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Fliegen in Eisenach - Luftfahrt - Bibliothek...Fliegen mit Hohn und Spott bezahlte, gab es in der...

Date post: 03-Oct-2020
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Denkmalgeflüster 1-2016 Seite 5 Vom Fliegen in Eisenach – eine kurze Geschichte der Luftfahrt von Dr. Reinhold Brunner Blick nach oben Einen „Schneider von Eisenach“, gleich dem von Ulm, der seinen Traum vom Fliegen mit Hohn und Spott bezahlte, gab es in der Wartburgstadt ebensowenig wie Flugpioniere vom Schlage der Gebrüder Montgolfière oder Wright. Und doch träumten auch die Eisenacher davon, sich in die Lüfte zu erheben. Zumindest haben sie an diesbezüglichen Entwicklungen re- gen Anteil genommen. Zwar lag es schon mehr als 60 Jahre zurück, dass in Frankreich der erste aer- ostatische Ballon bis auf fast 2000 Me- ter Höhe in die Luft gestiegen war, doch gewiss faszinierte die Eisenacher der er- ste Ballonaufstieg am 12. Juli 1835 von der Spicke aus ebenso wie die franzö- sischen Pioniere ihr seinerzeitiger Flug. In der Folge finden sich gegen Ende des Jahrhunderts immer wieder Nachrichten von Ballonflügen über Eisenach, die die Einheimischen bewegten. Höhepunkte waren ohne Zweifel die wiederholten Ballonaufstiege des Herrn Spiegel aus Chemnitz anlässlich der Gastgewer- beausstellung in der Milchkammer im Juni 1907. Inzwischen hatte auch das Zeitalter der „Zeppeline“, Starrluftschiffe, benannt nach ihrem Erfinder Ferdinand Graf Zeppelin, begonnen, das nun die Ei- senacher in ihren Bann zog. Ausführlich berichteten die Zeitungen regelmäßig davon wenn ein Zeppelin Eisenach über- flog. Es gab eine wahre Euphorie. Emsig spendeten auch sie anlässlich des Un- glücks des LZ 4 bei Echterdingen am 5. August 1908. Fast verschlafen haben sie allerdings den ersten Flug eines Zeppelinluftschiffes über ihrer Stadt. Die Zeitung berichtete: „Nur wenige Eisenacher haben ihn gese- hen ... Wo der Ruf zuerst ertönte, weiß niemand. Jedenfalls rief jemand: ‚Zeppe- lin!‘. Ein anderer: ‚Parseval‘. Und hun- derte Augen richteten sich nach oben ...“ Das alles geschah am 28. Juli 1910 in den frühen Morgenstunden, und nach drei Minuten war alles vorüber. Aber auch der Wunsch, selbst einmal fliegen zu können, bewegte die Men- schen. Ganz umsonst war dieses Vergnü- gen aber nicht zu haben. Die Eisenacher Tagespost pries am 7. September 1911 Passagierfahrten mit dem Luftschiff „Schwaben“. Allerdings kostete ein Rundflug von ca. 2 Stunden immerhin 200 Mark – sehr viel Geld für die damaligen Verhältnisse. Dennoch fanden sich Inter- essenten. Im September 1911 überflogen 16 Passagiere von Gotha kommend, unter ihnen der Burghauptmann Hans Lucas von Cranach, der Ei- senacher Rentier Hugo Moll und der hiesige Bankbeamte Heinrich Wesch gegen 10.50 Uhr die Wartburg. Inzwischen erkannte man auch das „Modernisierung- spotential“ und vor allem die Möglichkeiten, die das Fliegen dem Fremdenver- Lage des Rollfeldes für den in Eisenach geplanten Flugplatz am Ende der 1920er Jahre
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Page 1: Fliegen in Eisenach - Luftfahrt - Bibliothek...Fliegen mit Hohn und Spott bezahlte, gab es in der Wartburgstadt ebensowenig wie Flugpioniere vom Schlage der Gebrüder Montgolfière

Denkmalgeflüster 1-2016 Seite 5

Vom Fliegen in Eisenach – eine kurze Geschichte der Luftfahrt

von Dr. Reinhold Brunner

Blick nach oben

Einen „Schneider von Eisenach“, gleich dem von Ulm, der seinen Traum vom Fliegen mit Hohn und Spott bezahlte, gab es in der Wartburgstadt ebensowenig wie Flugpioniere vom Schlage der Gebrüder Montgolfière oder Wright. Und doch träumten auch die Eisenacher davon, sich in die Lüfte zu erheben. Zumindest haben sie an diesbezüglichen Entwicklungen re-gen Anteil genommen. Zwar lag es schon mehr als 60 Jahre zurück, dass in Frankreich der erste aer-ostatische Ballon bis auf fast 2000 Me-ter Höhe in die Luft gestiegen war, doch gewiss faszinierte die Eisenacher der er-ste Ballonaufstieg am 12. Juli 1835 von der Spicke aus ebenso wie die franzö-sischen Pioniere ihr seinerzeitiger Flug. In der Folge finden sich gegen Ende des Jahrhunderts immer wieder Nachrichten von Ballonflügen über Eisenach, die die Einheimischen bewegten. Höhepunkte waren ohne Zweifel die wiederholten Ballonaufstiege des Herrn Spiegel aus Chemnitz anlässlich der Gastgewer-beausstellung in der Milchkammer im

Juni 1907. Inzwischen hatte auch das Zeitalter der „Zeppeline“, Starrluftschiffe, benannt nach ihrem Erfinder Ferdinand Graf Zeppelin, begonnen, das nun die Ei-senacher in ihren Bann zog. Ausführlich berichteten die Zeitungen regelmäßig davon wenn ein Zeppelin Eisenach über-flog. Es gab eine wahre Euphorie. Emsig spendeten auch sie anlässlich des Un-glücks des LZ 4 bei Echterdingen am 5. August 1908. Fast verschlafen haben sie allerdings den ersten Flug eines Zeppelinluftschiffes über ihrer Stadt. Die Zeitung berichtete: „Nur wenige Eisenacher haben ihn gese-hen ... Wo der Ruf zuerst ertönte, weiß niemand. Jedenfalls rief jemand: ‚Zeppe-lin!‘. Ein anderer: ‚Parseval‘. Und hun-derte Augen richteten sich nach oben ...“ Das alles geschah am 28. Juli 1910 in den frühen Morgenstunden, und nach drei Minuten war alles vorüber.Aber auch der Wunsch, selbst einmal fliegen zu können, bewegte die Men-schen. Ganz umsonst war dieses Vergnü-gen aber nicht zu haben. Die Eisenacher

Tagespost pries am 7. September 1911 Passagierfahrten mit dem Luftschiff „Schwaben“. Allerdings kostete ein Rundflug von ca. 2 Stunden immerhin

200 Mark – sehr viel Geld für die damaligen Verhältnisse. Dennoch fanden sich Inter-essenten. Im September 1911 überflogen 16 Passagiere von Gotha kommend, unter ihnen der Burghauptmann Hans Lucas von Cranach, der Ei-senacher Rentier Hugo Moll und der hiesige Bankbeamte Heinrich Wesch gegen 10.50 Uhr die Wartburg. Inzwischen erkannte man auch das „Modernisierung-spotential“ und vor allem die Möglichkeiten, die das Fliegen dem Fremdenver-

Lage des Rollfeldes für den in Eisenach geplanten Flugplatz am Ende der 1920er Jahre

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Denkmalgeflüster 1-2016Seite 6

Blick nach oben

Die aktualisierte Auflage des Nachschlage- werks “Die Deutsch(en) Burschenschaft(en)” von Hans-Georg Balder ist nunmehr erschie-nen. Seit der 1. Auflage im Jahr 2006 sind bei den Einzelbünden viele Änderungen eingetreten, die der Autor so weit wie möglich eingearbeitet hat. Zu nennen wären neben den vom Zeitgeist erzwungenen Vertagungen oder Fusionen auch Neu-zugänge, ebenso wie die wechselnden Mit-gliedschaften in den Dachverbänden. Die dem Autor von den Bünden gemeldeten in-haltlichen Fehler sind sämtlich korrigiert.

Insgesamt ist das Werk verbessert und vervollständigt worden, so daß es wie sein Vorgänger eine erstrangige Unterstützung bei der Recherche zur burschenschaftlichen Geschichte und zum heutigen Stand der Burschenschaft(en) bietet.

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kehr eröffnete am Fuße der Wartburg. 1898 hatte das Kriegsministerium aller-dings die von den Eisenachern begehrte Errichtung eines Luftschiffhafens in der

Das Luftschiff „Schwaben“ 1911 über Eisenach

Die Belegschaft des Kinos auf dem Weg zu einem Rundflug über Eisenach in einer IL 14 vom Flugplatz Kindel aus. (Eine Amateuraufnahme)

Wartburgstadt abgelehnt. Auch aus dem Ansinnen der Flugplatz- und Luftver-kehrsgesellschaft Unter-Rhein in Duis-burg im April 1912, einen Ankerplatz für Luftschiffe in Eisenach zu schaffen, um von hieraus Passagier- und Reklame-fahrten auszuführen, wurde nichts. Noch im April 1914, wenige Monate vor Aus-bruch des Krieges, mahnte die Eisenach-er Tagespost, dass man den Trend nicht verschlafen solle. „Der Exerzierplatz ist für eine Landung reichlich groß genug ... Auch hat die Erfahrung in anderen Städ-

ten gezeigt, dass die Landung eines Zep-pelinluftschiffes in einer Stadt immer eine große Anzahl Fremde in die betreffende Stadt gelockt hat.“Krieg und Nachkrieg zerschlugen alle diesbezüglichen Pläne. Erst Mitte der 1920er Jahre reiften sie erneut. Stadt-kämmerer Karl Eckel verfasste am 8. September 1925 einen Vermerk über die „schon seit Jahren schwelende Frage eines Flugplatzes für Eisenach.“ Allerd-ings lehnte der Stadtrat aus Mangel an Mitteln eine Beteiligung an der Thüringer Luftverkehrsgesellschaft ab und geriet damit hinsichtlich der Planungen eines Flughafens in oder bei Eisenach ins Hin-tertreffen. Da nützten auch die Flugtage, die seit 1926 mit gewisser Regelmäßig-keit hier stattfanden, nicht viel. Allerdings lenkten sie den Blick auf ein Areal, das später noch ins Gespräch kommen sollte: das Ziegelfeld. Die hier befindlichen landwirtschaftlichen Nutzflächen, die der Familie von Eichel-Streiber gehörten, eigneten sich vorzüglich als Rollfeld.Die wiederkehrenden Flugtage hielten den Flugplatzgedanken am Leben, dem man 1933 dann intensiv näher trat. Aber alles gestaltete sich schwieriger als gedacht. Und so fragt die Eisenach-er Tagespost in ihrer Ausgabe vom 24. Februar 1939 fast resigniert: „Ein

Flughafen für Eisenach? Sta-tion eines internationalen Luftnetzes? Kaum wagt es heute jemand zu den-ken, als kühner Plan der Zukunft vielleicht mag der Gedanke denkbar sein.“ Und dennoch: Eisenach blieb mit dem Fliegen ver-bunden, allerdings in einer Art, die dem Menschen

Fortsetzung: Vom Fliegen in Eisenach – Eine kurze Geschichte der Luftfahrt in Eisenach

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Denkmalgeflüster 1-2016 Seite 7

Burschenschaften gelten meist als sehr konservativ, teils sogar als nationalistisch. Immer wieder regen sich Proteste gegen diese studentischen Vereinigungen.Bei Eisenach erinnert ein tempelartiges Denkmal an jene Zeit, da Burschenschaf-ten noch revolutionär waren. Ihr Treffen von 1817 auf der Wartburg gilt als Meilen-stein hin auf dem Weg zum deutschen Einheitsstaat. Das im Inneren wie eine Walhalla gestaltete Denkmal erzählt nicht nur von Studenten, sondern auch von ger-manischen Göttern, von Kaiser Wilhelm I. und von Bismarck. Wem dies zu viel an Huldigung ist: Das auf einem Berg thronende Denkmal ist zugleich ein Aus-sichtsturm. Er gestattet den schönsten al-ler Fernblicke auf die Wartburg.

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Das Burschenschaftsdenkmal steht auf einem Berg hoch über Eisenach.Foto: Dirk Bernkopf

Werbezettel für den Eisenacher Flugtag 1931

mehr Leid als Nutzen brachte. Nahe der Stelle, wo einst ein Flughafen entste-hen sollte, wurden auch durch Zwang-sarbeiter und KZ-Häftlinge Motoren für kriegstaugliche Jagdflugzeuge produzi-ert – im BMW-Flug-Motorenwerk Dür-rerhof. Gleichwohl gut versteckt, konnte man vom Prüfstand des Werkes aus das Heulen eines Flugmotors in Eisenach verne-hmen, nur eben nicht den eines zivilen Passagierflugzeuges, das friedliche Reisende transportierte. Und dennoch gab es eine kurze Episode ziviler Luftfahrt bei Ei-senach. Das für militärische Zwecke geschaffene Rollfeld auf dem Kindel diente vom 4. Janu-ar 1960 bis zum 16. April 1961 als Ausweichflughafen für den im Umbau befindlichen Airport Erfurt. Im Mai 1960 landete in Eisenach eine sowjetische Partei- und Re- gierungsdelegation, und am 16.

April 1961 konnte man letztmalig zu ei-nem Rundflug über die Stadt von hieraus aufsteigen. Diese Tradition lebte nach 1990 wieder auf und wird heute auf dem Verkehrslandeplatz Eisenach-Kindel fort-gesetzt.

Blick nach oben


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