+ All Categories
Home > Documents > FP 03-12 pus  · dula Kaub 38 Psychotherapie als Mittel, anders zu denken und damit anders zu...

FP 03-12 pus  · dula Kaub 38 Psychotherapie als Mittel, anders zu denken und damit anders zu...

Date post: 29-Aug-2019
Category:
Upload: trandang
View: 212 times
Download: 0 times
Share this document with a friend
10
Psycho therapie MITGLIEDERMAGAZIN DES VERBANDES FREIER PSYCHOTHERAPEUTEN, HEILPRAKTIKER FÜR PSYCHOTHERAPIE UND PSYCHOLOGISCHER BERATER E.V. Ingeborg Weser Die Liebe wiederentdecken. Emotionsfokussierte Paartherapie Stefanie Füßner AAAttakeee... ich habe Panik Prof. Manfred Krames Vata – die Kraft, die über unsere Gesundheit entscheidet 12 3 VFPFORUM 4,50 ISSN 219 3-3499 VFP-Mitglieder-Magazin „Freie Psychotherapie“ Erscheinungsweise 4x jährlich 68 Seiten, A4, 4-farbig Auflage 12.000 Stück Produktion des Magazins in Zusammenarbeit mit der Redaktion P&S-Aufgaben Konzeption, Layout Textverarbeitung Recherche, Auswahl und Beschaffung der Fotos und Grafiken Textkorrektur Konvertieren der Druckdateien Druck- und Versandüberwachung
Transcript
Page 1: FP 03-12 pus  · dula Kaub 38 Psychotherapie als Mittel, anders zu denken und damit anders zu erleben P eter Bernhard 40 Erinnerungstherapie mit hochbetagten und dementen Menschen

PsychotherapieMITGLIEDERMAGAZIN DES VERBANDES FREIER PSYCHOTHERAPEUTEN, HEILPRAKTIKER FÜR PSYCHOTHERAPIEUND PSYCHOLOGISCHER BERATER E.V.

Ingeborg Weser

Die Liebe wiederentdecken.Emotionsfokussierte Paartherapie

Stefanie Füßner

AAAttakeee... ich habe Panik

Prof. Manfred Krames

Vata – die Kraft, die überunsere Gesundheit entscheidet

123

VFPF

ORU

M

€ 4,50ISSN 219 3-3499

VFP-Mitglieder-Magazin

„Freie Psychotherapie“

Erscheinungsweise 4x jährlich

68 Seiten, A4, 4-farbig

Auflage 12.000 Stück

Produktion des Magazins

in Zusammenarbeit

mit der Redaktion

P&S-Aufgaben

Konzeption, Layout

Textverarbeitung

Recherche, Auswahl und Beschaffung

der Fotos und Grafiken

Textkorrektur

Konvertieren der Druckdateien

Druck- und Versandüberwachung

Page 2: FP 03-12 pus  · dula Kaub 38 Psychotherapie als Mittel, anders zu denken und damit anders zu erleben P eter Bernhard 40 Erinnerungstherapie mit hochbetagten und dementen Menschen

VFP-ServiceteamTelefon 018 03 / 21 02 17 (9 Cent/Min.)

Dr. Werner WeishauptPräsident des VFPMontag11.00 – 12.30 Uhr

Supervisions-Sprechstunde, nach Vereinbarung:Donnerstag, 17.00 – 18.30 UhrSprechstunde für allgemeine und persön-liche Verbandsfragen, Anregungen undVorschläge zur Verbandsarbeit

Dr. Hartmut Gutscheappr. Psychotherapeut,Traumatherapie,Familien-, Ehe-, Sexual-

Therapie, Lebenstherapeut, SupervisorMontag 16.30 – 19.30 Uhr Supervision, nachVereinbarung: Fragen zur Eröffnung undFührung einer psychologischen Praxis, vonA (Anträge) bis Z (Zielorientierung)

Dr. René SasseRechtsanwaltDonnerstag15.00 – 16.30 Uhr

Sprechzeit für Rechtsfragen,Anruf bis 30 Minuten, € 30,–

FREIE PSYCHOTHERAPIE 03/2012

Auf ein WortLiebe Leserinnen und Leser,

wussten Sie schon, dass auch eine psychologische Beratung schon lebensrettend sein kann?Und das nicht nur in einem suizidalen Krisenfall, sondern ganz generell, indem sie dieKrankheits- und Sterbequote nachweislich verringert? Gleich mehrere Agenturen undZeitungen brachten Anfang August die Meldung aus Großbritannien, dass schon leichtepsychische Störungen mehr sind als Missbefindlichkeiten und deshalb gelöst werden sollten.Die Ärzte-Zeitung-online titelte am 4. August 2012 sogar: „Schon ein bisschen Stresstötet – Die Lebenserwartung von Menschen mit psychischen Problemen ist verkürzt. Auchdann, wenn die Beschwerden noch keinen Krankheitswert haben.“ Dieser Befund ergabsich aus einer groß angelegten Studie mit über 68 000 Teilnehmern, die im British MedicalJournal veröffentlicht wurde. Hauptergebnisse der Studie: Es gibt eine Dosis-Wirkungs-Beziehung zwischen psychischen Störungen und Sterblichkeit. Und: Selbst Menschen mitnur leichten psychischen Beschwerden – das waren rund 25 Prozent der Teilnehmer – habeneine schlechtere Prognose als psychisch Gesunde! Mehr Details dazu finden Sie in unseremAugust-Newsletter, dessen Lektüre wir Ihnen auch wegen anderer aktueller Meldungenempfehlen.

Damit ist statistisch erwiesen, dass Sie als Psychologische Berater/innen eine segensreicheund manchmal überlebenswichtige Funktion in unserer Gesellschaft erfüllen. Denn Siedecken mit Ihrem Angebot gerade die „leichten“ psychischen Probleme ab, bevor sieKrankheitswert gewinnen. Und nicht jede Problemlage bei Einzelnen, Paaren, Familien,Arbeitsteams usw. braucht gleich Psychotherapie!

Wenn aber der psychische oder psychosomatische Leidensdruck zu groß geworden ist, kannder Heilpraktiker für Psychotherapie schnell und unbürokratisch helfen. Das bewährt sichin der Praxis jeden Tag bei tausenden Kollegen bundesweit – auch wenn wir als Berufsgruppevon „offiziellen“ Stellen gerne übersehen werden. Hier bringen wir uns selbst ins Gesprächdurch eine aktive Öffentlichkeitsarbeit in Politik und Presse. Dabei haben wir einen wich-tigen Erfolg errungen: Von 11 der 16 Bundesländer haben wir die Zusage bekommen, dassdort der Heilpraktiker für Psychotherapie auch homöopathische Mittel in seine psychothe-rapeutische Arbeit einbeziehen darf. Eine aktuelle Umfrage bei den Gesundheitsministerienbelegt das. Auch das Land Hessen hat seine Haltung zu dieser Frage infolge der von unseingebrachten Argumente wieder in ein „Pro“ geändert!

In den anderen Bundesländern empfehlen wir Ihnen, sich auf den Artikel unseres Verbands-anwaltes Dr. Frank Stebner auf Seite 46 dieser Ausgabe der Freien Psychotherapie zubeziehen und damit ausgerüstet eine Anfrage an Ihr zuständiges Gesundheitsamt vor Ortzu richten. Bitte teilen Sie uns das Ergebnis Ihrer Anfragen mit, damit wir ein genauesKataster erstellen können!

Die Ihnen bereits angekündigte Aktion „Therapieplatz jetzt!“ befindet sich noch inder Ausarbeitungsphase. Es gibt hier viele Details zu bedenken – unter praktischen wierechtlichen Gesichtspunkten. Sobald die Website online geht, werden wir Sie umgehendinformieren, um Sie auch in die regionale Öffentlichkeitsarbeit über Zeitungen, Rundfunkusw. einzubeziehen.

Mit besten Wünschen

Ihre

Eckhardt W. Martin und Dr. Werner Weishaupt

3

AngelikaBaudisch-KunzeDienstag17.00 – 19.00 UhrSupervision, nach Ver-

einbarung: Fragen zu Klienten, Beratungs-und Therapieproblemen

Heidi KolboskeDonnerstag18.30 – 20.30 UhrSprechzeit für

Supervision, Prüfungstraining, Praxis-gründung und Werbung,Anruf bis 30 Minuten, Euro € 30,–

Aus dem Inhalt

2

T h e r a p i e u n d B e r a t u n g

Die Liebe wiederentdecken. EmotionsfokussiertePaartherapie nach Susan Johnson Ingeborg Weser 4

Wachtraum-Coaching mit derPhyllis-Krystal-Methode Alexander Höhne 8

AAAttackee ... ich habe Panik Stefanie Füßner 10

Eine philosophische undpsychologische Reise zum „Ich“ Gertrud M. Ringe 12

Was kann pferdegestützte Therapie leisten Ruth Maria Wenzl 14

Therapeutisches Coaching und heilsame Supervison.Die psychosomatische Energetik im beruflichen Kontext Ralf Wiecker 20

„Mein Sohn will sich beschneiden lassen“Ein Ritual in der multikulturellen Gesellschaft Götz Egloff 22

Systemische Einwände erkennen und behandeln –ein emotional-systemischer Ansatz Ronald Hindmarsh 24

Burnout: Wie gut Entspannung hilft Abbas Schirmohammadi 29

Vata – die Kraft, die über unsereGesundheit entscheidet Prof. Manfred Krames 32

Wie kann Psychotherapie Menschen verändern Petra Assert 37

Fallstudie aus der EMDR-Traumatherapie mit Kindern Kordula Kaub 38

Psychotherapie als Mittel, anders zu denkenund damit anders zu erleben Peter Bernhard 40

Erinnerungstherapie mit hochbetagtenund dementen Menschen Bettina Papenmeier 44

P r a x i s f r a g e n

Therapeutischer Einsatz von Homöopathika durchHeilpraktiker für Psychotherapie ist möglich Dr. Frank A. Stebner 46

Versicherungspflicht für SelbstständigeInterview mit Dr. Werner Weishaupt und Robert Zellerer 48

Auf aller Ebenen kommunizieren Isabella Bender, Jasmin Römer 50

S o n s t i g e s

Glückwunsche zur bestandenen Prüfung 51

Bericht über ein Praktikum Marina Niesen 52

Buch-/CD-Besprechungen 53

Aus der Presse 58

Angebote der Deutschen Paracelsus Schulen 60

VFP-GeschäftsstelleTelefon 05 11/3 88 64 [email protected]

Montag – Freitag 9.30 – 15.00 UhrTelefon 05 11/3 88 64 24Telefax 05 11/2 35 40 13

Dringende Anfragen bitte per E-Mail:[email protected]

Mehr Informationen zum VFP unterwww.vfp.de

ImpressumHerausgeber und RedaktionHP Eckhardt W. Martin, Dipl.-Kaufmann

Dr. Werner Weishaupt, Therapeut und Dozent

Teo Tiveg, Rainer Beckröge, Redakteure

TrägerVerband Freier Psychotherapeuten,

Heilpraktiker für Psychotherapie und

Psychologischer Berater e. V. (VFP)

Lister Straße 7, 30163 Hannover

Telefon 018 03/ 21 02 17

Telefax 05 11/2 35 40 13

[email protected], www.vfp.de

Layout und ProduktionP&S Werbeagentur, Hannover

Telefon 0511/90 91 98 30

[email protected]

Redaktionsschluss1.2./1.5./1.8./1.11. des Jahres

Auflage 12 000

Verkaufspreis € 4,50

Copyright VFP e. V.

Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht

in jedem Fall die Meinung des Herausgebers wieder.

Für unverlangt eingesandtes Material übernimmt

der Herausgeber keine Gewähr. Wir behalten uns

vor, Leserbriefe und Artikel zu kürzen sowie diese auch

für andere Publikationen des Verbandes und unsere

Internetseiten zu verwenden.

Die in dieser Zeitschrift veröffentlichten Beiträge

sind urheberrechtlich geschützt. Übersetzungen,

Nachdruck (auch von Abbildungen), Vervielfälti-

gungen auf fotomechanischen oder ähnlichen

Wegen sowie Speicherung in Datenverarbeitungs-

anlagen – auch auszugsweise – bleiben vorbehalten.

Von einzelnen Beiträgen oder Teilen von ihnen dür-

fen nur einzelne Kopien für den persönlichen und

sonstigen Gebrauch hergestellt werden. Tite

lfot

o: f

otol

ia©i

cete

asto

ck

Page 3: FP 03-12 pus  · dula Kaub 38 Psychotherapie als Mittel, anders zu denken und damit anders zu erleben P eter Bernhard 40 Erinnerungstherapie mit hochbetagten und dementen Menschen

Die Liebe wiederentdecken

Als erfahrene Psychologische Psycho-

therapeutin haben mich Paartherapien

schon immer fasziniert, manchmal je-

doch auch gestresst und ratlos sein

lassen. Wie konnte ich den Paaren helfen,

wieder liebevollen Kontakt miteinan-

der aufzunehmen nach Jahren tiefer

Verstrickung, Frustration, Streits und

emotionaler Distanz? Es gibt viele

wertvolle Techniken in der Paarthera-

pielandschaft, mir fehlte jedoch eine

übergreifende Theorie und Praxis, die

die Probleme bei der Wurzel packt. In

der Emotionsfokussierten Paartherapie

(EFT) nach Susan Johnson habe ich ge-

funden, was ich suchte.

„Liebe“ ist eine starkeemotionale Verbindung

Nach Johnson ist es die emotionale Bin-dung, die die Liebe stabil, kräftig und wider-standsfähig macht. Eine Paarbeziehung wirdals befriedigend und angenehm erlebt,wenn die Partner füreinander eine sichereemotionale Basis darstellen. Emotionale Ab-hängigkeit der Partner ist demnach ein ge-sundes Beziehungsphänomen, es impliziertund ermöglicht sogar eigenständiges Han-deln und Individuation. Forschungen zeigen,dass sich Paare, die die Verbindung mitein-ander durch das Auf und Ab des Lebensaufrechterhalten können, zufriedener füh-len, psychisch und körperlich gesünder sind,Konflikte in der Partnerschaft besser bewäl-tigen und bedeutend positiver miteinanderkommunizieren können.

Der Verlust der Liebe macht Angst

Paare, die unsere Hilfe suchen, erleben ihreemotionale Verbindung als geschwächt odernicht mehr vorhanden. Sie leiden darunter.Dieses Leiden ist psychologisch am bestenals Ausdruck von Panik zu verstehen: Ge-fühlsmäßig geht es quasi „um Leben undTod“, denn wenn die wichtigste Person imLeben emotional zu verschwinden droht,dann berührt das im innersten Wesen. DieAngst wird von den meisten Menschen nichtals solche erlebt. Sie bleibt unbewusst, äu-ßert sich jedoch in heftigen emotionalenReaktionen: Es kommt, je nach Art derjeweiligen Person, zu Streitigkeiten undKonflikten, Vorwürfen und Unzufriedenheitoder aber zu Rückzug, Kontaktabbruch, ei-sigem Schweigen. Dieses Verhalten hat psy-chisch die Funktion, sich vor der Angst zuschützen und sie zu begrenzen. Hier setztdie EFT an.

Phase 1: Die Interaktionsdynamikim Fokus

Nach Sitzungen, in denen Diagnostik undder Aufbau der therapeutischen Beziehungim Mittelpunkt stehen, geht es in der erstenPhase des Therapieprozesses um die typi-schen Interaktionsstile des Paares. Anhandvon Vorfällen, bei denen es zu Streit oderDistanzierung kommt, untersuchen die Part-ner mithilfe des/der Therapeuten/in, wel-ches Verhalten sie typischerweise gezeigthaben und welche emotionalen Hintergrün-de dies hat. Johnson hat drei Teufelskreisebeschrieben: Der am meisten verbreitete istdas „Angriff-Rückzugs-Muster“. Einer der

Partner, meistens die Frau, reagiert auf un-befriedigende Situationen mit anklagendemVerhalten. Sie beschwert sich, macht Vor-würfe, wird ärgerlich und setzt den Partnerunter Druck. Die typische Reaktion des Part-ners, meistens des Mannes, ist emotionalesRückzugsverhalten. Er argumentiert viel-leicht erst, schließt sich dann aber ab, hörtnicht mehr zu und erstarrt vielleicht. Oderer beschäftigt sich exzessiv mit seiner Arbeitoder seinem Hobby. Dieser Rückzug triggertnatürlich die Reaktion der Frau umso mehr.Auf Dauer kommt es so zu einer Spirale derNegativität, die schließlich in totaler Distan-zierung endet.

Ein wichtiger Schritt in der Paartherapie istdas Bewusstwerden dieses Teufelskreises:Beide tragen dazu bei und niemand ist„schuld“. Der Interaktionszyklus wird zum„Feind“ erklärt, den es gemeinsam zu be-kämpfen gilt. Dies führt im Allgemeinenschon im frühen Therapiestadium zur Dees-kalation. Die Partner beginnen, einanderzuzuhören und die eigene innere Welt zuexplorieren. Sie sind in der Lage, den nega-tiven Interaktionszyklus zu erkennen undWege zu finden, aus ihm auszusteigen.

Phase 2: „Bist du für mich da, wenn ichdich brauche?“

Im Mittelpunkt stehen die Erkundung deremotionalen Hintergründe dieses Verhaltensund die emotionale Öffnung dem Partnergegenüber. Hier wird das Paar eingeladen,Schritt für Schritt mit den eigenen Gefühlenund Bedürfnissen in Kontakt zu kommenund den Partner daran teilhaben zu lassen.So zeigt sich zum Beispiel, dass der Ärgerder Frau eigentlich auf einem Gefühl vonAngst und Einsamkeit beruht, da sie dieVerbindung zu ihrem Mann zu verlierendroht. Und hinter dem Rückzug des Mannesverbirgt sich vielleicht die Angst, nicht gutgenug zu sein für die Frau und sie darumzu verlieren.

In diesem Stadium

kann es auch zur

Exploration von Be-

z iehungsmustern

kommen, die aus

der Kindheit des je-

weiligen Partners

stammen. Schließ-

lich gelingt es den

Partnern, einander

von ihren tiefsten

Ängsten und Bedürfnissen zu erzählen. Sokann die Frau vielleicht sagen, dass es ihregrößte Angst ist, dass der Partner genugvon ihr hat und sie verlassen will. Dass siees braucht, dass er sie beruhigt und in denArm nimmt, wenn diese Angst am größtenist. Und der Mann kann zugeben, dass erAngst davor hat, dass die Unzufriedenheitseiner Frau ein altes Gefühl, nicht gut genugzu sein, triggert und er es dann braucht,dass sie auch seine Qualitäten sieht und ihnliebt, so wie er ist.

Wenn es für beide Partner möglich ist, dieseemotional verletzlichen Gefühle und Be-dürfnisse miteinander zu teilen, kommt eszur bleibenden, großen Veränderung in derBeziehung. Die emotionale Verbindung wirdSchritt für Schritt wiederhergestellt, diePartner kommunizieren und interagieren inpositiver Weise miteinander bzw. sind in derLage, Konflikte zu lösen.

In der dritten Phase der Therapie gilt es, dasErarbeitete zu konsolidieren, damit die Liebeauch in Zukunft lebendig bleibt.

Susan Johnson

Die Emotionsfokussierte Paartherapie wurdein den achtziger Jahren von Susan Johnson(zu Beginn in Zusammenarbeit mit LesleyGreenberg) entwickelt. Susan Johnson isteine kanadische Psychologieprofessorin miteiner warmen und inspirierenden Persön-lichkeit. Ihre Bücher wurden in 13 Sprachenübersetzt und EFT-Trainings finden in vielenLändern statt. Besonders seit dem Erschei-nen des populärwissenschaftlichen Buches„Halt mich fest“ im letzten Jahr wächst dasInteresse bei hilfesuchenden Paaren enorm.

Bindungstheorie als theoretische Basis

Die EFT basiert theoretisch auf der Bin-dungstheorie (John Bowlby, 1989) und denForschungen zur Bindung bei Erwachsenen(Mikulincer & Shaver, 2007).

Emotionsfokussierte Paartherapie nach Susan Johnson

T h e r a p i e u n d B e r a t u n g4 5

FREIE PSYCHOTHERAPIE 03/2012

foto

lia©i

lro

foto

lia©m

ango

stoc

k

Page 4: FP 03-12 pus  · dula Kaub 38 Psychotherapie als Mittel, anders zu denken und damit anders zu erleben P eter Bernhard 40 Erinnerungstherapie mit hochbetagten und dementen Menschen

Bindung zwischen Menschen ist überle-bensnotwendig. Die Beziehungen zwischenMenschen sind dadurch geprägt. Das giltauch für Erwachsene, insbesondere für Le-benspartner. Geborgenheit mit und Akzep-tanz vom Partner wird als Sicherheitssignalerlebt und reduziert damit Gefühle vonAngst und Bedrohung. Die damit verbunde-ne „effektive Abhängigkeit“ („Du bist mirwichtig und ich bin dir wichtig“) führt zuResilienz und verstärkt Explorationsverhal-ten und Individuierung.

Bindung und Liebe entstehen durch Er-fahrungen emotionaler Präsenz und gegen-seitiger Ansprechbarkeit („responsiveness“).Die Partner fühlen sich sicher genug, sichdem Anderen gegenüber zu öffnen, Gefühlezu zeigen und Verletzlichkeiten zu offenba-ren. Interaktionen werden durch positiveGefühle getragen. Konflikte können gelöstwerden.

Emotionale Isolation dagegen ist trauma-tisierend: Zu viel Streit oder emotionalerAbstand führen zu Verlustangst. Sie könnensich auf unterschiedliche Weise äußern: InProtestverhalten, mit dem impliziten Ziel,den Kontakt mit dem Partner zu forcieren(Wut, Kritik, Forderungen). Oder in Rück-zugsverhalten mit dem impliziten Ziel, denKonflikt zu deeskalieren (Schweigen, Gefüh-le ausschalten, Abstand halten, Fluchtver-halten).

Wenn diese negativen Interaktionszykleninstalliert sind, kommt es chronisch zu Ge-fühlen von Unsicherheit. Der Partner fun-giert nicht mehr als „sicherer Hafen“, son-dern wird als potenziell gefährlich erlebt.Das Verhalten des Anderen wird vor allemnegativ interpretiert („Du machst ja dochimmer nur, was du willst“). Damit kommtes zur Verstärkung negativer Interaktions-zyklen und auf Dauer zu fortschreitenderDistanz der Partner.

EFT als Leitfaden für dieBehandlungspraxis

Ein großer Vorteil der EFT für die Behandlersind die klaren und strukturierten Interven-tionen und Strategien für die therapeutischeArbeit.

Negatives Interaktionsverhalten wird alsVersuch verstanden, die Beziehung wieder-herzustellen bzw. zu schützen. Dies machtes den Behandlern leichter, damit in kon-struktiver Weise umzugehen. Bei den Part-nern trägt es zur Deeskalation bei.

Der Fokus der Arbeit liegt auf der Dyna-mik negativer Interaktionszyklen, nicht aufdem Inhalt. Es geht in der Sitzung z. B. nichtum den Inhalt eines Streites („Wer machtwas im Haushalt?“), sondern um die Art undWeise, wie dieser ausgetragen wurde. („Waspassierte in Ihnen, als Ihre Partnerin Siekritisierte?“ „Was haben Sie daraufhin ge-tan?“). Dies gibt dem Therapieprozess Rich-tung und Klarheit und hilft den Behandlern,sich auf das Wesentliche zu konzentrieren.

EFT beschreibt drei Behandlungsstadienund darin neun deutlich umschriebene Be-handlungsschritte. Auch sie helfen, die Be-handlung zu strukturieren und den Behand-lungsfokus zu halten.

In Kontakt zu kommen mit Emotionen istein wichtiger Fokus der Behandlung. Emo-tionen motivieren sowohl negatives Inter-aktionsverhalten (meistens Wut, Gefühls-taubheit) als auch positives Interaktions-verhalten (meistens Trauer, Freude). UmVerhaltensmuster zu ändern, ist es notwen-dig, dass die Klienten diese Emotionen nichtnur begreifen, sondern auch in Gefühlskon-takt damit kommt. Die EFT als erlebnisori-entierte Methode mit Wurzeln in der hu-manistischen Psychologie weiß um dieBedeutung von Emotionen im Behand-lungsprozess und beschreibt Methoden, da-mit in Kontakt zu kommen.

Das Kennenlernen der Emotionen und ihrAusdruck im Kontakt mit dem Partner führtzur Bewusstwerdung von damit verbunde-nen primären Bindungsbedürfnissen wiez. B. sich verbunden versus sich allein undverlassen zu fühlen, sich akzeptiert versussich falsch und schuldig zu fühlen, sichwichtig versus sich unwichtig für den an-deren zu fühlen.

Wenn mithilfe der Therapie Schritt fürSchritt das Vertrauen der Partner wächst,sich im Kontakt mit dem Anderen zu öffnen,sich verletzlich zu zeigen, die wirklichentiefen Bindungsbedürfnisse zu äußern undwenn diese vom Partner aus vollem Herzenbestätigt werden können, dann führt daszu grundlegenden und stabilen Veränderun-gen in der Beziehung. Die emotionale Bin-dung wächst, die Kommunikation wird po-sitiver, Konflikte und Probleme können

gelöst werden. Das Gefühl von Liebe undSicherheit im Kontakt mit dem Anderenwird wiederhergestellt.

Die EFT kombiniert interpersonelle undintrapsychische Interventionen. Einmal liegtder Fokus auf der Interaktion zwischen denPartnern. Dann wiederum arbeitet einer derPartner an eigenen psychischen Mustern.Dass dies im Beisein des Anderen geschieht,verstärkt den Effekt und trägt Schritt fürSchritt bei zu einer Beruhigung im Bezie-hungssystem.

Die EFT hat sich auch bei Paaren mitTraumatisierungen und anderer Psychopa-thologie bewährt. In diesen Fällen mussallerdings von einem längeren Therapiepro-zess ausgegangen werden. Normalerweisedauern EFT-Prozesse 8 bis 20 Sitzungen.

Die EFT ist eine der wenigen paarthe-rapeutischen Methoden, die intensiv er-forscht worden ist. Die Effektivität die-ser Methode wurde in den vergangenen20 Jahren überzeugend nachgewiesen. Esgibt auch Studien zur Prozessforschung undzu Wirksamkeitsprädiktoren.

Literatur

Johnson, Susan M., Praxis der Emotionsfo-kussierten Paartherapie. Verbindungen her-stellen, Junfermann Verlag, Paderborn, 2009

Johnson, Susan M., Halt mich fest. SiebenGespräche zu einem von Liebe erfüllten Le-ben. Emotionsfokussierte Paartherapie in derPraxis, Junfermann Verlag, Paderborn, 2011

Bowlby, John, Attachment and Loss, Pengu-in, London, 1989

Mikulincer, Mario & Shaver, Phillip R.,Attachment in Adulthood. Structure, Dyna-mics, and Change, The Guilford Press, NewYork, 2007

Ingeborg WeserJahrg. 1953, Psychologische Psychothera-peutin. Sie arbeitet seit 25 Jahren in eigenerPraxis und ist Mitglied im Leitungsteamdes EFT-Netzwerks Deutschland, das sichfür die Verbreitung der Emotionsfokussier-ten Paartherapie in Deutschland [email protected]

T h e r a p i e u n d B e r a t u n g6

Page 5: FP 03-12 pus  · dula Kaub 38 Psychotherapie als Mittel, anders zu denken und damit anders zu erleben P eter Bernhard 40 Erinnerungstherapie mit hochbetagten und dementen Menschen

Wachtraum-Coaching mit derPhyllis-Krystal-MethodeAls ich 2001 die Arbeiten von Phyllis Krystalkennenlernte, dachte ich nicht, dass icheinmal zu einem engagierten Vertreter ihrerMethodik werden würde. Doch mit der Zeithaben viele Erfahrungen sowohl an mirselbst als auch in der Arbeit mit Klienten zueiner Bewunderung und Wertschätzungdieser Arbeit geführt, die ich für kaum etwasanderes empfinden kann.

Phyllis Krystal wurde 1914 in England ge-boren und machte eineAusbildung zur Lehrerinfür Erwachsene. Sieheiratete in die USA, wosie zunächst eine Familiegründete und zweiTöchter aufzog. In den1950er Jahren begannsie mit ihrer bestenFreundin eine experi-mentelle psychologischeForschung. Dabei ging esihnen darum, immerbesser in Kontakt miteiner Dimension in sichselbst zu kommen, diesie als HiC für „HigherConsciousness“ bezeichneten. Das Konzeptverschiedener Dimensionen im eigenenSelbst lernten sie über die Diskussion derArbeiten von Carl Gustav Jung kennen. Esging ihnen bei ihren Versuchen um dasFinden einfacher und pragmatischer Formender Kommunikation mit den verschiedenenDimensionen des eigenen Selbst. Der Ein-fachheit halber unterschieden sie nach undnach drei Dimensionen:

1 das alltägliche Wissen und Bewusstsein

2 das konditionierte und routinierte Wissenund Bewusstsein und schließlich

3 das Schöpferische und Weise im eigenenSelbst (das HiC)

Die Grundidee der Arbeit ist einfach: Wennes gelingt, sich mit dem eigenen HiC zuverbinden, so kann man aus dieser Verbin-dung Unterstützung bei der Bewältigung

alltäglicher Belastungen und Probleme be-kommen.

Eine erste Frage, die sich den beiden For-scherinnen stellte, betraf das Erleben, dassman durch den Tag hindurch oft Gefahrläuft, das eigene Zentrum zu verlieren. Dasbedeutet dann auch, dass man nicht mehrgenau spüren kann, was man selber eigent-lich will. Dadurch wird man offen für Mani-pulationen durch andere oder stellt dasWollen anderer über das eigene. Aus diesemErleben entstand die Frage nach den Ursa-chen und nach einer möglichen Behandlungdes Problems.

Die Arbeitsweise ist einfach und wurde vonden beiden Frauen in einem eigenen Symbolzusammengefasst, das heute auch alsGrundlage für die Arbeit mit Klienten dient.Es nennt sich das Dreieck: In dieses Symbol

ist bereits die erste Antwort oder Einsichtdurch die Intuition der beiden Forscherinneneingeflossen. Denn auf die Frage nach derUrsache für die Instabilität der eigenenPerson im Tageslauf wurde deutlich, dasswir moderne Menschen oft ein zu wenigklares und selten stabiles Bewusstsein un-seres eigenen Territoriums haben. JederMensch hat einen ureigenen Raum, nichtnur durch seinen Körper, sondern auchdurch dessen Umfeld. Dieses Territoriumwird dadurch beschrieben, dass wir zunächstunsere Arme ausstrecken, unsere Hände undunsere Finger. Wenn wir uns vorstellen, dasswir uns um unsere eigene Achse drehen,entsteht um uns ein Kreis im Durchmesserunserer ausgestreckten Arme und Finger.Diesen Kreis stellen wir uns am Boden vor.Das ist unser ureigenes Territorium, unsereIntimsphäre, unser Rückzugsort. Diesen Ort

sollten wir immer bereit sein zu verteidigen,sowohl als äußeren Raum als auch als Sym-bol für unser wahres, persönliches Selbst,unseren persönlichen Innenraum. Denn dieVerteidigung und Bewahrung dieses Innen-raums ist oft noch viel wichtiger als derreale Raum um uns.

In der forschenden Arbeit oder der Arbeitmit Klienten wenden sich die Anwender derPhyllis-Krystal-Methode symbolisch an daseigene HiC, um Antworten und Anregungenzu erhalten. Durch das gleichzeitige ge-meinsame Hinwenden an das HiC mit einergleichen Frage oder Thematik ergibt sichein multiples HiC, dessen Kraft stärker wirktals in der Arbeit, die man alleine durchführt.

Im Verlauf der Erarbeitung von Antwortenauf Fragen, die sich im Alltag oder durchdas Leben stellen, wurden einige Themen

deutlich, die praktischalle Menschen betref-fen. Ein solch grundle-gendes Thema ist dieBeziehung zu den bio-logischen Eltern, insbe-sondere wenn dieseauch als Erziehendefungiert haben. DieEltern sind Bezugsper-sonen, die wir in einersehr verwundbaren undabhängigen Phase un-seres Lebens treffen.Wir sind ihnen gewis-sermaßen ausgeliefert.Und selbst die besten

Eltern sind Eltern mit Vorlieben und Nei-gungen – auf diese reagieren wir. Wir bildenunsere Persönlichkeit in unseren ersten Jah-ren nicht allein aus der ureigensten Quelleunseres Selbst, sondern in Reaktion aufunser Umfeld und insbesondere auf unsereEltern. Dadurch entsteht eine gewisse auto-matisierte Unfreiheit und Selbstentfrem-dung, die sich behindernd auf unser Lebenauswirken kann.

Dieser belastende Teil der Bindung an dieEltern wurde und wird in manchen Kulturenzum Teil durch Pubertäts- oder Initiations-riten aufgehoben. Durch ihre Arbeit kamPhyllis Krystal zu der Erkenntnis, dass inden westlichen Industrieländern das nor-male Durchleben der Pubertät nicht aus-reicht, um diese Bindungen aufzulösen.Daraus entstand die Einsicht, dass esergänzende Verfahren braucht, besonders

wenn die Beziehung zu den Eltern zu Bela-stungen im Alltag als Erwachsener führt.Daraus entstand unter Hinwendung an dasHiC das Verfahren „die inneren Fesselnsprengen“, bezogen auf die eigenen Eltern.In Bezug auf die Eltern begründete PhyllisKrystal eine neue Art des Pubertätsrituals.Wie befreiend dieses wirken kann, möchteich an zwei Fallbeispielen erläutern.

Einer meiner ersten Klienten war ein pen-sionierter, alleinstehender Mann, der sichwegen einer Angststörung in psychia-trischer Behandlung befand. Der Psychia-ter konnte die Angststörung medikamen-tös lindern, aber nicht das begleitendeschlechte Gewissen und das Gedankenren-nen, das der Klient jeden Morgen erlebte.Deswegen kam er in meine Praxis. Inhaltedes Gedankenrennens waren Erlebnissemit den eigenen Eltern, Episoden aus derenLeben, Gefühle und Gedanken bezüglichdes eigenen Lebens und das der Eltern.Obwohl dieser Klient lange aus der Puber-tät heraus war und auch sein Berufslebenschon hinter sich hatte, erlebte er immernoch eine innere Abhängigkeit von denEltern, die ihn unfrei machte. Zum Zeit-punkt der Gespräche war der Vater bereitseinige Jahre verstorben, die Mutter lebtenoch in einem Altersheim. Er besuchte siekaum und machte sich deswegen Vor-würfe. Sein anstrengendes, inneres Bezo-gensein auf vergangene Abschnitte seineseigenen und des gemeinsamen Lebens mitden Eltern und der Mutter raubte ihm denGroßteil seiner Energie und schränkte auchseine Leistungsfähigkeit im Alltag ein.

Neben einigen Gesprächen zur Einordnungdes Erlebens und zur Stärkung der eigenenMotivation sowie zur Arbeitsweise derPhyllis-Krystal-Methode haben wir dasPubertätsritual der Methode in Bezug aufbeide Elternteile durchgeführt. Die innerenKonflikte haben sich in der Verarbeitungs-phase deutlich reduziert. Lebensfreude undAlltagsaktivität haben deutlich zugenom-men. Besonders berührend war für michder Bericht, dass der Todestag des Vatersnach vielen Jahren zum ersten Mal ohneDepression erlebt werden konnte und dassstattdessen eine liebevolle Erinnerungmöglich wurde. Der Kontakt mit der Mutterwurde intensiviert und der Klient schienzuversichtlich, seine Pensionierung nunendlich auch genießen und noch geplanteVorhaben angehen zu können. Wir haben

insgesamt drei Monate zusammenge-arbeitet und hatten in dieser Zeit sechsSitzungen. Diese dauerten in der Regel90 Minuten, die Sitzungen mit den Cut-tings ca. 120 Minuten.

Eine andere Klientin kam mit einer ganzanderen Ausgangslage. Die gestandeneBerufsfrau, geschieden, mit einem erwach-senen Sohn, selber Ende dreißig, befandsich seit kurzem in einer Ausbildungssitua-tion. Diese sollte ihr einen neuen Bereichinnerhalb ihrer Tätigkeit im Bereich So-ziales ermöglichen. Seit vielen Jahren wardas die erste umfassendere Weiterbildung,die nicht nur fachliche, sondern auch welt-anschauliche Herausforderungen bot. DieKlientin suchte eine Erweiterung ihrerWeltsicht durch den Kontext einer auchspirituell orientierten Berufspraxis.

Sonderbarerweise erlebte sie trotz einerhohen Motivation und grundsätzlichenZufriedenheit mit der Ausbildung immerwieder Panikattacken, wenn sie die Räumeder Schule betrat. Zudem erlebte sie eineSprechhemmung, wenn sie ihre eigenenMeinungen und Ansichten ausdrückensollte. Obwohl sie eigentlich nicht scheuwar und sich in den Sitzungen ungehindertauch über sensiblere Themen aussprechenkonnte, erlebte sie sich im Kurs blockiertund gehemmt. Das Nachfragen zeigte kei-nen konkreten Anlass in der Gruppe oderim Setting. Beim Nachfragen, wann siezuletzt Ähnliches erlebt habe und wannsie so etwas in ihrer Erinnerung zuersterlebt hätte, kamen wir auf ihre Kindheitund die Situation zuhause.

Insbesondere während ihrer Schulzeitund in ihrer Pubertät entstand im Eltern-haus eine Situation, die eine große Be-lastung der Familie bedeutete. Ihre ältereSchwester war die Treppe heruntergefallenund hatte sich so schwer verletzt, dass sienie wieder gesund wurde und schließlichfrüh starb. In der Folge hatte die Muttereine Mischung von Depression und Tyran-nei entwickelt, was dazu führte, dass dieoffensichtliche Überforderung der Familiezu einem Dauerzustand wurde. Unteranderem wurde der Klientin zuhause dieÄußerung ihrer Gefühle und Meinungenuntersagt. Ihr wurde zudem suggeriert –zumindest wirkte das so auf sie – dassihre Mutter es lieber gehabt hätte, wennsie statt ihrer Schwester gestorben wäre.Es wurde in den Gesprächen deutlich,

dass der Besuch der Schule in der jetzigenSituation eine Affektbrücke zur längstvergangenen Schulzeit herstellte. Es wurdeauch deutlich, dass die damalige Situati-on eine gesunde pubertäre Abnabelungund Findung der eigenen Selbstständigkeitstark behindert hat. Daher haben wir auchhier zunächst das Pubertätsritual durch-geführt. Bereits diese Arbeit führte zu ei-ner deutlichen Verbesserung des Erlebensin der aktuellen Ausbildungssituation. Eswurden weitere Themen deutlich, die wirin eigenen Schritten behandelt haben.

Die Klientin erwachte aus ihrer Lähmungin der Ausbildungssituation und konntenun besser und klarer als zuvor feststellenund ausdrücken, was für sie selbst richtigund wichtig war. Für die Arbeit mit denEltern haben wir insgesamt fünf Sitzungenverwendet, drei mit jeweils ca. 75 Minutenund die zwei Sitzungen mit dem Ritual mitca. 120 Minuten.

Das Pubertätsritual ist kein Ritual im äuße-ren Sinne. Vielmehr besteht es aus einemAblauf innerer Schritte, die im Handbuchzur Methode dokumentiert sind. DieseSchritte werden ähnlich einer geführtenFantasiereise oder Meditation mithilfe einesFacilitators durchlaufen. Der Aufbau ist teilsinteraktiv und bekommt dadurch einen je-weils individuellen und situativen Charakter.

Mehr Informationen finden Sie in den Bü-chern von Phyllis Krystal und im Internet.Die Anwendungsmöglichkeiten sind breit.Das hier angesprochene Pubertätsritualist ein grundlegendes Verfahren. Es gibtauch sehr viele weitere Anwendungsmög-lichkeiten.

FREIE PSYCHOTHERAPIE 03/2012

foto

lia©T

hom

as O

tto

T h e r a p i e u n d B e r a t u n g8 9

Alexander HöhneJhg. 65, seit 2006 eigene Praxis: Wachtraum-Coaching mit der Phyllis-Krystal-Methode.Ab 2001 Selbststudium der Arbeiten vonPhyllis Krystal. Seit 2006 Kurse, Schulungenund Einzelsitzungen bei Phyllis Krystal sowieTeilnahme in Intervisions- und Supervisions-gruppen zur Phyllis-Krystal-Methode. Seit2009 durch Phyllis Krystal zertifizierter An-wender. [email protected]

Page 6: FP 03-12 pus  · dula Kaub 38 Psychotherapie als Mittel, anders zu denken und damit anders zu erleben P eter Bernhard 40 Erinnerungstherapie mit hochbetagten und dementen Menschen

Scheinbar ohne Anlass sind wir plötzlicheiner Todesangst ausgesetzt: aufsteigendeHitze – Kälte. Es wird uns übel, das Herzbeginnt zu rasen, die Wahrnehmung verengtsich, Seh- und Hörstörungen belasten uns.Wir bangen, verrückt zu werden, wir bekom-men schlecht Luft, die Angst überwältigtuns immer mehr und wir wollen flüchten.Magenkrämpfe machen sich breit, mancheerbrechen, klagen über Enge im Brustraum,andere befürchten, sie hätten einen Herzin-farkt. Von Kreislaufproblemen und einer na-henden Ohnmacht wird berichtet. Viele be-ängstigende Symptome mehr sind möglich.

Eine Angstattacke ist eine überhöhte Re-aktion des Körpers auf Furcht oder Stress.Wird der Mensch mit einer potenziell ge-fährlichen Situation konfrontiert, schüttetder Körper Adrenalin aus, um dadurch den„Flucht- oder Kampfinstinkt“ auslösen zukönnen. Wird allerdings zu viel Adrenalinproduziert, kann dieser Überschuss demMenschen Gefühle des absoluten Terrorsbescheren. Als ersten Lösungsansatz hiermit der Ursachenforschung zu beginnen,stellt sich eher als kontraproduktiv dar. Dennich setzte mich damit noch mehr unterAngst fördernden Druck. Als erstes Gebotbei einer Panikattacke sehe ich, die Realitätzu erkennen: Ich sterbe nicht dabei!Sie bringt mich nicht um! Ich habedie Chance, eine Attacke so zu gestalten,dass ich sie aushalten kann. Es stehen unsdazu mehrere Möglichkeiten zur Verfügung.

Nicht zu vergessen ist, dass hormonelleUmbrüche/Entwicklungen, sowohl bei Män-nern als bei Frauen, oftmals mit gleichenSymptomen eine Panikattacke herausfor-dern. Ebenso ist ein Drogenmissbrauch aus-zuschließen. Nachdem ich ärztlich abgeklärthabe, dass somatisch keine Erkrankung vor-liegt, fange ich an mitzuarbeiten:

Vielen ist eine Ablenkung willkommen. Ichkann bewusst im Anfall z. B. mich verstärkt

sportlich betätigen. Ich hüpfe/tanze/rennesie weg, diese Panik. Oder ich gehe bewusstmeiner gerade ausgeübten Tätigkeit weiternach. Ich lasse mir meine Panik nicht an-merken. Ich schiebe z. B. bewusst, wennauch mit Höllenqualen, den Einkaufswagenweiter und bleibe in der Schlange vor derKasse stehen. Vorsorglich lege ich mir einGedankenmuster zurecht, welches mir hilft,auszuhalten. Denn es passiert mir nichts!Ich werde nicht dabei sterben! Habe ichdiesen bedrohlichen Zustand einmal be-wusst ausgehalten, bin ich hier gefeit vorder noch dazukommenden Angst, wie halteich eine weitere Panikattacken aus? Siesind auszuhalten und ich gehe lebendaus ihnen hervor – sogar gestärkt!

Dann sind einige Notfallmedikamente na-turheilkundlich, homöopathisch und schul-medizinisch auf dem Markt. Ich darf michdamit ausstatten, um immer einen sicherenNotfallhelfer beiseite zu haben. Ein Benut-zen dieser Medikamente wird immer weni-ger nötig, denn allein die Sicherheit, die siemir geben, zählt. Entspannungspraktikensind zusätzlich hilfreich.

Es gibt Personen, denen ich mich im Notfallanvertrauen kann. Allein schon durch einGespräch gelange ich wieder zur emotiona-len und körperlichen Fassung. Wichtig hier-bei ist, diese Strategie nur als „Notfall-medikament“ zu benutzen.

Wir können also einen schweren vegetati-ven Angstanfall, auch wenn wir ihn einfachnur annehmen, und das ohne große Auf-merksamkeitserregung, aushalten. Und ge-nau darum geht es hauptsächlich beidem Grad einer psychischen „Verirrung“.Wie viel halte ich aus und wie wichtignehme ich mich in solch psychischschwierigen Situationen und Zeiten.

Die Ursache unserer Panik finden wir heraus,wenn wir uns dem öffnen, was unser Körperanzeigt. Mannigfaltige Gründe gibt es da-für. Allein, wenn wir uns immer wiederSituationen aussetzen, die wider unsere

Natur und unser Wollen sind, sind wir an-fällig. Es muss nicht zwingend ein ein-schneidendes Erlebnis in der Kindheit,Jugend oder im Erwachsensein als Wur-zel gesucht werden. Mitunter fühlen wir„etwas“ und können dieses Gefühl abernicht annehmen, geschweige denn, einord-nen. Wir unterdrücken es und verdrängen.Eine Panikattacke weist uns auf diesesUnterdrücken/Verdrängen hin. Wir verlan-gen zu viel von uns! Unsere Erwartungen,Ansprüche, Leistungen, Wünsche sind zuhoch aber zuweilen auch zu niedrig ge-steckt. Es bleibt dem Körper nichts ande-res, als überzureagieren, denn er wirdhier stetig überfordert, dies gleichsam beieiner „Unterforderung“.

In diesen meist nur wenigen Minuten(schlimmstenfalls Stunden) eines Panikzu-standes spüren wir uns intensivst. Dies istvielen vor und nach der Attacke in diesemAusmaß meist gar nicht möglich. UnsereGefühle entstehen immer als Folge unsererGedanken, Wünsche, Erwartungen und un-seres Erlebten. Eine Panikattacke ist hier einextrem gebündeltes verkanntes Gefühl. Des-halb hilft auch bei diesem Syndrom einUmdenken. Die Richtung entdecken wir.

Vorerst trösten wir uns ein wenig damit:Panikattacken sind heilbar. Es besteht KEINEGefahr! Wir passieren diesen Weg! Undsehen ihn als Herausforderung zur Erkennt-nis und Stärkung unseres Selbst.

FREIE PSYCHOTHERAPIE 02/2012

Stefanie FüßnerPsychologische Beratung„Hilfe zur Selbsthilfe“Hauptstraße 28, 86438 KissingBeratung via Chat: www.steffis-chat.de

Foto

s: L

aura

Bar

rien

tos

Low

ey

AAAttackeee . . .ich habe Panik!Ich sterbe nicht dabei! Sie bringt mich

nicht um! In der Klassifikation der Angst-

störungen wird zwischen der Realangst

und der übertriebenen, und damit krank-

haft veränderten, Angst unterschieden.

Diese Trennung ist überflüssig, da es eine

übertriebene Angst nicht gibt! Panik-

attacken sind psychische Reaktionen,

individuell zu betrachten und niemals

grundlos. Dem Betroffenen und den

Außenstehenden erscheinen sie meist

dennoch wie aus dem Nichts. Sie über-

wältigen aus dem Kontext gerissen.

Beeinträchtigen, unverstanden und ihnen

hilflos ausgeliefert, deutlich die Lebens-

qualität.

T h e r a p i e u n d B e r a t u n g

FREIE PSYCHOTHERAPIE 03/2012

10 11

Page 7: FP 03-12 pus  · dula Kaub 38 Psychotherapie als Mittel, anders zu denken und damit anders zu erleben P eter Bernhard 40 Erinnerungstherapie mit hochbetagten und dementen Menschen

Gertrud M. RingeHeilpraktikerin, NLP-Master, Seminarleiterin

für Stressprävention und StressbewältigungFerdinand-Wallbrecht-Straße 5730163 [email protected]

Erfahrungsbericht über den Kurs zum (Selbst-)Verständnis ...oder eine philosophische und psychologische Reise zum „Ich“

Hintergründe

Die Hiobsbotschaften über die sich epi-demieartig verbreitenden psychischen Pro-bleme und Krankheiten – Stress, Burnout,Depression – sind allgegenwärtig.

Es dauert oft mehrere Monate, bis die Be-troffenen einen Therapieplatz bekommen.Wie viele Menschen zwar – noch – nichterkrankt sind, jedoch mit großen seelischen,psychischen Problemen kämpfen, ist nichtermittelbar. Diese Dunkelziffer dürfte aufjeden Fall sehr hoch sein. Die Reihe derverursachenden äußeren Umstände ist langund auch bekannt. Einige Beispiele sind –unter anderem – Reizüberflutung, Unsicher-heit der Arbeitsplätze, Spannungen in derFamilie durch veränderte Rollenverhältnisse,Zeitmangel, Überforderung.

Die inneren Umstände, wie z. B. geringeSelbstkenntnis und -akzeptanz, überhöhteErwartungen an sich, chronische Unzufrie-denheit, bleiben jedoch bis zur Diagnose-stellung einer „handfesten“ Erkrankung imSchatten des Schweigens. Bewertungen wie„gut – böse“, „schön – hässlich“, „richtig –falsch“, „erfolgreich – erfolglos“ sind imSprachgebrauch und auch in den Köpfenallgegenwärtig.

Jeder Mensch bewertet sich auch selbst:seine Eigenschaften, Fähigkeiten, sein Aus-sehen. Das Ergebnis dieser inneren Revisi-on fällt meistens wenig schmeichelhaft aus,da das Augenmerk überwiegend auf dievermeintlich negativen Eigenschaften ge-richtet wird. Daraus entwickeln sich unteranderem selbstverschmähende Gedanken-schleifen und Überzeugungen: „Ich bin nichthübsch – fähig – genug“ etc. Diese – oft

unbewusste – negative Selbsteinschätzungführt zu inneren Spannungen, die häufigeFehlschläge und Konflikte verursachen. DerKreis schließt sich, indem diese Ereignis-se wiederum als Bestätigung der abwerten-den Meinung über sich angesehen werden.Psychische und – nur auf den zweiten Blickals psychosomatisch erkennbare – körper-liche Krankheiten sind oft die Folgen derso entstandenen Negativspirale.

Meine Motivation und Intention

In unserem Schulsystem werden alle(?)wichtigen Fachrichtungen unterrichtet, umdie Jugendlichen auf das anspruchsvolleBerufsleben adäquat vorzubereiten undihnen auch ein gutes Allgemeinwissen zuvermitteln. Es gibt jedoch keine Schulung– abgesehen von einigen Pilotprojekten –in Fächern wie „soziale und emotionaleKompetenzen“ oder gar Lebensfreude, ob-wohl solche Kenntnisse im täglichen Lebengrundlegend wichtig sind (wären).

Unter dem Begriff Lebensfreude versteheich in diesem Fall die bewusste Akzeptanzdes inneren „Selbst“ und das „Ja-Sagen“zu sich, zu den eigenen Gefühlen sowiezu den verschiedenen Aufgaben, Ereignis-sen des Lebens. Es geht nicht um die kurz-fristige Euphorie und auch nicht um das„ewige Glück“, sondern um eine wache,lebhafte Aufmerksamkeit und bewusste(Selbst-)Wahrnehmung des Lebens, Stundefür Stunde, Tag für Tag.

Mit dieser inneren Grundhaltung erscheinendie Hürden des Alltags in einem ganz an-deren Licht. Die Probleme heißen dann Auf-gaben, die gelöst werden und so dem per-sönlichen Wachstum dienen. Das Leben ist

dann von der wohltuenden Kraft der Eigen-verantwortung erfüllt und getragen. Auchdie nutzlosen, zeitraubenden Schuldzuwei-sungen können dadurch fast gänzlich derVergangenheit angehören.

Warum klingt es nach einem utopischen

Traum, obwohl die Möglichkeiten dazu in

jedem von uns vorhanden sind?

Da ich meine Träume und Vorstellungen

sehr gerne in die Tat umsetze, entstand bei

mir die Idee einer „ganzheitlichen emotio-

nalen Grundschule für Erwachsene“. Der

Unterricht sollte sich mit der bewussten

Wahrnehmung und dem Kennenlernen des

eigenen Selbst, mit den dynamischen Zu-

sammenhängen zwischen Gedanken, Emo-

tionen und Körpergefühlen beschäftigen.

Das so erworbene Wissen würde bei den

„Schülern“ u. a. Selbstkenntnis und -akzep-

tanz, wachsende Eigenverantwortung und

die daraus resultierende natürliche Lebens-

freude bewirken.

Ich gründete zwar natürlich keine Schule,

entwarf aber für einen interessierten und

ratsuchenden Kreis einen speziellen Kurs,

der sich mit der oben genannten Thematik

befasste. Für den umfangreichen Inhalt hielt

ich mindestens 14 Stunden für notwendig,

die ich auf 7 x 2 Stunden aufteilte. Der Kurs

fand 1 x wöchentlich statt.

Der Kurs

Das Grundgerüst des Kurses bildete das

Kennenlernen des – aus der Transaktions-

analyse bekannten – inneren Teams, also

Eltern-Ich („gelerntes Weltbild“), Kindheits-

Ich („gefühltes Weltbild“) und Erwachsenen-

Ich („gedachtes Weltbild“).

Diese drei „Seins-Zustände“ sind psychischeRealitäten, die bei jedem Menschen hervor-gerufen werden können (Thomas A. Harris).Schon die Aufzeichnung einer schemati-schen Ahnenreihe mit jeweils drei Team-Mitgliedern pro Person brachte erstaunlicheErkenntnisse zum Vorschein und ermöglich-te den Teilnehmerinnen einen neuen Blick-winkel, z. B. auch auf das elterliche Verhalten.

Dazu kam als eine wichtige Säule des„Unterrichts“ das Training emotionalerKompetenzen, verknüpft mit dem Bild desKreislaufs zwischen Gedanken, Emotionenund körperlichen Gefühlen. Mit der Hilfevon verschiedenen NLP-Techniken – z. B.Moment of Excellence, WP – wurde diesesWissen durch bewusstes Fühlen, Spüren,Riechen, Schmecken, Sehen und Erleben zueiner ganzheitlichen Erfahrung, die einepositive und nachhaltige Veränderung er-möglichte.

Ich hielt jeden Abend ein bis zwei Impuls-vorträge zu dem jeweils aktuellen Thema,dazu kamen die passenden Übungen undSpiele. Der anschließende Austausch in un-serem „geschützten Raum“ wurde von gro-ßem Interesse und Vertrauen getragen. DieMomente der vielen Aha-Erlebnisse, derandächtigen Stille, der Dankbarkeit und die

des befreiten Lachens gingen ineinanderüber und machten die gemeinsamen Stun-den sehr lebendig. Die Zeit verging wie imFluge, und ehe wir uns versahen, waren diesieben Wochen vorbei.

Fazit

Die Ergebnisse des „Unterrichts“ kann ichnur mit den Aussagen der Teilnehmerinnenüber ihre wahrgenommenen individuellenErfahrungen/Veränderungen wiedergeben.„Ich lebe viel bewusster und so nehme ichauch meine Gefühle wahr. Dadurch bin ichauch in der Lage, meine belastenden Ge-dankenschleifen zu stoppen.“

„Ich komme täglich öfter ins Hier undJetzt zurück. Ich kann mir selbst und auchanderen verzeihen oder das Geschehenezumindest loslassen. Ich erkenne und ak-zeptiere meine Eigenverantwortung.“

„Ich erkenne in für mich schwierigen Situa-tionen meine Wahlmöglichkeiten und han-dele auch danach. Meine Lebensqualität istgestiegen. Ich erlebe mehr bewusste Lebens-freude. Meine Beziehungen privat und beruf-lich sind deutlich ausgeglichener geworden.“

Und das Schönste zum Schluss: Alle Teil-nehmerinnen äußerten eine tiefe Dankbar-keit dem eigenen Leben gegenüber.

Die Entwicklung und Emanzipierung ihresErwachsenen-Ich sowie die Erweiterungihres Bewusstseins ist und bleibt ein konti-nuierlicher Prozess, der ständig fortschreitet.Ich hoffe, dass die positive Wirkung die-ser „Grundschule“ sowohl in Ihrem Lebenals auch in Ihrem Umfeld weitere, größereKreise ziehen wird ...

PS: An dem Nachfolgekurs nahmen freiwilligund sehr neugierig die Ehemänner teil.

Literaturempfehlungen

Thomas A. Harris: Ich bin o. k. Du bist o. k.

John E. Sarno: Frei von Schmerz (Psychoso-matische Beschwerden verstehen)

Joachim Bauer: Warum ich fühle, was dufühlst

1. Sie können Ihr Supervisionsgespräch jederzeit über dieVFP-Geschäftsstelle anmelden: Telefon 0 18 03/210 217. Dabei wird festgelegt, wann und mit welchem Gesprächspartnerdie Telefon-Supervision stattfinden soll.

2. Zum vereinbarten Zeitpunkt rufen Sie dann Ihre Supervisorin/Ihren Supervisor an: Telefon 018 03/210 217. Sie tragen Ihren„Fall“ oder Ihr Beratungsproblem vor und beleuchten und bespre-chen es von allen Seiten. Dazu haben Sie 30 bis 60 Minuten Zeit.

3. Der Anruf kostet 9 Cent/Min. Telefongebühr sowie 1 Euro/Min. Supervisionsgebühr. Über diese bekommen Sie anschließend eine Rechnung mit minutengenauer Abrechnung, die steuerlichabzugsfähig ist.

Alle Gesprächsinhalte bleiben vertraulich. Die Gesprächszeit wirdjedoch aufgezeichnet, um die tatsächliche Gesprächsdauer zudokumentieren.

Das Supervisionsgespräch hat eine Mindestdauer von 30 Minutenund dauert maximal 60 Minuten.

Das Supervisionsteam

Dr. Hartmut Gutsche, Dozent und Kinder- und Jugendlichen-therapeut. Fragen zur Eröffnung und Führung einer psychologischenPraxis, Montag 16.30 – 19.30 Uhr

Angelika Baudisch-Kunze, Dozentin und Psychologische Beraterin.Fragen zu Klienten, Beratungs- und Therapieproblemen,Dienstag 17.00 – 19.00 Uhr

Dr. René Sasse, Rechtsanwalt, Rechtsfragen,Donnerstag 15.00 – 16.30 Uhr

Dr. Werner Weishaupt, Dozent und Heilpraktiker für Psychotherapie.Allgemeine und persönliche Verbandsfragen, Anregungen undVorschläge zur Verbandsarbeit, Montag 11.00 – 12.30 Uhr

Heidi Kolboske, Heilpraktikerin für Psychotherapie, Assistentin imVFP. Praxisgründung und Werbung, Donnerstag 18.30 – 20.30 Uhr

„ich“13

FREIE PSYCHOTHERAPIE 03/2012

T h e r a p i e u n d B e r a t u n g12

VFP, Verband Freier Psychotherapeuten, Heilpraktiker für Psychotherapie und Psychologischer Berater e. V.,Lister Straße 7, 30163 Hannover, Telefon 0 18 03/21 02 17, Fax 0511/2 35 40 13, [email protected], www.vfp.de

Supervision: Hier noch einmal kurz die „Spielregeln“

Page 8: FP 03-12 pus  · dula Kaub 38 Psychotherapie als Mittel, anders zu denken und damit anders zu erleben P eter Bernhard 40 Erinnerungstherapie mit hochbetagten und dementen Menschen

Kann ich internalisierte Glaubenssätze

im Rahmen der Persönlichkeitsentwick-

lung Erwachsenener mithilfe pferde-

gestützter Therapie erkennen?

Meine Motivation, auf diese Weise mitPferd und Klient zu arbeiten

Seit meiner Kindheit haben mich zahlreicheschöne und wunderbare, aber auch leidvolleund bittere Begegnungen mit dem faszi-nierenden Wesen Pferd reifen und wachsenlassen. Auf meinem Weg der Selbsterfah-rung bin ich auch mit der körperorientier-ten, ganzheitlich geprägten Gestalttherapiein Berührung gekommen. Dabei erlebte ichintensive Heilungsprozesse und bin das ersteMal ganz bewusst mit Glaubenssätzen kon-frontiert worden, was mich befähigt hat,frühere Erlebnisse mit Pferden „wahrhafter“zu reflektieren. Reifen und Wachsen einesMenschen kann vor allem dann Früchtetragen, wenn er sich seiner wahren Be-dürfnisse, Stärken, Schattenanteile undFähigkeiten bewusst wird. Wie auch imhumanistischen Menschenbild verankert,glaube ich, dass jeder Mensch im Laufe

seines Lebens die Weichen dafür stellenkann. Ein möglicher Schritt dazu ist dasErkennen von Glaubenssätzen. Ich möchteden Leser dieses Artikels einladen, diesemSchritt zu folgen und sich berühren zu lassen.

Nun macht es sicherlich einen Unterschied,ob ich Selbsterfahrung erlebe oder ob ichals Reittherapeutin mit meinem „Kothera-peuten“ Pferd einem Klienten ein Settingbiete, in dem er die Möglichkeit bekommt,eigene Glaubenssätze wahrzunehmen.

Nach meinem Verständnis bin ich gesund,wenn sich Körper, Geist und Seele im stän-digen lebendigen Austausch befinden undsich jeder Aspekt meines Potenzials adäquatausdrücken kann bzw. sich im Gleichgewichtbefindet und somit eine Überwertigkeit ei-nes Anteils vermieden wird. Das ist natürlichdie Idealform, welche immer wieder immenschlichen Leben für kurze Zeit unter-brochen werden darf, ohne dass es zugrößeren Katastrophen kommt. Aufkeimen-de Krisen, als Chancen zur Weiterentwick-lung gesehen, sind also durchaus erwünscht.

Als Reittherapeutin habe ich die Möglich-keit, verschiedenste Aspekte anzusprechen.Körperwahrnehmung, Motorik, alle Sinne,

Stimmungen, Emotionen, Kognitionen, dasKind, den Erwachsenen, den Archetyp daswilde Tier, Fähigkeiten, Ressourcen und ei-niges mehr.

In der Begegnung mit dem Pferd gibt esimmer wieder Situationen, welche verdeut-lichen, dass es „irgendwo im System“ desMenschen ein Hindernis gibt, das zu einerBlockierung des Energieflusses in der verba-len und nonverbalen Kommunikation führt,vor allem beim Erreichen bestimmter Ziel-vorstellungen. Ein solches Hindernis könnenGlaubenssätze sein.

Was sind Glaubenssätze?

Das sind in sprachlicher Form Generali-sierungen über uns und die Welt, die daswiderspiegeln, was wir für „objektiveRealität“ halten. Sie steuern meistens unbe-wusst unsere Gefühle und unser Handelnund damit unseren Entwicklungsprozess.

Glaubenssätze kann man sich vorstellen wieInstanzen, die uns einerseits strukturiertesWahrnehmen, Fühlen, Denken und Handelnermöglichen im Chaos der auf uns einströ-menden Informationen und andererseits soetwas darstellen wie unsichtbare Schranken,die unsere Wahrnehmung und unser Den-

ken begrenzen. Da sie internalisiert (einver-leibt) sind, erweisen sie sich als sehr stabilund scheinen daher sehr massiv zu regulie-ren, wie wir die Welt wahrnehmen!

Zu unterscheiden sind einschränkendeGlaubenssätze auf der einen (wie z. B. „Ichbin ein Flop der Natur“) sowie öffnendeGlaubenssätze (wie z. B. „Ich bin ein Ge-schenk der Natur“) auf der anderen Seite.(Aus Milton H. Erickson Institut Berlin, Mai2005, Seminar „Interventionen zu ein-schränkenden Glaubenssystemen”.)

Wir lernen von den Eltern, wie sich Men-schen verhalten. Wir imitieren sie, überneh-men ihre Haltung dem Leben gegenüber,ihre Gefühle, Ängste, ihre unbewussten undbewussten „Programme“.

Es entstehen verbale Botschaften, sozusa-gen Gebote, was zu tun und zu lassen ist.Besonders stark wirkende Sätze sind „Seiperfekt!“ – „Sei stark!“ – „Streng dich an!“– „Sei (anderen) gefällig!“ – „Beeil dich!“Auch gibt es nonverbale Botschaften, wel-che vielleicht sogar schon im Mutterleibwirken, oder bereits ab Geburt, wie „Ichbin unwichtig!“ – „Ich existiere nicht!“ –„Ich gehöre nicht dazu!“

Als Folge dieser internalisierten Glaubens-sätze inszenieren wir unser Leben, meistensunbewusst, mit allen Mitteln so, dass unsereErfahrungen dieses Lebensmodell als wahrbestätigen. (Aus „Neue Helden brauchtdas Land“, Persönlichkeitsentwicklung undHeilung durch Rituelle Gestaltarbeit, FranzMittermair)

In der Reittherapie bedienen wir uns deröffnenden Glaubenssätze zur Stärkung undRessourcen-Aktivierung. Als gesunde Antei-le stehen sie uns bei psychischen und phy-sischen Beeinträchtigungen zur Verfügung.

Sie können sich nun vorstellen, dass esbereichernd, erweckend und einfach sinn-voll ist, Glaubenssätze zu entlarven, um einerfüllteres Leben anzustreben. Welche Rollespielt nun dabei das Pferd? Der weitereVerlauf meiner Ausführungen ist geprägtvon dieser Frage.

Was kann das Pferd als Kotherapeutleisten?

Das Pferd begleitet uns Menschen seit Tau-senden von Jahren. Wir bestaunen nichtnur seine Schönheit, Stärke und Ausdauer,sondern gehen auch mit seiner ängstlichenSchreckhaftigkeit und seinem Fluchtver-

halten in Resonanz. Pferde leben im Hierund Jetzt und haben ein sehr feines Gespürfür menschliche, unbewusste Verhaltens-weisen und Stimmungen. Seine angeboreneBeziehungsfähigkeit weitet es auf den Men-schen aus und erspürt ihn und seine Umge-bung mit sensiblen Sinnen. Das Pferd bietetals Bewegungsmedium und starker Motiva-tionsträger, kombiniert mit Aufenthalten inder Natur, einen einzigartigen Aufforde-rungscharakter, eigene Denkmuster, Verhal-tensweisen und Lebenssituationen zu hin-terfragen. Dabei wird der Mensch in denverschiedensten Bereichen berührt: in seinerWahrnehmungsfähigkeit und Sensibilität,seiner Körperlichkeit und Beweglichkeit, sei-ner Beziehungs- und Auseinandersetzungs-fähigkeit sowie auch der Übernahme vonEigen- und Fremdverantwortung. Dadurcherhält er die Möglichkeit, eine eigene reali-tätsbezogene Selbsteinschätzung zu ent-wickeln. Das Pferd gestattet dem Menscheneinen großflächigen, „innigen“ Körperkon-takt. Auf dem Pferd ist es möglich, in einpassives „Bewegtwerden“ hineinzukommen.Der Schritt ist eine entspannende Gangart,die Vor- und Zurückbewegung des Geschau-keltwerdens ein intensives Gefühl des„Getragenwerdens“. Trab bietet Aktivierungund der Galopp bringt Schnelligkeit – einewirkliche Herausforderung bei der Bewälti-gung und Angstüberwindung!

Pferde kommunizieren im Wesentlichenüber Körpersprache, darin sind sie wahreMeister. Sie teilen sich mit, indem sie be-stimmte Positionen zueinander einnehmen,ihre Körperhaltung verändern oder sichdurch Mimik und Gestik ausdrücken. Sogenügt oft nur eine leise Drehung des Ohres,um eine unmissverständliche Botschaft mit-zuteilen. Absicht und körperlicher Ausdrucksind bei Pferden kongruent (deckungs-gleich). Das Pferd bleibt sich dadurch treu,ist authentisch und der Mensch erhält im-mer sehr klare Signale.

Wir Menschen drücken uns oft unklar unddoppeldeutig aus. Taktgefühl, diplomati-sches Geschick, aber auch Verlogenheit,Angst vor Zurückweisung und Strafe undMangel an Selbstvertrauen sind möglicheUrsachen. Da für Pferde dieses Verhaltenunverständlich ist, bedeutet die Begegnungmit ihnen für uns , zurückzufinden zu Klar-heit, Authentizität und Kongruenz. Ich kannlernen, meine Absichten klar nach außensichtbar zu machen. Auch mentale Einstel-

lungen (Glaubenssätze) und Gefühle kannmir das Pferd klar widerspiegeln.

Als Flucht- und Beutetier braucht das Pferdseine hoch entwickelten Sinne zum Über-leben und es dient dem Menschen dadurch.So kann er sich von alten Begrenzungenlösen, innere Stärken entdecken und so zuneuem Selbstvertrauen finden, um neueWege zu beschreiten. (Aus Psychothera-peutisches Reiten, Isar-Amper-KlinikumMünchen Ost, Dr. Michaela Scheidhacker;aus Skripten von Dr. Anette Gomolla, Insti-tut für pferdegestützte Therapie, KonstanzIPTh; aus „Persönlichkeitstraining mit Pfer-den”, das Praxisbuch, Susanne E. Schwaiger.)

In meiner pferdegestützten Arbeit offenbartmir mein Pferdepartner immer wieder Res-sourcen des Klienten und beeindruckt michmit „intuitivem“ Handeln. Und oft denke ichnach einer Einheit, dass das Pferd durchsein herausragendes Gespür für Bedürftig-keiten und Tagesqualität des Klienten eingutes Stück des Weges bestimmt hat.

Auch fällt mir immer wieder auf, dass bereitserste Kontaktaufnahmen, also Berühren undStreicheln des Pferdes, mit inneren Hinder-nissen verbunden sein können. So ist esnaheliegend, dem Klienten bei der Pferde-pflege die Möglichkeit des Vertrauens- undBeziehungsaufbaus zu bieten.

Das Pferd kann – und das ist in meinerganzheitlich-psychologisch geprägten the-rapeutischen Arbeit absolut erwünscht –eine Beziehungsbrücke bauen. Idealerweisekommt der Klient über die Berührung desPferdekörpers sich selbst und vor allemseiner eigenen Körperlichkeit näher, umdann Kontakt aufzunehmen zur eigenenBedürftigkeit, zur eigenen Gefühlswelt, zumeigenen Inneren.

Das Pferd ist völlig frei von äußeren Bewer-tungsschemata. So fällt es dem „Kontakt-scheuen“ oft leichter, zu einem Tier Nähezuzulassen. Wird nun ein Heilungsprozessangebahnt, so kann im Verlauf durchausauch ein vertrauensvoller Kontakt zum The-rapeuten entstehen. Dieser Aspekt ist wohleiner der bedeutendsten und macht dengroßen Wert von tiergestützten Therapiendeutlich.

Angewandte Methoden und Aktivitäten

Grundsätzlich kann ich alle Aktivitäten rundums Pferd zum Einsatz bringen. Beobachtenvon freilaufenden Pferden, Betrachten eines

Was kann pferdegestützte Therapie leisten?

15T h e r a p i e u n d B e r a t u n g14

FREIE PSYCHOTHERAPIE 03/2012

Page 9: FP 03-12 pus  · dula Kaub 38 Psychotherapie als Mittel, anders zu denken und damit anders zu erleben P eter Bernhard 40 Erinnerungstherapie mit hochbetagten und dementen Menschen

Einzelnen, Stallarbeiten oder auch Pfer-depflege, Reiten in allen Gangarten (mitTherapiegurt ganz ohne oder mit Sattel),Führen des Pferdes, Bodenarbeit, Freiarbeitim Round Pen, Kutschefahren, Arbeit amPferd mit Therapiematerial wie Schleifenund Körpermalfarben bis hin zu Galoppierenmit Halsring.

Begegnungsmöglichkeiten gibt es sehr vieleund daher mache ich die Auswahl abhängigvon der Auftragsklärung mit dem Klienten,von den räumlichen Möglichkeiten, vomvorhandenen Equipment und natürlich vonder Ausbildung meines Therapiepferdes.

In der Persönlichkeitsentwicklung mit Er-wachsenen fließen immer im Folgendengenannte Methoden bzw. therapeutische„Tools“ mit ein: Meine Grundhaltung demKlienten gegenüber entspricht dem huma-nistischen Menschenbild. Dazu gehört dieKlientenzentrierte Gesprächsführung nachCarl C. Rogers mit aktivem Zuhören.

Unabdingbar für meine Arbeit sind auch dieWirkungsweisen – sitzend oder liegend aufdem Pferd:

– Die Wärme des Pferdes dringt durch die„inneren Barrieren“

– Bewegungsimpulse und Schwingungenwerden auf den ganzen Körper übertragen,„Erwachen und Lebendigkeit“ können sichausbreiten

– Koordination von rechter und linker Ge-hirnhälfte kann eine „Harmonisierungvon Kreativität, Intuition und Phantasie“(auf der einen Seite) und „Verstand, Um-setzung und Klarheit“ (auf der anderenSeite) bewirken

– Gleichgewichtsschulung, im Gegensatzzu „Ich stehe gerade neben mir“ oder „Mirzieht es den Boden unter den Füßen weg“

– Rumpfbalance und Tonusregulierungkann der „inneren Aufrichtung“ dienen

– Extension, Flexion, Rotation, Ab- undAduktion des Beckens zur Entwicklung des„Zentriertwerdens“ und „Kräftigung derMitte“

– Großflächiger Körperkontakt, „Berührungeigener Bedürfnisse und Gefühle“

Zusätzlich nutze ich Regression, Pferd dasals Spiegel und Projektionsfläche, Phanta-siereisen, Progressive Muskelentspannung,Ressourcenaktivierung mit öffnenden Glau-benssätzen und Reflektion des Geschehens.

Der Erstkontakt zum Klienten findet häufigper Telefon statt. Es folgt ein persönlichesTreffen mit dem Ausfüllen eines Eingangs-fragebogens mit persönlichen Daten, Ab-klärung von aktuellen Beschwerden undBelastungen (auch eventuell ärztliche Er-laubnis zum Reiten einholen), Vorerfahrun-gen mit Pferden, Motivation und Auftrags-klärung. Bereits zu diesem Zeitpunkt wirdoft klar, welches Pferd für den Klienten zumEinsatz kommt.

Auswahl des Therapiepferdes

Ich erlebe oft Klienten mit erheblichenberuflichen und familiären Belastungen, beidenen im Vordergrund ein „Ich funktionierenur noch, ohne Freude“ steht und die sichein starkes, freundliches Pferd wünschen,um getragen zu werden, um sich zu ent-spannen und um wieder kindliche Freudezu erfahren.

Darius ist ein Süddeutsches Kaltblut, 7 Jahrealt und 8oo kg schwer. Er ist in Dressurklassisch englisch ausgebildet, kennt Boden-arbeit, Langzügel und Doppellonge und wirdim Zweispänner gefahren. Darius ist alsKaltblut keineswegs „kalt“. Er fordert eineklare Führung, Entschlossenheit, Gelassen-heit und Verbundenheit, eben Führungs-kompetenzen. Darius wirkt auf viele Men-schen stabil, in sich ruhend und vertrauens-voll und lädt dadurch zum „Anlehnen“ ein,was für das Pferd auch in Ordnung ist,solange es die Führung durch den Thera-peuten erhält.

Dokumentierte Fallbeispiele

Ich treffe mich mit meiner Klientin zurzweiten Einheit. Die Begrüßung mit ihrempfinde ich natürlich und herzlich. Aufdie Frage, was sie „mitgebracht“ hat, ant-wortet sie: „Ich kann es kaum erwarten,freu mich so!“ (der strahlende Gesichtsaus-druck passt dazu). Darius steht angebundenam Putzplatz, und Karin (Name geändert)gibt sich der Begrüßung hin.

Sie lässt sich nicht nur beschnuppern, son-dern auch beknabbern. „Magst du das?“,frage ich sie. „Ach ja, wenn er das so will“und sie zuckt mit den Schultern. In demMoment zwickt Darius Karin in die Brust.Sie erschrickt, erstarrt kurz und macht, alswäre nichts geschehen, mit der Begrüßungweiter. Ich bitte sie einen Schritt zur Seitezu gehen und frage, ob es wehtut. Sie sagt,ja und ich meine eine Traurigkeit wahrzu-

nehmen. „Ist das in Ordnung, dass er dichgezwickt hat?“ Karin senkt den Kopf underwidert: „Nein, es tut sehr weh!“ „Was hatdich veranlasst, ihn trotzdem weiter zustreicheln?“ Sie denkt nach ...

Ich erkläre ihr, dass Darius nicht zwickendarf und sie ihm das auch klar und eindeutigsagen darf. Scheu und fast gebückt stehtsie vor ihm und sagt: „Ich will nicht, dassdu mich beißt!“ Sie merkt selbst, dass dasnicht eindeutig und bestimmt war undbleibt nachdenklich. In diese gedrückteStimmung hinein frage ich: „Was geht ge-rade in dir vor?“ „Ich habe ein schlechtesGewissen, weil ich zu ihm gesagt habe, erdarf mich nicht beißen.“ Auf meine Frage,ob sie solche Situationen auch aus anderenLebensbereichen kennt, antwortet sie: „Ja,natürlich (es klingt zornig), mit meiner Che-fin, da kann ich auch nicht Nein sagen,wenn ich mal wieder Überstunden machensoll.“ „Wie kann dir das Pferd dabei helfen,für solche Gespräche mit deiner Chefingewappnet zu sein?“ „Gerade hat er mirgeholfen. Ich will ihn jetzt putzen und michdann von ihm tragen lassen.“

Bevor Klientin Karin aufs Pferd steigt, leiteich sie an, eine Fußsohlenerdungsübung zumachen, um die innere Unruhe zu reduzie-ren. Wir gehen ein paar Runden auf demAußenplatz. Karin genießt sichtlich die Na-tur und ihr entspannter Gesichtsausdrucklässt mich eine unbeschwerte Stimmungvermuten.

Auch Darius wirkt entspannt, sodass dieKlientin nun aufsteigen kann. Das Pferd istmit einem Therapiegurt mit Haltegriffenausgestattet, sodass sich Sicherheit einstel-len kann. Karins anfängliche Entspannungund aufrechte Haltung verändert sich; ichreflektiere ihr meine Wahrnehmung und sieerzählt einiges über ihre belastenden Situa-tionen.

Da mir wichtig ist, dass die Klientin im Hierund Jetzt bleibt und sich wieder mehr vonden Problemen weg, zu sich und ihremKörper hin besinnt, erkläre ich ihr kurz dieProgressive Muskelentspannung (PME) undleite sie an ...

„Balle die rechte Hand zur Faust undhalten ... halten ... halten ... und loooslassen,spüre nach ... (das Gleiche noch mal). Balledie linke Hand zur Faust und halten ...halten ... halten ... und loooslassen, spürenach ... merke den Unterschied (das Gleiche

noch mal). Spüre, wie sich die Entspannungausbreitet“.

Es folgt PME mit Schultern, Gesichtsmus-keln, Gesäß und Wadenmuskeln. Im Schul-terbereich leite ich sie an, das Loslassen miteiner bewussten Ausatmung zu unterstüt-zen. Da sich die Klientin in den Übungenbald sicher fühlt, führe ich das Pferd imSchritt, sodass alle Wirkungsweisen zumTragen kommen.

Durch diese aktive Entspannungstechnikmöchte ich erreichen, dass Karin Abstandnehmen kann von ihren Problemen, sichzentriert, sich spürt und dadurch Kraft be-halten lernt, um sich zu einem späterenZeitpunkt wieder gestärkt und regeneriertden Problemlösungen widmen zu können.

Abschließend frage ich sie, ob ihr Rückeneine besondere Stärkung braucht. Ihr fälltdie Wohlfühlfarbenübung von der erstenEinheit ein und ich leite sie an, eine ihrangenehme Farbe in den Rücken und dieWirbelsäule entlang, fließen zu lassen. DerBauch „wollte“ dann auch noch eine Farbe.„Wie fühlst du dich jetzt?“ „Frei und leicht,ich könnte fliegen!“ und sie breitet spontanihre Arme aus, schaut in die Natur und ichfühle mich sehr motiviert, sie noch ein paarRunden zu führen, um sie diese Empfindun-gen noch weiter genießen zu lassen.

Ich halte an und frage, was sie noch tunmöchte. „Absteigen und mich anlehnen!“Daraufhin lasse ich sie ihre Füße kreisenund aus den Fußsohlen „Wurzeln wach-sen“. Darius steht ruhig und Karin lehntauf Schulterhöhe an ihm, kurz, vielleichtzehn Sekunden, dann wendet sie sich abzum Gehen. Ich lasse dies unreflektiert undfolge ihr.

Zum Reflektieren gebe ich ihr ein BlattPapier und sie malt ihr berührendstes Er-lebnis. Zum Bild erklärt sie mir, lernen zuwollen, zur Chefin nein zu sagen. „Was hältdich davon ab, nein zu sagen?“ „Dann binich ja nicht mehr gut ... vielleicht mag siemich dann nicht mehr.“ „Bist du des-halb immer nett?“, frage ich provozierend.„Hmm ..., ja vielleicht.“

Meine Klientin hat ihrem Bild den TitelNein gegeben, sodass ich ihr die Ermutigungauf den Weg gebe: „Du hast deinem Bildden Titel Nein gegeben, heißt das, dassdu auf einem guten Weg bist, eigene Be-dürfnisse zu erkennen?“ „Ja, aber das Redendarüber fällt mir schwer.“ „Was nimmst du

17T h e r a p i e u n d B e r a t u n g16

FREIE PSYCHOTHERAPIE 03/2012

Page 10: FP 03-12 pus  · dula Kaub 38 Psychotherapie als Mittel, anders zu denken und damit anders zu erleben P eter Bernhard 40 Erinnerungstherapie mit hochbetagten und dementen Menschen

von der heutigen Einheit mit nach Hause,was dir dabei helfen kann?“ „Das Gefühl derFreiheit und das Fliegen auf Darius undnatürlich mein Bild.“

Nach der Verabschiedung reflektiere ichfür mich eigene Unsicherheiten. Wie vielErklärung über Glaubenssätze darf ich ge-ben, ohne den Prozess, der gerade in Ganggekommen ist, zu stören? Kann die Res-sourcenaktivierung dabei im Vordergrundbleiben? Dann erinnere ich mich wieder,dass jeder Klient seinen Weg letztendlichselbst bestimmt, und folge meiner innerenStimme, die sagt „Trust the Process“.

Beim nächsten Treffen zur dritten Einheitmöchte ich vermeiden, dass Karin viel Un-ruhe zum Pferd bringt und lade sie deshalbein, sich auf das Treffen mit Darius vorzu-bereiten. „Stell dir vor, du triffst dich miteinem guten Freund, wie möchtest du aufihn wirken?“ „Fröhlich, bestimmt, interes-sant!“ Ich leite sie zur bekannten Fußsoh-lenerdungsübung an. „Und nun führe deineHände zum Nabel und atme dorthin, indeine Mitte, fülle sie aus mit deinem Atemund spüre, wie alles pulsiert und strömt ...denke an fröhlich ... bestimmt ... interessant... stell dir vor, wie sich diese Eigenschaftenim ganzen Körper mit jedem Atemzug im-mer mehr ausbreiten“. Karin steht schulter-breit und macht einen entspannten, auf-rechten Eindruck.

Die Frage, ob sie bereit ist zum Pferd zugehen, bejaht sie und macht die Augen auf.Die Begrüßung zwischen Pferd und Klientinläuft diesmal runder und langsamer ab. (ImGegensatz zu den oft hektischen undschnellen Bewegungen früherer Begegnun-gen). Ich schildere meine Wahrnehmungund Karin erzählt vom eigenen Reflektierenzuhause: Ihr fällt es oft schwer, eine schöneBegegnung zu genießen und vor allem,etwas langsam zu tun.

Ich frage sie: „Wer treibt dich an?“ „Dasweiß ich nicht genau, wer mich am Genie-ßen hindert.“ Sanft sage ich zu ihr: „Dariusscheint deine Langsamkeit zu genießen, esgeht ihm gut dabei.” Es folgen Entspan-nungsübungen auf dem Pferd, Phantasie-reise mit „Verankerung“ von Bildern undEmpfindungen durch Gestik.

Die abschließende Reflektion hebt nochmal die entdeckten einschränkenden Glau-benssätze „Ich muss alles schnell machen“und „Ich darf nicht genießen“ hervor. Auch

werden angenehme und stärkende Erlebnis-se vom Setting wiedererinnert, um der Kli-entin Ressourcen mit nach Hause zu geben.

Zur nächsten Einheit nehme ich mir vor,das Thema „Langsamkeit“ noch mal aufzu-greifen. Hier eine Sequenz daraus: Dariussteht entspannt am Putzplatz. Ich leite dieKlientin an, mit beiden Händen an der Seitedes Pferdes, Kontakt aufzunehmen und dieFüße am Boden zu spüren. „Nun streichelangsam mit den Handflächen über seinenKörper.“ Um ihre anfänglich verspanntenund etwas steifen Bewegungen zu „ent-krampfen“, atme ich mit ihr zusammen imruhigen Rhythmus. „Was passiert in dir,wenn du dich so langsam bewegst?“ „Ichhalte es kaum aus ... es ängstigt mich ... gut,dass Darius so stark ist.“ „Beschützt er dich?“Sie antwortet leise und sachte mit ja. „Istes gefährlich, langsam zu sein?“, frage ichbehutsam und schaue sie dabei an. Karinerwidert den Blick. „Das ist wie so ein innererDrang, immer alles schnell machen zu müs-sen ... das ist doch so ein Glaubenssatz,oder?“ Ich bejahe dies.

Nach einer kurzen Stille lenke ich die Auf-merksamkeit wieder auf das Pferd. Es folgteine Putzsequenz und geführtes Reiten aufdem Außenplatz. Nach einer Gleichge-wichtsübung erhält Karin mit einer Phanta-siereise die Möglichkeit, das Innere Kind zuspüren. Ich vermute, dass das Passiv-Bewegtwerden und die Pferdewärme inKombination mit den gesprochenen Worten,eine innere Veränderung bewirken. Im Au-ßen zu sehen ist ein aufgerichteter, losge-lassener Sitz im guten Gleichgewicht. Mitentspanntem Gesichtsausdruck. Nach derabschließenden Reflexion und Verabschie-dung habe ich den Eindruck, dass eine hei-tere und gelöste Klientin in das Auto steigt.

Eine andere Klientin, nennen wir sie Bea,erlebt zu Beginn der Einheit ein liegendesund dösendes Pferd. Bea freut sich zuerstund streichelt es. das Pferd macht keineAnstalten, aufzustehen. „Wie geht es dirdamit?“, frage ich. „Eigentlich toll, dass erdas einfach so genießt.“ „Wie wäre das fürdich, wenn er die ganze nächste Stundeliegen bleiben würde?“ „Ja, das wäre blöd,dann könnte ich nicht reiten!“

Der Klientin fällt ein, dass ihr Mann amWochenende auch immer morgens liegenbleibt und sie sich mal wieder alleine umdie Kinder kümmern muss. Und schon haben

wir das Thema für dieses Setting. Ich gestal-te die Einheit mit bewährten Methoden,sodass Bea mit entdeckten und empfunde-nen weiblichen Eigenschaften, einem ge-stärkten Körper und mit dem „umgedach-ten“ Glaubenssatz „Ich darf meinen Mannum Unterstützung bitten“ nach Hause geht.

Resümee und Schlussgedanken

Die Antwort auf die Eingangsfrage lauteteindeutig ja! Es ist möglich, mit pferdege-stützter Therapie Glaubenssätze zu erkennen!

Der Umfang und die Intensität der jewei-ligen Bewusstwerdung sind sicherlich vonKlient zu Klient sehr unterschiedlich undvon mehreren Faktoren abhängig: Wie hochist die innere Bereitschaft, Verhaltens- undDenkweisen zu verändern? Wie groß istdie Motivation, dieses in der Begegnungmit dem Pferd zu erreichen? Kann dieBeziehung Klient-Therapeut-Pferd als ver-trauensfördernde und stabile Grundlageeinen gesunden Entwicklungsprozess inGang bringen und zielorientiert verfolgen?

Selbst, wenn alle Fragen positiv beantwortetwerden, hat die pferdegestützte TherapieGrenzen. Ressourcenorientierung und Schutzvon Pferd und Klient steht im Vordergrund.Sobald es an tiefe emotionale Schichtenund Verstrickungen geht und starke Gefühlezum Ausdruck kommen wollen, brauchendie Klienten zusätzliche Interventionenohne Pferd. Spätestens dann wird deutlich,dass Reittherapie zu den unterstützendenTherapieformen zählt.

Zum Schluss möchte ich mich bei denLesern ganz herzlich für das Interessebedanken. Und vielleicht habe ich ja beieinigen die Neugierde geweckt, diese Artder Begegnung und Entdeckung einmalauszuprobieren.

Herzlich willkommen!Wir freuen uns über Ihre

Anmeldungen unter

www.paracelsus.de

19

Ruth Maria WenzlHeilpraktikerin für Psychotherapie,Pferdewirtin/Bereiterin (FN), Reittherapeu-tin (IPTh), Lehrerin für Autogenes Trainingund Progressive Muskelentspannung.Langjährige Tätigkeit in der psychiatrischenKrankenpflege. 83547 [email protected]

T h e r a p i e u n d B e r a t u n g18

FREIE PSYCHOTHERAPIE 03/2012


Recommended