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Folien 2 - Naturalismus

Date post: 08-Aug-2015
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Naturalismus Definition des Naturalismus, seine Vertreter und einige Werke
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Naturalismus

Definition des Naturalismus, seine Vertreter und einige Werke

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Der Naturalismus als philosophische Position

• Naturalismus ist eine philosophische Position des 19. und 20. Jahrhunderts wonach verlässliche Erkenntnisse darüber, was existiert und wie die Welt beschaffen ist, nur auf naturwissenschaftliche Wege zu gewinnen sind. Gründe für den Naturalismus sind die Erfolge der Naturwissenschaften und ein Interesse an einem einheitlichen Weltbild. Die drei Thesen des Naturalismus sind:

• (1) Die ontologische These (Identitätstheorie) besagt, dass nur natürliche, d.h. naturwissenschaftliche akzeptable Entitäten existieren.

• (2) Die semantische These (Reduktionismus) besagt, dass nur Beschreibungen, die sich auf ein naturwissenschaftliches Vokabular reduzieren lassen, wahr sein können.

• (3) Die methodologische These (Szientismus) besagt, dass nur naturwissenschaftliche Methoden zuverlässig sind.

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Naturalismus und Industrielle Revolution

• Der Naturalismus versucht die Konsequenzen der gesellschaftlichen Veränderungen und ihre Spannungen infolge der Industriellen Revolution sichtbar zu machen. Im Gegensatz zur verklärten Tendenz des bürgerlichen Realismus zieht die naturalistische Programmatik auf eine möglichst genaue Wiedergabe der Alltagsrealität, der Erfahrungswirklichkeit, ohne subjektive Perspektivierung, ohne die Manipulation durch Erzählerfiguren und ohne sprachliche Stilisierung.

• Es erscheinen Zeitschriften, literarische Vereine, Publikationen mit Überlegungen zu einer neuen Literatur, die sich an dem wissenschaftlichen Positivismus und Empirismus und einem naturwissenschaftlichen geprägten Weltbild orientierten (Comte, Taine, Mill, Darwin, Haeckl) und mit Begriffen wie Gesetz, Kasualität Objektivität, Determinismus usw. operierten.

• Wechsel von Lyrik, da diese scheinbar für das naturalistische Programm eine wenig erfolgversprechende Gattung war, zur Prosa und dem Drama (Zolas Theorie vom experimentellen Roman, 1880, hat Vorbildscharakter). Die wissenschaftliche Genauigkeit gelingt in der kurzen Form der Prosaskizze.

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Geistesgeschichtliche Grundlage des Naturalismus

• Geistesgeschichtliche Grundlage des Naturalismus ist die Evolutionslehre Darwins, die Psychologie C. Bernards und der Positivismus (Comte, Taine)

• Der in die Natur als sinnliche Erscheinungswelt eingefügte, von natürlichen Trieben beherrschte Mensch ist wie diese naturwissenschaftlich zu verstehen als materialistisch-mechanistisch, biologisch und sozioökonomisch bestimmtes Produkt der Faktoren Erbe (Rasse), Milieu und geschichtliche Situation.

• Ausgehend von Zola muss die Dichtung das naturwissenschaftliche Mittel des Experiments quasi unter Laborbedingungen übernehmen. Aufgabe des Dichters ist die Aufdeckung von Kausalzusammenhängen, die er mit wissenschaftlicher Exaktheit aus der materialistischen Milieu- und Vererbungstheorie ableitet.

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Gemälde von Friedrich Kaiser (1875) Berlin im Baufieber der Gründerzeit

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Das Zeitalter des Hochkapitalismus: Maschinenraum in R. Hartmanns Fabrik (Holzschnitt, 1968)

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Der Naturalismus wirft seinen Blick auf die erbärmlichen Verhältnisse, in denen die Arbeiterschaft zur Zeit der Industrialisierung lebte.

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Naturalismus als Beginn der literarischen Moderne

• In Deutschland beginnt die literarische Moderne mit dem Naturalismus (1885-1895). Der Naturalismus zeichnet sich durch den Blick auf das Hässliche, Triebhafte, das Leben der kleinen Leute aus. Weitere Eigenschaften sind sein politisches Engagement für die Arbeiterschaft (Verbot SPD), die Übertragung naturwissenschaftlicher, v.a. biologischer Erkenntnisse (Evolutionstheorie C. Darwin) auf die Gesellschaft, Determinismus (Milieu und Vererbung determinieren das Individuum). Das industrialisierte Berlin gilt als literarisches Zentrum des Naturalismus.

• Der deutsche Naturalismus ensteht aus starken ausländ. Anregungen: Frankreich (Zola), Russland (Tolstoj, Dostojevski), Skandinavien (das Drama Ibsens, dessen Gesellschaftsstücke die Brüchigkeit bürgerl. Weltordnung aufdecken). Aber auch der dt. Realismus

• Technick: Konsequenter Naturalismus, Sekundenstil (A. Holz): Wirklichkeitsausschnitt (Experiment), Verzicht auf wertenden Kommentar, Sprache (direkte Wahrnehmung des Autors, Satzfetzen, Umgangssprache, Dialekt).

• Das naturalistische Drama: zeitlich und räumlich eng begrenzter Wirklichkeitsauschnitt (Familiengeschehen), detaillierte Szenenanweisungen beschreiben das prägende Milieu, Aufdeckung einer Lebenslüge (Henrik Ibsen), z.B. in Lulu von Wedekind

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Inhalt und Stil des Naturalismus

• Inhaltliche Aspekte des Naturalismus: Soziales Mitgefühl und Mitleid mit den Armen und Geknechteten, der unter der

zunehmenden Industrialisierung leidenden Arbeiterschaft als ausschlaggebend nicht nur für die Stoffwahl – freilich liess sich die „Wirklichkeit“ am eindrucksvollsten im äusserl. und moral. Elend der Grosstadtquartiere, unter Kranken, Geistesgestörten, Alkaholikern und Dirnen gestalten – sondern auch für sozialrevolutionäre Tendenzen gegen Satuiertheit, Gleichgültigkeit und doppelte Moral des Bürgertums.

• Stil des Naturalismus: Jeder durch naturgetreue Abbildung der Wirklichkeit unter Ausschaltung jeder

Stilisierung und aller geistigen Faktoren, moral Bedenken und Vorurteile gekennzeichneter Kunststil.

Präzise Wirklichkeitsgestaltung auch in Sprache, u.a. Stammeln, Stottern, Anakoluthen, grammatisch falsche Umgangssprache, Vermeidung des unnatürlichen Monologs und Wiedergabe kleinster Erfahrungseinheiten in exakt geordneter Unmittelbarkeit (Sekundenstil). Die Präzision der schriftsteller. Technik nähert sich der Reportage, der Photographie, dem Dokumentarfilm und der wiss. Arbeitsmethode, die u.U. zur Zusammenarbeiter zweier Dichter am Werk führen (Holz/Schlaf, Papa Hamlet).

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A. Holz: Theoretiker des Naturalismus

• Arno Holz: Begründer des konsequenten Naturalismus. Wahrnehmung von Details. Wahrnehmung alltäglicher Gegenstände.

• Zitat: „Ganze Romane nach dem Leben, ganze Serien von solchen hatte man schon geschrieben. Aber einen einzelnen Stiefelabsatz zu studieren, hatte man noch immer unter seiner Würde gehalten. Man kannte zwar schon das Fernrohr, aber noch nicht das Mikroskop.“ (Holz: Wortkunst)

• Kunst = Natur – X

• Natur: wissenschaftliche Beobachtung der Realität; Keine fiktive Realität. Keine artistische Sprache; Ablehnung aussergewöhnlicher Vorlagen und Helden.

• X: künstlerische Subjektivität; Unvollkommenheit des künstlerischen Mittels. [x muss möglichst klein sein, damit grösste Präzision beim Erfassen der Realität möglich ist].

• Höchste Kunst wäre die Natur selbst. Die Photografie käme dieser am nächsten.

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A. Holz: Theoretiker des Naturalismus

• Definition „Sekundenstil“ in Wilpert (2001):

Bezeichnung von A. von Hanstein (1900) für die wirklichkeitskopierende Beschreibungstechnik des Naturalismus, die, gewissermassen Vorwegnahme der Zeitlupe, die kleinsten Bewegungen, Gesten, Geräusche und Nuancierungen in minuziöser, objektiv-pointillist. Beachtung ihrer zeitlichen Abfolge aufzeichnet und z.B. den Dialog des Dramas ständig durch die entsprechenden Regieanweisungen unterbricht

• Diese Technik ist zuerst ausgeprägt in den Skizzen Die Familie Selicke (1890) von A. Holz und J. Schlaf. Auch als extremes Stilexperiment ähnlich in P. Weiss‘ Der Schatten des Körpers des Kutschers (1960).

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Papa Hamlet von Holz und Schlaf

• Papa Hamlet (1889) von Holz und Schlaf ist der erste Versuch des konsequenten Naturalismus (Sekundenstil ermöglicht nüchterne Sachlichkeit, grösste Unmittelbarkeit).

• Holz und Schlaf nähern sich Zolas Darstellungsmodus im Prosaband „Papa Hamlet“ (1889). Die Milieuanalyse eines herunterkommenden Schauspielers, der in Schmutz, Hunger und Alkoholismus verwahrlost und schliesslich zum Mörders seines Kindes wird, bietet einen Modellfall für den Erzähl- und Sprachgestus des konsequenten Naturalismus:

– Soziolekt und Idiomatik der Alltagssprache

– Die vielfältigen Fragmentarisierungen durch die Nachahmung gesprochener Sprache lösen tendenziell die syntaktische Geschlossenheit auf, die überwuchernde Dialogisierung der narrativen Duktus der Prosa und die Annäherung von Erzählzeit und erzählter Zeit die traditionelle Vorstellung von Handlung (Sekundenstil).


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