Der Patient mit unklaren abdominellen Beschwerden
Berlin
Samstag, 28. Juni 2008
9.00 – 15.30 Uhr
Veranstaltungsort:
Maritim proArte Hotel
Berlin
Wissenschaftliche Leitung:
Prof. Dr. H. Lochs, BerlinFreiburgFreiburg11. Oktober 200811. Oktober 2008
OsnabrückOsnabrück12. April 200812. April 2008
GießenGießen17. Mai 200817. Mai 2008
BambergBamberg21. Juni 200821. Juni 2008
Berlin28. Juni 2008
EssenEssen1. März 20081. März 2008
JenaJena27. September 200827. September 2008
KielKiel5. Juli 20085. Juli 2008
Abstracts
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Programm 9.00 Uhr Begrüßung und Einführung
Prof. Dr. H. Lochs, Berlin
I. Appetitstörung, Malabsorption Vorsitz: Prof. Dr. B. Wiedenmann, Berlin Prof. Dr. H. Koop, Berlin
9.15 Uhr Leitsymptom Gewichtsverlust Prof. Dr. J. Schölmerich, Regensburg
9.45 Uhr Chronische Diarrhö Prof. Dr. H. Tilg, Hall (Österreich)
10.15 Uhr Übelkeit und Erbrechen Prof. Dr. P. Malfertheiner, Magdeburg
II. Funktionelle Störungen oder Tumor Vorsitz: Prof. Dr. M. Zeitz, Berlin Prof. Dr. T. Poralla, Berlin
11.15 Uhr Globusgefühl/Schluckbeschwerden Prof. Dr. S. Müller-Lissner, Berlin
11.45 Uhr Obstipation und Tenesmen Prof. Dr. H. Mönnikes, S. Wisser, Berlin
12.15 Uhr Pankreaskarzinom (ohne Abstract) PD Dr. J. Ockenga, Bremen
III. Leber/Galle Vorsitz: Prof. Dr. H. Lochs, Berlin Prof. Dr. H.-J. Schulz, Berlin
13.45 Unklarer Ikterus (ohne Abstract) PD Dr. H.E. Wasmuth, Aachen
2
14.15 Uhr Fettleber (ohne Abstract) PD Dr. M. Pirlich, Berlin
14.45 Uhr Schmerzen im rechten Oberbauch Prof. Dr. J.F. Riemann, Dr. L. Helmstädter, Ludwigshafen
15.15 Uhr Schlusswort Prof. Dr. H. Lochs (Berlin)
Anschriften der Referenten und Vorsitzenden siehe Seiten 27–28
3
Leitsymptom Gewichtsverlust
J. Schölmerich
Klinik für Innere Medizin I, Klinikum der Universität Regensburg
Der Gewichtsverlust zählt zu den unspezifischen Leitsymptomen, die in der Praxis
häufig sind und eine Herausforderung für den diagnostizierenden Arzt darstellen. Als
relevanter Gewichtsverlust wird eine Abnahme um 10% des Körpergewichts in
3 Monaten definiert, 96% der Patienten mit organischer Ursache haben einen
Gewichtsverlust über 2,5 kg, 77% einen über 5 kg. Der Gewichtsverlust muss, wenn
möglich, objektiviert werden.
Wesentliche pathogenetische Mechanismen sind verminderte Nahrungsaufnahme,
gestörte Nahrungsverwertung, vermehrter Verbrauch und gestörte Utilisation/Verlust.
Bei älteren Männern führen Karzinome vor intestinalen Erkrankungen, Alkohol und
Medikamentenwirkungen sowie kardiovaskulären und psychiatrischen Erkrankungen.
Selten sind endokrine Erkrankungen und Infektionen (Tab. 1). In 26% wird keine
Ursache gefunden – diese Daten sind allerdings schon älter. Bei jüngeren Patienten
ist vermutlich eine andere Verteilung der Ursachen anzunehmen, wobei
psychiatrische Aspekte und Infektionen häufiger sein dürften.
Zur Orientierung der diagnostischen Maßnahmen ist die Anamnese sehr wichtig, hier
sind Veränderungen der Nahrungsaufnahme, Alter, Progredienz der Gewichts-
abnahme und Veränderungen des Leistungsvermögens von hoher Bedeutung, um
bestimmte Krankheitsgruppen in den Fokus zu rücken (Tab. 2). Die vegetative
Anamnese spielt ebenfalls eine wichtige Rolle. Bei der körperlichen Untersuchung ist
eine objektive Erfassung des Ernährungszustandes sowie eine sorgfältige, komplette
internistische und neurologische Untersuchung durchzuführen. Ein umschriebenes
Laborprogramm, das die wesentlichen Organfunktionen und Parameter, die auf
Tumoren hinweisen, umfasst ebenso wie eine abdominelle Ultraschalluntersuchung
komplettieren das Programm weitgehend. Findet sich im Rahmen der Basis-
diagnostik kein pathologischer Befund oder spezifisches Verdachtsmoment, sollte
man die Diagnostik zunächst ruhen lassen und nach 8 Wochen eine Kontrolle des
Patienten durchführen.
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Wesentliche Krankheitsbilder Bei Hinweisen auf einen Tumor sollte man sich nach der Häufigkeit der Tumoren
(Abb. 1) und nach spezifischen Verdachtsmomenten orientieren. Bei der HIV-Infektion sind unterschiedliche Mechanismen des Gewichtsverlustes zu beachten.
Chronische mesenteriale Ischämie, fortgeschrittene Herz- und Lungener-krankungen sind anamnestisch und klinisch fassbar. Eine chronische Pankreatitis
und die verschiedenen Malabsorptionsursachen (Tab. 3) lassen sich ebenfalls
häufig anamnestisch und ansonsten mithilfe gezielter Tests eingrenzen. Endokrine
Ursachen und ein Diabetes sind ebenfalls der Diagnose leicht zugänglich.
Somit lässt sich zusammenfassen, dass durch einfache Fragen und Tests eine
Zuordnung zu Obergruppen leicht möglich ist, wobei man sich durchaus an der
Häufigkeitsverteilung orientieren sollte (Abb. 2). Bei den meisten Fällen von
organbedingtem Gewichtsverlust gibt die Basisdiagnostik bereits Hinweise auf eine
wegweisende Verdachtsdiagnose, besonders problematisch sind die nicht-
organischen Ursachen, die sich doch öfter schwierig definieren lassen.
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6
7
Chronische Diarrhö
H. Tilg
Bezirkskrankenhaus, Hall in Tirol, Österreich
Die Diarrhö ist eine der häufigsten Manifestationen von gastrointestinalen
Erkrankungen. Die Definition einer chronischen Diarrhö ist sehr subjektiv und damit
für Ärzte oft schwer zu objektivieren. Eine Definition mit Verminderung der
Stuhlkonsistenz über eine Dauer von mehr als 4 Wochen erscheint damit als sinnvoll
und praktikabel. Die chronische Diarrhö tritt in westlichen Ländern bei ca. 3–5% der
Bevölkerung auf und wirkt sich signifikant auf die Lebensqualität aus.
Eine Myriade von Ursachen ist bei chronischer Diarrhö zu erwägen. In unseren
Breiten stehen funktionelle Ursachen neben Malabsorptionssyndromen
(Kohlenhydrat-Malabsorption) und chronisch entzündlichen Erkrankungen (chronisch
entzündliche Darmerkrankungen [CED], Zöliakie) im Vordergrund. Klinisch ist eine
exakte Anamnese entscheidend, die letztlich auch klar definiert, mit welchem
Aufwand die Abklärung einer chronischen Diarrhö betrieben werden muss. Neben
Alarmsymptomen, wie blutige Diarrhö oder Gewichtsverlust, sind vor allem
Symptome wie nächtliche Diarrhö hilfreich, um funktionelle von organischen
Ursachen zu trennen.
Tabelle 1: Klinisch hilfreiche Informationen
Symptom/Fragestellung Klinische Implikation Akuter Beginn Infektion, Superinfektion Antibiotika-Einnahme in den letzen 3 Monaten
Clostridium-difficile-Infektion
Positive Familienanamnese CED, Zöliakie Nahrungsmittelanamnese: „zuckerfrei“? Sorbit, Mannitol Stuhlcharakteristika Blutig? (CED, Malignom) weißlich?
(Zöliakie, Cholestase) fettig? (Malabsorption)
Auslandsreisen Lambliasis Gewichtsverlust CED, Pankreasinsuffizienz, Neoplasie,
Anorexie Frühere Erkrankungen, Medikamente Operationen, Bestrahlung Systemisch erkrankt Hyperthyreose, Diabetes, CED,
Tuberkulose, Mastozytose Bauchschmerzen Mesenteriale Ischämie,
Reizdarmsyndrom Massive Flatulenz Kohlenhydratmalabsorption
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Tabelle 2: Hauptursachen für chronische Diarrhö
Osmotische Diarrhö (Kohlenhydrat-Malabsorption) Fettstuhl-assoziierte Diarrhö (Malabsorption, Maldigestion) Sekretorische Diarrhö (Laxanzien, Postcholezystektomie-Syndrom, CED etc.) Entzündliche Diarrhö (CED, Infektion, Vaskulitis, Ischämie etc.)
Tabelle 3: Krankheiten assoziiert mit bakterieller Fehlbesiedlung
Anatomisch bedingt (Dünndarmdivertikulose, Blind Loops, Strikturen) Motilitäts-bedingt (Diabetes, Sklerodermie, Morbus Crohn, Bestrahlung) Fisteln (jejunocolisch), Ileozökalresektion Multifaktoriell (atrophe Gastritis, chronische Pankreatitis, Cirrhosis hepatis, Alkoholismus u. a.)
Schlussfolgerung Mit den heute zur Verfügung stehenden Untersuchungsmethoden ist es meist
möglich, die Ursache einer chronischen Diarrhö zu identifizieren. Die Anamnese und
klinische Symptomatik diktiert den zum Teil aufwendigen Abklärungsalgorithmus.
Endoskopische Untersuchungen sind in unseren Breiten leicht zugänglich, werden
aber oft unkritisch wiederholt und ohne ausreichende Anamnese angewendet.
Meistens ist ein kleines Basislabor ausreichend in der Abklärung dieser Patienten.
Atemtests stellen neben endoskopischen Untersuchungen eine wichtige Säule in der
Diagnostik dar.
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Übelkeit und Erbrechen
P. Malfertheiner
Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Infektiologie, Otto-von-Guericke-
Universität Magdeburg
Mit beiden Symptomen macht wohl jeder und nicht selten im Verlaufe seines Lebens
mehrfach Bekanntschaft.
Verschont davon bleibt man weder in der Kindheit noch im fortgeschrittenen Alter.
Tritt das „Rebellieren“ des Magens infolge von exogenen toxischen Noxen oder als
wesentliche Begleiterscheinung von gastrointestinalen Infektionen auf, ist es
passager und selbstlimitierend. Häufige Grundleiden, die zu passagerer Übelkeit und
Erbrechen führen, sind das Gallensteinleiden (Gallenkolik), die akute Pankreatitis
und die verschiedenen Formen der Darmparalyse (Ileus). In diesen Fällen ist über
die symptomatische Therapie hinaus die Behandlung des Grundleidens gefordert.
Bei Erbrechen besteht auch die Gefahr von Komplikationen wie Aspiration, Volumen-
und Elektrolytverlust, die es im Augenmerk zu halten gilt.
Als physiologisch ist der Zusammenhang der Nausea mit der frühen Schwanger-
schaft zu sehen.
Neben den angeführten wesentlichen passageren Gründen von Übelkeit und
Erbrechen, gibt es bei chronischem Auftreten dieser Symptome die große
Herausforderung die Ursache zu identifizieren. Gastrointestinal funktionelle
(Dyspepsie), psychische (z. B. Anorexie) und organisch funktionale Erkrankungen
(z. B. Achalasie) können die Ursache darstellen und sind differenzierten Therapien
zuzuführen. Tritt Übelkeit/Erbrechen zusammen mit Gewichtsabnahme auf, so gilt
dies als Alarmzeichen und ist meist richtungsweisend für das Vorliegen einer
malignen Grunderkrankung (i. e. Magenkarzinom).
Eine Reihe von Medikamenten, insbesondere Zytostatika, sind Ursache von Übelkeit
und Erbrechen und werden durch prophylaktische Gabe einer antiemetischen
Therapie verhindert. Die Pathomechanismen des Erbrechens sind gründlich erforscht
und Ausgangspunkt für die Entwicklung der antiemetischen Therapie.
Neben einer detaillierten anamnestischen Erhebung mit genauer Abfrage hinsichtlich
Zeitfolge des Erbrechens, Aspekt des Erbrochenen ist die Ösophagogastro-
duodenoskopie die obligate Untersuchung und wird häufig von
Funktionsuntersuchungen des Gastrointestinaltrakts (Motilitätsuntersuchungen,
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Atemtests) komplettiert. Die Therapie richtet sich einerseits auf die unmittelbare und
dauerhafte Behebung der Symptome bevorzugt durch Dopaminantagonisten,
Prokinetika sowie auf die Behebung/Behandlung des Grundleidens aus. Bei
protrahiertem Erbrechen ist die Volumen- und Elektrolytsubstitution zwingend.
11
Globusgefühl/Schluckbeschwerden
S. Müller-Lissner
Abteilung für Innere Medizin, Park-Klinik Weißensee, Berlin
Unter Dysphagie versteht man Schwierigkeiten beim Schlucken, unterteilt in obere
Dysphagie (oropharyngeale Dysphagie, „Einschluckstörung”) und untere Dysphagie
(ösophageale Dysphagie, „Durchschluckstörung”). Der Patient kann zwischen diesen
beiden Lokalisationen i. d. R. unterscheiden. Der Begriff Odynophagie bezeichnet
Schmerzen beim Schlucken. Regurgitation ist das aktive oder passive
Wiederaufsteigen von Ösophagus- oder Mageninhalt in die Mundhöhle ohne
Übelkeit, Erbrechen, dagegen ein mit Übelkeit verbundener reflektorischer Ablauf mit
Retroperistaltik. Als Globusgefühl bezeichnet man ein Fremdkörpergefühl zwischen
Pharynx und Jugulum, i. d. R. unabhängig vom Schluckakt.
Die häufigste Ursache der oropharyngealen Dysphagie ist die Apoplexie mit
Beteiligung der Innervation der Schlundmuskulatur. Daneben kommen die
Myasthenia gravis, Hypopharynxtumore und das Zenker Divertikel in Betracht.
Letzteres kann durch endoskopische Durchtrennung des oberen Sphinkters
behandelt werden.
Bei unterer Dysphagie ist an ein Ösophaguskarzinom, einen Schatzki-Ring, eine
peptische Striktur und eine Achalasie zu denken. Bei unauffälliger oberer Endoskopie
kommen zur weiteren differenzialdiagnostischen Abklärung die Manometrie der
Speiseröhre und die Röntgenuntersuchung mit Barium in Betracht.
Die Achalasie wird zunächst mittels Ballondehnung des unteren Sphinkters
behandelt, bei Versagen bzw. frühzeitigem Rezidiv ist die chirurgische (meist
laparoskopische) Myotomie der wiederholten Dehnung überlegen. Die Injektion von
Botulinustoxin wurde wieder verlassen.
Als Ursache der Odynophagie (mit oder ohne Dysphagie) kommen Herpes-, CMV-
und Candida-Ösophagitis in Betracht, weiterhin ein medikamentös induziertes Ulkus
(meist im proximalen Ösophagus vor dem Aortenbogen gelegen; Hauptverursacher:
Tetracycline, Kalium sowie Bisphosphonate). An funktionellen Ursachen ist der
diffuse Ösophagospasmus zu nennen. Hier zeigen sich in der Manometrie simultane
(nicht propulsive) repetitive Kontraktionen. Die Aufklärung über die Harmlosigkeit der
Symptome ist die wichtigste Maßnahme zur Behandlung.
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Auch die gastroösophageale Refluxkrankheit kann zur Dysphagie führen. Wenn
typische Refluxsymptome (saure Regurgitation, Sodbrennen) im Vordergrund
stehen, bestehen an der Diagnose Refluxkrankheit kaum Zweifel. Bei unspezifischen
Symptomen und unauffälliger Endoskopie kann außer der pH-Metrie die
Probetherapie mit Protonenpumpeninhibitoren (PPI) zur ex juvantibus-Diagnose der
Refluxkrankheit weiterhelfen. Hierzu sollen hohe PPI-Dosen über mehrere Tage
verwendet werden. Die Sensitivität des Tests beträgt 70–90%, die Spezifität (selten
ermittelt) 70–90%.
Zusammenfassend gehören zur Basisdiagnostik bei Schluckbeschwerden die
Anamnese und die Ösophagogastroskopie. In unklaren Fällen kann die
Funktionsdiagnostik weiterhelfen, bestehend aus „Röntgenbreischluck”, pH-Metrie,
Probetherapie und Manometrie.
13
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Obstipation und Tenesmen
H. Mönnikes, S. Wisser
Klinik für Innere Medizin, Martin-Luther-Krankenhaus, Akademisches Lehrkranken-
haus der Charité – Universitätsmedizin Berlin
Einleitung Im klinischen Alltag wie auch in der wissenschaftlichen Forschung stellt die Definition
des Terminus Obstipation häufig ein linguistisches Problem dar. Während die
meisten Kliniker weniger als 3 Stuhlentleerungen pro Woche als Obstipation
bezeichnen, umfassen die Rom-II-Kriterien der funktionellen Obstipation auch
Symptome wie harten Stuhl, starkes Pressen, eine unvollständige Entleerung,
manuelle Manöver oder anorektale Obstruktion als Ausprägungsformen der
Obstipation (Thompson et al., 1999), und auch für Patienten hat der Begriff
„Verstopfung“ eine individuell unterschiedliche Bedeutung. Die Prävalenz der
Obstipation in der Normalbevölkerung schwankt folglich je nach verwendeten
Kriterien sehr stark. So berichten 27,2% der Bevölkerung, obstipiert zu sein, während
nur 14,9% mindestens 2 der genannten Rom-II-Kriterien erfüllen (Pare et al., 2001).
Weniger als 3 Stuhlgänge pro Woche haben in diesen beiden Kollektiven jedoch nur
22% bzw. 31% der Patienten (Garrigues et al., 2004).
Die Ätiologie der Obstipation ist äußerst vielfältig und reicht von metabolischen,
neurogenen und psychiatrischen Erkrankungen sowie unerwünschten Medika-
mentenwirkungen bis hin zu malignen Prozessen oder funktionellen Störungen. Auch
Tenesmen, also einem beständigen, schmerzhaften Stuhldrang, können mannig-
faltige Ursachen, wie beispielsweise chronisch entzündliche Darmerkrankungen,
akute Infektionen, strahlenassoziierte Proktitiden oder aber ebenfalls Karzinome oder
auch ein Reizdarmsyndrom zugrunde liegen.
Diagnostik Aufgrund der ähnlichen klinischen Präsentation ist somit die Differenzierung
zwischen funktionellen Störungen und Tumoren häufig schwierig. Mithilfe von
Diagnostik-Scores lässt sich jedoch anhand der Symptomatik mit einer Sensitivität
von 83% und einer Spezifität von 97% ermitteln, ob eine funktionelle oder aber eine
strukturelle Erkrankung vorliegt (Kruis et al., 1984; Neri et al., 2000). Hierbei wird
unter Berücksichtigung von Risikofaktoren wie Alter und Geschlecht sowie dem
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Vorhandensein von Warnsymptomen wie rektale Blutungen, Schmerzlokalisation und
-charakter sowie Stuhlgewohnheiten eine Einschätzung der Dignität der Erkrankung
getroffen (Hammer et al., 2004). In zahlreichen Studien konnte gezeigt werden, dass
unter Verwendung der Manning- bzw. Rom-Kriterien Reizdarmpatienten mit einer
Spezifität von 70–100% identifiziert werden können (Vanner et al., 1999). Bei den
Patienten, die diese Reizdarmkriterien erfüllen, liegt die a-priori-Wahrscheinlichkeit,
an einem Karzinom erkrankt zu sein, mit < 0,51% weit unter der Prävalenz von 4–6%
in der Normalbevölkerung (Cash et al., 2002).
Neben der ausführlichen Anamnese beschränkt sich die laborchemische
Basisdiagnostik bei Verdacht auf eine funktionelle Störung gemäß der Leitlinien der
DGVS daher auf Blutbild, BSG oder CRP und Stuhltest auf okkultes Blut sowie je
nach individuellen anamnestischen Hinweisen evtl. auf Schilddrüsenfunktion,
Elektrolyte o. ä. (Hotz et al., 1999). Darüber hinaus sollten ergänzend zur körper-
lichen Untersuchung eine Abdomensonografie, eine digitale rektale Untersuchung
sowie bei Frauen eine gynäkologische Abklärung erfolgen (Hotz et al., 1999).
Eine Koloskopie ist hingegen nur bei Patienten über 50 Jahre, positiver
Familienanamnese oder ausdrücklichem Patientenwunsch indiziert (Hotz et al.,
1999). Bei jüngeren Patienten mit Obstipation ohne weitere Alarmsymptome sind
indes bei einer Koloskopie keine malignen Befunde zu erwarten (Pepin und
Ladabaum, 2002; Adler et al., 2007). Insgesamt zeigte eine große Studie mit fast
1400 Patienten, dass lediglich 4% der aufgrund von Obstipation durchgeführten
Koloskopien relevante Ergebnisse (in 2% ein Malignom) lieferten, während
Screening-Untersuchungen an symptomfreien Probanden in 17% entsprechende
Befunde (in 16% ein Karzinom) ergaben (Adler et al., 2007). Obstipation ohne
Warnsymptome wie Gewichtsverlust, Anämie, blutigem Stuhl, Fieber, nächtlichem
Schmerz oder laborchemischen Auffälligkeiten stellt somit keine obligatorische
Koloskopie-Indikation dar (Hotz et al., 1999).
Zur genaueren Abklärung funktioneller Beschwerden besteht jedoch die Möglichkeit,
diverse Spezialuntersuchungen zur Eingrenzung des Obstipationstyps durchzu-
führen. Störungen der Motilität können mithilfe des Hinton-Tests, der Manometrie
oder der Szintigrafie dargestellt werden.
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Therapie Sofern keine kausale Therapie der Obstipation oder Tenesmen zur Verfügung steht,
ist die Indikation für eine symptomatische pharmakologische Behandlung zu prüfen.
Zunächst sollten dem Patienten jedoch Verhaltensmodifikationen wie ein regel-
mäßiger Tagesablauf bezüglich Mahlzeiten und Defäkation, adäquate Trinkmengen
sowie ausreichend Bewegung nahegelegt werden. Allerdings existieren bislang noch
keine evidenzbasierten Daten, die die Wirksamkeit dieser Maßnahmen belegen
(Rao, 2007). Die Aufnahme von 20–30 g Ballaststoffen pro Tag erwies sich hingegen
insbesondere bei unspezifischer Obstipation als günstig (Voderholzer et al., 1997;
Müller-Lissner et al., 2005; Rao, 2007). Auch osmotische Laxanzien wie Laktulose
oder Polyethylenglykol sowie stimulierende Substanzen wie Antrachinone und
Bisacodyl zeigen gute Effekte bei geringen Nebenwirkungen (Brandt et al., 2005;
Wulkow et al., 2007). Eine weitere Therapieoption zur Steigerung der Kolonmotilität
stellen 5-HT4-Agonisten dar (Gershon und Tack, 2007), wobei jedoch in einer Studie
im Vergleich zu Polyethylenglykol eine geringere Ansprechrate bei ungünstigerem
Nebenwirkungsprofil nachgewiesen wurde (Di Palma et al., 2007).
Neue, noch in der Erprobung befindliche Substanzen, die eine differenziertere
Therapie der Obstipation ermöglichen könnten, sind beispielsweise Lubiproston,
Linaclotid oder Prucaloprid (Andresen et al., 2007; Johanson und Ueno, 2007;
Camilleri et al., 2008).
Diagnostisches Vorgehen bei Obstipation und Tenesmen
Obstipation Tenesmen
Ausführliche Anamnese, körperliche Untersuchung, Hämokkulttest, Abdomensonographie, Basislabor
Koloskopie, Labor, Schnittbildgebung etc.
Keine Alarmsymptome, Alter <50 Jahre
Alarmsymptome vorhanden (Gewichtsverlust, Fieber,
Blut im Stuhl, Anämie etc.), Alter >50 Jahre, positive
Familienanamnese, Patienten-Wunsche
Überprüfung der Rome-II-Kriterien
Gegebenenfalls weitere Spezialdiagnostik
Diagnostisches Vorgehen bei Obstipation und Tenesmen
Obstipation Tenesmen
Ausführliche Anamnese, körperliche Untersuchung, Hämokkulttest, Abdomensonographie, Basislabor
Koloskopie, Labor, Schnittbildgebung etc.
Keine Alarmsymptome, Alter <50 Jahre
Alarmsymptome vorhanden (Gewichtsverlust, Fieber,
Blut im Stuhl, Anämie etc.), Alter >50 Jahre, positive
Familienanamnese, Patienten-Wunsche
Überprüfung der Rome-II-Kriterien
Gegebenenfalls weitere Spezialdiagnostik
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Bei der Behandlung von Schmerzen zeigten Metaanalysen sowohl für
Muskelrelaxanzien als auch für Antidepressiva eine gute Wirksamkeit (Poynard et al.,
2001; Lesbros-Pantoflickova et al., 2004; Quartero et al., 2005). Die Datenlage zur
symptomatischen Therapie von Tenesmen ist jedoch äußerst spärlich und umfasst
hauptsächlich die anti-inflammatorische Behandlung der Strahlenproktitis nach einer
Radiatio der Prostata.
Literatur: Adler A., Roll S., Marowski B., Drossel R., Rehs H.U., Willich S.N., Riese J., Wiedenmann B., Rösch T, Berlin Private Practice Gastroenterology Working Group. Appropriateness of colonoscopy in the era of colorectal cancer screening: a prospective, multicenter study in a private-practice setting (Berlin Colonoscopy Project 1, BECOP 1). Dis. Colon Rectum 2007; 50 (10): 1628–1638. Andresen V., et al. Effect of 5 days linaclotide on transit and bowel function in females with constipation-predominant irritable bowel syndrome. Gastroenterology 2007; 133 (3): 761–768. Brandt L.J., Prather C.M., Quigley E.M., Schiller L.R., Schoenfeld P., Talley N.J. Systematic review on the management of chronic constipation in North America. Am. J. Gastroenterol. 2005; 100 (Suppl 1): S5–S21. Camilleri M., Kerstens R., Rykx A., Vandeplassche L. A placebo-controlled trial of prucalopride for severe chronic constipation. N. Engl. J. Med. 2008; 358 (22): 2344–2354.
Symptomadaptierte Therapie von Obstipation und Tenesmen
Aufklärung, Rückversicherung, Stressmanagement, Entspannungstechniken
Psychotherapie (Krankheitsverhalten, Coping) bei Indikation
Mild
Moderat
Schwer
Obstipation
Fasern und mehr Flüssigkeit,tägl. Bewegung, Stuhlroutine
PEG, Laktulose, Quellmittel Spasmolytika p.o. (Probiotika)
Bisacodylosmotische Klysmen
Tenesmen
Spasmolytika p.o.
Spasmolytika als supp. ‚on demand‘, Antidepressiva (TCI, SSRI)
Modifiziert nach: Mönnikes et al., Internist 2006; 10:1073-83.
Spasmolytika p.o. b. B.Phytopharmaka (?)
Symptomadaptierte Therapie von Obstipation und Tenesmen
Aufklärung, Rückversicherung, Stressmanagement, Entspannungstechniken
Psychotherapie (Krankheitsverhalten, Coping) bei Indikation
Mild
Moderat
Schwer
Obstipation
Fasern und mehr Flüssigkeit,tägl. Bewegung, Stuhlroutine
PEG, Laktulose, Quellmittel Spasmolytika p.o. (Probiotika)
Bisacodylosmotische Klysmen
Tenesmen
Spasmolytika p.o.
Spasmolytika als supp. ‚on demand‘, Antidepressiva (TCI, SSRI)
Modifiziert nach: Mönnikes et al., Internist 2006; 10:1073-83.
Spasmolytika p.o. b. B.Phytopharmaka (?)
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Schmerzen im rechten Oberbauch
J.F. Riemann, L. Helmstädter
Medizinische Klinik C, Klinikum Ludwigshafen gGmbH, Akademisches Lehrkranken-
haus der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Ludwigshafen am Rhein
Einleitung
Abdominelle Schmerzen sind ein häufiger Grund für das Aufsuchen
niedergelassener Ärzte sowie der Notaufnahmen von Krankenhäusern. In
epidemiologischen Studien wird die Häufigkeit von Oberbauchbeschwerden in der
Bevölkerung mit 8–54% angegeben Die häufigste Ursache von Schmerzen im
rechten Oberbauch sind Gallenwegserkrankungen. Jedoch aufgrund einer Vielzahl
von Differenzialdiagnosen bei Schmerzen in diesem Bereich ist eine systematische
Diagnostik von entscheidender Bedeutung, um insbesondere Patienten mit einer
akut behandlungs- oder operationsbedürftigen Erkrankung zu erkennen und einer
adäquaten Therapie zuzuführen.
Unterscheidung abdominaler Schmerztypen
Die sensible Versorgung der Abdominalorgane erfolgt auf 2-fache Weise, was eine
Unterscheidung in viszerale und somatische Schmerzen ermöglicht.
Viszerale Schmerzen werden durch Dehnung und Spasmen abdominaler
Hohlorgane verursacht, die Patienten empfinden dies als Krämpfe oder bohrende,
brennende und nagende Schmerzen, schwer lokalisierbar, oft begleitet durch
vegetative Symptomatik wie Nausea, Vomitus, Blässe und Schwitzen. Erleichterung
wird durch Bewegung wie Herumgehen erreicht. Durch Umschaltung der über
sympathische Fasern geleiteten Schmerzempfindung auf somatische Efferenzen
entsteht eine Schmerzausstrahlung, die sogenannten Head-Zonen, z. B.
rechtsseitige Schulterschmerzen bei Gallen- und Leberaffektionen.
Im Gegensatz hierzu steht der somatische Schmerz durch Irritation des parietalen
Peritoneums inklusive Bauchwand und Retroperitoneum. Der Patient beschreibt ihn
als gut lokalisierbaren, intensiven und scharfen Dauerschmerz, der lage- und
bewegungsabhängig sein kann. Dementsprechend führt Bewegung oft zu einer
Verschlimmerung, der Patient verharrt eher ruhig in Schonhaltung.
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Anamnese und körperliche Untersuchung
Neben der Schmerzqualität können eine Reihe weiterer Charakteristika wie
Lokalisation, Intensität, zeitlicher Verlauf sowie Zusammenhang mit der Nahrungs-
aufnahme erfasst werden. Gefragt werden sollte des Weiteren nach Vorerkran-
kungen, Vormedikation und -noxen, Stuhlgewohnheiten, B-Symptomatik und
familiären Erkrankungen. Eine ausführliche Anamnese schränkt das Spektrum der
möglichen Differenzialdiagnosen ein und ermöglicht eine sinnvolle und zielgerichtete
Diagnostik.
Die körperliche Untersuchung besteht aus Inspektion, Perkussion, Auskultation und
Palpation. Hierbei sollte die Beurteilung von Darmgeräuschen nicht überbewertet
werden, eine Abwehrspannung ist das einzige Zeichen, das mehr oder weniger
übereinstimmend durch Ärzte unterschiedlicher Qualifikation reproduziert werden
kann. Ein unverzichtbarer Bestandteil der Untersuchung bei Oberbauchschmerzen
ist die rektal-digitale Untersuchung.
Basisdiagnostik
Bei Abklärung abdomineller Schmerzen im rechten Oberbauch sollte eine
grundlegende Labordiagnostik erfolgen, wodurch sich weitere Hinweise auf eine
Diagnose und die Dringlichkeit einer Therapie ergeben können. Weitergehende
Laboruntersuchungen ergeben sich in Kombination mit der Klinik.
Am Anfang der bildgebenden Kaskade steht die transabdominelle Sonografie. Sie ist
in der Regel schnell verfügbar, rasch durchführbar, ist nicht-invasiv und ohne
Strahlenbelastung und hat somit fast den Stellenwert einer „erweiterten körperlichen
Untersuchung“.
Erweiterte Diagnostik
Sollte die Diagnose bis jetzt nicht gesichert sein, stehen eine Reihe weiterer
Untersuchungsmethoden zur Erweiterung bzw. Vervollständigung der Diagnostik,
teilweise mit therapeutischer Option, zur Verfügung, welche sinnvoll und zielgerichtet
eingesetzt werden sollten. Hierzu gehören kontrastmittelverstärkte Sonografie,
sonografisch gesteuerte Punktionen, Gastroskopie, Koloskopie, Dünndarmdiagnostik
mit Kapsel- und Doppel- bzw. Singleballon-Enteroskopie, Endosonografie,
Röntgendiagnostik, Computertomografie, MRT ggf. mit MRCP, ERCP mit
Cholangioskopie bzw. Pankreatikoskopie und intraduktalem Ultraschall sowie
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perkutane transhepatische Cholangiografie und -drainage, ggf. mit perkutaner
Cholangioskopie.
Häufige Differenzialdiagnosen und Therapie
Gallensteine und ihre Komplikationen werden in der Regel bereits durch die
Basisdiagnostik diagnostiziert. Die symptomatische Cholezystolithiasis und ihre
Komplikationen sind Indikationen zur Cholezystektomie, Standard ist laparo-
skopische Cholezystektomie. Die akute Cholezystitis sollte frühelektiv operiert
werden. Die Diagnostik bzw. Therapie der Choledocholithiasis und ihrer
Komplikationen richtet sich nach der Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen von
Gallengangssteinen bzw. nach der Ausprägung der Komplikationen. Die Therapie-
entscheidung bei Hepatikolithiasis sollte patientenbezogen interdisziplinär erfolgen.
Ulcera ventriculi und duodeni sind zu über 90% durch eine Infektion mit Helicobacter
pylori oder die Einnahme von nicht-steroidalen Antirheumatika (NSAR) verursacht,
wobei Letzteres an Bedeutung gewinnt. Zur Eradikation von Helicobacter pylori
gelten derzeit das French-Triple- oder das Italian-Triple-Schema als Standard.
Wegen der malignen Potenz des Magengeschwürs ist eine endoskopische Kontrolle
mit multipler Biopsieentnahme nach Therapie unabdingbar. Risikopatienten für eine
Ulkuskrankheit sollten bei unabdingbarer Einnahme von ulzerogenen Substanzen
eine Prophylaxe mit einem Protonenpumpeninhibitoren (PPI) erhalten.
Eine weitere Ursache für meist chronische Schmerzen im rechten Oberbauch
können diffuse Leberaffektionen sein, die mit einer Schwellung der Leber und
dadurch mit einem konsekutiven Leberkapselschmerz einhergehen.
Eine Übersicht weiterer Differenzialdiagnosen gibt Tabelle 2.
Kriterien für eine hohe Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer simultanen Choledocholithiasis bei Cholezystolithiasis (nach Lammert, DGVS-Leitlinie)
sonografisch erweiterter Gallengang > 7–10 mm + Hyperbilirubinämie + erhöhte
γGT/GPT
Gallengang > 10 mm + Gallenblasensteine + Koliken
sonografischer Verdacht auf Stein im Gallengang Tabelle 1
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Differenzialdiagnosen bei Schmerzen im rechten Oberbauch
Gallenblasen- und Gallenwegsaffektionen
Ulcus duodeni oder ventriculi
akute oder chronische Pankreatitis
diffuse Leberaffektionen, z. B. akute Hepatitis, Stauungsleber, Budd-Chiari-
Syndrom
fokale Leberaffektionen, z. B. Abszess, Echinokokkose
Nierenerkrankungen (z. B. Nephrolithiasis, Pyelonephritis)
retrozökale Appendizitis
rechtsseitiges Kolonkarzinom
Perihepatitis durch Gonokokken oder Chlamydien (Fitz-Hugh-Curtis-Syndrom)
subphrenische Abszesse
basale Pleuritis/Pneumonie
Herpes zoster
Affektionen der Rippen, z. B. Fraktur oder Metastase
radikuläres Schmerzsyndrom
Chilaiditi-Syndrom (Interposition des Kolons zwischen Leber und Zwerchfell)
funktionelle Beschwerden Tabelle 2
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Abbildung 1: typisches sonografisches Bild einer akuten Cholezystitis mit verdickter,
geschichteter unscharfer Wand und perivesikaler Flüssigkeitsansammlung.
Abbildung 2: ERC bei Mirizzi-Syndrom mit Kompression und konsekutivem Aufstau
des DHC durch ein impaktiertes Konkrement im Ductus cysticus.
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Abbildung 3: sonografisches Bild einer akuten ödematösen Pankreatitis mit
echoarmem, vergrößertem Pankreaskopf.
Abbildung 4: endoskopisches Bild eines großen Ulcus duodeni im Bulbus.
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Algorithmus
Korrespondenzadresse: Prof. Dr. J.F. Riemann Medizinische Klinik C Klinikum Ludwigshafen gGmbH Bremserstr. 79 67063 Ludwigshafen Tel.: (06 21) 5 03-41 00 Fax: (06 21) 5 03-41 14 E-Mail: [email protected]
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Anschriften der Referenten und Vorsitzenden
Prof. Dr. H. Koop Innere Medizin II HELIOS Klinikum Berlin-Buch Klinikum Buch Schwanebecker Chaussee 50 13125 Berlin Prof. Dr. H. Lochs Gastroenterologie/Hepatologie Charité – Universitätsmedizin Campus Charité Mitte Schumannstr. 20–21 10117 Berlin Prof. Dr. P. Malfertheiner Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Infektiologie Universitätsklinikum Otto-von-Guericke-Universität Leipziger Str. 44 39120 Magdeburg Prof. Dr. H. Mönnikes Klinik für Innere Medizin Martin-Luther-Krankenhaus Caspar-Theyß-Str. 27–31 14193 Berlin Prof. Dr. S. Müller-Lissner Abteilung für Innere Medizin Park-Klinik Weißensee Schönstr. 80 13086 Berlin PD Dr. J. Ockenga Innere Medizin II Klinikum Bremen Mitte St.-Jürgen-Str. 1 28205 Bremen PD Dr. M. Pirlich Gastroenterologie/Hepatologie Charité – Universitätsmedizin Campus Charité Mitte Schumannstr. 20–21 10117 Berlin
Prof. Dr. T. Poralla Innere Medizin I St. Joseph-Krankenhaus Bäumerplan 24 12101 Berlin Prof. Dr. J.F. Riemann Medizinische Klinik C Klinikum Ludwigshafen gGmbH Bremserstr. 79 67063 Ludwigshafen Prof. Dr. J. Schölmerich Klinik für Innere Medizin I Klinikum der Universität Regensburg Franz-Josef-Strauss-Allee 11 93042 Regensburg Prof. Dr. H.-J. Schulz Innere Medizin Sana-Klinikum Lichtenberg Oskar-Ziethen-Krankenhaus Fanningerstr. 32 10365 Berlin Prof. Dr. H. Tilg Bezirkskrankenhaus Hall i. T. Interne Abt. B Milserstr. 10 A-6060 Hall/Tirol Österreich PD Dr. H.E. Wasmuth Medizinische Klinik III Universitätsklinikum Aachen Pauwelsstr. 30 52074 Aachen Prof. Dr. B. Wiedenmann Hepatologie/Gastroenterologie Charité – Universitätsmedizin Campus Virchow-Klinikum (CVK) Augustenburger Platz 1 13353 Berlin
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Prof. Dr. M. Zeitz Medizinische Klinik I Charité – Universitätsmedizin Campus Benjamin Franklin (CBF) Hindenburgdamm 30 12203 Berlin