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FransBrüggen - Windkanal

Date post: 13-Feb-2022
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www.windkanal.de 2 2008 5,– Frans Brüggen Im Interview mit Thiemo Wind Blockflöte und Pfeife Mittelalter-Flöten entdeckt Hoch hinaus Die dritte Oktave im Hochbarock Ein unerwarteter Fund Neue Grifftabellen von 1801 Nachlese Kongresse, Symposien, Seminare • Barocken Blockflöten auf der Spur • Stockstädter Musiktage • Image – Magie: Treffen der ERTA Schweiz
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2 2008 5,– €

Frans BrüggenIm Interviewmit ThiemoWind

Blockflöte und PfeifeMittelalter-Flöten entdeckt

Hoch hinausDie dritte Oktave im Hochbarock

Ein unerwarteter FundNeue Grifftabellen von 1801

Nachlese Kongresse, Symposien, Seminare

• Barocken Blockflöten auf der Spur

• Stockstädter Musiktage

• Image – Magie: Treffen der ERTA Schweiz

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Liebe Leserinnen, liebe Leser,

es gibt Dinge, die erscheinen einem heute so selbstverständlich, dass man gar nicht mehrauf die Idee kommt, über die Zeiten nachzudenken, als es sie noch nicht gab.

Ein Beispiel hierfür ist die „historische Aufführungspraxis“: Es gibt heute so viele Ensem-bles und Orchester, die sich hierauf spezialisiert haben, dass es keine Seltenheit mehr ist,in Radio- oder Fernsehprogrammen auf den „Alte-Musik-Sound“ zu stoßen. An vielen Hochschulen können sich Instrumentalisten oder Sänger auf einen Studiengang„Alte Musik“ spezialisieren und selbst moderne Orchester versuchen, Werke des Barockim Sinne einer „historisch informierten Aufführungspraxis“ zu interpretieren.Das war nicht immer selbstverständlich. Als in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts die AlteMusik auf neue Weise entdeckt wurde, grenzte dies an eine Art Rebellion gegenüber derbis dahin geltenden Musikpraxis. Es war eine Handvoll junger Musiker, die mit Konse-quenz und Akribie daran gingen, der allseits bekannten Musik von Bach, Telemann oderauch Monteverdi ein neues Gesicht zu verleihen. Das begann schon mit den Instrumenten,die sie verwendeten: Originale aus dem 17. und 18. Jahrhundert bzw. möglichst naturge-treue Kopien. Diese klangen für moderne Ohren völlig ungewohnt und für viele Zeitgenos-sen sogar regelrecht provozierend. Was wurde über den „Originalklang“ und über den tie-fen Stimmton gewettert, gespottet und hitzig diskutiert, als müsste die Kultur des Abend-landes verteidigt werden! Und es ging weiter mit der Auffassung von „Musik als Klangrede“, die dazu führte, dassso manch altbekanntes Werk kaum wiederzuerkennen war – die Basis, die historischenQuellen eines Quantz, Hotteterre oder Leopold Mozart waren neu entdeckt und auf-merksam studiert worden. Bedeutende Namen verbinden sich mit dieser „Revolution der Alten Musik“ – FransBrüggen, Nikolaus Harnoncourt, Gustav Leonhardt, die Brüder Sigiswald und WielandKuijken, Anner Bylsma, um nur einige zu nennen. Radikal war diese „Revolution“ tatsächlich. So war Frans Brüggen mit seinem eigenwilli-gen Blockflötenspiel für einen Teil der damaligen Blockflötenwelt ein „enfant terrible“und löste regelrechte Grabenkämpfe aus: holländische oder traditionelle deutsche Schule?Kopien historischer Instrumente oder „normale“ in moderner Stimmung? – Zu welcherSeite man sich bekannte, konnte zeitweise fast zum Politikum werden! Auf der anderen Seite war die Faszination an seinem Spiel und an den neuen Klängender Alten Musik nicht aufzuhalten. Wie ein Netzwerk breitete sie sich über den Globusaus und begeisterte Spieler wie Hörer.

Und heute? Professionelles Blockflötenspiel lässt sich längst nicht mehr an bestimmten„Lagern“ festmachen, sondern äußert sich in der Qualität und Individualität jedes einzel-nen Musikers.Und doch: Wenn man weltweit die Biografien der führenden Blockflötisten liest, ist FransBrüggen, der sich schon vor Jahren vom Blockflötenspiel verabschiedete und dem Diri-gieren zuwandte, zwischen den Zeilen präsent – durch die Namen seiner Schüler undEnkelschüler ...

Es grüßt Sie herzlich

für das Windkanal-Team

Windkanal 2008-2

Editorial

Redaktionsleiterin

Gisela Rothe

Impressum

Herausgeber: Conrad Mollenhauer GmbH

Redaktion: Gisela Rothe, Nikolaj Tarasov

[email protected]

Anzeigen-Redaktion: Markus Berdux

[email protected]

Abo-Service: Traudel Kohlstock

[email protected]

Layout: Markus Berdux

Post-Anschrift: Weichselstraße 27

D-36043 Fulda

Tel.: +49 (0) 6 61/ 94 67- 0

Fax: +49 (0) 6 61/ 94 67 - 36

Homepage: www.windkanal.de

Druck: Hoehl-Druck, Bad Hersfeld

Erscheinungsweise: 4 x jährlich

März, Juni,

September, Dezember

Abo: (vier Hefte)

16,– Euro zuzüglich Porto

und Versandkosten

ISSN: 1864-6204

Nachdruck von Wort und Bild nur mit vor-heriger Genehmigung des Herausgebers.© 2008 Alle Rechte vorbehalten.

Namentlich gezeichnete Beiträge müs-sen nicht mit der Meinung der Redaktion oder des Herausgebers übereinstimmen.

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Inhalt Editorial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .3

Impressum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .3

Pinnwand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .6Neues & Wissenswertes

Interview . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .8Frans BrüggenFrans Brüggen beeinflusste durch sein Lebenswerk nicht nur die Entwicklung des heutigen

Blockflötenspiels, sondern die gesamte Aufführungspraxis der Alten Musik. Im November 2007

wurde er hierfür mit einem ehrenvollen Preis bedacht: Die niederländische Vereinigung von

Theater- und Konzertsaaldirektionen (VSCD) zeichnete ihn für sein gesamtes Œuvre aus.

Thiemo Wind unterhielt sich mit ihm über seine Arbeit als Dirigent und seine Erfahrungen als

Blockflötist.

Geschichte der Blockflöte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .14Blockflöte und Pfeife – Neue musikarchäologische Entdeckungen Zeugen aus dem Mittelalter: In Elblag/Polen fand sich jüngst neben einer Holz- und verschiede-

nen Knochenpfeifen eine Blockflöte, die überraschend gut erhalten ist. Agnieszka Tutton macht

die polnische Dokumentation der Musikarchäologin Dorota Popławska hier erstmals in einer

Übersetzung zugänglich. Mit einem Kommentar von Martin Kirnbauer.

Historische Spielpraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .18Hoch hinaus – Zum Spiel der dritten Oktave im Kontext des HochbarockEinige bedeutende Komponisten des Hochbarock verwenden für die Blockflöte Töne der

dritten Oktave. Auf der Basis der heute verfügbaren historischen Quellen widmet sich

Nik Tarasov diesem noch wenig erforschten Gebiet.

Historischer Quellentext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .26Ein unerwarteter FundBemerkenswerte Informationen und zwei Grifftabellen zur Blockflöte fand Nik Tarasov in einem

musiktheoretischen Buch von Johann Joseph Klein aus dem Jahr 1801.

Praxis Blockflötenunterricht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .28Klanggeschichten im Blockflötenunterricht – 2. Teil Nachdem Gisela Rothe im 1. Teil ihres Beitrages (Windkanal 2008-1) den gedanklichen Hinter-

grund der Beschäftigung mit Klanggeschichten im Blockflötenunterricht beleuchtete, geht es

nun um ein konkretes Beispiel.

Nachlese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .32Schola Cantorum Basiliensis: Barocken Blockflöten auf der Spur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .32

Exkursion: Basel – Amsterdam . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .33

Stockstädter Musiktage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .34

Image – Magie: Treffen der ERTA Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .37

CDs, Noten, Bücher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .38Zum Hören, Spielen, Lesen

Termine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .42Fortbildung rund um die Blockflöte – zusammengestellt von Susi Höfner

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Frans Brüggen: Von ihm gingen ent-

scheidende Impulse für die historische

Aufführungspraxis und für das profes-

sionelle Blockflötenspiel aus.

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6 Windkanal 2008 -2

Pinnwand – Neues & WissenswertesNeues & Wissenswertes

Pinnwand

ERTA-Kongress: Das Blockflötenorchester

Leiten – organisieren – proben

Dinkelsbühl, 26.–28. September 2008

Fast jede Musikschule, Kirchengemeinde oder Schule kennt es: Mal heißt es Blockflö-tenensemble, mal Spielkreis oder Blockflötenorchester. Sie sind klein, groß oder ganzgroß, oft mangelt es an tiefen Instrumenten. Die ERTA (European Recorder Teachers Association/Deutschland) bietet mit diesemKongress ein Forum zum gesamten Themenkreis . Der Schwerpunkt liegt auf derpraktischen Seite mit dem ERTA-Kongressorchester und verschiedenen Workshopsunter der Leitung von prominentenDirigenten und erfahrenen DozentIn-nen: Alle Interessenten sind eingela-den, sich am Kongressorchester zubeteiligen! Prof. Peter Thalheimerund Dietrich Schnabel als erfahreneEnsembleleiter werden je drei Pro-beneinheiten übernehmen. Als wei-tere Referenten für Workshops zuverschiedenen Fragen rund um dasBlockflötenorchester und das Ensem-blespiel stehen zur Verfügung: Prof.Gerhard Braun, Beate Heutjer, Bart Spanhove, Siegfried Busch, Daniel Koschitzki,Andrea Ritter, Klaus Schulten, Hildegard Zavelberg, Adrian Wehlte, Heida Vissing.Glanzvolle Konzerte ergänzen das Tagungsprogramm: Konzerte mit verschiedenenBlockflötenorchestern, dem Ensemble l’ornamento, Gudrun Köhler+Schlagzeug undspark (Andrea Ritter, Daniel Koschitzki & Ensemble). Hinzu kommen gesellige Treffs,die Verkaufsausstellung von Instrumenten und Noten, eine Börse für gebrauchteBlockflöten, eine Podiumsdiskussion und sogar eine Stadtführung.

Info:ERTA Deutschland e. V., Tel.: 0721/707291, www.kongresse.erta.de Berufsfachschule für Musik Dinkelsbühl, www.berufsfachschule-fuer-musik.de;

Das Blockflötenensemble des

Karl-von-Frisch-Gymnasiums

Dußlingen bei Tübingen unter der

Leitung von Beate Heutjer ist ein

Beispiel, zu welch überzeugender

Qualität ein Blockflöten-Schulor-

chester gelangen kann. So konnte

es nicht nur bei seinen Konzert-Auf-

tritten sondern auch in verschiede-

nen Wettbewerben bereits beachtli-

che Erfolge erzielen. Im Rahmen

des ERTA-Kongresses in Dinkels-

bühl wird das Ensemble, das in seinen Programmen auch

gemischt mit anderen Instrumenten auftritt, Gerhard Brauns

neues Werk Klanglandschaften mit Windmaschinen zur Auf-

führung bringen. Dieses Werk wurde eigens dem Ensemble

und seiner Leiterin Beate Heutjer gewidmet.

Info:www.blockfloetenfestival.de/heutjer.htmlwww.kvfg.de/ags/instrumentalensemble.php

Das Blockflötenensemble Beate Heutjer

vom 26.-28. September in Dinkelsbühl

DAS BLOCKFLÖTENORCHESTER

Kongress 2008

Hommage an Prof. Hartmut StrebelMit einem Konzert am 12. Februar 2008 gestaltete die Block- und Tra-

versflötenklasse von Hans-Joachim Fuss eine Hommage an den lang-

jährigen ehemaligen Blockflöten- und Querflötenlehrer an der Stutt-

garter Musikhochschule, Prof. Hartmut Strebel, in dessen Anwesenheit.

1929 geboren, konnte Strebel während seiner Lehrtätigkeit von 1957

bis 1993 wichtige Grundlagen für die Entwicklung der Blockflötenkul-

tur legen.

Besonders interessant: Anstatt einer Pause war im Rahmen des Konzer-

tes eine Talk-Runde angesetzt worden. Studenten und Publikum konn-

ten Fragen stellen und der Ehrengast erzählte, wie die Blockflöte sei-

nerzeit in Schwung kam. Ein gelungener musikalischer Generationen-

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Jazz-Blockflötean der Rheinischen Musikschule Köln

Wohl einzigartig ist das Unterrichtsangebot der Rheinischen Musik-schule Köln, Jazzblockflöte zu erlernen. Seit September 2007 be-steht für fortgeschrittene Spieler/innen regelmäßig die Möglichkeit,erste praktische Erfahrungen z. B. auf dem Gebiet der Jazzimprovi-sation zu sammeln. Unter der Leitung der Kölner BlockflötistinNadja Schubert finden ca. einmal im Monat jeweils samstags Jazz-und Improvisationsworkshops statt. Bereits zweimal stattgefunden hat ein Blockflöten-Big-Band-Work-shop. Insgesamt fünfzehn TeilnehmerInnen, darunter engagierteMusikpädagogen, hervorragende erwachsene Amateurspieler so-wie fortgeschrittene motivierte Jugendliche verbrachten im Aprileinen gemeinsamen Tag musikalisch und kulinarisch miteinander.Es wurde viel probiert, gelacht, geprobt und alles daran gesetzt, dasStück Force 12 von Russell Garcia sowie Glenn Millers unvergesseneMoonlight Serenade nach einem Arrangement von Paul Leenhoutskennen- und möglichst jazzadäquat spielen zu lernen. Am Ende desWorkshops präsentierten die Teilnehmer/innen der Blockflöten-Big-Band die Ergebnisse in einem konzertanten Abschluss, der sich hö-ren & sehen lassen konnte! Der Blockflöten-Big-Band-Workshopwird in Zukunft regelmäßig zweimal pro Halbjahr angeboten. Vorschau: 30.08.08. und 13.09.08 Blockflöten-Big-Band-Workshop29.11.08 Jazz-Workshop für Fortgeschrittene: Tall P. von PeteRose und A Night In Tunisia von Dizzie Gillespie nach einem Arran-gement von Hans Fickelscher für Blockflötenquartett25.10.08 Improvisationsworkshop für erwachsene Spieler: Spie-len ohne Noten, Entwickeln eigener musikalischer Ideen und Um-setzen auf der Blockflöte.

Info: Rheinische Musikschule Köln, Tel.: 0221 / 95 14 690, www.stadt-koeln.de/rheinische-musikschulewww.myspace.com/nadjaschubert

Valentin 1945 – Liebeserklärung an München Uraufführung der Chorsymphonie von Helga Pogatschar zum 850. Jubiläum der Stadt München

13. Juli 2008, 20 Uhr, Philharmonie, München

Unter der Leitung von Michael Gläser singen Salome Kammer, Vokalspezialistin fürNeue Musik, Capella Vocale München, der via-nova-chor und ein Münchner Kinder-chor, begleitet von einem außergewöhnlich zusammengesetzten Kammerensemble:Blockflöte (Stefan Temmingh), Klarinette, Posaune, Klavier und Schlagzeug.Die grotesken Wortspiele und der anarchistische Galgenhumor Valentins liefernHelga Pogatschar den perfekten Grundton für ihre Chorsymphonie, in der sie sichnicht vor skurrilen Klang- und Geräuscheffekten scheut. Wer allerdings reinen Kla-mauk erwartet, hat sich getäuscht. Karl Valentins tragikomisch verzerrter Brief ausdem „Planegger Ausland“ offenbart die ganze persönliche Krise des ausgebombtenMünchners. Gespickt mit kuriosen Elementen und zugleich düster und bedrohlichspannt ihre Musik einen weiten Bogen vom Dritten Reich über die Not der Nach-kriegszeit bis hin zum Untergang eines großen Münchner Künstlers.So gerät die Auseinandersetzung mit Karl Valentin zur einer bittersüßen Liebeserklä-rung an München. Info: www.helgapogatschar.de

Adieu Katja!Leider müssen wir uns von unserem langjährigen Ensemblemitglied Katja Miklitz,

die den Kampf gegen Ihre Leukämieerkrankung verloren hat und am 11. März

2008 verstorben ist, verabschieden.

Liebe Katja, wir danken Dir für Deine Kreativität, Deine Musikalität und Deine

Kraft, Ideen zu realisieren. Aber auch für Deine Menschlichkeit und Deine Schwä-

chen. Wir lieben und vermissen Dich. Auf Wiedersehen ...

Ensemble il tempo suono, Gudrun Köhler und Dana Sedlatschek

Katja Miklitz �13.05.1973, †11.03.2008

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Im November 2007 wurde Frans Brüggen, der große Meister der Blockflöte und der Alten Musik,

mit einem ehrenvollen Preis bedacht: Die niederländische Vereinigung von Theater- und Konzert-

saaldirektionen (VSCD) zeichnete ihn für sein gesamtes Œuvre aus.

Es ist ein Preis, der die Kunstdisziplinen übersteigt und deshalb auch einem Darsteller, Regisseur

oder anderem Bühnenkünstler verliehen werden könnte. Dennoch geht die Ehre bereits zum zwei-

ten Mal hintereinander an einen Pionier auf dem Gebiet der Alten Musik: Gustav Leonhardt war

im Jahr zuvor ausgezeichnet worden.

„Ich habe nichts gegen einen Preis“, sagt Brüggen bescheiden. „Es lebe die Kunst. Jede Aufmerk-

samkeit für unseren Beruf ist eine gute Sache.“

Ein Interview mit Thiemo Wind.

von Thiemo Wind

Interview

Interview:

Frans Brüggen

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9Windkanal 2008 -2

„Ein Œuvre-Preis fühlt sich ja ziemlich altan“, lacht der 73-jährige Brüggen ver-schmitzt zu Hause in Amsterdam, wo er dieKüsterei einer historischen Kirche be-wohnt. Der alte Meister sieht fragil aus. VonAufhören will er aber nichts wissen, abge-schlossen ist seine Karriere keineswegs.Sein Studierzimmer zeugt von lebendigerAktivität: Partituren, wohin man schaut.Prominent liegen die zwei Bücher (deutschund englisch), die bei Mollenhauer über denBlockflötenbauer Fred Morgan erschienensind, auf einem kleinen Tisch.1 Das Projektwurde von Brüggen beifällig begrüßt. „Sie

sind hier gewesen, um alles zu fotografie-

ren“, erzählt er. „Alle meine alten Blockflö-

ten sind darin abgebildet, und zwar wunder-

schön – schau mal. Ja, die ganze Sammlung

habe ich noch. Vor einigen Jahren habe ich

darüber nachgedacht, alles zu verkaufen.

Meine Frau aber sagte: ‘Warum solltest du?

Du brauchst das Geld nicht.’ Sie hatte

Recht.“

Während die Welt Brüggen heutzutagehauptsächlich als Dirigenten kennt, begann

er seine Karriere als damals weltweit bedeu-tendster Blockflötist. Damit erreichte eretwa den Status eines Popidols. Teenagerhatten Poster mit seinem Bild über dem Betthängen und zogen nach Amsterdam in derHoffnung, einen Hauch des Stars aufzufan-gen. Brüggens Spielhaltung – sitzend, daseine Bein über das andere geschlagen –wurde stillschweigend zur Norm erhoben.Nur selten hat ein einziger Musiker so vielfür ein Instrument bedeutet. Frans Brüggen ist sich dessen völligbewusst. Aber Œuvre-Preis oder nicht,diese Vergangenheit lässt er gerne ruhen.„Es ist für mich etwas von ganz früher. Ich

blicke lieber voraus – eigentlich will ich

nichts mehr darüber hören. Es war eine schö-

ne Zeit, absolut, und ich kann mich gut an

alles erinnern. Aber es ist ein abgeschlosse-

nes Kapitel. Als Kind war die Blockflöte eine

Selbstverständlichkeit für mich, weil ich die-

ses große Talent für das Instrument hatte.

Die Blockflötenliteratur ist qualitativ jedoch

ziemlich dürftig. So kam mir eines Tages die

Erkenntnis, dass man kein ganzes Leben

damit füllen kann. Man könnte es mit einer

Ehe vergleichen. Man liebt einander, aber

nach gewisser Zeit läuft es so schrecklich

schief, dass man einander am besten niemals

mehr begegnet.“

Das klingt recht negativ. In einem Interviewjüngeren Datums meinte Frans Brüggengar, dass er sich den Klang der Blockflöteüberhaupt nicht mehr anhören könne. Soschlimm ist es allerdings nicht: Am 15.November dieses Jahres wird er im Amster-damer Concertgebouw die Kantate Gottes

Zeit ist die allerbeste Zeit (Actus tragicus,

BWV 106) von Johann Sebastian Bach diri-gieren – auf eigenen Vorschlag. OhneBlockflöten geht das nicht. Vor einigenMonaten besuchte er in der Amstelkerk vonAmsterdam ein van Eyck-Recital von ErikBosgraaf (Bosgraaf wird beim Bachkonzertin November einer der zwei Blockflötistensein). So scheinen Brüggens ablehnendeAuslassungen mehr mit Selbstschutz zu tunzu haben. Indirekt gibt er dies auch zu.„Überall auf der Welt, wo ich als Dirigent

auftrete, passiert es, dass Leute mich nach

Die Blockflötensammlung von Frans Brüggen: Originalinstrumente aus dem 18. Jahrhundert,

die er in Konzerten und auf Schallplattenaufnahmen spielte.1

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dem Konzert an diese Blockflötengeschichte

erinnern wollen.“ Es ist klar: Brüggen hatgenug davon. „Ich habe das Orchester des 18. Jahrhun-

derts gegründet als ich ‘ausgeblockflötet’

war. Das war vor 26 Jahren. Seitdem ist

unsere Arbeitsweise unverändert geblieben.

Wir sind mit 23 verschiedenen Nationalitä-

ten vertreten. All diese Musiker kommen

zwei-, dreimal pro Jahr zusammen. Wir pro-

ben, gehen auf Tournee und danach fliegt

jeder wieder in sein Land zurück. Dirigent

und Musiker, wir verdienen alle das Gleiche,

wir sind eine Genossenschaft. Es ist ein

Freundeskreis, das kann man ruhig so sagen.

In all diesen Jahren hat es auch kaum Perso-

nalwechsel gegeben, daher werden wir

gemeinsam alt und grau und somit ist das

Orchester endlich. Die Musiker haben immer

gesagt: ‘Frans, wenn Du damit aufhörst,

machen wir auch Schluss.’ Wir sind so eng

miteinander verbunden. Auf meine Veranlas-

sung hin hat es etliche Gastdirigenten gege-

ben, aber es hat eher schlecht als recht

geklappt. Ist das nicht bemerkenswert? Eine

solche Chemie, dass man nicht mehr ohne

einander kann und will.”

„Das Repertoireproblem der Blockflöte habe

ich mit dem Orchester natürlich nicht. Wir

gehen nur mit Meisterwerken auf Tournee.

Wenn man sechzehn Konzerte spielt, mit

zwei Programmen, also sechs oder sieben

Werken, dann müssen diese alle von guter

Qualität sein, sonst bleibt es nicht interes-

sant. Ditters von Dittersdorf (Brüggen sagtes mit Grausen): vielleicht reizvoll für ande-

re, aber nicht für uns.”

„Ein Nachteil ist höchstens, dass wir diese

Meisterwerke ein bisschen zu oft wiederho-

len. Das ist kaum anders möglich, wenn man

so lange zusammenarbeitet. Nach 26 Jahren

haben wir die meisten großen Werke gespielt.

Aber gute Musik – Haydn, Mozart, Beetho-

ven, Schubert – wird niemals langweilig.

Immer gibt es dort etwas Neues zu entdecken.

Es hat bei uns noch nie jemand abgesagt, weil

von Thiemo Wind

Interview

»Gute Musik trägt immer

ein Geheimnis in sich.

Damit bleibt man immer

beschäftigt.«

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11Windkanal 2008 -2

wir zu viel Beethoven spielen. Gute Musik

trägt immer ein Geheimnis in sich. Damit

bleibt man immer beschäftigt.“

„Mein Hintergrund als Blockflötist ist mir

beim Dirigieren behilflich, ganz sicher. Als

Bläser kann ich mit den Musikern mitatmen,

wirklich mitatmen. Für einen dirigierenden

Pianisten ist das nicht so einfach, glaube

ich.“

Während die meisten Orchester, die aufOriginalinstrumenten spielen, vollkommenaustauschbar sind, ist der Klang von Brüg-gens Orchester des 18. Jahrhunderts nebenTausenden zu erkennen. Das hat selbstver-ständlich mit Charisma zu tun, aber auchmit der Fähigkeit, Instrumente optimalzum Klingen zu bringen. Durch Entspan-nung maximale Spannung zu erwecken,

Pressestimmen: „Das Werk ist eine leidenschaftliche Hommage undein nostalgisch wehmütiger Nachruf, aber auch einwunderbarer Bildband ... Dieses von Gisela Rothezusammengestellte Buch, an dem 54 Autoren aus 15Ländern mitgearbeitet haben, bereichert die Biblio-thek jedes Blockflötisten. Zum Lesen und Sehen!“Norbert Hornig in: Fono Forum, das Klassik-Magazin,Februar 2008.

„Der vorliegende Band ist ein Muss für jeden Blockflö-tenbauer, ein Soll für jeden Blockflötisten und eineEmpfehlung für jeden, der Interesse an der Entwick-lung der Historischen Aufführungspraxis von den 70erbis zu den ausgehenden 90er Jahren des vergange-nen Jahrhunderts hat.“Karsten Erik Ose in: Tibia, Magazin für Holzbläser,Heft 1/2008.

„Und dann sind da noch diese einmaligen Photogra-phien historischer Blockflöten (zumeist aus derSammlung Frans Brüggens) und der InstrumenteMorgans. Allein diese Bilder rechtfertigen bereits denErwerb dieses Buchs ...“Regina Himmelbauer in: ERTA-News/Österreich,November 2007.

„Dieses Buch ist mehr als nur ein Dokument über FredMorgan. Es erzählt ein Stück Blockflötengeschichteund gibt einen Überblick über die wichtigen Jahre, indenen das Instrument erwachsen wurde.“Thiemo Wind in: Tijdschrift Oude Muziek, 2007, Nr. 4.

208 Seiten, 126 Abbildungen, Leinen mit SchutzumschlagISBN: 978-3-00-021216-1 (deutsche Ausgabe)ISBN: 978-3-00-021215-4 (englische Ausgabe)

Lust auf Blockflöte

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Ein opulentes Kaleidoskop ...

1972 gründete Frans Brüggen gemeinsam mit seinen Schülern Kees Boeke und Walter van Hauwe das Trio Sour Cream, hier auf einem Foto von 1982. 1

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Frans Brüggengeb. am 30.10. 1934 in Amsterdam

Frans Brüggen beeinflusste durch sein Lebens-werk sowohl die Entwicklung des heutigenBlockflötenspiels als auch die gesamte Auf-führungspraxis der Alten Musik. Zunächststudierte er Blockflöte bei Kees Otten undQuerflöte am Amsterdam Muzieklyceum, er-gänzt durch musikwissenschaftliche Studienan der Universität Amsterdam. Bereits mit 21Jahren wurde er als Professor an das Königli-che Konservatorium Den Haag berufen;eine Erasmus Professur an der Harvard Uni-versity sowie eine Professur an der Universityof Berkeley folgten. Sein weltweiter Ruhm als Blockflötist wurdedurch sein Bekenntnis zur historischen Auf-führungspraxis geprägt und durch seinenhierin begründeten, unverwechselbaren Stil.Dieser basierte auf einer damals völlig neuar-tigen Herangehensweise an die Musik des17. und 18. Jahrhunderts, auf der Verwen-dung von Originalinstrumenten, dem sorgfäl-tigen Quellenstudium und vor allem der Ent-wicklung einer historisch fundierten, spezifi-schen Blockflötentechnik. Diese letztere wur-de durch die Zusammenarbeit mit zeitgenös-sischen Komponisten noch erweitert – wo-durch er die qualitativen Maßstäbe für pro-fessionelles Blockflötenspiel komplett neudefinierte. Frans Brüggen prägte durch seine Unter-richtstätigkeit eine ganze Generation von

weltweit führenden Blockflötisten, die wie-derum zu Multiplikatoren wurden und dieprofessionelle Bedeutung des Instrumentesauf der von ihm angelegten Basis weiter ent-wickelten. Eine Schlüsselrolle bei der Entwicklung vonAufführungspraxis und Stil spielte FransBrüggens Sammlung von Originalblockflö-ten des 18. Jahrhunderts. Vor allem in denAnfangsjahren, als noch keine adäquatenKopien zur Verfügung standen, verwendeteer sie in Konzerten und bei Schallplattenauf-nahmen, wodurch sie als Botschafter einesbis dahin kaum bekannten Blockflötenklan-ges fungierten. Diese Instrumente wurden für Blockflöten-bauer aus aller Welt zum Grundstein für denBau von Kopien, nachdem der australischeBlockflötenbauer Fred Morgan sie vermessenund in detaillierten Maßzeichnungen derÖffentlichkeit zugänglich gemacht hatte.Nicht zuletzt war es die enge Zusammenar-beit mit Frans Brüggen und dessen Schülern,die es Fred Morgan erst erlaubte, wiederumsein einzigartiges Talent als Blockflötenbauerzu entwickeln. Seit den 1980er Jahren wandte sich FransBrüggen dem Dirigieren zu und gelangteauch auf diesem Gebiet zu internationalerBedeutung. Gisela Rothe

Page 10: FransBrüggen - Windkanal

ist ein Geheimnis seiner Dirigier-Kunst. Imschwirrenden Spiel der Violoncelli tritt dasvielleicht am deutlichsten hervor. Und hierergibt sich eine interessante Parallele zu sei-nem Blockflötenspiel. In den Frühaufnah-men fällt ein leicht gespannter Ton und einnervöses Vibrato auf. Bis plötzlich Mitte dersechziger Jahre eine Entspannung eintritt,wodurch die Blockflöte einen wirklich schö-nen Klang erhält, fast, als ob der Ton in sichselbst versinken will. „Die Blockflöte ist kein Blasinstrument,sondern ein Aushauchinstrument“, erklärteBrüggen seinen Studenten gegenüber.Könnte man analog zu dieser Aussage dasOrchester des 18. Jahrhunderts als ein ‘Aus-hauchorchester’ bezeichnen?„Das ist eine interessante Beobachtung”,

erwidert Brüggen. „Was ich namentlich

Musiker in modernen Symphonieorchestern

lehren muss, ist die Tatsache, dass Crescen-

do nicht nur lauter bedeutet, sondern auch

breiter. Raum schaffen. Wenn ein Orchester

das zu realisieren weiß, ist der Klang sofort

weniger verbissen. Auch da hilft die Blockflö-

te. Durch die beschränkten dynamischen

Möglichkeiten muss ein Blockflötist fähig

sein, Dynamik zu suggerieren. Diese Fähig-

keit hilft einem Dirigenten enorm!”

„Bläser in Orchestern zeigen öfter die Nei-

gung nicht wirklich zu blasen. Es kommt

keine Luft in die Pfeife. Ich bin mir dessen

bewusst, dass Oboisten oder Klarinettisten

Embouchure-Probleme haben, die einem

Blockflötisten fremd sind, aber sie sind

immer so mit diesem ‘Embouchürchen’

beschäftigt. Für Streicher gilt genau dassel-

be. Sie vergessen, was sie an erster Stelle

machen sollen, nämlich streichen. Die rechte

Hand ist wichtiger als die linke. Dann frage

ich wohl: ‘Können Sie sich noch erinnern,

warum Sie damals Bläser oder Streicher

geworden sind?’ Es geht doch um das Blasen

oder Streichen! Musiker können durch diese

Frage peinlich getroffen werden, weil sie tief

in ihr Wesen eingreift, aber später sind sie

dankbar dafür. Blasen macht glücklich: Es

ist ein natürlicher, rein physischer Vorgang.

Vergiss die Embouchure! Das Instrument

hat nichts zu schaffen mit deinen Problemen

dabei, es will nur genährt werden. Wenn

man so mit Bläsern redet, verschwinden

manche Probleme wie Schnee in der Sonne.”

Brüggen beschränkt seine Aktivität als Diri-gent nicht auf Orchester mit Originalinstru-menten, was von einer undogmatischenHaltung zeugt. Bei ihm steht die Musikimmer an erster Stelle, nicht die historischeKorrektheit. „Ich finde es bewundernswert,

solch ein Gustav Leonhardt oder Sigiswald

Kuijken. Die wollen nur mit Originalinstru-

menten arbeiten. Aber Haydn ist meines

Erachtens für jedes Orchester ein ‘must’

wegen des pädagogischen Wertes. Das darf

man Musikern nicht vorenthalten. Für Bach

und Beethoven gilt dasselbe. Mache es, und

mache es so gut wie möglich! Ganz gelingen

wird es vielleicht nicht, aber auch mit moder-

nen Instrumenten kann man weit kommen,

wenn sie stilgetreu gespielt werden. Höre dir

mal die Radio Kamer Filharmonie an – sie

ist der beste Beweis dafür.”

In der Vergangenheit war Brüggen Chefdi-rigent dieses niederländischen Rundfunk-orchesters und wurde vor kurzem zumEhrendirigenten geadelt. Als Gastdirigentsteht er auch anderen Ensembles vor, aberdiese Tätigkeit beschränkt er auf Orchester,mit denen er öfter gearbeitet hat undwenigstens zweimal pro Saison auftretenkann. „Sonst haben die Musiker in der Zwi-

schenzeit alles wieder vergessen und es hat

keinen Sinn. Diese Erfahrung kam mit den

Jahren.”

„Moderne Orchester haben das stilgetreue

Musizieren gut aufgenommen, finde ich. Die

Frage nach Spezialisten kommt immer aus

den Musikern selbst, nicht von dem Vor-

stand. Musiker sind nicht dumm, sie fühlen,

dass da etwas nicht ‘koscher’ ist in dem, was

sie machen. Es ist mir öfter passiert, dass

Orchestermitglieder nach der Probe zu mir

kamen und sagten: ‘Jetzt können wir endlich

wir selbst sein.’ Ist das kein Drama? Es be-

deutet, dass sie die übrigen Monate der Sai-

son mit Widerwillen ihre Arbeit ausführen.

Da können dir die Tränen kommen ...“

12

von Thiemo Wind

Interview

Windkanal 2008 -2

»Die Blockflöte ist kein

Blasinstrument, sondern ein

Aushauchinstrument.«

Orchestra of the Eighteenth Century – Orchester des 18. Jahr-hundertsDas Orchester des 18. Jahrhundertswurde 1981 durch Frans Brüggen ge-gründet. Es besteht aus 50 Mitgliedernaus 23 Nationen, die sich mehrmals imJahr zu internationalen Tourneen tref-fen. Die Musiker sind Spezialisten aufdem Gebiet der Musik des 18. und frü-hen 19. Jahrhunderts und spielen aufOriginalinstrumenten oder auf moder-nen Kopien. Ihr Bestreben ist, eine mög-lichst authentische Aufführung vonMeisterwerken aus der spätbarockenund klassischen Epoche zu erreichen.Das breite Repertoire des Orchestersumfasst Werke von Purcell, Bach,Rameau, Haydn, Mozart, Beethoven,Schubert, Mendelssohn, Chopin, Schu-mann, Rossini, Brahms, Strawinsky u.a.Bis heute unternahm es 84 Tourneen,spielte vor mehr als einer Million Kon-zertbesuchern in 1071 Konzerten, in283 Städten, in 30 Ländern auf vier Kon-tinenten. Es erschienen 75 Live-Mit-schnitte und Konzertaufnahmen inHunderten von Radio- und Fernsehsen-dungen auf der ganzen Welt. Neben Konzerten in den Niederlandensind für das Jahr 2008 sieben Tourneengeplant, die das Orchester u.a. nachSpanien, Italien, Polen, Frankreich undChina führen.

Quelle: www.orchestra18c.com

Anmerkung1 aus: Blockflöten nachhistorischen Vorbilden.

Fred Morgan – Texte und Erinnerungen. Zusammengestellt von Gisela Rothe.Mollenhauer Fulda 2007

Page 11: FransBrüggen - Windkanal

13Windkanal 2008 -2

B l o c k f l ö t e n b a uS e m i n a r e

... für Kinder:

Kinder bauen sich ihre BlockflöteTagesseminare: 06. und 07.09. 2008

... für Jugendliche & Erwachsene:

Schnupperkurs BlockflötenbauWochenendseminar 20./21.09.2008

Mollenhauer Blockflötenbau36043 Fulda, Tel.: 0661/9467-0www.mollenhauer.com

Page 12: FransBrüggen - Windkanal

14 Windkanal 2008 -2

Die in der Altstadt von Elblag durchgeführ-ten archäologischen Ausgrabungen förder-ten bisher viele hervorragende Entdeckun-gen zu Tage, darunter auch Musikinstrumen-te. Zwischen 1986 und 1989 wurden dort fol-gende Instrumente gefunden: Zunächst eineGittern aus dem 15. Jahrhundert, eine Fidelaus dem 14. Jahrhundert und Blasinstrumen-te in Form zweier Knochenpfeifen aus dem14. Jahrhundert (Popławska 1997; Pop-ławska, Czechak 2002; siehe Literaturlisteunter www.windkanal.de, Zusatzmaterial).

Die BlockflöteDas Glück bei Entdeckungen von Musikin-strumenten in Elblag dauerte an. Als nächs-tes Instrument wurde 1998 eine Blockflötegefunden (Nr. 4891), in einer Latrine imHof des Grundstücks an der Straße StaryRynek 38. Der archäologische Zusammen-hang erlaubt eine Datierung des Instru-ments auf das 14. bis 15. Jahrhundert. Die Gesamtlänge des Instrumentes beträgt

von Dorota Popławska

Geschichte der Blockflöte

Blockflöte und Pfeife Neue musikarchäologische Entdeckungen in Elblag/Polen

Funde originaler Blockflöten des ausgehenden Mittelalters undder Frührenaissance kann man an einer Hand abzählen. Eine derjüngsten Entdeckungen – die in der alten Hansestadt Elblaggefundene Blockflöte – ist überraschend gut erhalten und vonhoher handwerklicher Qualität.Agnieszka Tutton macht die polnische Dokumentation derMusikarchäologin Dorota Popławska hier erstmals in einerÜbersetzung zugänglich. Mit Ergänzungen von Martin Kirnbauer.

Weitere Fotos sowie Texte über die Elblager Knochenpfeifen siehewww.windkanal.de unter „Zusatzmaterial“. Dort findet sich aucheine ausführliche Liste der diesem Beitrag zugrunde liegendenLiteratur.

Der ungekürzte Originalbeitrag von Dorota Popławska erschien in:

Muzeum w Elblagu, Archelologia et historia urbana. Elblag 2004.

Foto

: And

rzej

Kol

ecki

Instrumentenfund

in Elblag/Polen:

Blockflöte, 14. bis

15. Jahrhundert

Page 13: FransBrüggen - Windkanal

299 mm. Auf der Oberseite des Instrumentsbefinden sich 7 Tonlöcher, das letzte in dop-pelter Ausführung. Auf der Rückseite gibtes ein Daumenloch. Das Instrument gehörtdeswegen zur Flötengruppe 7+1. Ausge-hend von der Einblasöffnung haben dieTonlochabstände auf der Oberseite folgendeMaße: 143 mm, 163 mm, 184 mm, 204 mm,224 mm, 244 mm, 266 mm. Der Durchmes-ser der einzelnen Löcher liegt zwischen 8 bis10 mm; der Durchmesser des unteren, dop-pelt gebohrten Tonlochs beträgt einmal 5und einmal 6 mm. Der Durchmesser desDaumenlochs beträgt 6 mm und hat einenAbstand von 135 mm zur Einblasöffnung.Letzteres liegt der Einblasöffnung von allenLöchern am nächsten, steht also an höchs-ter Stelle. Ins Oberteil des Instruments wurde einrechteckiges Labialfenster geschnitten, ineinem Abstand von 53 mm von der Einblas-öffnung bis zur Kante des Labiums. DieEingangsweite der Einblasöffnung beträgt26 mm, die innere Weite ungefähr 20 mm;die Wandstärke am Luftein- und Austrittmisst etwa 6 mm. Der Korpus weist eineInnenbohrung auf. Der Außendurchmesseram Schallloch beträgt ca. 23 mm – dasInnenmaß 13 mm. Im Hinblick auf dieInstrumentengröße (Länge) kann man dieElblag Blockflöte zur Gruppe der Diskant-flöten in c2 oder d2 zählen. Sie wurde auseinem recht harten, sehr wahrscheinlichexotischen Holz hergestellt. Ihr Korpuswurde sehr genau bearbeitet, und seine glat-te Oberfläche wurde wohl mit einem Harzversiegelt. Die Tonlöcher erscheinen ge-bohrt, sehr wahrscheinlich mit einem regel-rechten Bohrer; das Labium ist sorgfältigausgeschnitten. Anstelle eines Schnabelswurde der Korpus an der Einblasöffnunggerade abgeschnittenen und mit einemBlock abgedichtet. Ein eingeklebter, plätt-chenartiger Holzkeil spaltet den Blockkör-per – welcher aus einem anderen hartenRundholz gearbeitet ist – in zwei ungleicheTeile.Das Blockrundholz wurde im Umfang einwenig beschnitten, und zwar so, dass dieserAbschnitt parallel zur etwas flacherenKurve der gebogenen Kanaloberbahn ver-laufen kann. Ansonsten ist der Blockkörperdem Blockmantel genau angepasst. Über eine auf der Höhe der Labialstirnseiterund um den Korpus verlaufende Kerbe

wurde das Instrument außen bescheidenornamentiert. Dies erweckt den Eindruck,als sei der Blockmantel getrennt auf dieFlöte aufgesetzt. Unterhalb des Fenstersbefindet sich eine Marke in Form eines klei-nen Kreises mit dem Punkt in der Mitte. Dasganze Symbol sieht aus wie eine „Reißna-gelspur”. Es könnte das Zeichen des Flöten-bauers sein (Kirnbauer 2002, S. 54), undseine Identifikation würde auch eine ge-nauere Zeit- und Ortsbestimmung möglichmachen. Auf dem jetzigen Kenntnisstand istdies jedoch nicht möglich. Es gibt bislangkeine Hinweise über einen Blasinstrumen-tenbauer in Elblag, so dass man vermutenmag, dass die Blockflöte anderweitig gebautworden sein könnte. Aus einigen Quellen weiß man jedoch, dassin Elblag auf Flöten musiziert wurde. Ineiner Aufzeichnung aus dem Jahr 1348 istvon einem proconsul cum fistulatorum dieRede, also einem Flötenspieler. Auch ande-re Blasinstrumente waren im Einsatz.Anfang des 15. Jahrhunderts kamen einPosaunenspieler und ein Organist nachElblag (Czaja, Nawrolski 1993, S. 225).Das beschriebene Instrument aus Elblag istmindestens die dritte bei Ausgrabungen ausdiesem Zeitraum entdeckte Blockflöte welt-weit. Das älteste, ins 14. Jahrhundert datier-te Instrument wurde in Göttingen gefun-den; das zweite – wahrscheinlich ebensoaus dem 14. Jahrhundert – stammt aus demHuis te Merwede in der Nähe von Dord-recht. Beide sind einteilig, ausgestattet mit7+1 Tonlöchern (dessen tiefstes ebenso ver-doppelt ist), und beide sind kürzer als dieElblag Blockflöte.Erste Abbildungen solcher Instrumente fin-den sich in französischen Miniaturen des11. Jahrhunderts. Später trifft man sie imgesamten Abendland, in Mittel- und SüdostEuropa an, z. B. in der Illustration der Titel-seite von G. P. da Palestrinas Missarum liber

primus, 1554 herausgegeben bei Dorci inRom; ebenso in den Symphoniae incundae,

1538 herausgegeben von Georg Rhaw inWittenberg (Freankel 1968, Tab. 18:7) undauch unter verschiedenen Instrumenten aufder Darstellung im Codex Casimirianum

(Buchner 1995, Abb. 83). Man kann sieauch in der Marienkrönungs-Abbildung vonca. 1520 in der Zisterzienser Kirche in Oseksehen (Volek, Jares 1977, Abb. 78–79). Dasälteste Traktat über die Blockflöte

Windkanal 2008 -2

Blockflöte und Pfeife

15

Die Blockflöte aus ElblagDr. phil. Martin Kirnbauer – Leiter des Musikmuse-

ums Basel, Lehrbeauftragter für Ältere Musikgeschich-

te an der Universität Basel und Dozent am Nachdiplom-

Studiengang „Papier-Kurator/in“ der Universität Basel

– konnte die Blockflöte aus Elblag vor Ort selbst in

Augenschein nehmen und steuert im Folgenden eini-

ge Eränzungen bei.

Die Ausgrabungen in der mittelalterlichen Hanse-stadt Elblag (dt. Elbling) förderten in den letzten 20Jahren eine Reihe von hochinteressanten Musikin-strumenten zutage: Eine Guiterne (ein mittelalterli-ches Lauteninstrument), eine sehr kleine Fidel samtBogen und diverse, meist einfache Flöten. Darunterfällt insbesondere eine 1998 ausgegrabene Block-flöte auf, die gemäß Keramikfunden ins 15. Jahr-hundert datiert werden kann. Diese frühe Datie-rung ist um so bemerkenswerter, als das Instru-ment alle Merkmale eines professionellen Instru-mentenbaus aufweist, wie er bislang nur aus dem16. Jahrhundert durch Objekte belegt ist. Die sorg-fältige und überlegte Fertigung zeigt sich in einerReihe von Details.So ist die Blockflöte aus Ahorn (?) mit zylindrischglattem Äußeren nur durch eine Zierrille in Höheder Fensteroberkante gegliedert. Diese Linie dientezugleich aber auch dem Hersteller als Konstrukti-onshilfe für die Positionierung der vorgebohrtenund dann teils sorgfältig unterschnittenen Grifflö-cher. Das Fenster ist präzise geschnitten, mitschwach geöffneten Wangen. Der Block weist aufder Ober- wie Unterseite eingeschlagene Keile ausHolz auf, die die Blockbahn leicht anheben undeine kontrollierte Führung des Atems bewirken.Das unterste, siebte Griffloch ist doppelt vorhan-den, um alternativ eine Benutzung mit rechter oderlinker Hand zuzulassen. Das weist darauf hin, dassdas Instrument nicht von einem Musiker für sichselbst hergestellt, sondern in Hinblick auf unter-schiedliche Benutzer gefertigt wurde. Die professio-nelle Fertigung zeigt sich nicht zuletzt in einer Her-stellermarke, die in Form eines Kreises mit zentra-lem Punkt direkt unterhalb des Fensters ange-bracht ist.Der schwingenden Länge von 270 mm nach musses sich um eine Blockflöte auf d2 handeln, aller-dings wird sich mit den Grifflochpositionen eineSkala mit Halbtonschritt ergeben, wie sie auch vonanderen mittelalterlichen und frühneuzeitlichenBlockflöten bekannt ist.Die Konservierung des Latrinenfundes durch Trän-ken mit einem Kunststoffharz verunmöglicht eineVermessung der Blockflöte mit herkömmlichenMethoden. Hier nun wäre eine Untersuchung mit-tels der in den letzten Jahren erprobten Verfahrenwie Computer-Tomographie oder ähnlichem sehrwünschenswert, handelt es sich bei dem Fund ausElblag doch um das erste und bislang einzige mit-telalterliche Flöte aus einer kommerziell professio-nellen Produktion.

Page 14: FransBrüggen - Windkanal

namens Opera intitulata La Fontegara

wurde 1535 in Venedig von SilvestroGanassi herausgegeben. Es bietet u. a.wichtige Informationen zu verschiedenenFingersätzen. Etwas früher hatte SebastianVirdung seiner Musica getutscht von 1511ein doppeltes Fingersatz-Diagramm beige-fügt. Beim Spielen durften die Musiker dieLage der Hände selbst wählen: ob etwa dieRechte oder Linke oben sein sollte. Einefestgelegte Handhaltung gab es noch nicht.Gemäß der Anatomie der Hand musste dastiefste Tonloch doppelt gebohrt sein. Dasje-nige Loch, welches nicht in Gebrauch war,wurde mit Wachs oder ähnlichem Materialverstopft. Zur Repertoirefrage lässt sich sagen, dassauf einem so professionell gearbeitetenInstrument, wie der Blockflöte vom Elblag,wohl alle Stücke aufführt werden konnten,welche für diese Flötenart in Frage kom-men.

Die HolzpfeifeZur nächsten sensationellen Entdeckungkam es im Jahr 2002. Im Hof des Grund-stücks an der Bednarskastrase 22 wurdedas sechste Musikinstrument in Elblag ent-deckt. Es ist eine Holzpfeife, wohl aus der

Mitte des 15. Jahrhunderts (AusgrabungXXXI/22, Nr. 1), was sich aus dem archäo-logischen Kontext ergibt.Die Pfeife ist 237 mm lang. In den Korpussind oben drei Tonlöcher und ein dreiecki-ges Labialfenster geschnitten. Die Abstän-de zwischen der Einblasöffnung und denTonlöchern betragen jeweils 113 mm, 135mm und 157 mm; der Durchmesser derLöcher ist ca. 4 mm. Auf der Rückseitebefindet sich im Abstand von 103 mm vonder Einblasöffnung ein Daumenloch miteinem Durchmesser von 5 mm. Der innereRohrdurchmesser an der Einblasöffnungbeträgt 14 bis 15 mm, am Austritt 15 bis 16mm. Die Wandstärke beim Eintritt misst 5–9 mm, beim Austritt 4–6 mm. Das dreiecki-ge Labialfenster hat eine gleichschenkligeForm mit der Spitze nach unten; sein obers-ter Rand befindet sich im Abstand von 60mm zur Einblasöffnung. Ein einteiliger, ausweichem Holz gearbeiteter und an einerStelle unterschnittener Block sitzt noch anseiner Stelle. Die Innenwände des Instru-ments wurden nicht nachbearbeitet, – sieentsprechen der natürlich gewachsenenHolzwandstruktur, nachdem das weicheHolzmark entfernt wurde. Die Pfeifescheint sehr wahrscheinlich aus Holunder-

holz gemacht worden zu sein. Die Oberflä-che wurde sehr unsorgfältig bearbeitet.Gleich nachlässig ausgeschnitten erschei-nen Fenster und Tonlöcher. Das Instrument gehört zur Gruppe der Pfei-fen mit der Tonlochanordung 3+1, wobeisich das Daumenloch höher befindet, als dieübrigen Tonlöcher (Gruppe 3a – Popławska1998, S. 152). Die oberen Tonlöcher sind inder Mitte des Korpus ausgeschnitten, imgleichmäßigen Abstand von ca. 22 mm.Unter den Pfeifen dieser Kategorie habenwir in Polen weitere Instrumente mit regel-mäßig verteilten Tonlöchern: z. B. aus Mied-zyrzecz und Bardo; aber auch mit Tonlö-chern im unteren Mittelteil, wie in Kowale-wo (Popławska 1998). Bei einer weiteren,1989 in Elblag entdeckten Pfeife scheinendie Tonlöcher dagegen über die Länge desInstruments verteilt (Popławska 1997, S.151–152, Abb. 6; 1998, Abb. 8). Sie unter-scheidet sich von der jüngst gefundenenHolzpfeife auch dadurch, dass das Daumen-loch zwischen dem ersten und zweitoberenTonloch liegt. In der abendländischenarchäologischen Dokumentation habe icheine, dem jüngst in Elblag entdecktenInstrument vergleichbare 3+1 Pfeife gefun-den, welche in Wetzens (Holland) entdeckt

16

von Dorota Popławska

Geschichte der Blockflöte

Windkanal 2008 -2

Durch Abbildungen weiß man, dass im aus-gehenden Mittelalter offenbar mehrere Ty-pen längs gehaltener Flöten gespielt wordensind. Neben Pfeifen und Einhandflöten sindjedoch nur wenige Blockflöten aus dieser Zeiterhalten geblieben. Es sind ausschließlichGrabungsfunde, teils aus Latrinen geborgen –wo häufig unbrauchbar Gewordenes entsorgtwurde. Die hölzernen Instrumente verbindenfolgende Merkmale: Es sind allesamt einteili-ge, hohe Instrumente in Sopranlage oder hö-her, ohne Schnabel (die Blockseite wurde anihrer Einblasöffnung abgeflacht belassen).Unklar ist, ob das tiefste und für eine alterna-tive Handhaltung meist doppelt gebohrteTonloch einen Halbton oder einen Ganztonproduziert hat. Die Instrumente werdenheute nach ihrem Fundort benannt.

GöttingenGeschätzt auf die Mitte des 14. Jahrhunderts,Gesamtlänge 265 mm, Obstbaumholz, Blocknicht erhalten; Bohrungsverlauf mit einemDurchmesser von 13,6 mm bis 12, 7 mm, mitzwei Stufen auf 11,5 mm sowie einer Erweite-rung am Ende auf 14,5 mm. Kurzer Kanalver-

lauf, Kopf- und Griffteil außen verschiedenproportioniert, Kugelwulst am Schalllochen-de; gefunden 1987; aufbewahrt im Städti-schen Museum Göttingen.

Dordrecht (Niederlande)Geschätzt auf die Mitte des 14. Jahrhunderts(nach 1335, aber vor 1421), Länge ca. 300mm, Obstbaumholz (vielleicht Pflaume), ori-ginaler Block, wahrscheinlich enge zylindri-sche Bohrung um 11 mm. GleichmäßigeAußenform, mit Zapfen an Schnabel- undFußende – dort dürften heute verlorene Man-schetten o. ä. befestigt gewesen sein. Gefun-den 1940, aufbewahrt im GemeentemuseumDen Haag.

EsslingenGeschätzt ins 14. Jahrhundert, Fragment(obere Hälfte erhalten), in der Außenform derGöttinger Blockflöte sehr ähnlich! Aufbe-wahrt im Landesdenkmalamt Baden-Würt-temberg, Stuttgart.

WürzburgDatiert auf das 13. oder 14. Jahrhundert.

Fragment aus Kirschholz, eventuell Endstückeiner Blockflöte oder eines Rohrblattinstru-ments; erstmals beschrieben 1953.

Tartu (Estland)Geschätzt in die zweite Hälfte des 14. Jahr-hunderts, Gesamtlänge 246,7 mm, Flötenkör-per aus Ahorn, konischer Block aus Birke; ein-ziges Instrument, bei dem das unterste Grif-floch nicht doppelt gebohrt ist. Bohrungsver-lauf eventuell ehemals zylindrisch, heute we-gen starker Umwelteinflüsse ungleichmäßig;Bohrungsverengung am Schalllochende.Leicht konkave Außenform, Zierrillen auf demBlockmantel, abgerundetes Einblasende;gefunden 2005.

Elblag (Polen)Geschätzt auf die Mitte des 15. Jahrhunderts,Gesamtlänge 299 mm, signiert mit einerunbekannten (Hersteller-)Marke. Oberflächen-behandeltes Hartholz, originaler Block mitEinkeilung. Innendurchmesser vermutlich um13 mm. Zylindrische Außenform, Markie-rungsrille am Windkanalaustritt; gefunden1998, aufbewahrt im Elblager Museum.

Erhaltene Blockflöten des ausgehenden MittelaltersZusammengestellt von Nik Tarasov

Page 15: FransBrüggen - Windkanal

wurde. Diese Pfeife hat ebenfalls Tonlöcherin der Mitte des Instrumentes, und das Dau-menloch befindet sich an höchster Stelle.Bei dieser Pfeife ist das Luftloch rechteckig(Brade 1975, S. 67, Abb. 13, Tab. 2:2).Eine interessante Frage wäre, ob man diesePfeife überhaupt vernünftig spielen kann.Dafür spricht der Eindruck, dass einige wei-che Holzfasern zusammengedrückt sind,besonders beim untersten Tonloch, wasdurch Bespielen verursacht worden seinkönnte. Der jedoch äußerst kleine Durch-messer der Tonlöcher von nur 4 mm und dersehr kurze Schneidenrand des Labiumskönnten große Schwierigkeiten bei Klang-erzeugung und Tonhöhenwechsel verursa-chen. Wenn das Instrument gespielt wurde,könnte dies mit beiden Händen geschehensein: Sehr wahrscheinlich haben dann dieFinger der linken Hand die beiden oberenTonlöcher und das Daumenloch bedient,wogegen das unterste Tonloch und die Hal-tefunktion des ganzen Instruments derrechten Hand zufiel. Eine umgekehrteHandhaltung ist ebenso denkbar.

SchlussfolgerungenKeines der sechs in Elblag entdecktenMusikinstrumente kann mit Sicherheitdatiert werden. Alle wurden aus Latrinengeborgen und ihre Chronologie wurde ana-log umliegender Artefakte und nach Merk-

malen anderer umliegender Denkmälerbestimmt. Im Fall der Blockflöte gäbe es dieMöglichkeit einer genauen Identifikationaufgrund der Reißnagelzeichenmarke, so-bald die dazugehörige Flötenbauerwerk-statt identifiziert würde. In der ElblagerInstrumentengruppe ist die Blockflöte daseinzige professionelle Instrument. Außerder Tatsache, dass schon die Ausgrabungeiner solchen Blockflöte an sich von außer-gewöhnlicher Bedeutung ist, erscheint auchdas Merkmal des gespalteten Blocks bemer-kenswert. Dessen Elemente finden keineunmittelbare bauliche Analogie zu ohnehinsehr seltenen Entdeckungen von Blöckenaus dieser Zeitspanne. Weitere Studienüber das Prinzip einer solchen Konstruktionwären willkommen. Das zweite Instrument,die einfache Holzpfeife, stellt die Frage nachdem Sinn der Verteilung der Tonlöcher, wel-cher der Autorin im Vergleich mit anderenInstrumenten aus diesem Jahrhundert nichtbekannt ist. Es drängt sich die Mutmaßungauf, dass jede der Pfeifen, die in Elblaggefunden wurden, eine eigene Tonlochauf-teilung und somit ein eigenes Intervallsys-tem aufweisen könnte. Die Ausgrabungen in Elblag werden weitergeführt. Man kann nur hoffen, dass die Listeneuer Erkenntnisse und Fragen mit jedemweiteren Musikinstrumentenfund längerwird.

Die alte Hansestadt Elblag

43 Städte bildeten seit dem Lübecker Vertragvon 1241 die Hanseatische Liga, die bald zurmaßgeblichen nordeuropäischen Militär- undWirtschaftsmacht aufstieg. Der Zusammen-schluss umfasste in seiner Blütezeit schließ-lich gegen 200 Städte, welche neben demFernhandel die Ostsee als wichtigste Han-delsstraße zwischen West- und Osteuropanutzte. 1669 zerfiel die Hanse durch die eng-lische Seedominanz und den DreißigjährigenKrieg. In diesem Bund spielte auch das 1237 vomDeutschen Orden angelegte Elbing (Elblag)eine große Rolle. Es wurde 1309 die Haupt-stadt des Ordensstaates und entwickelte sichüber weit reichende Handelsbeziehungenzum bedeutenden Seehafen Preußens biszum Aufstieg Danzigs 1410. Seine Altstadt wurde 1945 zerbombt, die Rui-nen 1960 bis auf die Grundmauern abgebautund mit einer riesigen Grünanlage überdeckt.Seit 1980 werden die Reste der „unterirdi-schen Stadt“ wieder ausgegraben und archä-ologisch untersucht. Über 200 mittelalterlicheBürgerhäuser mitsamt ihrer Infrastruktur konn-ten freigelegt werden sowie eine Vielzahlvon Alltagsgegenständen aus verschiedenenMaterialien. Letztere zeugen von einem re-gen europäischen Warenverkehr. Zu den klei-nen Sensationsfunden gehören etwa achtMusikinstrumente, eine Hornbrille aus dem15. Jahrhundert, Spielzeug und Gesellschafts-spiele, aber auch Überreste exotischer Le-bensmittel des Nahen Ostens.

Zusammengefasst nach dem deutschen Textder polnischen Broschüre von Grazyna Naw-rolska: Elblag w Hanzie – Miast Hanzeatyckich.www.umelblag.pl

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Blockflöte und Pfeife

Windkanal 2008 -2

Instrumentenfund in Elblag/Polen: Holzpfeife aus der Mitte des 15. Jahrhundert

Foto

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Page 16: FransBrüggen - Windkanal

18 Windkanal 2008 -2

Um kaum etwas rankt sich so

viel Zweifel, Widerspruch und

Ärger, wie die Töne in der drit-

ten Oktave einer Blockflöte.

Auf der Basis der heute greifba-

ren Quellen widmet sich Nik

Tarasov diesem Außenposten

unseres Instruments mit dem

Ziel, systematisch-historische

Klarheit und neue Perspektiven

zu schaffen.

Der Respekt vor dem höchsten Blockflöten-register – traditionell also den Noten in derdritten Oktave – scheint bei Musikern, In-strumentenmachern und Gelehrten bisheute ungebrochen. Die hohen Töne sindunbeliebt, werden eher mit Schreckengestreift und möglichst schnell wieder ver-lassen; ihr heikler Charakter eher zwangs-läufig in Kauf genommen. Sie sind oftschwierig zu spielen, können entsprechendoft daneben gehen, klingen unausgeglichenund sind selten angenehm zu hören. Jedem,der im doppeldeutigen Sinn auch noch so„hoch hinaus“ will, werden sie zur Hürdeund letztlich zur unüberwindbaren Barrie-re. Und gäbe es eine Statistik über die Häu-figkeit aller benutzten Töne, lägen siesicherlich weit abgeschlagen auf den hin-tersten Rängen.Dennoch erscheinen die Randnoten als„Tüpfelchen auf dem i “ im Tonraum einerBlockflöte und verleihen den anderen beiden,

tieferen Oktaven Sinn, Raum und relativeLeichtigkeit. Liegt es dagegen in der Naturunseres Instruments, dass die dritte Oktavebestenfalls angedeutet funktioniert undimmer ein Grenzgang bleibt? Die Meinun-gen zum Thema gehen dementsprechendstark auseinander. Der Gegenwart taugendie ganz hohen Noten meist zu einer ArtExtremsport. Wie aber steht es um dieWerte der Vergangenheit? Was gibt dieGeschichte darüber preis, und wie ist damitumzugehen? Zunächst ein Blick auf diegegenwärtige Situation.

Die dritte Oktave – was ist das?Bezieht man sich heute auf eine handelsüb-liche Altblockflöte hochbarocker Machart,bewältig so ein Instrument in hoher oder tie-fer Stimmung zunächst zwei chromatischvollständige Oktaven im Tonraum von f1 bisf3. Pro Oktave geschieht dies jeweils übereine charakteristische Spieltechnik: Fürserste Register bleibt das Daumenlochgeschlossen, fürs zweite wird dieses teilge-deckt. Außenstehende mögen nun logischfolgern, dass für die verbleibenden Töne derdritten Oktave eine weitere Spielweise hin-zukommen müsste. Leider ist dies nicht derFall. Hier wird die Spieltechnik der zweitenOktave – also das Teildecken des Daumen-lochs – beibehalten; höhere Töne werdendem Instrument prinzipiell durch andereGriffkombinationen auf den Oberlöchernentlockt. Dies funktioniert allerdings nurmit Abstrichen. Einige Töne lassen sich par-tout nicht sauber produzieren: fis3 und a3

werden erst brauchbar, wenn zusätzlich dasSchallloch verschlossen wird (meistens miteiner gezielt dosierten akrobatischen Bewe-gung des oberen Beinmuskels).Abgesehen davon können noch die Töne b3,h3 und c4 erreicht werden, allerdings nur mitrecht starkem Blasdruck und deshalb nurkurz und einzeln angespielt. In Kombinati-on mit dem Schallloch können durchaussanftere Alternativen produziert und sogarnoch einige Halbtöne über c4 gefunden wer-den. Jedoch beschränkt sich die ganze klas-sische Literatur auf einen Tonraum von f1 bisc4, also maximal auf 2 ½ Oktaven (sieheNotenbeispiel unten).Wir fassen zusammen: Gemeinhin besitztdie dritte Oktave – abgesehen vom sporadi-schen Gebrauch des Schalllochs – keinespezifische Spieltechnik und wird traditio-nell höchstens bis zur Hälfte verwendet.

Ausnahmen von der RegelTrotz landläufiger Meinung und Praxis –keine Regeln ohne Ausnahmen: Einigedeutsche Schul- und Konzertblockflöten der1930er und 1940er Jahre (und einige ihrerAusläufer) meistern die chromatischenLücken in der dritten Oktave ansatzweiseauch ohne Schalllochabdeckung. DiesesPhänomen ist allerdings in zeitgenössi-schen Quellen nicht beschrieben und wurdeerst in neueren Versuchen an entsprechen-den Instrumenten experimentell unter-sucht. 1

Bei der seit den 1990er Jahren produziertenneuen Instrumentengeneration, verschiede-

Altblockflöte

HOCH HINAUSZum Spiel der dritten Oktave im Kontext des Hochbarock

Historische Spielpraxis

von Nik Tarasov

Page 17: FransBrüggen - Windkanal

19

Hoch hinaus

Windkanal 2008 -2

nen so genannten Harmonischen Blockflö-ten, liegt ein erweiterter Tonraum (um dreiOktaven oder teilweise darüber) in derNatur der Sache: Weder weist das obersteRegister Lücken auf, noch muss die Tonge-bung innerhalb des traditionellen Umfangsforciert werden. Entscheidend hierfür sindeine weiterentwickelte bohrungstechnischeKonzeption sowie ein eigenes Spielsystemfür die dritte Oktave.2

Letztgenannte Konzeptionen haben ihreVorbilder ideell in der Blockflötengeschich-te des 18. und 19. Jahrhunderts. Wie wirjedoch gleich sehen werden, orientiert sichdagegen das Gros der heute nach barockenVorbildern gebauten Blockflöten im Bezugauf die dritte Oktave in Bauweise und Spiel-technik nur eingeschränkt an der Vergan-genheit. Das Bewusstmachen dieser Inkon-sequenz könnte im Zeitalter historischerAufführungspraxis neue Arbeitsgrundlagenschaffen. Im Folgenden wird ein Versuchunternommen, auf der Basis der aktuellenQuellenlage historische Klarheit und neuePerspektiven zu schaffen.

Werke mit hohen TönenJohann Sebastian BachDer Löwenanteil des erhaltenen barockenBlockflötenrepertoires verwendet Töne imBereich zweier Oktaven; dazu gesellt sichöfters der darüber gut erreichbare Ganztonund selten die kleine Terz. Hält man Aus-schau nach Werken, die weitere hohe Notenverlangen, wird man dennoch fündig – dazunoch in einigen zentralen Kompositionen.Unsere Übersicht auf den folgenden Seitengibt darüber Aufschluss. Es scheint, als habe Johann Sebastian Bachals erster begonnen, absichtlich fis3 (ges3),as3 und a3 in seine Kompositionen mitBlockflöte einzubauen, und zwar ab demConcerto Himmelskönig sei willkommen

BWV 182 vom 25.3. 1714 (heute als Kanta-te bezeichnet). Genau zehn Jahre spätermusste der Komponist für eine erneute Auf-führung die Blockflötenstimme wegen eineranderen Stimmtondifferenz um eine kleineTerz nach unten transponieren. ObgleichBach dabei manches umfigurierte, hatten erund sein Kopist kein Problem damit, ehe-malige Töne auf a3 in fis3 umzunotieren. Auch in weiteren Kantaten werden dieseTöne verwendet, so in BWV 161 Komm, du

süße Todesstunde (Erstfassung vermutlicham 27.9. 1716 in Weimar). Im Chorteil eilendie Altblockflöten immer wieder in Zwei-unddreißigsteln dahin und erreichen dabeizweimal den ungeliebten Halbton über zweiOktaven. Die in Weimar am 24.2. 1715 entstandeneKantate Gleichwie der Regen und Schnee

vom Himmel fällt BWV 18 setzte Bach füreine Wiederaufführung in Leipzig am 13.2.1724 vereinheitlichend von g-Moll in denKammerton nach a-Moll und fügte ihr neuzwei oktavierende Altblockflöten hinzu.Deren Tonumfang ist wieder sehr exponiert.Die 1. Flöte spielt mehrmals fis3 und a3. In der Kantate Nr. 103 riskiert Bach sogarauf einer Sixth Flute (also einem Sopran-instrument in d2) die große Terz über zweiOktaven. Das prominenteste Beispiel stelltsicherlich die Partie der ersten Blockflöte im4. Brandenburgischen Konzert dar, woBach das fis3 gleich in vier Passagen fordert.

Georg Philipp TelemannGeorg Philipp Telemann steht seinemberühmten Kollegen in der Verwendung un-gewöhnlicher hoher Blockflötentöne umnichts nach. In der 1716–1717 geschriebe-nen Pfingstkantate Daran ist erschienen die

Liebe Gottes TWV 1:165 spielt eine konzer-tierende Altblockflöte im ersten Chorab-schnitt als Spitzenton ein repetiertes c4!Dieser Spitzenton erscheint 1728 im 3. Satzder bekannten Sonate F-Dur TWV 41:F 2wieder sowie im Concerto in F-Dur TWV51:F 1. Im letzteren werden des weiterenmehrere a3 verlangt. Auch das fis3 spart Telemann nicht aus: Inder bereits erwähnten Pfingstkantate wirddem Spieler in der 6. Arie ein fis3 abverlangt.Im 72 Solokantaten umfassenden ZyklusHarmonischer Gottes-Dienst (Hamburg,1725–1726) befinden sich 13 mit Altblock-flöte besetzte Kantaten; davon bringt eine –Nummer 53 Es ist ein schlechter Ruhm – inder 4. Arie dreimal ein fis3. Auch im Concertoin C-Dur TWV 51:C 1 kommt es wiederholtvor. Und weiter in der Sopran-Arie Mich

tröstet die Hoffnung aus der Oper Der gedul-

dige Sokrates TWV 21:9.Auch wenn Bach und Telemann die aller-meisten der erwähnten Werke auf einenbestimmten professionellen Spieler abge-stimmt haben könnten, so richtet sich Tele-manns Sonate F-Dur als Eröffnungsstück

des 1728 gedruckten Zyklus Der Getreue

Music-Meister an ein Publikum musizieren-der Kenner und Liebhaber. Dasselbe gilt fürdie Kantaten-Sammlung Harmonischer

Gottes-Dienst, welche – laut Telemann –„zu[r] Beförderung so wol der Privat-Hausals öffentlichen Kirchen-Andacht“ gedachtist.

England & ItalienIn England entdeckt man die beiden hohenNoten sogar nur in Musikdrucken – so 1726in einer Einrichtung der Händel-Oper Ales-

sandro. In weiteren Opern-Arrangementsdes Komponisten begegnet uns nur das fis3:1730 in Parthenope sowie 1731 in Porus.

Robert Woodcocks 1. Solokonzert von 1727für eine Sixth Flute verlangt gleichsam nurfis3.Eine gewisse Ratlosigkeit muss man dage-gen bei einigen Blockflötenwerken vonVivaldi einräumen. Zwar kommt ein fis3 indrei seiner konzertanten Werke vor (RV 92,RV 94 und RV 95), doch drängt sich auf-grund der Griffverbindungen in unbeque-men Kreuztonarten zumindest für zwei derWerke der Verdacht auf, der Komponistkönnte auf die Verwendung einer SecondFlute, also einer Altblockflöte in g1 speku-liert haben. Interessanterweise brach Vival-di die Komposition seines 4. Solokonzertsfür Flautino just an der Stelle ab, wo er sichbeim eiligen Niederschreiben in ein notier-tes fis3 hineinmanövriert hatte …

EinrichtungenAußer in den Originalwerken gibt es Hin-weise, dass auch Werke für die Blockflöteadaptiert werden konnten, welche dannhohe Lagen streifen würden. Stellvertretendhierfür sei ein Hinweis keines geringeren alsJohann Joachim Quantz genannt. Im aus-führlichen „Vorbericht“ zu seinen Sei Duetti

a due Flauti Traversi op. 2 (Berlin: G. L.Winter, 1759) meint er zu seinen Stücken:„… ob sie gleich eigentlich für zwo Flötentraversieren gesetzet sind, dennoch auchauf einigen andern Instrumenten ausgefüh-ret werden können“ und zwar „auf zwo Flö-ten a bec, eine kleine Terze höher.” Befolgteman seinen Rat, würde man ums Spielendes fis3 nicht herumkommen.Interessant ist, dass im traditionellen Alt-blockflötenrepertoire vor 1800 die Töne b3

und h3 nicht vorzukommen scheinen.

Page 18: FransBrüggen - Windkanal

20

von Nik Tarasov

Historische Spielpraxis

Windkanal 2008 -2

Johann Sebastian Bach (1685–1750)

Concerto (Kantate) Himmelskönig sei willkommen BWV 182; Weimar,25.3.1714 Quelle: Manuskript; Instrument: Altblockflöte; verwendeter Tonumfang:g1–a3; Besonderheit im 1., 2., 5. und 8. Satz: ges3, as3, a3.

Kantate Komm, du süße Todesstunde BWV 161; Weimar, Erstfassungvermutlich am 27.9.1716Manuskript; Altblockflöte; Tonumfang a1–g3 (Flauto I); Besonderheit im5. Satz: fis3.

Brandenburgisches Konzert Nr. 4 in G-Dur BWV 1049; Köthen, 1721Manuskript; Altblockflöte; Tonumfang g1–g3 (Flauto I); Besonderheit im1. und 3. Satz: fis3.

Kantate Gleichwie der Regen und Schnee vom Himmel fällt BWV 18;Leipziger Fassung vom 13.2.1724Manuskript; Altblockflöte; Tonumfang e1 (Umfangs-Unterschreitung imcolla parte mit Violen-Tutti) +f1–g3+a3 (Flauto I); Besonderheit im 1. Satz:fis3, a3.

Übersicht: barocke Werke mit hohen Tönen

40

(2. Satz - Chorus)

(8. Satz - Chorus)

52

75

(1. Satz - Chorus)

49

(1. Satz - Allegro)

19

(1. Satz - Coro)

(6. Aria Duetto - Affettuoso)

19

(Arie "Mich tröstet die Hoffnung)

55

(3. Satz - Presto)

21

(1. Satz - Sinfonia)

27

34

66

(5. Satz)

Himmelskönig sei willkommen BWV 182; Leipziger Fassung vom25.3.1724Manuskript; Altblockflöte; Tonumfang fis1–fis3; Besonderheit im 2. und8. Satz: fis3 (im 2. Satz teilweise fis2 als eventuelle Alternative).

Kantate Nr. 103 Ihr werdet weinen und heulen; Leipzig, 1725Manuskript; Flauto piccolo (Sixth Flute in d2); Tonumfang notiert g1–f3+g3+a3 (klingend e2–d4+e4+fis4); Besonderheit im Eingangschor: inAltblockflöten-Griffweise notiert, a3 (klingend fis4).

Georg Philipp Telemann (1681–1767)

Kantate Daran ist erschienen die Liebe Gottes TWV 1:165; Frankfurt, 1716–1717mehrere Manuskripte; Altblockflöte; Tonumfang g1–g3+c4; Besonder-heit in 1. Coro und 6. Aria Duetto – Affettuoso: fis3 & c4 (c4-Repetition,während der Chor vom Erscheinen der Liebe Gottes singt).

Oper Der geduldige Sokrates TWV 21:9; Hamburg, 1721Manuskript; Altblockflöte; Tonumfang g1–g3; Besonderheit in der ArieMich tröstet die Hoffnung (Akt 2, Szene 4): fis3.

Kantate Nr. 53 am 19. Sonntage nach Trinitatis Es ist ein schlech-ter Ruhm; aus: Harmonischer Gottes-Dienst; Hamburg, 1725–1726Druck; Altblockflöte; Tonumfang h1–g3; Besonderheit in der 4. Arie Zuguter Nacht, ihr alten Sünden – Vivace: fis3.

Sonate F-Dur TWV 41:F 2, aus: Der Getreue Music-Meister; Hamburg, 1728; Druck; Altblockflöte; Tonumfang f1–f3+g3+c4; Besonderheit im 3. Satz –Allegro: c4 (alternativ auch c3).

(4. Arie - Vivace)

18

(3. Satz - Allegro)

40

(2. Satz - Chorus)

(5. Satz - Aria. Largo)

4

(8. Satz - Chorus)

(1. Satz - Sonata, Grave Adagio)

( g, )

12

Page 19: FransBrüggen - Windkanal

21

Hoch hinaus

Windkanal 2008 -2

Concerto in F-Dur TWV 51:F 1; Darmstadt, 1720–30er Jahre? Manuskript; Altblockflöte; Tonumfang f1–f3+g3+gis3+a3+c4. Besonderheitim 1. Satz – Affettuoso, 2. Satz – Allegro, 3. Satz – Adagio: gis3+a3+c4.

Concerto in C-Dur TWV 51:C 1; Darmstadt, 1720–30er Jahre?Manuskript; Altblockflöte; Tonumfang g1–g3; Besonderheit im 1. Satz –Allegretto, 2. Satz – Allegro, 4. Satz – Tempo di Minuet: fis3.

Georg Friedrich Händel (1685–1759)

Anonymes Arrangement: Alexander for a Flute, The Ariets with theirSymphonys for a Single Flute … of that Celebrated Opera Vol. III; London,John Walsh, nach 1726. Druck; Altblockflöte; Tonumfang f1–g3+a3; Beson-derheit in Ouverture und Arie L’amor che perte: fis3+a3.

Anonymes Arrangement: Parthenope for a Flute, The Ariets with theirSymphonys for a Single Flute … of that Celebrated Opera; London, JohnWalsh, 1730. Druck; Altblockflöte; Tonumfang f1–g3; Besonderheit in derArie E figlio il mio: fis3.

Anonymes Arrangement: Porus for a Flute, The Ariets with their Sym-phonys for a Single Flute … of that Celebrated Opera; London, John Walsh,1731. Druck; Altblockflöte; Tonumfang f1–g3; Besonderheit im Duetto Semai turbo il – Larghetto: fis3.

Robert Woodcock (ca. 1690–1734)

1. Concert in Eight Parts, for a Single Flute, E-Dur; London,John Walsh,1727Druck; Sixth Flute; Tonumfang notiert d1 (Umfangs-Unterschreitung imTutti!) +fis1–g3 (klingend h1+dis2–e4); Besonderheit im 1. Satz – Presto:fis3, in Altblockflöten-Griffweise notiert (klingend dis4).

Antonio Vivaldi (1678–1741)

Concerto (Trio) D-Dur RV 92 für Blockflöte, Violine, Fagott oder Violon-celloManuskript; Altblockflöte (in g1 oder f1?); Tonumfang a1–fis3; Besonder-heit im 1. Satz – Allegro: fis3.

Concerto D-Dur RV 94 für Blockflöte, Oboe, Violine, Fagott und B.c. Manuskript; Altblockflöte (in g1 oder f1?); Tonumfang a1–fis3; Besonder-heit im 3. Satz – Allegro: fis3.

Concerto La Pastorella D-Dur RV 95 für Blockflöte oder Violine, Oboeoder Violine, Violine, Fagott oder Violoncello und B.c. Manuskript; Altblockflöte (in g1 oder f1?); Tonumfang fis1–fis3; Besonder-heit im 1. Satz – Allegro: fis3.

Concerto G-Dur RV 312 für Violine / Fragment für Flautino Manuskript; Flautino; Tonumfang notiert d1 (Umfangs-Unterschreitungim Tutti!) +fis1–fis3 (klingend d2+fis2–fis4); Besonderheit im 1. Satz – Alle-gro molto: notiert fis3 (klingend fis4).(1. Satz - Allegro molto)

8

(1. Satz - Affettuoso)

17

(2. Satz - Allegro) 58

(3. Satz - Adagio)11

35

(1. Satz - Allegretto)

2

100

(2. Satz - Allegro)

115

145

48

(4. Satz - Tempo di Minuet)

(Aria "E figlio il mio" - Allegro)

(Duetto "Se mai turbo il" - Larghetto)

48(1. Satz - Allegro)

81

(3. Satz - Allegro)

85

71

(1. Satz - Allegro)

66

(1. Satz - Allegro molto)

3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3

(1. Satz - Presto)

(Ouverture)

(Aria "L'amor che perte")

Page 20: FransBrüggen - Windkanal

Die historischen GrifftabellenWie wurden all diese hohen Töne nungespielt? Barocke Instrumentalschulenoder vielmehr Grifftabellen, die darüberAuskunft geben sollten, führen – ganz wieder Großteil des Repertoires – in der Regelzwei Oktaven plus einen Ganzton als durch-schnittlichen Tonumfang für eine Blockflö-te. Andere hohe Töne werden entwederignoriert, oder aber wegkommentiert.Jacques-Martin Hotteterre-le-Romain meintin seinen 1707 erstmals erschienenen Prin-

cipes recht lapidar: „Es gibt kein hohes fis.“ 3

Dass dieser Standpunkt jedoch kein Allge-meinposten war, verdeutlichte Étienne Lou-lié einige Jahre vorher im unvollendetenManuskript seines Schulwerks (der erstenfranzösischen Anweisung zum Spiel desbarocken Instrumententypus). Zum einensagt er, diese Töne seien „auf der Blockflötewenig in Gebrauch oder übersteigen ihrenTonumfang“.4 Andererseits findet sich beiihm für fis3 und für weitere hohe Töne den-noch ein Griff.Arbeitet man sämtliche erhaltenen Griffta-bellen des 18. Jahrhunderts durch, lässt sichfeststellen, dass nur ein kleiner Teil darüberAuskunft gibt, wie die Töne des drittenOktavausschnitts zu greifen sind. Weshalb?Waren diese Töne zu diffizil, nicht jeder-manns Sache, oder funktionierten sie viel-leicht sogar nicht auf jedem Instrument? Wie unsere Übersicht zeigt, sind gegenwär-tig insgesamt 11 Grifftabellen im Zeitraumzwischen 1699 und 1801 bekannt, die zei-gen, wie fis3 zu spielen ist.

Hinweise auf Töne der dritten Oktave inGrifftabellen von 1699 bis 1801

Étienne Loulié (1654–1702)Méthode pour apprendre à jouer de la flûte douce. Erste Fassung 1680er Jahre, Erweiterung undRevision 1701 oder 1702. Quelle: Manuskript.Zielinstrument: AltblockflöteErwähnte Griffe für die 3. Oktave: fis3 (Fol. 177,„Tremblements“), g3, gis3, h3, c4 («Sons peu enusage sur la flûte ou qui montent au dessus deson étendue ordinaire », Fol. 203)

Claas Douwes (ca. 1650 – ca. 1725)Grondig ondersoek van de toonen der musijk.Gedruckt 1699 in Franeker bei Adriaan Heins.Zielinstrument: Blockflöte in CErwähnte Griffe für die 3. Oktave: Notiert cis3

(Seite 112), d4 (Seite 113).

Joseph Friedrich Bernhard Caspar Majer(1689–1768)Museum musicum theoretico practicum, das ist,

Neueroeffneter theoretisch- und practischerMusic-Saal. Gedruckt 1732 in Schwäbisch Hall bei GeorgMichael Majer / Neuauflage in Nürnberg:Johann Jacob Cremer, 1741.Zielinstrument: AltblockflöteGriffe für die 3. Oktave: fis3–h3 (Seite 31).

Thomas Stanesby Junior (ca. 1668-1734) A New System of the Flute à bec, or Common Eng-lish-Flute. Gedruckt 1732 (?) in London. Zielinstrument: Blockflöte in CErwähnte Griffe für die 3. Oktave: cis3–dis3 (Griff-tabelle)

Johann Daniel Berlin (1714-1787) Musikaliske Elementer.Gedruckt 1744 in Trondheim.Zielinstrument: AltblockflöteErwähnte Griffe für die 3. Oktave: fis3, g3, a3, h3, c4

(Grifftabelle)

The Compleat Flute-Master Containing the Bestand Easiest Rules to Learn that Favorite Instru-ment Gedruckt ca. 1750 in London von John Tyther.Zielinstrument: AltblockflöteErwähnte Griffe für die 3. Oktave: fis3–as3 (Seite 1und 4)

Pablo Minguet y IrolReglas, y advertencias generales que ensenan elmodo de tañer todos los instrumentos mejores, ymas usuales. Gedruckt 1754 in Madrid von Johachin Ibarra. Zielinstrument: AltblockflöteErwähnte Griffe für die 3. Oktave: fis3–c4 (Griffta-belle)

The Compleat Flute-Master Containing the Bestand Easiest Rules to Learn that Favorite Instru-ment. Gedruckt ca. 1760 in London von Thomas Ben-nett.Zielinstrument: AltblockflöteErwähnte Griffe für die 3. Oktave: fis3–as3 (Griffta-belle)

Pater Ferdinand von Everard (?)Principes pour la flute. P.F.E. 1770.Manuskript von 1770, erhalten im Stift Melk.Zielinstrument: AltblockflöteErwähnte Griffe für die 3. Oktave: fis3, g3, a3 (Griff-tabelle)

Joos Verschuere Reynvaan (1739–1809)Muzijkaal kunst-woordenboek: Plaat 18, alsSchaale voor de Bekfluit.Gedruckt 1795 in Amsterdam von WouterBraue.Zielinstrument: AltblockflöteErwähnte Griffe für die 3. Oktave: fis3–h3 (Griffta-belle)

Johann Joseph Klein (1740–1823) Lehrbuch der theoretischen Musik in systemati-scher Ordnung. Gedruckt 1801 in Leipzig und Gera von WilhelmHeinsius.Zielinstrument: Flauto piccolo (Sopraninoblock-flöte in f2)Erwähnte Griffe für die 3. Oktave: Notiert fis3, g3

(Grifftabelle)

Griffe für fis3 und ges3 in ausgewählten historischen Grifftabellen (Alt in F)

Blockflöte in C: Griffe für cis3/des3 (notiert) analog

Die meisten Griffvorschläge für diesen Tonverbindet prinzipiell, dass sie Varianten desin den dritten Oberton überblasenen Grund-tons darstellen. Denn, wie leicht experimen-tell ausprobiert werden kann, ändern diegeöffneten Tonlöcher in diesem Überblasbe-reich wenig an der Tonhöhe und sind nur fürdie Stabilität der Note zuständig.Gemäß Naturtonreihe müsste hier eigent-lich theoretisch die reine Doppeloktaveerklingen. Der hierfür verantwortliche Teil-ton fällt aber gemäß der historischen Tabel-len rund einen Halbton zu hoch aus. DieseInkonsequenz machte man sich offenbarzunutze. So produziert hier das Überblasenin den dritten Oberton über f1 also relativ einfis3.

Damit war ein Abdecken des Schalllochs –wie heute üblich – nicht nötig. Tatsächlichwird diese Technik genauso wenig im 18.Jahrhundert erwähnt, wie im 19. Jahrhun-dert. 5

Wie die Quellen zeigen, beruht im Spätba-rock auch das Spielen von a3 auf einem ver-gleichbaren Prinzip.

Auswahl von Beispielen verschiedener Griffefür a3 in historischen Grifftabellen (Alt in F):

22

von Nik Tarasov

Historische Spielpraxis

Windkanal 2008 -2

Quelle/Datum Griff für fis3 / ges3

Loulié (zwischen ca.1680 bis vor 1702)

Douwes (1699) Stanesby jr. (1732 ?)

Majer (1732)Stanesby jr. (1732 ?)Tyther (ca. 1750) Minguet (1754), Reynvaan (1795)

Berlin (1744)

Reynvaan (1795)

Klein (1801)

Quelle / Datum Griffbild für a3

Majer (1732), Reynvaan (1795)

Berlin (1744)

Naturtonreiheüber dem Ton f1

Grundton

1.

2.

3.

4.

5.Teilton

1

Page 21: FransBrüggen - Windkanal

Fast alle Griffvarianten beruhen auf demzweiten Überblaston über d2. Ist der zweiteTeilton der Naturtonreihe über einer Notegestimmt, erklingt die Duodezime. Diesscheint bei den Instrumenten tatsächlichder Fall gewesen zu sein – jedenfalls, wennman den besagten Grifftabellen des Spätba-rock und für den Csakan Glauben schenkt.Auf heutigen Kopien ist diese so hervorge-brachte Note allerdings etwas zu tief, sodass wieder ersatzweise das Schalllochbemüht werden muss.

Die SpieltechnikDas Prinzip des gezielten Überblasens inverschiedene Teiltöne der Naturtonreiheüber einem Ton (respektive einem Griff)war den zeitgenössischen Bläserfachleutensicher seit langem bekannt. Zwar ohne kon-kret beschrieben zu werden, vermittelt sichdies durch die in Silvestro Ganassis Opera

Intitulata Fontegara (Venedig, 1535) abge-druckten Grifftabellen. Die erste systemati-sche und praktisch angewendete Darstel-lung der Zusammenhänge scheint CharlesDelusse in seinen Six sonates pour la flûte

traversiere avec une tablature des sons har-

moniques op. 1 (Paris, 1751) unter die Leutegebracht zu haben. Bis zu fünf reingestimmte Teiltöne (sons harmoniques)

über einem jeweiligen Grundton (genera-

teur/son fondamental) werden hier zumEinsatz gebracht. Recht anschaulich be-schreibt Delusse dies später auch in seiner1761 erschienenen Querflötenschule L’Art

de la Flute Traversiere.

Bild Tablure des ... aus Datei:

Erzielt werden sie – ohne, dass dies zurSprache kommt – mit Hilfe eines entspre-chend flexiblen Querflötenansatzes. DieseTechnik kann bei der Blockflöte natürlichnicht angewendet werden. Wie aber gelangtman dann von einem Grundgriff zu dessenverschiedenen Teiltönen? Verbal schweigen sich auch hier die Block-flötentexte des 18. Jahrhunderts weitge-hend aus. Loulié bemerkt – in einer aller-dings wieder ausgestrichenen Textstelle –zur Spielweise einiger Töne der drittenOktave lediglich, sie sollten „stark“ oder„sehr stark angeblasen werden“ (pousser

[très] fort). Dass dieses „Blasen mit derBrechstange“ weder effektiv noch ästhe-tisch für die Epoche repräsentativ gewesenist, erkennt man an einem ganz entschei-denden kleinen Hinweis in zwei der relevan-ten Grifftabellen. 6

Als neue Spieltechnik für Töne der drittenOktave fallen in Pablo Minguet y IrolsReglas, y advertencias generales (Madrid,

23

Hoch hinaus

Windkanal 2008 -2

�Naturtonreiheüber dem Ton d2

Grundton

1.

2.Teilton

Charles Delusse:

L’Art de la Flute Traversiere

(Paris, 1761), Seite 11.

Delusse bringt Überblas-

möglichkeiten bis zum 5.

rein gestimmten Partial-

ton.

Teildeckung von Ton-

löchern der linken

Hand: eine spezifische

Fingertechnik zum

Erreichen der Töne in

der dritten Oktave

1754) und im Manuskript Principes pour la

flute (1770) von P. F. E. (Pater Ferdinandvon Everard?) Teildeckungen von Tonlö-chern der oberen Hand auf. Während dieseTeildeckungen bei Everard bei jeder Note aneiner anderen Stelle sind, schafft Minguet yIrol hier sogar eine Art Systematik. ImBereich zwischen gis3 und c4 wird dies prak-tischerweise stets mit dem Zeigefinder derlinken Hand bewerkstelligt.

Griffe für Töne der 3. Oktave

P. F. E. (Pater Fredinand von Everard?), 1770fis3

g3

a3

Minguet y Irol, 1754ges3

a3

b3

h3

c4

Die Konsequenz dieser Grifftechnik ist,dass damit die Ansprache höherer Partialtö-ne erheblich erleichtert wird. Im Ganzenlässt sich feststellen: Während ein teilgeöffnetes Daumenlochdas Überblasen in den ersten Teilton, alsodie Oktave erleichtert, ermöglichen zusätz-lich ein oder mehrere teilweise geöffneteOberlöcher das Erreichen weiterer nächst-höherer Obertöne. Die unmittelbare Folgedieser Technik ist, dass Töne der drittenOktave nicht mehr forciert angeblasen wer-den müssen, sondern – je nach Instrument –relativ leicht ansprechen und sich klanglichhomogener ins Klangbild einpassen. Damitmanifestiert sich – vielleicht als Produkt desZeitalters der Aufklärung – doch noch eineetwas verborgene spezifische Spielweise

Fein gestrichelte Linien: in der Quelle nicht ein-deutig erkennbar bzw.nicht angegeben, aberselbstverständlich

2

Page 22: FransBrüggen - Windkanal

des Tonausschnitts in der dritten Oktave.Wer einmal Gelegenheit hat, diese Technikmit geeigneten Originalinstrumenten anden genannten Stücken auszuprobieren,dürfte dies leicht bestätigt finden. Wie dieErfahrung lehrt, weisen jedoch nicht allealten Blockflötenmodelle dieselben Eigen-schaften auf. Gegenwärtig wird diskutiert,dass sogar als Pärchen gebaute Blockflötenjeweils verschieden gestaltet sind. Im Allge-meinen wird es eine Aufgabe sein, entspre-chende Originale zu finden und diese gege-benenfalls mit neuer Zielsetzung nachzu-empfinden. 7

ExkursDiese Spielweise stellt beileibe keine Rand-erscheinung dar und fiel auch nicht zufälligvom Himmel. Vor allem im Zusammenhangmit der Spieltechnik anderer Instrumentewird deutlich, dass sie sich vielmehr alsroter Faden durch die Holzbläsertechnikzieht. Spätbarocke Oboen-Grifftabellen wei-sen ebenfalls die vergleichbare Technik desTeildeckens mit dem linken Zeigefinger auf,um die Ansprache zu Beginn der drittenOktave zu erleichtern, so etwa die Gamme

du Hautbois in Michel Correttes Méthode

raisonnée pour apprendre aisément à jouer

de la Flûtte Traversière (Paris, 1773), oderArmand Vanderhagens Méthode nouvelle et

raisonnée pour le hautbois (Paris, ca. 1792). Auch alle klassischen Oboenschulen setzendies fort, bis eventuell in Paris in den Trie-bert-Werkstätten und vermutlich in den1830er Jahren das Teildecken an derselbenStelle über eine Halbloch-Klappe sukzessivemechanisiert wurde. Auch beim Fagott wer-den die Oktavübergänge bis heute ebensoüber Teildeckung des linken Zeigefingerserleichtert, wie dies in den historischenFagottschulen beschrieben ist.Auf der Hand liegt, dass Solisten, die glei-chermaßen bekannt für ihr meisterlichesOboen- und Blockflötenspiel waren, brauch-bare Spieltechniken von einem auf dasandere Instrument adaptierten – so etwaJohann Michael Böhm (ca. 1685 – nach1753), Giuseppe Sammartini (1695–1750)oder Ernest Krähmer (1795–1837). Letzt-genannter verwendete in Wien ab 1821 beider weiterentwickelten Csakan-Blockflöteebenfalls für alle Töne der dritten Oktavekonsequent die Teildeckung des kleinen Fin-

gers. Dieses Prinzip taucht ansatzweisenoch in Ernesto Köhlers Czakanschule auf,welche in Leipzig ab 1886 publiziert wurdeund sich eindeutig an Amateure richtet.Noch in L. Barths Neuer theoretisch-prakti-

scher Schule für Czakan oder Flageolet,

herausgegeben in Berlin um 1900, kommtdas Teildecken mit dem Zeigefinger bei denso genannten Whistle-artigen Czakan-Schulflöten zur Anwendung. Nach einer Pause taucht die Technikschließlich seit den 1990er Jahren wiederauf: Nunmehr komplett systematisiert fürdie linke Hand, wird sie unabdingbar, umbei den Harmonischen Blockflöten aufneuer Mensurbasis das Spielen der drittenOktave komplett ausschöpfen zu können.

FazitSeit spätestens dem Spätbarock laufen beider dritten Oktave offenbar vermehrte spiel-technische Bestrebungen mehr oder minderin eine Richtung: In einer Kombination ausDaumen- und Oberloch-Teildeckung sowiedifferenziertem Obertonblasen sollen dieheiklen höchsten Töne so sicher und homo-gen wie möglich spielbar gemacht werden.Eine Tendenz zunehmender Systematik istsowohl beim Greifen als auch beim Blasenerkennbar. Klar ist, dass solche Technikennur sinnvoll zur Anwendung kommen kön-nen, wenn man darauf abgestimmte Instru-mente zur Hand hat. Entsprechenden Ori-ginalen nachzuspüren würde sich lohnen.Wie wir gesehen haben, bot diese Entwick-lung ambitionierten Komponisten imHochbarock zusätzlichen Anreiz, in einigenanspruchvollen Werken den Ausdruck zusteigern. Andererseits erlaubte es auch dieBewältigung von Stücken, welche für ande-re Instrumente mit vergleichsweise größe-rem Tonumfang geschriebenen wurden. Soberichtet der deutsche Übersetzer vonCharles Burneys Tagebuch einer musikali-

schen Reise (Hamburg 1772/1773) voneinem Konzertmeister Stolze im „goldnenZeitalter der Braunschweigischen Kapelle“.Dieser „ließ sich eine grosse Flaut a becmachen, deren tiefster Ton D war, wie dieFleuttraversire.“ Darauf „machte er her-nach alles, was nur rührend oder auchschwer für die Traversiere gesetzt war.“ 8

Wie wir sehen, hält die Vergangenheit nochmanche Perspektive für uns bereit.

Anmerkungen 1 Peter Thalheimer: Beobachtungen zum

Überblasverhalten von Blockflöten – Alte Bauprinzipien als Ausgangspunkt für neue Instrumente? In: Tibia 1/1995.

2 Nik Tarasov: Harmonische Blockflöten. In:Windkanal 2004-2.

3 «Il n’y a point de Fa Diézis en haut.» Jacques-Martin Hotteterre-le-Romain: Prin-cipes de la flute traversière, ou flute d'Alle-magne, de la flute à bec ou flute douce, et du haut-bois divizez par traitez. Paris, Chr. Bal-lard, 1707. Chapitre II, Explication de la pre-miere Planche sur tous les Tons. Seite 40.

4 «Sons peu en usage sur la flûte ou qui montent au dessus de son étendue ordi-naire» Étienne Loulié : Méthode pour apprendre à jouer de la flûte douce. Manuskript, Erste Fassung 1680er Jahre / Erweiterung und Revision 1701 oder 1702, Fol. 203 b.

5 Fünf der zwischen 1806 und 1860 publi-zierten Blockflöten-Grifftabellen kennen ebenfalls einen relevanten Griff für den Halbton über zwei Oktaven. Vier dieser sichan eine traditionelle Blockflöte richtenden Tabellen erschienen übrigens in Amerika. Nach 1810 wird diese Note in sämtlichen Grifftabellen der neuen Csakan-Blockflöte ganz selbstverständlich aufgeführt.

6 Genau genommen war schon Loulié um1700 selbst dabei, den Weg in die Zukunft zu ebnen: Bei den Tönen h3 und c4 ist eine zusätzliche Teildeckung auf einem Ober-loch zu sehen. Die allerdings wieder ausge-strichenen Griffe finden sich in seinem Manuskript auf Fol. 203.

7 Ein erster Anstoß dazu findet sich im Arti-kel Flauti dolci bolognesi II in Windkanal2004-4 und in der Online-Ausgabe zu der-selben Ausgabe: www.windkanal.de, unter „Zusatzmaterial“.

8 Charles Burney, Tagebuch einer musikali-schen Reise, vollständige Ausgabe, Ham-burg 1772/1773, Reprint Bärenreiter Kassel,2003. III. Musikalische Reise durch Böhmen,Sachsen, Brandenburg, Hamburg und Hol-land, 177, Kapitel „Ergänzungen“, Fußnote auf 260 f.

Dieser Beitrag wurde erstmals am 20. April 2008 anlässlich der Tagung „Originale KlängeII – Barocken Blockflöten auf der Spur“ an derSchola Cantorum Basiliensis vorgestellt.

24

von Nik Tarasov

Historische Spielpraxis

Windkanal 2008 -2

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26 Windkanal 2008 -2

Der unerwartete Fund einer von der Fach-welt bislang unbeachteten Informations-quelle wirft neues Licht auf die Blockflöten-kultur: ein Buch von Johann Joseph Klein(1740–1823). Dieser veröffentlichte 1800zunächst in Offenbach am Main sein Lehr-

buch der theoretischen Musik in systemati-

scher Ordnung, in welchem allerdingsnichts über Instrumente im Allgemeinen zuerfahren ist. Jedoch schon im folgendenJahr, also 1801, erschien das Werk noch-mals in Leipzig und Gera beim Verlag vonWilhelm Heinsius um einige Kapitel erwei-tert. Hier erfahren wir nun bei den jeweilseinzeln beschriebenen Instrumenten unver-hofft auch etwas über Blockflöten. DieserText ist so detailliert, dass wir die Buchsei-ten 106 bis 107 vollständig wiedergeben,um sie im Anschluss zu kommentieren.

Zweytes Kapitel. Von den Flöten-instrumenten.

§ 233.

Die rechten Flöten haben vorn, wo sie ange-

blasen werden, eine enge und schmale Oeff-

nung, von welcher in schiefer Richtung der

Kern nach dem Ausschnitte zugehet, und mit

dessen vordern geradlinigren Seite eine

schmale Ritze bildet, durch welche der vorn

hineinblasende Wind sich an der am andern

Ende des Aufschnitts befindlichen scharfen

Ecke schneidet, und dann weiter in die

darauf folgende enge und lange Röhre fort-

geht, welche mit mehrern runden Löchern

versehen ist. Durch das Bedecken oder Oeff-

nen dieser, Löcher, welches mit den Finger-

spitzen geschieht, werden die verschiedenen

Töne, deren ein solches Instrument fähig ist,

hervorgebracht.

§ 234.

Je länger oder kürzer und nach Verhältnis je

weiter oder enger die Röhre ist, auf welcher

vermittelst Oeffnung oder Bede-

ckung der darauf befindlichen

Löcher mit den Fingern die verschie-

denen Töne hervorgebracht werden, um

desto tiefer oder höher ist der Umfang

solcher Töne. Man hat also Flöten von ver-

schiedener Höhe und Tiefe, deren jede zwey

volle Octaven angiebt, als 1) die Discantflöte

gehet von c1 bis c3; 2) die Altflöte von f bis f3;

die Tenorflöte von c bis c2 und 4) die Baßflöte

oder der Flötenbaß von F bis f1. Ingleichen

hat man noch 5) die kleine Flöte, Flauto pic-

colo, die noch um eine Quarte höher geht als

die Discantflöte.

§ 235.

Diese Flöte, welche auch Flaute douce oder

die stille Flöte genannt wird, hat acht Löcher,

davon sechs oben in einer Reihe, das siebente

etwas seitwärts und das achte oder das

Daumloch unten auf der entgegengesetzten

Seite befindlich ist. Die Griffe, durch welche

die verschiedenen Töne nach der Reihe her-

vorgebracht werden, oder die Applicatur, ist

in dem Schema Tab. V. Fig. 1 angegeben, in

welchem die ausgefüllten Löcher bedeckt, die

leeren offen gelassen, die halbleeren nur

halbgedeckt oder geknippen werden. Die

Applicatur der Piccoloflöte aber Tab. IV. Fig. 2.

§ 236.

Diese Art von Flöten braucht die wenigste

Luft unter allen blasenden Instrumenten,

und kann leicht überblasen werden, daher

sie auch von jedem, sogar von Kindern ohne

Gefahr der Gesundheit erlernt und getrieben

werden kann.

§ 237.

Die Erfindung dieser Art von Flöten verliert

sich im grauen Alterthum, und es haben

bereits die Hebräer dergleichen gehabt.

Ingleichen war sie bey den Griechen gewöhn-

lich, wo sie

nach den verschiede-

nen Völkern Griechenlands,

nach ihrer Anwendung, nach der

Hand, womit sie gespielt wurden, verschieden

war; auch hatte man Doppelflöten, wie man

von dem allen in Marpurgs kritischer Einlei-

tung in die Geschichte und Lehrsätze der

alten und neuen Musik umständlicher sich

unterrichten kann. Bey der heutigen Musik

werden diese Flöten wenig gebraucht und

also auch selten erlernt und getrieben.

AuswertungKlein erwähnt zunächst einen Blockflöten-satz von Sopran bis Bass in Quint- undQuartstimmung, so wie er auch heute wie-der gebräuchlich ist. Der Tonumfang allerGrößen wird mit zwei Oktaven angegeben.Darüber hinaus kommt noch die Soprani-noblockflöte zur Sprache. Sie wird interes-santerweise als „kleine Flöte, Flauto piccolo“

bezeichnet. Der Gebrauch eines solchenSynonyms im Zusammenhang mit derBlockflöte mag verwundern, käme einemdabei doch um 1800 spontan eher eine klei-ne Querflöte in den Sinn. Wie in unseremBeitrag „Mozart und Blockflöte“ beschrie-ben (Windkanal 2007-1 und 2007-2), stehtKlein nicht allein da, wenn er das Flauto pic-colo mit der Blockflöte in Verbindungbringt. Auch Heinrich Christoph KochsMusikalisches Lexikon (Frankfurt, 1802)meint auf Seite 584: „Oft versteht man auchunter Flauto piccolo eine kleine Flöte à bec,die uns eine Oktave höher stehet.“ DieserMeinung folgt auch in den kommendenJahrzehnten noch manch andere Sekundär-literatur. Kleins Beschreibung ist in dieserHinsicht umso ausschlaggebender, als er imKapitel über „Queerflöten“ die Piccoloflöteüberhaupt nicht erwähnt! Dafür schreibt erin § 238: „Das Flageolet ist eine kleine Flöte

von Nik Tarasov

Historischer Quellentext

Ein unerwarteter FundBemerkenswerte Informationen und zwei Grifftabellen

zur Blockflöte fand Nik Tarasov in einem musik-

theoretischen Buch von Johann Joseph Klein aus dem

Jahr 1801.

Page 25: FransBrüggen - Windkanal

27Windkanal 2008 -2

von Buchsbaum, Elfenbein oder auch Silber,

mit vier oder auch wohl sechs vordern und

zwey Daumenlöchern. Man braucht sie sonst

wegen ihres hohen hervorstechenden Tons

bey der Musik, dafür man sich aber jetzt der

Piccoloflöte bedient und jene anwendet, den

Vögeln vorzupfeifen. Die Applicatur dessel-

ben siehe Tab. V. Fig. 2.“

Kontrolliert man nun im Anhang von KleinsBuch die entsprechende Grifftabelle für dasFlauto piccolo, stellt man fest, dass sieeinerseits nicht mit der „Flaute douce“Tabelle identisch ist, sondern ein eigensSchema benutzt. Trotzdem werden hierBlockflötengriffe abgebildet; die dazugehö-rigen Noten berücksichtigen sogar nochden französischen Violinschlüssel. Bemer-kenswert ist, dass die Grifftabelle des Flautopiccolo weitaus korrektere und mit älterenSchemata vergleichbare Griffbilder auf-weist, als die Abbildungen bei der „Flautedouce“. Das Spielen des Sopraninos scheint– in Form des Flauto piccolo – in gewisserWeise bei Liebhabern und Profis noch aktu-ell gewesen zu sein. Dass diese Instrumen-tengröße jedoch gar nicht mehr mit den tie-feren Blockflöten in Verbindung gebrachtwurde, mag heute verwundern, begegnetuns jedoch auch in anderen zeitgenössi-schen Quellen. Klein empfiehlt die „Flautedouce“ „ohne Gefahr sogar Kindern“. Ihrgegenüber ist der Tonumfang beim Sopra-nino mit einem Ganzton über zwei Oktavengeringfügig größer. Besonders auffallendist der Griff für den Halbton über zwei Okta-ven, welcher im Prinzip als erhöhte gegriffe-ne Doppeloktave zu funktionieren scheintund im Kontext anderer Tabellen ein Uni-kum darstellt.Als weiteres Schema ist in Kleins Anhangnoch eine Grifftabelle für ein traditionellesFlageolet im Tonraum von notiert d1–c3

abgebildet.Einen auf Blockflöten übertragbaren Pfle-getipp hält schließlich das Folgekapitel „Vonden Queerflöten“ § 244 auf den Seiten 108–109 bereit: „Damit aber auch durch die von

dem Athem sich etwa sammelnden Feuchtig-

keit das Holz nicht angegriffen werde und

verderbe, so ist nöthig, sie zuweilen mit Man-

delöl einzuschmieren.“

Wir danken der Musiksammlung der Österrei-chischen Nationalbibliothek für die Bereitstellungder Abbildungen.

Ein unerwarteter Fund

Anhang „Flaute douce“ und „Flageolet“ in Fig. 1 Tab. V. Bei der Blockflöte ungewöhnlich sind einige Griffvorschläge, sowie die layouttechnische Besonder-heit, dass das Daumenloch als 3. Loch leicht seitlich und tiefer gestellt abgebildet ist.

Anhang „Cornet oder Zink“ sowie „Flauto piccolo“ in Fig. 2 Tab. IV. Letzteres ist im französischen Violinschlüssel notiert von f1-g3. Der G-Schlüssel ist allerdingsfehlerhaft gesetzt – ein in alten Drucken nicht seltener Lapsus!

Johann Joseph Klein: Lehrbuch der theoretischen Musik in systematischer Ordnung(Leipzig u. Gera: Wilhelm Heinsius, 1801)

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28 Windkanal 2008 -2

von Gisela Rothe

Praxis Blockflötenunterricht

Es war an einem wunderschönen Frühlingstag. Die Sonne schien end-lich wieder etwas wärmer und es zwitscherte und sang, dass es nur soeine Lust war. Das waren die kleinen Meisen, die im Kirschbaum saßen und sich freu-ten, dass es nun wieder Frühling wurde.

Doch o weh, eine große Gefahr drohte: Ein riesiger Raubvogel nähertesich, stürzte auf sie nieder und wollte eine von ihnen fangen!

Gab das einen Schreck! Mit großem Geflattere flog der ganze Meisenschwarm auf.

Doch so sehr sie sich auch ängstigten – die kleinen Meisen waren tap-fer und ließen sich nicht in die Flucht schlagen. Mutig begannen sie, den Raubvogel zu verfolgen.Immer wieder stürzten sie sich mit heftigem, lauten Piepsen und Flat-tern auf ihn. Immer wieder griffen sie ihn mit ihren kleinen Schnäbelnan, bis es ihm zu viel wurde und er endlich die Flucht ergriff.

Die Meisen aber verfolgten ihn noch eine Weile, bis er in der Ferne ver-schwunden war.

Allmählich beruhigten sich die aufgeregten Meisen wieder und san-gen froh ihr Meisenlied:

Erzählt die Meisengeschichte mit euren Flöten!Einzige Spielregel: Alle Finger machen mit – nur der linke Daumenhat „Urlaub“. Er hängt locker herab und stützt sich nicht etwa am Flötenrohr ab. Überlegt gemeinsam, wie sich die einzelnen Teile der Geschichteso gestalten lassen, dass sie sich deutlich voneinander unterschei-den. Übt die Klanggeschichte so, dass der Text nur vorneweg und nichtgleichzeitig verlesen wird: Wenn eure Klänge wirklich deutlichgestaltet sind, wird man die Geschichte auch so verfolgen können!

Klanggeschichten im Blockflötenunterricht 2. Teil – Ein Praxis-Beispiel

Die Meisen zwitschernEinzelne Töne oder kleine Triller mitbeliebigen Fingern.Kleine unregelmäßige Pausen; nichtzu viele Meisen gleichzeitig.

Die erschreckten Meisen flattern Mit allen Fingern (außer linkem Dau-men) auf den Tonlöchern tanzen.Ohne Zungenstoß – leise beginnen,schnell lauter werden.

Der RaubvogelSehr laute und lange Töne, die plötz-lich leiser werden; mit sehr scharferZunge anstoßen; dazu möglichst lautund tief in die Flöte brummen.

Die Meisen verfolgen den RaubvogelWie Raubvogel, aber höhere unddeutllich kürzere Klänge ohne Stim-me. Die Pausen zwischen den Klän-gen sind kürzer als beim Raubvogel.

Nachdem Gisela Rothe im 1. Teil ihres Beitrages (Windkanal 2008-1) den gedanklichen Hin-

tergrund der Beschäftigung mit Klanggeschichten im Blockflötenunterricht beleuchtete, soll es

nun um ein konkretes Beispiel gehen.

Eine kleine Geschichte ist der Ausgangspunkt – und doch geht es dabei um ein zentrales An-

liegen, wie es schon bei J. J. Quantz beschrieben wird: um die Darstellung von Affekten und

„Leidenschaften in der Musik“ ...

Aus: Blockflötensprache und Klanggeschichten – Schule für die Sopranblockflötevon Gisela Rothe und Christa Rahlf. Schule 1, Bärenreiter & Mollenhauer 1997

W i e d i e t a p f e r e n M e i s e n d e n R a u b v o g e l v e r j a g t e n

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29Windkanal 2008 -2

Klanggeschichten im Blockflötenunterricht

recht schnell, dass das Zwitschern auf dieseWeise leicht wie ein Dauerregen klingt. Alsomüssen wir vor allem die (auch in der Nota-tion erkennbaren) Pausen zwischen demeinzelnen Gezwitscher üben. Es erweist sichhier wieder, wie so oft: „Die Pausen sind dasWichtigste – und das Schwierigste ...“ Es ist gar nicht so einfach auszuloten, wielange diese erste Phase dauern soll: langegenug, um die friedliche, ruhige Stimmungdarzustellen – aber auch nicht so lange, dasssich Langeweile einstellt. Auch die verschiedenartigen „Stimmen“der Meisen sollten unterscheidbar sein(dynamische oder auch Tonhöhenunter-schiede). Hilfreich ist es, wenn regelrechtRollen verteilt werden, auf Personen, diesich unterhalten: der große Meisenvater, dieMutter, drei Kinder, der Onkel, die Nachba-rin usw.

Das plötzliche Auftauchen des Raubvogels

steht im krassen Gegensatz zu dieser Stim-mung. Die Angst und der Schrecken, die derRaubvogel unter den Meisen verbreitet unddie dazu passenden, regelrecht brutalenKlänge erfordern einen Einsatz des ganzenKörpers: Es ist undenkbar, gemütlich aufdem Stuhl zurückgelehnt oder auch ver-

schüchtert und in sich gekehrt eine derarti-ge Rolle darzustellen! Nicht jedes Kind istvon seiner Person her zu dieser Schauspiele-rei schon in der Lage. Wir sollten deshalbausprobieren, bei welchem Kind die Dar-stellung am besten gelingt und ihm danndiese Rolle übertragen. Dabei kann mögli-cherweise der „Oberrabauke“ in der Grup-pe die Chance erhalten, sein Temperamentauf konstruktive Weise in die Arbeit einzu-bringen ... Die in der Notation dargestelltenKlänge symbolisieren die Bewegung desRaubvogels, der versucht, eine der Meisenzu ergreifen. Also bitte darauf achten, dassdas plötzliche Decrescendo im Klang auchwirklich zur Geltung kommt. Damit der„Einsatz“ des Raubvogels überhaupt hör-bar wird, muss die Dynamik der Meisen-gruppe zu diesem Zeitpunkt gut ausgelotetwerden. Hier verfahren wir nicht anders alsbei einem mehrstimmigen Ensemblestück:Beim wichtigen thematischen Einsatz einerneuen Stimme bereiten die anderen Stim-men diesen Einsatz vor und halten sich imentsprechenden Moment zurück. Das kannin unserem Fall geschehen, indem zu die-sem Zeitpunkt wirklich nur eine Meise zwit-schert und der Raubvogel ihr geradezu „insWort fällt“.

Im Rahmen der Blockflötenschule1, derunser Beispiel entnommen ist, gehört die„Meisengeschichte“ zu den Klanggeschich-ten mit relativ festen und ausführlichen Vor-gaben. Vorgegeben sind: das Thema; dieausformulierte Geschichte mit einerBeschreibung der vorherrschenden „Affek-te“; die Klangereignisse mit ihrer Notationund Hinweise zur Spielweise. Die Gestal-tungsaufgabe besteht vor allem in der Dar-stellung von plötzlich eintretenden Stim-mungsgegensätzen: Stille – Angriff –Erschrecken – Verfolgung – Beruhigung.Dies erfordert von den Mitspielern guteReaktion und ein schnelles „Umschalten“,um den Stimmungsgehalt der verschiede-nen Situationen überzeugend darzustellen.

Die Meisen im Kirschbaum: Kennzeichnendfür den Beginn der „Meisengeschichte“ istdie friedvolle und heitere Stille des Früh-lingstages. Die Darstellung dieser Stim-mung sollte sorgfältig herausgearbeitetwerden! Schwierigkeiten entstehen vorallem in größeren Gruppen häufig dadurch,dass zu viel und zu andauernd „gezwit-schert“ wird. Die Kinder erkennen bei ent-sprechendem Hinweis oder mit Hilfe einerAufnahme mit Kassettenrecorder jedoch

»Kennzeichnend für den Beginn

der „Meisengeschichte“ ist die fried-

volle und heitere Stille des Früh-

lingstages. Die Darstellung dieser

Stimmung sollte sorgfältig heraus-

gearbeitet werden!«

Page 28: FransBrüggen - Windkanal

30

von Gisela Rothe

Praxis Blockflötenunterricht

Windkanal 2008 -2

Die erschreckten Meisen: Jetzt kommt allesauf ein gutes „timing“ an: Nach einer mini-malen Schrecksekunde, die auf das Erschei-nen des Raubvogels folgen kann, fliegen dieMeisen im schnellen Crescendo auf. Ist diePause zu lang oder das Crescendo zu lahm,dann fehlt der Situation der Schwung.Damit nun die Verfolgungsjagd zwischenMeisen und Raubvogel hörbar wird, solltedas „Geflattere“ jedoch schnell wieder ver-stummen oder zumindest zurückgenom-men werden. Verfolgungsjagd: Auch hier ist wieder das„timing“ und das Ausloten der Dynamikwichtig: die breiten, dunklen Klänge desRaubvogels und demgegenüber die hekti-schen, aufgeregten der Meisen. Oftmalsverfallen Schüler bei solch abwechselndenKlängen in ein fast gleichmäßiges Metrum– und dabei ist doch gerade die Unregelmä-ßigkeit und Unberechenbarkeit das Span-nende! Das Decrescendo, wodurch das Ver-schwinden des Raubvogels dargestellt wird,lässt sich von Seiten des Lehrers optischunterstützen: Mit beiden Händen zeigen wireine große „Klangmenge“ an, die sich, jemehr der Klang abnehmen soll, kontinuier-lich verringert, bis die Hände schließlichaufeinanderliegen.

NotationDie Klangereignisse sind in unserem Bei-spiel im Hinblick auf alle drei Informations-ebenen festgelegt: die Notation der Klänge,die Spielanweisung und die Zuordnung zuden entsprechenden „Rollen“ innerhalb derKlanggeschichte: „Zwitschern“, „Raubvo-gel“ usw. (Zu den drei Informationsebenen:siehe Teil 1 dieses Beitrages in Windkanal

2008-1) Wenn wir die vorgegebene Notation bei derGestaltung verwenden, sollten die Zeichenund Angaben wie bei einer „echten“ Notati-on Neuer Musik genau nach ihrem Informa-tionsgehalt befragt und mit Hilfe der Spiel-anweisung möglichst exakt umgesetzt wer-den: Was legen die Zeichen bzw. die Spiel-anweisung fest – was lassen sie offen?Auch wenn wir ein anderes Vorgehen wäh-len und mit den Schülern eigene Klanger-eignisse und Notationen entwickeln, helfendiese Fragen immer wieder zu überprüfen,ob unsere Notation wirklich aussagekräftigist. Sobald die Spieltechniken eingeübt und ver-

innerlicht sind, wird die Notation überflüs-sig – nun wird die Gestaltung ausschließlichfrei improvisiert. Das gilt auch für dieGeschichte. Sie dient dazu, den äußerenRahmen, den zeitlichen Ablauf und denStimmungsgehalt zu vermitteln. Wenn die-se Aufgabe erfüllt ist, tritt sie in den Hinter-grund: Es geht um die spannende Improvi-

sation einer Klanggestaltung und nicht umein Hörspiel, in dem der Erzähler wichtigerals die Begleitmusik ist!

Aspekte der SpieltechnikHaltung/Finger: Die „Meisengeschichte“steht innerhalb unserer Blockflötenschule,der sie entnommen ist, als eine der erstenKlanggeschichten und fällt in eine Zeit, inder im Hinblick auf technische ProblemeÜbungen zur ausbalancierten Haltung desInstrumentes im Vordergrund stehen. „Derlinke Daumen hat Urlaub“ – so nennen wirdiese Phase, in der für einen längeren Zeit-raum alle Finger einbezogen werden, mitAusnahme des linken Daumens. Dies hatzum Ziel, eine sichere Balance des Instru-mentes zu erreichen, ohne dass der linkeDaumen Haltefunktion übernimmt. (Vordiesem Hintergrund ist auch die Vermitt-lung der Töne e2 und cis2 zu verstehen, die zudiesem Zeitpunkt bereits erarbeitet wur-den.)Bei einem Beginn mit anderen Tönen kannder Lehrer ohne weiteres das „Meisenlied“auf andere, den Schülern bekannte Töneübertragen. Aber auch dann – oder geradedann – sollte die Klanggeschichte nach der„Linker-Daumen-hat-Urlaub“-Spielregelgestaltet werden: Sie ist eine gute Gelegen-heit, die Balance des Instrumentes auf spie-lerische Weise zu üben. Es ist auch denkbar,die „Meisengeschichte“ ganz an denAnfang des Unterrichtes zu stellen, nochbevor überhaupt bestimmte Griffe erarbei-tet wurden. In diesem Fall wird das „Mei-senlied“ dann lediglich gesungen.

Atmung / Tonbildung: Während in der tradi-tionellen Musik nur ein relativ enger dyna-mischer Bereich „erlaubt“ ist, werden hierdynamische Unterschiede von Pianissimo(Zwitschern) bis Fortissimo (Raubvogel)verlangt. Vor allem für Anfänger ist es nichteinfach, dieses große Spektrum zu wagen,das zugleich hilft, insgesamt bewusster unddifferenzierter mit dem Atem umzugehen.

Sorgfältig muss am plötzlichen Decrescen-do einzelner Klänge (Raubvogel, Meisen)und am Crescendo der gesamten Gruppe(Flattern) gearbeitet werden – beides ele-mentare Übungen zur kontrollierten Ton-führung.

Artikulation: Als Gegensatz zu der im tradi-tionellen Bereich zunächst geforderten wei-chen Artikulation („dü“) ist es wichtig, aucheinmal Extreme zu erfahren, wie bei dersehr scharfen Artikulation der Klänge„Raubvogel“ und „Meisen verfolgen denRaubvogel“. Als Kontrast hierzu steht daszarte Zwitschern der Meisen, wozu einbesonders weicher Zungenstoß passt.

AusblickIm Früherziehungsbereich haben Klangge-schichten und experimentelle Gestaltungenlängst ihren festen Platz – und dennochscheuen sich immer noch viele Blockflöten-lehrer/innen, Klanggeschichten in ihrenUnterricht einzubauen: „Ich würde ja gerne– habe aber Angst, etwas falsch zu machen !“Dabei ist der erste Schritt gar nicht so groß.Ausgehend von einer einfachen Geschichte,wie zum Beispiel unserer „Meisengeschich-te“, ergeben sich die nächsten Schrittemeist leichter als gedacht. Der Nutzen liegtauf der Hand: Die experimentellen Techni-ken und der große Gestaltungsspielraumermöglichen es den Schülern, ihre musikali-schen Gestaltungsfähigkeiten in einerIntensität auszuleben, wie ihnen dies imBereich der traditionellen Musik erst aufeinem viel späteren Niveau möglich ist.Noch lange bevor sie die verfeinerten Tech-niken ihres Instrumentes beherrschen, kön-nen sie sich so schon auf eine fruchtbareSuche begeben nach den musikalischen Ele-menten, die eine gelungene musikalischeGestaltung ausmachen. Die Geschichte isthierfür die Grundlage, die zum musikali-schen Erzählen und Fabulieren anregt.

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31Windkanal 2008 -2

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Page 30: FransBrüggen - Windkanal

32 Windkanal 2008 -2

Basel, 19./20. April 2008Erfreulich viele Zuhörer – darunter erfahre-ne Blockflötenlehrer, Studenten, erfolgrei-che Blockflötisten, Musikwissenschaftlersowie Blockflötenbauer – fanden sich in denRäumlichkeiten der Musikakademie Baselmit großer Neugierde ein. Geplant und ein-geladen hatten die Dozenten Kathrin Boppund Conrad Steinmann. „… und immer besser?“ so die Frage desNürnberger Musikers und Musikwissen-schaftlers Peter Thalheimer im ersten Vor-trag des Symposiums. Er machte auf ver-schiedene Stimmtonhöhen, Griffweisen,Schwankungen in Intonation und Ausgegli-chenheit des Klanges bei originalen Instru-menten aufmerksam. Er wünschte, dasssich eine Rückbesinnung auf ursprünglicheBlockflötenklänge entwickelt, sowohl vonSeiten der Instrumentenbauer als auch derSpieler. Wie einzigartig originale Flötenklingen können, demonstrierte er eindrück-lich zusammen mit dem Lautenisten JulianBehr auf zwei Blockflöten aus dem 17. undfrühen 18. Jahrhundert. Dr. Tom Lerch vom Musikinstrumenten-Museum Berlin zeigte verschiedene Wei-sen, sich dem originalen Klang anzunähern.Bei praktischen Versuchen auf Original-instrumenten entsteht der Konflikt zwi-schen einer Beschädigung des Originalsund dem erhofften Erkenntnisgewinn.Durch einen von mehreren Fachleuten erar-beiteten Kriterienkatalog kann ermitteltwerden, ob und wie lange Originalinstru-mente angespielt werden dürfen. Trotzdemwürde es bei einer längeren Spieldauer als30 Sekunden kritisch. Schließlich könntenoriginalgetreue Reproduktionen – mit Hilfemodernster Verfahren wie der 3D-Compun-tertomographie – dem ursprünglichenKlang sehr nahe kommen. Taavi-Mats Utt, aus Estland, ging als Prakti-ker genauer auf frühbarocke Flöten ein.Zunächst zeigte er Abbildungen einiger his-torischer Instrumente, auch Details inGroßaufnahmen. So kann beispielsweise

der Block am Ende etwas angeschrägt sein(Fase). Er habe bei frühbarocken Flötenrecht wenig bis gar keine Fase beobachtet,was bei heutigen Kopien leider kaumberücksichtigt wird. Bei praktischen Versu-chen mit drei anwesenden Spielerinnenwurde deutlich, dass eine originale wie aucheine nachgebaute Flöte bei jedem Bläseranders klingen kann.„Prima la musica“! Michael Form (Bern)begann sein Referat über das vernachlässig-te Originalrepertoire des Hochbarock: Miteiner brillant musizierten Loeillet-Sonateüberraschte er das Fachpublikum. Stellver-tretend wählte Form einen genaueren Über-blick über das Repertoire des italienischenSeicento sowie der französischen Instru-mentalmusik vor 1700. Frans BrüggensThese „Das Original-Repertoire ist zumager für ein Musikerleben“ fand seineklingende Bestätigung im Vortrag einerViolinsonate von Corelli in A-Dur, gespieltin C-Dur. Zuvor war per CD-Einspielungmit demselben Stück die Interpretation sei-nes Idols F. Brüggen in G-Dur zu hören. Prisma heißt das Computerprogramm zurVisualisierung von Klängen, vorgestellt inder Theorie von Franz Bachmann, Mathe-matiker, und in der praktischen Demonstra-tion von Hans-Christoph Maier, Musiker

und Elektroingenieur. Statt sich auf Begriffewie „rund, scharf, warm, erdig, grundtönigusw.“ verlassen zu müssen, kann der Spielerbei diesem Programm seinen Klang in Echt-zeit mit beliebig vielen Wiederholungen bishin zu einzelnen Tönen auf dem Bildschirmbetrachten. Sichtbar werden dabei die Ton-höhe und vor allem die genaue Oberton-struktur. Eine interessante, unterhaltsameund humorvolle Performance! Mit einem Vortrag von Dr. Martin Kirnbau-er, Leiter des Basler Musikmuseums, be-gann der Sonntag vor Ort. Thema war vorallem die Problematik des Spielens von Ori-ginalflöten, von denen einige unter striktemSpielverbot und nur vorsichtig mit weißenHandschuhen vorgezeigt wurden. AlteInstrumente haben eine lange Geschichte,die aber oft auch durch Alterungsprozesse,Umgestaltungen oder Reparaturen denKlang bereits verändert hat. Kirnbauer fragtedarum provokativ, ob es sinnvoll ist, auf soeinem Instrument zu spielen und es damitklanglich noch weiter vom Original zu ent-fernen. Gelungene Rekonstruktionen wärenvielleicht klanglich näher am barockenInstrument als einige der erhaltenen Origi-nale selbst. Der Blockflötenbauer und Musiker GuidoM. Klemisch (Berlin) referierte über Block-

Kongresse, Symposien, Seminare

Nachlese

NachleseSchola Cantorum Basiliensis: Barocken Blockflöten auf der Spur

Eine „quicklebendige“ anonyme Altblock-

flöte aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhun-

derts, gespielt von Nik Tarasov. Fo

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flötentypen um 1700. Nach einer kurzenÜbersicht über historische Blockflötenbau-er Ende des 17. und Anfang des 18. Jahr-hunderts wurde den Zuhörern ein Einblickin die Sicht- und Arbeitsweise eines Instru-mentenmachers geboten. Klemisch sprachvon der Problematik der Spielart histori-scher Instrumente in Ansprache und Into-nation. Für Instrumentenbauer wie Spielersei es schwierig, zu künstlerisch befriedi-genden Ergebnissen zu kommen. Es wurdeklar, dass zur Herstellung einer Kopie, wieauch zum Spiel auf einem Original, sehr vielErfahrung nötig ist.„Hoch hinaus“: Zum historischen Spiel derTöne in der 3. Oktave referierte und de-monstrierte Nik Tarasov (Basel/Stuttgart)in zwei locker und witzig präsentierten Bei-trägen. Seine ungewöhnliche Vielseitigkeitals Sammler, Wissenschaftler, Autor undKünstler kam ihm dabei eindrucksvollzustatten. Spitzentöne seien heutzutageeher „unbeliebt, schwierig zu spielen,unausgeglichen und selten angenehm zuhören“. Einige Töne wie fis3 oder a3 sinddabei nur mit gutem Gleichgewichtssinndurch Abdecken des Schalllochs mit demKnie sauber zu spielen. Dass dies bei histo-rischen Flöten anders war, zeigten histori-sche Grifftabellen; Originalliteratur undSpielversuche auf den Originalen gaben dieBestätigung. Ein kleines Konzert Tarasovs auf fünf origi-nalen Blockflöten beschloss den Reigen derTagungsbeiträge. Von Telemanns F-Dur-Sonate, über eine Boismortier-Suite aufeiner Bressan-Voiceflute (wunderbare Ba-lance mit Lautenisten!), einer bezaubern-den Sarabande von Daniel Purcell (g-Flöte),einer Sonate von Louis Merci (b-Flöte), biszur reißerisch-naiven Polka auf einer„Schulflöte“ in c2 ging es dabei auch „hochhinaus“. „Die Einen spielen ausdauernd und selbst-verständlich auf Originalen, die Anderenlangen sie nur mit Glacéhandschuhen an“,fasste ein Besucher der Tagung treffendzusammen.

Eva Wehrli & Siegfried Busch

Studentinnen der Schola Cantorum Basi-liensis unternahmen im Februar 2008zusammen mit Conrad Steinmann undKathrin Bopp eine Exkursion nach Ams-terdam. Sie waren bei dem Blockflöten-Pionier Frans Brüggen zu Gast, der ihnenseine Sammlung originaler Blockflötenaus der Barockzeit vorstellte. Die Instru-mente lagen schon im Wohnzimmerbereit, welch ein Anblick! Im Gesprächmit Conrad Steinmann erzählte Brüggeneiniges über die Geschichten der Instru-mente und wie er in ihren Besitz gekom-men ist. Dann folgte der wohl für alle fas-zinierendste des Besuches: die EinladungBrüggens, auf den Instrumenten zu spie-len.

Mit großer Ehrfurcht erklangen dann,anfangs etwas scheu, später schon muti-ger, die historischen Instrumente in denHänden der Studentinnen und Dozenten.Dieser Augenblick wird mit Sicherheitjedem lange im Gedächtnis bleiben, ist esdoch heutzutage kaum mehr möglich, aufeinem originalen Instrument zu spielen.Darum möchten wir uns auch von Herzenbei Conrad Steinmann bedanken, der unsdiesen Besuch ermöglicht hat und natür-lich bei Frans Brüggen, dass er uns soselbstverständlich auf seinen Instrumen-ten spielen ließ und uns sehr liebenswür-dig aufnahm!

Eva Wehrli

Exkursion: Basel – AmsterdamAusflug zu Frans Brüggen und seiner Blockflötensammlung

„Die Blockflötensammlung von Frans Brüggen“als großformatiges Poster17 kostbare Blockflöten aus dem 18. Jahrhundert, die Geschichteschrieben: meisterhaft fotografiert und in ihrer originalen Größeabgebildet.Poster-Maße : 150 x 88,2 cm, Best.-Nr. 6185, im Fachhandel

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34 Windkanal 2008 -2

Kongresse, Symposien, Seminare

Nachlese

vier großen Blockflötenfachgeschäften –dem Musiklädle Schunder aus Karlsruhe,dem Blockflötenshop.de aus Fulda, EarlyMusic aus Schwelm und Margret Löbneraus Bremen – freute man sich über das ge-stiegene Kaufinteresse an Noten, Flöten undCDs bei den Ausstellungsbesuchern. Spannende sowie praktikable Neuerungenhatten die großen Blockflötenfirmen zurAusstellung mitgebracht. Bei der FirmaMoeck waren dies die g-Klappe (auf demdritten Tonloch) sowie die f-Klappe (aufdem vierten Tonloch) an den Tenorflöten-modellen. Diese Klappen, deren Anbrin-gung auf den Bassettflöten sämtlicher Fir-men und Bauer längst zum Standard ge-hört, sollen nun Spielern mit kleineren Hän-

sein Können unter Beweis zu stellen, odereinfach nur so in dem rheinischen Städt-chen vorbeischaut, um sich mit Kollegenauszutauschen, Freunde zu treffen undKontakte zu knüpfen: Stockstadt is the place

to be!

Das diesjährige Festival hinterließ rundhe-rum zufriedene Gesichter. Nachdem dieAusstellung im Jahr 2007 eher schleppendverlaufen war, gingen in diesem Jahr dieBlockflöten wie warme Semmeln über dieTheke. „Ich bin mehr als zufrieden mit derdiesjährigen Ausstellung.“, meinte die nor-wegische Blockflötenbauerin Bodil Diesen,„Selten war die Nachfrage so groß wie indiesem Jahr. Es hat mich ganz erstaunt,dass einige Leute sogar gleich zwei oder dreimeiner Instrumente auf einmal erworbenhaben.“ Wühltischatmosphäre in Stock-stadt? Und ob! Vor allem die Blockflöten-bauer erlebten am Freitag einen Ansturmvon fortgeschrittenen Spielern, Studentenund Profis, der seinesgleichen suchte. Sowar es nicht allzu verwunderlich, dass somancher Bauer bereits am Samstagabendvöllig abgegrast wieder die Zelte abbrechenkonnte. Was will man mehr? Auch bei den

Stockstadt, das ist der alljährliche Jahr-markt der Eitelkeiten, ein Sehen und Gese-hen-Werden, aber auch ein großes Fest füralle Liebhaber der Alten Musik und derBlockflöte im Speziellen. Kaum ein Block-flötenbauer, der es nicht für nötig hält, seineInstrumente im unverwechselbaren Am-biente der Stockstädter Sporthalle zu prä-sentieren. Kaum ein Blockflötist, der nichtschon einmal bei diesem Kultevent vorbei-geschnuppert hat. Und auch die Prominenzder Szene lässt sich nicht lange bitten, wennWilhelm und Eva Becker im wunderschö-nen Monat Mai in Stockstadt den roten Tep-pich ausrollen. Ob man nun auf der Bühneder Altrheinhalle die Gelegenheit erhält,

Barocke Piraten und ein unmoralisches AngebotFrischer Wind bei den Stockstädter Musiktagen 2008

Die britische Barockband Red Priest und das österreichische Quadriga Consort setzten bei den

diesjährigen Tagen der Alten Musik in Stockstadt vom 2. bis zum 4. Mai entscheidende Akzente und

wurden vom Festivalpublikum frenetisch gefeiert. Auch auf der Instrumentenausstellung gab es für

die Musikalienhändler, Instrumentenbauer und Verlage allen Grund zum Feiern. Nach einem eher

verkaufsschlappen Jahr 2007 zeigten sich die Besucher in diesem Jahr erstaunlich kauffreudig.

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35Windkanal 2008 -2

nien. Mit populären irischen, englischenund schottischen Weisen aus Renaissanceund Barock brachte das Quadriga Consort

am Samstagabend die Altrheinhalle zumKochen. In der spannenden Besetzung mitzwei Blockflöten, zwei Gamben, einemBarockcello, Perkussion und Cembalo zau-berte das Ensemble einen bunten Reigenaus melancholischen Balladen, rauen Trink-liedern und fetzigen Tanzweisen auf dieBühne. Neben der äußerst charismatischenSängerin Elisabeth Kaplan hatte das En-semble vor allem seinen künstlerischen Lei-ter Nikolaus Newerkla als besonderen Jokerzu bieten. Newerkla hatte die Stücke nichtnur äußerst clever arrangiert und abwechs-lungsreich im Programm zusammenge-stellt, sondern er erwies sich in seinenModerationen auch als kabarettistischesTalent, das die Leute mit Worten um denFinger wickelte. Da wurden die vermeint-lich alten Liedtexte durch heutige Alltagsbe-züge von WLAN über Swimmingpools biszu Robert Redfords unmoralischem Ange-bot neu belebt und das Publikum lachte sichkringelig. Zu Recht wurde das Quadriga

Consort mit Begeisterungsstürmen gefeiert– selten ist in Stockstadt der ganze Saal zumSchlussapplaus gestanden.Nicht minder unterhaltsam kam am Sonn-tagmorgen das britische Ensemble Red

Priest unter der Leitung des BlockflötistenPiers Adams daher. „Pirates of the Baro-que“ lautete das Motto der kurzweiligenShow, die sich mit dem Klauen, Kopierenund gegenseitigen Abschreiben im Barocksowie mit unentdeckten kompositorischen

den die Tenorflöte zugänglich machen. DieFirma Mollenhauer legte eine klang- wieformschöne Waldorf-Serie vor, die nebenden regulären auch pentatonische Flötenfür den Anfängerunterricht zu bieten hat.Bei Küng hingegen stand alles im Zeichendes Subbasses in F, der durch den Blockflö-tenorchester-Boom im Fokus eines regenInteresses stand.Abwechslungsreich und mit einem erstaun-lich hohen Entertainment-Faktor gewürztpräsentierte sich das diesjährige Konzert-programm. Den Höhepunkt setzten die bei-den aus dem Ausland angereisten Gruppen,das Quadriga Consort aus Österreich unddas Ensemble Red Priest aus Großbritan-

„Pirates of the Baroque“ lautete das Motto der kurzweiligen Show des Ensembles Red Priest

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Page 34: FransBrüggen - Windkanal

Schätzen (z.B. einer Sonate aus der Federdes „barocken“ Meisters Giovanni PaoloSimonetti alias Winfried Michel) und Stü-cken, die das Leben auf der See thematisie-ren, beschäftigt. Kopftücher mit Totenköp-fen, rote Lederkorsagen und zerfetzteJacketts ließen keine Frage offen und sowurde dann die Bühne auch nach allenRegeln der Kunst gerockt. Albinonis Adagio

verwandelte sich zum argentinischenTango, Vivaldis Winter wurde in die Karibikverfrachtet und Couperin diente als Pro-grammmusik für eine Piratenschlacht.Wunderbar anzusehen und anzuhören wardie fantastische Interaktion zwischen denEnsemblemitgliedern, vor allem zwischender Geigerin Julia Bishop und Piers Adams

– beide auf ihrem Instrument auch ausneh-mend starke Virtuosen. Piers Adams ließseine Flöten in einem reichen Klangspek-trum erklingen, was nicht zuletzt auchdarauf zurückzuführen ist, dass er nicht nurbarocke, sondern auch moderne Blockflö-ten wie den Modernen Alt, den Traumtenor

oder einen Superio-Großbass zum Einsatzbrachte. Nicht zuletzt seien auch die fantas-tischen Arrangements des CembalistenHoward Beach erwähnt, durch dessen Ein-fallsreichtum vor allem in Bezug auf unter-schiedliche Registerfarben dieses Feuer-werk überhaupt erst gezündet werdenkonnte. Das Stockstädter Publikum warkaum zu halten.Es war gerade die TriosonatenkombinationBlockflöte, Violine und Basso continuo, dieim Konzertprogramm in den unterschied-lichsten Variationen zu hören war. Nebendem Piratenpaar Adams/Bishop ließ vorallem das Ensemble l’ornamento diese auf-regende Besetzung erklingen. Die beidenSchwestern Juliane und Katharina Heutjerwussten alle Trumpfkarten einer jahrelan-gen Zusammenarbeit auszuspielen undwurden dabei vom sicheren Continuo ihrerbeiden Mitspieler getragen. JugendlicheEmphase, eine perfekte Balance und eineffektvolles, jedoch nie plakatives Musizie-ren zeichnet dieses Ensemble aus. Außer-dem bot Dorothee Oberlinger neben demsouverän gemeisterten Konzert F-Dur vonGeorg Philipp Telemann zusammen mitihrer Kölner Kollegin Mónica Waisman einetraumhafte Triosonate aus der Feder vonGeorg Friedrich Händel dar. Hier begegne-ten sich zwei reife Interpretinnen und Ober-linger wusste durch raffiniertes Timing,feinsinnige Klanggebung und originelleVerzierungsideen zu überzeugen.Das reiche Konzertprogramm wurde durchdas Ensemble Chant des grillons mitBarockmusik aus der Zeit der Schäferspieleund einem Traversflöten-Marathon desamerikanischen Flötisten Jeffrey Cohanabgerundet. Den Rahmen bildeten dasEröffnungskonzert des Blockflötenquar-

tetts Flautando Köln und das Abschlusskon-zert des jungen Karlsruher Ensembles Ricci

Capricci. Das Programm des Kölner Da-menquartetts, das am Freitagmittag auchschon zum Meisterkurs gebeten hatte,bestach durch souveränes Zusammenspielund eine sehr geschmackvolle Programm-zusammenstellung, unter anderem mit derDeutschlandpremiere des tschechischenWerkes Balkanology von Jan Rokyta. Weram Sonntag bis zum letzten Konzert inStockstadt verweilte, wurde dafür vomEnsemble Ricci Capricci mehr als entlohnt.Das große gemischte Ensemble mit dreiBlockflöten, Cembalo, Viola da Gamba,Barockgitarre und Perkussion bestachdurch ein wunderbar harmonisches Con-sortspiel, tolle programmatische Span-nungsbögen, intelligente Übergänge undspritzige Effekte. Vor allem in den langsa-men, elegischen Stücken konnte die GruppeMomente von ausgesprochen starker Inten-sität gestalten.„Eigentlich wollten meine Frau und ich nureinmal eine Instrumentenausstellung inDarmstadt organisieren.“, schmunzelte Wil-helm Becker, sichtlich erschöpft von denStrapazen des Festivalwochenendes. Daswar im Jahr 1985. Wer hätte damalsgedacht, dass aus dieser Ausstellung einmaleine der bedeutendsten Veranstaltungen imBereich der Alten Musik auf der Blockflöteentstehen würde? Und so werden Beckersim nächsten Jahr zum 25. Mal zur Instru-menten- und Musikalienmesse sowie zu denKonzerten auf historischen Instrumenteneinladen. Wir dürfen gespannt sein, was siesich für dieses ganz persönliche Jubiläumeinfallen lassen werden.

Daniel Koschitzki

36

Kongresse, Symposien, Seminare

Nachlese

Windkanal 2008 -2

Page 35: FransBrüggen - Windkanal

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Nachlese

Winterthur, 1. März 2008„Musikunterricht, das ist auch eine ArtWiderstand gegen die Beschleunigung derWelt“ – das sagte Daniel Fueter, ehemaligerDirektor der Musikhochschule Zürich inseiner Rede, die einige Betrachtungen zumWert und Methodik des Unterrichts zusam-menfasste. Es war das Plädoyer eines erfah-renen Pädagogen für einen ausgeprägt indi-viduellen Unterricht. Ein Unterricht, dernicht den Studierenden einen Stempel auf-drückt, sondern ihnen ihre eigenen Blütengestattet. „Mit ihnen zusammen Komposi-tionen lesen lernen“, nennt das Daniel Fue-ter – oder „eine Pädagogik auf Augenhöhe“.Er rief dazu auf, sich weiterhin voll undganz mit Nuancen zu beschäftigen, geradeBlockflötenlehrerInnen wüssten, was damitgemeint sei. Jeder Unterricht sei einMoment der Veränderung und berge in sichauch die Möglichkeit der Verwandlung.Auch Buchautor, Journalist und Lehrer JürgJegge machte klar, dass er die Funktion derMusikpädagogInnen für sehr wichtig hält.Er rückte in seinem Vortragstitel „Mit demRosenholz gegen den Rest der Welt“ dieseArbeit sogar in die Nähe einer politischen

Aufgabe. Der Titel machte natürlich neugie-rig. Jegges Rede war eine Breitseite gegendie Versuche von Liberalisierungs-freundli-chen Wirtschaftsvertretern und Politikern,die Schule nur als Zulieferer für die Bedürf-nisse des Markts zu sehen. Er zerpflücktesehr eloquent und mit viel Witz Begriffe wie„Ich-AG“ oder „Effizienz“ und hielt denFinger auf den allgegenwärtigen Anpas-sungszwang. Seine Rede war ein Aufrufgegen das Diktat der Ökonomie und zurSolidarität mit Laien und Schwächeren.(Beide Referate sind nachzulesen auf:www.erta-schweiz.ch)Solche Aufrufe scheinen nötig, wie dieabschließende Diskussion zeigte. Die Pro-fessionalisierung der Blockflöte scheintnicht mehr überall in gleichem Maße voranzu gehen, nicht zuletzt von Seiten der Volks-schule droht Gefahr, sie bietet in einzelnenKantonen wieder wie früher Blockflötenun-terricht in Großgruppen an, und das teilwei-se auch mit Lehrkräften, die das Instrumentnicht ausreichend beherrschen.Zwischen den Reden waren mehrere Prä-sentationen von Ensembles aus Lausanne,

Zürich und Basel zu hören, die alle vomgestiegenen Niveau der Amateur-Musike-rInnen zeugten. Besonders beeindruckenddas Zusammenspiel und die gute Intonationdes Quatuor Mosaïque aus Lausanne mitdem Consort-Stück von Giorgio Mainerio(1535–1582) Passe’mezzo antico, auch derAuftritt des Ivy Consort mit Agnes DorwathsDer Hecht" – gerade die sprachliche Präsen-tation fiel auf und ebenfalls die Selbstver-ständlichkeit mit der ein Obertonflöten-Ensemble der Schola Cantorum Basiliensisdie konzeptionelle Komposition anatonic

von Conrad Steinmann spielte. Hier war vielleicht für mich persönlich dergrößte Unterschied feststellbar. Als Beob-achterin, die vor zehn Jahren diese „Szene“verlassen und seither nur passiv verfolgthat, freute ich mich sehr über das gestiegeneSpielniveau. Denn auf den ersten Blick hattesich auf der Bühne nicht viel verändert.Blockflötensache ist Frauensache, Blockflö-tistinnen spielen am liebsten unter sich, undnoch immer ist das Image des Instrumentsangeknackst. Der zweite Blick und viele angeregte Ge-spräche an diesem Tag haben mir gezeigt,dass es noch andere Sichtweisen gibt. Dazubeigetragen hat auch das berührende undfaszinierende Mittagskonzert mit der Auf-führung von Sprachlos, Sonate für menschli-

che Stimme und Blockflöte von und mit Con-rad Steinmann und dem Schriftsteller PeterBichsel. Ebenso zu neuen Ufern brach Tina

Maulwurf auf, „eine Geschichte UNTER der

Erde über Mädchen, verliebt sein, gleich sein

wollen und doch anders sein“, mit Musik vonHelma Franssen und ihren Schülerinnenaus Zollikon, die gänzlich im Dunkelngespielt wurde: eine bewundernswerte Leis-tung mit unüblichen pädagogischen Ansät-zen.Insgesamt, dies der Tenor der vielfältigenReaktionen der gut besuchten Veranstal-tung, bot der ganze, vorzüglich vorbereiteteTag in den Räumlichkeiten der MusikschuleWinterthur eine Fülle von wohltuenden undmotivierenden Erlebnissen.

Christina Omlin

Image – Magie: Treffen der ERTA Schweiz

Windkanal 2008 -2

Peter Bichsel und Conrad Steinmann gestalteten ein faszinierendes Konzert mit der Aufführung

von Sprachlos, Sonate für menschliche Stimme und Blockflöte

Page 36: FransBrüggen - Windkanal

CDs, Noten, Bücher

CDs, Noten, BücherPirates of the Baroque

38 Windkanal 2008 -2

Rezensionen

Hugo Reyne legt mit seiner Sim-

phonie du Marais gleich sechs

Händel-Blockflötenkonzerte vor.

Wie bitte, gibt es das überhaupt?

Natürlich, sie werden hier von

Reyne so überzeugend interpre-

tiert, dass es sie einfach geben

muss! Im Fall des F-Dur-Konzerts

ist die Sache einfach: ursprüng-

lich eine originale Blockflötenso-

nate, dann von Händel als Orgel-

konzert verwertet. Was liegt näher,

als die Orgelpartie jetzt wieder

durch eine Soloblockflöte zu er-

setzen? Schließlich war Händel

selbst ein „Recycling-Komponist“

(G. Braun), der sich bei eigenen

Werken munter selbst bedient hat

und so treffen wir bei dieser CD

immer wieder auf Altbekanntes –

und seien es nur wenige Takte aus

Blockflötensonaten.

Was Reyne und seine virtuosen

Mitstreiter da-raus machen, ist

unerhört lebendig und kreativ. Da

werden magere Kadenzen geist-

reich ausgefüllt, auch von Violine,

Tastenspiel und Cello. Reyne ver-

ziert üppig, aber nicht maniriert;

sein Spiel ist so lebendig und

reich schattiert, dass es eine Lust

zu hören ist. Erscheinen bald die

nächsten sechs Händel-„Block-

flötenkonzerte“?

Bitte ja!

Siegfried Busch

Georg-Friedrich Händel: Six concer-tos pour flute à bec. La Simphoniedu Marais, Hugo Reyne, Blockflöte.Musiques à la Chabotterie, Vendée605004.

Brandneu und brandheiß kam

die aktuelle CD des barockigen

Piratenensembles Red Priest in

Stockstadt direkt aus dem CD-

Presswerk und ging dort gleich

in rauen Mengen über den Ver-

kaufstisch. Als Thema hat sich

die Gruppe dieses Mal die Musik-

piraterie zur Zeit des Barock auf

die Fahnen geschrieben und ver-

fährt dabei mindestens genau-

so wild, wie ihre geistigen Vor-

fahren. Mit frappierender Vir-

tuosität und ungeniertem Ein-

fallsreichtum werden die baro-

cken Perlen in wagemutigen Ar-

rangements mit Tango, Zigeu-

nerweisen und rockigen Gesten

versehen. Voll überschäumender

Freude musiziert, reißt einen

diese CD einfach mit oder ver-

schlägt einem die Sprache. Auf

historische Aufführungspraxis

darf man hier nicht warten, da-

für leben die vier Musiker um

den Ausnahmeblockflötisten

Piers Adams ihre Musik mit

vollem Herzen bis in die klein-

ste Nuance aus. Natürlich darf

auch ihr Namensgeber Antonio

Vivaldi nicht fehlen und gerade

sein Concerto in d-Moll erfährt

in der hier eingespielten Version

eine ganz neue Dimension des

interagierenden Ensemblespiels.

Diese CD mag polarisieren –

kalt lassen wird sie niemand!

Andrea Ritter

Red Priest – Pirates of the Baro-que. Red Priest Recordings RP004,www.redpriest.com (2008).

Stralen auch noch auf den meis-

ten der im Spätjahr 2005 und

Frühjahr 2006 eingespielten

Tracks zu hören ist. Das wird lei-

der aber auch zu einem kleinen

Problem für die optische Aufma-

chung der CD sowie für die zu-

sätzliche DVD, auf der ein packen-

der Dokumentarfilm und vier Vi-

deoclips zu sehen sind. Obwohl

die CD erst im Dezember 2007

erschienen ist, setzt sie noch auf

den Blondschopf-Bonus von van

Stralen und verwendet zu einem

großen Teil auch Bildmaterial mit

ihr. Das ineinander verschlunge-

ne, auf dem Boden liegende Cover-

bild einfach in leichter Abwand-

lung mit der brünetten Riener

nachzustellen und ebenfalls in

der CD zu veröffentlichen, war

keine kluge Entscheidung. Die

Verwirrung setzt sich auf der DVD

fort. Im Dokumentarfilm ist Rie-

ner im Interview mit der Gruppe

zu sehen, jedoch van Stralen als

Ausführende. Das schafft beim

Betrachter große Irritation.

Der außergewöhnlichen musikali-

schen Qualität der Aufnahme tut

dies allerdings keinen Abbruch.

Daniel Koschitzki

Electra – Able To Be. AttaccaRecords, Attacca 27111 & 27112(CD & DVD).

Vier Frauen, vier Nationalitäten,

vier Instrumente – so lautet das

Konzept von Electra, einem der

heißesten und ambitioniertesten

Ensembles für zeitgenössische

Musik aus den Niederlanden.

Es ist wohl Ironie des Schicksals,

dass seit dem Ausscheiden der

holländischen Sängerin Marijje

van Stralen im Jahr 2006 kein

niederländisches Mitglied mehr

in diesem „niederländischen“

Ensemble weilt. Dennoch finden

die vier Damen – Monica Germi-

no aus den USA, Tatiana Koleva

aus Bulgarien, Susanna Borsch

aus Deutschland und Michaela

Riener aus Österreich – genau

den richtigen Ton, um mit viel

Verve und Girlpower die großen

Stars der holländischen Kompo-

nistenszene zu interpretieren, da-

runter Louis Andriessen, den

Hindemith-Preisträger Michel van

der Aa, Corrie van Binsbergen

und Chiel Meijering. Zumal van

Händel-Konzerte Electra –Able To Be

Page 37: FransBrüggen - Windkanal

Rezensionen

39Windkanal 2008 -2

2

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Unter Anleitung des Komponisten

Gerhard Braun entstand in dieser

neuen Folge von Referenzeinspie-

lungen auf verschiedenen Instru-

menten eine Reverie avantgardi-

stischer Formen und Spieltechni-

ken, darunter die Blockflöten-

werke Aluba (1998), Something

about „H“ (2003) und ARU

(2003). Grenzgänge (2006) – ein

speziell auf die Möglichkeiten der

Helder-Tenorflöte abgestimmtes

Werk – sticht daraus deutlich

hervor. Das Instrument gibt sich

hier nicht traditionell, sondern es

wird eine visionäre Welt an Spiel-

möglichkeiten in enormer Band-

breite präsentiert, analog der bei

Johannes Fischer in Arbeit befind-

lichen speziellen Systematik der

musikalischen Parameter.

Nik Tarasov

Komponistenportrait II. GerhardBraun – Traumwelt. Kammermusikund Solostücke. flautando records004 (2007).

Nachdem es die „Sight-Reading“-

Methode zunächst nur für Quer-

flöte gab, liegt sie nun speziell für

Blockflötisten vor: Sopran, Alt

und sogar auch Bass.

Kurze Übungen (Solos, Duette

und Stücke mit B.c.-/Klavierbe-

gleitung) bieten umfassendes,

systematisch aufgebautes Mate-

rial, das zur Förderung der allge-

meinen technischen und stilis-

tischen Wendigkeit auf dem

Instrument hervorragend geeig-

net ist: Spiel in Tonarten mit bis

zu fünf Vorzeichen, Verzierungen

und moderne Spieltechniken, im-

mer wieder wechselnde rhythmi-

sche Anforderungen. Nebenbei

wird man mit allen nur denkba-

ren Begriffen und Vortragsbe-

zeichnungen konfrontiert.

Gisela Rothe

Recorder Sight-Reading 1 & 2. Hrsg.:John Kember, Peter Bowman.Schott ED 12968 & ED 12957(2008).

Das druckfrisch vorliegende Heft

präsentiert Werke verschiedener

Epochen und Stilrichtungen (Stufe

2–3), ergänzt durch interessante

Informationen über die Kompo-

nisten und ihre Zeit, über stilisti-

sche und aufführungspraktische

Fragen sowie Tipps für sinnvol-

les Üben. Von Duetten aus dem

16. Jahrhundert (Lasso), einem

Trio mit B.c. (Uccellini) spannt

sich der Bogen über eine Duett-

Suite im französischen Stil (Ba-

ton) und eine Telemann-Suite

(Solo mit B.c.) bis zu Jazzigem

(Bernt Laukamp). Neue Spiel-

techniken sind mit Larrys Zau-

berwalzer von Agnes Dorwarth

vertreten. Das ergibt vielseitigen

und ergiebigen Stoff für viele

Unterrichtswochen!

Gisela Rothe

BLM-Workbook 4, Sopranblockflö-te. Hrsg. v. Ursula Schmidt-Lau-kamp. BeLaMusic 006 (2008).

KlassenmusizierenWorkbook 4 – Sopran

Eigentlich ist es seltsam, dass bis-

her noch niemand auf die Idee ge-

kommen ist, zu realisieren, was

bei den Streichern schon längst

üblich ist: Blockflöte im Klassen-

verband gleich mit dem ganzen

Quartett-Instrumentarium zu un-

terrichten! Dies geht naturgemäß

erst, wenn die Schüler etwas grö-

ßer sind (ab 5. Schuljahr), ist

dann aber auch viel attraktiver,

als in der großen Gruppe aus-

schließlich mit Sopranflöten zu

musizieren. Daniela Utsava Heitz

baut ihr Konzept gut durchdacht

auf: Ganz langsam geht es voran,

das Klavier gibt ein rhythmisches

Gerüst, später folgen Stücke im

reinen Quartett. Auch außerhalb

der Schule sehr empfehlenswert!

Gisela Rothe

Daniela Utsava Heitz: Klassenmusi-zieren – Die Blockflötenklasse mitSATB (und Klavierbegleitung). Editi-on Peters EP1107 / 11 107SA/TB:Partitur / Schülerhefte (2808).

Komponistenportrait II

Gerhard Braun

T R A U M W E L TKammermusik und Solostücke (Blockflöte, Klarinette,

Saxophon, Posaune, Akkordeon, Klavier)

Komponistenportrait II

Blattspielübungen

Page 38: FransBrüggen - Windkanal

CDs, Noten, Bücher

40 Windkanal 2008 -2

Rezensionen

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Mit Manfredo Zimmermann konn-

te DOWANI einen hervorragen-

den Blockflötisten und Speziali-

sten für Alte Musik als Herausge-

ber für seine Play-along-Reihe 3

Tempi gewinnen. Inzwischen ist

eine exemplarische Bibliothek für

Blockflöte entstanden, die für alle

Leistungsstufen interessante und

bewährte Originalmusik bereit-

stellt. Neu herausgekommen sind

Sonaten für Altblockflöte von

Marcello, Telemann und Barsan-

ti, für Sopranblockflöte das Al-

bum IV mit sieben leichten Stük-

ken (allesamt Perlen Alter Musik)

und drei frühbarocke Sonaten.

Alle Ausgaben bestechen durch

stilsichere Konzertversionen, fan-

tasievolle Begleitungen – live auf-

genommen auf Originalklang –

Instrumenten wie Cembalo, Or-

gelpositiv, Violoncello und Viola

da Gamba – und durch großzügi-

ge Ausstattung. So ist General-

bassbezifferung sowohl im „Cla-

vier“ als auch in der beigelegten

Bassstimme obligatorisch und

die äußere Form besticht durch

guten Druck und vorzügliche Pa-

pierqualität. Man darf als Päda-

goge und Amateur ungeniert zu

diesen modernen Hilfsmitteln

greifen, weil damit zweifellos eine

größere Übemotivation und Mu-

sizierlaune für SpielerInnen aller

Altersstufen erreicht werden kann.

Vorausgesetzt ist allerdings ein

sinnvoller Umgang mit diesen

Medien. Die Fülle des neu heraus

gekommenen Spielmaterials

macht die Besprechung aller No-

tenausgaben und CDs unmöglich,

die Beschränkung auf das ein-

leitende Adagio der Barsanti-C-

Dur-Sonate soll hier genügen.

Die Cembalistin Mechthild Win-

ter legt zusammen mit der Gam-

bistin Irene Klein einen einladen-

den Klangteppich aus, auf dem

Manfredo Zimmermann vormu-

siziert und der Play-along-Solist

sich geborgen fühlen kann. Gera-

de bei dieser scheinbar überlade-

nen, rhythmisch verzwickten Me-

lodiebildung bewährt sich das

langsamere Tempo als Hilfestel-

lung. Wohl dem, der auf seinem

CD-Player eine „A-B-Funktion“

hat, mit der sich kurze Endlos-

schleifen zur Einübung einstellen

lassen. Ein Druckfehler in Takt 3

ist offensichtlich: Statt dem Kreuz

vor dem f (vor dem Triller auf

Für so heiter und unbeschwert

daher kommende kurze Trios gibt

es sicher aller Orten Verwendung.

Schon gleich, wenn sie so frisch

erfunden und gekonnt gesetzt, wie

hier. Der Belgier nützt die guten

Lagen von Sopran-, Alt- und Tenor-

flöte aus, bezeichnet Artikulation

und Dynamik sorgfältig und

schlägt auch das Tempo vor. Die

anderen Titel geben der Fantasie

Nahrung wie Dance of the Mario-

nettes oder Teddy’s Winter Sleep.

Die Zielgruppe sind Kinder, der

Schwierigkeitsgrad ist mittelleicht,

chorische Besetzung insbeson-

dere der beiden unteren Stimmen

sicher möglich und für Echowir-

kungen sogar wünschenswert.

Ein paar Synkopen und konven-

tionelle Harmonik ergeben gefäl-

lige Spielmusik.

Siegfried Busch

Johan Nijs: 7 Musical Cartoons fürBlockflötentrio . Partitur und Stim-men, de haske 1043609 (2008).

Schlag 3) müsste ein Auflösungs-

zeichen stehen, so spielt es auch

der Solist. Warum er aber dem

„Urtext“ treu bleibt und bei den

chromatischen Überleitungen zu

zwei Kadenzen (Takte 10, 15/16)

mit einem Ganzton die Reihe un-

terbricht, ist schwer verständli-

che Werktreue. Auch die Cemba-

lo-Stütztöne der beiden Sequen-

zen klingen irritierend, weil sie

dieselbe Lage haben wie die So-

lostimme und mit den Vorhalten

in Konflikt geraten. Das einzäh-

lende Ticken (statt einer instru-

mentalen Intonation) bei den

Halbplayback-„Konzertversio-

nen“ nervt. Ein gutes Begleit-

Playback von DOWANI kann

nämlich für Zuhörer befriedigen-

der sein als dürftige Live-Beglei-

tung auf modernem Klavier und

wird deshalb zunehmend auch

bei Vorspielen hoffähig, auch

wenn es immer nur zweite Wahl

bleiben wird.

Siegfried Busch

F. Barsanti, Sonate C-Dur für Alt-blockflöte und B.c., DOW 2520.

B. Marcello, Sonate G-Dur Op.2Nr.5, DOW 2521.

G. Ph. Telemann, Sonate d-Moll,(„Essercizii Musici“), DOW 2522Album IV, 7 leichte Stücke, DOW1506.

3 frühe italienische Sonaten, Cimaund Cecchino, DOW 1508.

Play-along Trios: Sopran, Alt, Tenor

Page 39: FransBrüggen - Windkanal

41Windkanal 2008 -2

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Page 40: FransBrüggen - Windkanal

42 Windkanal 2008 -2

01.09.–06.09 Trio Meisterkurs Blockflöte Ltg: Doro-thee Oberlinger, Gerd Lünenbürger, Matthias Weilen-mann Ort: Weikersheim Info: ALLEGRA – Agentur fürKultur, Tel: 0621/8321270, www.allegra-online.de

03.09.–06.09. Probenphase des Landesjugend-blockflötenorchesters BW Ort: Schloss WeikersheimInfo: Sally Turner, [email protected],www.landesjugendblockfloetenorchester-bw.de

06.09. Kinder bauen sich ihre Blockflöte Modell:Adri’s Traumflöte Sopran Ltg: Anna Mollenhauer, Gun-ther Rose Ort: Fulda Info: Mollenhauer Blockflöten-bau, Tel: 0661/94670, www.mollenhauer.com

07.09. Kinder bauen sich ihre Blockflöte Modell:Adri’s Traumflöte Sopran Ltg: Anna Mollenhauer, Gun-ther Rose Ort: Fulda Info: Mollenhauer Blockflöten-bau, Tel: 0661/94670, www.mollenhauer.com

12.09.–14.09 Jazz auf der Blockflöte Ltg: EberhardLinck Ort/Info: Flötenhof Ebenhofen, Tel: 08342/899111, www.alte-musik.info

13.09.–14.09. Blockflötenunterricht von A–ZAnfangsunterricht auf der Blockflöte Ltg: Gisela RotheOrt: Fulda Info: Mollenhauer Blockflötenbau, Tel: 0661/94670, www.mollenhauer.com

13.09. Musizieren im BlockflötenorchesterLtg: Dietrich Schnabel Ort: Uehlfeld Info: Petra Menzl,Tel: 09129/26 004, www.dietrich-schnabel.de

19.09.–21.09. Ensemblekurs IV Englische Consort-musik um 1600 Ltg: Paul Leenhouts Ort: Bremen Info: Blockflötenzentrum Bremen, Tel: 0421/702852,www.loebner-blockfloeten.de

20.09.–21.09. Schnupperkurs Blockflötenbau Block-flötenbau in Theorie und Praxis Ltg: Vera Morche, Johannes Steinhauser Ort: Fulda Info: MollenhauerBlockflötenbau, Tel: 0661/94670,www.mollenhauer.com

26.–28.09. ERTA-Kongress – Das BlockflötenorchesterKonzerte, Kongressorchester, Ausstellung Ort: Dinkels-bühl Info: ERTA, Tel: 0721/707291,www.kongresse.erta.de

26.09.–04.10. Blockflötenorchester Ltg: Gisela Colberg Ort: Insel Amrum Info: www.blockfloeten-orchester.ch/0809amrum.php

27.09.–28.09. 3. Blockflötentage Schaffhausen &Blockflötenfestival Schweiz 75 Jahre Küng-Blockflö-ten: Konzerte und Meisterkurs mit Maurice Steger u.a.Ort: CH-Schaffhausen, Info: +41(0)52/630 0999,www.kueng-blockfloeten.ch

Termine

zusammengestellt von Susi Höfner

28.06. Groß einsteigen! Großgruppenunterricht fürBlockflöte – Teamteaching an Grundschulen undMusikschulen Ltg: Martina Müller-Kern, Blockflöte,und Bernd Schäfer, Tasteninstrument Info: JMS-Südl.Breisgau, Tel: 07633/82711

28.06.–29.06 Workshop für Einhandflöte undTrommel Grundlegende Spieltechniken, Repertoire,Leihinstrumente Ltg: Silke Jacobsen Ort: HannoverInfo: Silke Jacobsen, Tel: 0511/44 09 58, [email protected]

06.–13.07. Sommerschule alter Musik Kurse, Kon-zerte Ltg: Peter Holtslag, Carin van Heerden, AlanDavis, Kerstin de Witt u.a. Ort: Prachatice, Tschechi-sche Republik Info: Jan Kvapil, www.mybox.cz/kvapil

20.07.–25.07. Thüringische SommerakademieBöhlen Kammermusikkurs für Alte Musik Ltg: GabyBultmann, Juliane Ebeling (Blockflöte) und weiterefür Gambe/Cello, Cembalo, Violine, Gesang Info: www.sommer-akademie.com

27.07.–02.08. Internationale Sommerakademiefür Alte Musik Ltg: Robert Finsler, Michael Hell,Yvonne Luisi-Weichsel (Blfl.) u.a. Ort: Graz Info: Insti-tut für Alte Musik und Aufführungspraxis, Graz,www.kug.ac.at/iap/sommerakademie.shtml

03.08.–09.08. Blockflöte und Jazz Einzelunterrichtund Ensemblearbeit Ort: CH-Arosa Ltg: HannaSchüly Info: www.kulturkreisarosa.ch,www.hanna-schuely.de

30.08. When I am 64 Musikunterricht mit älterenMenschen – wie? Ltg: Ellen Svoboda Ort: DortmundInfo: Vielfalt Seminare, Tel: 0931/9916269,www.strategischer-arbeitskreis.de

23.08. ERTA-Regionaltreffen – Feldenkrais Ltg: Maria Tönnesmann Ort: Bergisch Gladbach Info:Dr. Barbara Engelbert, [email protected]

30. 08. Blockflöten-Big-Band-Workshop Ltg:Nadja Schubert Ort/Info: Rheinische MusikschuleKöln, Tel: 0221/95 14 690, www.stadt-koeln.de/rheinische-musikschule

30.08.–31.08. Blockflötenorchester Ein Wochen-ende voller Musik Ltg: Dietrich Schnabel Ort: FuldaInfo: Mollenhauer Blockflötenbau, Tel: 0661/94670,www.mollenhauer.com

Termine2008 04.10.–11.10. Blockflötenensemble-KursLtg: Martina Joos Ort: CH-St. Moritz Info: Laudinella,Tel: +41(0)818360000, www.laudinella.ch

18.10. ERTA-Regionaltreffen Unterricht mit Erwach-senen/Senioren Ort: Köln Info: Dr. Barbara Engelbert,[email protected]

18.10. Renaissancetänze mit Schwerpunkt PavaneTanzen und Flöten im Ensemble Ltg: Ellen Svoboda Ort:Würzburg Info: Flötenschule Vielfalt, Tel: 0931/9916269,www.vielfalt.biz

25.10. Feldenkrais: Atem ist Bewegung Ltg: Anne-gret Lucke Ort: Weilburg Info: Verband deutscherMusikschulen, LV Hessen, Tel: 0611/34186860,www.musikschulen-hessen.de

25.10. Gewinnoptimierung für private Musiklehrerund Musikschulinhaber Ltg: Ellen Svoboda Ort: KasselInfo: DTKV Nordhessen e.V., Tel: 0561/9207788www.tonkuenstler-nordhessen.de

25.10. Improvisationsworkshop für erwachsene SpielerLtg: Nadja Schubert Ort/Info: Rheinische MusikschuleKöln, Tel: 0221/95 14 690, www.stadt-koeln.de/rheinische-musikschule

27.10.–29.10 Musik des Mittelalters Beginn einerzweijährigen Fortbildung Ltg: Marc Lewon, Uri Smilan-sky Ort: Burg Fürsteneck Info: www.burg-fuersteneck.de/musik/altemusik.htm

01.11.–08.11. Blockflötenwoche für JunggebliebeneStilgerechte Interpretation von Consort-Literatur Ltg: Martina Joos Ort: CH-St.Moritz Info: Laudinella,Tel: +41(0)818360000, www.laudinella.ch

01.11.–15.11. Musizieren im BlockflötenorchesterLtg: Dietrich Schnabel, Barbara Mitschke Ort/Info:Volkshochschulheim Inzigkofen e.V., Tel: 07571/73980,www.vhs-heim.de

07.11. –0 9.11. Probenwochenende Blockflötenor-chester „Stimmwerck“ und Kurs für EnsembleleitungLtg: Johannes Kurz Ort: Schwanau-Nonnenweier Info: Tel: 07825/879966, www.editionparnass.de

07.11.–09.11. Ensemblekurs V Weihnachtsmusik derRenaissance Ltg: Ebba-Maria Künning Ort: BremenInfo: Blockflötenzentrum Bremen, Tel: 0421/702852,www.loebner-blockfloeten.de

08.11.–09.11. Praxis Blockflötenorchester Wege zuIntonation und Präzision Ltg: Beate Heutjer Ort: FuldaInfo: Mollenhauer Blockflötenbau, Tel: 0661/94670,www.mollenhauer.com


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