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Flexible Bioenergienutzung als Schlüsselelement zur Integration der Erneuerbaren Energien in das...

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1 3 SCHWERPUNKTTHEMA Online publiziert: 16. Januar 2014 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014 Flexible Bioenergienutzung als Schlüsselelement zur Integration der Erneuerbaren Energien in das Energiesystem Mark Bost · Astrid Aretz · Bernd Hirschl uwf (2014) 22:71–78 DOI 10.1007/s00550-014-0307-6 Die größten deutschen EE-Potenziale für die Stromerzeu- gung liegen im Bereich der Windkraft und der Photovol- taik, welche Anfang 2013 bereits über 13 % zur deutschen Stromerzeugung beigetragen haben. Der rasch steigende Anteil dieser dargebotsabhängigen fluktuierenden Erneu- erbaren Energien (FEE), die sich nur sehr eingeschränkt regeln lassen und je nach Zielszenario zwischen 2030 (Bundesländerziele) und 2050 (BMU-Leitstudie) auf knapp 60 % ansteigen sollen, stellt das Stromversorgungssystem vor große Herausforderungen, die auch die Netzstabilität und die Versorgungssicherheit betreffen (dena 2012a). So müssen die Fluktuationen in der Stromerzeugung möglichst genau prognostiziert werden, damit steuerbare Kraftwerke die absehbare Residuallast zwischen fluktuierender Strom- erzeugung und Bedarf in ihrer Einsatzplanung berück- sichtigen und ausgleichen können. Gleichzeitig ist davon auszugehen, dass auch die Abweichungen zwischen der prognostizierten und der tatsächlichen Stromerzeugung und Stromabnahme zunehmen, wofür einerseits die Dargebots- abhängigkeit der FEE und andererseits neue elektrische Verbraucher wie bspw. Elektrofahrzeuge verantwortlich sein können. Dadurch wird ebenfalls zusätzliche Regel- energie erforderlich, wenngleich diese teilweise auch durch Energiespeicher und regelbare Verbraucher im Rahmen von Demand-Side-Management-Maßnahmen (DSM) bereit- gestellt werden kann (dena 2013). Auch die Stromnetze müssen entsprechend der sich verändernden Verteilung der zunehmend dezentralen und fluktuierenden Erzeu- gungskapazitäten ausgebaut werden (dena 2010, 2012b). Zu guter Letzt muss auch das Design der Energiemärkte angepasst werden, um die Erneuerbaren Energien besser in den Markt zu integrieren und die Fördernotwendigkeit zu reduzieren bzw. langfristig überflüssig werden zu lassen. In Anbetracht dieser Herausforderungen haben sich Wissen- schaftlerinnen und Wissenschaftler der vom BMBF geför- 1 Hintergrund Mit der Energiewende hat sich die Bundesregierung zuletzt im Jahr 2011 zu einer umfassenden Transformation des Energiesystems bekannt, deren Grundlagen auf das Erneu- erbare-Energien-Gesetz (EEG 2000) und den ebenfalls im Jahr 2000 erstmals beschlossenen und im Jahr 2011 bekräftigten Atomausstieg zurück gehen. Ziel dieses Pro- zesses ist die Reduktion der Treibhausgasemissionen um 40 % bis 2020 und um 80 % bis 2050, wodurch Deutsch- land einen ambitionierten Beitrag zum Klimaschutz leisten will. Gleichzeitig soll der Anteil der Erneuerbaren Energien (EE) an der deutschen Stromversorgung von heute 25 % auf mindestens 35 % im Jahr 2020 bzw. 80 % im Jahr 2050 stei- gen. Darüber hinaus hat sich die Bundesregierung das Ziel gesetzt, bis 2020 mindestens 25 % der Stromerzeugung in effizienter Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) zu realisieren. M. Bost () · A. Aretz · B. Hirschl IÖW – Institut für ökologische Wirtschaftsforschung GmbH, gemeinnützig, Potsdamer Str. 105, 10785 Berlin, Deutschland E-Mail: [email protected] Mark Bost Astrid Aretz Bernd Hirschl
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Schwerpunktthema

Online publiziert: 16. Januar 2014© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

Flexible Bioenergienutzung als Schlüsselelement zur Integration der Erneuerbaren Energien in das Energiesystem

Mark Bost · Astrid Aretz · Bernd Hirschl

uwf (2014) 22:71–78DOI 10.1007/s00550-014-0307-6

Die größten deutschen EE-Potenziale für die Stromerzeu-gung liegen im Bereich der Windkraft und der Photovol-taik, welche Anfang 2013 bereits über 13 % zur deutschen Stromerzeugung beigetragen haben. Der rasch steigende Anteil dieser dargebotsabhängigen fluktuierenden Erneu-erbaren Energien (FEE), die sich nur sehr eingeschränkt regeln lassen und je nach Zielszenario zwischen 2030 (Bundesländerziele) und 2050 (BMU-Leitstudie) auf knapp 60 % ansteigen sollen, stellt das Stromversorgungssystem vor große Herausforderungen, die auch die Netzstabilität und die Versorgungssicherheit betreffen (dena 2012a). So müssen die Fluktuationen in der Stromerzeugung möglichst genau prognostiziert werden, damit steuerbare Kraftwerke die absehbare Residuallast zwischen fluktuierender Strom-erzeugung und Bedarf in ihrer Einsatzplanung berück-sichtigen und ausgleichen können. Gleichzeitig ist davon auszugehen, dass auch die Abweichungen zwischen der prognostizierten und der tatsächlichen Stromerzeugung und Stromabnahme zunehmen, wofür einerseits die Dargebots-abhängigkeit der FEE und andererseits neue elektrische Verbraucher wie bspw. Elektrofahrzeuge verantwortlich sein können. Dadurch wird ebenfalls zusätzliche Regel-energie erforderlich, wenngleich diese teilweise auch durch Energiespeicher und regelbare Verbraucher im Rahmen von Demand-Side-Management-Maßnahmen (DSM) bereit-gestellt werden kann (dena 2013). Auch die Stromnetze müssen entsprechend der sich verändernden Verteilung der zunehmend dezentralen und fluktuierenden Erzeu-gungskapazitäten ausgebaut werden (dena 2010, 2012b). Zu guter Letzt muss auch das Design der Energiemärkte angepasst werden, um die Erneuerbaren Energien besser in den Markt zu integrieren und die Fördernotwendigkeit zu reduzieren bzw. langfristig überflüssig werden zu lassen. In Anbetracht dieser Herausforderungen haben sich Wissen-schaftlerinnen und Wissenschaftler der vom BMBF geför-

1 Hintergrund

Mit der Energiewende hat sich die Bundesregierung zuletzt im Jahr 2011 zu einer umfassenden Transformation des Energiesystems bekannt, deren Grundlagen auf das Erneu-erbare-Energien-Gesetz (EEG 2000) und den ebenfalls im Jahr 2000 erstmals beschlossenen und im Jahr 2011 bekräftigten Atomausstieg zurück gehen. Ziel dieses Pro-zesses ist die Reduktion der Treibhausgasemissionen um 40 % bis 2020 und um 80 % bis 2050, wodurch Deutsch-land einen ambitionierten Beitrag zum Klimaschutz leisten will. Gleichzeitig soll der Anteil der Erneuerbaren Energien (EE) an der deutschen Stromversorgung von heute 25 % auf mindestens 35 % im Jahr 2020 bzw. 80 % im Jahr 2050 stei-gen. Darüber hinaus hat sich die Bundesregierung das Ziel gesetzt, bis 2020 mindestens 25 % der Stromerzeugung in effizienter Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) zu realisieren.

M. Bost () · A. Aretz · B. HirschlIÖW – Institut für ökologische Wirtschaftsforschung GmbH, gemeinnützig, Potsdamer Str. 105, 10785 Berlin, DeutschlandE-Mail: [email protected]

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derten Nachwuchsgruppe „EE-Regionen: Sozialökologie der Selbstversorgung“ (FKZ: 01UU0902C) mit den Möglich-keiten von Bioenergieanlagen bei der Integration Erneuer-barer Energien in das Energiesystem auseinandergesetzt.

2 Flexible Bioenergie als Integrator

Energetische Biomassenutzung ist auf vielfältige Art mög-lich. Weit verbreitet ist in Deutschland die mikrobiolo-gische Vergärung (Fermentation) biogener Substrate wie Energiepflanzen, Pflanzenreste, Speisereste oder tieri-scher Exkremente in Biogasanlagen. Dabei entsteht neben einem energiereichen Biogas, welches überwiegend aus Methan (CH4) und Kohlenstoffdioxid (CO2) besteht, ein energiearmer Gärrest, der aufgrund seines hohen und gut pflanzenverfügbaren Mineralstoffanteils zumeist als Dün-gemittel verwendet wird. Das Biogas kann dann in Block-heizkraftwerken (BHKW) verbrannt werden, wobei Strom und Wärme erzeugt wird. Alternativ kann das Biogas in Biomethananlagen auf Erdgasqualität aufbereitet und als Biomethan bzw. Synthetic Natural Gas (SNG) in das Erd-gasnetz zur Speicherung und Verwendung an anderer Stelle eingespeist werden. Darüber hinaus kann Biomasse auch anderweitig aufbereitet und als fester, flüssiger oder gas-förmiger Energieträger zur Strom- und/oder Wärmeerzeu-gung verbrannt oder als Kraftstoff im Mobilitätsbereich eingesetzt werden. So ist bspw. die Verbrennung von Holz im industriellen Bereich zur Prozesswärmebereitstellung und gekoppelter Stromerzeugung weit verbreitet. Da bei der Umwandlung und Verbrennung der Biomasse nur die-jenige Menge CO2 freigesetzt wird, welche zuvor durch das Wachstum der Pflanzen aus der Atmosphäre entzogen wurde, gilt Bioenergie als sehr klimafreundlich.

Die Bioenergie kann trotz des in Deutschland recht begrenzten Potenzials an energetisch nutzbarer Biomasse wichtige Beiträge zur Bewältigung der vielen Herausforde-rungen bei der Transformation des Energiesystems leisten. Der Grund dafür liegt vor allem in der guten und vergleichs-weise preiswerten Speicherbarkeit des Energieträgers in Form von Biomasse bzw. der daraus entstehenden Zwi-schenprodukte wie Biogas oder Biomethan. Die Energie-erzeugung aus Bioenergieanlagen lässt sich somit, anders als bei FEE, prinzipiell sehr gut zeitlich verschieben und somit bedarfsgerecht steuern – vorausgesetzt die Anlagen werden entsprechend ausgelegt und betrieben. Bioenergie-anlagen können somit genau die Aufgaben übernehmen, die bisher vor allem den konventionellen Kraftwerken vorbe-halten waren, welche aber langfristig aus dem Energiesys-tem abgelöst werden sollen. Dazu gehört der Ausgleich von Fluktuationen sowie die Bereitstellung von Regelenergie zur Aufrechterhaltung der Netzfrequenz und somit der Netz-stabilität und Versorgungssicherheit.

Das Potenzial der Bioenergie dafür ist nicht unerheb-lich: Würden 20 % aller bestehenden Biogasanlagen und 50 % aller künftigen Neuanlagen technisch entsprechend ausgelegt und betrieben, so ergäbe sich ein Potenzial für bis zu zwölfstündige Lastverlagerungen von ± 4,6 GW bis 2030. Dies entspricht etwa dem heutigen Bedarf an Regel-energie, der bis 2050 auf etwa 17,3 GW ansteigen dürfte (dena 2012a). Würden gar alle Biogasanlagen entsprechend umgerüstet, so ergäbe sich ein Potenzial von etwa 16 GW (Baur 2013). Neben den im Bioenergiebereich dominieren-den Biogasanlagen lassen sich auch Anlagen zur direkten Verbrennung biogener Energieträger entsprechend betrei-ben. Biomethananlagen ermöglichen durch die Einspeisung des Energieträgers ins Erdgasnetz zusätzlich zur zeitli-chen auch eine räumliche und sektorale Entkopplung von Biogaserzeugung und dessen Nutzung, die dann auch im Wärme- oder durch Erdgasfahrzeuge im Mobilitätsbereich möglich ist.

Flexible Bioenergie kann somit zum steuerbaren erneu-erbaren Integrator für die fluktuierenden Erneuerbaren werden. Da Bioenergieanlagen in der Regel mittels Kraft-Wärme-Kopplung neben Strom auch Wärme nutzbar machen, leisten sie außerdem auch einen wichtigen Beitrag für eine nachhaltige Wärmebereitstellung und zur Errei-chung der KWK-Ausbauziele.

3 Paradigmenwechsel

Für die in Deutschland weit verbreiteten Biogasanlagen stellt der flexible Betrieb einen Paradigmenwechsel dar: Bisher wurden Biogasanlagen mit möglichst gleichmäßi-ger und hoher Auslastung von über 90 % betrieben. Diese Betriebsweise ist für die Anlagen am effizientesten, da sie so wenig Verschleiß, hohe Wirkungsgrade und geringe Stromgestehungskosten erzielen, aber vor allem die Strom-erzeugung maximieren. Mit geringstmöglichem techni-schen Aufwand wird so möglichst viel Strom erzeugt und durch das EEG fest vergütet. Im einfachsten Fall besteht eine solche Anlage nur aus einem Fermenter, in dem die Substrate durch mikrobiologische Prozesse zu Biogas und einem Gärrest umgewandelt werden, und einem Blockheiz-kraftwerk (BHKW), in welchem das Biogas verbrannt und zu Strom und Nutzwärme umgewandelt wird. Soll eine solche Anlage bei gleichem Substrateinsatz flexibel betrie-ben werden, so sind ein Gasspeicher, ein Wärmespeicher (bei Nutzung der Abwärme) sowie zusätzliche BHKW-Kapazitäten erforderlich (Abb. 1). Die damit verbundenen zusätzlichen Kosten wurden bis 2011 nicht durch die EEG-Vergütung abgedeckt, sodass eine flexible Betriebsweise nicht wirtschaftlich war.

Mit dem EEG 2012 wurde die Vergütung von Biogas-anlagen jedoch stark überarbeitet und die alte Bonusstruktur

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ken und soll den Mehraufwand für die Handelsanbindung und mögliche Fahrplanerfüllung angemessen vergüten. Allerdings führt sie auch zu Mehreinnahmen, ohne dass dafür die Betriebsweise flexibilisiert oder überhaupt geän-dert werden muss, weshalb sie häufig auch als überflüssi-ger Kostenfaktor für die Allgemeinheit betrachtet wird. Die Teilnahme an der Direktvermarktung ist für Neu- und Bestandsanlagen zunächst freiwillig und reversibel, d. h. es kann jederzeit wieder in die EEG-Festvergütung zurückge-wechselt werden. Zwar fallen Anlagen, die über das Markt-prämienmodell direkt vermarktet werden, formal aus der EEG-Festvergütung heraus; die Höhe der EEG-Umlage steigt aber durch diese Vermarktungsoption eher leicht an als dass sie sinkt, da die Marktprämie weiterhin durch diese finanziert wird.

Bei der regionalen Nahversorgung wird der Betreiber zum Stromversorger bzw. Lieferant für lokale Abnehmer, die den Strom über EEG-Niveau aber unter ihrem bishe-rigen Strombezugspreis vergüten, sodass eine Win-Win-Situation entsteht. Möglich wird dies unter anderem auch durch eine Befreiung von der Stromsteuer (2,05 Ct/kWh). Die Abnehmer sollten sich dafür im „räumlichen Zusam-menhang“ (ca. 4 km) befinden und die Leistung der Anlage darf 2 MW nicht überschreiten. Im Idealfall wird das Last-profil der Kunden durch flexible Erzeugung bedarfsgerecht nachgebildet (Abb. 2), weshalb erfahrungsgemäß wenigs-tens 1 GWh an gewerbliche oder industrielle Verbraucher vermarktet werden sollte, deren Lastprofile sich zu einem

weitgehend abgeschafft. Darüber hinaus muss der Anlagen-betreiber den Einsatz von Mais auf maximal 60 % limitieren und mindestens 60 % der Abwärme nutzen, damit der Ver-gütungsanspruch Bestand hat. Außerdem wurden die bisher kaum genutzten Instrumente zur Strom-Direktvermarktung (Grünstromprivileg und freier Verkauf) durch eine Markt- und eine Flexibilitätsprämie ergänzt. Ziel dieser neuen Ins-trumente ist einerseits die schrittweise Heranführung der Anlagenbetreiber an den Energiemarkt zwecks stärkerer Marktintegration und anderseits der Einstieg in die flexible und bedarfsgerechte Nutzung der Bioenergie.

4 Weiterentwicklung der Betriebs- und Vergütungs-Modelle

Bisher wurde Biogasanlagen die Stromerzeugung über das EEG zu einem individuellen Festpreis vergütet, wel-cher unter anderem von der Anlagengröße, der verwende-ten Technologie und den eingesetzten Substraten abhängt. Diese Möglichkeit besteht auch weiterhin, läuft allerdings für Neuanlagen mit einer Leistung von mehr als 750 kW Ende 2013 aus. Neben dem bisher schon wenig genutzten Grünstromprivileg stehen diesen Anlagen dann folgende Optionen der Direktvermarktung zur Verfügung, die gegen-wärtig zum Teil rasch an Bedeutung gewinnen:

Beim Marktprämienmodell verkauft der Anlagenbetrei-ber den Strom selbst und erhält keine feste EEG-Vergütung mehr. Da die Verkaufserlöse weit unter der EEG-Vergütung liegen, erhält er deren Differenz zum durchschnittlichen Marktwert des Stroms zuzüglich einer festen Management-prämie in Form der Marktprämie. Als durchschnittlicher Marktwert des Stroms wird dabei der Monatsdurchschnitt der Stundenkontrakte an der Leipziger Strombörse EPEX Spot SE angesetzt. Da sich durch geschickte bzw. bedarfs-gerechte Vermarktung des Stroms durchaus höhere Ver-kaufserlöse als dieser Durchschnittspreis und somit höhere Gewinne realisieren lassen, setzt das Markprämienmodell bereits geringfügige Anreize zur bedarfsgerechten Strom-produktion. Auf der anderen Seite trägt der Betreiber auch das Risiko von Mindererlösen, welches bisher aber als vergleichsweise klein gilt. Die Managementprämie von zunächst 0,3 Ct/kWh wird bis 2015 auf 0,225 Ct/kWh sin- Abb. 2 Mögliches Erzeugungsprofil bei Nahversorgung

Abb. 1 Flexibilisierung einer vorhandenen Biogasanlage durch Erweiterung

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Preisschere zwischen Hoch- und Niedrigpreisen an der Strombörse abhängig, welche in den letzten Jahren immer geringer geworden ist, perspektivisch aber durch höhere FEE-Anteile auch wieder steigen kann. Darüber hinaus ent-stehen erhöhte Betriebskosten durch vermehrte Kaltstarts, häufigere Starts und Stopps sowie Wirkungsgradverluste bei Teillast. Voraussetzung für die Flexibilitätsprämie ist die Teilnahme am Marktprämienmodell. Technisch erfordert diese Option einen stabilen Anlagenbetrieb, welcher die Ein-haltung der Fahrpläne erlaubt, sowie ggf. eine Verstärkung des Netzanschlusses entsprechend der zusätzlichen BHKW-Kapazität. Aus den notwendigen Anlagenerweiterungen resultiert auch ein hoher anfänglicher Umsetzungsaufwand mit teilweise langwierigen Genehmigungsverfahren. Dieser Aufwand lohnt sich gegenwärtig für Anlagen ab einer Leis-tung von etwa 250 kW.

5 Zugang zum Regelenergiemarkt

Mit der Novellierung zum EEG 2012 wurde den Erneuerba-ren neben dem klassischen Vertrieb über den Energy-Only-Markt auch der Zugang zum Regelenergiemarkt geöffnet. Jeder Stromvertrieb bzw. Lieferant muss den Bedarf seiner Kunden viertelstündlich prognostizieren und die entspre-chende Strommenge von den Erzeugern beschaffen. Orga-nisatorisch wird dies durch das Management sogenannter Bilanzkreise realisiert, welche stets ausgeglichen sein müs-sen. Differenzen zwischen Ertrag und Verbrauch gefährden die Netzstabilität, gleichen sich aber zu einem Großteil zwischen unterschiedlichen Bilanzkreisen innerhalb des Netzregelverbunds (NRV) gegenseitig aus. Zur Vermei-dung gegenläufiger Regelleistungs-Aktivierung kooperie-ren mittlerweile dänische, niederländische, schweizerische, tschechische und belgische Regelzonen mit den vier deut-schen Übertragungsnetzbetreibern (ÜNB) des deutschen NRV. Bilanzkreisabweichungen, die innerhalb dieses NRV nicht ausgeglichen werden können, müssen durch kurzfris-tiges Zu- oder Abschalten von Erzeugern oder Verbrauchern

möglichst konstanten und berechenbaren Gesamtbedarf ergänzen (Credner 2012). Alternativ oder ergänzend kann deren bedarfsgerechte Versorgung aber auch durch Strom-zukäufe sichergestellt werden, sodass Investitionen in eine Flexibilisierung der Anlage nicht unbedingt notwendig sind.

Ein positiver Nebeneffekt der regionalen Vermarktung ist ihre möglicherweise akzeptanzsteigernde Wirkung im unmittelbaren Umfeld. Für manche Betreiber ist dies einer der Hauptgründe, sich für diese Vermarktungsform zu ent-scheiden. Von Nachteil bei diesem Modell ist der hohe for-male Anfangsaufwand für die Kundenakquisition und die Erfüllung der energiewirtschaftlichen Verpflichtungen eines Energieversorgers, die in der Regel über einen spezialisier-ten Dienstleister sichergestellt und unterstützt werden. Dar-über hinaus besteht das Risiko von Zahlungsausfällen im Kundenkreis und teurer Bilanzausgleiche durch kurzfristige Zukäufe bei technischen Defekten.

Neben diesem sogenannten Stromsteuermodell gibt es mit dem Grünstromprivileg und der Direktversorgung auch noch die Möglichkeit, neben der Stromsteuer auch Teile der EEG-Umlage und der Netzentgelte einzusparen. Letzteres ist auch für Anlagen mit einer Leistung von mehr als 2 MW möglich und erfordert die Versorgung der Abnehmer unter Umgehung des öffentlichen Netzes, also mit einer selbst verlegten Leitung. Da die Kosten dafür nicht unerheblich sind, wird diese Option eher in Nischen wie der holzver-arbeitenden Industrie und in Regionen mit hohen Netzent-gelten angewendet. Um Teile der EEG-Umlage (bis zu 2 Ct/kWh) einzusparen, muss statt einem räumlichen Zusam-menhang die Belieferung der Kunden mit mindestens 50 % EEG-fähigem Strom und mindestens 20 % FEE-Strom (aus Windkraft oder PV) erfolgen, sodass das Grünstromprivileg Anwendung findet. Dieses gehört somit an sich nicht zu den Nahversorgungsmodellen, kann aber effektiv damit kombi-niert werden.

Den größten systemischen Nutzen hat die flexible Betriebsweise nach Fahrplan, welcher sich zumeist an den erwarteten Börsenstrompreisen orientiert. Zu Zeiten hoher Strompreise wird dann deutlich mehr Strom erzeugt als zu Zeiten geringer Strompreise, was perspektivisch einen effizienten Ausgleich der FEE-Fluktuationen ermöglicht. Realisiert wird dies bspw. durch die blockweise Ab- oder Zuschaltung von Reserve-BHKW oder durch BHKW-Be-trieb bei Teillast (vgl. Abb. 3). Die Mehrkosten für Gas- und Wärmespeicher sowie für die zusätzlichen BHKW-Ka-pazitäten und die erweiterte Anschlussleistung liegen im Allgemeinen deutlich unter 2,5 Ct/kWh und werden den Betreibern von Biogas- und Biomethananlagen durch eine Flexibilitätsprämie in Höhe von 130 €/kW zusätzlich bereit-gestellter Leistung über 10 Jahre vergütet (Baur 2013). Darüber hinaus können sich Mehrerlöse durch geschickte bedarfsgerechte Vermarktung ergeben. Allerdings sind diese Mehrerlöse von der kaum vorhersehbaren Entwicklung der

Abb. 3 Mögliches Erzeugungsprofil bei flexiblem Betrieb

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der Regelenergie sicherstellt. Erfahrungsgemäß kommt es nur selten für wenige Stunden im Monat tatsächlich zum Abruf der angebotenen Regelenergie (Abb. 4), sodass den geringen Anfangsinvestitionen von zumindest 2.000 € für die Fernwirktechnik praktisch risikofreie Zusatzerträge gegenüberstehen. Gleichzeitig leisten die Anlagen durch die Übernahme von vormals durch konventionelle Kraftwerke erbrachten Systemdienstleistungen einen wichtigen Beitrag zur EE-Integration.

6 Resonanz, Hemmnisse und neue Akteure

Verglichen mit der rasanten Verbreitung der Direktver-marktung bei Windenergieanlagen verläuft der Wechsel zu Direktvermarktungsmodellen bei der Bioenergie eher schleppend, kommt aber zunehmend in Fahrt. Bis August 2013 hatten sich bereits über 3.400 Anlagen in der Direkt-vermarktung angemeldet. Das sind ca. 43 % aller Biogasan-lagen, die mit gut 2.800 MW aber rund 83 % der gesamten installierten Leistung abdecken, vgl. Abb. 5 (PG HoBA 2013). Somit nutzen vor allem größere Anlagen die neuen Möglichkeiten. Für die Flexibilitätsprämie hatten sich bis Juni 2013 allerdings nur etwa 200 Anlagen angemeldet (Dotzauer 2013; Krautz 2013).

Die Gründe für diese anfängliche Zurückhaltung bei der Annahme der neuen Instrumente sind vielfältig. Den guten Erfahrungen bei der bisherigen Betriebsführung mit kons-tanter hoher Auslastung und der fixen EEG-Vergütung ste-hen Zusatzinvestitionen zur Flexibilisierung der Anlagen und mangelnde Erfahrung bspw. bzgl. Wartung und Ver-schleiß bei flexibler Fahrweise sowie ungewisse Zusatzer-löse gegenüber. Wirtschaftlichkeitsberechnungen werden dadurch komplizierter, sodass neben den Betreibern auch

beseitigt werden. Diese sogenannten Systemdienstleistun-gen (SDL) werden durch die vier deutschen ÜNB an einem gemeinsamen Regelenergiemarkt ausgeschrieben. Dieser unterteilt sich in Teilmärkte gemäß der notwendigen Reak-tionsgeschwindigkeit und Bereitstellungszeit von Sekunden (Primärreserve), halben Minuten (Sekundärreserve), Vier-telstunden (Minutenreserve) und Stunden (Stundenreserve). Darüber hinaus lässt sich zwischen positiver und negati-ver Regelenergie unterscheiden, also ob zusätzlich Strom erzeugt oder vorhandene Erzeugung ausgesetzt werden soll.

Während am Energy-Only-Markt zeitlich aufgelöste Strommengen in Form von Einspeiseprofilen bzw. Kraft-werkseinsatzplänen gehandelt werden, wird am Regel-energiemarkt lediglich verfügbare (einsatzbereite) Leistung gehandelt, deren Vergütung sich aus einem Grund- bzw. Leistungspreis und einem Einsatz- bzw. Arbeitspreis zusam-mensetzt. Dabei wird der Leistungspreis in €/MW auf jeden Fall fällig und vergütet die reine Verfügbarkeit, während der Arbeitspreis nur im Abruffall gezahlt wird und die tatsäch-lich erzeugte Energie in €/MWh vergütet. Da Regelenergie gemäß aufsteigendem Preis abgerufen wird, hat die Höhe des Arbeitspreises direkten Einfluss auf die tatsächliche Häufigkeit des Abrufs, während der Leistungspreis darü-ber entscheidet, ob man überhaupt einen Zuschlag für die Regelenergiebereitstellung bekommt.

Technisch erfordert die Teilnahme am Regelenergie-markt einen stabilen Anlagenbetrieb, Fernwirktechnik zum Abruf der Regelenergie sowie Gas- und ggf. Wärme-speicher für mindestens vier Stunden. Im Rahmen einer Präqualifizierung durch einen Umweltgutachter muss nach-gewiesen werden, dass die angebotenen Zustandswechsel innerhalb von fünf Minuten erreicht werden können. Zum Anbieten positiver Regelenergie sind zudem zusätzliche BHKW-Kapazitäten erforderlich. Organisatorisch ist der Betreiber zur Teilnahme an einer beliebigen Direktver-marktungsvariante verpflichtet und muss mit einem prä-qualifizierten Dienstleister kooperieren, welcher über die Fernwirktechnik die vertraglich zugesicherte Abrufbarkeit

Abb. 5 Anlagen in Direktvermarktung (Daten: PG HoBA 2013–08)

Abb. 4 Mögliches Erzeugungsprofil bei Bereitstellung negativer Regelenergie

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geringen) Mehrerlösen für die Betreiber werben. Eine Viel-zahl von Anlagen wird dabei in einem Pool zusammenge-fasst und unter Nutzung verschiedener Prognoseverfahren möglichst optimal vermarktet. Diese Pools können dabei auch andere EE-Anlagen, KWK-Anlagen, Speicher oder steuerbare Lasten in einem virtuellen Kraftwerk vereinigen. Dieses Konzept gilt als besonders zukunftsweisend, weil es so möglich wird, eine Vielzahl kleiner dezentraler Strom-erzeugungsanlagen fluktuierender und steuerbarer Natur als ein großes regelbares Kraftwerk am Markt zu platzieren.

Neben spezialisierten Dienstleistern steigen auch immer mehr regionale Versorger in Dienstleistungen rund um die Direktvermarktung per Marktprämie ein, um sich einen Anteil an diesem sich neu entwickelnden Markt zu sichern. Auf landwirtschaftlichen Veranstaltungen wird teils in Kooperation bspw. mit Additivanbietern für den Biogasbe-reich intensiv für diese Angebote geworben, was mit zu der spürbar stärkeren Verbreitung des Marktprämienmodells seit Anfang 2013 beigetragen haben dürfte. Entsprechende Informationsveranstaltungen und Erfahrungsaustausch dür-fen auch für den Umstieg auf eine flexible Betriebsweise förderlich sein.

Wie viele Anlagen sich bisher an der Regelenergiebe-reitstellung beteiligen, ist derzeit unbekannt. Da sich aber zumindest die Voraussetzungen für die Minutenreserve relativ einfach durch die meisten Anlagen und Dienstleister erfüllen lassen und sich dadurch mit relativ wenig Aufwand signifikante Zusatzerlöse erzielen lassen, dürfte kurz- bis mittelfristig die Mehrzahl der Anlagen in Direktvermark-tung auch am Regelenergiemarkt teilnehmen.

7 Schlussfolgerungen und Perspektiven

Das EEG 2012 hat mit der Markt- und Flexibilitätsprämie wichtige erste Anreize zur Flexibilisierung der Bioenergie eingeführt. Die Anzahl von Anlagen in der Direktvermark-tung wächst ständig. Die vielen möglichen Betriebsoptionen erfordern eine individuelle Anpassung der Betriebsstra-tegie an die Eigenheiten der vorhandenen Anlage und des Standorts. Entscheidend für die EE-Integration wird jedoch sein, inwieweit Bioenergieanlagen tatsächlich flexibel und bedarfsgerecht betrieben werden und sich an der Erbrin-gung von Systemdienstleistungen beteiligen. Die bedarfs-gerechte Steuerbarkeit von Bioenergieanlagen gilt als deren Königseigenschaft, welche in Deutschland in naher Zukunft voraussichtlich durch keine andere EE- oder Speichertech-nologie zu vergleichbar geringen Mehrkosten erzielt werden kann. Vor diesem Hintergrund ist zu erwarten, dass flexible Betriebsweisen zunächst für größere und schrittweise auch für kleinere Anlagen obligatorisch werden dürften. Die tem-porären Mehrkosten durch das Marktprämienmodell sind vor dem Hintergrund der sich dadurch entwickelnden und

die finanzierenden Banken zunächst zurückhaltend reagier-ten und erst eine intensive Risikobetrachtung dieser neuen Möglichkeiten vornehmen mussten. Nicht einheitliche Rechtsauffassungen und die unklare gesetzliche Definition des Anlagenbegriffs erschwert die ohnehin komplexe The-matik zusätzlich. Hinzu kommt, dass technische Erweite-rungen eine Vielzahl von Aufgaben mit sich bringen, die teils von Dritten abhängig sind, bspw. bei der Erweiterung der Anschlussleistung durch den örtlichen Netzbetreiber sowie teils lang dauernde Genehmigungsverfahren. Die Erweiterung einer Anlage von der ersten Planung bis zur Realisierung kann so leicht drei bis 12 Monate oder mehr in Anspruch nehmen. Zudem führte die Diskussion um eine „Strompreisbremse“ zu großen Verunsicherungen und zum Aufschub vieler geplanter Investitionsvorhaben in der gesamten EE-Branche (Dotzauer 2013; Krautz 2013). Wäh-rend anfängliche Ungewissheiten bzgl. der Umsatzsteuer auf Marktprämie mittlerweile ausgeräumt wurden (die Marktprämie ist USt-frei), sind einige energiewirtschaftli-che Rahmenbedingungen z. T. noch nicht ganz optimal auf die neuen Instrumente im EEG abgestimmt und befinden sich teilweise in Überarbeitung, wie bspw. die Zugangsbe-dingungen zum Regelenergiemarkt oder zur Vermarktung anderer Systemdienstleistungen.

Einige formale energiewirtschaftliche Voraussetzungen sind zudem so aufwendig, dass einzelne Anlagenbetreiber sie kaum allein erfüllen können und auf externe Unterstüt-zung angewiesen sind. Dies betrifft bspw. die Zulassung zur Leipziger Strombörse zur Direktvermarktung oder – sehr viel stärker – die energiewirtschaftlichen Anforderungen beim Wechsel der Rolle vom reinen Energieproduzenten hin zum Endkunden beliefernden Versorger im Rahmen der Nahversorgungskonzepte. Daher hat sich mittlerweile eine Reihe von Dienstleistern am Markt etabliert, welche die Betreiber bei den unterschiedlichen Direktvermarktungsmo-dellen unterstützen, sodass diese sich weitgehend auf Ihre Kernkompetenz des Anlagenbetriebs konzentrieren können. Diese Dienstleister sind teilweise auf bestimmte Formen der Direktvermarktung spezialisiert, insbesondere wenn es um Nahversorgungskonzepte geht. Auch Ökostromanbie-ter oder regionale Grundversorger wie Stadtwerke haben die Möglichkeit, solche Dienstleistungen anzubieten oder in Anspruch zu nehmen und können durch den Vertrieb von regional erzeugtem Ökostrom unter Umständen eine erhöhte Akzeptanz, Zahlungsbereitschaft und Kundenbin-dung erreichen.

Die meisten dieser Dienstleister sind derzeit jedoch im Bereich des Marktprämienmodells tätig und ergänzen dieses meist schrittweise durch Präqualifikation für die verschie-denen Regelenergiemärkte. Im Gegenzug beanspruchen sie einen bestimmten Anteil an der Managementprämie. Da diese bereits einen Aufschlag gegenüber der EEG-Festver-gütung darstellt, können sie mit garantierten (wenngleich

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Diskussion um die Anpassung des deutschen Energiemarkt-designs und dessen Ergänzung um Kapazitätsmechanismen spielen solche Überlegungen bisher kaum eine Rolle.

Einige Vertreter der Erneuerbaren-Branche fordern bereits auch einen gleichberechtigten Zugang der Bioener-gie zum Terminmarkt, über den bisher die konventionellen Kraftwerke einen Großteil ihrer Stromproduktion über Jahre im Voraus vermarkten. Um konventionelle Kraftwerke langfristig aus dem Energiesystem abzulösen, dürften ent-sprechende Schritte nur eine Frage der Zeit sein. Insgesamt gilt es, das Marktdesign bzw. die energiewirtschaftlichen Rahmenbedingungen unter der Prämisse einer möglichst optimalen EE-Integration besser aufeinander abzustimmen (Leprich 2013; Leprich et al. 2012).

Daneben soll nicht unerwähnt bleiben, dass einige nam-hafte Wissenschaftler die Zukunft der Bioenergie langfristig eher im Mobilitäts- als Elektrizitätsbereich sehen. Grund ist neben der begrenzten Verfügbarkeit an Biomasse vor allem der Mangel an klimafreundlichen Alternativen insbeson-dere im Bereich des zunehmenden Flug- und Seeverkehrs (Leopoldina 2012; UBA 2012). Auf der anderen Seite ist die gekoppelte Strom- und Wärmeerzeugung sehr viel effi-zienter als die verbrennungsmotorische Nutzung im Mobili-tätsbereich. Letzten Endes unterstreicht diese Einschätzung noch einmal die vielfältigen Einsatzbereiche sowie die Fle-xibilität der Bioenergie und somit auch ihr Potenzial, die unterschiedlichen Energiesektoren (Strom, Wärme, Mobi-lität) bedarfsgerecht zu integrieren, welches für das Allo-kationsproblem des begrenzten Biomassedargebots mit verantwortlich ist.

Literatur

Baur F (2013) Bereitstellungspotenziale für eine flexible Stromerzeu-gung. Fachtagung Flexible Strombereitstellung aus Biogasanlagen im Rahmen des BMU-Förderprogramms Energetische Biomasse-nutzung. IZES – Institut für ZukunftsEnergieSysteme, 19. Juni, Berlin. http://www.energetische-biomassenutzung.de/de/veran-staltungen/tagungen/tagung-flexibilisierung/ergebnisse.html

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für diesen Prozess notwendigen neuen Marktakteure und Geschäftsmodelle durchaus zu rechtfertigen.

Als Schlüsselfaktor bei der Flexibilisierung von Biogas-anlagen gilt die Speicherung des Biogases. Als größtmögli-cher und kostengünstigster Speicher gilt das Erdgasnetz mit den daran angeschlossenen Untergrundspeichern. Besonde-res Potenzial wird daher Biomethananlagen zugeschrieben, die das erzeugte Biogas nicht selbst verbrennen, sondern es auf Erdgasqualität aufbereiten um dann mit dem Erdgas-netz eine bereits vorhandene Infrastruktur zur Speicherung und zum Transport des Energieträgers nutzen zu können. Das eingespeiste Biomethan kann dann an beliebiger Stelle wieder entnommen und energetisch genutzt werden, wobei neben der Strom- und Wärmeerzeugung in BHKW bspw. auch die Nutzung als Kraftstoff im Mobilitätsbereich mög-lich ist. Allerdings ist die Aufbereitung auf Erdgasqualität noch recht energie- und kostenintensiv, weshalb entspre-chende Aufbereitungstechniken Gegenstand intensiver For-schung sind. Auch Nachhaltigkeitsaspekte werden intensiv untersucht, da die Bereitstellung biogener Energieträger in bestimmten Fällen ökologisch bedenklich oder in Kon-kurrenz zur Nahrungsmittelproduktion oder zur stofflichen Nutzung dieser Rohstoffe stehen kann, was sich künftig durch den global steigenden Fleischkonsum, das Bevölke-rungswachstum und den Klimawandel noch verschärfen dürfte (UBA 2012). Forschungsschwerpunkte liegen vor diesem Hintergrund auch in der Erschließung neuer Subs-trate insbesondere im Bereich der Reststoffe und Koppel-produktproduktion bspw. durch sogenannte Bioraffinerien.

Mit Blick auf den Elektrizitätsbereich lässt sich konsta-tieren, dass es neben der Bereitstellung von Regelenergie auch andere Arten von Systemdienstleistungen gibt, an denen sich Bioenergieanlagen perspektivisch beteiligen könnten. Gerade in ländlichen Gegenden kommt es durch den starken Ausbau von Windenergie- und Photovoltaik-anlagen immer häufiger zu lokalen Netzengpässen, welche die temporäre Abregelung von EE-Anlagen, die Anpassung von Kraftwerkseinsatzplänen (Redispatch) oder den Ausbau der Netze notwendig machen. Solche lokalen Netzengpässe werden durch den Regelenergiemarkt nicht berücksichtigt, da dieser auf einer gesamtdeutschen Energiebilanzierung basiert, bei der die Übertragungskapazitäten und Übertra-gungsverluste vernachlässigt werden. Bioenergieanlagen könnten aber auch im regionalen Kontext Systemdienstleis-tungen erbringen und so die Abregelung anderer Anlagen oder den Netzausbaubedarf mindern (Bendel et al. 2007; Ringelstein 2010). Dazu gehören bspw. die Vermeidung lokaler Netzengpässe bei hoher FEE-Einspeisung sowie die Bereitstellung von Blindleistung zur Spannungshaltung. Allerdings gibt es die dafür notwendigen Märkte für regio-nale Systemdienstleistungen bisher nur versuchsweise in lokalen Modellprojekten (Bendel et al. 2007; Wedler 2012; Laskowski 2012). Auch bei der derzeit intensiv geführten

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