Date post: | 21-Feb-2016 |
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MISSION [IM]POSSIBLEDAS FUTURE EVOLUTION HOUSE DER FAMILIE HORX-STRATHERN IN WIEN, AARCHITEKT HANS PETER WÖRNDL, WIEN
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ES IST AN DER ZEIT...
Von Friedrich H. Dassler
Matthias Horx ist Reisender in Sachen Trend- und Zukunftsforschung,
ein angesagter dazu, mit Basislagern in Wien und Kelkheim im Taunus.
Unter Zukunft stellt sich jedermann etwas vor, allgemein das, was
jeden Moment anfängt, nach vorne offen und mehr oder weniger unge-
sichert scheint. Komplizierter liegen die Dinge beim Trend – im Trend
und man fragt sich, ob sie tatsächlich gemacht werden – die Trends
oder ob sie mit Fingerspitzengefühl und statistischen Methoden aus
dem herausgelesen werden, was schon da, beziehungsweise gerade
im Entstehen ist.
Für den Trendprofi Matthias Horx ist klar, dass heute beides stattfindet
und zwar gleichzeitig. Trends werden gesucht, gelesen, aufgespürt,
auch gemacht und es wird ihnen nachgelaufen. Aus seiner Sicht hat
der englische Begriff „Trend“, der wohl über den Sprachgebrauch an
den Finanzmärkten auf das allgemeine Wirtschaftsleben übergesprun-
gen ist, eine Art semantische Karriere durchlebt. Dabei nennt er ihn
heute einen „Lümmel“ unter den Begriffen, weil man so ziemlich alles in
einen Trend hineinprojizieren kann. Zudem sei der Begriff Trend, wie wir
ihn heute gebrauchen, in einem wissenschaftlichen Sinne wenig belast-
bar. Im Kontext seiner Zukunftsforschung hält er den Trend aber für
unverzichtbar. Denn wenn man „nur“ als Zukunftsforscher unterwegs
sei, gelte man leicht als reiner Utopist. Die Kenntnisse über die Trends
der Zukunft schaffen den unmittelbaren Bezug zur Wirtschaft und
damit erst ein Geschäftsmodell. Der Punkt ist, dass sich die Gesell-
schaft und natürlich auch die Industrie dafür interessieren, was sich
aktuell verändert, was zu erwarten ist, vor allem welches Käuferverhal-
ten. Demzufolge ist die Fragestellung an eine komplexe Trendwissen-
schaft die der Einordnung. Man will wissen: Was geht? Welche Trends
gibt es in welchen Bereichen? Und wie kann man von diesem Wissen
profitieren? So definierte Trends werden dann auch gern phänomeno-
logisch verstärkt, zum Beispiel in der Mode.
Mit seinem Zukunftsinstitut geht Matthias Horx noch weiter. Es gibt tie-
fer liegende Entwicklungen innerhalb der Gesellschaft, der Wirtschaft,
der Politik, der Systeme, die man forschend als Trends definieren kann.
Mit denen beschäftigen sich der Zukunftsforscher und seine Mitarbeiter
und Mitarbeiterinnen bevorzugt. Aber er hütet sich davor, den Begriff
Trend, so wichtig er ist, ganz nach vorne zu stellen, denn man kommt
damit leicht „in Teufels Küche“. Was man schon daran sehen mag,
dass wir diese Klärungen ganz an den Anfang gestellt haben.
Die Mission des Matthias Horx besteht darin, die Handlungsspielräume
von Unternehmen und Institutionen auszurichten und zwar an den zu
erwartenden Realitäten. Wobei er betont, dass genau das eigentlich
das Wesen von Management darstelle, denn Management müsse ja
antizipieren, was auf ein Unternehmen zukommt. Das Gleiche gelte
übrigens für eine Familie, wenn sie beispielsweise ein Haus bauen will.
Daraus resultiert die Frage, wo hier ein Geschäftsfeld für einen profes-
sionellen Consultant auszumachen ist. Das ist nicht leicht zu beantwor-
ten, so Horx. Er nennt es etwas umständlich: „Die Schärfung der sen-
sorischen Wahrnehmung komplexer Prozesse vornehmen zu lassen.“
Dafür hinreichend viele Abnehmer zu finden, ist sicherlich das ungelö-
ste Berufsproblem eines Trend- und Zukunftsforschers. Aber, wie wir
wissen, gibt es heute auch jede Menge ungelöster Berufsprobleme bei
Architekten und Ingenieuren.
Vor diesem Hintergrund hat sich Familie Horx am Rande Wiens das
Wohn- und Arbeitshaus planen und errichten lassen, was eigentlich
zwei Häuser sind, die aber eine ideelle Einheit darstellen. Der Architekt
ist Hans Peter Wörndl, das implizierte Lebens- und Arbeitskonzept der
Bewohner made by Familie Horx-Strathern, denn auch Frau Oona
wirkt als Trend Consultant und Autorin. Sie nennen es ‚Future Evolution
House‘, was natürlich längst eine geschützte Bezeichnung ist.
Die Presse, vor allem die am Trend-Ambiente interessierte, war schnell
dabei, ein Zukunftshaus oder Smarthome zu verorten. Die Bauherren
nennen es aber ‚Future Evolution House‘, weil sie in ihm die prozess-
haften Entwicklungen von Lebenskonzepten und Technologien über
einen längeren Zeitraum erforschen und zeigen wollen. Das war aller-
dings nicht von Anbeginn so beabsichtigt, ging man als interessierte
Laien des Bauwesens, was ja die meisten Bauherren sind, davon aus,
dass die werbliche Verheißung „Nichts ist unmöglich!“ in der Haustech-
nik längst Wirklichkeit geworden sei.
Matthias Horx sagt es mittlerweile salopp: „Wir sehen bis heute keine
Chance, das, was wir erwarten und das, was wir konzeptionell vertre-
ten, tatsächlich realisieren zu können. Das hat strukturelle Gründe, weil
sich diese Komplexität für einen ‚privaten Bauunternehmer‘ nicht in
Technik auflösen lässt und, weil wir keine Millionäre sind.“
Nun muss man als Bauherr kein Zukunftsforscher sein, um sich bei der
Frage danach, was man eigentlich will mit seinem Haus, mit der
Zukunft zu beschäftigen. Häuser werden persè für die Zukunft gebaut,
gestalten diese positiv mit oder belasten sie nachhaltig. Darum geht es
beim Bauen immer, nämlich um die nächsten 25 und mehr Jahre. Wer
sich darum ernsthaft kümmert, wie Matthias Horx, der denkt technolo-
gisch ein paar Jahre voraus und stellt voller Schrecken fest, dass die
Technik fürs Haus in Bezug auf das Jetzt schon zwei, drei Jahre hinter-
herhinkt. Wir verfügen über ein iPad der zweiten Generation, die ver-
fügbare Technik fürs Wohnhaus hat schon einige Jahre auf dem
Buckel.
„ Wir sehen bis heute keine Chance, das,was wir erwarten und das, was wir kon -zeptionell vertreten, t at sächlich realisierenzu können...“
Er verweist auf Elektromobilität, was derzeit durchaus ein großes
Thema ist. Er selbst fährt neuerdings ein Elektroauto aus Skandinavien,
dessen starke Batterie demnächst auch als Pupperbatterie für das
Haus dienen soll - Anfang des „Energy Grid“, bei dem Häuser als Ener-
gieproduzenten dienen. All das kann man nur „provisorisch“ zeigen,
denn die Realisierung eines solchen Netzes müsste mindestens den
ganzen Stadtteil erfassen. Horx hat erkannt, dass diese Differenz zwi-
schen Wollen und Können auch dazu führt, dass sich das Haus und
seine Bewohner ständig „umbauen“ werden. Lachend erklärt er, dahin-
ter stehe wohl letztendlich die indianische Idee, dass man erst fertig
sei, wenn man wieder auszieht. Der Mensch steht in Kontexten zu sei-
ner ästhetischen und faktischen Umgebung. Ein Haus lebt, wenn es
dauernd bearbeitet und verändert wird, eben evolutionär. Unter dieser
Prämisse wurde das Haus der Familie Horx schließlich gebaut.
Stand der Technik ist noch immer, dass Technologiefirmen den Nutzern
von Gebäuden Funktionalitäten anbieten, zwischen denen diese, je
nach Geldbeutel, aussuchen können. Smart wäre aber, wenn der Nut-
zer am Anfang definiert, was er von seinem Haus erwartet und die
Technik das dann kann und zwar in der Bedienung völlig unkompliziert
und finanziell erschwinglich.
Familie Horx ist überzeugt, dass es in diesem Sinne ein Totalversagen
der für den Wohnbereich zuständigen Elektroindustrie zu beklagen
gäbe. „Wir haben einfach diese Erfahrung gemacht. Haben smarte
Technik angefragt, aber nichts von dem, was uns angeboten wurde,
war smart. Smarte Technologie soll intuitiv erlernbar, sinnlich, habituell
– quasi in menschliche Gewohnheiten integrierte Technologie – sein.
Wenn Sie mit einem i-Phone umgehen können, können sie jede Art von
App nutzen. Die Technologie soll uns auch im Haus die Technik für den
Finger aufbereiten. Es geht um einen technologischen Begriff, wie ihn
Apple versucht zu definieren. Wir wollten ein Haus an der Nutzerfrage
IM GESPRÄCH MIT DEM TREND- UND ZUKUNFTSFORSCHER MATTHIAS HORX:
Matthias Horx
Trend- und Zukunftsforscher(www.zukunftsinstitut.de)Foto: Klaus Vyhnalek
Grundriss Wohnhaus Erdgeschoss Grundriss Wohnhaus Untergeschoss
Längsschnitt Wohnhaus Das E-Mobil an der hauseigenen „Tankstelle“
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entlang entwickeln, auch an den sinnlichen Bedürfnissen des Men-
schen, nicht an technischen Vorgaben. Und da sind wir einfach nicht
fündig geworden.“
Klar ist, die Firmen wollen verkaufen, was sie gerade können und im
Angebot haben. Dazu erfinden sie sich einen potenziellen Käufer, den
sie den Kunden dann in der Werbung zur Identifikation anbieten. Mat-
thias Horx sagt: „Diese Typen sind wir aber nicht. Wer glaubt, an die-
sem Geschäfts- und Marketingmodell festhalten zu können, wird zu-
künftig nicht mehr sehr viel verkaufen.“
Was man uns vorgeführt hat, basierte letztlich auf einer reduzierten
Vorstellung männlicher Kontrolle. Häuser werden von den Anbietern
wie elektrische Eisenbahnen konstruiert, die der Hausherr lächelnd
fernsteuert. Frauen halten das zu Recht normalerweise für völligen
Unsinn: maximal viele Schalter sind gut und maximal viele Funktionen
müssen bezahlt werden. Der Gipfel ist dann schon erreicht, wenn all
diese vielen Funktionen von einem Pannel aus bedient werden können.
Aber wer braucht das? Wenn ich gerade im Garten bin und ein Beet
umgrabe, brauche ich dann 150 Funktionen, die ich aus der Ferne im
Haus betätigen kann? Was da bei den Menschen aufgebaut und aus-
genutzt wird, sind Versagensängste: Habe ich den Herd abgeschaltet?
– das Bügeleisen ausgemacht? – die Jalousie heruntergefahren? – das
Garagentor zu gemacht? Dieses Versagen kann man via Internet von
unterwegs aus korrigieren. Aber sind das wirklich die Fragestellungen,
auf denen unser Dasein aufsetzen sollte?“
Damit wirft Matthias Horx die grundlegende Frage auf, ob Technologie
primär dazu da sei, bereits bestehende Probleme – womöglich durch
das Vorhandensein von Technologie erst erzeugte – zu lösen, also
rückwärts gerichtet ist oder ob Technologie nicht vielmehr geeignet
sein sollte, die Menschen bei der Bewältigung ihrer persönlichen Zu-
kunft aktiv zu unterstützen.
„ Was man uns vorgeführt hat, basierteletztlich auf einer reduzierten V orstellungmännlicher Kontrolle. Häuser werden vonden Anbietern wie elektrische Eisenbah -nen konstruiert,...
Er wünscht sich, dass hier die ausgetretenen Pfade des Bauwesens
verlassen werden. Er will Technologie nicht spüren und nicht zum Be-
diener seines Hauses degradiert werden. Er fordert, dass Technologie
verschwindet und Raum schafft für humane Tätigkeiten, die ganz oft
nicht digital sondern anlog sind. Im Grunde ist es der große Kampf um
die Menschlichkeit oder Menschengerechtigkeit von Technologie. Tech-
nologie sei bisher für den Nutzer nicht mehr als das, was er erlernen
muss, um das Betriebssystem bedienen zu können. Jetzt sei es an der
Zeit, dass die Technologie lernt, uns zu (be-)dienen.
Dabei malt er sich aus, wie er im Alter auf den Bildschirm an der Wand
starrt, die Schrift kaum mehr erkennen kann und sich vor allem nicht
erinnert, wie und warum er zwei Jahre zuvor die Sauna so oder so pro-
grammiert hat. Jeder kennt diesen Effekt, bezogen auf Funktionen, die
eher selten verändert werden, beim Fernseher, bei der Telefonanlage,
bei der Heizung. Am Beispiel der Sauna malt er die „kleinen Katastro-
phen“ der Zukunft an die Wand.
Das erste Problem auf das man bei der Planung stößt, ist, dass es
einen gewaltigen Mangel an Integratoren im Zwischenfeld von Funktio-
nalität, Elektronik, Ästhetik und Design gibt. Es gibt jede Menge digitale
Elektroniker, die aber eine ganz eigene Sprache sprechen. Wenn man
denen zu vermitteln sucht, dass man das, was man sieht, in einer
gewissen Ästhetik haben möchte, gucken die einen völlig verständnis-
los an. Umgekehrt ist das Verständnis der Designer für Technologie
zwar größer, aber im Grunde genommen kennen sie sich nicht aus,
beziehungsweise haben die gleichen Verständigungsprobleme mit der
Technologie wie jeder normale Mensch auch. Die Architekten haben es
besonders schwer. Irgendwie erwartet der Bauherr von ihnen, dass sie
sich mit allem auskennen, immer auf dem neusten Stand sind und
dabei noch vorausdenken, was aber ehrlich betrachtet, gar nicht der
Fall sein kann.
Und Fakt ist, dass Elektrofachplanung für Wohngebäude – falls sie
überhaupt abgerufen wird – und Kommunikations- beziehungsweise
Unterhaltungselektronik zwei völlig verschiedene Welten darstellen. Das
bezieht sich auf die Beratungskompetenzen genau so, wie auf die Her-
stellerseite.
Um mit diesem Problem fertig zu werden, sah man sich im Hause Horx
veranlasst zu prototypen und hat aus der Not eine Tugend gemacht.
Heute nimmt man sich dort in jedem Jahr ein solches Projekt vor, in
dem versucht wird, etwas zu realisieren, was eigentlich zu teuer ist. So
wurde zum Beispiel mit der Tiroler „Lifestyle Foundation“ eine laserge-
steuerte Raumregelung entwickelt, die auf sehr reduzierten Symbolen
basiert, die sich an alle Wände projizieren lassen und die sich mit
einem i-Pod-ähnlichen Gerät bedienen lässt.
Man nutzt das neue Haus als eine Art Bühne, auf der versucht wird,
Themen aus der Trend- und Zukunftsforschung ideell zu übertragen
und praktisch zu realisieren. Das geht nur mit Partnern aus der Indu-
strie, die aber schwer zu finden sind, was zunächst logisch erscheint,
denn hier werden über Jahrzehnte liebgewonnene Strukturen radikal in
Frage gestellt. In der Regel sind Manager gezwungen, so zu tun, als
hätten sie die Zukunft fest im Griff und sind an solche Formen koopera-
tiver Zusammenarbeit nicht gewöhnt. In den meisten Fällen gehe es
ihnen heute immer noch darum: „...uns ihren längst überholten Schrott
zu verkaufen“, so die Erfahrungen des Bauherrn Matthias Horx.
Der Konflikt zwischen Entwicklungslabor und Gerätegeneration-xy, die
aus den Regalen abverkauft werden muss, ist schwer zu lösen. Einige
Anbieter hatten sich sogar allen Ernstes vorgestellt, mit dem neuen
Horx-Haus Werbung für ihre „Altlasten“ machen zu können. Das
Ergebnis lautete aber: geprüft und als ungenügend empfunden.
Beispiel Energieverbrauch: Wie viel Strom, Gas, Erdöl wir verbrauchen,
vermitteln uns Zahlen und hohe Rechnungen und zwar nachträglich.
Die Vorabberechnungen der Planer beinhalten Maßeinheiten, mit denen
der Laie nichts anzufangen vermag, wobei erschwerend hinzu kommt,
dass theoretische Ermittlungen von zu erwartenden Energieverbräu-
chen blanke Theorie sind und weder die gebaute Realität noch das
Nutzerverhalten authentisch beinhalten.
Matthias Horx sagt, in Bezug auf den Energieverbrauch fehle uns ein
„Sättigungsgefühl“, ein Gefühl, das vielen Menschen sogar in Bezug
auf ihre Nahrungsaufnahme fehle. Wir haben keine Sensorik dafür, ob
wir gerade viel oder wenig Energie verbrauchen. Andererseits wollen
wir uns nicht in Felle hüllen, weil es im Haus kalt ist. Und was man im
Jahre 2011 als ein seinem Wesen nach großzügiger Mensch auch
nicht will, ist, das Energiesparen zum Lebensprinzip erheben.
Demnach wäre es also spannend, seitens des Hauses eine Art von
Rückkopplung zu erhalten, was den aktuellen Energieverbrauch an-
geht. Da experimentiert die Familie mit Farben in Form von LED-
Leuchtbändern, die abends aussagen, wie der Energiezustand des
Hauses ist. Die Bewohner können daran nachvollziehen, ob das Haus
mehr Energie verbraucht hat, als tagsüber gewonnen wurde. Das
heißt, wenn sehr viel Energie verbraucht wurde, fängt das etwas erhöht
liegende Arbeitshaus an, rot zu glühen. Da das mit dem Licht nur
abends funktioniert, sucht man gerade nach Lösungen für den Tag.
Der Ansatz auch hier, Energietechnik von Zahlengrößen und Einheiten
zu befreien und sinnlich erlebbar zu machen. Wer kennt schon wirklich
die Bedeutung einer Kilowattstunde pro Jahr, wenn er nicht Techniker
ist. Und selbst denen bleibt so etwas oft abstrakt.
Das Projekt: Wie kommuniziert ein Haus seine Energiezustände? – ist
nur eines von vielen. Dabei sind die Bewohner des Future Evolution
House eine ganz normale Familie. Es gibt zwei halbwüchsige Söhne,
die alles andrehen und es dann vergessen (sagt der Hausherr). Natür-
lich könnte man an jeder Steckdose so ein „Shut-down-Ding“ anbrin-
gen, also Technik einsetzen zur Automatisierung und Kontrolle. Das
Ergebnis wären dauernd angenervte Bewohner, die sich im Kleinkrieg
mit der Haustechnik befänden. Das ist nicht smart!
Technik soll unterstützen, aber nicht bevormunden. Technologie soll
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Längsschnitt Arbeitshaus
Tragwerk
Stahl- (unten) und Holzfachwerk (oben) bildenfür das Wohngebäude eine sehr leichte, effizi-ente und in höchstem Maße variable Baukon-struktion.
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uns auch etwas zeigen, aber auf einer Ebene, die wir quasi aus den
Augenwinkeln wahrnehmen können, wobei wir keinen kognitiven Auf-
wand betreiben müssen. Matthias Horx sagt: „Die zentrale Fragestel-
lung an die Technologie des 21. Jahrhunderts ist Konzentration, also
die Abwesenheit von Störung.“ Ungestörtheit sei eine knappe Ressour-
ce. Das neue Haus ist das Arbeits-/Lebenshaus der Familie und dabei
wollen die Bewohner nicht gestört werden. Horx sagt: „Ich will arbeiten
können und wir brauchen Zeit für unser Privatleben. Wenn Sie das
heute in einem normalen technoiden Umfeld versuchen, werden sie
ununterbrochen aufgehalten und gestört. Das ist der Preis der soge-
nannten Kommunikationsgesellschaft. Sie werden zum Technikbedie-
ner im Berufs- wie im Privatleben. Wo Sie stehen und gehen werden
Sie online mit Nachrichten, Anrufen, Mails, per SMS und was es sonst
noch alles gibt, bombardiert.“ Im Grunde gehe es um den geschickten
Verzicht von Technologie, also die Synchronisation von realen Bedürf-
nissen und technischen Angeboten. Lächelnd führt Horx das Thema
Automobil an: Beim Auto sähen wir heute eine wundersame Synthese
von Mensch und Maschine. Gerade Männer lieben es besonders, in ihr
Auto geradezu „hineinzuschmelzen“. Sie werden dabei zu Symbionten,
zu Würmern, die in ihrem technoiden Gehäuse aufgehen, wie das der
Film Matrix auf geniale Weise zeigt. Der wache, autonome Geist brau-
che aber etwas anderes. Autofahren über weite Strecken mache auch
müde, träge und selbstgefällig und deshalb sei es so beliebt.
Zum Beispiel gibt es in dem neuen Haus keinen Fernseher, denn wozu
braucht man in einer vom Internet bestimmten, medialen Welt dieses
schwarze Loch im Raum, wenn kein Programm läuft. Niemand braucht
diese Diskussionen darüber welcher Kanal angeschaut werden soll-
wirklich. Niemand braucht eine fremdbestimmte Programmvorgabe,
die einem den Tagesablauf strukturiert. Moderner Medienkonsum ist
individuell, zeitversetzt und download-orientiert. Dazu nutzt Familie
Horx i-Pads. Auf die lassen sich inzwischen bereits Spielfilme und
Fernsehprogramme herunterstreamen.
„ Wenn sie einen klassischen W ohnraum -grundriss sehen, wissen sie, wo der Fern -seher zu stehen hat. Aber genau das istzuerst in Frage zu stellen.“
Wenn man einen App-Entwickler zu Home-Funktionen befragt, sagt
der: „Ok, für 150.000 Euro mache ich Ihnen etwas.“ Das mag natürlich
kein Privatmann aus der eigenen Tasche bezahlen. Dazu müssten sich
die Entwickler von Elektroniklösungen und die Haustechnik-Branche
schon zusammen tun. Letztendlich wird es sich dennoch kaum vermei-
den lassen, dass die Elektrofachplanung und die mittelständische Elek-
troindustrie den gesamten Sektor Home-Automation/-steuerung an die
global aufgestellten Elektronikanbieter verlieren werden. Nur, im Mo-
ment verdienen die ihr Geld woanders leichter. Die ganz großen Um-
sätze werden noch mit ständig neuen Handy-Generationen, Flachbild-
schirmen und Rechnern verdient. Erst wenn da Sättigung erreicht ist,
weil einmal mehr das Ende einer Bedarfs-Fahnenstange erreicht wur-
de, wird man dort ernsthaft überlegen, sich im Gebäude gezielter zu
etablieren.
Für viel Geld bekommt man auch heute schon sehr viel geboten, wenn
vielleicht auch nicht das, was man sich wünschte, hätte man die Zeit
und die Möglichkeiten, darüber qualifizierter nachzudenken. Matthias
Horx und seine Partnerin nehmen sich die Zeit und haben die Möglich-
keiten dazu. Dabei konzentrieren sie sich auf Dinge, die für einen nor-
malen Haushalt realisierbar sind. Und sie wollen weg von der Idee,
ständig eine Schaltvorrichtung in der Hand oder vor Augen zu haben,
die jeden Lichtschalter kontrolliert. Das Ziel sind im Prinzip additiv ein-
setzbare Home-Apps. Dafür bietet das neue Haus das ideale Experi-
mentierfeld.
Das Experiment fing beim Entwurf des Hauses an, obwohl die Thema-
tik den Beteiligten nicht von Anfang an so klar vor Augen stand. Da war
einerseits der Architekt gefordert, nicht zuletzt auch das moderierende
Talent und der persönliche Einsatz einzelner Mitarbeiter, andererseits
wurden Bauherrin und Bauherr gelegentlich bis an der Rand des Er-
träglichen getrieben. Matthias Horx weiß heute: „Wenn sie einen klassi-
schen Wohnraumgrundriss sehen, wissen sie, wo der Fernseher zu
stehen hat. Aber genau das ist zuerst in Frage zu stellen. Und dann
geht es immer weiter mit den Infragestellungen. Am Ende haben wir
einige wenige subtile, aber entscheidende Irritationen eingebaut, die im
fertigen Haus auf den ersten Blick kaum wahrnehmbar sind.“
Wenn wir einen Blick auf die gegenwärtige Architekturdiskussion wer-
fen, stellen wir fest, dass das Wohnen in einem urbanen Kontext als
Thema aktuell ist. Allerdings liegen hier die Schwerpunkte eher hinter
den Stichworten Verstädterung, Megastädte, Verdichtung, Planbarkeit
von Urbanität, Mobilität, soziale Schere/Gegensätze ethnischer Art,
Integration/Separation. Im Falle des Wohn-/Arbeitshauses der Familie
Horx scheint sich dieser, die Allgemeinheit betreffende Problempool,
auf den ersten Blick auf die Frage nach einer geeigneten Sicherungs-
und Alarmanlage zu reduzieren. Denn wer mitten in einem 4500 Qua-
dratmeter Parkgrundstück am Rande Wiens wohnen darf, für den steht
beispielsweise die Frage nach der Verdichtung von Wohnraum nicht an
erster Stelle auf seiner Roadmap.
Doch Matthias Horx wäre nicht der erfolgreiche Trend- und Zukunfts-
forscher, wäre er nicht in der Lage, auch aus seiner extraordinären
Situation Substanzielles abzuleiten. Er behauptet, die „Gene“ seines
Hauses – seine prinzipielle „Denkweise“ – liessen sich auch auf den
modernen Siedlungsbau übertragen: „Ich kann mir unsere ‚mentale
Architektur‘ auch in grossen, verdichteten Ensembles vorstellen“, sagt
er. Es gehe nicht nur um einen Baukörper, es gehe um eine Bau-Philo-
sophie.
Einfachheit
Die rationale Architektur von Hans Peter Wörndl erinnert ganz unmittel-
bar an die Architektur der Case Study Häuser in den USA (Raphael
Soriano, Neutra, Charles und Ray Eames). Die Amerikaner haben in
den 40ern, bis in die 60er Jahre hinein, in Kalifornien ähnliche Häuser
erdacht und gebaut. Man wollte dort mit einfachen Mitteln hohe Indivi-
dualität und Freiheit im Raumkonzept erreichen, obwohl der konkrete
Anlass für das politische Programm eigentlich die Wohnraumnot nach
dem 2. Weltkrieg war. Gewonnen hat damals in Amerika leider die
Bauindustrie mit der Optimierung des möglichst immer Gleichen und
das in klar definierten Komfortstufen, je nach Einkommen der Bewoh-
ner.
Der kompakte Stahl-/Holzbau von Architekt Wörndl setzt an diesen
Beispielen der Klassischen Moderne an und versucht von dort den
Sprung hin zu heutigen Technologien und zu einer ebenso rationalen
wie zeitgemäßen Typologie. Wer die ideellen Vorläufer kennt, merkt
sofort, dass man heute an vielen Punkten weiter ist, dass man Dinge
realisieren kann, die früher nicht möglich waren. Beispiel an der Gebäu-
dehülle ist der Umgang mit Energie, was für die Amerikaner damals
allerdings kein Thema war. Obwohl das Haus sehr transparent und
offen dasteht, wurde kein abgesperrtes „Plastikhaus“ errichtet.
Es gibt keine Fenster. Es gibt nur offene und geschlossene Wandfelder,
die visuelle Verbindung zwischen innen und außen, Wohnen in der
Natur ist das Thema. Das funktioniert heute mit sehr ausgereiften und
energetisch sinnvollen Lösungen und Details.
Matthias Horx verweist hier gern auf die Eames-Konzepthäuser, die
sich zwar bevorzugt mit der Normierung von Bauelementen und mit
Verdichtung beschäftigten, aber auch damit, angenehmes Wohn- und
Freizeithaus zu sein. Da findet man zum Beispiel das Konzept des Feri-
enhauses in schönen Landschaften.
Horx sagt: „Unser Haus ist ein HUB.“ (Places for meeting, working,
learning, innovating and connecting dedicated to inspiring and suppor-
ting enterprising initiatives for a better world. /the-hub.net.)
„Wir haben uns gefragt, was ist das Charakteristikum von Familien-
struktur? Deshalb ist es ein Familien-Wohn-Arbeitshaus geworden. Das
heißt, die Produktivität ist an den Wohnort gekoppelt, wie bei einem
Bauernhof. Und darauf mussten wir Antworten finden.“ So wurde bei-
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Technische Beschreibung des Architekten
Bisher arbeiten Energiesparhäuser meist rein passiv, zum Beispiel
durch „Versiegelung“ der Häuser mit hohem Materialaufwand. Das von
uns entwickelte neuartige Haus unterscheidet sich davon deutlich: Die
zunächst angenommene Stahlkonstruktion in Leichtbauweise wurde
abgespeckt und auf ein Minimum reduziert. Im statischen Kontext wird
sie durch eine Holzkonstruktion ersetzt bzw. ergänzt. Das Fachwerk ist
ein „verstecktes Fachwerk“. So ist grosse Variabilität im Wandaufbau
gegeben und die angestrebte Austauschbarkeit gegen zukünftig neuar-
tige Fassadenmaterialien möglich. Weiterhin berücksichtigt die modul-
artige Bauweise gegebenenfalls spätere Zu- bzw. Umbauten in Bezug
auf technische Neuerungen und veränderte Anforderungen an die Fas-
sade. Zur Zeit wird die Außenhaut durch bedrucktes ethernit aurea
gebildet, das innerhalb der Fibonacci-Sequenzen zugescnitten wurde.
Der erstmalige Einsatz eines Blockheizkraftwerkes, z.B. Brennstoffzelle
1,2 kw (vergl. heliocentris), im urbanen Bereich des Stadtgebietes von
Wien ist in Vorbereitung. Damit kann im Einfamilienhaus bzw. in Klein-
häusersiedlungen ein Teil der Haushalte mit Energie versorgt werden.
Die Logistik für dezentrale Energietechniken, Wiedereinspeisung von
Strom in das netzgebundene Versorgungssystem der Stadt Wien, sai-
sonale Speicherung, Wasserstoff-Tanklagerung, etc. haben die schritt-
weise Erhöhung des Autarkiegrades als Ziel.
Sichtbare Indikatoren in der Architektur sind angestrebt, das heißt z.B.
kein Verstecken der Energiezentrale im Einfamlienhausbereich wie bis-
her. Die Strukturierung der Anlage in Quellen, Speicher und Senken
ermöglicht eine zielgerichtete Erweiterbarkeit. Dazu gehört auch die
Weiterentwicklung farb-psychologischer Wahrnehmungskonzepte und
selbsterklärende Klarheit für Energieverbrauchsanzeigen.
Die schwarzen PV-Dünnschichtzellen (sulfurcell) werden an der Fassa-
de skulptural in das Gebäudekonzept integriert. Mit dem hier gewonne-
nen Strom werden das Elektroauto sowie die saisonalen Speiche-
rungssysteme, wie z.B. der Batteriepuffer, unterstützt.
Klammernentwicklung Für die schwarzen, rahmenlosen PV-Module
wurden speziele Klammern entwickelt, mit dem Ziel, mehr brand-
schutztechnische Sicherheit und Simplizität im Aufbau zu erhalten.
Warmwasserkollektoren wurden in die Dachsituation integriert. Das
Brennwertheizgerät (Vaillant) verfügt über eine direkte online Störungs-
meldung. Die Räume werden über eine Bodenheizung mit Wärme ver-
sorgt. HPW
Podpod Design zur Lichttechnik
Lichtwirkung aussen: Die Fassade des Hauses selbst wird nicht dezi-
diert angestrahlt. Das Erscheinungsbild bei Nacht setzt sich aus zwei
Elementen zusammen: zum einen aus den Licht emittierenden Öffnun-
gen im Baukörper, zum anderen durch die Kommunikation der energe-
tischen Performance durch einen Sockel aus farbigem Licht, auf dem
die baulichen Volumina ruhen.
Lichtwirkung innen: Den hohen Ansprüchen der Bauherren an die
Wohnqualität und den visuellen Komfort wird durch die Betonung der
vertikalen Beleuchtung und die Verwendung von optimal ausgeblende-
ten und in flexiblen Lichtszenen programmierten Leuchten mit warmer
Lichtfarbe und maximaler Farbwiedergabe Rechnung getragen. Als
wesentliches Element neben der direkten Beleuchtung der Wände und
der einrichtungsbezogenen Lichtakzente markiert die in die Architektur
integrierte Perimeterbeleuchtung die Grenze zwischen Innen- und Aus-
senraum und löst sie zugleich auf.
Lichtechnik: Die Vouten sind mit indirekt strahlenden T5-Leucht-
stofflampen in warmweißer Lichtfarbe bestückt. Dazu kommen in den
verglasten Gebäudeteilen im Untergeschoß direkt strahlende farbsteu-
erbare LED-Bänder. Die restliche Akzent- sowie die Funktionsbeleuch-
tung in den Wohn- und Arbeitsräumen erfolgt in erster Linie durch mit
langlebigen Xenon-Halogenlampen bestückte Richtstrahler, weich
strahlenden T5-Leuchten und linearen Hochleistungs-LED-Leuchten in
den Nassräumen. Der Stiegenabgang wird durch stufenbegleitende,
lineare, warmweiße LED-Uplights beleuchtet.
Sämtliche Leuchten sind in das hauseigene Bus-System eingebunden
und können in vorprogrammierten Lichtszenen geschaltet werden.
Ausblick: Das Future Evolution House ist als dynamisches, sich ständig
weiterentwickelndes System konzipiert und kann auch in Zukunft
erweitert und auf den jeweiligen Stand der Technik gebracht werden.
Der Treppenabgang wird
durch die Stufen begleiten-
de lineare, warmweiße
LED-Uplights beleuchtet.
Süd- (oben) und Nordan-
sicht des Wohntraktes
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spielsweise deutlich, dass die Zusammenlegung der Funktionen auch
neue Formen der Trennung bedingt, denn auch im Inneren entsteht
Störung.
Mit dem Architekten wurde die Massenverteilung im Gebäude neu defi-
niert. Der Wohnraum wurde zu Gunsten des Naturraums und anderer
Funktionen, die wichtiger erschienen, verknappt. Da boten die Mitbe-
wohner Anlass zur Sozialforschung.
Der Gegenentwurf zu dem, was man hier suchte, war in Wien auch
nicht weit entfernt zu finden. Auf der anderen Seite des Hügels wohnen
die sogenannten „Wiener Witwen“ in wunderschönen, alten Villen. Das
sind betuchte Frauen, deren Männer oft schon vor vielen Jahren ge-
storben sind und die seit dem in 18 Zimmern wohnen. Hier dachten
jetzt Zukunftsforscher über ihre eigene Zukunft nach und skalierten ihr
Haus so, dass es an veränderliche Situationen anpassbar bleibt und
zwar ohne Abstriche an seiner Leistungsfähigkeit. So ist das separate
Arbeitshaus persé vereinzelbar und als eigenständige Wohneinheit
nutzbar.
Flexibilität
Flexibilität ist ein geschundenes Wort in der Architektur. Was uns in den
vergangenen Jahren alles im Zeichen der Flexibilität verkauft worden
ist, spottet jeglicher Beschreibung.
Hier galt es, bauliche Flexibilität in den humanen Lebensablauf einzu-
bauen. Dieses Haus versucht, eine individuelle Familienarchitektur ab-
zubilden und die entwickelt sich unaufhörlich weiter. Matthias Horx
bezeichnet deshalb das Haus gern als „Raumschiff“. Es gibt einen
langgestreckten Baukörper, der aus einer Reihung von drei Kuben
besteht, die man jeweils voneinander regelrecht abschotten kann.
„Man kann die Schotten dicht machen.“ Die Türen reichen bis zur
Decke und sind sehr massiv, so dass bei den Jungs der Punk abgehen
kann, ohne dass die Eltern in ihrem Tun gestört werden (und umge-
kehrt). Trennungen wie Zusammenkünfte sind frei moderierbar.
Individualität entsteht durch Entflechtung, hier zunächst durch die Rei-
hung der Zimmer, durch effiziente Größen, durch an die Lebensum-
stände der Familie angepasste Raumangebote, einen hohen Außenbe-
zug und die Teilung in zwei Gebäude.
Dieses smarte Haus hat keinesfalls nur mit Technik zu tun oder wäre in
Bezug auf verfügbare technische Möglichkeiten hin ausgelegt. Sondern
es ist von den sozio-ökonomischen Entwicklungslinien her konzipiert.
Und da ist Individualität für Matthias Horx ein ganz wichtiger Faktor:
„So etwas wie, dass niemand mehr das selbe Fernsehprogramm anse-
hen will oder muss. Die Kinder streamen, wir streamen. Dafür muss
man einen Ausgleich schaffen. Deswegen haben wir im Zentrum des
Hauses einen klassischen Kaminraum eingerichtet, den wir HUB oder
Lounge nennen. Von da aus kommt man auch schnell in die Garage
hinunter.
Wir reisen sehr viel. Und in welcher Art Räume halten wir uns am mei-
sten auf? – in Lounges, bei Starbucks zum Beispiel, in Hotels oder in
Flughäfen. Dort arbeiten wir an Laptops, haben Meetings und ernähren
uns. Diesen Lifestile haben wir quasi domestiziert. Es gibt eine Küchen-
situation, in der man hoch sitzt. Wir sind kreative Menschen, wir
kochen keine zig-Gänge-Menues. Das halten wir für dekadent. Des-
halb leben wir eher eine Snacking- und Grazing-Situation. Und die
reicht über die Grenzen der Küche hinaus. Wir haben draußen große
Stahlrost-Container mit Kompost gefüllt, in denen wir unser Gemüse
ziehen.“
Aktivität
Familie Horx versteht Wohnen als bewusste Ergänzung und als Aus-
gleich zur Profession. Automation wird da akzeptiert, wo sie lästige
Handlungen und Kontrolle erledigt, nicht da, wo sie sinnvolle Aktivität
ersetzen könnte. Das hört sich absolut nicht nach heimkommen, Sofa
und Fernsehen an. Matthias Horx sieht es als eine natürliche Heraus-
forderung für heutige Menschen an, die viel sitzen und viel denken,
älter zu werden, ohne dabei zwangsläufig übergewichtig zu werden.
Herkömmlichen Automatisierungsphantasien beruhen mehrheitlich auf
der Idee, den Körper still zu legen. Die Fernbedienung ist seiner An-
sicht nach das beste Mittel, die heutigen Volkskrankheiten ins Unendli-
che zu treiben.
„Wir haben versucht,“ sagt der Zukunftsforscher, „unser Haus so zu
bauen, dass wir im positiven Sinne in Bewegung bleiben. Das heißt
auch, dass wir uns im Zweifelsfall zwangsläufig bewegen müssen. Der
Trick ist, dass es eine Form von Bewegung sein sollte, die der Geist als
positiv und nicht als lästig bewertet. Holz zu hacken – und selbst das
Schleppen – ist für unsereins eigentlich keine unangenehme oder
schlechte Tätigkeit. Schließlich haben wir das Glück in der Natur zu
leben. Auch deshalb haben wir uns bemüht, das, was einen dort
glücklich und froh machen kann, wieder in den Alltag einzubeziehen.“
Er erzählt weiter, dass die Familie zuvor den Teil eines Barockschlosses
an der tschechischen Grenze als Ferienhaus bewohnt hat. Da gab es
lange Flure und Wege und man habe am Ende des Wochenendes be-
merkt, wie erschöpft, aber auch wie fit man war. In sizilianischen Berg-
dörfern, werden die Leute uralt, locker an die 100 Jahre, weil man an
steilen Hängen wohnt, wo die Leute jeden Tag vom Haus in die Gärten
und wieder zurück gehen müssen. Das ist ein durch die natürlichen
Lebensumstände bedingtes kardiovaskuläres Training.
Automation wird da akzeptiert, wo sielästige Handlungen und Kontrolle erledigt,nicht da, wo sie sinnvolle Aktivität erset -zen könnte.Das heißt, es geht beim Wohnen auch dringlich darum, eine selbstver-
ständliche Körperlichkeit sicher zu stellen. Er sagt, nach dem Umzug in
das neue Heim habe er sein Rudergerät und sein Laufband abge-
schafft. Er hält solche Geräte für furchtbare Prothesen, auf die man
mancherorts leider nicht verzichten könne, weil der Lebensalltag weit-
gehend bewegungsfeindlich geworden sei.
Trotzdem hat er keine Lust, zum Land- oder Ackermann zu mutieren.
Das kann und will er nicht. Er habe immer mit Garten gelebt, auch ein-
mal in einer Landkommune und weiß, was das heißt und er weiß auch,
wie man darin „versacken“ kann. Urban-Garden ist das Konzept, das
mit dem Future Evolution House praktiziert wird. Das heißt auch, mo-
dern und praktikabel zu wirtschaften, nicht rückwärtsgewandt, aber
ernst zu nehmen, was man sich seit den 60er Jahren an Alternativkul-
tur erarbeitet hat. Es geht um den Geschmack und darum, etwas
wachsen sehen. Das sei für die Seele ungeheuer wichtig. Diesen Din-
gen wird der technologischen Ansatz konsequent untergeordnet.
In Technologie übersetzt heißt das, dass man in der Familie Horx abso-
lut stur ist: „Wir kaufen kein elektronisches Gerät, wenn es nicht ge-
lingt, dafür eine Fernbedienung abzuschaffen. Da es das aber kaum
noch gibt, gibt es bei uns kaum elektronische Geräte. Ein Tisch auf
dem mehr als drei solche ‚elektronischen Schweinchen’ liegen, würde
mich zum sofortigen Auszug zwingen!“, so der Hausherr.
Das alles ist für viele Menschen mit ihren Vorstellungen von Lifestyle
nicht zu vereinbaren und hat für die meisten absolut nichts mit Archi-
tektur zu tun. Bei den Konsumdiktatoren geht noch immer die Vorstel-
lung um, dass in einem perfekt geplanten Haus, perfekte versorgte
Menschen, in Sesseln vor ihren multimedialen Endgeräten sitzen und
vor sich hin degenerieren.
Der Trend- und Zukunftsforscher Matthias Horx sieht diese Menschen
gerade aufwachen: Das sei ein Megatrend, das werde die Industrie zu
spüren bekommen. Politiker spüren es schon – überall auf der Welt.
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Building Performance
Der Bauherr wünscht sich eine intuitiv ver-ständlichen Technik im Haus. Piktogramme sol-len eindeutig sein und technische Produktemüssen einem hohen Design-Anspruch genü-gen. Abbildungen links: Elemente der laserge-steuerten Raumregelung, entwickelt mit der Lifestyle-Foundation, Kufstein.
Architekten
Hans-Peter Wörndl, Wien,
Mitarbeiter:W. Härtig, M. Gangler,A. Karaivanov, W. Oster,C. Osborne, A. Jascques leSeigneur, E. Semmler
Statik
Dipl.-Ing. Margarete Salzer,Wien
Baustellenkoordination
P&B Ing. C.A. Eisler, Wien
Bauführer: Baumeister Ing. Josef Frantsits, Wien
Interior Design
YMMD/Yarah David,London
Beleuchtungskonzept
podpod design, Wien,
Gartengestaltung
stalzer lutz gärten Weidling
Bioteich
„MR-Service” NÖ. Maschinen-ring-Service Gen.m.b.H., Horn
Typografische Fassaden-
gestaltung
Dipl.-Ing. Nadine Zastrow
Fotos, Baustellenfotos, Ani-mationen Buero Wörndl undBauherrschaft
Fotos (groß)
Klaus Vyhnalek, Wien