Funktionskeramik II
HT-Elektrochemie
Vorlesung I: Ladungstransport in Elektrolyten
Mihails Kusnezoff
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Vorlesung I
Gebiet der Elektrochemie Ladungstransport in Flüssigkeiten / Schmelzen Ladungstransport in Polymeren Ladungstransport in Gasen Ladungstransport im Festelektrolyten
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Gebiet der ElektrochemieElektrochemie betrachtet alle Prozesse, wo die Änderung der chemischen Eigenschaften mit dem Ladungstransport verbunden ist. Die Mehrheit dieser Prozesse finden an den Grenzflächen zwischenelektronischen und elektrolytischen Leitern statt, wo Stromfluß ist verbunden mit einer chemischen Reaktion, sogennanten Redox-Reaktion.Aus diesen Gründen befasst sich Elektochemie im wesentlichen mit folgenden Fragestellungen:
Ladungstransport in Elektrolyten Eigenschaften von Elektroden Prozesse an der Grenzfläche Elektrode / Elektrolyt
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Ladungsträger
Ladungsträger in Gasen, Festkörpern, Flüssigkeiten und Schmelzen Elektronen (e) Defektelektronen (hole (eng.) = Loch, h°) Ionische Ladungsträger
- Ionisierte Komplexe (in Flüssigkeiten, Gasen)- Protonen (H+ bzw. H3O+)- Ionen (Anionen: O2-, F-, I- usw. und Kationen: Ag+, Na+ usw.)
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Ladungstransport in Flüssigkeiten
1833-1834 Faraday’sches Gesetz:
Flüssiger Elektrolyt enthält mindestens zwei Typen von Ionen. Ein Typ derIonen ist positiv (Kationen) und der andere Typ ist negativ geladen (Anionen). In Flüssigkeiten tragen alle Ionen zum Ladungstranport bei. Die Überführungszahl ti charakterisiert den Beitrag von jedem Ionentyp in die Gesamtleitung im Elektrolyt:
mol/C485.96Fmit,IF1
tdmd
==
∑=
iii
jjj uz
uzt
∑=
ii
jj i
it
iii cvu 1=I
ii r
Eezv
πη60=
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Ladungstransport in Flüssigkeiten
Bewegung der Ladungen im elektrischen Feld:
Ohm’sches Gesetz :
Ionenstrom in der Flüssigkeit ist eine Summe aller Teilionenströme:
EzeF
=
,RIU ⋅=
iiAi uezANi 0=
AlR //1 ⋅= κ
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Ladungstransport in FlüssigkeitenSystem T in °C κ, Ω-1cm-1 Leitfähigkeit durch
Reinstwasser 25 6,41*10-8 geringfügige Dissoziation zu
H3O+ und OH-
Destilliertes Wasser 25 10-6 bis 10-5 Dissoziation von z.B.
Kohlensäure
wässrige NaCl- 18 0,744*10-1 Dissoziation zu Na+ und
Lösung, c(NaCl) = 1 mol/L Cl-
wässrige Kalilauge 18 0,184 Dissoziation zu K+ und
OH-
wässrige Schwefel- 18 0,366 Dissoziation zu H3O+
Säure (1 mol/L) und SO42-
Y2O3-ZrO2-Oxidkeramik 1000 0,14 O2--Ionen
NaCl-Schmelze 1000 4,17 Vollständige Dissoziation
Quecksilber 0 1,063*104 Elektronenleitung
Kupfer 0 6,452*105 Elektronenleitung
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Leitfähigkeit flüssiger Elektrolyte
Conway, B.E., Electrochemical Supercapacitors, Kluwer academic, 1999
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Ladungstransport in PolymerenMechanismus
[ ])()(
)()(log
21
g
g
g TTcTT
cTT
−+−
=
σσ
Williams-Landel-Ferry Gesetz:
CRC Handnbook of Solid State Electrochemistry, P.J. Gellings, H.J.M. Boumeester
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Leitfähigkeit der Polymerelektrolyte
(PEO)x·LiClO4
PEO = (CH2CH2-O)n
polyethylenoxid
CRC Handnbook of Solid State Electrochemistry, P.J. Gellings, H.J.M. Boumeester
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Ladungstransport in der Schmelze
M. Mizuhata et al. / Electrochimica Acta 53 (2007) 71–78
Fuel Cell Handbook (sixth edition), EG & G Technical Services Inc., p. 6-31 (2002)
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Ladungstransport in Gasen
Bei sehr hohen Temperaturen wird die kinetische Energie der Atome so hoch, dass durch Stöße der Atome untereinander Ionisation eintritt. Zwischen zwei Atomen oder Molekülen A und B können folgende Prozesse ablaufen:
A + B → A + B+ + e-
A + B → A+ + B + e-
A + B → A+ + B+ + 2e-
Die durch Ionisation entstandenen Ladungsträger bewegen sich im elektrischen Feld des Kondensators zu den Kondensatorplatten hin und bilden somit einen elektrischenStromfluss.
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Ladungstransport in Gasen
Allgemein gilt für ein ionisiertes Gas:
,jjj −+ +=
,x
neDEenj∂∂
−=+
++++ µ
,x
neDEenj∂∂
−=−
−−−− µ
j+, j- – Stromdichte positiver und negativer Ladungsträger,n+, n- – Ladungsträgerkonzentrationen,μ+, μ- – Ladungsträgerbeweglichkeiten,D+, D- – Diffusionskoeffizienten,E – elektrische Feldstärke
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Ladungstransport in GasenIonisationsgrad von Gasen in Abhängigkeit von der Temperatur
Bei T=5000 K Oberfläche der Sonne nur 10-4ter Teil von H-Atomen ist ionisiert.
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Ladungstransport in Gasen
Atome H He O N Ne Cl Na Hg K Ar
φI, eV 13,6 24,6 13,6 14,5 21,6 13,0 5,14 10,4 4,34 15,8
Moleküle H2 O2 H2O N2 NO2 Cl2 CO2 CO HCl NO
φI, eV 15,4 12,2 12,6 15,6 12,3 11,3 13,8 14,0 12,6 9,2
Ionisierungspotentiale φI der Atome und Moleküle
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Ladungstransport im Festelektrolyten
Diffusion der Ionen im Festkörper findet nur in Anwesenheit derGitterdefekte statt.
Klassifikation der Gitterdefekte im Festkörper nach räumlicherAusdehnung:
- 2-dimensionale Fehlordnung von Netzebenen
- 1-dimensionale Fehlordnung Linienfehler, Stufen- und Schraubenversetzungen
- 0-dimensionale Fehlordnung Punktdefekte
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Ladungstransport im Festelektrolyten
Punktdefekte im Festkörper:
- Leerstellen- Zwischengitteratome- Gitterplatz mit einem Fremdatom (Verunreinigungen / Löslichkeit)- Ionen mit dem Ladungszustand abweichend von Stöchiometrie
Klassifikation der Punktdefekte nach Art des chemischen Stoffes
- Fremdpunktdefekte (extrinsische bzw. chemische Fehlordnung)- Eigenpunktdefekte (intrinsische Fehlordnung)
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Ladungstransport im Festelektrolyten
Leerstellenmechanismus Zwischengittermechanismus Indirekter Zwischengittermechanismus
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Ionentransport (O2-) im Gitter (3D)Leerstellenmechanismusdot. ZrO2, Ln2O3-CeO2 La0.9Sr0.1Ga0.8Mg0.2O2.85
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Ladungstransport im FestelektrolytenPunktdefekte existieren im Festkörper bei allen Temperaturen >0 K aufgrund des Entropie-Beitrags zur freien Gibbs-Energie als Folge der Unordnung (x – Molaranteil der Defekte im Festkörper):
)]x1ln()x1(xlnx[RTxEsThgxEh
)]x1ln()x1(xlnx[Rs
−−++=∆−∆=∆=∆
−−+−=∆
−=<<
−=
−
=∆
→∆
RTExxbei
RTE
xxxg
gchtGleichgewiim
exp1,exp1
0
min
∂∂
für E = 50 kJ/mol300 K x = 2 10-9
1000 K x = 2 10-3
Siehe Anlage A „Mathemathische Beschreibung ausgewählter Phänomene“
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Ionentransport im FestelektrolytenSchwingungsfrequenz eines Ions im Gitter ohne äußeres Feld:υ ≈ 1012 ... 1013 Hz
Anzahl der Sprünge (Bolzman-Statistik) = υ exp ΔG – Änderung der freien Enthalpie für relevantes Ion-Hopping-Prozess
Anlegen eines elektrischen Feldes der Feldstärke Uvermindert die Energiebarriere für ein Anion inRichtung positiver Elektrode und vergrößert diese inRichtung der negativen ElektrodeElektrische Arbeit für die Bewegung des Ions:
W = U q a0q - Ionenladung;a0 - Sprungentfernung (hat Größenordnung der Gitterkonstante)
∆−kTG
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Ladungstransport im Festelektrolyten
( ) ( )
=
+∆−
∆
kTUeaGexp -kT
Uea - G - exp 02
1021
ννω
∆=
2kTeUa - exp -
2kTeUaexp
kTG - exp 0 0νω
für Klammerausdruck : Reihenentwicklung für eUa0 << kT
kTeU 0aνω =
∆−kT
Gexp
Frequenz der Sprünge von A nach B:
Siehe Anlage A „Mathemathische Beschreibung ausgewählter Phänomene“
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Ionentransport im Festelektrolyten
mittlere Wanderungsgeschwindigkeit des Ionsv = ωa0
Ua0ωµ ==
Uv
Beweglichkeit mit
µσ nq= Leitfähigkeit; n - Anzahl der beweglichen Ionen im definierten Gittervolumen
∆∆=
kTH- exp
kS
kTanq M M
20
2exp
fυσ
∆−∆=
kTHexp
kSexp
kaNq M M
22
fT υσ 0
kTqU 0
faνω =
∆−kTGMexp
Siehe Anlage A „Mathemathische Beschreibung ausgewählter Phänomene“
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Ionentransport im Festelektrolyten
W – Anzahl der möglichen räumlichen Orientierung der Defekte im 3D-Gitter
∆−∆=
kTHexp
kSexp
kTanq M M
22
f00 υσ
][VN])[V-(1][VNn OOOOO•••••• ≈⋅=
( ) •••• +↔ OZrOZr VCaVCa '''''
)2exp()]([][ 2/1'' kTHWCaV AZrO ∆⋅=••
2/AM HH ∆+∆=AE
( ) •••• +↔ OZrOZr VYVY ''')exp(][][ ' kTHWYV AZrO ∆⋅=••
AM HH ∆+∆=AE
Einfluss Assoziationsenergie
−=
kT)exp a
TE0σσ
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Ionentransport im Festelektrolyten
∆−∆=
kTH(T)exp
kS(T)exp A0σ
J.D. Solier, I. Cachadin˜a, A. Dominguez-Rodriguez, Phys. Rev. B 45 (1993) 3704
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Ionenleitung und Diffusionskoeffizient
P.S. Manning, J.D. Sirman, R.A. De Souza, J.A. Kilner, Solid State Ionics 100 (1997) 1-10
∆−∆=
kTHexp
kSexp
kTa)qc-(1cN M M
22O
f00 υσ
kTc 2DqN=σ
∆−∆−=
kTHexp
kSexpa M M
2
fc
D)1(00 υ
, c – Konzentration der beweglichen Ionen im Gitter
kTqD
=µ , Beweglichkeit
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Nernst-Einstein-Gleichung
RTFzDc
RTFzDcnq OOVV
2222
=== µσ
mVOO
V
OV V
c,D3DccD δ
=δδ−
==
,lnln~
i
iii c
aDD∂∂
=
Selbstdiffusionskoeffizient
Chemischer Diffusionskoeffizient
∂∂
∂
∂ δlnln
ln( )
lnac
pv
v
O= −
12
2
Siehe Anlage A „Mathemathische Beschreibung ausgewählter Phänomene“
(thermodynamischer Faktor)
kTqD
kTqD O
OV
V == µµ ;
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Einstellung der IonenleitungKröger-Vink-Notation
Es sind drei Bilanzen einzuhalten:
ElementbilanzGitterplatzbilanzLadungsbilanz
Beispiele:
MC
S
M: Atome (Zr, Al, …), freie Gitterplätze (V), Elektronen (e),Defektelektronen bzw. Löcher (h)
S: Gitterposition (Zr, Al, i)
C: relative elektrische Ladung (positiv: • negativ: ‘ neutral: x)
•••× ′′′′′ heVVOM OMiM ,,,,,
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Einstellung der Ionenleitung
Dotierung nutzen um Sauerstoffleerstellen zu erzeugen
AO2 besitze 4-wertige Kationen
2-wertigeB Kationen
Formel: A1-xBxO2-x
3-wertigeB Kationen
Formel: A1-xBxO2-x/2
ElementbilanzGitterplatzbilanzLadungsbilanz
2AOVBBOOA OAOA ++′′→++ ••××
232 222 AOVBOBOA OAOA ++′→++ ••××
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Ionenleitung im ZrO2
Substitution 4-wertiger Zr4+ Kationen durch:
2-wertigeB Kationen (Ca)Formel Zr1-xCaxO2-x ein Ca2+ ergibt im ZrO2-Gitter eine Leerstelle
3-wertigeB Kationen (Y)Formel Zr1-xYxO2-x/2 zwei Y3+ ergeben im ZrO2-Gitter eine Leerstelle
Vermutung:
und daher ?
2ZrOVaCCaOOZr OZrOZr ++′′→++ ••××
232 222 ZrOVYOYOZr OZrOZr ++′→++ ••××
( )][1][ •••• −∝ OO VVσ
)1( xx −∝σx0
σ
?
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Ionenleitung im ZrO2Ionenleitung als Funktion des CaO- und Y2O3-Gehalts in ZrO2
D.W. Strickler and W. Carlson / J. Am Cer. Society, 47 [3], 122-27 (1964)
Zr1-xYxO2-x/2 Zr1-xCaxO2-x
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Ionenleitung im ZrO2Erklärung der Abhängigkeit der Ionenleitung vom CaO-/Y2O3-Gehalt in ZrO2
∆−∆=
kTHexp
kSexp
kTa)qc-(1cN M M
22VV
f00 υσ
Mit steigender Konzentration ändern sich folgende Größen:
- Anzahl der beweglichen Defekte (cVö) sinkt für x>x0Grund: Immobilisierung von Vö durch Bildung von
- Gitterverzerrung durch Einbau der FremdatomeFolge: Verringerte Beweglichkeit von O2--Ionen
Maximale Leifähigkeit bei Y2O3-Dotierung wird bei 8 mol% (Leerstellenanteil x=4 mol%)
und bei CaO-Dotierung bei 12 mol% (Leerstellenanteil 12 mol%) beobachtet:
- Leerstellenkonzentration alleine ist nicht entscheidend für höchste Ionenleitung
( )x'' ZrOZr YVY ••
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Ionenleitung im ZrO2O2- Selbstdiffusionskoeffizient als Funktion des Y2O3-Gehalts in ZrO2
∆−∆=
kTHexp
kSexpa M M
2
fDO
00 υ
)(:Theorie errungGitterverzfDO ∝
Zr1-yYyO2-y/2
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Ionenleitung in ZrO2Aktivierungsenergie in Y2O3-ZrO2
≈
kTexp
T AE0σσ
AM HH ∆+∆=AEΔHM – Aktivierungsenergie für die
Fortbewegung im Gitter (Migrationsenthalpie – relevant bei allen Temperaturen)
ΔHA – Aktivierungsenergie für dieLoslösung von Zr4+ bzw. Y3+
Umgebung (Assoziazions-enthalpie – relevant bei geringenTemperaturen, hängt von der Umgebung der Leerstelle ab)
P.S. Manning, J.D. Sirman, R.A. De Souza, J.A. Kilner, Solid State Ionics 100 (1997) 1-10
9.5YSZ Einkristall
( ) •••• +↔ OZrOZr VYVY '''
)exp()exp(][][ '' kTHkSWYV AAZrO ∆⋅∆=••
•• ∆−∆≈
kTHexp
kSexp
kTaqN M M
22
fVO 00][ υσ
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Ladungsträger im Festelektrolyten
σσσσσσσ elekionheAK + = + + + =
iiii ucFz ⋅⋅⋅=σ
ci - Konzentration der Ladungsträgerui - Beweglichkeit der Ladungsträgerzi - LadungF - FARADAY-Konstante (96.485 C/mol)
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Kontrollfragen
Wie kommt es zu einer Ionenleitung im Festkörper (notwendige Voraussetzung)?
Wie stellt man die Sauerstoffionenleitung im ZrO2 mit divalenten und trivalenten Kationen ein?
Wie hängt die Ionenleitung von der Temperatur ab? Wie beschreibt man diese Abhängigkeit (Formel)?
Wie hängt die Ionenleitung und Aktivierungsenergie im Y2O3-ZrO2-System von der Konzentration der Dotierung ab (bitte schematischen Verlauf zeichnen)?
Welche physikalische Parameter beeinflüssen die Anzahl der beweglichen Ionen bzw. deren Beweglichkeit?
Wie lautet Nernst-Einstein-Gleichung für Ionenleitung im Festkörper? Welche Größen beinhaltet diese Gleichung?
Wie unterscheidet sich Selbsdiffusionskoeffizient vom chemichen Diffusionskoeffizienten?