Date post: | 15-Jun-2015 |
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Fraktionsgeschlossenheit Schukraft, Stefan (2011). “Fraktionsgeschlossenheit auf Landesebene im Mehrebenen- Kontext – Der Einfluss des Föderalismus auf den Grad geschlossenen Abstimmungsverhaltens von Fraktionen in den deutschen Landesparlamenten”. In: Politische Vierteljahresschrift 52.4, S. 688–713.
Stecker, Christian (2011). “Bedingungsfaktoren der Fraktionsgeschlossenheit. Eine vergleichende Analyse der deutschen Länderparlamente”. In: Politische Vierteljahresschrift 52.3, S. 424–447.
Referat von Simon Flückiger und Patrick HiepelSeminar: Parlamentarimus in Deutschland, WS 12/13
Leitung: Prof. Kai Arzheimer
Gliederung2
1. Einleitung
2. Studie von Stefan Schukraft (2011)
2.1 Begriffsdefinitionen und theoretische Konzeption
2.2 Fragestellung und Operationalisierung
2.3 Ergebnisse
2.4 Kritik
3. Studie von Christian Stecker (2011)
3.1 Begriffsdefinitionen und theoretische Konzeption
3.2 Fragestellung und Operationalisierung
3.3 Methodik und Befunde
3.4 Kritik
4. Zusammenfassung der Ergebnisse
1. Einleitung4
http://www.zdf.de/ZDFmediathek/beitrag/video/1748264/Abgeordnete+und+der+Fraktionszwang#/beitrag/video/1748264/Abgeordnete-und-der-Fraktionszwang
Studie von Stefan Schukraft (2011)
2.1 Begriffsdefinitionen und theoretische Konzeption 5
Diskussion in der Öffentlichkeit geprägt vom mißverständlichen Begriff des Fraktionszwangs
Geeigneter und angemessener in diesem Kontext sind die Begriffe der Fraktionskohäsion und Fraktionsdisziplin
Weiterer zentraler Begriff: Party Unity, definiert als „der beobachtete Grad des geschlossenen Abstimmungsverhaltens von Fraktionen“
Party Unity ist neutraler Begriff, der sowohl Fraktionskohäsion als auch -disziplin einschließt
Umfassendste und differenzierteste Modellierung der Funktionslogik von Fraktionen findet sich bei Bergman et al. (Rational-Choice-Ansatz)
Studie von Stefan Schukraft (2011)
2.1 Begriffsdefinitionen und theoretische Konzeption 7
Theoretische Annahmen (1):
Varianz in den Konstellationen von Regierungskoalitionen
Bezüglich der Varianz drei unterschiedliche Muster denkbar: A- B- oder C-Koalitionen
Abstimmungsverhalten über drei Mechanismen beeinflusst
Strukturen der Parteiorganisationen
Wunsch der Parteien nach kohärenter Außendarstellung
Beteiligung der Länder an der Bundesgesetzgebung
Studie von Stefan Schukraft (2011)
2.1 Begriffsdefinitionen und theoretische Konzeption 8
Theoretische Annahmen (2):
Ursache für dissentierendes Abstimmungsverhalten liegt hauptsächlichin abweichenden sachpolitischen Präferenzen begründet
Karrierebezogene Präferenzen, Normen und Eigenschaften des Parteiensystems determinieren die (individuellen) Kosten eines solchen Verhaltens
Föderalismus könnte Einfluss auf den Grad geschlossenen Abstimmungsverhaltens haben
Wirkungskraft mutmaßlich für A-Koalitionen am größten, in C-Koalition schwächer ausgeprägt, für B-Koalition nicht nachweisbar
Studie von Stefan Schukraft (2011)
2.2 Fragestellung und Operationalisierung 9
Leitfrage:
„Wie könnte der Föderalismus in Deutschland den Grad des geschlossenen Abstimmungsverhaltens von Fraktionen
determinieren?“
Untersuchungsdesign:
Lineares Regressionsmodell
Auswahl von drei Bundesländern (Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Brandenburg)
Zeitraum 26.10.1998 – 26.10.2009
Systematische Untersuchung der Ergebnisse namentlicher Abstimmungen von Regierungsfraktionen
Vergleich über modifizierten Rice-Index (mRIij)
Einführung von unterschiedlichen Kontrollvariablen
Studie von Stefan Schukraft (2011)
2.2 Fragestellung und Operationalisierung 11
Analyse in drei Schritten:
– 1. lineare Regression mit und ohne KV
– 2. Aggregation von Beobachtungen
– 3. Fallstudie (Effekt für Gruppen von Abgeordneten im selben Politikfeld)
Studie von Stefan Schukraft (2011)
2.3 Ergebnisse 12
Föderalismus als Determinante hat einen begrenzten Einfluss auf das Verhalten bei Abstimmungen mit innerfraktionellem Konfliktpotential
Bei Kongruenz der Koalitionskonstellationen fällt der Grad der Fraktionsgeschlossenheit höher als in anderen Fällen
weitere Forschung notwendig
Studie von Stefan Schukraft (2011)
2.3 Ergebnisse 13
Föderalismus als Determinante hat einen begrenzten Einfluss auf das Verhalten bei Abstimmungen mit innerfraktionellem Konfliktpotential
Bei Kongruenz der Koalitionskonstellationen fällt der Grad der Fraktionsgeschlossenheit höher als in anderen Fällen
weitere Forschung notwendig
Studie von Stefan Schukraft (2011)
2.3 Ergebnisse 14
Föderalismus als Determinante hat einen begrenzten Einfluss auf das Verhalten bei Abstimmungen mit innerfraktionellem Konfliktpotential
Bei Kongruenz der Koalitionskonstellationen fällt der Grad der Fraktionsgeschlossenheit höher als in anderen Fällen
weitere Forschung notwendig
Studie von Stefan Schukraft (2011)
2.4 Kritik 15
Untersuchungsdesign der Studie ist aus verschiedenen Gründen problematisch:
Es erfolgt eine Fallauswahl (nur dissentierendes Abstimmungsverhalten wird untersucht)
Sowohl die abhängige Variable als auch die KV KGröße weisen in vielen Beobachtungen identische Werte auf
Es zeigen sich methodische Probleme:
Der Versuch der „Mängelbeseitigung“ über den zweiten Analyseschritt bringt inhaltlich nicht weiter
Die Interpretation der Regressionsergebnisse ist kaum nachvollziehbar
Es stellt sich die Frage, ob der vermutete Einfluss der unabhängigen Variablen mit dem Modell wirklich robust getestet wird
Studie von Christian Stecker (2011)
3.1 Begriffsdefinitionen und theoretische Konzeption 16
Innerfraktionelle Geschlossenheit ist ein wichtiges mehrdimensionales Phänomen
Wichtigste Dimension: Abstimmungsverhalten im Parlament
Faktoren: Kohäsion und Disziplin
Abstimmungen werden als Spiel zwischen Vorder- und Hinterbänken (‚front-‘ & ‚backbench‘) betrachtet
Geschlossenheit = herzustellendes Kollektivgut
Abgeordnete können sich als Abweichler persönlich profilieren
Sanktionen erlauben deren Kontrolle durch Parteien
Unterschiedliche Interessen können Auswirkungen zeitigen
Abstimmungen werden durch institutionellen Kontext geprägt
Studie von Christian Stecker (2011)
3.2 Fragestellung und Operationalisierung 17
Zielsetzung der Studie: Beitrag zum rationalistischen Verständnis von Fraktionsgeschlossenheit
Welchen Einfluss haben Faktoren auf System-, Parlaments-, Partei- und Abstimmungsebene auf Fraktionsgeschlossenheit?
Studie von Christian Stecker (2011)
3.2 Fragestellung und Operationalisierung 18
Wahlsystem (Systemebene):
3 Systemtypen: Parteizentriert vs Mischtyp vs Kandidatenzentriert
Kandidatenzentrierte Systeme bieten Anreiz, Parlamentsmandate frei auszuüben und von der Parteilinie abzuweichen, während parteizentrierte Systeme Konformität fördern und Abweichlern keine Anreize bieten.
Hypothese 1: Je stärker kandidatenzentriert das Wahlsystem ist, desto geringer ist die Fraktionsgeschlossenheit.
Operationalisiert:
Bayern, Baden-Württemberg = Kandidatenzentriert
Hamburg, Bremen Saarland = Parteizentriert
Studie von Christian Stecker (2011)
3.2 Fragestellung und Operationalisierung 19
Regierungsstatus (Fraktionsebene):
Regierungsfraktionen gelten als geschlossener
Regierung hat mehr Mittel zur Disziplinierung
Gegenargument: Abstimmungen über unpopuläre Maßnahmen könnten Geschlossenheit gefährden
Erwartung: Steigerung der Disziplin, Schwächung der Kohäsion
Hypothese 2: Regierungsfraktionen sind geschlossener als Oppositionsfraktionen.
Studie von Christian Stecker (2011)
3.2 Fragestellung und Operationalisierung 20
Mehrheitsverhältnisse (Parlamentsebene):
Bei knappen Mehrheitsverhältnissen senkt sich die Dissenstoleranz der Regierungsfraktionen
Die Bedeutung jeder Stimme steigt
Der Anreiz steigt, die Parteidisziplin zu stärken bzw. Abweichler zu sanktionieren
Hypothese 3: Je knapper die Regierungsmehrheit, desto höher die Fraktionsgeschlossenheit.
Operationalisiert:
Logarithmierte Sitzzahl über die nötige Mehrheit hinaus
Studie von Christian Stecker (2011)
3.2 Fragestellung und Operationalisierung 21
Politisch-ideologische Distanz (Parlamentsebene):
Bei ideologischer Nähe zu anderen Fraktionen wächst die Versuchung, mit anderen, ideologisch benachbarten, Parteien zu stimmen
Hypothese 4: Mit steigender Ideologischer Distanz zwischen Regierung und Opposition nimmt die Fraktionsgeschlossenheit zu.Operationalisiert:
Positionsdaten nach Bräuninger und Debus, gewonnen aus den Parteiprogrammen
Regierungsposition wird operationalisiert als mittlere Position aller Koalitionspartner
Studie von Christian Stecker (2011)
3.2 Fragestellung und Operationalisierung 22
RCV beantragende Fraktion (Abstimmungsebene):
Üblicherweise führen 2 Ziele zum Antrag auf RCV (roll call vote = namentliche Abstimmung):
Öffentliches Bekenntnis zu (position-taking) oder Abgrenzung von (negatives position-taking) einer Position
Offenlegung des Abstimmungsverhaltens der politischen Konkurrenz
Erwartung: Opposition sollte die meisten RCVs beantragen, bevorzugt bei Themen, die eigenen Konsens oder Dissens der Konkurrenz vorzuführen geeignet sind.
Hypothese 5: Die den RCV beantragende Fraktion sollte geschlossener abstimmen.
Studie von Christian Stecker (2011)
3.2 Fragestellung und Operationalisierung 23
Geschlossenheitswerte innerhalb der Fraktionen werden mittels
Index of Agreement berechnet:
Wert zwischen 0 und 1
Maximale Unstimmigkeit bei gleichmäßiger Verteilung über die Kategorien
Studie von Christian Stecker (2011)
3.3 Methodik und Befunde 25
100%ige Geschlossenheit ist die Norm
Median liegt bei 100%
2 Länder mit perfekten Geschlossen-heitswerten
Dissens vor allem in Ostländern und kandidatenzen-trierten Ländern
Studie von Christian Stecker (2011)
3.3 Methodik und Befunde 26
Mittelwert: 95,5 %
Gesteigerte Ge-schlossenheit:
Regierungskoalition
Antragsteller
Kein Nachweis über geringere Geschlossenheit in kandidatenzentrierten Wahlsystemen
Werte für Mischsysteme durch schlechte Geschlos-senheitswerte in Ostländern verzerrt
Studie von Christian Stecker (2011)
3.3 Methodik und Befunde 27
Multivariater Test soll der Kontrolle der Effekte dienen
Wichtige Besonderheiten der Datenstruktur
Hypothesen postulieren Einfluss auf 4 verschiedenen Ebenen
Vorteilhafte Mehrebenenanalyse wird abgelehnt, da die geringe Fallzahl und Datenstruktur dies ausschlössen
Index of Agreement liefert nur Ergebnisse zwischen 0 und 1
‚Fractional Response Modell‘ wäre angemessener, der einfacheren Interpretation halber nutzt Stecker dennoch eine einfache Regression
Studie von Christian Stecker (2011)
3.3 Methodik und Befunde 28
Erneute Operationalisierung für Kontrollregression:
Regierungsmehrheit sowie politische Distanz wie bisher
Wahlsysteme werden durch Dummyvariablen operationalisiert
Parteizentrierte Systeme gelten als Referenzkategorie
Ostdeutsche Länder werden durch einen Dummy kontrolliert
2 Modelle werden berechnet:
Eines enthält alle erwähnten Variablen
Ein zweites enthält anstelle der Wahlsysteme Länderdummys, um die Robustheit der Effekte der unteren Ebenen absichern zu können.
Studie von Christian Stecker (2011)
3.3 Methodik und Befunde 29
Ergebnisse Hypothese 1:
Kandidatenzentrierte Systeme führen nicht zu konsistenter Minderung der Geschlossenheit.
In einer nicht abgebildeten Regression ohne die Ostländer wirken sich gemischte Systeme nicht nachteilig aus.
Studie von Christian Stecker (2011)
3.3 Methodik und Befunde 30
Ergebnisse Hypothese 2:
Regierungsbeteiligung steigert die Geschlos- senheit um ca. 2,4 Punkte bei höchster Signifikanz.
Ergebnisse Hypothese 3:
Zunehmende Mehrheit wirkt sich erwartungsgemäß negativ auf Geschlossenheit aus
In Modell 2 verschwindet der Effekt.
Studie von Christian Stecker (2011)
3.3 Methodik und Befunde 31
Ergebnisse Hypothese 4:
Ideologische Distanz wirkt sich geringfügig, aber signifikant durch beide Modelle hinweg, aus.
Ergebnisse Hypothese 5:
Größte Geschlossen-heitsgewinne erwarten den RCV-Antrags-steller. 4,6 Punkte bei höchster Signifikanz.
Studie von Christian Stecker (2011)
3.4 Kritik 32
‚Index of Agreement‘ ist in seinen Resultaten fragwürdig:
Geringste Übereinstimmung (0) bei gleichmäßiger Verteilung
Bei verhärteten Fronten (50 – 50 Verteilung) geringer, aber deutlich höherer Effekt
Negativer Effekt von Enthaltungen?
Geringer Erklärungswert (R² von 0,058 bzw. 0,073) und die hohen Konstanten lassen viel zu wünschen übrig.
Studie von Christian Stecker (2011)
4. Zusammenfassung der Ergebnisse 33
Auf Parlamentarische Fraktionen wirken Einflüsse verschiedener Art, die auf Geschlossene Reihen bei Abstimmungen hinwirken:
Einflüsse können unter anderem ausgehen von
Vertikalen Verflechtungen des Parteisystems
Koalitionskonfigurationen
Wahlsystemen
Regierungserfordernissen
Fraktionsgröße
Individueller Taktik
Die Erklärungen können jeweils nur kleine Teile der Fraktionsgeschlossenheit erklären, während der Hauptanteil im Dunkeln liegt.