Organhaftung und D&O-Versicherung | 05. Februar 2019 CMS Deutschland | HHU Düsseldorf
Forum Versicherungsrecht
05.02.2019
Organhaftung und D&O-Versicherung – unter besonderer
Berücksichtigung der Rechtslage bei Insolvenz der VN
Dr. Alexandra Schluck-Amend
Partnerin, CMS Hasche Sigle
Prof. Dr. Dirk Looschelders
Institut für Versicherungsrecht
Organhaftung und D&O-Versicherung | 05. Februar 2019 CMS Deutschland | HHU Düsseldorf
Übersicht
I. Einführung
II. Haftungsrisiken für Geschäftsleiter
III. Möglichkeiten der Haftungsreduzierung
IV. Die Rolle der D&O-Versicherung
V. Neueste Entwicklungen in der Rechtsprechung
VI. Konsequenzen und Ausblick
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Einführung
Haftungsrisiken – Damoklesschwert für Geschäftsleiter
D&O
Versicherung
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Haftungsrisiken für Geschäftsleiter (1/9)
Gesetzgeber hat zweigliedriges Haftungssystem implementiert
Allgemeine gesellschaftsrechtliche Haftung
• § 43 GmbHG
• § 93 AktG
• § 34 GenG
• § 116 i.V.m. § 93 AktG
• § 52 GmbHG i.V.m. § 116 AktG und § 43 GmbHG
Besondere Haftung aus
insolvenzrechtlichen Gesichtspunkten
• § 64 GmbHG
• § 92 Abs. 2 AktG i.V.m. § 93 Abs. 3 Nr. 6 AktG
• § 34 Abs. 3 Nr. 4 GenG i.V.m. § 99 Abs. 2 GenG
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Haftungsrisiken für Geschäftsleiter (2/9)
Voraussetzung einer Haftung nach § 93 Abs. 2 AktG bzw. § 43 Abs. 2
GmbHG ist eine schuldhafte Pflichtverletzung des Organmitglieds
Da die gesetzlich normierten Pflichten nicht abschließend sind, stellen die
§§ 93 Abs. 2 AktG, 43 Abs. 2 GmbHG Auffangtatbestände dar
Grundsätzlich haben Geschäftsführer die allgemeine Verpflichtung, den
Gesellschafszweck aktiv zu verfolgen und alles zu unterlassen, was die
Gesellschaft schädigen könnte
Organmitglieder haften für jede Art des Verschuldens
dabei: Beweislastumkehr gemäß § 93 Abs. 2 S. 2 AktG, die mittels
Analogie auf die GmbH übertragen wird
diese ist gleichermaßen auf Verschulden und Pflichtverletzung
anzuwenden
Für eine organschaftliche Haftung genügt es, dass die betreffende Person
als Organ auftritt. Eine wirksame Bestellung ist nicht erforderlich (sog.
faktische Organstellung).
Achtung: Generalbevollmächtigter
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Haftungsrisiken für Geschäftsleiter (3/9)
Maßstab für die Haftung des Geschäftsleiters ist die Sorgfalt eines
ordentlichen Geschäftsmanns in verantwortlich leitender Position
Business Judgement Rule (§ 93 Abs. 1 S. 2 AktG) für unternehmerische
Entscheidungen
Hieraus ergeben sich umfassende von der Rechtsprechung definierte und
konkretisierte Pflichten:
• Legalitätspflicht
Kapitalerhaltungspflichten (§ 93 Abs. 3 AktG; § 43 Abs. 3 GmbHG)
Insolvenzantragspflicht (§ 15a InsO)
• Organisationspflichten
Berichtspflichten
Pflicht zur Einrichtung eines angemessenen Risikomanagements und eines internen
Überwachungssystems im Unternehmen
• Treuepflichten/Loyalitätspflichten
Verschwiegenheitspflichten
Wettbewerbsverbote
• Schadensersatzpflicht insbesondere durch Überschreitung von Grenzen
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Haftungsrisiken für Geschäftsleiter (4/9)
Besonders Haftungsrisiko durch Kapitalschutzverstöße
GmbH-Geschäftsführer sind der Gesellschaft aus § 43 Abs. 3 GmbH
haftbar bei Kapitalschutzverstößen (Vorstand AG: § 93 Abs. 3 AktG)
Geschäftsführer ist der Beschützer des gebundenen Vermögens – gerade
in Unterbilanzsituationen (§ 30 GmbHG)
Insbesondere ist die Gewährung von Darlehen aus dem gebundenen
Vermögen an Geschäftsführer, Prokuristen oder zum gesamten
Geschäftsbetrieb ermächtigten Handlungsbevollmächtigten aus dem zur
Erhaltung des Stammkapitals erforderlichen Vermögen verboten (§ 43a
GmbHG).
Gesellschafterdarlehen sind vom Verbot des § 43a GmbHG gerade nicht
umfasst
Voraussetzung: Vollwertiger Rückzahlungsanspruch
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Haftungsrisiken für Geschäftsleiter (5/9)
Aktiengesellschaft
Pflicht zur Geltendmachung der Ansprüche gegenüber den
Vorständen und Aufsichtsratsmitgliedern mit engen Ausnahmen
Hierzu hat der BGH (II ZR 175/95) in Bezug auf die Aktiengesellschaft
ausgeführt:
"Stehen der AG nach dem Ergebnis dieser Prüfung durchsetzbare
Schadensersatzansprüche zu, hat der Aufsichtsrat diese Ansprüche
grundsätzlich zu verfolgen. Davon darf er nur dann ausnahmsweise
absehen, wenn gewichtige Gründe des Gesellschaftswohls dagegen
sprechen und diese Umstände die Gründe, die für eine Rechts-
verfolgung sprechen, überwiegen oder ihnen zumindest gleichwertig
sind. Anderen außerhalb des Unternehmenswohls liegende, die
Vorstandsmitglieder persönlich betreffende Gesichtspunkte, darf der
Aufsichtsrat nur in Ausnahmefällen Raum geben."
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Haftungsrisiken für Geschäftsleiter (6/9)
GmbH
Die Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegenüber GmbH-
Geschäftsführen unterfällt der Disposition der Gesellschafter
• § 46 Nr. 8 GmbHG: „Die Geltendmachung von Ersatzansprüchen, welche der
Gesellschaft aus der Gründung oder Geschäftsführung gegen Geschäftsführer
oder Gesellschafter zustehen, unterliegt den Gesellschaftern.“
Hiervon bestehen jedoch 2 Ausnahmen:
• Kein Verzicht auf Ersatzansprüche wegen Verstoß gegen das
Auszahlungsverbot gemäß § 30 GmbHG (§ 43 Abs. 3 S. 2 GmbHG i.V.m.
§ 9b Abs. 1 GmbHG)
• Kein Verzicht auf Ansprüche wegen Verstoßes gegen das Verbot des
Erwerbs eigener Geschäftsanteile (§ 33 GmbHG)
• Wegen Verweis in § 64 S. 4 GmbHG auf § 43 Abs. 3 GmbHG auch für
Ansprüche gemäß § 64 GmbHG!
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Haftungsrisiken für Geschäftsleiter (7/9)
Aktuelle Rechtsprechung zur gesellschaftsrechtlichen Organhaftung:
BGH II ZR 255/16
"Ein Kommanditist einer GmbH & Co. KG kann nicht die
Ansprüche der Kommanditgesellschaft gegen den
Fremdgeschäftsführer der Komplementär-GmbH geltend
machen".
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Haftungsrisiken für Geschäftsleiter (8/9)
Die Ansprüche aus § 64 GmbHG, § 92 Abs. 2 AktG i.V.m. § 93 Abs. 2
Nr. 6 AktG und § 34 Abs. 3 Nr. 4 GenG i.V.m. § 99 Abs. 2 GenG sind
als Ersatzansprüche eigener Art zu qualifizieren
Sie stellen mithin nach herrschender Rechtsprechung keine
Schadensersatzansprüche dar, wie dies bei den zuvor dargestellten
Ansprüchen (§ 43 GmbHG, § 93 AktG, § 34 GenG) der Fall ist
Einordung als haftungsrechtliche Ansprüche sui
generis hat enorme Auswirkungen für die D&O-
Versicherungen der Unternehmensleiter
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Haftungsrisiken für Geschäftsleiter (9/9)
§ 64 S. 1 GmbHG betrifft nicht nur Zahlungen im engeren Sinne,
sondern alle Leistungen, die das Gesellschaftsvermögen schmälern
Eine solche liegt gerade nicht vor, wenn im unmittelbaren
wirtschaftlichen Zusammenhang zur getätigten Zahlung eine
Gegenleistung der Masse zufließt
Die Ersatzpflicht tritt nicht ein bei Zahlungen bzw. sonstigen
Masseschmälerungen, die auch nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit
oder Überschuldung mit der Sorgfalt eines ordentlichen
Geschäftsmanns vereinbar sind
Neben den tatsächlichen Geschäftsleitern einer Gesellschaft trifft die
Haftung dieser Ansprüche u.a. auch:
• Liquidatoren
• Strohmänner
• Faktische Geschäftsführer (Generalbevollmächtigter!)
• Geschäftsführer in der Eigenverwaltung
• Geschäftsführer im vorläufigen Insolvenzverfahren (str.)
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Möglichkeiten der Haftungsreduzierung (1/4)
Ausschluss der Haftung
Haftungsausschluss kraft Weisung
• Keine Haftung bei strikter Haltung an Weisung der Gesellschafter
• Erfordernis eines wirksamen Gesellschafterbeschlusses
• Haftung auch bei rechtswidrigem - wenn auch unanfechtbarem -
Gesellschafterbeschluss bei Handeln entgegen der §§ 30,31 GmbHG (§ 43
Abs. 3 S. 3 GmbHG)
Haftungsausschluss kraft Entlastung
• Geschäftsführerhaftung kann durch Entlastungsbeschluss (§ 46 Nr. 5 GmbHG)
ausgeschlossen werden; dadurch Billigung im Innenverhältnis
• Nicht bekannte, strafbare oder verschleierte Ansprüche werden nicht umfasst
Haftungsausschluss kraft Generalbereinigung
• Ein solcher Anspruch umfasst auch die nicht vorher erkennbaren oder erst
nachträglich bekannt werdenden Umstände
• Kann im Fall der Unterbilanz ausgeschlossen sein
• AG: wegen § 93 Abs. 4 S. 3 AktG nicht vor Ablauf von 3 Jahren
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Möglichkeiten der Haftungsreduzierung (2/4)
Hat die Gesellschaft mehrere Geschäftsführer, so gilt der Grundsatz der
Gesamtverantwortung
• Jeder Geschäftsführer, haftet dennoch dem Grunde nach nur für seine
eigenen Pflichtverletzungen
• Lässt sich jedoch nicht ermitteln, wer die Pflichtverletzung begangen
hat, so haften alle gemeinsam
• Des Weiteren: Jeder Geschäftsführer hat stets sicher zu stellen, dass
seine Mitgeschäftsführer mit der Sorgfalt eines ordentlichen
Geschäftsmanns entscheiden und sich zudem rechtmäßig verhalten
(Überwachungs-/Auswahlverschulden…)
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Möglichkeiten der Haftungsreduzierung (3/4)
Abhilfe durch Geschäftsverteilung
Voraussetzungen:
• Eindeutige Festlegung der Geschäftsbereiche
• Einhaltung der Schriftform (soweit erforderlich)
• Erfordernis der fachlichen und persönlichen Qualifikation zur Führung
des zugewiesenen Ressorts, um eine ordnungsgemäße Erfüllung der
Aufgaben und Pflichten sicher zu stellen
• Grundsatzfragen zur Geschäftspolitik bleiben bei der Aufteilung außen
vor
• Aber: ab Kriseneintritt trifft jeden Geschäftsführer/Vorstand eine
Beobachtungspflicht, eine Ressortaufteilung hilft für § 64 GmbHG
nicht
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Möglichkeiten der Haftungsreduzierung (4/4)
Haftungsbeschränkungsvereinbarungen
• Möglichkeit der Haftungsbegrenzung durch die Satzung
• Begrenzung im Geschäftsführeranstellungsvertrag
• Begrenzung der Haftung bspw. auf grobe Fahrlässigkeit und/ oder
Vorsatz oder (auch) auf einen bestimmten Haftungsbetrag
• Eine vollständige Haftungsbefreiung ist nicht möglich.
• Aber auch für die Haftungsbeschränkung bestehen Grenzen:
Pflichten des Geschäftsführers, die insbesondere dem Interesse Dritter –
im Besonderen dem Interesse der Gläubiger – dienen, dürfen nicht
erlassen oder beschränkt werden (Kapitalschutzbestimmungen, § 64
GmbHG)
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Rolle der D&O-Versicherung (1/11)
Gründe für die D&O-Versicherung
• Das wachsende Haftungsrisiko für Manager und Aufsichtsräte soll
minimiert werden
• Unternehmen sollen vor großen Risiken, die bis zur Gefährdung ihrer
wirtschaftlichen Existenz gehen, bewahrt werden
• Der Versicherungsschutz erstreckt sich regelmäßig auf die
Außenhaftung und die Innenhaftung
• Die Unternehmen haben in Fällen der Innenhaftung großes Interesse
an einem solventen Schuldner an ihrer Seite
• Aufsichtsräte setzen ihr Bestehen voraus und Entsprechendes findet
sich oft in der Satzung
• Führungskräfte unterhalb der Vorstandsebene sind oft mitversichert
Konstitutives Element zur Sicherung unternehmerischer Handlungsfreiheit
(OLG München 25 U 3940/04)
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Rolle der D&O-Versicherung (2/11)
Abgrenzung und Verhältnis zu anderen Versicherungen (1)
Vermögensschaden-Rechtsschutzversicherung
• Versicherte Personen → Geschäftsleiter (wie bei der D&O-Versicherung)
• Deckung der Kosten für die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen des
Geschäftsleiters, wenn dieser aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen
wegen des Ersatzes von Vermögensschäden in Anspruch genommen wird;
aber: kein Ausgleich des Schadens bei Begründetheit des Anspruchs
• Eintritt des Versicherungsfalls → Beginn des Verstoßes gegen Rechtspflichten
Berufshaftpflichtversicherung
• Deckt wie die D&O-Versicherung Vermögensschäden
(aber anders als diese auch Personen- und Sachschäden)
• Aber gerade die Tätigkeiten der Geschäftsleiter und Aufsichtsräte sind hier
vom Versicherungsschutz ausgeschlossen
• Eintritt des Versicherungsfalls → Verstoßprinzip. Die D&O-Versicherung folgt
dagegen dem Claims-Made-Prinzip. Erfasst werden auch vor Vertragsbeginn
begangene Pflichtverletzungen; Nachhaftung kann vereinbart werden
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Rolle der D&O-Versicherung (3/11)
Abgrenzung und Verhältnis zu anderen Versicherungen (2)
Vertrauensschadensversicherung
• Schutz des Unternehmens vor vorsätzlicher Vermögensschädigung durch
Vertrauenspersonen (z. B. Untreue, Betrug) Eigenschadenversicherung
• Vertrauensperson kann auch ein Organmitglied sein; vorsätzliche Schädigung
des Unternehmens von der D&O-Versicherung aber nicht gedeckt
• Überschneidungen mit D&O-Versicherung kommen daher nur bei zusätzlicher
Abdeckung von fahrlässigen Schädigungen durch die VSV in Betracht
Allgemein gilt: Überschneidungen mit anderen Versicherungen sind denkbar mit
der Folge, dass es zu Doppelversicherungen (§ 78 VVG)
kommen kann → Subsidiaritätsklauseln bei D&O-Versicherungen
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Rolle der D&O-Versicherung (4/11)
Struktur der D&O-Versicherung
Sonderform der Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung
Versicherung
-VR-
Versicherte Person
-VP-
(Geschäftsleiter)
Versicherungsnehmer
-VN-
(Juristische Person)
Haftungs-
verhältnis
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Rolle der D&O-Versicherung (5/11)
Anspruchsinhaberschaft
§ 44 VVG - Rechte des Versicherten
(1) Bei der Versicherung für fremde Rechnung stehen die Rechte aus dem
Versicherungsvertrag dem Versicherten zu. Die Übermittlung des Versicherungsscheins
kann jedoch nur der Versicherungsnehmer verlangen.
(2) Der Versicherte kann ohne Zustimmung des Versicherungsnehmers nur dann über seine
Rechte verfügen und diese Rechte gerichtlich geltend machen, wenn er im Besitz des
Versicherungsscheins ist. [Vgl. auch § 45 Abs. 1 VVG: VN kann über Rechte des
Versicherten aus dem Versicherungsvertrag im eigenen Namen verfügen]
Problem: Versicherungsnehmerin erteilt keine Zustimmung
Folge hiervon ist, dass Organmitglied haftungsrechtlich in Anspruch
genommen wird, aber seinerseits keine Deckung von der Versicherung
erwarten kann, da diese sich auf den Standpunkt stellt, dass die
Voraussetzungen einer Inanspruchnahme nicht gegeben seien. Im
Einzelfall kann die Versicherungsnehmerin nach Treu und Glauben zur
Geltendmachung des Anspruchs verpflichtet sein.
Ziff. 10.1 AVB-AVG: Ausübung der Rechte aus dem Versicherungsvertrag steht
ausschließlich den versicherten Personen zu.
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Rolle der D&O-Versicherung (6/11)
Versicherungssumme
Die Versicherungssumme steht als sog. "Jahreshöchstleistung" für
jedes Versicherungsjahr regelmäßig nur einmal zur Verfügung
Entscheidend kann mithin sein, wie viele Ansprüche in einem Jahr
gegenüber der Versicherung geltend gemacht werden
Die Festlegung der „richtigen“ Versicherungssumme stellt nicht selten
ein großes Problem dar
Mögliche Verteilungsprinzipien: Proportionalitätsprinzip (§ 109 VVG
analog); Prioritätsprinzip; Kopfprinzip (§ 420 BGB); Wahlrecht des
Versicherers (§ 428 BGB: „Belieben“ des Schuldners)
Um Komplikationen bei der Verteilung bei unzureichender Versiche-
rungssumme zu entgehen, enthalten viele AVB sog. priority of
payment rules (→ oft Prioritätsprinzip; vgl. claims- made-Prinzip)
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Rolle der D&O-Versicherung (7/11)
Leistungsfreiheit des Versicherers bei Prämienverzug
Voraussetzung: Nicht rechtzeitig oder nicht vollständig gezahlte Erst-
oder Folgeprämien (§§ 37 Abs. 2, 38 Abs. 2 VVG)
Pflicht des Insolvenzverwalters darauf zu achten, dass auch im
vorläufigen Insolvenzverfahren und nach Antragseröffnung die
Prämien weiter gezahlt werden bzw. etwaige Rückstände
unverzüglich ausgeglichen werden
Haftungsrisiko
Beachte: Den versicherten Personen steht ein Ablösungsrecht nach § 34
VVG zu. Hierauf müssen sie ggf. hingewiesen werden.
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Rolle der D&O-Versicherung (8/11)
Risikoausschlüsse
• D&O-Versicherungen enthalten stets Regelungen, die den
Versicherungsschutz bei bestimmten Ereignissen ausschließen
• Insb.: Ausschluss des Versicherungsschutzes bei vorsätzlicher Scha-
densverursachung oder wissentlicher Pflichtverletzung (Ziff. 5.1 AVB-AVG)
Aber: Keine Zurechnung des Verschuldens anderer Organmitglieder
Vgl. auch OLG Düsseldorf (I-4 U 5/18) zur Vermögensschaden-Haft-
pflichtversicherung des Insolvenzverwalters bei Verstoß gegen § 61 InsO
• Teilweise enthalten D&O-Versicherungen Insolvenzklauseln (Ziff. 3.4 AVB-
AVG: keine Haftung für Pflichtverletzungen nach Eintritt der Insolvenzreife)
Vereinbarkeit mit § 307 BGB und §§ 103, 119 InsO ist zweifelhaft
Obliegenheiten
• Bei der D&O-Versicherung ist wie bei allen anderen Versicherungen
zwischen vertraglichen und gesetzlichen Obliegenheiten zu unterscheiden
• § 28 VVG setzt Existenz vertraglich vereinbarter Obliegenheiten voraus
• Bei den Anzeige- sowie Auskunfts- und Aufklärungsobliegenheiten setzt
der objektive Tatbestand der Obliegenheitsverletzung positive Kenntnis des
VN betreffend der Tatsachen voraus, die der VN anzugeben hat
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Rolle der D&O-Versicherung (9/11)
• Insbes.: Vorvertragliche Anzeigepflicht gemäß § 19 VVG: Grundsätzlich
ist Frage des Versicherers in Textform erforderlich unklare Fragen
können Obliegenheitsverletzung schon tatbestandsmäßig ausschließen
• Beantwortet der VN ihm gestellte Fragen nicht oder nur unvollständig, so
kann darin eine Obliegenheitsverletzung zu sehen sein
• Im Einzelfall: spontane Anzeigepflicht nach § 242 BGB bei Verletzung
Anfechtungsrecht des Versicherers nach §§ 123 BGB, 22 VVG
• Problem: Stellung des Organmitglieds bei Anfechtung des Versicherungs-
vertrags durch den VR wg. arglistiger Täuschung des VN (BGH VersR
2012, 1432) vertraglicher Ausschluss der Anfechtung ist unzulässig
• Unverzüglich anzuzeigen sind kraft Gesetzes auch während der Vertrags-
dauer eintretende erhebliche gefahrerhöhende Umstände, § 23 Abs. 3
VVG (z. B. Schutzgelderpressung BGH VersR 2010, 1446; in Bezug auf
einen Beherrschungswechsel offengelassen von BGH NJW 2012, 3723).
Drohende Insolvenz der VN stellt keine Gefahrerhöhung dar.
• Wichtig sind auch die Anzeigepflichten des VN im Versicherungsfall.
Hinsichtlich der in § 104 VVG für die Haftpflichtversicherung statuierten
Anzeigepflichten enthalten einzelne D&O-Bedingungen speziellere Regeln
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Rolle der D&O-Versicherung (10/11)
Einvernehmliche Beendigung von Schadensfällen
Haftungsvergleiche finden zumeist zwischen dem Anspruchssteller und
dem/den Geschäftsleiter(n) unter Einbeziehung des VR statt, wobei insb.
folgende Besonderheiten zu berücksichtigen sind:
Im Bereich der Aktiengesellschaft sind die Voraussetzungen des
§ 93 Abs. 4 S. 3 AktG zu berücksichtigen (Vergleich erst nach drei
Jahren mit Zustimmung der Hauptversammlung zulässig).
§ 105 VVG: „Eine Vereinbarung, nach welcher der Versicherer nicht zur Leistung verpflichtet ist, wenn
ohne seine Einwilligung der Versicherungsnehmer den Dritten befriedigt oder dessen
Anspruch anerkennt, ist unwirksam.“
VR hat dennoch nur insoweit Deckung zu gewähren, wie er ohne
Disposition der VP Deckung zu gewähren hätte
Im Hinblick auf Großrisiken bleibt § 210 VVG unberührt →
grundsätzliche Abdingbarkeit des § 105 VVG, vorbehaltlich § 307 BGB
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Rolle der D&O-Versicherung (11/11)
Besonderheiten in der Insolvenz
Insolvenz des VN hat grundsätzlich keine Auswirkungen auf den
Versicherungsvertrag, insbes. kein a.o. Kündigungsrecht des VR
Insolvenzabhängige Lösungsklauseln, nach denen der Vertrag bei
Stellung eines Insolvenzantrags oder Eröffnung des Insolvenzverfah-
rens sofort oder mit Ablauf der Versicherungsperiode (ohne Nach-
haftung) beendet wird oder dem VR ein a.o. Kündigungsrecht zusteht,
verstoßen gegen § 103 InsO und sind nach § 119 InsO unwirksam.
Verfügungsrecht über Vers.anspruch geht auf InsVerwalter über
Eine Inanspruchnahme der D&O-Versicherung stellt für den Insol-
venzverwalter nicht selten die beste – wenn nicht sogar die einzige –
wirklich taugliche Option zur Erhöhung der Insolvenzmasse dar
• Daher i.d.R. strikte Geltendmachung von Ersatzansprüchen durch die
Insolvenzverwalter
• D&O-Policen mit hohen Deckungssummen wirken in diesem Stadium
animierend für die Insolvenzverwalter (deep pocket Phänomen)
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Neueste Entwicklungen in der Rechtsprechung (1/14)
BGH IV ZR 360/15
Sachverhalt
Die mittlerweile in die Insolvenz gefallene Schuldnerin nahm klageweise zwei
ehemalige Vorstandsmitglieder und zwei ehemalige Prokuristen in Anspruch,
denen sie vorwarf, während ihres Beschäftigungsverhältnisses bei der
Schuldnerin die Gründung eines Konkurrenzunternehmens geplant und
vorbereitet, Mitarbeiter abgeworben sowie geheime Dokumente an sich
genommen zu haben. Die Schuldnerin zeigte den Versicherungsfall dem
beklagten D&O-Versicherer an. Der Versicherungsvertrag enthielt in § 8.1. AVB-O
eine die §§ 44 Abs. 2, 45 Abs. 1 VVG abbedingende Regelung, dass nur die ver-
sicherten Personen den Versicherer in Anspruch nehmen können. Die
versicherten Personen machten aber keine Deckungsansprüche geltend. Der
Insolvenzverwalter nimmt nunmehr den D&O-Versicherer auf Freistellung
dahingehend in Anspruch, dass dieser Versicherungsschutz zu gewähren habe.
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Neueste Entwicklungen in der Rechtsprechung (2/14)
BGH IV ZR 360/15
Lösung des BGH (Teil 1):
• Die Berufung des Versicherers auf eine fehlende Prozessführungsbefugnis
des Klägers gemäß § 8.1 AVB-O ist unter den gegebenen Umständen
rechtsmissbräuchlich
• Hintergrund des § 8.1 AVB-O sei es, die Geltendmachung des
Versicherungsschutzes demjenigen vorzubehalten, dessen Interesse
versichert sei, und – so sei an dieser Stelle nochmals auf die zuvor
dargelegte Problematik (§§ 44, 45 VVG) verwiesen – ihn davor zu
schützen, dass die Verfolgung des Deckungsanspruches vom Willen des
Versicherungsnehmers abhänge. Sinn und Zweck dieser Regelung gehe
jedoch dann verloren, wenn die versicherte Person keinen
Versicherungsschutz geltend mache und der Geltendmachung dieses
Anspruchs durch den Versicherungsnehmer seinerseits keine
schützenswerten Interessen entgegenstehen.
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Neueste Entwicklungen in der Rechtsprechung (3/14)
BGH IV ZR 360/15
Lösung des BGH (Teil 2):
• Zwar führe dies nicht dazu, dass die Versicherungsnehmerin Inhaberin
des Deckungsanspruchs sei, aber ihr wirtschaftliches Interesse sei in
besonderem Maße betroffen. Dies gelte insbesondere dann, wenn ihr
aufgrund der Untätigkeit der versicherten Personen der
Deckungsanspruch als Befriedigungsobjekt verloren zu gehen drohe.
• Ohne diese Möglichkeit bleibe der Versicherungsnehmerin nur der
umständliche und zeitintensive Weg, gegen die versicherten Personen
im Klageweg vorzugehen, um diese so zur Erhebung von
Deckungsklagen gegen den Versicherer zu zwingen. Bei einem
solchen Vorgehen droht aber Verjährung des Deckungsanspruchs.
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Neueste Entwicklungen in der Rechtsprechung (4/14)
BGH IV ZR 360/15
Lösung des BGH (Teil 3):
• Beachtliche Interessen des Versicherers stünden nicht entgegen. Eine
Auseinandersetzung sowohl mit dem Versicherungsnehmer als auch mit der
versicherten Person kommt hier nicht in Betracht, da die Versicherten ihren
möglichen Anspruch nicht verfolgt hätten. Dem Interesse des
Versicherungsnehmers gebühre daher Vorrang.
• Allein die Möglichkeit, dass in einem Urteil festgestellt werden könne, die
versicherten Personen hätten wissentlich gehandelt, begründe angesichts des
parallel geführten Haftungsprozesses, bei dem vorsätzliche Pflichtver-
letzungen in Rede stehen, noch kein Interesse am gänzlichen Unterbleiben
eines Deckungsprozesses.
Zukünftig müssen D&O-Versicherer eine umfassende Interessenabwägung
durchführen, bevor sie in solchen Konstellationen dem Versicherungsnehmer
die Ausübung der Rechte der versicherten Personen vorenthalten.
OLG München 7 U 4126/13: Ablehnung der Deckung. Gründung eines Kon-
kurrenzunternehmens erfolgt nicht „bei Ausübung der versicherten Tätigkeit“
(kein Versicherungsschutz bei Handeln im eigenen wirtschaftlichen Interesse)
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Neueste Entwicklungen in der Rechtsprechung (5/14)
BGH IV ZR 304/13
Die Klägerin, eine in Polen ansässige GmbH, deren in Deutschland an-
sässige Muttergesellschaft bei der Bekl. eine D&O-Versicherung hält,
nimmt die Beklagte aus einem abgetretenen Deckungsanspruch ihres
geschäftsführenden Vorstandsmitglieds W auf Zahlung in Anspruch. W
hatte im Jahr 2008 mehrere Währungssicherungsgeschäfte abge-
schlossen, aus denen der Klägerin hohe Verluste entstanden sind.
Die Versicherung erstreckt sich auch auf die Innenhaftung. In den dem
Vertrag zugrunde liegenden AVB heißt es unter Nr. 12.4: „Eine Abtretung
des Freistellungsanspruchs an den geschädigten Dritten durch die ver-
sicherte Person ist zulässig. Eine anderweitige Abtretung oder Verpfän-
dung von Ansprüchen aus dem Versicherungsvertrag ist unzulässig”.
(1) Ist die Abtretung des Deckungsanspruchs an die Klägerin nach
§ 108 Abs. 2 VVG bzw. Nr. 12.4 AVB zulässig?
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Neueste Entwicklungen in der Rechtsprechung (6/14)
Problem: Ist die geschädigte Versicherungsnehmerin oder ihr in den
Versicherungsschutz einbezogenes Tochterunternehmen als Dritter
i.S.d. § 108 Abs. 2 VVG und der Nr. 12.4 AVB anzusehen? Oder muss
der Dritte außerhalb des Versicherungsverhältnisses stehen?
Lösung des BGH: Bei einer Versicherung für fremde Rechnung kann
der Begriff des geschädigten Dritten nicht auf außenstehende Perso-
nen begrenzt werden. Mit der Abtretung an den Geschädigten wandelt
sich der Freistellungsanspruch in einen Zahlungsanspruch um.
(2) BGH: Die nach dem claims-made Prinzip für den Eintritt des Versi-
cherungsfalls erforderliche ernsthafte Inanspruchnahme des Vten
kann nicht mit der Erwägung verneint werden, es gehe dem Versi-
cherungsnehmer nur um die Abtretung des Freistellungsanspruchs.
In der Insolvenz des VN muss deren Insolvenzverwalter prüfen, ob er
sich den Freistellungsanspruch des Vten abtreten lassen kann.
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Neueste Entwicklungen in der Rechtsprechung (7/14)
BGH II ZR 94/15
Die Bekl. waren Vorstandsmitglieder der T-AG, über deren Vermögen im
Jahr 2001 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Der Kl. ist deren
Insolvenzverwalter. Er nimmt die Bekl. nach § 93 Abs. 3 Nr. 1 AktG als
Gesamtschuldner auf Zahlung von ca. 1.150.000 EUR in Anspruch, weil
sie gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr verstoßen hätten. Die
Bekl. berufen sich u. a. auf Mitverschulden. Sie machen geltend, der Kl.
bzw. dessen Rechtsvorgänger habe versäumt, die Haftpflichtansprüche
gegen die Bekl. bis 1.6.2002 geltend zu machen, sodass eine Realisie-
rung von Ansprüchen gegen die D&O-Versicherung vereitelt worden sei.
Lösung des BGH: Keine Pflicht des Insolvenzverwalters gegenüber den
Organen des Unternehmens, für Deckung durch eine D&O-Versicherung
zu sorgen oder eine solche Versicherung zu deren Gunsten aufrecht-
zuerhalten. Möglicherweise besteht eine solche Pflicht aber im Interesse
des Schuldners und seiner Gläubiger (so auch BGH IX ZR 161/15).
Organhaftung und D&O-Versicherung | 05. Februar 2019 CMS Deutschland | HHU Düsseldorf
Neueste Entwicklungen in der Rechtsprechung (8/14)
OLG Celle 8 W 20/16
Beschwerdeentscheidung über Kostenentscheidung gemäß § 91a
ZPO nach übereinstimmender Erledigungserklärung
Ohne nähere Begründung (nicht entscheidungstragende) Einordnung
des § 64 GmbHG als nicht vom Versicherungsvertrag erfasster
Anspruch ("… weil der vom Nebenintervenienten gegen den Kläger
erhobene Zahlungsanspruch aus § 64 S. 2 GmbHG kein vom
Versicherungsvertrag erfasster Haftpflichtanspruch ist")
Hohe Beachtung der Entscheidung, da die Einordnung des § 64
GmbHG als Ersatzanspruch sui generis und nicht als
Schadensersatzanspruch maßgeblich für den Versicherungsschutz ist
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Neueste Entwicklungen in der Rechtsprechung (9/14)
OLG Düsseldorf I-4 U 93/16
Die Klägerin verlangt als Geschäftsführerin Freistellung von ihrer D&O-
Versicherung, nachdem sie gemäß § 64 GmbHG vom Insolvenzverwalter
der Gesellschaft in Anspruch genommen worden war. Die Versicherung
lehnt die Deckung ab, da der Anspruch nicht vom Versicherungsvertrag
umfasst sei ("Versicherungsschutz […] aufgrund gesetzlicher
Haftpflichtbestimmungen für einen Vermögensschaden")
Lösung des OLG Düsseldorf: Einordnung des Anspruchs gemäß
§ 64 GmbHG als nicht vom Versicherungsvertrag erfasster Anspruch,
da kein Schadensersatzanspruch, sondern Ersatzanspruch sui
generis (entsprechend BGH)
- Schutzzweck des § 64 GmbHG umfasse nicht den Schaden des
Unternehmens, sondern den Erhalt der Insolvenzmasse im Interesse der
Gesamtheit der Gläubiger (gleichmäßige und ranggerechte Befriedigung)
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Neueste Entwicklungen in der Rechtsprechung (10/14)
- Zahlung an einen bestimmten Gläubiger nach Eintritt der Insolvenzreife
schädige nicht die Gesellschaft, da der Zahlung regelmäßig das Erlöschen
einer dadurch getilgten Gesellschaftsverbindlichkeit gegenüber stehe
- es werden lediglich die Chancen der übrigen Gläubiger verringert, eine
Befriedigung aus der Masse zu erhalten
- Somit liege kein Schadensersatzanspruch vor; die
Versicherungsbedingungen erfassen jedoch ausdrücklich nur einen
Schadensersatzanspruch, was für den versicherten Personenkreis bei
angemessenem Studium auch erkennbar sei
- Weitere relevante Unterschiede zum Schadensersatzanspruch:
- Geringere Verteidigungsmöglichkeiten des Versicherers bei § 64 GmbHG, weil die
Einwände, es sei kein Schaden entstanden, der Einwand des Mitverschuldens
oder eine Gesamtschuld mehrerer handelnder Personen, die nicht versichert sind,
nicht möglich seien
- Anderes Risiko für Versicherer, wenn er unabhängig davon leisten soll, ob
überhaupt ein Schaden entstanden ist
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Neueste Entwicklungen in der Rechtsprechung (11/14)
OLG Düsseldorf antizipiert Kritik:
"Dabei verkennt der Senat nicht, dass dies zu Deckungslücken in der
D&O-Versicherung führen kann […] und es dann gegebenenfalls allein von
der Anspruchsgrundlage, mit der die versicherte Person vom
Insolvenzverwalter in Anspruch genommen wird, abhängen kann, ob
Deckungsschutz besteht oder nicht."
Auslegung sei trotzdem gerechtfertigt, da sowohl der Versicherungsnehmer
als auch die versicherte Person kaufmännisch tätig seien und daher für sie
ersichtlich sei, dass der Versicherungsschutz nur greife, soweit dies nach
dem Versicherungsvertrag der Fall sei
- Keine Zulassung der Revision
- Nichtzulassungsbeschwerde wurde zurück genommen
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Neueste Entwicklungen in der Rechtsprechung (12/14)
Reaktionen in der Literatur auf die Entscheidung (1/2):
Einordnung von § 64 GmbHG dogmatisch korrekt, aber:
Kritik an Auslegung der Versicherungsbedingungen durch OLG
Düsseldorf: maßgeblich sind die Verständnismöglichkeiten
durchschnittlicher Versicherter und deren Interessen
Geschäftsführer sind häufig nicht mit dem entsprechenden Wissen
ausgestattet; Anforderungen sind überspannt
Das Interesse der Geschäftsführer richtet sich darauf, dass ihr
Privatvermögen nicht belastet wird – unabhängig von der
Anspruchsgrundlage
Insgesamt wurde schutzwürdigen Interessen nicht ausreichend
Rechnung getragen: existenzbedrohendes Risiko für Geschäftsführer
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Neueste Entwicklungen in der Rechtsprechung (13/14)
Reaktionen in der Literatur auf die Entscheidung (2/2):
Sondersituation in der Insolvenz: jeder geltend gemachte Anspruch
kommt nur noch der Insolvenzmasse zugute; ein Schaden besteht
zudem in Form des Quotenschadens
Unklarheit/Rechtsunsicherheit: § 93 Abs. 3 Nr. 6 AktG wird in der
Literatur zum Teil als Schadensersatzanspruch bezeichnet, in § 130a
Abs. 2 S. 1 HGB spricht das Gesetz sogar selbst von Schadensersatz
Die Revision hätte wegen grundsätzlicher Bedeutung und Sicherung
einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen werden sollen
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Neueste Entwicklungen in der Rechtsprechung (14/14)
Mögliche Auswirkungen der Entscheidung:
- Die im Haftpflichtprozess getroffenen Feststellungen werden umso
wichtiger für den Deckungsprozess
- Häufigere Verweigerung des Deckungsschutzes durch D&O-
Versicherungen
- Hohes Existenzrisiko für Geschäftsführer (zumindest bei Altverträgen)
- Steigendes Risiko fehlender Solvenz des beklagten Geschäftsführers
für klagende Insolvenzverwalter
- Daher sollten die Bedingungen alter Verträge zur Klarstellung
angepasst werden, Geschäftsführer sollten sich ihren Schutz
bestätigen lassen
- Beim Abschluss neuer Verträge sollten die Ansprüche gemäß § 64
GmbHG bzw. §§ 92, 93 AktG, § 130a HGB ausdrücklich einbezogen
werden
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Konsequenzen/Ausblick (1/2)
D&O-Versicherungen reduzieren das persönliche Haftungsrisiko
merklich
Aber: Schutz der D&O-Versicherung bleibt zumeist (weit) hinter dem
zurück, was das Unternehmen bzw. auch die Geschäftsleiter erwarten
oder gar erwarten dürfen
• Deckungsumfang
• Versicherungssumme
D&O-Versicherungen verfolgen in den Fällen der Inanspruchnahme in
erster Linie eigene Interessen, zu denen (verständlicherweise) nicht
die freizügige Zahlung der Versicherungssumme zählt
Von Anfang an versuchen die D&O-Versicherer, ihre Kosten so gering
wie möglich zu halten
Organhaftung und D&O-Versicherung | 05. Februar 2019 CMS Deutschland | HHU Düsseldorf
Konsequenzen/Ausblick (2/2)
In Deckungsfragen empfiehlt es sich, frühzeitig anwaltliche Beratung in
Anspruch zu nehmen. Insbesondere sollten keine Termine mit dem D&O-
Versicherer ohne anwaltlichen Beistand wahrgenommen werden
Geschäftsleiter sollten sich schon zu Beginn ihrer Tätigkeit durch einen
neutralen Experten über den Umfang und die Obliegenheiten ihrer D&O-
Versicherung aufklären lassen
Unternehmen/Geschäftsleitern wird empfohlen, sich von ihren D&O-
Versicherungen (klarstellend) bestätigen zu lassen, dass Ansprüche aus
§ 64 GmbHG mitversichert sind. Beim Abschluss neuer Verträge sollte auf
ausdrückliche Einbeziehung der Ansprüche geachtet werden
Sollte die Gesellschaft über mehrere Geschäftsleiter verfügen, so ist eine
Aufteilung nach Ressorts ratsam, um so die Haftung der einzelnen
Vorstände zu begrenzen. Diesbezüglich sei jedoch nochmals auf die oben
dargestellten Besonderheiten und Ausnahmen hingewiesen
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Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Dr. Alexandra Schluck-AmendRechtsanwältin
Fachanwältin für Insolvenzrecht
CMS Hasche Sigle
Schöttlestraße 8
70597 Stuttgart
T +49 711 9764 278
F +49 711 9764 96279
Prof. Dr. Dirk Looschelders
Heinrich-Heine-Universität DüsseldorfLehrstuhl für Bürgerliches Recht, Internationales
Privatrecht und Rechtsvergleichung sowie
Privatversicherungsrecht / Institut für Versicherungsrecht
Universitätsstraße 1 40225 Düsseldorf
T +49 211 8111451 F +49 211 8111452