickeln, sind tendenziell jünger als
Patienten mit sporadischem Kolonkarzinom. Aufgrund des erhöhten Risikos ist bei
CED-Patienten eine Präventionsstrategie sinnvoll.
Primärprävention: In der Primärprävention ist eine Risikoreduktion durch Einnahme
von nicht-steroidalen Antirheumatika (z. B. 5-ASA) weitgehend belegt. Laut einer
aktuellen Metaanalyse wird das Risiko hierdurch etwa halbiert. Auch Ursodeoxychol-
säure scheint zumindest bei Patienten mit PSC sinnvoll zu sein (Risikoreduktion laut
Literatur bis zu 75%). Weitere Primärpräventionsstrategien, wie z. B. moderne anti-
inflammatorische Therapien, Kalzium oder Folat, sind noch nicht ausreichend
untersucht. Es bleibt jedoch festzuhalten, dass nach neuesten Daten die Inzidenz
des kolorektalen Karzinoms bei CED sinkt, was möglicherweise ein Effekt der
modernen antiinflammatorischen Therapien ist.
Sekundärprävention: Aufgrund der erhöhten KRK-Inzidenz ist laut aktueller S3-Leit-
linie bei CED abhängig von Dauer und Befall ein Koloskopie-Screening sinnvoll:
• Bei Colitis ulcerosa mit Pancolitis nach 8 Jahren Krankheitsdauer jährliche
Koloskopie
15
• Bei Colitis ulcerosa mit Linksseitencolitis nach 15 Jahren Krankheitsdauer
jährliche Koloskopie
• Bei Morbus Crohn keine generelle Empfehlung, endoskopische Diagnostik ist
„individuell“ zu planen
CED-assoziierte Kolonkarzinome entstehen in Regionen des Kolons, die Zeichen der
chronischen Entzündung zeigen. Bei der Colitis entstehen die meisten Karzinome
daher im Rektum und Sigma, beim Morbus Crohn ist die Lokalisation gleichmäßig
über das Kolon verteilt. In der Regel gehen den malignen Veränderungen Dysplasien
voraus, die entweder flach wachsen oder als DALMs (Dysplasia-associated lesion or
mass) auftreten. Dysplastische Veränderungen gelten dabei als Indikatoren für einen
möglichen Progress zu einem Karzinom. Bei High-grade-Dysplasie liegt in bis zu
40% der Fälle bereits ein Karzinom vor, sie gelten daher als Indikation zur
Proktokolektomie. Bei Low-grade-Dysplasie ist diese Beziehung nicht so eindeutig,
die Studien zeigen stark widersprüchliche Resultate. Auch die Einschätzung durch
den Pathologen kann hier stark differieren. Nach aktueller Leitlinie wird daher
zunächst eine kurzfristige Kontrolle unter intensiver antiinflammatorischer Therapie
empfohlen.
Die endoskopische Diagnose dieser Dysplasien kann schwierig sein, es werden
daher multiple Biopsien entnommen. Dysplasien müssen von Pseudopolypen
abgegrenzt werden, das Vorliegen von akut entzündlichen Veränderungen erschwert
die Diagnostik zusätzlich. Sinnvoll ist daher eine Screeningkoloskopie bei Patienten
in Remission. Techniken wie die Chromoendoskopie, die Endomikroskopie oder das
Narrow-band imaging (NBI) können die Detektion von Dysplasien verbessern. Es
können hierdurch deutlich kleinere Läsionen detektiert werden, allerdings gibt es
bisher noch keine Untersuchungen über den natürlichen Verlauf solcher kleinen
Läsionen. Ob daher das Management solcher Läsionen dem der traditionell durch
Stufenbiopsie detektierten Läsionen entspricht, ist noch offen.
Ein Screening ist nur bei Patienten sinnvoll, die operabel sind und gegebenenfalls
auch mit einer prophylaktischen Kolektomie einverstanden sind. Die Bereitschaft der
Patienten zur Kolektomie ist dabei natürlich abhängig vom Karzinomrisiko, aber
teilweise relativ gering ausgeprägt.
Für die Colitis ulcerosa ist durch das Screening keine Reduktion der Inzidenz des
Kolonkarzinoms belegt. Laut Metaanalysen besteht allerdings eine Reduktion der
Mortalität durch einen Stadienshift.
16
Abb. 1: KRK-Inzidenz bei verschiedenen Formen der CED. Kumulative Inzidenz in
Abhängigkeit von der Krankheitsdauer.
Studie n Progression zu
High-grade-Dysplasie/KRK
Connell, 1994 332 54% in 5 Jahren
Ullmann, 2003 46 53% in 5 Jahren Befrits, 2002 60 3% nach 10 Jahren Lim, 2003 128 10% nach 10 Jahren
Abb. 2: Verlaufsbeobachtungen nach Detektion von Low-grade-Dysplasien, Progres-
sionsraten stark unterschiedlich.
17
Cholangitis und cholangiozelluläres Karzinom
H. Wittenburg
Department für Innere Medizin, Klinik für Gastroenterologie, Universitätsklinikum
Leipzig
Wie in anderen Geweben auch ist die chronische Entzündung der Gallenwege mit
einer Malignomentstehung assoziiert. Gesichert ist dies für das Cholangiokarzinom
durch Infektionen mit Parasiten, die in Asien häufiger vorkommende Hepatholithiasis,
das Caroli-Syndrom und die primär sklerosierende Cholangitis (PSC). Die PSC ist in
westlichen Ländern der häufigste und am besten untersuchte prädisponierende
Faktor für die Entstehung des Cholangiokarzinoms (Tannapfel und Wittekind,
Internist 2004; Berthiaume und Wands, Semin Liver Dis 2004). Es handelt sich bei
der PSC um eine chronische cholestatische Lebererkrankung, die durch Entzündung
und Fibrosierung der intra- und extrahepatischen Gallenwege charakterisiert ist. Es
sind bevorzugt Männer im jüngeren Erwachsenenalter betroffen und die Erkrankung
ist mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen, in der Mehrzahl der Fälle mit
einer Colitis ulcerosa, assoziiert. Die Ätiologie der PSC ist unbekannt, es gibt aber
Hinweise auf eine genetische Prädisposition. Durch die fibrosierende Entzündung
kommt es zu einer Obliteration der intra- und/oder extrahepatischen Gallenwege mit
Ausbildung multifokaler Strikturen. Im Rahmen des Fortschreitens der Erkrankung
kommt es zur Ausbildung einer Leberfibrose und -zirrhose mit Verschlechterung der
Leberfunktion und dem Auftreten von Komplikationen (Weismueller et al., J Hepatol
2008; Silveira und Lindor, World J Gastroenterol 2008; EASL Clinical Practice
Guidelines, J Hepatol 2009).
Die PSC ist mit dem Risiko der Entwicklung hepatobiliärer Karzinome assoziiert.
Hierbei dominiert das Cholangiokarzinom, seltener treten hepatozelluläre Karzinome
und Gallenblasenkarzinome auf. Das Cholangiokarzinom ist ein Adenokarzinom, das
von den biliären Epithelzellen, den Cholangiozyten, ausgeht. Die Häufigkeit des
Cholangiokarzinoms bei der PSC liegt bei 10–15% wobei bis zur Hälfte der
Cholangiokarzinome im ersten Jahr nach Diagnosestellung der PSC diagnostiziert
werden. Anschließend beträgt die Inzidenz 0,5–1,5% pro Jahr (Lazarides und Gores,
Semin Liver Dis 2006). Die maligne Transformation der Cholangiozyten scheint im
Zusammenhang mit der Cholestase und der chronischen Inflammation zu erfolgen.
Durch die lokale Ausschüttung von Zytokinen kommt es zur Proliferation der
18
Cholangiozyten. Durch zusätzlichen oxidativen Stress treten ein Zellschaden und ein
Verlust der Homöostase zwischen Proliferation und Reparatur auf. Auf diesem
Boden kommt es zu Schädigungen der DNA und zur malignen Transformation von
Cholangiozyten. Eine besondere Rolle scheinen hierbei der Hepatocyte Growth
Factor (HGF) und Interleukin (IL)-6 zu spielen. Eine Gallengangsdysplasie ist
möglicherweise analog zu anderen Karzinomen ein Zwischenschritt bei der malignen
Transformation (Berthiaume und Wands, Semin Liver Dis 2004). Es gibt keine
gesicherten prognostischen Faktoren, um die Entwicklung eines Cholangiokarzinoms
vorherzusagen. Interessanterweise waren aber in einer Untersuchung Polymor-
phismen des NKG2D-Gens mit dem Risiko der Entwicklung eines Cholangio-
karzinoms bei der PSC assoziiert (Melum et al., Hepatology 2008). Die Überwachung
der Entstehung von Karzinomen bei der PSC ist problematisch, da eine
Unterscheidung von benignen Strikturen schwierig ist. Kürzlich wurde eine
kombinierte Strategie zum Screening mit Bestimmung von Tumormarkern,
Bildgebung und Gallengangszytologie vorgeschlagen, die sich möglicherweise als
hilfreich erweist, jedoch aufwendig ist (Charatcharoenwitthaya et al., Hepatology
2008).
Eine gesicherte medikamentöse Therapie der PSC, die das transplantationsfreie
Überleben verbessert, steht nicht zur Verfügung. Hoch dosierte Ursodeoxycholsäure
(UDCA) führt zu einer biochemischen Verbesserung. Das Überleben war jedoch in
den durchgeführten Studien nicht signifikant verlängert und bei Patienten mit bereits
fortgeschrittener Erkrankung scheinen unter UDCA möglicherweise gehäuft
Komplikationen aufzutreten. Kohortenstudien haben eine Reduktion des Risikos der
Entwicklung eines Cholangiokarzinoms unter Therapie mit UDCA nahe gelegt, die
beiden randomisierten, plazebokontrollierten Studien haben diesen Effekt aber nicht
bestätigt (Olsson et al., Gastroenterology 2005; Lindor et al., Hepatology 2009).
Möglicherweise reduziert UDCA jedoch das Risiko des mit der Colitis ulcerosa
assoziierten Kolonkarzinoms, das bei gleichzeitigem Vorliegen einer PSC nochmals
gesteigert ist.
Zum Staging des Cholangiokarzinoms stehen neben der ERCP das CT von Thorax
und Abdomen sowie das MRT der Leber zur Verfügung. Die Endosonografie kann
zusätzlich zur Beurteilung von Lymphknoten im Leberhilus beitragen und
gegebenenfalls deren Punktion ermöglichen. Das 18F-FDG-PET-CT ist dem CT in der
Beurteilung von Lymphknoten- und Fernmetastasen möglicherweise überlegen.
Einzige kurative Therapie des Cholangiokarzinoms ist die chirurgische Resektion.
19
Bei zugrunde liegender PSC ist eine Resektion eines Cholangiokarzinoms aufgrund
des gleichzeitig vorliegenden Leberschadens häufig jedoch nicht durchführbar.
Zudem ist zu berücksichtigen, dass die PSC als eine Präkanzerose angesehen
werden kann, die mit einem hohen Risiko des Auftretens eines erneuten
Cholangiokarzinoms nach Resektion einhergeht. Zudem werden insbesondere
intrahepatische Cholangiokarzinome häufig in einem fortgeschrittenen Stadium
diagnostiziert. Oft ist daher eine kurative Therapie dann nicht mehr möglich. Zur
Palliation stehen biliäre Stents mit oder ohne photodynamische Therapie zur
Verfügung (Lazarides und Gores, Semin Liver Dis 2006). Kürzlich wurde ein
Protokoll vorgeschlagen, das bei ausgewählten Patienten eine neoadjuvante Radio-
chemotherapie mit einer Brachytherapie kombinierte und die Patienten nach einer
Staging-Laparotomie einer Lebertransplantation zuführte. In der kleinen Gruppe der
Patienten, die für diesen Ansatz infrage kamen und bei denen die Behandlung
entsprechend durchgeführt werden konnte, waren die Ergebnisse mit einer 5-Jahres-
Überlebensrate von 72% ermutigend (Rea et al., Surg Clin N Am 2009).
20
Hepatitis und hepatozelluläres Karzinom
T. Sauerbruch
Medizinische Klinik und Poliklinik I, Universitätsklinikum Bonn
Die chronische Hepatitis-B-Virus (HBV)-Infektion und die chronische Hepatitis-C-
Virus-Infektion führen zu einem deutlich erhöhten Risiko der Ausbildung eines
hepatozellulären Karzinoms (HCC).
Die Pathogenese ist nur teilweise verstanden. Die Integration in das zelluläre Genom
(HBV-DNA), bestimmte Virusproteine, chronische Entzündung und oxidativer Stress
führen über einen verhältnismäßig langen Zeitraum zu genetischen und epigene-
tischen Veränderungen, die den Zellzyklus in Richtung einer vermehrten Proliferation
und verminderten Apoptose treiben.
Es besteht eine deutliche Assoziation zwischen der Prävalenz chronischer Virus-
hepatitiden und der Inzidenz des HCC in verschiedenen Regionen der Erde. Dies ist
insbesondere für die HBV-Infektion gesichert. Darüber hinaus beträgt das Risiko, bei
virusinduzierter Zirrhose ein HCC zu entwickeln, 2–6% pro Jahr.
Daraus ergeben sich verschiedene Ziele, um das Vorkommen und Wachstum des
HCC bei chronischer Virushepatitis zu beeinflussen:
– Verhinderung der Infektion,
– Unterbrechung der Infektion,
– Reduktion der Viruslast,
– Erkennung behandelbarer Frühformen des HCC bei persistierender Infektion,
– Beeinflussung prokarzinogener Faktoren wie Koinfektionen oder Übergewicht.
Einige dieser Ziele konnten erreicht werden (z. B. die Verhinderung der HBV-Infek-
tion durch Impfung) oder auch die Unterbrechung der Infektion durch antivirale
Therapien. Andere stehen im Raum (z. B. Erkennung von Frühformen).
21
Radiologische Interventionen beim hepatozellulären Karzinom
J. Ricke
Klinik für Radiologie und Nuklearmedizin, Universitätsklinikum Magdeburg
Die Therapieoptionen beim hepatozellulären Karzinom (HCC) haben sich in den
letzten Jahren nicht allein durch die Zulassung von Nexavar®, sondern auch durch
die Fortentwicklung interventionell-radiologischer Techniken deutlich verbessert.
Während die systemische Therapie mit Nexavar® nach den Therapieempfehlungen
der Barcelona Clinic Liver Cancer (BCLC)-Klassifikation fortgeschrittene Stadien
(BCLC C) einschließt, finden bildgeführte, perkutane Techniken ihren Platz sowohl in
frühen Stadien (BCLC A) mit lokal ablativen Verfahren (z. B. RFA) als auch bei
deutlich fortgeschrittenen Tumoren (BCLC B) mittels lokoregionärer TACE
(transarterielle Chemoembolisation).
Noch keinen Platz haben in dem recht statischen BCLC-System neue Therapie-
optionen wie die Radioembolisation oder die CT-Brachytherapie gefunden, die
insbesondere bei diffusem hepatischem Tumorbefall (SIRT) oder bei großen
hepatischen und metastasierenden Tumoren Einsatz finden (Brachytherapie). Für
diese Methoden wurden in prospektiven Studien große Erwartungen geschürt.
Gleichfalls keine Erwähnung in der BCLC-Klassifikation finden bislang Kombinations-
therapien aus lokalen, lokoregionären und systemischen Therapien. Es ist
anzunehmen, dass mit der Initiierung großer multizentrischer Studienformate zur
Kombination aus radiologischen Interventionen mit Nexavar® sowohl in der
adjuvanten Situation (z. B. nach RFA) als auch bei Patienten nach Zytoreduktion
über lokoregionäre Interventionen (TACE, SIRT) die Therapiekonzepte neu diskutiert
werden. Besondere Bedeutung dürften Kombinationen aus extensiver interventionell-
radiologischer Zytoreduktion mit anschließend systemischer Gabe von Nexavar® in
den fortgeschrittenen Stadien BCLC B und C erlangen – die Ergebnisse der SHARP-
Studie mit einer medianen Überlebenszeitverlängerung von 3 Monaten bleiben hinter
retrospektiven multizentrischen Erfahrungen, beispielsweise nach SIRT, zurück und
der Wert einer Kombination dieser synergistischen Verfahren ist möglicherweise
erheblich. Bedenken bezüglich einer erhöhten Toxizität der Kombination bestehen
nicht. Aufschluss zur Frage nach der Prognoseverbesserung durch Kombinations-
therapien aus interventionell-radiologischer Zytoreduktion und systemischer Therapie
mit Nexavar® erhoffen wir uns unter anderem von SORAMIC, einer internationalen
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Multizenterstudie aus Magdeburg, die aktuell initiiert wird und unter anderem
Patienten im metastasierten Stadium rekrutieren soll.
Abb. 1: CT-gesteuerte Brachytherapie eines zentralen HCC mit Infiltration der
Leberpforte.
Abb. 2: CT-gesteuerte Brachytherapie mit 4 Kathetern und Applikation von Tumor
umschließend 15 Gy.
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Abb. 3: Die Nachsorge MRT nach 2 Jahren zeigt residuelle Narben zentral und eine
Erweiterung intrahepatischer Cholangien nach beiden Seiten, ohne Fortschreiten der
Atrophie.
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Aktuelle therapeutische Strategien des hepatozellulären Karzinoms
M.W. Büchler
Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie, Chirurgische Uni-
versitätsklinik Heidelberg
Das hepatozelluläre Karzinom (HCC) stellt mit steigenden Inzidenzraten in der west-
lichen Welt eines der weltweit häufigsten Malignome dar. In den letzten 20 Jahren
haben sich die Therapieoptionen deutlich verbessert. Durch Fortschritte in der
operativen Technik und im perioperativen Management konnten als kurative Ansätze
die primäre Resektion und die Lebertransplantation (LTx) zur Behandlung bei
zirrhotischen und nicht-zirrhotischen Patienten etabliert werden. Die Erweiterung der
Mailand-Kriterien verschlechtert zunächst das Outcome nach LTx nicht, erscheint
jedoch vor dem Hintergrund des Organmangels und einer höheren Wartelisten-
sterblichkeit problematisch. Alternative Strategien wie die neoadjuvante Therapie und
die Tumorresektion vor einer LTx bedürfen der weiteren Überprüfung durch
prospektive Studien. Die transarterielle Chemoembolisation stellt die vorrangige
Therapiealternative für den inoperablen Patienten mit kompensierter Leberfunktion
dar. Während mehrere Studien keinen Nutzen für die systemische Chemotherapie
beim fortgeschrittenen HCC zeigen konnten, versprechen aktuelle Untersuchungen
einen Erfolg neuartiger „molecular targeted“ Chemotherapeutika bei diesen
Patienten. Die Effektivität dieser Substanzen in der neoadjuvanten und adjuvanten
Konzeption ist Gegenstand aktueller Forschung. Darüber hinaus stellt die „selektive
intraarterielle Radiotherapie (SIRT)“ einen vielversprechenden neuen Ansatz dar, der
in kontrollierten Studien geprüft werden muss. Trotz wachsenden Erkenntnissen zum
HCC und dessen Behandlung basieren die diesbezüglichen aktuellen Therapie-
empfehlungen auf einer begrenzten Anzahl adäquater, kontrollierter und
randomisierter Studien. Retrospektive Analysen und Kohortenstudien liefern
insbesondere zur chirurgischen Therapie den Großteil der verfügbaren Daten.
Randomisierte, kontrollierte Studien sollten sowohl neue chirurgische,
interventionelle und systemische Therapien und deren Kombinationen als auch
prognostisch relevante Biomarker im Hinblick auf ein personalisiertes Therapie-
management überprüfen. Diese Untersuchungen mit dem Ziel individualisierte
Therapiekonzepte voranzutreiben, bleibt die dringlichste Herausforderung um an die
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bereits erreichten Erfolge in der Behandlung des HCC anzuschließen. Hierbei stellt
die chirurgische Therapie weiterhin den Grundpfeiler eines kurativen, multidis-
ziplinären Zusammenwirkens in der Behandlung des HCC dar.
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Anschriften der Referenten und Vorsitzenden Prof. Dr. Dr. h.c. mult. M.W. Büchler Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie Chirurgische Universitätsklinik Heidelberg Im Neuenheimer Feld 110 69120 Heidelberg Prof. Dr. M. Ebert II. Medizinische Klinik Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München Ismaninger Str. 22 81675 München Prof. Dr. R. Hunt McMaster University Health Science Centre Department of Gastroenterology Room 4W8 1200 Main Street West Hamilton ON L8N 3Z5 Kanada Prof. Dr. H. Lippert Allgemeine Chirurgie Universitätsklinikum Magdeburg AöR Leipziger Str. 44 39120 Magdeburg PD Dr. F. Lordick Medizinische Klinik III Klinikum Braunschweig Celler Str. 38 38114 Braunschweig Prof. Dr. Dr. h.c. mult. P. Malfertheiner Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Infektiologie Otto-von-Guericke-Universität Leipziger Str. 44 39120 Magdeburg
Prof. Dr. J. Ricke Klinik für Radiologie und Nuklearmedizin Universitätsklinikum Magdeburg AöR Leipziger Str. 44 39120 Magdeburg Prof. Dr. J.F. Riemann c/o Stiftung LebensBlicke Klinikum der Stadt Ludwigshafen Bremserstr. 79 67063 Ludwigshafen Prof. Dr. T. Sauerbruch Medizinische Klinik und Poliklinik I Universitätsklinikum Bonn Sigmund-Freud-Str. 25 53105 Bonn Prof. Dr. J. Schölmerich Klinik für Innere Medizin I Universitätsklinikum Regensburg 93042 Regensburg PD Dr. H. Wittenburg Department für Innere Medizin Klinik für Gastroenterologie Universitätsklinikum Leipzig AöR Liebigstr. 20 04103 Leipzig