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Freitag, 8. Juli 2016 Holzbau Nummer 27 - mpa.uni-stuttgart.de · Brücke“ auf dem Gelände der...

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Freitag, 8. Juli 2016 Nummer 27 · Holz-Zentralblatt · Seite 695 Holzbau Aus Schaden wird man (nicht) klug »Internationale Holzbrückentage« des Forums Holzbau: Der Holzbrückenbau ist tot, es lebe der Holzbrückenbau Am 8. und 9. Juni fanden zum vierten Mal die Internationalen Holzbrücken- tage (IHB 2016) statt. Den Auftakt zur Veranstaltung bildete am ersten Tag die Einweihung des Forschungs- und Demonstrationsobjekts „Stuttgarter Brücke“ auf dem Gelände der Materi- alprüfanstalt (MPA – Otto-Graf-Insti- tut) der Universität Stuttgart (Holz- Zentralblatt, Nr. 24/2016, Seite 615). Zur eigentlichen Tagung mit Fachvor- trägen luden die Veranstalter dann am zweiten Tag ins Filderstädter Kon- gress- und Konzerthaus („Filharmo- nie“) ein. Rund 130 Teilnehmer nutz- ten die Gelegenheit, sich über den ak- tuellen Stand des Holzbrückenbaus zu informieren. Fünf Themenblöcke standen auf dem Programm der Fachveranstaltung der vierten „Internationalen Holzbrücken- tage“ in Filderstadt-Bernhausen: Holz- brückenbau heute, Verbundsysteme, Fußgänger- und Radwegbrücken, Stra- ßenbrücken und Zukunftsperspektiven Holzbrückenbau. Veranstaltet wurden sie in diesem Jahr vom Forum Holzbau, der MPA Universität Stuttgart und Pro- Holz Baden-Württemberg, unterstützt von den Forum-Holzbau-Sponsoren Hasslacher Norica Timber, HSB-Cad und Rotho Blaas. Die insgesamt 16 Vorträge beleuchte- ten konstruktive Besonderheiten neuer wie älterer Holzbücken, wie sie im Kon- text der Regelwerke und Monitorings zu bewerten sind und welche Ausblicke sich daraus für den Holzbrückenbau er- geben. Einen besonderen Stellenwert nahm dabei die „Stuttgarter Brücke“ ein, der etwa 22 m lange, rund 2 m brei- te und im Grundriss gebogene Prototyp einer Brücke für Fußgänger und Rad- fahrer in integraler (d. h. fugenloser; Anm. d. Red.) bzw. halb-integraler Bau- weise. Die als Forschungsobjekt ausge- führte 1:1-Modellbrücke ist (neben der gerade fertiggestellten Fachwerkbrücke in Lörrach von Schmees und Lühn) wohl eine der wenigen Brücken-Neu- bauten aus Holz in Deutschland. In ihren Begrüßungsreden wiesen Dr. Karl Kleinhanß, Geschäftsführer der Qualitätsgemeinschaft Holzbrücken- bau (QHB), und Dr. Simon Aicher, Lei- ter der MPA-Abteilung Holzkonstruk- tionen, darauf hin, dass der Holzbrü- ckenbau aus der Vergangenheit zwar gelernt habe und heute als technisch ausgereifte Bauweise dasteht, der Anteil an Holzbrücken jedoch insgesamt äu- ßerst gering sei. Das bestätigten auch andere Referenten wie Dr. Gero Mar- zahn vom Bundesministerium für Ver- kehr und digitale Infrastruktur in Bonn, Referat StB 17, Abteilung Straßenbau, sowie Dr. Antje Simon, Professorin für Ingenieurholzbau an der Fachhoch- schule Erfurt. Dominant im Brücken- bau an Bundesfernstraßen ist der Spannbetonbau mit 70 %, gefolgt vom Betonbau (17,1 %), Verbundbau (6,5 %), Stahlbau (5,9 %) und Stein (0,5 %). Holz liegt mit nur 0,04 % ganz hinten (Stand März 2015). Das Wichtigste kam zuletzt Ganz abgesehen von den aufschluss- reichen Zahlen zu den deutschen Brü- ckenbauwerken dürften die Beiträge von Dr. Marzahn und Dr. Simon als ers- tes und letztes Referat – wie eine Klam- mer der Fachtagung – die wichtigsten Fragen von Planern beantwortet und zusammengefasst haben. Dr. Simon gab als Schlussreferat eine Übersicht über die existierenden Regelwerke zum Brü- ckenbau und verschaffte dem Fachpu- blikum einen Durchblick, inwieweit Holz darin Berücksichtigung findet bzw. nicht findet. Sie zeigte auf, wo es dringenden Handlungsbedarf in Sachen Einsatz von Holz im Brückenbau gibt. Und eben deshalb befasst sich dieser Bericht zunächst mit den Aussagen der Erfurter Professorin. Erarbeitet hat sie die Übersicht im Rahmen des gerade gestarteten Projekts „Protimb“ (Protected Timber Bridges ). Dabei geht es um die Entwicklung ein- heitlicher technischer Richtlinien für Entwurf, Bau, Überwachung und Prü- fung geschützter Holzbrücken, die Si- mon zusammen mit einem Forscher- team der FH Erfurt erarbeiten will. Sie nannte das Projekt einen „Lösungsan- satz für die Zukunft des Holzbrücken- baus in Deutschland“. Simon bestätigte, dass es den Holz- brückenbau im Bundesfernstraßennetz nur in „homöopa- thischen Dosen“ gibt. Das kommt daher, dass der Bund zwar die Re- gelwerke schafft, aber nur das regelt, was regelmäßig ge- baut wird; und Holzbrücken ge- hören leider nicht dazu, resümierte die Ingenieurin den Status quo. Dem Holzbrückenbau werde eine rie- sengroße Skepsis entgegengebracht – gerade von Seiten der öffentlichen Hand – und er stehe quasi unter Gene- ralverdacht schadensanfällig und kurz- lebig zu sein. Die vielen Schäden, die man bei Brückenprüfungen in den letz- ten Jahren entdeckt habe, legen Zeugnis davon ab, nannte Simon als einen der Gründe. Leider zog sich das Thema „Schäden und Schadensfälle“ oder de- ren häufige Erwähnung am Rande von Projekt-Präsentationen auffallend oft durch die Veranstaltung. Es gab kaum einen Referenten, der nicht darauf zu sprechen kam. Das hatte leider das Zeug dazu, alle Vorurteile bei holzbau- unerfahrenen Planern und Entschei- dern zu bestätigen und sie damit gegen den Holzbrückenbau einzunehmen. Und das, obwohl es genügend gute Bei- spiele gibt, an denen sich dokumentie- ren ließe, dass Holzbau-Planer und -Unternehmen der „Dach“-Länder (D, A, CH) den Holzbrückenbau beherr- schen. Keine verbindlichen Regel- werke für den Holzbrückenbau Der Knackpunkt liege immer beim konstruktiven Holzschutz, der etwa im Deutschen Nationalen Anhang geregelt wird, setzte Antje Simon ihren Vortrag fort. Der konstruktive Holzschutz sei für Planer des deutschsprachigen Rau- mes meist gleichbedeutend mit dem Typ der „geschützten Holzbrücke“ im Sinne der traditionell überdachten Brücke oder solcher, die einen geschlossenen, wasserdichten Fahrbahn-Belag oder Ähnliches haben, weiß die Professorin. Und dann kam sie zur wichtigsten Aussage des Tages: Da der Holzbrü- ckenbau beim Bund regelungstechnisch nicht existiert, gibt es weder verbindli- che Regelwerke noch jemanden, der sich darum kümmert, solche auf den Weg zu bringen. Der Bund gibt den Ball sogar mit der Aufforderung zurück „Kümmert euch selber, wir haben ande- ren Probleme mit dem Brückenbe- stand“. Das ist ein klarer Wettbewerbsnacht- eil für Holzbrückenplaner und die bau- ausführenden Firmen, die im Grunde mit jeder Holzbrücke „das Rad neu er- finden“ müssen, resümierte Simon die Lage und ergänzte: „An diesem Pro- blem setzt das Projekt „Protimb“ an.“ Generell unumgänglich für Brücken- Planer ist das Regelwerk „Brücken- und Ingenieurbau“ auf den Internetseite der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) (www.bast.de). Vieles, was dort zu fin- den ist, kann als PDF heruntergeladen werden, erfuhren die Zuhörer. Simon zeigte auf, in welchen Regelwerken der Entwurf, die Baudurchführung und die Erhaltung von Brücken geregelt wer- den. Acht sind es insgesamt: Drei für den Entwurf (RAB-ING, BEM-ING und RiZ-ING), drei für die Baudurch- führung (ZTV-ING, TL/TP-ING, MBÜ-ING) und zwei bei der Erhaltung (RI-ERH-ING, ASB-ING). Bei der Überprüfung der Erwähnung von Holz stellte sie ernüchtert fest: Holz wird nirgendwo thematisiert; weder in der Richtlinie für das Aufstellen von Bauwerksentwürfen (RAB-ING), noch in der für die Bemessung von Ingenieur- bauwerken (BEM-ING), wo die Euro- codes 0 bis 4 für den Brückenbau im Bundesfernstraßennetz eingeführt wer- den. Und nicht einmal bei den 112 (Brücken-)Richtzeichnungen für Inge- nieurbauten (RiZ-ING) des BMVBS (Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung), die verbindlich für alle Brücken des Bundes und der Länder eingeführt sind, gibt es welche für Holzbrücken. Der Grund (wie schon erwähnt): Die BASt regelt nur, was regelmäßig gebaut wird. „Bei Letzterem halfen sich die Holz- bau-Planungsbüros und -Unternehmen zwei Mal selber: Im Jahr 2004 entstan- den mit Unterstützung der DGfH (Deutsche Gesellschaft für Holzfor- schung) die sogenannten Musterzeich- nungen, im Jahr 2012 entwickelte die QHB ebensolche, die sie Detailzeich- nungen nannte, als Orientierungshilfe zur Planung konstruktiv geschützter Holzbrücken“, erklärte die Ingenieurin. Auch die verschiedenen Benennungen dieser beiden Zeichnungslinien haben bei den Planern zu Verwirrung geführt. Damit es auch wirklich jeder verin- nerlichen konnte, wiederholte Simon noch mal das Fazit ihrer Regelwerk-Re- cherchen: „Es gibt keine bauaufsicht- lich eingeführten Zeichnungen für Holzbrücken. Es gibt zwar zwei Zeich- nungslinien für Holzbrücken im Sinne von Richtzeichnungen, diese sind je- doch rechtlich nicht bindend.“ Das sei ein völlig schizophrener Zu- stand, so die Referentin. Im Anschluss stellte sie fest, dass 32 der 112 Richt- zeichnungen des Bundes durchaus für den Holzbrückenbau infrage kommen, da sie Details regeln, die bei Brücken in Holz ebenso vorkommen wie bei Brü- cken aus anderen Baustoffen – wie bei- spielsweise der Unterbau. Nun müsste der nächste Schritt sein, die 40 Muster- zeichnungen und 17 Detailzeichnungen der beiden Zeichnungslinien auf einen sinnvollen gemeinsamen Nenner bzw. auf den Stand von 2016 zu bringen, so dass man mit der Quintessenz des Gan- zen alle kritischen Stellen bei der Pla- nung von Holzbrücken geregelt hätte. Zu guter Letzt gelte es natürlich vor al- lem, sie baurechtlich voranzubringen. Auch in den drei Regelwerken des Bereichs Baudurchführung kommt Holz nicht vor. Lediglich bei den zwei Regelwerken des Bereichs Erhaltung wurde die Referentin fündig. Das liegt daran, dass der Bund 156 Holzbrücken an Bundesfernstraßen hat und gegen- über den Planungsbüros, die für deren Unterhaltung und Prüfung zuständig sind, Aussagen treffen muss, worauf es dabei ankommt. Die RI-EBW-PRÜF 2013 (Richtlinie zur einheitlichen Erfassung, Bewertung, Aufzeichnung und Auswertung von Er- gebnissen der Bauwerksprüfung) – sie ist eine Art Handlungsanweisung zur DIN 1076 (Ingenieurbauwerke im Zuge von Straßen und Wegen, Überwachung und Prüfung), in der die Überwachung von Ingenieurbauwerken geregelt ist – übersprang Simon. Deren Inhalte seien aber ebenfalls zentrales Thema bei der Richtlinienentwicklung von „Protimb“, versicherte sie und gab zum Abschluss einen Einblick der anstehenden Pro- timb-Aktivitäten: Neben der erwähnten Zusammenführung und Aktualisierung der Muster- und Detailzeichnungen zur Ergänzung der RiZ-ING sollen – zur Er- gänzung der RAB-ING – Richtlinien für den Entwurf geschützter Holzbrücken entwickelt werden samt Hinweisen für eine sinnvolle Integration von Holz- feuchte-Monitoringsystemen. Die BEM-ING wiederum will man zur leichteren Planung mit Musterstatiken bzw. eine Art Handbuch für die Bemes- sung nach EC 5, Teil 2, für Deck- und Trogbrücken ergänzen. Für den Bereich Baudurchführung soll es eine ZTV-ING Holz geben – die es in irgendeinem Ber- liner Baudokument zwar bereits gibt, von der aber kaum jemand weiß, merk- te Simon an –, also eine Richtlinie zur Lieferung und Lagerung, Verarbeitung und Einbau von Bauteilen. Auch Hin- weise zur Bauüberwachung und Bauab- nahme bzw. Wartung und Pflege will man darin unterbringen, damit der Bau- herr auch die Verantwortung für eine Holzbrücke übernehmen kann, erklärte sie. Im Rahmen der (Bauwerks-)Erhal- tung soll eine „Richtlinie zur Prüfung von Holzbrücken“ die RI-EBW-PRÜF ergänzen; Letztere beschreibt, wie Schäden hinsichtlich Standsicherheit, Dauerhaftigkeit und Verkehrssicherheit zu bewerten sind und wie daraus Zu- standsnoten abgeleitet werden. Die neue Richtlinie soll zudem die objekt- bezogene Schadensanalyse (OSA) mit Instandsetzungsempfehlungen zu vor- handenen Schäden ergänzen, um Bau- werksprüfer bei mangelnder Erfahrung mit Holzbrücken zu unterstützen. Au- ßerdem sollen Holzfeuchte-Monito- rings an acht geschützten Holzbrücken durchgeführt werden, um folgenden Passus der RI-EBW-PRÜF zu kippen: „Ist die Holzbrücke aufgrund ihrer Bau- art ohne ausreichenden konstruktiven Holzschutz und/oder ihrer Lage im Be- Das 20 m weit gespannte Hauptfeld der 1 m breiten Fußgängerbrücke „Lölsberger Steg“ in Overath wurde neu gebaut, der Bestand der fünf Brückenfelder im Vorlandbereich saniert. Das Tragwerk des großen Feldes ist ein blockverklebter, „abgestufter“ Fischbau-Träger mit oberseitiger Zinkblech-Abdeckung. Foto: Edgar Molendyk/Ing.-Holzbau Busmann Fortsetzung auf Seite 698 Das Projekt führen die Forscher der FH Erfurt unter fachlicher Begleitung der Experten aus den planenden Ingenieurbüros und den ausführenden Firmen der Qualitätsgemeinschaft Holzbrückenbau (QHB) durch. Finanziell gefördert wird das bis Oktober 2018 laufende Projekt zu 90 % durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung mit etwa 315 000 Euro aus der Förderlinie „FH Prof Unt“ des Programms „Forschung an Fachhochschulen“. Den restlichen Beitrag leisten Mitgliedsunternehmen der QHB, vertreten durch die Firmen Schaffitzel, Schmees & Lühn, Grossmann und Ingenieurbüro Setzpfand. (www.fh-erfurt.de/fhe) Das Haupttragwerk der Kunstholzbrücke „Aubrugg“ in Op- fikon (Schweiz) bilden zwei gegeneinander gelehnte Brett- schichtholz-Bögen und Konstruktionshölzer aus Lärche, überspannt von einem Membrandach. Foto: Jan Stelcl/SJB Die Kunstholzbrücke wurde als ganzes vormontiert und ein- gehoben. Die unteren Bögen dienen der Aufnahme der Zug- kräfte, die oberen nehmen die Druckkräfte auf. Konstrukti- ven Holzschutz bieten die Membran sowie kleine Abflusska- näle wie etwa an den „Bogenstößen“. Foto: Jan Stelcl/SJB Dr. Antje Simon Dr. Karl Kleinhanß
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Page 1: Freitag, 8. Juli 2016 Holzbau Nummer 27 - mpa.uni-stuttgart.de · Brücke“ auf dem Gelände der Materi-alprüfanstalt (MPA – Otto-Graf-Insti-tut) der Universität Stuttgart (Holz-Zentralblatt,

Freitag, 8. Juli 2016 Nummer 27 · Holz-Zentralblatt · Seite 695Holzbau

Aus Schaden wird man (nicht) klug»Internationale Holzbrückentage« des Forums Holzbau: Der Holzbrückenbau ist tot, es lebe der Holzbrückenbau

Am 8. und 9. Juni fanden zum viertenMal die Internationalen Holzbrücken-tage (IHB 2016) statt. Den Auftakt zurVeranstaltung bildete am ersten Tagdie Einweihung des Forschungs- undDemonstrationsobjekts „StuttgarterBrücke“ auf dem Gelände der Materi-alprüfanstalt (MPA – Otto-Graf-Insti-tut) der Universität Stuttgart (Holz-Zentralblatt, Nr. 24/2016, Seite 615).Zur eigentlichen Tagung mit Fachvor-trägen luden die Veranstalter dann amzweiten Tag ins Filderstädter Kon-gress- und Konzerthaus („Filharmo-nie“) ein. Rund 130 Teilnehmer nutz-ten die Gelegenheit, sich über den ak-tuellen Stand des Holzbrückenbaus zuinformieren.

Fünf Themenblöcke standen auf demProgramm der Fachveranstaltung dervierten „Internationalen Holzbrücken-tage“ in Filderstadt-Bernhausen: Holz-brückenbau heute, Verbundsysteme,Fußgänger- und Radwegbrücken, Stra-ßenbrücken und ZukunftsperspektivenHolzbrückenbau. Veranstaltet wurdensie in diesem Jahr vom Forum Holzbau,der MPA Universität Stuttgart und Pro-Holz Baden-Württemberg, unterstütztvon den Forum-Holzbau-SponsorenHasslacher Norica Timber, HSB-Cadund Rotho Blaas.

Die insgesamt 16 Vorträge beleuchte-ten konstruktive Besonderheiten neuerwie älterer Holzbücken, wie sie im Kon-text der Regelwerke und Monitorings zubewerten sind und welche Ausblickesich daraus für den Holzbrückenbau er-geben. Einen besonderen Stellenwertnahm dabei die „Stuttgarter Brücke“ein, der etwa 22 m lange, rund 2 m brei-te und im Grundriss gebogene Prototypeiner Brücke für Fußgänger und Rad-fahrer in integraler (d. h. fugenloser;Anm. d. Red.) bzw. halb-integraler Bau-weise. Die als Forschungsobjekt ausge-führte 1:1-Modellbrücke ist (neben dergerade fertiggestellten Fachwerkbrückein Lörrach von Schmees und Lühn)wohl eine der wenigen Brücken-Neu-bauten aus Holz in Deutschland.

In ihren Begrüßungsreden wiesen Dr.Karl Kleinhanß, Geschäftsführer derQualitätsgemeinschaft Holzbrücken-bau (QHB), und Dr. Simon Aicher, Lei-ter der MPA-Abteilung Holzkonstruk-tionen, darauf hin, dass der Holzbrü-ckenbau aus der Vergangenheit zwargelernt habe und heute als technischausgereifte Bauweise dasteht, der Anteilan Holzbrücken jedoch insgesamt äu-

ßerst gering sei. Das bestätigten auchandere Referenten wie Dr. Gero Mar-zahn vom Bundesministerium für Ver-kehr und digitale Infrastruktur in Bonn,Referat StB 17, Abteilung Straßenbau,sowie Dr. Antje Simon, Professorin fürIngenieurholzbau an der Fachhoch-schule Erfurt. Dominant im Brücken-bau an Bundesfernstraßen ist derSpannbetonbau mit 70 %, gefolgt vomBetonbau (17,1 %), Verbundbau (6,5 %),Stahlbau (5,9 %) und Stein (0,5 %).Holz liegt mit nur 0,04 % ganz hinten(Stand März 2015).

Das Wichtigste kam zuletzt

Ganz abgesehen von den aufschluss-reichen Zahlen zu den deutschen Brü-ckenbauwerken dürften die Beiträgevon Dr. Marzahn und Dr. Simon als ers-tes und letztes Referat – wie eine Klam-mer der Fachtagung – die wichtigstenFragen von Planern beantwortet undzusammengefasst haben. Dr. Simon gabals Schlussreferat eine Übersicht überdie existierenden Regelwerke zum Brü-ckenbau und verschaffte dem Fachpu-blikum einen Durchblick, inwieweitHolz darin Berücksichtigung findetbzw. nicht findet. Sie zeigte auf, wo esdringenden Handlungsbedarf in SachenEinsatz von Holz im Brückenbau gibt.Und eben deshalb befasst sich dieserBericht zunächst mit den Aussagen derErfurter Professorin.

Erarbeitet hat sie die Übersicht imRahmen des gerade gestarteten Projekts„Protimb“ (Protected Timber Bridges1).Dabei geht es um die Entwicklung ein-heitlicher technischer Richtlinien fürEntwurf, Bau, Überwachung und Prü-fung geschützter Holzbrücken, die Si-mon zusammen mit einem Forscher-team der FH Erfurt erarbeiten will. Sienannte das Projekt einen „Lösungsan-satz für die Zukunft des Holzbrücken-baus in Deutschland“.

Simon bestätigte, dass es den Holz-brückenbau im Bundesfernstraßennetz

nur in „homöopa-thischen Dosen“gibt. Das kommtdaher, dass derBund zwar die Re-gelwerke schafft,aber nur das regelt,was regelmäßig ge-baut wird; undHolzbrücken ge-hören leider nichtdazu, resümiertedie Ingenieurinden Status quo.

Dem Holzbrückenbau werde eine rie-sengroße Skepsis entgegengebracht –gerade von Seiten der öffentlichenHand – und er stehe quasi unter Gene-ralverdacht schadensanfällig und kurz-lebig zu sein. Die vielen Schäden, dieman bei Brückenprüfungen in den letz-ten Jahren entdeckt habe, legen Zeugnisdavon ab, nannte Simon als einen derGründe. Leider zog sich das Thema„Schäden und Schadensfälle“ oder de-ren häufige Erwähnung am Rande vonProjekt-Präsentationen auffallend oftdurch die Veranstaltung. Es gab kaumeinen Referenten, der nicht darauf zusprechen kam. Das hatte leider dasZeug dazu, alle Vorurteile bei holzbau-unerfahrenen Planern und Entschei-dern zu bestätigen und sie damit gegenden Holzbrückenbau einzunehmen.Und das, obwohl es genügend gute Bei-spiele gibt, an denen sich dokumentie-ren ließe, dass Holzbau-Planer und-Unternehmen der „Dach“-Länder (D,A, CH) den Holzbrückenbau beherr-schen.

Keine verbindlichen Regel-werke für den Holzbrückenbau

Der Knackpunkt liege immer beimkonstruktiven Holzschutz, der etwa imDeutschen Nationalen Anhang geregeltwird, setzte Antje Simon ihren Vortragfort. Der konstruktive Holzschutz seifür Planer des deutschsprachigen Rau-mes meist gleichbedeutend mit dem Typder „geschützten Holzbrücke“ im Sinneder traditionell überdachten Brückeoder solcher, die einen geschlossenen,wasserdichten Fahrbahn-Belag oderÄhnliches haben, weiß die Professorin.

Und dann kam sie zur wichtigstenAussage des Tages: Da der Holzbrü-ckenbau beim Bund regelungstechnischnicht existiert, gibt es weder verbindli-che Regelwerke noch jemanden, dersich darum kümmert, solche auf denWeg zu bringen. Der Bund gibt den Ballsogar mit der Aufforderung zurück„Kümmert euch selber, wir haben ande-ren Probleme mit dem Brückenbe-stand“.

Das ist ein klarer Wettbewerbsnacht-eil für Holzbrückenplaner und die bau-ausführenden Firmen, die im Grundemit jeder Holzbrücke „das Rad neu er-finden“ müssen, resümierte Simon dieLage und ergänzte: „An diesem Pro-blem setzt das Projekt „Protimb“ an.“

Generell unumgänglich für Brücken-Planer ist das Regelwerk „Brücken- undIngenieurbau“ auf den Internetseite derBundesanstalt für Straßenwesen (BASt)(www.bast.de). Vieles, was dort zu fin-den ist, kann als PDF heruntergeladenwerden, erfuhren die Zuhörer. Simonzeigte auf, in welchen Regelwerken derEntwurf, die Baudurchführung und dieErhaltung von Brücken geregelt wer-den. Acht sind es insgesamt: Drei fürden Entwurf (RAB-ING, BEM-INGund RiZ-ING), drei für die Baudurch-führung (ZTV-ING, TL/TP-ING,MBÜ-ING) und zwei bei der Erhaltung(RI-ERH-ING, ASB-ING).

Bei der Überprüfung der Erwähnungvon Holz stellte sie ernüchtert fest: Holzwird nirgendwo thematisiert; weder inder Richtlinie für das Aufstellen vonBauwerksentwürfen (RAB-ING), nochin der für die Bemessung von Ingenieur-bauwerken (BEM-ING), wo die Euro-codes 0 bis 4 für den Brückenbau imBundesfernstraßennetz eingeführt wer-den. Und nicht einmal bei den 112(Brücken-)Richtzeichnungen für Inge-nieurbauten (RiZ-ING) des BMVBS(Bundesministeriums für Verkehr, Bauund Stadtentwicklung), die verbindlichfür alle Brücken des Bundes und derLänder eingeführt sind, gibt es welchefür Holzbrücken. Der Grund (wieschon erwähnt): Die BASt regelt nur,was regelmäßig gebaut wird.

„Bei Letzterem halfen sich die Holz-bau-Planungsbüros und -Unternehmenzwei Mal selber: Im Jahr 2004 entstan-den mit Unterstützung der DGfH(Deutsche Gesellschaft für Holzfor-schung) die sogenannten Musterzeich-nungen, im Jahr 2012 entwickelte dieQHB ebensolche, die sie Detailzeich-nungen nannte, als Orientierungshilfezur Planung konstruktiv geschützterHolzbrücken“, erklärte die Ingenieurin.Auch die verschiedenen Benennungendieser beiden Zeichnungslinien habenbei den Planern zu Verwirrung geführt.

Damit es auch wirklich jeder verin-nerlichen konnte, wiederholte Simonnoch mal das Fazit ihrer Regelwerk-Re-cherchen: „Es gibt keine bauaufsicht-lich eingeführten Zeichnungen fürHolzbrücken. Es gibt zwar zwei Zeich-nungslinien für Holzbrücken im Sinnevon Richtzeichnungen, diese sind je-doch rechtlich nicht bindend.“

Das sei ein völlig schizophrener Zu-stand, so die Referentin. Im Anschlussstellte sie fest, dass 32 der 112 Richt-zeichnungen des Bundes durchaus fürden Holzbrückenbau infrage kommen,da sie Details regeln, die bei Brücken inHolz ebenso vorkommen wie bei Brü-cken aus anderen Baustoffen – wie bei-spielsweise der Unterbau. Nun müssteder nächste Schritt sein, die 40 Muster-zeichnungen und 17 Detailzeichnungender beiden Zeichnungslinien auf einensinnvollen gemeinsamen Nenner bzw.auf den Stand von 2016 zu bringen, sodass man mit der Quintessenz des Gan-zen alle kritischen Stellen bei der Pla-nung von Holzbrücken geregelt hätte.Zu guter Letzt gelte es natürlich vor al-lem, sie baurechtlich voranzubringen.

Auch in den drei Regelwerken des

Bereichs Baudurchführung kommtHolz nicht vor. Lediglich bei den zweiRegelwerken des Bereichs Erhaltungwurde die Referentin fündig. Das liegtdaran, dass der Bund 156 Holzbrückenan Bundesfernstraßen hat und gegen-über den Planungsbüros, die für derenUnterhaltung und Prüfung zuständigsind, Aussagen treffen muss, worauf esdabei ankommt.

Die RI-EBW-PRÜF 2013 (Richtliniezur einheitlichen Erfassung, Bewertung,Aufzeichnung und Auswertung von Er-gebnissen der Bauwerksprüfung) – sieist eine Art Handlungsanweisung zurDIN 1076 (Ingenieurbauwerke im Zugevon Straßen und Wegen, Überwachungund Prüfung), in der die Überwachungvon Ingenieurbauwerken geregelt ist –übersprang Simon. Deren Inhalte seienaber ebenfalls zentrales Thema bei derRichtlinienentwicklung von „Protimb“,versicherte sie und gab zum Abschlusseinen Einblick der anstehenden Pro-timb-Aktivitäten: Neben der erwähntenZusammenführung und Aktualisierungder Muster- und Detailzeichnungen zurErgänzung der RiZ-ING sollen – zur Er-gänzung der RAB-ING – Richtlinien fürden Entwurf geschützter Holzbrückenentwickelt werden samt Hinweisen füreine sinnvolle Integration von Holz-feuchte-Monitoringsystemen. DieBEM-ING wiederum will man zurleichteren Planung mit Musterstatikenbzw. eine Art Handbuch für die Bemes-sung nach EC 5, Teil 2, für Deck- undTrogbrücken ergänzen. Für den BereichBaudurchführung soll es eine ZTV-INGHolz geben – die es in irgendeinem Ber-liner Baudokument zwar bereits gibt,von der aber kaum jemand weiß, merk-te Simon an –, also eine Richtlinie zurLieferung und Lagerung, Verarbeitungund Einbau von Bauteilen. Auch Hin-weise zur Bauüberwachung und Bauab-nahme bzw. Wartung und Pflege willman darin unterbringen, damit der Bau-herr auch die Verantwortung für eineHolzbrücke übernehmen kann, erklärtesie.

Im Rahmen der (Bauwerks-)Erhal-tung soll eine „Richtlinie zur Prüfungvon Holzbrücken“ die RI-EBW-PRÜFergänzen; Letztere beschreibt, wieSchäden hinsichtlich Standsicherheit,Dauerhaftigkeit und Verkehrssicherheitzu bewerten sind und wie daraus Zu-standsnoten abgeleitet werden. Dieneue Richtlinie soll zudem die objekt-bezogene Schadensanalyse (OSA) mitInstandsetzungsempfehlungen zu vor-handenen Schäden ergänzen, um Bau-werksprüfer bei mangelnder Erfahrungmit Holzbrücken zu unterstützen. Au-ßerdem sollen Holzfeuchte-Monito-rings an acht geschützten Holzbrückendurchgeführt werden, um folgendenPassus der RI-EBW-PRÜF zu kippen:„Ist die Holzbrücke aufgrund ihrer Bau-art ohne ausreichenden konstruktivenHolzschutz und/oder ihrer Lage im Be-

Das 20 m weit gespannte Hauptfeld der 1 m breiten Fußgängerbrücke „LölsbergerSteg“ in Overath wurde neu gebaut, der Bestand der fünf Brückenfelder imVorlandbereich saniert. Das Tragwerk des großen Feldes ist ein blockverklebter,„abgestufter“ Fischbau-Träger mit oberseitiger Zinkblech-Abdeckung.

Foto: Edgar Molendyk/Ing.-Holzbau Busmann

Fortsetzung auf Seite 698

1 Das Projekt führen die Forscher der FH Erfurt unter fachlicher Begleitung der Experten aus den planenden Ingenieurbüros undden ausführenden Firmen der Qualitätsgemeinschaft Holzbrückenbau (QHB) durch. Finanziell gefördert wird das bis Oktober 2018laufende Projekt zu 90 % durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung mit etwa 315 000 Euro aus der Förderlinie„FH Prof Unt“ des Programms „Forschung an Fachhochschulen“. Den restlichen Beitrag leisten Mitgliedsunternehmen der QHB,vertreten durch die Firmen Schaffitzel, Schmees & Lühn, Grossmann und Ingenieurbüro Setzpfand. (www.fh-erfurt.de/fhe)

Das Haupttragwerk der Kunstholzbrücke „Aubrugg“ in Op-fikon (Schweiz) bilden zwei gegeneinander gelehnte Brett-schichtholz-Bögen und Konstruktionshölzer aus Lärche,überspannt von einem Membrandach. Foto: Jan Stelcl/SJB

Die Kunstholzbrücke wurde als ganzes vormontiert und ein-gehoben. Die unteren Bögen dienen der Aufnahme der Zug-kräfte, die oberen nehmen die Druckkräfte auf. Konstrukti-ven Holzschutz bieten die Membran sowie kleine Abflusska-näle wie etwa an den „Bogenstößen“. Foto: Jan Stelcl/SJB

Dr. Antje SimonDr. KarlKleinhanß

Page 2: Freitag, 8. Juli 2016 Holzbau Nummer 27 - mpa.uni-stuttgart.de · Brücke“ auf dem Gelände der Materi-alprüfanstalt (MPA – Otto-Graf-Insti-tut) der Universität Stuttgart (Holz-Zentralblatt,

Seite 696 · Nummer 27 · Holz-Zentralblatt Freitag, 8. Juli 2016Holzbau

reich von Gewässern oder Ähnlichemeiner besonderen Beanspruchung aus-gesetzt, so ist jährlich eine Hauptprü-fung durchzuführen“.

Die Feuchte-Monitorings gehen mit-unter auf die Aufforderung des Bundesan das Erfurter Forscherteam zurück,Messwerte zu liefern, um eine Ände-rung des Passus begründen zu können.Dr. Simon blickte optimistisch in dieZukunft des Holzbrückenbaus – jeden-falls dann, wenn die Entwicklung ein-heitlicher Richtlinien für geschützteHolzbrücken gelingt.

Guten Beispielen stehen vieleSchadensfälle gegenüber

Auf den aktuellen Stand der RI-EBW-PRÜF ging auch Dr. Gero Marzahn inseinem Auftaktreferat ein, und zwar an-hand von Schadensfällen bei Brücken-bauwerken bzw. Mängeln bei ihrer kon-struktiven Ausbildung. Seine Rede stell-te dennoch ein Plädoyer für den Holz-brückenbau dar, auch wenn sich lautseiner Recherche die Anzahl der Holz-brücken von 186 im Jahr 2008 auf 156im Jahr 2015 reduziert hat. Marzahn er-wähnte viele gelungene Holzbrücken-Beispiele, wie die letztes Jahr fertigge-stellte Fußgängerbrücke aus Blockträ-gern in Overath oder die in 2005 errich-tete Grünbrücke bei Wilmshagen oderdie aus dem Jahr 2011 bei Nettersheim.

Hätte man Dr. Marzahns Vortrag spä-ter als den von Dr. Simon gehört, hättensich darin alle Aussagen Simons beiMarzahn im Ansatz wiedergefunden.

Auch im Vortrag über dauerhafteBrücken von Dr. Simon Aicher, derSchäden, Lösungsansätze und integraleBauweisen behandelte, gab es viel überdie DIN 1076 und die Schadensbewer-tung nach der RI-EBW-PRÜF zu erfah-ren. Eine der Erkenntnisse daraus laute-te: Sehr viele Schäden sind sogenannte„Less-Schäden“, das heißt sie sind aufdie Einwirkung von Laub, Erde, Schnee

und Splitt (kurz „Less“) in Verbindungmit Nässe zurückzuführen. Als Lö-sungsansatz zur Vermeidung solcherSchäden nannte Aicher unter anderemdie integrale Bauweise der StuttgarterBrücke. Was genau es damit auf sichhat, erläuterte anschließend im DetailJürgen Hetzel von der MPA (vgl. Holz-Zentralblatt, Nr. 48/2015, Seite 1191).

Primäres Ziel dieses Efre-For-schungsprojekts (Efre = EuropäischerFonds für regionale Entwicklung) wardie Entwicklung neuartiger Konstrukti-

Fortsetzung von Seite 697

Aus Schaden wird man (nicht) klug

onsprinzipien und eines Anforderungs-kataloges für Detailausbildungen vonrobusten, langlebigen und wartungsar-men Holzbrücken, um diese Bauweisezukünftig verstärkt auf dem Markt zuetablieren. Die Detailausführungen ba-sieren auf umfassenden Analysen bishe-riger Konzepte. Wesentliche Elementeder Konstruktion mit dem im Grundrissgebogenen, blockverklebten Verbund-träger (L/B/H: etwa 19 m/1,2 m/0,40 m),der den Unterbau der 2 m breiten Brü-cke bildet, sind der integrale, fugenlose,voll eingespannte Widerlageranschlussauf der einen Seite und der „entzerrte“

Übergang (auskragender Verbundträgermit Abstand zur Widerlager-Rückwand)auf der anderen Seite. Die Brückenbe-lagslösungen mit einer zweiten Abdich-tungsebene sollen eine dauerhafte undrobuste Holzbrücke garantieren. Unterdem Link www.stuttgarter-bruecke.dekann man sich einen aktuellen Einblicküber das Forschungs- und Förderpro-jekt verschaffen und die Dokumentati-on des Monitorings fortlaufend verfol-gen, ließ Hetzel die Zuhörer wissen.

Holz-Beton-Verbund:wirtschaftlich im Brückenbau

Am Beispiel einer kleinen Rad- undFußwegbrücke mit einer Spannweitevon 13 m – ebenfalls ein Efre-Förder-projekt – stellte Prof. Dr. Wieland Be-cker von der Fachhochschule Trier zu-sammen mit Prof. Dr.-Ing. Kay-UweSchober vom Institute of InnovativeStructures in Mainz (IS-Mainz) die Ent-wicklung von kraftflussoptimiertenGussformteilen aus Polymerbeton vor.Diese Verbindungstechnik erlaubt,druck- und zugbeanspruchte Stabkon-struktionen mit komplexer Geometriekostengünstig herzustellen. Sie erweite-re zudem die Einsatzbereiche einge-klebter Stab- und Blechverbindungen,da sie die Möglichkeiten der baustellen-gerechten Kopplung bei 100 % Kraft-übertragung erleichtert und eigne sichbesonders bei generisch** entwickeltenTragstrukturen des Holzbaus, so dasFazit der Referenten.

Über die Projektstudie von geklebtenHolz-Beton-Verbund(HBV)-Konstruk-tionen im Brückenbau referierte Profes-sor Dr. Werner Seim, Leiter des Fachge-biets Bauwerkserhaltung und Holzbau

an der Universität Kassel, stellvertre-tend für Sonja Kühlborn, die kurzfristigausfiel. Seim zeigte auf, dass für die Be-messung typischer HBV-Brücken mitSpannweiten bis zu 30 m hauptsächlichdie statischen Kurz- und Langzeitnach-weise maßgebend werden und Ermü-dungsnachweise in den Verkehrskate-gorien 3 und 4 bzw. bei Spannweitenvon mehr als 25 m nicht erforderlichsind. Bei HBV-Straßenbrücken mitKerven³ genüge ein vereinfachter Be-messungsvorschlag, so sein Resümee.

Eine Ergänzung des Themas HBV-Verbund-Straßenbrücken mit Kervenfolgte mit dem Vortrag von ProfessorDr. Ulrike Kuhlmann von der Universi-tät Stuttgart. Sie sprach über das dyna-mische Verhalten von HBV-Verzah-nungen unter dynamischer Belastung.Ziel des (Efre-)Forschungsprojekts wardie Weiterentwicklung und Spezifizie-rung der Ermüdungsnachweise vonHolzbauteilen in Holz- und HBV-Stra-ßenbrücken. Denn vor allem die Kom-bination von Holz und Beton ermög-licht neuartige, wirtschaftliche Straßen-brücken mit Spannweiten zwischenzehn und 30 m. Doch die wechselndenBeanspruchungen aufgrund der Ver-

kehrsbelastung erfordern einen Ermü-dungsnachweis, so Kuhlmann. Mangel-hafte normative Regelungen für den Er-müdungsnachweis von Holzbauteilenin Straßenbrücken und insbesonderefür Verbindungsmittel in HBV-Trag-werken erschweren bisher die Bemes-sung und damit die Anwendbarkeit die-ser neuartigen Bauweise. Im Rahmendieses Forschungsprojekts wurden vomInstitut für Konstruktion und Entwurfder Universität Stuttgart HBV-Straßen-brücken mit sogenannten Kerven alsVerbindungsmittel untersucht. Durchdie Entwicklung eines praxisorientier-ten Bemessungsvorschlages für die Er-müdungsnachweise von Holzbauteilenund Kerven wurde die Möglichkeitgeschaffen, die Bemessung von HBV-Straßenbrücken zu vereinfachen undzu optimieren. „Das steigert die Wett-bewerbsfähigkeit von Holzstraßenbrü-cken“, hofft Kuhlmann. Für den Fahr-bahnaufbau, die Geländer oder Kappenkönnen praxistaugliche, bewährte De-tails von Massivbrücken übernommenwerden, sodass keine neuen Sonderlö-sungen entwickelt werden müssen, sodie Professorin.

Frank Miebach vom IngenieurbüroMiebach aus Lohmar stellte die erstenAnsätze der Machbarkeitsstudie „Holz-Beton-Verbund Brücken“ vor. Die Stu-die behandelt den aktuellen Stand derEntwicklung der relativ jungen Kon-struktionsweise. Miebach stellte zum ei-nen die derzeit allgemeinen Grundlagenvon HBV-Brücken vor und zeigte imAnschluss eine Übersicht von hierzu-lande und im Ausland errichteten HBV-Brücken, die einen Einblick in den der-zeitigen Erfahrungsumfang gaben.

Von kunstvollen Fußgänger-und Radwegbrücken

Die 1981 erbaute, 63 m lange Fußgän-gerbrücke „Lölsberger Steg“ in Overathmit sechs Brückenfeldern musste 2012wegen mangelnder Instandhaltung undaufgrund von Konstruktionsfehlern ge-sperrt werden. Über die Sanierung derfünf, knapp 8,5 m breiten Brückenfelderdes Vorlandbereichs bzw. die Kon-struktion des Ersatzneubaus des 20 mbreiten Hauptfeldes sprach Edgar Mo-lendyk von Busmann Holzbau ausSchüttorf.

Die Wahl für das Tragwerk desHauptfeldes fiel aus architektonischenGründen auf einen blockverklebten„abgestuften“ BSH-Fischbauchträgermit Überhöhung. Die mittlere und unte-re Lage sind entsprechend dem Verlaufdes Biegemoments angeordnet. Ober-seitig witterungsfest mit Zinkblech undseitlich durch eine hinterlüftete Lär-chenholzverschalung abgedeckt, konn-

te das Tragwerk in die Nutzungsklasse 2eingeordnet werden. Zur dauerhaftenÜberprüfung der Dichtigkeit erhielt die1 m breite Brücke unterhalb der Blech-abdeckung ein Überwachungssystem(Feuchtemonitoring), erläuterte Molen-dyk den Neubau und machte auf denLink aufmerksam, wo es interessanteBilder und Filmmaterial zum Projektgibt (www.loelsbergersteg.de).

Den Weg zum Bau der Holzkunstbrü-cke Aubrugg in Opfikon bei Zürich(Schweiz) zeichnete Jan Stelcl vonSJB Kempter Fitze aus Frauenfeld(Schweiz) nach. Die zweihundertjähri-ge überdachte Brücke über das Flüss-chen Glatt sollte nach ihrem Abbranddurch eine neue Fuß- und Radwegbrü-cke ersetzt werden; und zwar aus Holzwie die Vorgängerin. Das Konzept sahein Kunstwerk nach den Kenntnissendes modernen Ingenieurholzbaus vor.Den organischen Entwurf lieferte derSchweizer Holzbauingenieur HermannBlumer. Gebaut wurde eine 38 m weitspannende, 4 m breite Bogenbrücke miteiner 2,50 m breiten Gehbahn, mit einerKonstruktionshöhe von 6,50 m undMembranüberdachung. Gegeneinandergelehnte Brettschichtholz-Bögen, diesich auf zwei Basisbögen abstützen, undKonstruktionshölzer aus Lärche bildendas Haupttragwerk. Die oberen Bögennehmen die Druckkräfte auf, die unte-

ren die Zugkräfte. Für den Gehbelag hatman geriffeltes Eichenholz verwendet,das Geländer ist ebenfalls aus Holz. DasGanze überspannt ein Membrandach,das farbig ausgeleuchtet werden kann.Neben Fußgängern und Radfahrern sol-len auch kleine Unterhaltsfahrzeuge bis3,5 t Gewicht die Brücke nutzen kön-nen. Sie wird demnächst fertig und derÖffentlichkeit übergeben, sagte Stelclund verwies zum Schluss auf die Web-cam vor Ort, über die man den Baufort-schrift nachvollziehen und beobachten

kann (http://aubrugg-opfikon.ch).Ebenfalls ein besonderes Projekt war

die Sanierung einer denkmalgeschütz-ten Klappbrücke über den Ryck beiGreisfwald, das Tobias Tebbel vonSchmees & Lühn aus Fresenburg zeigte.Die im Jahre 1887 gebaute, 55,10 m lan-ge und 7,70 m breite Brücke verbindetdie beiden Greifswalder Ortsteile Elde-na und Wieck und dient dem PKW-,Radfahrer- und Fußgängerverkehr. Fürden Schiffs- bzw. Bootsverkehr wird dieKlappbrücke geöffnet (Durchfahrtsbrei-te für Wasserfahrzeuge: 10,70 m). Auf-grund 2013 festgestellter Holzschädenan den tragenden Überbauteilen derBrücke aus Eiche – insbesondere anden Knotenpunkten – wurde ein Ersatzdieser Bauteile geplant. Mit Ausnahmeder Geländer und des Belages wurdedafür FSC-zertifiziertes, aber ver-gleichsweise schweres Bongossi-Kern-holz verwendet. Was dies im Einzelnen

zufolge hatte und wie die Brücke amEnde wieder in neuer Pracht erstrahlenkonnte, erläuterte der Ingenieur. Klarwurde dabei auch, dass bei historischenBrücken in Sachen Holzschutz Kom-promisse in Kauf genommen werdenmüssen, wenn man sie in ihrem ur-sprünglichen Erscheinungsbild erhaltenwill. Die Planer haben jedoch – wo im-mer es möglich war – den konstruktivenHolzschutz im Vergleich zur alten Brü-cke verbessert, zum Beispiel durch dieAbdeckung von Holzflächen mit Zink-blech.

Straßenbrückenunter Beobachtung

Prof. Dr. Martin Mertens von derHochschule Bochum berichtete überseine Erfahrungen bei den Zustands-prüfungen von Holzbrücken, insbeson-

Die sogenannte Rundholzbrücke, eine kleine Rad- und Fußwegbrücke, wurde miteinem innovativen Vergussknoten aus Polymerbeton ausgeführt. Die Verbin-dungstechnik erlaube druck- und zugbeanspruchte Stabkonstruktionen mit kom-plexer Geometrie kostengünstig herzustellen. Foto: Marc Wilhelm Lennartz

2 Generisch entwickelte Tragstrukturensind solche, deren allgemeingültiges Prin-zip sich auch auf andere, ähnliche Struk-turen übertragen lässt.3 Ausfräsungen zur Aufnahme von Schub-kräften

Walter Bieler entwarf zwei Bogenbrücken für den Straßenverkehr in einem Auen-Renaturierungsgebiet namens „Chly Rhy“ (Kleiner Rhein) in Rietheim (Schweiz).Der Holzschutz wurde hier mit einer Rundumbekleidung der Längsträger und Bö-gen sichergestellt (aus der Entfernung nicht erkennbar). Foto: Philipp Schuppli

Die Grünbrücke bei Luckenwalde ist ein Aushängeschild für den Holzbrückenbau.Von der positiven Resonanz erhofft man sich, dass sie als Vorbild für die vielenbundesweit beschlossenen „Querungsbauten zur Wiedervernetzung von Natur-räumen“ dienen wird. Foto: Deges GmbH/Fotodesign Legrand

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Jürgen Hezel

Dr. UlrikeKuhlmann

EdgarMolendyk

Jan Stelcl

Dr. SimonAicher

Dr. GeroMarzahn

Page 3: Freitag, 8. Juli 2016 Holzbau Nummer 27 - mpa.uni-stuttgart.de · Brücke“ auf dem Gelände der Materi-alprüfanstalt (MPA – Otto-Graf-Insti-tut) der Universität Stuttgart (Holz-Zentralblatt,

Freitag, 8. Juli 2016 Nummer 27 · Holz-Zentralblatt · Seite 697Holzbau

Aus Schaden wird man (nicht) klugFortsetzung von Seite 698

dere mit den spezifischen Regelungender RI-EBW-PRÜF 2013. Die Gründedafür, dass darin ungerechtfertigterWeise vieles zu Ungunsten des Holz-brückenbaus ausfällt, sieht er in derErfahrung vieler Baulastträger mitschlecht gestalteten und/oder mangel-haft unterhaltenen Holzkonstruktionender Vergangenheit.

Mertens hält die Forderung der Richt-linie nach einer jährlichen Hauptprü-fung für neuere Brücken mit gutem kon-struktivem Holzschutz allerdings für zuscharf, denn die Erkenntnisse aus Feh-lern und Versäumnissen bei der Kon-struktion, der Herstellung und der Un-terhaltung von Holzbrücken hätten in-zwischen auch Eingang in aktuelle Regel-werke gefunden, so seine Auffassung.

Diese Meinung teilte auch Prof. An-dreas Müller von der Berner Fachhoch-schule in Biel (Schweiz), wie sein Vor-

trag über die Ergebnisse beim Langzeit-Monitoring von Holzbrücken zumFeuchteverhalten im tragenden Quer-schnitt zeigte. Auch Müller hält diegeforderte jährliche Hauptprüfung beigeschützten Holzbrücken über Gewäs-sern angesichts der real ermitteltenHolzfeuchten nicht für begründbar.Nach seiner Erfahrung ist der Einbauvon Monitoringsystemen wesentlichwirkungsvoller. Damit ließen sich Le-ckagen und ansteigende Holzfeuchtenschnell erkennen.

Einen Exkurs in Schweiz machte imAnschluss Walter Bieler vom Ingenieur-büro Bieler aus Bonaduz (Schweiz), derzwei Bogenbrücken für den Straßenver-kehr vorstellte, die in einem Auen-Re-naturierungsgebiet namens „Chly Rhy“(Kleiner Rhein) in Rietheim benötigtwurden. Bieler erläuterte die Formfin-dung der 17 und 24 m weit spannendenBogenbrücken und wie er die vermeint-lich ungeschützten Brücken konstruk-tiv schützte: Mit einer Rundumbeklei-dung der Längsträger und Bögen.

Zukunftsperspektive:Gut ist, was lange gut hält

Im letzten Themenblock berichtetensowohl Manfred Bauer von der Schaf-fitzel Holzindustrie aus SchwäbischHall als auch Michael Schwesig von

Schwesig und Lindschulte aus Rostocküber ihre Erfahrungen mit der Grünbrü-cke in Luckenwalde. Die schadensfreieund insgesamt als gelungenes Beispielfür Brücken in Holzbauweise wahrge-nommene Konstruktion sahen beideReferenten als positives und wirtschaft-lich konkurrenzfähiges Aushängeschilddes Holzbrückenbaus.

Gerade Grünbrücken seien prädesti-niert für die Holzbauweise. Man erhoffe

sich von der guten Resonanz auf dasProjekts so viel Leuchtkraft, dass es alsVorbild für die vielen bundesweit be-schlossenen „Querungsbauten zur Wie-dervernetzung von Naturräumen“ dient– und dann auch möglichst oft in dieserWeise gebaut werden wird.

Während Manfred Bauer sich auf dieGrünbrücke beschränkte, wies MichaelSchwesig über das Projekt hinaus nochauf viele Schadensfälle im Holzbrü-

ckenbau hin. Er war es auch, der denSatz „Aus Schaden wird man (nicht)klug“ prägte. Die einen verstünden es,aus Fehlern zu lernen, andere hingegenmachten sie immer wieder.

Am Ende erfährt die Öffentlichkeitimmer nur von den Schadensfällen,aber nie von der viel größeren Zahl dergut durchdachten und konstruktiv ein-wandfreien Holzbrücken.

Susanne Jacob-Freitag, Karlsruhe

Rund 130 Teilnehmer besuchten die „Internationalen Holzbrückenbautage“ in der Filharmonie in Filderstadt bei Stuttgart. Injedem Fall waren viele Brücken-Planer anwesend. Wie hoch der Anteil der erstmals am Holzbrückenbau Interessierten gewe-sen ist, bleibt offen. Ob sie nach der Tagung Fürsprecher desselben sein werden, noch viel mehr. Foto: S. Jacob-Freitag

Dr. MartinMertens


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