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Forschung für den International Linear Collider · nal Technology Recommendation Panel (ITRP)...

Date post: 25-Aug-2021
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Forschung für den International Linear Collider Abbildung 55: Simuliertes Ereignis im Kalorimeter Prototypen für den ILC. Drei Detektoren – ECAL, HCAL und tail catcher, sind hintereinander angeordnet. Ein 10 GeV Pion trifft auf die Frontseite des Prototypen auf und wird im Kalorimeter absorbiert. Gezeigt werden die Monte Carlo Teilchen (Linien) und die rekonstruierten Treffer in den Kalorimetern (Punkte). 98
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Page 1: Forschung für den International Linear Collider · nal Technology Recommendation Panel (ITRP) ge-prägt. Das von ICFA eingesetzte ITRP begann seine Arbeit Ende 2003 und verkündete

Forschung für den International Linear Collider

Abbildung 55: Simuliertes Ereignis im Kalorimeter Prototypen für den ILC. Drei Detektoren– ECAL, HCAL und tail catcher, sind hintereinander angeordnet. Ein 10 GeV Pion trifft aufdie Frontseite des Prototypen auf und wird im Kalorimeter absorbiert. Gezeigt werden dieMonte Carlo Teilchen (Linien) und die rekonstruierten Treffer in den Kalorimetern (Punkte).

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Forschung für den International Linear Collider

Forschung für denInternational Linear Collider

ILC-Projektgruppe: Mitglieder und Gäste der Gruppen aus M (DESY, Hamburg), LC (DESY, Zeuthen – Leiter:A. Stahl (bis Okt. 2004); H.J. Schreiber (ab Okt. 2004)) und dem FH-Bereich (DESY, Hamburg), darunterinsbesondere die Gruppe FLC (Leiter: T. Behnke), sowie etwa 66 Institute aus 17 Ländern (im Rahmen der ECFAStudie).

ILC-Projektleiter: T. Behnke, E. Elsen und N. Walker, DESY

Das Jahr 2004 war für den e+e−-Linearbeschleu-niger entscheidend von der Arbeit des Internatio-nal Technology Recommendation Panel (ITRP) ge-prägt. Das von ICFA eingesetzte ITRP begann seineArbeit Ende 2003 und verkündete nach einer Serievon Treffen in Asien, Europa und Amerika auf derInternationalen Konferenz für Hochenergiephysik(ICHEP) in Peking bereits im August 2004 seineEntscheidung. Danach soll der zukünftige Linear-beschleuniger mit der im Rahmen der TESLA Kol-laboration am DESY federführend entwickelten su-praleitenden Beschleunigertechnologie im L-Bandbetrieben werden. Die Verlässlichkeit dieser Tech-nologie wurde vom Panel als höher eingestuft alsdie X-Band Beschleunigung bei höheren Frequen-zen (NLC/GLC-Design). Die Notwendigkeit für einefrühe Technologieentscheidung, wie auch die Ent-scheidung selbst, wurde von allen Experten an-erkannt. Die Einstimmigkeit der Vorgehensweisewurde bereits im November, auf dem ersten welt-weiten Treffen der Maschinenexperten, eindrucks-voll demonstriert. Der Name ,,International LinearCollider“ (ILC) wurde für das gemeinsame Projektvereinbart.

Gruppen des DESY waren an zentraler Stelle imEntscheidungsprozess des ITRP beteiligt und stell-ten dem Komitee Materialien zum kalten Beschleu-niger und zum Experimentieren an einer kalten Ma-schine zur Verfügung. Im Sommer 2004 wurde einevon der Europäischen Union geförderte und vonDESY koordinierte Design-Studie (EUROTeV) zumLinearbeschleuniger bewilligt. Diese Studie vereint

28 Labors in Europa bei der Forschung zur Opti-mierung des Beschleunigers und der Weiterentwick-lung des Projekts zur Entscheidungsreife und hatbei einer Laufzeit von drei Jahren einen finanziellenRahmen von mehr als 27 Millionen €. Gleichfalls imNovember des Jahres wurde bei DESY eine ILC-Projektgruppe installiert, die bereichsübergreifend,die Tätigkeiten für den ILC bei DESY koordiniert.Darin eingeschlossen sind die in den Vorjahrenbegonnenen Arbeiten zur Entwicklung neuer, an-spruchsvoller Detektortechnologien und verschie-dene Studien zur Physik am ILC. Diese Untersu-chungen fanden im Rahmen der ECFA Studie zurPhysik und dem Detektor an einem Linearbeschleu-niger statt.

Im Folgenden werden die Aktivitäten zu diesem Themafür die beiden DESY Standorte Hamburg und Zeuthenzusammengefasst und erst am Ende des Abschnitts nachStandorten aufgeschlüsselt.

Physikstudien für den ILC

Physikstudien für den ILC konzentrieren sich auf fol-gende Themen:

– LHC/ILC-Arbeitsgruppe

– Präzisionsanalysen von supersymmetrischen Mo-dellen

– Präzisionsanalysen von Higgs-Bosonen

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– Einfluss der Zeitstruktur der Linear Collider Strah-len auf die Physikanalyse

In der seit 2003 laufenden ECFA-Studie spielt dieDESY Gruppe weiterhin eine führende Rolle. Auf deminternationalen Linear Collider Workshop LCWS’04in Paris wurden zahlreiche Beiträge der Gruppe vorge-stellt.

Die Zielsetzungen der obengenannten Themenberei-che sowie aktuelle Beiträge der Gruppe werden imFolgenden erläutert.

LHC/ILC-Arbeitsgruppe

Ziel der internationalen LHC/ILC-Arbeitsgruppe ist es,an konkreten Beispielen zu untersuchen, wie sich derLHC und der ILC gegenseitig ergänzen. Hierbei arbei-ten Experimentalphysiker am ILC und am LHC sowieTheoretiker eng zusammen. Der erste Bericht dieserArbeitsgruppe ist 2004 erschienen.

Higgs-Boson: In supersymmetrischen Modellen un-terscheidet sich das leichteste neutrale Higgs-Bosonhäufig nur geringfügig von dem des Standardmodells.Die schwereren supersymmetrischen Higgs-Bosonenliegen oft außerhalb der kinematischen Reichweite desILC. Da auch am LHC diese Teilchen nicht immerbeobachtet werden können, ist es besonders wichtig,indirekte Information über die Massen der schwerenneutralen Higgs-Bosonen, insbesondere über das CP-ungerade A0, zu erhalten. In früheren ILC-Studienwurde gezeigt, dass die Verzweigungsverhältnisse desleichten Higgs-Bosons h vom Massenwert MA des A0

abhängen. Allerdings hängt diese Masse auch vomSpektrum der supersymmetrischen Teilchen, insbeson-dere der dritten Generation, ab. Unter diesen sind dieSquarks am einfachsten am LHC zu beoabachten. Wei-terhin spielt die genaue Messung der Top-Masse amILCein wichtige Rolle. In einer neuen Studie, die von Phy-sikern der Gruppe FLC zusammen mit dem WeizmannInstitut in Israel, der TU München und dem IPPP inDurham durchgeführt wurde, wurde nun erstmals dasZusammenspiel der verschiedenen sensitiven Observa-blen untersucht. Nur durch Verwendung der Messungenvon ILC und LHC zusammen lässt sich die A0-Masseeinschränken. Für eine A0-Masse von 800 GeV erreichtman eine Genauigkeit von etwa 30% (siehe Abb. 56).

Im Jahr 2004 konzentrierten sich die Studien auf Fra-gen, ob und wie gut es möglich ist, die verschiede-nen neutralen Higgs-Bosonen des Minimalen Super-symmetrischen Standardmodells (MSSM) im Regimeintensiver Kopplungen zu erkennen und deren Eigen-schaften zu vermessen. Im Vergleich mit dem LHCist ein Linear Collider eindeutig besser zur Bestim-mung des Profils solcher Teilchen geeignet. Insbe-sondere ist eine Differenzierung der drei möglichenneutralen Higgs-Bosonen beim ILC möglich und ihreMassen sind mit Genauigkeiten von 100 bis 500 MeVbestimmbar.

SUSY: Die Studien zu Präzisionsanalysen supersym-metrischer Modelle wurden in 2004 weiter fortgeführt.So ist es erstmals gelungen, zu zeigen, dass die Parame-ter des MSSM aus den Observablen von ILC und LHCin einem globalen Fit extrahiert werden können. Im Ge-gensatz zu früheren Studien zur Parameterbestimmungwurden Korrekturen höherer Ordnung berücksichtigt.Diese führen dazu, dass sich die einzelnen Sektorendes Modells nicht mehr unabhängig behandeln lassen.Es wurde ein neues Fit-Programm (Fittino) entwickelt,das experimentelle und theoretische Unsicherheiten so-wie deren Korrelationen berücksichtigt und die Para-meterbestimmungohnea-priori-Annahmendruchführt.Aufgrund der großen Anzahl von Parametern kommenherkömmliche Fit-Algorithmen an ihre Grenzen. Einneuer thermodynamisch inspirierter Algorithmus (si-mulated annealing) wurde erstmals für solche Zwe-cke eingesetzt und liefert stabile Ergebnisse. Es wurdegezeigt, dass sich in den untersuchten Szenarien dasrichtige globale Minimum erreichen lässt und dass dieFehlerbestimmung der Parameter zuverlässig ist.

Stop: Untersuchungen zur Messung der Masse des su-persymmetrischen Top-Quarks (Stop) wurden gemein-sam mit der Universität Lancaster durchgeführt. Da-bei wurden vier verschiedene Methoden angewendet,um Masse und Mischungswinkel des Stops zu bestim-men. Eine präzise Messung der Wirkungsquerschnittebei verschiedenen Polarisationszuständen der Elektron-und Positronstrahlen ergibt die höchste Genauigkeit von0.57 GeV für die Stop-Masse. Eine Messung der Wir-kungsquerschnitte nahe der Erzeugungsschwelle vonskalaren Tops gestattet es, die Masse auf 1.2 GeV ge-nau zu bestimmen. Weiterhin wurde versucht, die Stop-Masse aus den Eigenschaften der Charm-Jets zu bestim-men. Beide hier angewandten Methoden ergaben eineGenauigkeit von etwa 1.5 GeV.

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Abbildung 56: Die Variation ∆MA des Messwertes der Masse MA des A0 als Funk-tion von MA abgeleitet aus der Präzisionsmessung von Verzweigungsverhältnissen am ILC(r = [BR(h → b̄b)/BR(h → WW)]obs/[BR(h → b̄b)/BR(h → WW)]SM). Die durchgezo-gene Linie bezieht sich auf eine r-Präzision von 4% (möglich bei ILC500), die gestrichelteLinie auf 1.5% (ILC500+ ILC1000). Die Unsicherheiten der MSSM-Vorhersage aufgrundder anderen MSSM-Parameter, die sich aus den Fehlern der LHC/ILC-Messungen der SUSY-Teilchen (insbesondere Squark-Massen) ergeben, sind berücksichtigt. Die gepunktete Liniezeigt die Genauigkeit, die erreichbar wäre, wenn die Eigenschaften der SUSY-Teilchen exaktbekannt wären.

Präzisionsanalysen von Higgs-Bosonen

Zu den seit langem bekannten Stärken des ILCgehört die Möglichkeit ein standardmodellartigesHiggs-Boson detailliert zu untersuchen. Die Mes-sung der Masse und der Verzweigungsverhältnisse ei-nes leichten Higgs-Bosons stellen hierbei Referenz-analysen dar, deren Untersuchung die Entwicklung

des Detektordesigns ständig begleiten. In 2004 wur-den Untersuchungen zum systematischen Fehler derHiggs-Massenbestimmung aufgrund der Unsicherhei-ten der Strahlparameter (Energiekalibration, Energie-profil, Beamstrahlung) durchgeführt. Es zeigt sich, dassEnergieprofil und Beamstrahlung nur einen kleinenEinfluss auf die Genauigkeit der Massenbestimmunghaben, vorausgesetzt, die geplante Maschinenpräzi-sion wird eingehalten und die Beamstrahlung wird aus

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der Akoplanarität von Bhabha-Ereignissen bestimmt.Die absolute Energiekalibration überträgt sich in etwa1:1 auf die Präzision der Higgs-Masse. Bei einer ge-wünschten Unsicherheit von weniger als 40 MeV füreine Higgs-Masse von 120 GeV ergibt sich hieraus eineAnforderung für die Energiekalibration von 3 ·10−4.

Die Analyse der hadronischen Verzweigungsver-hältnisse eines leichten Higgs-Bosons wurde wei-ter vervollständigt und als Referenzanalyse auf demLCWS’04 vorgestellt. Frühere Unstimmigkeiten in derLiteratur über die erreichbare Präzision konnten aufge-klärt werden. Im Vergleich zu den im TESLA-TDR vor-gestellten Ergebnissen zeigt sich, dass der Fehler auf dasVerzweigungsverhältnis in b-Quarks reproduziert wer-den konnte, während die Fehler für Charm-Quarks undGluonen etwa 50%(relativ) größer sind. Der Grund liegtvor allem in einer wesentlich realistischeren Simulationder Rekonstruktion sekundärer Zerfallsvertices.

Wenn kein leichtes Higgs-Boson existiert, werden dieEichkopplungen bei Energien in der Nähe von

√s ∼

1 TeV stark. Dieses Szenario wurde an Hand der WWStreuung detailliert untersucht. Auch hier ist der ILCdem LHC auf Grund der eindeutig identifizierbarenSubprozesse bei ausreichend hoher Luminosität über-legen.

Einfluss der Zeitstruktur der LinearCollider Strahlen auf die Physikanalyse

In Vorbereitung der ITRP-Entscheidung wurde imHerbst 2004 an Beispielen untersucht, wie sich dieunterschiedlichen Zeitstrukturen der beiden Beschleu-nigertechnologien auf die erreichbare Präzision vonObservablen aus der Higgs-Physik auswirken.

Die Zeitstruktur der kollidierenden Teilchenbündel(Bunches) unterscheidet sich für einen auf TESLA-Technologie basierenden Linear Collider deutlich vondem normalleitenden NLC/GLC-Design. So folgen imNLC/GLC-Design Bunches im Abstand von 1.4 ns,während dies im TESLA-Design mit 180–340 ns ge-schieht. Während letzteres für moderne Detektoren keinProblem darstellt, ist es eine Herausforderung Ereig-nisse im Abstand von 1.4 ns zu separieren. Sollte diestechnologisch nicht möglich sein, so integriert der De-tektor Untergrund aus aufeinanderfolgenden Bunch-Crossings. In der Gruppe FLC wurde zur Vorbereitung

der Technologieentscheidung studiert, welchen Ein-fluss ein solcher intergrierter Untergrund auf die Rekon-struktion von Higgs-Ereignissen in verschiedenen End-zuständen haben kann. Als Untergrund wurde vor allemdie Produktion von Hadronen aus der Kollision hoch-energetischer Beamstrahlung-Photonen untersucht. ImMittel werden in etwa 0.4/0.27 (TESLA/NLC) solcherEreignisse pro Bunch-Crossing erwartet, die jeweilszu einigen Hadronen im Detektor führen. Wird ein sol-cher Untergrund über mehrere Bunch-Crossings inte-griert, führt die zusätzliche Energiedeposition zu einerVerschlechterung der Massenauflösung und der Trenn-barkeit von Higgs-Ereignissen von anderen Physik-Ereignissen. Es wurden Algorithmen entwickelt, mitderenHilfeder EinflussdieseshadronischenUntergrun-desminimiertwird.Dennochzeigt sicheinesignifikanteVerschlechterung der Massenauflösung für ein leich-tes Higgs-Boson im Higgs-Strahlung-Prozess und einschlechteres Signal-zu-Untergrund Verhältnis in WW-Fusion wenn der Detektor über 18 Bunch-Crossings(etwa 25 ns für NLC/GLC-Design) integriert.

Beschleuniger Entwicklungen

Die Forschungsarbeiten zum Linear Collider imJahr 2004 sind eng mit den Arbeiten der TESLA-Kollaboration und der Vorbereitung für den XFEL ver-bunden.Der Schwerpunkt inder erstenHälftedes Jahreslag in der Vorbereitung der Technologie-Entscheidung.Anfang April besuchte das ITRP-Experten-GremiumDESY, um sich vor Ort über den Stand der Entwicklun-gen zu informieren. Die TESLA-Kollaboration hatte zudiesemEreignis sowohl externeMitglieder der Kollabo-ration als auch die Vertreter der beteiligten oder interes-sierten Industriefirmen eingeladen. In Plenarvorträgen,wie auch in detaillierte Posterausstellungen, hatte dasGremium Gelegenheit, sich zu informieren und Kon-takt mit den Experten aufzunehmen. In Folgetreffen anden Standorten der anderen Labors war DESY durchExperten jeweils vertreten und konnte dem GremiumRede und Antwort stehen. Die behandelten Themensind im Detail weiter unten aufgeführt.

Im März 2004 hatte ein Konsortium bestehend ausmehr als zwanzig europäischen Labors unter Feder-führung von DESY eine Design-Studie bei der Eu-ropäischen Union eingereicht, um die Forschung für

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Abbildung 57: Die Beschleunigerexperten aus aller Welt treffen sich beim ersten ILC-Workshop am KEK-Labor in Japan.

den Linearbeschleuniger voranzubringen. Dieser sogenannte EUROTeV Vorschlag umschließt in seinemArbeitsprogramm viele der unten aufgeführten The-men mit Ausnahme der ,,supraleitenden Technolo-gie“, die bereits in der EU-geförderten ,,Joint Re-search Activity“ zur Superconducting RF (SRF) alsTeil des ,,CARE“-Förderprojektes abgedeckt ist. DerEUROTeV-Vorschlag wurde zusammen mit dem eben-falls unter DESYs Federführung eingereichten Vor-schlag EUROFEL von den Gutachtern auf die bei-den ersten Plätze unter mehr als Hundert eingereichtenVorschlägen gesetzt und zur Förderung von der euro-päischen Union ausgewählt. DESY selbst gewinnt aufdiese Weise sechs Nachwuchswissenschaftler zur For-schung am ILC. Gleichzeitig intensiviert das Projektdie internationale Zusammenarbeit am Linear Collider.In einem Kick-Off Meeting Ende November am DESYwurde das Projekt der Öffentlichkeit vorgestellt und dasdetaillierte Programm besprochen. Auszüge aus demArbeitsprogramm von EUROTeV finden sich in denaufgeführten Abschnitten wieder.

Im November wurde bei DESY die ILC-Projektgruppemit der Aufgabe gegründet, die ILC spezifischen Akti-vitäten bei DESY zu koordinieren und die bestmöglicheSynergie mit den TTF- und XFEL-Projekten herzustel-len. Die Bedeutung von TTF und XFEL für den ILC istaußerordentlich. Ein Erfolg des XFEL ist nach der Ent-scheidung für die kalte Technologie unabdingbar undumgekehrt gibt es viele originäre Beiträge aus demFeld des ILC, die für den XFEL interessant werden.Es ist abgeschätzt worden, dass etwa 90% der XFEL-

Arbeitsfelder (unter Einschluss der Industriearbeiten)direkt relevant sind für den ILC. Unter diesem Lichthat beispielsweise die TESLA-Kollaboration auf ih-rem Treffen in Orsay im Herbst 2004 beschlossen, dieArbeit mit Konzentration auf die kalte Beschleuniger-Technologie weiter zu führen. Experimentelle Grund-lage bleibt der Weiterbetrieb der TTF (TTF II), derDESY eine federführende Rolle in der Kollaborationeinräumt.

Ebenfalls im November fand der erste ILC-Workshopam KEK in Japan statt, auf dem auch DESY gut ver-treten war (siehe Abb. 57). Dieser Workshop demons-trierte eindrucksvoll das große internationale Interesseund den Willen, nach der Wahl der Beschleuniger-Technologie, die Realisierung des Projektes gemeinsamim internationalen Umfeld anzugehen.

Entwicklung dersupraleitenden Technologie

Die TESLA-Kollaboration hat bereits Kavitäten mitGradienten von mehr als 35 MV/m hergestellt und be-trieben. Die gegenwärtig bei ZANON in der Entwick-lung befindlichen Kavitäten werden die bisher kleineProduktionsstatistik verbessern. Der Test neun solcherKavitäten in einem Kryostaten bei gleichem mittle-ren Gradienten konnte wegen fehlender Infrastrukturbisher nicht im Teilchenstrahl erfolgen. Das Modul 6ist für solche Tests an der TESLA Test Facility (TTF)vorgesehen. Solche Kavitäten ermöglichen den Betrieb

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des VUV-Lasers mit Elektronenenergien jenseits von1 GeV und den Betrieb des XFEL bei kleinsten Wellen-längen oder wegen Verminderung der Verlustleistungbei höherer Bunchrate.

Schlüsselfrage bei der Begutachtung durch das ITRPwar die Frage nach der weiteren Industrialisierungdes Herstellungsprozesses. Die Erwartung ist, dassdurch noch weiter verbesserte Produktionsprozesse dieQualität der Module gesteigert werden kann, so dassaufwändige Tests entfallen. Die Behandlung durch,,Electro-Polishing“ scheint viele Qualitätsanforderun-gen in diesem Zusammenhang zu erfüllen und wird fürdie Herstellung der Kavitäten mit hohem Gradientenbenutzt. Neben diesem Basisprogramm zur Konsoli-dierung des Produktionsprozesses beteiligt DESY sichaktiv an der Entwicklung von Kavitäten mit noch höhe-rer Beschleunigungsspannung in Zusammenarbeit mitExperten aus Japan und USA.

Die außerordentliche Güte der Kavitäten bei hoher Be-schleunigungsspannung lässt sich nur dann effizientzur Beschleunigung ausnutzen, wenn der Verstimmungder Kavitäten aufgrund der Lorentzkraft entgegenge-wirkt wird. Bei TESLA sind Piezo-Tuner in der Entwi-ckung, die dynamisch der Deformation beim ,,Füllen“der Kavität entgegenwirken. Die Herstellung dazu pas-sender, höchstintegrierter Steuerelektronik ist Aufgabeder LLRF Gruppe bei DESY, während die mechani-schen Tuner in Zusammenarbeit mit Saclay entwickeltwerden.

Dämpfungsringe

Der lange Pulszug beim ILC von 1 ms macht es er-forderlich, dass die einzelnen Pakete in den Dämp-fungsringen eng gepackt werden. Im TESLA-Vorschlagwurde ein so genanntes ,,Dog-bone“-Konzept entwi-ckelt, bei dem die Dämpfungsringe zum Teil im langenBeschleunigertunnel aufgebaut sind. Andere Konzeptemit kreisförmigen Dämpfungsringen von 6 oder sogarnur 3 km Umfang werden ebenfalls diskutiert. SolcheVorschläge erfordern jedoch extrem schnelle ,,Kicker“für die Ejektion der Pakete. Grundlage der weiterenDiskussion bleibt deshalb gegenwärtig das Konzept ausdem TESLA-Vorschlag.

Weiteres Studium scheint auch notwendig für den so ge-nannten ,,Electron-Cloud“-Effekt, bei dem sich heraus-

geschlagene Elektronen auf der Strahlachse akkumulie-ren und die dicht nachfolgenden Bündel beeinflussen,so dass die Strahlemittanz bereits im Dämpfungsringleidet. Dieser Effekt wird gleichsam für LHC von Be-deutung sein und stellt ein spezielles Forschungsthemadar, das auch von EUROTeV behandelt wird.

Strahldynamik und Physik

Die gute Emittanz der Strahlen nach den Dämpfungsrin-gen kann in den Bunch-Kompressoren, im eigentlichenLinac und im Strahlzuführungssystem beeinflusst wer-den. Hier ist es notwendig, durch robuste Algorithmendie Optimierung des Strahls zu erreichen. Ausschlag-gebend sind hier Feedback-Systeme, die von Puls zuPuls die Strahllage nachsteuern. Wichtig in diesem Zu-sammenhang ist auch der Einfluss von Bodenbewegun-gen, die bei vertikalen Strahlabmessungen von einigenNanometern aktiv kompensiert werden müssen.

Positronenquelle

Nach einem Vorschlag von Beschleuniger Expertenaus Protvino (Russland) war im TESLA Technical De-sign Report die Erzeugung der Positronen aus einemhochenergetischen Elektronenstrahl in einem Undula-tor vorgesehen. Gegenüber konventionellen Vorschä-gen mit einem Festkörper-Target gewinnt man hiervor allem wegen der geringeren Materialbelastung imdünnen Target. Gleichzeitig ist es möglich, auch denPositronenstrahl longitudinal zu polarisieren.

Intensive Vorstudien hierzu wurden im ExperimentE166 am SLAC, USA, aufgenommen, das weiter un-ten beschrieben ist. Für die Verwendung am ILC mussgleichzeitig die Ausweitung des Konzeptes auf einen100-fach längeren Undulator berücksichtigt werdenund der Transport des Spins über die lange Streckevon Erzeugung über Dämpfungsring bis zum Kollisi-onspunkt betrachtet werden.

Global Accelerator Network

Der Bau des ILC erfordert neue Wege der internationa-len Zusammenarbeit. Anders als bei früheren Großpro-jekten der Teilchenphysik, werden für den ILC tech-nisch anspruchsvolle Komponenten weit entfernt vom

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Standort des Beschleunigers entwickelt und gebaut.Selbst die Expertise zum Betrieb der Komponentenwird großteils nur aus der Entfernung abrufbar sein.Unabdingbar für eine solche Betriebsweise sind des-halb Kommunikationsmittel, die den ,,Live“ Eindruckder Beschleunigerkomponente entfernt übermitteln. ImEUROTeV Projekt ist deshalb die Entwicklung einesvirtuellen Labors vorgesehen, das Messgrößen standar-disiert aufnimmt und in Echtzeit übermittelt.

Gleichzeitig bemühen sich diese Experten um dieVerbreitung der audiovisuellen Kommunikationsmit-tel. Ziel ist hier aus dem sich schnell entwickelndenMarktangebot die geeignete Lösung herauszusuchen.

Verfügbarkeit des Beschleunigers

Die hohe Zahl von Komponenten für den Beschleunigerbeeinflusst dessen Betriebsverhalten und Einzelausfällekönnten die integrierte Luminosität empfindlich schmä-lern. Es ist deshalb notwendig, die Schwachstellen zuidentifizieren und Gegenmaßnahmen zu ergreifen. We-gen der großen Zahl an Komponenten sind hier Un-tersuchungsmethoden angemessen, die auf statistischeMethoden bei der Modellierung der Ausfälle zurück-zugreifen. Solche Modelle sind insbesondere bereitsin Amerika für vergleichende Studien der verschie-denen Beschleunigerkonzepte eingesetzt worden. DieFragen haben Auswirkungen auf zukünftige Design-entscheidungen, bei denen u. a. ein zweiter Tunnelals Servicetunnel mit schnellerem Zugang diskutiertwird. Der TESLA-Vorschlag favorisiert einen Ein-Tunnelvorschlag, in dem der Linac an der Tunneldeckeangebracht wird. Eine solche Lösung erlaubt relativ un-gehinderten Zugang zum Beschleuniger, allerdings nurin den Betriebspausen.

Detektorentwicklungen

Auch im Jahre 2004 wurden an beiden DESYStandorten intensive Arbeiten zur Entwicklung vonDetektoren für einen Linearbeschleuniger durchge-führt. Die Hauptgebiete sind: strahlnahe Kalorimetrie(Zeuthen), hadronisches Kalorimeter (Hamburg), Zeit-Projektionskammer (Hamburg) und MAPS-Pixel De-tektoren (Hamburg). Darüber hinaus arbeitet DESY am

Experiment zur Entwicklung einer polarisierten Po-sitronenquelle mit (E166, in Zeuthen und in Ham-burg) und entwickelt präzise Strahllagemonitore, diefür einen Einsatz in einem Energiespektrometer gedachtsind (Zeuthen).

F&E für strahlnahe Kalorimetereines ILC Detektors

In der strahlnahen Region des ILC Detektors sind zweiKalorimeter vorgesehen, welche extremen Anforderun-gen genügen müssen und daher intensive Grundlagen-forschung erfordern. Das BeamCal, welches direkt ander Strahlröhre anliegt und einen Polarwinkel von 4bis 28 mrad überdeckt, muss unter sehr hoher Strah-lenbelastung funktionstüchtig bleiben. Elektronen undPositronen der ,,Beamstrahlung“ deponieren eine Dosisvon etwa 10 MGy pro Jahr. Das sich radial anschlie-ßende LumiCal bei Polarwinkeln zwischen 26 und82 mrad ist ein Instrument zur präzisen Luminositäts-messung.

Eine eigene Kollaboration für Kalorimetrie in Vorwärts-richtung (FCAL) erarbeitet ein technisches Design fürbeide Kalorimeter. Im Berichtszeitraum wurden um-fangreiche Monte Carlo Rechnungen zur Optimierungder Strukturen durchgeführt. Parallel dazu wurden Sen-sor Prototypen getestet und Vorbereitungen für denAufbau von Prototypen der Kalorimeter getroffen.

Die Verteilung der Beamstrahlung im Bereich desBeamCal kann zur Strahldiagnose und Korrektur ge-nutzt werden. Einzelne hochenergetische Elektronenmüssen bis zu kleinsten Polarwinkeln erkannt werden,dadiese sonst zumUntergrundbei der SuchenachneuenTeilchen beitragen. Für diese Zwecke muss das innereKalorimeter sehr kompakt sein und eine hohe Granu-larität besitzen. Mögliche Varianten sind ein Diamant-Wolfram Sandwich Kalorimeter oder ein Kalorimeteraus Szintillatorkristallen. Die Segmentierung der Sen-soren oder Kristalle wurde nach Monte Carlo Studienfestgelegt.

Diamant-Sensoren, die das Fraunhofer Institut für an-gewandte Festkörperphysik in Freiburg angefertigt hat,wurden in einem Teststrahl in einem großen Intensitäts-bereich untersucht. Ein Sensor der Größe 12×12 mm2

ist in Abb. 58 gezeigt. Linearität und Homogenität

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Abbildung 58: Ein Diamantsensor für Untersuchungenim Teststrahl. Die Elektrode besteht aus vier Teilflächenetwa der Größe, die für das Kalorimeter optimal ist.Jede Teilfläche wird separat ausgelesen.

wurden getestet. Die vorläufigen Resultate sind sehrzufriedenstellend.

Aus Plastik-Szintillatoren wurden Segmente gefer-tigt, welche etwa den Abmessungen der Kristalleim BeamCal entsprechen, mit optischen Fasern zurLichtauskopplung versehen und zu einem Mini-Modulzusammengefügt. Die Lichtmenge vom Durchgangkosmischer Myonen wurde direkt am Szintillator undam Ende der optischen Faser gemessen. Etwa 10% desLichtes wird ausgekoppelt. Das ist ausreichend für dieAnwendung im Kalorimeter.

Für das Design des LumiCal wurden detaillierte MonteCarloRechnungenvonanderenPartnernderFCALKol-laboration durchgeführt. Auf deren Grundlage wurde inZeuthen ein mechanisches Design entwickelt, welchesin Abb. 59 gezeigt ist.

Die Position der Sensoren muss mit einer Präzisionvon einem Mikrometer kontrolliert werden. Deshalbsind getrennte Halterungen für die Sensoren und dieAbsorberringe notwendig.

Abbildung 59: Der mechanische Aufbau des Lumi-Cal. Die linke Figur zeigt die Aufhängung eines Sen-sormoduls. Auf der rechten Seite ist der Aufbau einesSensormoduls aus mehreren Silizium Sensoren gezeigt.

F&E für ein hadronisches Kalorimeteram ILC

Bei vielen Schlüsselreaktionen am Linear Collider wer-den schwere Bosonen, z. B. W, Z oder Higgs-Teilchenerzeugt, die ihrerseits überwiegend in Jets zerfallen. Diezugrundeliegende Physik im Energiebereich des ILCerschließt sich aus der präzisen Vermessung solcherProzesse. Die schweren Teilchen können in den Multi-Jet-Endzuständen nur anhand ihrer invarianten Massenidentifiziert werden. Dazu müssen die Energien der Jetssehr genau gemessen werden, und zwar wesentlich ge-nauer, als dies mit bisher gebauten Detektoren an Be-schleunigern möglich ist. Diese Forderung ergibt sichunter anderem direkt aus den Massenwerten der schwe-ren Bosonen bzw. deren Abstand voneinander. Die Phy-sikstudien der vergangenen Jahre haben hier eine ge-waltige Herausforderung an die Detektorentwicklungaufgezeigt.

Im Prinzip kann die nötige Präzision erreicht werden,wenn jedes Teilchen im Ereignis einzeln im Detektornachgewiesen und mit der Komponente gemessen wird,die dafür am besten geeignet ist: also geladene Teilchenmit dem Spurdetektor, und neutrale im Kalorimeter. Beidieser ,,particle flow“ genannten Methode müssen dieTeilchensignale im Kalorimeter räumlich voneinader

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getrennt werden. Die Trennung ist umso erfolgreicher,je stärker das Magnetfeld ist, das die geladenen Teil-chen von der Jet-Richtung ablenkt, je weiter entferntvom Wechselwirkungspunkt die Teilchen auf das Ka-lorimeter treffen, und je feiner dessen Granularität ist.Dem stehen offensichtliche technische und budgetäreGrenzen gegenüber; der Auslegung der Magnetspuleund des Kalorimeters kommt eine besondere Bedeutungbei der sorgfältigen Optimierung des Detektorkonzeptszu.

Die Gruppe FLC arbeitet zusammen mit Partner-instituten in Frankreich, Großbritannien, Russland,den USA und Tschechien im Rahmen der CALICE-Kollaboration an der Entwicklung eines hadroni-schen Kalorimeters (HCAL) mit Eisen als Absorberund Szintillatorauslese. Dank neu entwickelter Photo-detektor-Technologien können hier deutlich kleinereAuslesezellen als früher realisiert werden. Winzige,1 mm2 messende Halbleiterdetektoren, ,,Silizium-Photomultiplier“ (SiPM), die auf einem kurzen Wel-lenlängenschieber direkt auf die Szintillatorplättchenmontiert werden, übernehmen dabei die Rolle der vor-mals verwendeten Vakuum-Photovervielfacher, zu de-nen das Szintillationslicht über komplizierte Lichtlei-tersysteme aus dem Detektorvolumen herausgeführtwerden musste.

In einem ,,particle flow“-Kalorimeter spielt die Ortsauf-lösung eine mindestens genauso große Rolle wie dieEnergieauflösung. Diese Gesichtspunkte auszubalan-cieren ist eines der Ziele des Entwicklungsprogramms.In einer radikaleren Variante kann sogar auf die Am-plitude der Kalorimetersignale ganz verzichtet werden:das ,,digitale Kalorimeter“ misst die Energie durch Zäh-len der Treffer in sehr feiner (1 cm2) Segmentierung.Für diesen Ansatz kommen auch Gas-Detektoren alsAuslesemedium in Frage, eine Option, die von anderenGruppen in CALICE untersucht wird.

Für dieses Programm ist der Bau von Kalorimeter-Prototypen für Teststrahlexperimente unverzichtbar.Zum einen müssen die neuen Technologien über denLabormaßstabhinausundunter realistischenBedingun-gen erprobt werden, zum anderen sind die Modelle, dieder Computersimulation hadronischer Schauer zugrun-deliegen, zu ungenau, als dass die Optimierung eines,,particle flow“ Kalorimeters sich darauf stützen könnte.Daten von elektronischen und hadronischen Teststrah-len sind nicht zuletzt nötig, um das Konzept überhaupt

Abbildung 60: Simulation eines Ereignisses im kom-pletten Prototypen (ECAL, HCAL und tail catcher).

auf eine experimentelle Basis zu stellen. Die Größe deszur Zeit im Bau befindlichen ,,Kubikmeter“-Prototypenist dabei durch die Ausdehnung hadronischer Schauerbei ILC typischen Energien vorgegeben, die Granula-rität und damit die Zahl der elektronischen Kanäle (ca.8000) durch die bei der Rekonstruktion der Schauer auf-zulösenden Substrukturen. Ein simuliertes Ereignis inder geplanten Konfiguration aus elektromagnetischemund hadronischem Kalorimeter sowie ,,tail catcher“ istin Abb. 60 gezeigt.

In einer Vorstudie ist ein kleineres Kalorimeter(,,Minical“) mit ca. 100 SiPMs gebaut und 2003 imElektronen-Teststrahl am DESY untersucht worden. ImJahre 2004 wurde die Datenanalyse mit einer Publi-kation abgeschlossen. Die Messungen wurden außer-dem ergänzt durch Vergleiche mit einer mit Avalanche-Photodioden instrumentierten Variante. Die Resultatein Abb. 61 zeigen, dass die erzielten Auflösungenpraktisch gleich und anhand von Simulationen gut ver-standen sind. SiPMs haben eine Pixel-Struktur underzeugen ein Signal, das der Zahl der von Photonengetroffenen Pixel entspricht. Damit gehen Sättigungs-effekte einher. Ein wichtiges Ergebnis des Minical-Teststrahlprogramms ist, dass diese Effekte zuverläs-sig korrigert werden können und ohne nennenswertenEinfluss auf die Auflösung bleiben.

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Abbildung 61: Mit zwei Auslesetechniken gemesseneAuflösung für Elektronen im Minical (siehe Text).

Für den Kubikmeter-Prototypen war das gesamteelektro-mechanische Konzept zu erarbeiten. Die Ab-sorberstruktur wurde dabei so flexibel ausgelegt, dassneben Szintillator-Modulen auch andere Auslesetech-nologien getestet werden können, z. B. ein digitalesHCAL auf Gas Basis. Konnte das ,,Minical“ nochmit Elektronik-Komponenten aus der Zeit der PETRA-Experimente ausgelesen werden, wurde 2004 mit derEntwicklung neuer Frontend-Elektronik begonnen. DasKonzept ist ähnlich dem ebenfalls in der CALICE-

Abbildung62: PulshöhenspektrumeinesSiliconPhoto-multipliers. Deutlich erkennbar sind die äquidistantenSignale für einzelne Photoelektronen.

Kollaboration gebauten elektromagnetischen Silizium-Wolfram-Teststrahlkalorimeters (ECAL), so dass sichdas HCAL in die ECAL-Datenakquisition integrierenlässt. Die Elektronik-Karten für das HCAL wurden inenger Zusammenarbeit zwischen den DESY-GruppenFLC und FEB entwickelt. Ihr Herzstück ist ein amLAL in Orsay entwickelter ASIC-Chip mit Vorverstär-kern für 18 Kanäle. Am Ende des Berichtsjahres konnteder Bau der ersten Detektorebene mit den ersten 220mit SiPMs versehenen Szintillatorplättchen beginnen,und die ersten Chips der Serienproduktion erfolgreichgetestet werden. Abb. 62 zeigt ein dabei aufgenom-menes Pulshöhenspektrum; zu erkennen sind die fürdie Kalibration der SiPMs wichtigen Signale einzelnerPhotoelektronen.

Studien zum Vertexdetektoran MAPS Sensoren

Für den Vertexdetektor eines ILC-Detektors werdenmehrere Technologien studiert. DESY beteiligt sich imRahmen der ,,Monolithic Active Pixel Sensor“ Gruppean Studien zum Verhalten dieser Sensoren, zur me-chanischen Aufhängung und zur Kühlung durch Ver-dampfungskühlung. IReS in Strasbourg hat einen erstengroßen Sensor entwickelt: Mimosa V, 18 mm×18 mmgroß, mit 256 kpixel und einer Pixelgrösse von 17 µm.Dieser Sensor ist die Grundlage für die Studien beiDESY. Um das Verhalten dieses Pixeldetektors ken-nenzulernen, sind drei Sensoren, die IReS DESY zurVerfügung gestellt hat, in ausführlichen Tests mit einerFe55-Quelle und im Teststrahl vermessen worden. Da-für musste das vorhandene Datenerfassungssystem fürdas Test-Teleskop modernisiert und den Anforderungendes Pixeldetektors angepasst werden.

Abbildung 63 zeigt ein typisches Ereignis, das im Test-strahl aufgenommen wurde. Man unterscheidet klar 2typische Cluster, die aus mehreren Pixeln bestehen und2 ,,heiße“ Pixel. Die Analyse der Daten ist noch nichtabgeschlossen. Insbesondere werden die Ortsauflösungund die Nachweiswahrscheinlichkeit noch untersucht.Der Ortsauflösung sind, bedingt durch den niedrigenImpuls der Elektronen von 6 GeV/c, Grenzen durch dieVielfachstreuung gesetzt.

Um das bestmögliche Verhalten des Vertexdetektors zuerreichen, muss die Materie, die die Teilchen durchdrin-

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Abbildung 63: Beispiel eines guten Ereignisses imMAPS prototypen mit 2 Clustern und 2 ,,heißen“ Pixeln.

gen, so dünn wie nur möglich sein, um Vielfachstreungzu reduzieren. Neben der Reduzierung der Sensordickemuss die mechanische Halterung wie alle anderen Ma-terialen auf das Minimum reduziert werden. Auf derSuche nach geeignetem Material für die Tragestruktu-ren (Leiter) zeigte sich neben CVD-Diamant auch ,,ge-schäumtes“ Siliziumkarbid (SiC) als sehr gut geeignet.Erste Leitern aus SiC sind gefertigt worden.

Weitere Studien befassten sich mit dem Aufbau einesKühlsystems, das entlang einer Leiter eine gleichmä-ßige Wärmeabfuhr garantieren soll. Dabei wird dasVerfahren der Verdampfungskühlung in sehr dünnenRöhrchen benutzt. Abbildung 64 zeigt den Messauf-bau, in dem die verschiedenen Aspekte des mechani-schen Aufbaus und des Kühlsystems getestet werdensollen.

Zeit-Projektions-Kammer

Als eine wichtige Komponente des Spurerken-nungssystems für einen Detektor am ILC ist eineZeit-Projektions-Kammer (TPC) in Diskussion. DerSchwerpunkt der F&E-Aktivitäten am DESY liegt beider Untersuchung eines neuartigen Gasverstärkungs-systems basierend auf Gas-Elektronen-Vervielfacher(GEM). Ziel ist eine Ortsgenauigkeit von besser als100 µm über dem gesamten Kammervolumen.

Abbildung 64: Messaufbau zum Testen des mechani-schen Aufbaus und des Kühlsytems.

In den vergangenen Jahren sind bereits eine Reihe viel-versprechender, grundlegender Versuche zum Einsatzvon GEMs in einer TPC in enger Zusammenarbeit mitanderen Instituten in Deutschland, Frankreich und Ka-nada durchgeführt worden. Im Jahr 2003 ist ein spe-zieller TPC-Prototyp bei DESY entwickelt und gebautworden. Dieser ist so konstruiert, dass er in der Hoch-Magnetfeld-Testanlage, die seit 2002 bei DESY zurVerfügung steht, betrieben werden kann.

Im Jahr 2004 wurden insgesamt rund eine halbe MillionSpuren von kosmischen Myonen mit dem neugebau-ten TPC-Prototypen in der Hochfeld-Testanlage aufge-zeichnet. Die gewonnenen Daten dienen vornehmlichder Untersuchung des räumlichen Auflösungsvermö-gens einer TPC. Abbildung 65 zeigt ein vorläufigesErgebnis der Studien. Um den Einfluss verschiedenerFaktoren auf die Ortsauflösung studieren zu können,wurden Daten mit unterschiedlichen Auslesegeome-trien und Gasen als Funktion der Kammerpositionenaufgezeichnet. Desweiteren stehen noch rund 300 000Ereignisse, die im Jahr 2004 in einem Elektronen-teststrahl am DESY aufgezeichnet wurden, für Auf-lösungsstudien zur Verfügung. Im Zuge der noch nichtabgeschlossenen Datenanalyse wurde die verwendeteRekonstruktions- und Simulationssoftware weiterent-wickelt und verbessert. Ziel der Untersuchung ist es, zuverstehen, welche Faktoren die Auflösung limitieren,um die Leistungsfähigkeit der Kammer dann in einemweiteren Schritt optimieren zu können.

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Abbildung 65: Räumliches Auflösungsvermögen ei-ner TPC in transversaler Richtung als Funktion derDriftlänge bei unterschiedlichen Magnetfeldstärken.

Neben der Untersuchung der Ortsauflösung einer TPCmit GEM-Verstärkungssystem sind auch Untersuchun-gen zur Bestimmung der Doppelspurtrennung der Kam-mer begonnen worden. Hierzu kam ein UV-Laser zumEinsatz, dessen Licht in zwei Strahlen aufgespaltenwurde. In den letzten Monaten begann die Entwicklungeines Strahlführungssystems, das die Strahlteilung und-fokussierung leistet. Ferner sind für die Messungennotwendige Modifikationen an dem TPC-Prototypendurchgeführt worden, die es ermöglichen, das Laser-licht in das Driftvolumen der Kammer einzuspeisen.

Der Hoch-Magnetfeld-Teststand hat sich in dieser ers-ten Messreihe bewährt. Eine weitere Nutzung dieser,,Infrastruktur“ ist für fortgesetzte Studien zur Ortsauf-lösung auch für andere Spurdetektoren vorgesehen.

PolarisiertePositronenquelle(E166)

In den vergangenen Jahren wurde im Rahmen der Stu-dien für einen Linearbeschleuniger gezeigt, dass die Po-larisierung beider Strahlen – Positronen sowie Elektro-nen – das Physikpotential erheblich erweitert. Währenddie Methode zur Erzeugung polarisierter Elektronendurch Photoemission an geeigneten GaAs-Struktureninzwischen weit fortgeschritten ist und hohe Polarisa-tionsgrade erreicht werden, ist die Erzeugung polari-sierter Positronen vergleichsweise Neuland. Mit dem

E166 Experiment am Stanford Linear Accelerator Cen-ter (SLAC) soll erstmals die Produktion polarisierterPositronen mit einem wendelförmigen Undulator expe-rimentell demonstriert werden. Diese Idee geht auf eineArbeit von Balakin und Mikhailichenko aus dem Jahre1979 zurück: ein hochenergetischer Elektronenstrahlwird durch einen wendelförmigen Undulator geschickt.Dabei entsteht zirkular polarisierte Gammastrahlung,die hinter dem Undulator auf ein dünnes Target trifftund Elektron-Positron Paare erzeugt. Fängt man mit dernachfolgenden Strahloptik lediglich die hochenergeti-schen Positronen ein, erwartet man Polarisationsgradebis zu 60%.

Das E166 Experiment wird am SLAC FFTB unter inter-nationaler Beteiligung durchgeführt. DESY hat die Ver-antwortung für Design, Bau, Betrieb und Auswertungdes Polarimeters übernommen, mit dem die erreichtePolarisation der Positronen vermessen werden wird. Eshandelt sich hierbei um ein Comptontransmissionspola-rimeter, das aus einem Analysiermagneten (Verantwor-tung DESY Hamburg) und einem CsI(Tl) Kalorimeter(Verantwortung DESY Zeuthen) besteht. Ein weitererAnalysiermagnet wird im Polarimeter zur Messung derPhotonpolarisation eingesetzt.

Die beiden Analysiermagnete (Abb. 66) wurden vonDESY Hamburg konzipiert und vom Efremov-InstitutSt. Petersburg hergestellt. Ein in den Magneten einge-betteter Ferromagnet wird durch ein solenoidales Feldauf über 2 T magnetisiert, dabei werden die Elektronenin den unvollständig besetzten inneren 3d-AtomschalendesEisenspolarisiert. Inder ComptonPolarimetriewer-den nun polarisierte Photonen an den polarisierten Elek-tronen im Eisen gestreut. Aufgrund der Spinabhängig-keit des Compton-Prozesses ergibt sich bei Umkehrungder Magnetisierung eine Asymmetrie des Transmissi-onssignals. Die Analysiermagnete sind im Photonarmund im Positronarm, hier zusammen mit dem CsI Kalo-rimeter, installiert. Im Positronarm werden die erzeug-ten polarisierten Positronen am Eingang des Analysier-magneten in Photonen rückkonvertiert. Die Polarisationder Positronen ergibt sich dann aus der gemessenenAsymmetrie der Signale im CsI(Tl)-Kalorimeter.

Zwei Kalorimeter-Prototypen, jeweils bestehend auseinem CsI(Tl) Kristall, aber mit unterschiedlicherLichtauslese (Photomultiplier bzw. zwei großflächigenPhotodioden), wurden Anfang des Jahres noch einmalausgiebig getestet und dann am SLAC am zukünfti-

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Abbildung 66: Die Analysiermagnete für das E166Experiment am SLAC. Links ist der Magnet für denPositronarm und rechts ist der Magnet für den Elek-tronarm zu sehen. Weiterhin sind die Anschlüssefür die Wasserkühlung und die Stromversorgung zuerkennen.

gen Experimentierplatz eingebaut. Beide Prototypenfunktionierten einwandfrei; da die Lichtauslese mittelsPhotodioden einfacher zu kalibrieren war, wurde ent-schieden, das Kalorimeter mit Photodioden auszustat-ten. Parasitär zum Betrieb anderer Experimente konntendie Prototypen unter tatsächlichen Strahlbedingungengetestet werden.

Im Laufe des Jahres wurde das Design des Polarimetersvervollständigt. Das Kalorimeter (Abb. 67) besteht aus9 CsI(Tl) Kristallen mit einer Größe von je 6 cm×6 cm×28 cm angeordnet in einer 3×3 Matrix.

Die Kristalle wurden von der Firma AMCRYS-HLIMITED aus der Ukraine geliefert und in Zeutheneingehend auf ihre Szintillationseigenschaften hin un-tersucht. Alle zeigten hinreichende Qualität. Die me-chanische Struktur des Kalorimeters wurde von derHumboldt-Universität, die Verstärker für den Sig-naltransport wurden gemeinsam mit der Humboldt-Universität entwickelt und gebaut. Das Kalorimeterwurde im Teststrahl am DESY II in Hamburg getestet,bevor es im Sommer zum SLAC gebracht und dort imExperiment installiert wurde. Simulationen mit Hilfevon GEANT3 haben gezeigt, dass man das Kalorimeterdurch geeignete Blei- und Wolframwände nahezu voll-ständig gegen Photonenuntergrund schützen kann. Im

Abbildung 67: Die Anordnung der CsI(Tl) Kristalle imKalorimeter für das E166 Experiment am SLAC. DieLichtauslese erfolgt mittels Photodioden; hier ist dieAusleseelektronik zu sehen.

Oktober begann die erste Datennahme für das E166 Ex-periment, doch aufgrund eines schweren elektrischenUnfalles, der nicht im Zusammenhang mit dem Ex-periment stand, wurde der Beschleunigerbetrieb nachzweieinhalb Tagen für unbestimmte Zeit unterbrochen.In Abhängigkeit vom Zeitpunkt der Wiederaufnahmedes Strahlbetriebs sind für das Jahr 2005 zwei je ca.4-wöchige Strahlzeiten geplant.

Die zweieinhalb Tage Strahlzeit bei 28 GeV dienten derersten Strahljustierung und Untergrunderfassung. DerUndulator war zu diesem Zeitpunkt noch nicht instal-liert. Das wohl wichtigste und erfreulichste Ergebnisdieser kurzen Strahlzeit war, dass das CsI-Kalorimeterunter realistischen Strahlbedingungen keinen nennens-werten Untergrund registrierte, der direkt vom hoch-energetischen Elektronstrahl oder indirekt über Neu-tronen vom ,,Strahldump“ ausgeht.

Das Kalorimeter funktionierte unter realistischen Be-dingungen ausgezeichnet. Die gewonnen Daten wur-den in Bezug auf Kalibration und Linearität untersuchtund bisher konnte eine Genauigkeit der Energiemes-

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sung von etwa 20% erreicht werden. Ziel ist es, dieseauf etwa 5% zu verbessern. Parallel zur Auswertungder Daten soll die vollständige Simulation des Expe-rimentes mittels GEANT4 vorbereitet werden. Dabeiist zu erwähnen, dass hier auch Entwicklungsarbeit anGEANT4 geleistet werden musste, um die Polarisati-onsabhängigkeit wichtiger Prozesse in das Programmzu integrieren.

Die Analysiermagnete wurden vor der Installation amSLAC im August 2004 am DESY in Hamburg getes-tet. Beide Magnete konnten bis zu ihrem gewünschtenMaximalwert von ±60 A hochgefahren werden. Ent-scheidend für die Bestimmung der Magnetisierung desEisens ist die Messung des magnetischen Flusses, diemit Hilfe von Induktionsspulen erfolgt, die um denFerromagneten gewickelt sind. Eine am DESY durch-geführte Messung ergab einen Wert von 0.680 Vs, wassehr gut mit dem erwarteten Wert übereinstimmt.

Beide Magnete wurden Mitte September am SLAC imFFTB-Tunnel installiert. Leider ist ein Betrieb der Ma-gnete nach dem erwähnten Unfall am SLAC bishernicht möglich gewesen.

Arbeiten zum Energiespektrometer

Gemeinsam mit dem VIK Dubna, Dzhelepov Labo-ratorium für Kernprobleme und der Technischen Uni-versität Berlin, Fachgebiet Theoretische Elektrodyna-mik, wurde eine Initiative gestartet, ein für den LinearCollider notwendiges Spektrometer zur Messung derStrahlenergie mit einer relativen Genauigkeit von besserals 10−4 zu entwickeln. Ausgehend von den Forderun-gen des Physikprogramms beim ILC wurden Designund Parameter der Magnete und der hochauflösendenStrahllagemonitore festgelegt.AnderTechnischenUni-versität Berlin wurden Monitore entwickelt, die einigezehn Nanometer Positionsgenauigkeit für den Einzel-paketbetrieb besitzen. Die 5.5 GHz Variante dieser Mo-nitore erlaubt den Ort des Teilchenpakets (mit einerprovisorischen Elektronik) mit 200 nm Präzision übereine Distanz von ±1.5 mm zu bestimmen. Die theoreti-schen Erwartungen an diesen Monitor Typ (Cavity Mo-nitor mit speziellen Wellenleitern, siehe auch Abb. 68)wurden durch Messungen an der BeschleunigeranlageELBE in Rossendorf bei Dresden weitestgehend bestä-tigt.

Abbildung 68: RF Monitor mit Koppelschlitz undWellenleiter.

Darüber hinaus wurden Fragen zur Präzisionsausrich-tung und Stabilisierung der Komponenten des Ener-giespektrometers sowie ihrer Überwachung untersuchtund Vorschläge hierzu erarbeitet. Die erzielten Resul-tate sind ineinemTechnischenDesignReport (LCNote)zusammengefasst.

Komplementäre Möglichkeiten zur Bestimmung derStrahlenergie (,,radiative return“ Ereignisse, Nutzungder Synchrotronstrahlung) wurden ebenfalls initiiert. InZeuthen wurden ,,radiative return“ Ereignisse vom Type+e− → µ+µ−γ als erstes wegen ihrer Einfachheit bei350 GeV analysiert. Mit einer integrierten Luminosi-tät von 100 fb−1 konnte ihre Nutzbarkeit zur Messungder Strahlenergie nachgewiesen werden. Der nur vonder Statistik herrührende Fehler von über 10−4 für dieStrahlenergie erfordert aber, weitere Prozesse in dieUntersuchungen einzubeziehen.

Weiterentwicklung derILC Simulations-Software

Die DESY LC Gruppen tragen in enger Zusammenar-beit mit DESY IT wesentlich zur Entwicklung eines

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Software Systems für Studien für den ILC bei. In denletzten Jahren wurde in enger Kooperation mit demSLAC ein Datenformat entwickelt, in dem Daten fürden ILC Detektor abgespeichert und verarbeitet werdenkönnen (LCIO). Im Jahre 2004 wurde dieses Formatweiterentwickelt, und fand immer weitere Akzeptanzbei Gruppen, die am ILC arbeiten. Ein Fortran Inter-face für LCIO einschließlich Dokumentation wurde imBerichtszeitraum erstellt.

Nach der LCWS’04 wurde mit der Entwicklung ei-nes Programms begonnen, das die einfache Analysevon LCIO basierenden Daten erlaubt. Dieses Program,MARLIN (modular analysis and reconstruction sys-tem for the international linear collider) konnte imHerbst in einer ersten Version bereitgestellt werden.Seitdem werden von mehreren Gruppen Module ent-wickelt, die in der Simulation, Digitalisierung und inder Rekonstruktion Anwendung finden werden.

Als erster Test dieses Software Systems dienen dieDetektor Entwicklungsarbeiten. Die Daten sowohl fürden Kalorimeter Test wie auch für den TPC Test wer-den als LCIO Daten abgespeichert. Die Entwicklungder Analyse-Software im MARLIN System hat bereitsbegonnen.

Neben den neuen, C++ basierenden Paketen wer-den die existierenden, Fortran basierenden Programmeweiterhin unterstützt. Das DetektorsimulationspaketBRAHMS wurde so modifiziert, dass variable Zell-Größen im Kalorimeter berücksichtigt werden kön-nen und das Einlesen (bzw. die Ausgabe) der Simu-lationsergebnisse von (in) einem LCIO file ermöglichtwird.

Das schnelle Detektorsimulationsprogramm SIMDETwurde weiter gepflegt und neue Entwicklungen wurdeneingearbeitet. Die erwähnten Software-Pakete werdenineinemeigenseingerichtetenCVS-Server denNutzernweltweit zur Verfügung gestellt.

Das Zentrale Datennahme System

Ein wichtiger Aspekt der Detektorentwicklung ist dasZentrale Datennahmesystem, mit dessen Hilfe die Viel-zahl der Signale der verschiedenen Detektorkomponen-ten erfasst, für die spätere Analyse aufbereitet und ge-speichert werden. Das Hauptaugenmerk liegt hierbei

auf einer verlustfreien Datenerfassung, um das phy-sikalische Potential des ILC voll auszuschöpfen undgleichzeitig den Aufwand im Rahmen zu halten.

Beim ILC treten Kollisionen nur 5 mal pro Sekundein einem Zeitfenster von etwa einer Millisekunde auf.In dieser einen Millisekunde treffen etwa 3000 Teil-chenpakete im zeitlichen Abstand von wenigen hundertNanosekunden aufeinander.

Diese Zeitstruktur des ILC erlaubt es, die anfallendeDatenmenge während der Periode, in der die Kollisio-nen stattfinden, lokal in den Detektorkomponenten zuerfassen, zu speichern und in der verbleibenden Zeit vonetwa 0.2 Sekunden vor der nächsten Kollision die Datenvom Detektor über ein Datennetzwerk in eine Rechner-Farm zu übertragen. In dieser werden die Daten weiter-verarbeitet, die interessanten Ereignisse selektiert undletztlich die relevante Information zum Speichern fürdie Analyse aufbereitet. Dieses Konzept erlaubt es, aufeinen konventionellen Hardware Trigger zu verzichten.

Dieses Konzept des ,,Software Triggers“ wurde in derECFA/DESY Studie entwickelt und ist im TDR bereitsprinziell beschrieben. In der anschließenden ECFA Stu-die sowie den Studien in Amerika und Asien wird diesesKonzept im Rahmen der interregionalen Zusammenar-beit weiterentwickelt und die Auswirkungen auf dieverschiedenen Detektorkomponenten untersucht undmögliche Probleme sowie deren Lösungen erörtert.

Im Bereich der zentralen Datenerfassung sind konzep-tionelle Studien über die notwendige Netzwerkband-breite, die Rechenleistung und die Speicherkapazitätnotwendig. Dazu werden Abschätzungen der Ereignis-größen in Abhängigkeit der eingesetzten Detektorkom-ponenten erarbeitet. Fragen der Kalibration sowie derÜberwachung und Steuerung der Detektoren insbeson-dere im Hinblick auf die Anforderungen für das Glo-bal Detector Network sind ebenfalls Gegenstand derUntersuchungen.

Ausbildung

Ein wesentlicher Teil der Arbeiten zum ILC, besondersim Bereich der Physik und der Detektorentwicklungen,wird von Doktoranden und Diplomanden durchgeführt.

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Das Interesse an Arbeiten im Bereich des ILC hat auchin diesem Jahr angehalten. Die Verbindung von der Ent-wicklung anspruchsvoller Nachweisgeräte, interessan-ter Physik und einer sehr internationalen Atmosphäredes Projektes hat eine hohe Attraktivität. Daneben ha-ben etwa 10 Schüler die Möglichkeit wahrgenommen,im Laufe des Jahres zwei- bis dreiwöchige Praktikenin der ILC Arbeitsgruppe zu absolvieren. Die Schülernehmen am ,,Leben“ der Forschungsgruppe teil, undverfolgen daneben ein eigenständiges, kleines Projekt,dass ihnen die Möglichkeit gibt, einen Einblick in wis-senschaftliches Arbeiten zu bekommen. In der Abbil-dung 69 ist der experimentelle Aufbau zu sehen, andem die Schüler arbeiten.

Zusammenfassung und Ausblick

Beide Standorte DESYs, Hamburg und Zeuthen, enga-gieren sich in den Arbeiten am ILC. Studien zur Physikam ILC werden an beiden Orten intensiv durchgeführt.Die Maschinenphysik hat naturgemäß ihr Schwerge-wicht in Hamburg, wo die großen Anlagen installiertsind. Zeuthen engagiert sich hier vor allem im Bereichder Quelle (PITZ) und der Erzeugung polarisierter Po-sitronen. In Hamburg profitieren die Arbeiten am ILCvor allem von der Synergie mit der Entwicklung desXFEL, insbesondere in der Weiterentwicklung der su-praleitenden Technologie. Darüber hinaus werden ori-ginäre Arbeiten zum Thema der Dämpfungsringe, derStrahldynamik und des Global Accelerator Networksweitergeführt. Arbeiten zum Detektor konzentrierensich in Hamburg auf TPC Entwicklungen und die Ent-wicklung, den Bau und die Inbetriebnahme des HCALPrototypen. In Zeuthen wird an der Instrumentierungder Vorwärtsrichtung gearbeitet. Alle anderen Arbei-ten, speziell auch die Entwicklungen der Software, fin-den in enger Zusammenarbeit und Abstimmung beiderLabore statt.

Im nächsten Jahr wird einer der Schwerpunkte der Ar-beiten die Inbetriebnahme des großen HCAL Proto-

Abbildung 69: Experimenteller Aufbau, der von Schü-lerinnen und Schülern im Rahmen mehrerer mehrwö-chiger Praktika erstellt worden ist.

typen sein. Zusammen mit Gruppen aus Frankreich,Großbritannien, der tschechischen Republik und Russ-land wird dieser im DESY Teststrahl zusammen miteinem ECAL Modul ausgetestet werden, bevor er dannim Jahre 2006 vermutlich ans Fermilab an einen ha-dronischen Teststrahl geht. Die Arbeiten im Bereichder anderen Detektorprojekte werden auf annäherndkonstantem Niveau weitergeführt.

Nach der internationalen Entscheidung der Teilchen-physiker, den Beschleuniger in der kalten Technologiezu bauen, werden in den kommenden Jahren verstärktAktivitäten der FH Gruppen im Bereich der Maschinesichtbar werden. So haben bereits Arbeiten angefangen,um die Zuverlässigkeit des Beschleunigers zu simulie-ren. Arbeiten im Bereich der Maschineninstrumenta-tion sind in mehreren Bereichen geplant. Insgesamtwerden sich die Aktivitäten zum ILC weiter ausdeh-nen, und auch verstärkt Beiträge aus anderen DESYBereichen integrieren. Dem hat auch die Gründung desILC Projektes (http://ilc.desy.de) am DESYRechnung getragen.

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