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FLEISCHATLAS Daten und Fakten über Tiere als Nahrungsmittel 2014 NEUE THEMEN 6. Auflage
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FLEISCHATLASDaten und Fakten über Tiere als Nahrungsmittel 2014

NEUE THEMEN

6. Auflage

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IMPRESSUM

Der FLEISCHATLAS 2014 ist ein Kooperationsprojekt von Heinrich-Böll-Stiftung, Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland und Le Monde diplomatique.

Inhaltliche Leitung: Christine Chemnitz Reinhild Benning

Projektmanagement: Dietmar BartzArt Direktion und Herstellung: Ellen Stockmar

Übersetzungen: Bettina von Arps-AubertTextchefin: Elisabeth Schmidt-Landenberger Dokumentation und Schlussredaktion: Bernd Cornely, Stefan Mahlke

Mit Originalbeiträgen von Michael Álvarez Kalverkamp, Wolfgang Bayer, Reinhild Benning, Stephan Börnecke, Christine Chemnitz, Karen Hansen-Kuhn, Patrick Holden, Ursula Hudson, Annette Jensen, Evelyn Mathias, Heike Moldenhauer, Carlo Petrini, Tobias Reichert, Marcel Sebastian, Shefali Sharma, Ann Waters-Bayer, Kathy Jo Wetter, Sascha Zastiral

V. i. S. d. P.: Annette Maennel, Heinrich-Böll-Stiftung

6. Auflage, Oktober 2015

Der Beitrag auf Seite 44/45 erschien zuerst im „Fleischatlas Extra: Abfall und Verschwendung“, November 2014

Produktionsplanung: Norman Nieß, taz Verlags- und Vertriebs GmbH

Druck: Phoenix Print GmbH, WürzburgKlimaneutral gedruckt auf 100 % Recyclingpapier (Innenteil) und 60 % Recyclingpapier (Umschlag).

Dieses Werk steht unter der Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Deutschland“ (CC BY-SA 3.0 DE). Der Text der Lizenz ist unter http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/legalcode abrufbar. Eine Zusammenfassung (kein Ersatz) ist unter http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/ nachzulesen.

BESTEll- UNd dowNload-adRESSEN

Heinrich-Böll-Stiftung, Schumannstr. 8, 10117 Berlin, www.boell.de/fleischatlas Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland/Versand, Am Köllnischen Park 1, 10179 Berlin, www.bund.net

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FLEISCHATLASDaten und Fakten über Tiere als Nahrungsmittel

6. auflage2015

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FLEISCHATLAS 20144

INHalT

IMPRESSUM

VoRwoRTE

ÜBER UNS

ElF KURZE lEKTIoNEN

UNERSÄTTlICHER wElTMaRKTIn Asien findet im Schnelldurchgang ein Wandel statt, den die Industrieländer längst hinter sich haben: Die Mittelschichten lösen eine Nachfrage aus, die mit dem Einsatz von Kapital und Technik bedient wird. Doch für Rinder ist jetzt weniger Platz als für Schweine und Hühner – vor allem aber boomen indische Büffel.

KoNZENTRaTIoN – dIE ZUKUNFT dER GloBalISIERTEN INdUSTRIEGrößenvorteile senken die Erzeugerpreise und steigern den Umsatz. Mit Zukäufen von Unternehmen stoßen die weltweit aktiven Fleischkonzerne unter die Größten der Lebenmittelbranche vor. Jetzt schlägt die Stunde der Banken, die auf Rohstoffmärkten spekulieren, Kredite anbieten und weitere Fusionen planen.

FREIHÄNdlER wITTERN MoRGENlUFTUSA und EU verhandeln über ein neues Handelsabkommen. Die Wunschliste der Industriekonzerne ist lang. Amerikaner möchten europäische Schutzvorschriften gegen Hormone, Antibiotika und Genmanipulationen aushebeln, Europas Fleischkonzerne hingegen endlich wieder Rindfleisch über den Atlanik verkaufen.

RoSaRoT IM KÜHlREGal Supermärkte mit Kühltruhen und Fast-Food-Ketten mit Qualitätsversprechen verändern das Einkaufen in den Städten der Boomländer. Die Städte wachsen so schnell, dass kleine Läden die Menschen nicht mehr versorgen können. Diese Aufgabe übernehmen kapitalstarke Lebensmittelketten.

IN dEN SCHlaCHTHÖFEN dER wElTDas Töten von Tieren zur Herstellung von Nahrungsmitteln ist hoch industrialisiert. Die Schlachthöfe der globalen Konzerne verfügen über unvorstellbare Kapazitäten und liegen fern der Städte – Konsumenten sehen keine Verbindung mehr zwischen einem lebenden Tier und einem eingeschweißten Filet.

dEUTSCHES dUMPING-SCHlaCHTENGroßbetriebe dominieren auch in Deutschland die Schlachthofbranche. Billiglöhne für die Leiharbeiter aus dem Osten der EU begünstigen weitereInvestitionen der Konzerne. Doch gegen noch mehr Mast- und Schlachtanlagen regt sich Widerstand.

TIERGENETIK: EINE HaNdVoll aRTEN FÜR dIE GaNZE wElTDas Zuchtmaterial für die meisten Tiere in der industriellen Landwirtschaft stammt von einigen wenigen Firmen. Sie dominieren auch die Erforschung neuer Hochleistungsrassen. Dabei macht die zurückgehende genetische Vielfalt die Nutztiere anfälliger für Schädlinge, Krankheiten und Wetterextreme.

HoRMoNE – dER KaMPF UM daS NEINHormonfleisch und -milch sollen in Europa wieder zugelassen werden – darum bemühen sich die USA seit mehr als 25 Jahren. Dabei sind in der EU nur Wachstums-, nicht aber Sexualhormone verboten.

TIERFUTTER VERGEUdET aCKERlaNd 70 Prozent aller agrarischen Nutzflächen werden heute in irgendeiner Weise für die Tierfütterung beansprucht. Dabei wären sie effizienter für die Produktion menschlicher Nahrungsmittel zu verwenden.

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5FLEISCHATLAS 2014

SCHNITZEl, wÜRSTCHEN, GlYPHoSaTWas essen die Tiere, die wir essen? Wenn Fleisch, Milch und Eier Rückstände von Pestiziden, Herbiziden oder Medikamenten enthalten, nehmen wir diese Stoffe womöglich auch zu uns. Zwar schützen Gesetze vor den gefährlichsten Substanzen, aber sie bieten auch Schlupflöcher und ermöglichen Grauzonen, wie das Beispiel Glyphosat zeigt.

aRGENTINIEN, daS Soja-REICHDie globale Nachfrage nach Tierfutter hat einen neuen Typ Farmer hervorgebracht und der Regierung in Buenos Aires enorme Steuereinnahmen verschafft. Der Strukturwandel in der Landwirtschaft hat soziale, ökologische und gesundheitliche Auswirkungen, die in der argentinischen Öffentlichkeit kaum diskutiert werden.

HÜHNER – wElTwEITER STEIGFlUG IN dIE FaBRIKIn den Industrieländern, wo die Geflügelproduktion hoch industrialisiert ist, wird mittlerweile mehr Hühner- als Rindfleisch konsumiert. In Asien wird sich die Nachfrage vervielfachen. Hier endet die Zeit der Kleinproduzenten, Händler auf Fahrrädern und Lebendvogelmärkte.

dIE ZwEIFEl dER REICHENIn den Industrieländern scheint der Höhepunkt des Fleischbooms vorbei zu sein. Skandale haben die Konsumenten verunsichert, Informationen über die Folgen der Massentierhaltung sind weithin zugänglich. Aber Biofleisch bleibt für viele Menschen zu teuer, und neue Gütesiegel verwirren die Interessenten.

dIE NEUE HUNGRIGE MITTElKlaSSE – VoN RIo BIS SCHaNGHaIBrasilien, Russland, Indien, China und Südafrika – woher die Tiere und ihr Futter kommen sollen, um den künftigen Fleischkonsum in den fünf „Brics“-Ländern zu decken, weiß heute noch niemand.

URBaNE TIERHalTUNGTiere in der Stadt – für viele ein Widerspruch in sich. Gehören sie nicht aufs Land, jenseits von Lärm, Gestank und Luftverschmutzung? Und doch sind gerade sie für viele ärmere Stadtbewohner eine wichtige Lebensgrundlage, denn sie liefern preiswertere Nahrung als ihre Artgenossen auf dem Lande.

PRoTEIN aUS GRaS UNd GESTRÜPPNomaden halten ihr Vieh auf Land, das für Nutzpflanzen ungeeignet ist. Sie produzieren große Mengen Nahrungsmittel und tragen zum Schutz der Natur bei. Aber sie erhalten zu wenig politische und rechtliche Unterstützung. Existenziell bedrohlich sind die Beschränkungen ihrer Wanderwirtschaft.

GUTE lEBENSMITTEl GESUCHTBewusste Verbraucher in der reichen Welt erwarten Fleisch von hoher Qualitätaus umweltfreundlicher, artgerechter Produktion. Als bewusste Akteure im Nahrungsmittelsystem können sie auch „solidarische Landwirtschaft“ treiben.

dIE GRoSSE VERGEUdUNGNur knapp die Hälfte eines zur Schlachtung vorgesehenen Tieres landet als Fleisch und Wurst bei den Konsumentinnen und Konsumenten. Und selbst bei ihnen wird noch viel weggeworfen.

EINE SINNVollE EU-aGRaR-PolITIK Jahrzehntelang hat die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der Europäischen Union die landwirtschaftliche Produktion verzerrt. Zu langsam wird sie umweltbewusster. Aber es ist auch eine GAP vorstellbar, die aktiv für eine sozial und ökologisch vertretbare Viehwirtschaft eintritt.

aUToREN UNd QUEllEN VoN TEXTEN, KaRTEN UNd daTEN

20 Themen und 60 Grafikenüber die Folgen

der industriellenTierhaltung

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FLEISCHATLAS 20146

VoRwoRTE

Anbau von Futtermitteln in den Entwicklungsländern für den Fleischkonsum der reichen Staaten immer weiter ausdehnen? Globalisierte Agrarkonzerne auf der Jagd nach Anbauflächen tragen dazu bei, dass Bauern von ihrem Land vertrieben werden und so die Grundlage ihrer Ernährungssicherheit verlieren.

w ie soll außerdem das weltweit vereinbarte Ziel erreicht werden, den

Verlust der biologischen Vielfalt bis zum Jahr 2020 zu bremsen? Die agrarindustrielle Bewirtschaftung verwandelt immer mehr artenreiche Wiesen in Mais- oder Soja-Monokulturen. Und die Gülle aus der Massentierhaltung trägt immer weiter zur Überdüngung bei und ist eine der Hauptursachen des Artensterbens.

Die großen Agrarkonzerne versuchen, die negativen Auswirkungen der Fleischproduktion unter den Teppich zu kehren. Ihre Werbe-versprechen suggerieren den Konsumenten das Bild einer heimatverbundenen und intakten bäuerlichen Tierhaltung – die Leiden der Tiere, ökologische Schäden oder sozial negative Auswirkungen

F ragen Sie sich auch manchmal, woher die Steaks, Würstchen oder Burger kommen, die

Sie gelegentlich verspeisen? Und selbst wenn Sie es wüssten, könnten Sie dann sagen, unter welchen Umständen und mit welchen Folgen das Fleischfür Ihre Mahlzeit produziert wurde? Nein? Das verwundert nicht, denn darüber steht auch nichts auf den Verpackungen von Wurst und Fleisch in den Supermärkten.

Woher also sollen durchschnittlich informierte Konsumentinnen und Konsumenten wissen, dass ihr Fleischkonsum Auswirkungen rund um den Globus hat? Wer weiß schon, dass die massenhafte und global organisierte Fleischproduktion für die Abholzung des Amazonas-Regenwalds unmittelbar verantwortlich ist? Wer kennt die Auswirkungen unserer Agrarexporte auf Armut und Hunger in Ländern wie Kamerun oder Ghana, auf Vertreibung und Migration, auf Klimawandel und Artenvielfalt?

Und wie kann das Menschenrecht auf Nahrung, dem sich fast alle Länder der Welt verpflichtet haben, überhaupt umgesetzt werden, wenn sich die Flächen für den

die Fleisch-Industrie will die negativen Seiten ihrer Produktion

verbergen

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7FLEISCHATLAS 2014

werden hingegen verheimlicht. Die Heinrich-Böll-Stiftung hat vor einem Jahr zusammen mit dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und Le Monde diplomatique einen „Fleischatlas“ mit Daten und Fakten veröffentlicht, der die globalen Zusammenhänge der Fleisch-erzeugung durchleuchtete. Jetzt, Anfang 2014, veröffentlichen wir eine Fortsetzung, die erneut hinter die Kulissen der Schlachthöfe und der Fleischindustrie blickt.

d er Einsatz von Hormonen, die Rolle der Fast-Food-Ketten, aber auch die neuen Fleisch-

großkonsumenten wie China und Indien nehmen wir unter die Lupe. Und wir stellen die Frage, welche Auswirkungen das aktuell diskutierte „Freihandelsabkommen“ zwischen den USA und der EU für die Bauern, ihre Produkte und ihre Tiere hat.

Weltweit haben es die Verbraucherinnen und Verbraucher satt, von der Agrarindustrie für dumm verkauft zu werden. Anstatt – wie in der EU und den USA üblich – die Massentierhaltung mit öffentlichen Geldern zu fördern, verlangen sie vernünftige politische Rahmenbedingungen

I ch will mir mein saftiges Steak nicht madig machen lassen! Die Lebensmittelkonzerne diktieren

doch sowieso die internationale Agrarpolitik! – Mit derartigen Aussagen schleichen wir uns aus der Verantwortung und rechtfertigen den gleichgültigen Konsum von Tieren. Aber das Unbehagen bleibt. Wir wollen es genauer wissen, informieren uns, lesen kritische Zeitungsartikel, erkennen Zusammenhänge und engagieren uns – weil wir etwas verändern wollen.

Barbara BauerLe Monde diplomatique

für eine ökologische, soziale und ethisch vertretbare Landwirtschaft. Deshalb ist es der Heinrich-Böll-Stiftung und dem BUND so wichtig, über die negativen Auswirkungen der Fleischproduktion zu informieren und Alternativen aufzuzeigen.

Jede und jeder soll selbst entscheiden können, was sie oder er essen möchte. „Konsum in Verantwortung“ wird von immer mehr Menschen gefordert. Dafür benötigen sie umfangreiche Informationen. Wir hoffen, dass wir mit diesem „Fleischatlas 2014“ einen Beitrag dazu leisten.

Barbara Unmüßig Hubert weigerHeinrich-Böll-Stiftung Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland

Soll „Konsumin Verantwortung“

funktionieren, benötigt er viel

Information

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FLEISCHATLAS 20148

Die globale Mittelschicht isst zu viel Fleisch.

NICHT NUR IN aMERIKa UNd EURoPa, SoNdERN ZUNEHMENd aUCH IN CHINa, INdIEN undanderen Boomländern.

Der Konsum verändert sich. Vor allem STÄdTER ESSEN IMMER MEHR FlEISCH. Bevölkerungswachstum spielt dabei eine untergeordnete Rolle.

HoHER FlEISCHKoNSUM FÜHRT ZU EINER

INdUSTRIalISIERTEN laNdwIRTSCHaFT.

Nur einige wenige internationale Konzerne profitieren

von ihr und bauen ihre Marktmacht

immer weiter aus.

Wasser, Wald, Landnutzung, Klima und Biodiversität:

dIE UMwElT lIESSE SICH dURCH EINEN GERINGEREN FlEISCHKoNSUM UNd EINE aNdERE aRT dER Produktion leicht schützen.

ElF KURZE lEKTIoNEN ÜBER FlEISCH UNd dIE wElT

1

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4

3

ERNÄHRUNG IST NICHT NUR PRIVaTSaCHE. Sie hat ganz konkrete Auswirkungen auf dasLeben der Menschen in allen Ländern, an die wir häufig nicht denken, wenn wir ein Stück Fleisch essen. Auf die Umwelt, die biologische Vielfalt und das Klima. Auch bei uns.

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9FLEISCHATLAS 2014

waNdEl IST MÖGlICH. Entgegen der Behauptung, dass sich die Gewohnheiten beim Fleischkonsum nicht ändern werden, gibt es inzwischen viele Menschen, die es nicht als Verzicht empfinden, kein oder wenig Fleisch zu essen, und die eine gesunde Ernährung und einen verantwortungsvollen Konsum als modernen Lebensstil empfinden.

Kein landwirtschaftlicher Teilbereich ist so stark international verflochten, produziert so massenhaft und wächst gleichzeitig so stark wie die Geflügelproduktion –

SEHR ZUM lEIdwESEN dER TIERE, dER KlEINEN PRodUZENTEN UNd dER UMwElT.

INTENSIVE FlEISCHPRodUKTIoN KaNN KRaNK MaCHEN – nicht nur durch den Gebrauch von Antibiotika und Hormonen, sondern auch durch den exzessiven Einsatz von Pflanzen-schutzmitteln in der Futterproduktion.

FlEISCHKoNSUM MUSS KEIN KlIMa- UNd UMwElTKIllER SEIN. Im Gegenteil. Wenn Tiere auf Weiden artgerecht und in passender Zahl gehalten werden, kann das sogar vorteilhaft für Klima und Umwelt sein.

Alternativen gibt es: Viele zertifizierte Produktionen des ökologischen Landbaus zeigen, wIE EINE aNdERE FlEISCHPRodUKTIoN aUSSEHEN KÖNNTE, die die Umwelt und die menschliche Gesundheit schützt und annehmbare Lebensbedingungen für Tiere garantiert.

Urbane und bäuerliche Tierhaltung

können aRMUT lINdERN, FÜR GESCHlECHTERGERECHTIGKEIT UNd EINE GESUNdE ERNÄHRUNG sorgen – nicht nur im globalen Süden.

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FLEISCHATLAS 201410

d ie weltweite Nachfrage nach Fleisch steigt in den Regionen der Welt ganz unterschied-lich. In Europa und den USA, den traditio-

nell großen Fleischproduzenten des 20. Jahrhun-derts, nimmt der Konsum nur noch langsam zu oder stagniert sogar. Auf die zumeist asiatischen Boomländer werden hingegen bis 2022 rund 80 Prozent des Wachstums im Fleischsektor ent-fallen. Das größte Wachstum wird aufgrund der immensen Nachfrage der neuen Mittelschichten in China und Indien stattfinden.

In China werden heute noch mehr als 50 Pro-zent der Schweine in kleinbäuerlichen Betrieben

produziert. Das wird ohne Gegensteuern nicht mehr lange so bleiben. Die gleichen technik- und kapitalintensiven Prozesse, die die Tier-produktion des Nordens dominieren, wachsen

in die lukrativen Märkte des Südens hinein, zu-gleich integriert in globale Wertschöpfungsket-

ten. Dies bedeutet, dass bald auch in den Boom-ländern, wenn ein Ferkel geboren wird, schon feststeht, in welcher Stadt und in welchem Super-markt mit welcher Werbung sechs Monate später die Filets zu kaufen sein werden.

Dabei sind die Rahmenbedingungen der Pro-duktion heute grundlegend anders als früher. Die industrielle Tierhaltung in Europa und den USA hatte sich noch mit geringen Futterpreisen, niedrigen Energiekosten und billigem Land eta-bliert. Heute sind Agrarflächen, Futter und Ener-gie knapp und die Kosten hoch. Daher steigt die Gesamtproduktion von Fleisch weniger stark als noch in den letzten Dekaden. Nur bei Schweinen und Geflügel wächst der Markt. Beide Tierarten verwerten das Futter gut und können auf engem

Raum gehalten werden. Damit befriedigen sie die unersättliche Nachfrage nach billigem Fleisch. Bis 2022 wird fast die Hälfte des zusätzlich konsu-mierten Fleischs Geflügel sein.

Die Produktion von Rindfleisch hingegen wächst kaum. Die USA bleiben mit 11 Millionen Tonnen der größte Rindfleischproduzent der Welt. Dennoch beschreibt die Fleischindustrie die Lage als dramatisch schlecht. Für 2013 rechnet sie mit einem Rückgang von 4 bis 6 Prozent im Ver-gleich zum Vorjahr und sieht diesen Trend auch im Jahr 2014. In anderen traditionellen Erzeuger-regionen – Brasilien, Kanada, Europa – stagniert oder sinkt die Produktion.

Das Land der Stunde hingegen ist Indien – dank der Produktion von Büffelfleisch. Dessen Wachs-tum hat sich zwischen 2010 und 2013 fast verdop-pelt, und Indien drängt damit auf den Weltmarkt: 25 Prozent des dort gehandelten Rindfleisches stammt inzwischen vom Subkontinent. Seit 2012 ist Indien – knapp vor Brasilien – der größte Expor-teur von Rindfleisch, wenn man Büffel darunter mitversteht. Büffel sind kostengünstig zu halten, weshalb der Kilopreis in der Erzeugung um mehr als einen Dollar unter dem von Rindfleisch liegt. Zudem hat die indische Regierung viel Geld in Schlachthäuser investiert. Hinzu kommen die hohen Preise für Futtermittel; deren Erlöse lassen brasilianische Farmer von Rinder- auf Sojaproduk-tion umsteigen. So werden, wenn auch noch auf niedrigem Niveau, Marktanteile frei, die die indi-schen Exporteure übernehmen.

In Afrika wird ebenfalls mehr Fleisch geges-sen, wenn auch weder die Nachfrage noch das An-gebot so wächst wie in anderen Teilen der Welt.

In Asien findet im Schnelldurchgang ein Wandel statt, den die Industrieländer längst hinter sich haben: Die Mittelschichten lösen eine Nachfrage aus, die mit dem Einsatz von Kapital und Technik bedient wird. Für Rinder ist jetzt weniger Platz als für Schweine und Hühner – vor allem aber boomen indische Büffel.

UNERSÄTTlICHER wElTMaRKT

Exportieren kann nur, wer die

Qualitätsansprüche der abnehmerländer

erfüllt

Verbrauch

Weltweit, pro Kopf, Prognose 2013, Kilogramm/Jahr

Handel

Weltweit, Prognose für 2013,in Millionen Tonnen

Handel

Weltweit, Prognose für 2013,in Prozent

Produktion

Weltweit, Prognose für 2013,in Millionen Tonnen

106,4

114,2

68,113,8

13,3

7,28,6

0,9 9,9

9,.1

FAO

FAO

FAO

FAO

308,2 30,2 100

79,3

33,3

43,1

Verbrauch im InlandExport

entwickelte Länder Entwicklungsländer

weltweitRind, Kalb Geflügel

andereSchweinSchaf, Ziege

Rind, Kalb Geflügel

andereSchweinSchaf, Ziege

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11FLEISCHATLAS 2014

Vielerorts hat in den letzten zehn Jahren die Pro-duktion angezogen, überproportional in bevöl-kerungsreichen Ländern wie Südafrika, Ägypten, Nigeria, Marokko und Äthiopien. Pro Kopf liegt der Kontinent mit 20 Kilogramm im Jahr unter dem weltweiten Durchschnitt. Zugenommen hat der Import von preiswerten Geflügelteilen, oft auf Kosten heimischer Erzeuger.

Der internationale Fleischhandel nimmt schnell zu, allein in den letzten zehn Jahren um 40 Prozent. Heute dominieren noch die Industrie-länder den Weltmarkt, doch sein Wachstum wird

inzwischen von den Entwicklungs- und Schwel-lenländern bestimmt. Noch geht nur ein Zehntel des Fleisches in den Handel. Denn exportieren kann nur, wer den Qualitätsansprüchen in den Abnehmerländern entspricht und dies auch nach-weisen kann. Die Angst vor Tierkrankheiten wie BSE, Maul- und Klauenseuche oder Vogelgrippe ist groß. Der zeitweilige Zusammenbruch der Ge-flügelmärkte in Südostasien und der vollständige Kollaps der britischen Rindfleischexporte haben gezeigt, wie internationale Handelsströme inner-halb kürzester Zeit versiegen können.

Kleinere Tiere, größere Mengen

Trends der Fleischerzeugung, in Millionen Tonnen

OEC

D/FA

O

Stabile Preise nur ohne Spekulanten

Reale Fleischpreise, 2005–2021, Dollar pro Tonne

1991 1996 2001 2006 2011 2016 20210

1000

2000

3000

4000

5000

OEC

D/FA

O

1995 1999 2003 2007 2011 2015 20190

20

40

60

80

100

120

140

2021

Globale Fleischproduktion

Millionen Tonnen, Durchschnitt 2010-2012, Angaben für 2012 sind geschätzt

FAO

Rind, KalbGeflügel

SchweinSchaf, Ziege

Kanada

2,1

1,41,2 Russland

1,7

3,2

0,2

2,5

Ukraine

0,6

0,4 0,9

Neuseeland

0,60,2

0,5

Südafrika

0,3

0,9 1,50,2

USa

11,4

19,2

0,1

10,2

Chile

0,5

0,2

0,6

Uruguay

0,5

Ägypten

0,70,8

0,1

Südkorea

1,0

0,3 0,7

Saudi-arabien

0,5

Indonesien

0,5

1,7

0,10,7

EU

8,1

12,4

1,0

23,0

Indien

2,9 2,9

0,90,3

Malaysia

1,5

0,2

Pakistan

1,5 0,80,5

Iran

1,7

0,50,4

Türkei

0,2

1,6

0,3

algerien

0,10,3

0,2

argentinien

2,6

1,8

0,10,3

Brasilien

9,7

13,1

0,1

3,3

Mexiko

1,82,8

0,11,2

Bangladesch

0,20,2

0,2

China

6,5

17,1

4,1

50,4

australien

2,11,0

0,60,3

japan

0,5

1,4

1,3

Rind, KalbSchweinGeflügelSchaf, Ziege

Rind, KalbGeflügel

SchweinSchaf, Ziege

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FLEISCHATLAS 201412

I m September 2013 erwarb Shuanghui Inter-national Holdings, Hauptaktionär von Chinas größtem Fleischverarbeiter, den weltgrößten

Schweinefleischproduzenten: das US-amerika-nische Unternehmen Smithfield Foods. Der Ge-samtpreis der Übernahme lag bei 7,1 Milliarden Dollar, darunter 2,4 Milliarden Dollar Schulden. Dieser Verkauf steht für eine Umstrukturierung, die sich weltweit über Ländergrenzen hinweg

beobachten lässt. Investitionen sind keine Ein-bahnstraße mehr. Firmenkäufer kommen jetzt auch aus dem globalen Süden und werden im Norden fündig.

JBS, ein Rindfleischunternehmen aus Brasi-lien, wurde mit dem Kauf mehrerer Fleischun-

ternehmen in den USA, Australien und Europa sowie im eigenen Land Ende der 2000er Jahre zum weltweit größten Produzenten von Rindfleisch. Seit er im Sommer 2013 vom kleineren Konkur-renten Marfrig, seinerseits mit 4,7 Milliarden Dollar verschuldet, für 2,5 bis 3 Milliarden Dollar dessen Firmentochter Seara übernommen hat, ist JBS auch der weltgrößte Geflügelproduzent.Der weit verzweigte Konzern gehört inzwischen sogar zu den zehn führenden internationalen Lebensmittel- und Getränkekonzernen und setzt mit Lebensmitteln mehr um als Unilever, Car-gill und Danone. Nicht sinnlich vorstellbar sind JBS’ Schlachtkapazitäten: 85.000 Rinder, 70.000

Schweine und 12 Millionen Vögel – und zwar täg-lich. Sobald das Fleisch vom Knochen getrennt ist, wird es in 150 Länder ausgeliefert.

Da die Gewinnmargen in der Fleischindustrie gering sind, jagen die Unternehmen Größenvor-teilen hinterher: Sie versuchen die Produktion durch mehr Effizienz und zu geringeren Kosten zu steigern. Dies führt zu einer doppelten Konzen-tration. Einerseits werden Unternehmen durch Fusionen und Übernahmen immer größer und expandieren über Grenzen und Arten hinweg. Andererseits nimmt die Intensität der Fleisch-produktion zu, indem mehr Tiere gehalten und schneller und mit weniger Abfall verarbeitet wer-den. Einige Analysten weisen jedoch darauf hin, dass das Fleischgeschäft von Natur aus riskant ist: Auch wenn man weiß, wie Rinder gezüchtet, ge-schlachtet, verarbeitet und transportiert werden, bedeutet das nicht automatisch, dass man auch Geflügelgroßbetriebe führen kann.

Schwankende Dünger- und Futtermittelpreise verschärfen das finanzielle Risiko. Höherpreisige Tierfuttermittel treiben die Produktionskosten in die Höhe, senken die Gewinne und verschie-ben die Nachfrage. Hinzu kommen spekulative Marktmanipulationen, die zu Preissprüngen führen. Zudem verknappt der Anbau von Pflan-zen, die zu Agrokraftstoffen verarbeitet werden, das verfügbare Land. Insgesamt ein Geschäft wie

weltmarktpreise für Fleischarten im Vergleich

Indizes, 2002–2004 = 100

FAO

Milchprodukte werden teuer

Indizes, 2002–2004 = 100

FAO

FAO

Die Größenvorteile der Fleischkonzerne senken die Erzeugerpreise und steigern ihre Marktmacht. Mit Zukäufen von Unternehmen stoßen sie unter die Größten der Lebenmittelbranche vor. Jetzt schlägt die Stunde der Banken, die auf Rohstoffmärkten spekulieren, Kredite anbieten und weitere Fusionen planen.

KoNZENTRaTIoN – dIE ZUKUNFT dER GloBalISIERTEN INdUSTRIE

Hohe Schulden der Fleischkonzerne

sorgen für immer neue Eigentümer-

wechsel

2007 2009 2010 2011 201270

100

130

160

190

220

2008 2013 2006 2009 2010 2011 201270

100

130

160

190

220

2008 2013

Rind, KalbGeflügel

SchweinSchaf, Ziege

FleischMilchprodukteLebensmittel

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13FLEISCHATLAS 2014

geschaffen für Investmentbanker. Tatsächlich hat die Wall-Street-Firma Goldman Sachs den Shuanghui-Smithfield-Deal auf unterschiedliche Art und Weise eingefädelt und abgewickelt. Es wurde von Smithfield mit der Beratung über po-tenzielle Verkäufer beauftragt, hält selbst einen fünfprozentigen Anteil an Shuanghui und ist Großhändler von Rohstoffen: 2012 erwirtschafte-te Goldman Sachs damit rund 1,25 Milliarden Dol-lar, davon 400 Millionen im Food-Bereich.

Die doppelte Konzentration in der Fleisch-industrie – Expansion der Unternehmen, In-tensivierung der Produktion – lässt kleineren Produzenten kaum eine Überlebenschance. Die multinationalen Strukturen vernichten eine Einkommensquelle der Armen und schränken gleichzeitig die Produktauswahl für die Verbrau-cher ein. Die Größenvorteile versprechen Aktionä-ren und anderen Kapitalgebern höhere Gewinne.

Effizienz birgt aber auch Gefahren. Wo enden die Größenvorteile, wenn heutzutage bereits bis zu 100.000 Tiere zugleich gemästet werden kön-nen? Solche Betriebsgrößen gibt es in den USA be-reits. Die Logistik ist heute noch beherrschbar, je-doch gilt: je größer das System, desto anfälliger. In der Intensivhaltung breiten sich Krankheits-erreger schneller und leichter von einem Tier auf das nächste aus, sowohl im Stall wie beim Transport. Das Gleiche gilt für die Schlachthö-fe, da die Geschwindigkeit der Verarbeitung zunimmt. Außerdem funktioniert das System im Falle einer Katastrophe, etwa einer weitflächigen Überschwemmung, nicht mehr. Und wenn die Verbrauchernachfrage sinkt, droht Unternehmen mit knappen Reserven der Bankrott. Das wieder-um macht Versicherungsunternehmen mit maß-geschneiderten Risikobewertungen zu wichtigen Spielern im modernen Fleischgeschäft.

je größer das System der

Fleischerzeugung, umso anfälliger

wird es

die Top 10 der Branche

Konzerne nach Lebensmittelumsätzen (2011–13), Milliarden Dollar

LEAT

HER

HEA

D/ET

C

33

Cargill

3

13

Vion

5

15

BRF

4

jBS

1

39

13

Nippon Meat Packers

6

13

Smithfield Foods

7

13

Marfrig

8

10 danish Crown amba

9

8 Hormel Foods

10

jBS. Gegründet 1953; Umsatz 2012: 38,7 Milliarden

Dollar. Weltgrößter Fleischverarbei-ter, weltgrößte Schlachtkapazitäten.

Übernahm kürzlich von Smithfield Foods die Rindfleischsparte und

von Malfrig Geflügel- und Schweinebetriebe

1

BRF. 2009 als Brasil Foods aus der Fusion von Sadia und Perdigão entstanden.

Umsatz 2012: 14,9 Milliarden Dollar. 60 Fabriken in

Brasilien, Vertretungen in 110 Ländern

4

Vion. 2003 aus mehreren Fusionen entstanden.

Umsatz 2011: 13,2 Milliarden Dollar. Größter

Schweinefleischverarbeiter Europas, enormes Wachstum.

2002: 1 Milliarde Dollar (Vorläuferfirmen)

5

TysonFood. Gegründet 1935; Umsatz

2012: 33,3 Milliarden Dollar. Weltgrößter Fleischhersteller und zweitgrößter Verarbeiter

von Hühnern, Rindern und Schweinen

2

Hormel Foods. Gegründet 1891; Umsatz 2012:

8,2 Milliarden Dollar.40 Betriebe und Verteilerzentren,

Ausrichtung auf „ethnic food“ (z. B. mexikanisch,

asiatisch)

10

Nippon Meat Packers. Gegründet 1949;

Umsatz 2013: 12,8 Milliarden Dollar. Bekann als „Nippon

Ham“. Betriebe an 59 Stand-orten in 12 Ländern, meist in

Asien und Australien

6

danish Crown amba. 1998 aus mehreren Fusionen entstanden. Umsätze 2012:

10,3 Milliarden Dollar. Haupt-niederlassungen in USA, Polen

und Schweden, Europas größter Fleischproduzent, weltgrößter

Schweineexporteur

9Cargill. Gegründet 1865,

Familienunternehmen. Weltumsatz 2013: 32,5 Milliar-

den Dollar. Hält in den USA einen Marktanteil von 22 Prozent

bei Fleischprodukten, in Argentinien größter

Exporteur

3Smithfield Foods.

Gegründet 1936; Umsatz 2012: 13,1 Milliarden Dollar. Größter

Produzent und Verarbeiter von Schweinefleisch in den USA.

Mit Milliardenschulden 2013 an die halb so große chinesische

Shuanghui-Gruppe verkauft

7

33

Tyson Foods

2

Marfrig. 2000 aus mehreren Fusionen entstanden.

Umsatz 2012: 12,8 Milliarden Dol-lar. Niederlassungen in 22 Ländern. Viertgrößter Rindfleischproduzent

der Welt. Verkaufte 2013 seine Geflügel- und Schweinebe-

triebe an JBS

8

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FlEISCHaTlaS 201414

I n der Europäischen Union basieren die Vor-schriften für die Sicherheit von Nahrungsmit-teln und Chemikalien auf dem Vorsorgeprin-

zip. Dieser Grundpfeiler europäischen Rechts ermöglicht es der EU, alle Einfuhren, die ein po-tenzielles Risiko für Mensch oder Umwelt dar-

stellen, so lange zu beschränken, bis gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen – im-portiert werden darf nur, was nachweisbar ungefährlich ist. In den Vereinigten Staaten hingegen ist es umgekehrt – exportiert werden

darf alles, was nicht nachweisbar gefährlich ist. Derartige Entscheidungen erfolgen mittels einer

Kosten-Nutzen-Analyse der Risiken und mit Da-ten, die als „belastbare wissenschaftliche Fakten“ gelten – und die etwa im Fall der Unbedenklich-keitserklärung für gentechnisch modifi zierte Or-ganismen direkt von der Industrie kamen.

Ungeachtet solcher erheblichen Unterschiede begannen EU und USA 2013 mit Verhandlungen über eine Transatlantische Handels- und Investi-tionspartnerschaft (Transatlantic Trade and Invest-ment Partnership, TTIP), mit der ein Transatlanti-sches Freihandelsabkommen (Trans-Atlantic Free

Trade Agreement, TAFTA) entstehen soll. Als Maß-nahme zur Stützung der schwächelnden Wirt-schaft beider Regionen gedacht, könnte dieser Vertrag das größte bilaterale Freihandelsabkom-men in der Geschichte werden. Auf beiden Seiten des Atlantiks drängen jetzt einfl ussreiche Inte-ressengruppen, darunter der Landwirtschafts-, Futtermittel- und Chemiesektor, auf ein Abkom-men, das Handelsschranken für landwirtschaftli-che Erzeugnisse einschließlich Fleischprodukten abbaut. Ein derartiger Vertrag könnte drastische Änderungen beim Einsatz von Antibiotika in der Fleischproduktion, bei der Zulassung von ge-netisch veränderten Organismen, für den Tier-schutz und andere Bereiche mit sich bringen. Die Industrie wird bestrebt sein, im Interesse einer Ausdehnung ihrer Märkte die jeweils niedrigsten Standards auch auf der Gegenseite zuzulassen.

Beispielhaft dafür ist Ractopamin, das in den Vereinigten Staaten als Futterzusatz zur Steige-rung der Produktion mageren Schweine- und Rindfl eischs eingesetzt wird. Sein Einsatz ist in 160 Staaten, darunter auch der EU, verboten, denn es gibt keine unabhängigen wissenschaft-

USA und EU verhandeln über ein neues Handelsabkommen. Die Wunschliste der Industriekonzerne ist lang. Amerikaner möchten europäische Schutzvorschriften gegen Hormone, Antibiotika und Genmanipulationen aushebeln, EuropasFleischkonzerne hingegen wollen mehr Rindfl eisch über den Atlantik verkaufen.

FREIHÄNdlER wITTERN MoRGENlUFT

Beamte verhandeln heimlich

über neue Grenzwerte für Chemikalien

im Fleisch

Gewinner und Verlierer der transatlantischen Handelsgespräche

Mögliche Zu- und Abnahmen des realen Pro-Kopf-Einkommens durch stärkeren Wettbewerb, in Prozent. Unterstellt ist der Wegfall aller Zölle und Einfuhrverbote von EU und USA, ohne dass sich die Handelsvorschriften anderer Staaten anpassen.

IFO

-9,5 bis -6,1-6,0 bis -3,1-3,0 bis 0,0 0,1 bis 3,0 3,1 bis 6,0 6,1 bis 13,4 keine Angaben

13,4USa

6,6Spanien

6,2Finnland

7,3Schweden

-9,5Kanada

-7,2Mexiko

-7,4australien

6,9Irland

9,7GB

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15FlEISCHaTlaS 2014

lichen Studien, die etwas über die Folgen für die menschliche Gesundheit aussagen könnten. Den USA ist es derzeit nicht gestattet, Fleisch von mit Ractopamin behandeltem Vieh in die EU zu ex-portieren. Amerikanische Agrarkonzerne und fleischverarbeitende Unternehmen fordern, dass die EU dieses Verbot aufhebt und das Thema in die TTIP-Verhandlungen aufnimmt.

Nach mehreren Jahren relativer Ruhe wurde auch ein alter Handelsstreit neu belebt. Im Rah-men des TTIP versuchen die USA jetzt wieder, eine Zulassung von Peroxysäure zu erhalten. Dieser antimikrobiell wirksame Stoff wird in den USA verbreitet zur Desinfektion von Rohgeflügel nach dem Schlachten eingesetzt. Die EU, in der Geflü-gel ausschließlich mit heißem Wasser gereinigt werden darf, betrachtet den Einsatz von Peroxy-säure als Verstoß gegen das Konzept „Vom Erzeu-ger zum Verbraucher“ und vom damit verbunde-nen möglichst geringen Einsatz von Chemikalien in der Nahrungsmittelverarbeitung.

Darüber hinaus bietet das TTIP multinationa-len Konzernen die Möglichkeit, die EU-Verbote von genetisch veränderten Nahrungsmitteln zu unterlaufen, die in den USA als wettbewerbswid-rige „technische Handelsschranken“ gesehen werden. Umwelt-, Verbraucher- und Tierschützer fürchten nun, dass sich die EU bei den Verhand-lungen hinter verschlossenen Türen eine Schwä-chung ihrer Schutzvorschriften abhandeln lässt. Die EU ihrerseits versucht das Verbot von Rindflei-schimporten aus Europa in die USA zu kippen. Die Vereinigten Staaten verbieten den Einsatz und die Einfuhr von Futtermittelbestandteilen, die nachweislich an der Übertragung von BSE, dem „Rinderwahn“, beteiligt sind. Die Verfechter von Nahrungsmittelsicherheit in den USA sind be-sorgt, dass die EU-Vorschriften über den Einsatz von aus Wiederkäuern gewonnenen Futtermit-telzusätzen nicht ausreichen, um eine Kontami-nation zu verhindern. Da die EU gegenwärtig so-gar noch eine weitere Lockerung der Standards für diese Futtermittelzusätze erwägt, nähme aus US-Sicht das Risiko aufgrund des Handels mit BSE-verseuchtem Rindfleisch zu.

Darüber hinaus gibt es noch den Mechanis-mus zur „Schlichtung von Streitigkeiten zwischen Investoren und dem Staat“. Mit dieser bereits in vielen Handelsverträgen enthaltenen Klausel kann ein Unternehmen den Staat auf Schaden-ersatz für Vorschriften verklagen, die seine Ge-winne beeinträchtigen. Mit dem TTIP wollen die Agrarkonzerne nun diesen Mechanismus auch auf die Standards zur Nahrungsmittelsicherheit „uneingeschränkt“ anwenden. Mit anderen Wor-ten: Da internationale Investoren durch diesen Mechanismus einen Rechtsanspruch auf „stabile Investitionsbedingungen“ erhalten, würden alle Verschärfungen von Umwelt- oder Tierschutzge-setzen erheblich erschwert.

So könnte es durch TTIP deutlich schwieriger werden, nachteilige Umwelt-, Sozial- und Ge-

sundheitsfolgen der industriellen Tierproduktion zu beseitigen. Statt die Standards weiter zu ver-wässern, sollten die Verbraucher und Aktivisten in den USA und der EU ihre Regierungen drängen, mit dem TTIP die Standards auf beiden Seiten des Atlantiks anzuheben. Oder sie sollten die Gesprä-che komplett abbrechen.

USa EU

Futtermittelhandel zwischen den USa und der EU

Im- und Exporte, Millionen Dollar

USDA

ERS

Fleischhandel zwischen den USa und der EU

Im- und Exporte, Millionen Dollar

USDA

ERS

Käse

Schwein

Geflügel, Eier

Rind, Kalb

Gesamter Fleischhandel

298 326 355

219 218 199

741 868 845

136 231 223

1.652 2.031 2.154

946 1.154 988

2010 2011 2012

USa EU

2010 2011 2012

217 270 265

38 239 1Hirse

43 239 18Mais

320 492 265

2.072 1.632 2.676

1 108 795 1 481

Ölsaaten

Soja

872 928 1.016

847 897 976

Ölsaaten

olivenöl

Futtermittel

Futtermittel

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FlEISCHaTlaS 201416

d er Metzger, der im Hinterraum seines Ladens fachgerecht halbe Rinder oder Schweine zerlegt und vorne Fleisch und

Wurst an seine Kunden verkauft, ist in den Indus-trieländern selten geworden. Heute werden diese verderblichen Lebensmittel auf null bis vier Grad heruntergekühlt, vom Großhändler oder gleich

vom Schlachthof in die Supermärkte geliefert. Dort legen die Verkäuferinnen das Fleisch nur noch hinter die Scheiben des Verkaufstresens, oder die Kunden holen sich die verpackte Ware direkt aus der Truhe. Damit Selbstbe-

dienungsware tagelang appetitlich aussieht, werden Hühnerbrüste und Koteletts in einer

möglichst keimkontrollierten Umgebung vaku-umverpackt und die Päckchen anschließend mit einem sauerstoffreichen Gas aufgeblasen. Das sorgt bei Rind und Schwein für eine rote Färbung und suggeriert Frische – auch wenn tatsächlich durch eine mehrtägige Lagerung schon Keime entstanden sein können.

Fleisch, vielerorts noch vor zehn, zwanzig Jah-ren ein Luxusgut, gehört für immer mehr Men-schen auch in den Schwellenländern zum festen Bestandteil ihrer täglichen Ernährung. Das Su-permarktmodell kapitalkräftiger Einzelhandels-ketten wie WalMart aus den USA, Carrefour aus Frankreich, Tesco aus Großbritannien und Metro aus Deutschland eroberte die Welt und löste auch enorme Investitionen heimischer Konzerne aus.

Der Prozess ist gut untersucht: Die erste Welle begann in den frühen 1990er Jahren in Südame-rika, in den ersten ostasiatischen Boomländern wie Korea und Taiwan sowie in Südafrika; von 1990 bis um 2005 stieg der Marktanteil von Super-märkten von 10 auf bis zu 60 Prozent. Die zweite Welle konnte Mitte bis Ende der Neunziger in Mit-telamerika und südostasiatischen Ländern beob-achtet werden; hier lag der Marktanteil um 2005 bei 30 bis 50 Prozent. Die dritte Welle begann um 2000 in China sowie Indien und großen aufho-lenden Volkswirtschaften wie Vietnam; nach we-nigen Jahren wuchsen die Umsätze um 30 bis 50 Prozent jährlich.

Die Gründe dafür liegen nicht einfach in der steigenden Kaufkraft der Mittelschichten, son-dern in fundamentalen gesellschaftlichen Verän-derungen. In Pakistan etwa schreitet die Urbani-sierung sehr schnell voran, die Metropole Lahore wächst um 300.000 Einwohner pro Jahr. Die Lie-ferung von Fleisch und Milchprodukten kommt auf den traditionellen Handelswegen nicht nach. Der Mangel an Waren und ihre schlechte Qualität treibt den Mittelstand in die Supermärkte, wie die Tageszeitung Express Tribune berichtet. Berufs-tätige Frauen, weiterhin für die Zubereitung der Mahlzeiten zuständig, hätten keine Zeit mehr, von Laden zu Laden zu laufen, um die Qualität des empfindlichen Fleisches zu prüfen und mit den Verkäufern um Preise zu feilschen.

Supermärkte mit Kühltruhen und Fast-Food-Ketten mit Qualitätsversprechen verändern das Einkaufen in den Städten der Boomländer. Die Städte wachsen so schnell, dass kleine Läden ihre Bedeutung verlieren. Deren Aufgabe übernehmen kapitalstarke Lebensmittelketten.

RoSaRoT IM KÜHlREGal

Normiertewaren erleichtern

Supermärkten den massenhaften

absatz

China: Schnellimbisse wachsen langsamer

Jährliches Wachstum von Fast-Food-Geschäften, 2010–14, und Marktanteile, 2012, in Prozent

EURO

MO

NIT

OR

Indien: der aufschwung geht weiter

Vorhandene und geplante Fastfood-Filialen

BUSI

NES

S ST

ANDA

RD

vorhanden, 2012/13geplant, 2013/14

domino‘s Mcdonald‘s Yum!*

602

+ 125

500

+ 250

166

+ 38–50

Yum!*McDonald‘sTing Hsinandere Fast-Food-Kettenunabhängige Fast-Food-Geschäfte

Hua Lai ShiShigemitsuKungfu

84,1

6,5

2,31,5

4,3

0,60,4

0,3

*Kentucky Fried Chicken, Pizza Hut, Taco Bell

0

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

12

2010 2011 2012 2013 2014(geschätzt)

UnabhängigeKetten

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17FlEISCHaTlaS 2014

Große Einkaufsflächen lohnen sich in Ein-zugsgebieten mit mehreren tausend potenziellen Kunden. In vielen Regionen mit hoher Mobilität – in den autogerechten Vorstädten der USA etwa – können arme Leute deshalb heute keinen Le-bensmittelladen mehr zu Fuß erreichen, in dem sie frische Produkte kaufen können, um sie selbst zuzubereiten. Sie bekommen nur noch fertiges Es-sen in Fast-Food-Ketten. Sozial- und Ernährungs-forscher bezeichnen solche Gegenden als „Food Deserts“, Nahrungswüsten.

Der Verkauf von normierten Produkten er-leichtert den Lebensmittelketten nicht nur die Werbung, sondern verschafft ihnen auch eine enorme Marktmacht gegenüber den Lieferanten, denen sie die Preise diktieren und die sie jederzeit wechseln können. Zugleich machen sich auch die Supermarktkonzerne gegenseitig Konkurrenz. So sind die Angebote billig und Produkte aus der Re-gion können sich bestenfalls noch in Nischen hal-ten. Mit der Öffnung der globalen Märkte haben Millionen Kleinhändler ihre Existenzgrundlage verloren, weil sie nicht umsatzstark genug waren und nicht für angemessene Lagerung und vor al-lem für die kontinuierliche Kühlung von Fleisch, Wurst, Eiern oder Frischmilch sorgen konnten.

Aufgrund des Dumpingwettbewerbs kommt es immer wieder zu Skandalen mit Gammel- oder verbotenem Hormonfleisch sowie falschen De-klarationen. So landete Esels- statt Rindfleisch auf den Tellern von Südafrikanern, in Europa wurde Pferdefleisch als Rind ausgegeben und in die Kühl-truhen der Supermärkte verteilt. Und in In dien mag manches Stück abgepacktes Büffelfleisch tatsächlich aus einer illegalen Rinderschlachterei stammen.

In keinem anderen Land der Welt wird so viel Fleisch produziert und gegessen wie in China. Vor allem Schweinefleisch ist dort äußerst beliebt. Die meisten im Land gezüchteten Tiere kommen bisher noch nicht aus Massenställen. Vielerorts gibt es zudem noch keine funktionierenden Kühl-ketten, und so wird ein Großteil des Fleisches ge-schmort oder gekocht an die Endverbraucher ver-kauft. Doch die Nachfrage nach Fleisch aus dem Supermarkt wächst und macht inzwischen gut 10 Prozent des Gesamtumsatzes aus.

Internationale Fast-Food-Ketten wie Kentucky Fried Chicken (KFC) und McDonald’s versprechen ihrer Kundschaft, dass die Zulieferbetriebe zer-tifiziert sein müssen und immer wieder kontrol-liert werden. Denn Lebensmittelskandale verder-ben den Appetit und sind schlecht fürs Geschäft. KFC hatte um die Jahreswende 2012/13 zweimal Probleme mit antibiotikaverseuchtem Geflügel-fleisch. Ihr Geschäft ist daraufhin um 10 Prozent eingebrochen und hat sich bis in den Herbst 2013 nicht erholt. McDo wurde in den Strudel mit hin-eingezogen – die Verkäufe gingen hier ebenfalls zurück.

Auch in China müssen die Endverkäufer nun die Endverbraucher fürchten.

der Umsatz kommt aus den Kühltruhen

Verkäufe im Einzelhandel, 2012/13, in Dollar

EURO

MO

NIT

OR

Käse

IR

BR

RU

US

aR

VE

GB Ua

SaTR

dE

FR

NG

Fertigmahlzeiten mit/ohne Fleisch

IR

BR

RU

USGB

FR

al

Milchprodukte

CNIR

BR

RU

US

aR

INVEMX Id

aU

dE

Za

FR

Tiefgekühltes Geflügel

CN

IR

RU

USGB

TR

dE

FR

Tiefgekühlte Fleischwaren

CNIR

RU

US

aR

TR

Konservierte Fleischerzeugnisse

CNUS

GB dE

Ka

über 600 Millionen 300–599 Millionen

aR ArgentinienaU AustralienBR BrasilienKa KanadaCN China

dE Deutschlandal AlgerienFR FrankreichId IndonesienIN Indien

IR IranMX MexikoNG NigeriaRU RusslandSa Saudi-Arabien

TR TürkeiUa UkraineGB Großbritannien

US USAVE VenezuelaZa Südafrika

150–299 Millionen0,1–149 Millionen

kein Wachstumnegatives Wachstum

MX

NG

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FlEISCHaTlaS 201418

d as Chicago des beginnenden 20. Jahrhun-derts gilt als die Wiege der industriellen Schlachtung. Mit den Fließbändern, die hier

zum ersten Mal systematisch in den Fabriken ein-gesetzt wurden, dauerte es insgesamt nur noch 15 Minuten, ein Rind zu töten und vollständig zu zerlegen. Bis auf zwölf Millionen im Jahr stieg so die Zahl der hier geschlachteten Tiere, ein solcher Effizienzsprung, dass Henry Ford das Verfahren für den Bau von Autos übernahm.

Mit der Industrialisierung des Schlachtpro-zesses setzte auf der ganzen Welt die Zentralisie-rung ein. In den USA bildeten sich bis zur Welt-wirtschaftskrise zunächst marktbeherrschende Konglomerate, gefolgt von einer langen Phase

der Entflechtung. Doch ab den frühen 1970er Jahren, als die Deregulierung begann und der Börsenboom einsetzte, nahm die Konzentrati-on schnell wieder zu. Zwischen 1967 und 2010 sank die Zahl der Schlachthöfe in den USA

von fast 10.000 auf weniger als 3.000. Heute schlachten dort zehn Konzerne 88 Prozent aller

Schweine. Die globalen Kapazitäten der Firmen erreichen Ausmaße, die sinnlich nicht mehr nach-vollziehbar sind: Die US-Gesellschaft Tyson Foods, nach JBS aus Brasilien das zweitgrößte Fleisch-unternehmen der Welt, schlachtet 42 Millionen Hühner, 170.000 Rinder und 350.000 Schweine – pro Woche.

Sie stammen meist aus eigener Aufzucht, wer-den in eigenen Fabriken verarbeitet und unter eigener Handelsbezeichnung vermarktet. Nach dem Motto „From farm to fork“, „Vom Hof bis auf die Gabel“, soll so ein möglichst großer Teil der Wertschöpfungskette ausgenutzt werden. Dies

ist auch erforderlich, um der starken Marktmacht der Großabnehmer – der internationalen Han-delsketten und Großimporteure – die eigene wirt-schaftliche Stärke entgegenzusetzen. Aber auch Lohnschlachterei für andere Hersteller ist mög-lich, wenn zur Verfügung stehende Kapazität und Marktlage dies erlauben – oder erzwingen.

Die Einführung von öffentlichen oder privaten Schlachthöfen war in den armen Ländern der ers-te gezielte Schritt zur systematischen Hygiene in der Tierverarbeitung. Am Ende der Entwicklung stehen heute Hochleistungsfabriken in den Indus-trieregionen, verbreitet inzwischen auch in den Boomländern. Vor allem die Lebensmittelskan-dale führten zu strengeren, oft sehr kostspieligen Auflagen. Der Kampf um die niedrigsten Schlacht-preise wird vor allem auf dem Rücken der Arbeiter ausgetragen.

Weltweit arbeiten mehrere Millionen Men-schen in Schlachthöfen – niemand weiß, wie vie-le es genau sind. Ihre Arbeit gilt als „dirty work“. Vor allem in westlichen Industrienationen erfährt sie kaum soziale Anerkennung und ist kulturell weitgehend geächtet. Dumpinglöhne und ka-tastrophale Arbeitsbedingungen sind die Regel. Hohe Arbeitsgeschwindigkeit, die Monotonie der immer gleichen Abläufe, die Unfallgefahr beim Umgang mit gefährlichen Werkzeugen und Che-mikalien sowie die einseitige Beanspruchung von Rücken und Gelenken – diese Kombination ist enorm belastend. Je nach Arbeitsplatz kommen Hitze oder Kälte, Lärm, ein erhöhtes Risiko durch Infektionskrankheiten sowie besonders frühe oder späte Schichten hinzu. Zusätzlich kann für Arbeitnehmer auch der Umgang mit und die Tö-

Das Töten von Tieren zur Herstellung von Nahrungsmitteln ist hoch industrialisiert. Die Schlachthöfe der globalen Konzerne verfügen über unvorstellbare Kapazitäten und liegen fern der Städte – Konsumenten sehen keine Verbindung mehr zwischen einem lebenden Tier und einem eingeschweißten Filet.

IN dEN SCHlaCHTHÖFEN dER wElT

Billigfleischentsteht auch durch die dumpinglöhne der Schlachthof-

arbeiter

Branchenkonzentration in den USa

Zahl der Schlachtanlagen

DEN

NY/

USD

AMarktanteil der vier größten Schlachtfirmen, in Prozent

1967 1977 1987 1997 20070

2.000

4.000

6.000

8.000

10.000

12.000

1965 1975 1985 1995 20050

10

20

30

40

50

60

70

80

RindSchwein

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19FlEISCHaTlaS 2014

tung von Tieren belastend sein. Viele Schlachter nennen „Härte“ als Voraussetzung für die Aus-übung ihres Berufes.

Mit der Industrialisierung des Schlachtens be-gann aber auch ein Prozess der Dequalifi zierung und Mechanisierung der Arbeit. Heute brauchen Schlachter die meisten traditionellen Fähigkeiten und ein Handwerkswissen nicht mehr. Eingestellt werden billige, immer häufi ger nur angelernte Arbeitskräfte. Die Arbeitsmigration aus Mexiko nach Nordamerika oder von Ost- nach Westeuro-pa und die kurze Verweildauer der Arbeiter füh-ren zu Belegschaften, die den Anforderungen der Unternehmen weitgehend schutzlos ausgesetzt sind. Waren die Gewerkschaften auf den Schlacht-höfen bis in die 1960er Jahre noch stark, ist ihre Arbeit in den vergangenen beiden Jahrzehnten deutlich schwieriger geworden. Und Tarifverträ-ge sind weltweit überwiegend unbekannt.

In den meisten Industrieländern wurden die Schlachthöfe aus den urbanen Zentren in die ru-rale Peripherie verlagert. Die Grausamkeit des Schlachtens soll den Konsumenten verborgen bleiben. Hier offenbart sich ein sozialer Prozess: Sichtbare Gewalt wird aus dem öffentlichen Raum verdrängt. Schlachtung und die Schlach-ter wurden und sind für die meisten Menschen unsichtbar. Die Verbindung zwischen dem einst lebenden Tier, das in Viehwaggons in die Stadt gebracht wurde, dem früher sicht-, hör- und riechbaren Tod im Schlachthof und dem Fleischprodukt am Ende dieser Produktion wurde gekappt. Die meisten Konsumenten se-hen vom Tier heute nur noch ein eingeschweißtes Erzeugnis im Supermarkt. Die Vermutung liegt nahe, dass ein Besuch im Schlachthof, um diese Anonymisierung zu durchbrechen, die Bereit-schaft zum Fleischverzehr nicht erhöht.

die Gewalt der Schlachthöfe soll

nicht ins Bewusstsein der Öffentlichkeit

gelangen

weltweite Schlachtungen: Milliarden Tiere im jahr

Amtliche und amtlich geschätzte Zahlen, 2011

Schlachtungen in den vier wichtigsten Ländern, 2011, Köpfe

FAO

STAT

273.080.000China84.110.000

Indien38.600.000

Nigeria28.980.000

Bangladesch

661.702.976China

110.956.304USa

59.735.680deutschland

44.270.000Vietnam

46.193.000China

39.100.000Brasilien

35.108.100USa

21.490.000Indien 2.049.445.000

Indonesien

11.080.000.000China

5.370.102.000Brasilien

8.954.959.000USaRinder und

Gefl ügel

Schweine Schafe und

296000 000

BüffelRinderZiegenSchafeSchweine

HühnerEntenTruthähneGänse und Perlhühner

1 383000 000

430000 000

654000 000

649000 000

2 817000 000

517000 000

58 110000 000

24 000 000

Büffel

Ziegen

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FLEISCHATLAS 201420

d eutschland steht bei der Schweineschlach-tung mit über 58 Millionen getöteten Tie-ren pro Jahr auf Platz 1 der europäischen

Spitzenproduzenten, beim Rindfleisch auf Platz 2 hinter Frankreich. Auch bei Hühnern gehört Deutschland zu den Top 5. Bundesweit existieren knapp 350 Schlachthöfe mit jeweils über 20 Be-schäftigten. Die meisten dieser Betriebe sind klein bis mittelgroß; Betriebe mit mehr als 500 Arbeit-nehmern sind selten.

Dennoch ist der deutsche Schlachtmarkt zentralisiert. Die vielen kleineren Unterneh-men spielen in Bezug auf die absolute Menge an geschlachteten Tieren nur eine geringe Rolle. Über 55 Prozent des Schlachtwertes

entfielen im Jahr 2012 auf die drei größten Schweineschlachtkonzerne – Tönnies, Vion und

Westfleisch. Bei den Rindern teilen sich die fünf größten Unternehmen etwa die Hälfte des Mark-tes, der Branchenprimus Vion liegt dabei mit fast 25 Prozent deutlich vorn. Bei Geflügel führt die PHW Gruppe die Branche an, bekannt durch ihre Handelsmarke Wiesenhof.

Jede Tierart erfordert ein anderes Schlachtsys-tem, das sich an ihren Körpern orientiert. Rinder werden meistens mit einem Bolzenschuss be-täubt, Schweine mit Gas oder der Elektrozange. Beide werden anschließend mit einem Kehlen-schnitt getötet, nach dem Entbluten in das Pro-duktionsband eingehängt und von den Arbeitern zerlegt. Wie die Bundesregierung 2012 auf eine Kleine Anfrage der Grünen bestätigte, ist die Be-täubung bei 4 bis 9 Prozent der Rinder und bei 10 bis 12 Prozent der Schweine mangelhaft oder fehlt sogar ganz. Die Schlachtung von Hühnern ist stärker automatisiert. Sie werden in ein elekt-risch geladenes Wasserbecken getaucht und so

per Stromschlag betäubt. Arbeiter hängen sie in ein „Schlachtband“ ein. Von hier an übernimmt die Maschine die Zerlegung der Tierkörper. Die Teile kommen in ein Kühlhaus, bis sie zur Weiter-verarbeitung transportiert werden.

2012 waren in Deutschland fast 28.000 Men-schen im Bereich Schlachtung sozialversiche-rungspflichtig beschäftigt. Die tatsächlichen Arbeitsverhältnisse und die enorme Fluktuation erschweren präzise Angaben. Durch die EU-Richt-linie zur grenzüberschreitenden Entsendung von Arbeitnehmern ist Deutschland zu einem Billig-lohnland geworden. In den Betrieben arbeiten vor allem polnische, rumänische oder bulgari-sche Leiharbeiter, angeworben von Unterneh-men in ihren Heimatländern, die sie dann nach Deutschland schicken. Ohne Mindestlohn oder flächendeckende Tarifverträge sind Stundenlöh-ne unter 5 Euro für Leiharbeiter keine Seltenheit. Untergebracht werden sie in wenig attraktiven Sammelunterkünften. Manche Schlachter arbei-ten scheinselbständig, weil die Unternehmen die Lohnnebenkosten senken wollen.

Die niedrigen Löhne in Deutschland führen dazu, dass Fleischkonzerne aus Nachbarländern ihre Tiere zur Schlachtung nach Deutschland bringen. Der Großkonzern Danish Crown ver-lagerte tausende Arbeitsplätze von Dänemark nach Deutschland. Einige Staaten und Initiati-ven legten deshalb offiziell bei der Europäischen Kommission Beschwerde ein. Die belgische Regie-rung sowie eine Initiative französischer Schlacht-betriebe sehen in den deutschen Dumpinglöh-nen Wettbewerbsverzerrungen. Im Januar 2014 kündigten die Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten (NGG) und Vertreter der deutschen Fleischindustrie nun an, einen Mindestlohn von 7,75 Euro/Stunde einzuführen, der schrittweise auf 8,75 Euro steige. Dies gelte auch für die aus-ländischen Beschäftigten, die bei Subunterneh-men in ihren Heimatländern angestellt sind.

Damit hofft die Branche, endlich aus den Ne-gativ-Schlagzeilen zu kommen. Bei den Arbeits-bedingungen kann die NGG jedoch nicht allzu viel ausrichten. Die meist kurzen Beschäftigungs-verhältnisse in Deutschland und Sprachprobleme mit den Arbeitnehmerorganisationen im Ausland erschweren eine dauerhafte grenzüberschreiten-de Zusammenarbeit. Viele Arbeiter haben außer-dem Angst, ihre Arbeit zu verlieren, wenn sie Kri-tik äußern.

Auch Tierschutzverbände und Tierrechtsor-ganisationen kritisieren die Schlachtbranche. Ers-

Großbetriebe dominieren auch in Deutschland die Schlachthofbranche. Billiglöhne für die Leiharbeiter aus dem Osten der EU begünstigen weitere Investitionen der Konzerne. Doch gegen noch mehr Mast- und Schlachtanlagen regt sich Widerstand.

dEUTSCHES dUMPING-SCHlaCHTEN

Tierschützer kritisieren die

Quälerei des Tötens, Tierrechtler das

Töten selbst

Fleischproduktion in deutschland

Millionen Tonnen

2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 20120

1

2

3

4

5

6

DEST

ATIS

RindGeflügel

SchweinSchaf

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21FLEISCHATLAS 2014

tere wollen die Behandlung der Tiere verbessern, etwa durch kürzere Schlachttransporte, bessere Betäubung und eine Abkehr von der industriel-len Massentierhaltung. Der Deutsche Tierschutz-bund entwickelt daher in Zusammenarbeit mit der Fleischindustrie Gütesiegel für Tiermast und Tierschlachtung. Hingegen lehnen Tierrechts-organisationen wie „Animal Rights Watch“ oder „Die Tierbefreier“ die massenhafte Tötung von Tieren prinzipiell ab und bewerben einen vega-nen Lebensstil.

Demonstrationen und Protestcamps, Blocka-den und Besetzungen sollen für Öffentlichkeit sorgen. Besonders umstritten ist der „Mega-Geflü-gelschlachthof“ im niedersächischen Wietze, seit 2011 in Betrieb. Er gehört dem Rothkötter-Kon-zern, der zweitgrößten deutschen Geflügelfirma. Nach Medienberichten sind 400 neue Mastanla-gen à 40.000 Hähnchen nötig, damit die Anlage wirtschaftlich arbeitet. Im Vollbetrieb wird Wiet-ze die größte Anlage ihrer Art in Europa sein – mit jährlich 135 Millionen Schlachtungen.

Unsichtbares Geschäft hinter Fabrikmauern, sichtbare Ergebnisse im Supermarkt

Geschlachtete Tiere in Deutschland, 2012, in Millionen pro Symbol

DEST

ATIS

3.244.000 Rinder1.085.000 Schafe29.000 Ziegen

25.460.000 Enten

530.000 Gänse

37.700.000 Puten

58.350.000 Schweine 627.941.000 Hühner

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FLEISCHATLAS 201422

d er Mensch hat 30 Nutztierarten domesti-ziert und nutzt dabei eine unglaubliche Anzahl verschiedener Rassen; die UN-Orga-

nisation für Ernährung und Landwirtschaft (FAO) hat bisher rund 8.000 dokumentiert. Viele dieser

Rassen werden von kleineren Viehzüchtern ge-halten, meist von Frauen, die für einen Großteil der weltweiten Fleischproduktion verantwort-lich zeichnen und zugleich die Artenvielfalt

der Nutztiere bewahren. Für viele arme Haus-halte sind Tiere, insbesondere Hühner, Schafe

und Ziegen, eine wichtige Einkommensquelle. Dabei werden einheimische Tiere zu verschiede-nen Zwecken – von der Fleischproduktion bis zur Kapitalanlage – gehalten und den exotischen oder „verbesserten“ Rassen vorgezogen, weil sie sich den oft unwirtlichen Bedingungen vor Ort ange-passt haben.

Die Fleischindustrie nutzt acht Tierarten in großem Umfang: Rinder, Schweine, Schafe, Zie-

gen, Hühner, Truthähne, Enten und Kaninchen. Sie entwickelt bestimmte Rassen dieser Arten weiter und verändert sie so, dass sich einige sehr ertragreiche Zuchtstämme herausbilden. Sie wer-den miteinander gekreuzt, bis letztlich die Tiere entstehen, die wir essen. Diese Form der Hybrid-zucht ist vor allem bei Geflügel und Schweinen verbreitet und führt dazu, dass die genetische Vielfalt dieser Tiere weiter abnimmt.

Dieser Verlust begann in den 1950er Jahren zeitgleich mit der industriellen Fleischproduk-tion: Zuchtunternehmen konzentrierten sich auf eine Maximierung der Produktion und auf kom-merziell nutzbare Eigenschaften wie schnelles Wachstum, effiziente Futterverwertung und hohe Erträge. Das Ergebnis: leistungsstarke und gene-tisch einheitliche Rassen, die ohne eiweißreiche Nahrung, kostspielige Pharmazeutika und eine klimatisierte Umgebung nicht überleben können.

Heute liefert eine kleine Zahl transnationaler Firmen wirtschaftlich nutzbare Rassen, die einen immer größeren Anteil der weltweiten Fleisch-märkte abdecken: Drei Unternehmen kontrol-lieren 95 Prozent des Marktes für Brathähnchen. Zwei Unternehmen beherrschen 94 Prozent des Zuchtbestandes an kommerziellen Legehennen. Und in der Schweine- und Rinderindustrie ent-fallen zwei Drittel der gesamten Forschung und Entwicklung auf die vier führenden Betriebe. Die Aquakultur macht zurzeit nur einen kleinen Teil der Tierzucht aus, ist aber der Sektor, der am schnellsten wächst. Auch hier experimentieren viele Spitzenunternehmen in der Tiergenetik mit nur einer Handvoll Arten, vor allem mit Atlan tik-lachs, Regenbogenforelle, tropischen Garnelen und Buntbarsch.

Die meisten globalen Lieferanten von Zucht-material befinden sich in privater Hand und veröf-fentlichen weder Statistiken über ihre Einnahmen und Investitionen noch über firmeneigene Keim-gewebe- oder Zuchttierbestände. Offensichtlich ist dieser Markt aber winzig im Vergleich zu sei-nem Gegenstück im Getreidesektor, dem Markt für kommerziell genutztes Saatgut.

China ist zurzeit der weltweit größte Fleisch-konsument. Schweinefleisch ist dabei die belieb-teste Eiweißquelle des Landes. Bisher übernehmen noch größtenteils Hinterhof-Schweinezüchter die Versorgung. Doch die Politik zur Förderung der

Das Zuchtmaterial für die meisten Tiere in der industriellen Landwirtschaft stammt von einigen wenigen Firmen. Sie dominieren auch die Erforschung neuer Hochleistungsrassen. Dabei macht die zurückgehende genetische Vielfalt dieNutztiere anfälliger für Schädlinge, Krankheiten und Wetterextreme.

TIERGENETIK: EINE HaNdVoll aRTEN FÜR dIE GaNZE wElT

Zwei Gewinner der Globalisierung

Vorkommen der Holstein-Friesischen Milchkuh

FAO

Vorkommen der Schweinerasse „Large White“

diese Tiere überleben nur mit

Futterzusätzen, Medikamenten und

Klimaanlagen

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23FLEISCHATLAS 2014

vertikalen Integration – eine Firma übernimmt mehrere Produktionsschritte – führt dazu, dass in China im Jahr 2015 die Hälfte aller Schweine aus Massenbetrieben stammen wird. Obwohl es in China eine größere Vielfalt an Schweinearten gibt als in jedem anderen Land, greifen die Großbetrie-be des Landes auf importierte Zuchttierbestände zurück – ein Trend, der sich noch beschleunigen dürfte, nachdem 2013 der größte chinesische Fleischverarbeiter, Shuanghui International, für 7,1 Milliarden US-Dollar den US-Konzern Smith-field Foods übernommen hat. Das Paket um-fasst auch Smithfield Premium Genetics, die für Schweinezucht zuständige Tochterfirma des Un-ternehmens.

Der hart umkämpfte Besitz und die Kontrolle von Zuchttierbeständen bedrohen Millionen von Kleinbauern, Fischern und Viehhaltern. In Zei-ten des Klimawandels können Rassen, die gegen Dürre, extreme Hitze und tropische Krankheiten resistent sind, eine entscheidende Rolle als Quel-le einzigartigen genetischen Materials für Zucht-programme spielen. Im Jahr 2007 unterzeichne-ten 109 Staaten die Erklärung von Interlaken zu tiergenetischen Ressourcen. Darin verpflichteten sich die Unterzeichnerstaaten, sicherzustellen, dass die globale Tierartenvielfalt zur Förderung der weltweiten Lebensmittelsicherheit eingesetzt und für zukünftige Generationen bewahrt wird.

Ein Viertel der 8.000 Nutztierrassen aber ist derzeit vom Aussterben bedroht, was vor allem auf die Zunahme der industriellen Tierzucht zurückzuführen ist. Die mangelnde genetische Vielfalt der kommerziell genutzten Tierrassen macht diese anfälliger für Schädlinge und Krank-

heiten. Langfristig gefährdet sie auch die Lebens-mittelsicherheit, weil sie die Handlungsoptionen bei künftigen Umweltproblemen, schwierigen Marktsituationen und gesellschaftlichen Erfor-dernissen einschränkt – und keiner dieser Fakto-ren ist vorhersagbar.

dominante Tierrassen in den USa

Marktanteil von Rassen für die Milch-, Rindfleisch- und Schweinefleischproduktion,in Prozent M

EDIL

L

60

angus, Hereford,

Simmental

75

aus drei Rassen

83

Holsteins

die Top 7 der weltgrößten Zuchtfirmen

Konzerne und Profile

ETC

GRO

UP/

USDA

1

Charoen Pokphand Group

Ew Group

2

Hendrix Genetics

5

Genus

3

Tyson Foods

Smithfield Foods Groupe Grimaud

4

67

Charoen Pokphand Group. Verkauft Masthähnchen, Schweine

und Produkte aus Aquakultur. Konglomerat u. a. mit agroindustriellen

und Telekom-Firmen. Umsatz 2013: 33 Milliarden Dollar, davon

11,3 Milliarden mit „feed, farm and food“-Produkten

einschließlich Tierzucht

1

Groupe Grimaud.Verkauft Masthähnchen, Lege-hennen und Schweine, betreibt

Aquakultur. In Privatbesitz; Umsatz 330 Millionen Dollar

(2011), davon 75 Prozent international

4

Ew Group. Weltgrößter Anbieter in der industriellen

Geflügelzucht. Verkauft Masthäh-nchen, Legehennen, Puten, Produkte

aus Aquakultur. Vormals „Erich Wesjohann Gruppe“, in Privatbesitz,

veröffentlicht keine Umsätze; 5.600 Beschäftigte

(2011)

2

Hendrix Genetics.Verkauft Legehennen, Puten und Schweine, Produkte aus Aquakultur. In Privatbesitz; 2.400 Beschäftigte (2012).

Gemeinsame Projekte mit Tyson Foods’ Tochterfirma

Cobb-Vantress

5

Genus. Verkauft Schweine, Milchvieh und Rinder.

Umsatz 2012: 550 Millionen Dollar. Mit 2.100 Beschäftigten

in 30 Ländern aktiv; 40 weitere werden

beliefert

3

Tyson Foods. Verkaufte 2012 Masthähnchen

im Wert von 33 Milliarden Dollar. Die Tochterfirma

Cobb-Vantress vertreibt Hühnerbrut in über

90 Länder

7

0

2

4

6

8

10

Anzahl, 2013, nach der „Roten Liste der bedrohten Nutztierrassen in Deutschland“

Bedrohte Nutztierrassen in deutschland

GEH

extrem gefährdet stark gefährdet

Rinder Schweine Schafe Ziegen Hühner Enten Gänse Puten

5 5

2 2

4 4

6

4

6

23

23 3

43

2 21

5

1

109

gefährdet Vorwarnstufe

Smithfields Foods.Der weltgrößte Produzent und Ver-arbeiter von Schweinen (Umsatz 2012: 13 Milliarden Dollar) wurde mitsamt Zuchtgeschäft 2013 von Shuanghui, dem größten Fleisch-verarbeiter in China, aufgekauft.

Preis: 7,1 Milliarden Dollar

6

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FLEISCHATLAS 201424

N eben Antibiotika werden in der Massen-tierhaltung auch Hormone eingesetzt. Während Antibiotika Krankheitserreger in

Schach halten sollen und nebenbei mastbeschleu-nigend wirken, weil sie auch „gesunde“ Darmbak-terien und so deren Energieverbrauch reduzieren, wirken Hormone anders: Sie beeinflussen unmit-telbar das Zellwachstum und die Gewichtszunah-me. Damit können sie die Leistung von Milchkü-

hen um 15 bis 30 Prozent, das Fleischwachstum bei Rindern, Schweinen und Schafen um 8 bis 38 Prozent steigern. Bekannt sind viele Neben-wirkungen für die Tiere, darunter Hyperaktivi-tät, Herzrasen, aber auch Spontantode. Wenn

Tiere mit Hormonen behandelt werden, erhal-ten sie oft auch mehr Antibiotika. Mit Sexualhor-

monen steuern Tierhalter den Zyklus weiblicher Tiere, sparen somit Arbeitskosten und steigern die Nachkommenzahl.

Wachstumshormone wie Ractopamin sind global umstritten. Sie erlangten traurige Be-rühmtheit, als in China 2010 Mädchen im Säug-lingsalter, die alle das gleiche Milchpulver er-halten hatten, Brustwachstum aufwiesen. Ärzte brachten Milchpulver von hormonbehandelten Kühen damit in Verbindung. Veterinärmediziner und Krebsforscher warnen vor Wachstums- bzw. Masthormonen, weil sie als krebsfördernd und

erbgutschädigend gelten. Viele Regierungen ver-bieten Ractopamin, darunter China, die EU, Russ-land, Indien und die Türkei.

Über 60 Staaten sehen eher die Risiken der Wachstumshormone. In den USA allerdings wer-den sie in der Milch- und Fleischproduktion ein-gesetzt. Dem Beispiel folgen 25 weitere Länder, darunter auch Brasilien. Die EU, Russland und China haben lange Zeit den Einsatz im eigenen Land und den Import von Hormonfleisch unter-sagt. Russland verweigert immer wieder Fleisch mit Ractopaminrückständen aus Kanada, Me-xiko und den USA. Auf Drängen von Pharmafir-men und der US-Regierung wurden im Rahmen der Freihandelsorganisation WTO jedoch 2012 Grenzwerte für Hormonrückstände in Fleisch und Lebern festgeschrieben.

Der EU-Markt ist seit 1988 unzugänglich für Hormonfleisch. Die USA haben darauf zunächst mit Strafzöllen auf EU-Waren reagiert. Um wie-der Frieden zu schaffen, erlaubte die EU ab 2009 die zollfreie Einfuhr von rund 45.000 Tonnen Rindfleisch, für das die USA Hormonfreiheit zu-sichern mussten. Die USA beendeten umgekehrt ihre Sanktionen gegen EU-Waren und damit den „Hormonstreit“ – auch mit dem Ausblick auf die im Jahr 2013 begonnenen TTIP-Freihandelsge-spräche mit der EU-Kommission. US-Schweine-

Hormonfleisch und -milch sollen in Europa wieder zugelassen werden – darum bemühen sich die USA seit mehr als 25 Jahren. Dabei sind in der EU nur Wachs-tums-, nicht aber Sexualhormone verboten.

HoRMoNE – dER KaMPF UM daS NEIN

HormoNE

wenn sieSexualhormoneerhalten, werfen

Säue oft 15 Ferkel – bei 14 Zitzen

die Top 4 der Hersteller von Veterinärpharmaka und ihre dachkonzerne

Umsätze 2012, Milliarden DollarM

OTLE

Y FO

OL/

PHAR

MAB

IZ

Zoetis*

Elanco4,3

2,0

51,2

24,3

Pfizer, USa

Merial

2,9

43,3

Sanofi, Frankreich

Merck MSd

3,4

40,6

Merck & Co, USa Eli lilly, USa

* ca. 80 Prozent, börsennotiert; Rest Streubesitz

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25FLEISCHATLAS 2014

fleischexporte in die EU seien auf einige wenige US-Erzeuger ohne Hormoneinsatz begrenzt, so-lange dieses Mittel verboten ist, klagte die US-Re-gierung im Vorfeld der Verhandlungen.

Sowohl global agierende Pharmafirmen als auch amerikanische Fleischexportfirmen wollen Handelshemmnisse für Hormonfleisch abbauen. Die Verhandlungen sind nicht öffentlich, daher wissen Verbraucher in der EU aktuell nicht, was die EU-Kommission den USA verspricht. Verbrau-cher-, Umwelt- und Tierschutzorganisationen for-dern den Stopp der Geheimverhandlungen und eine verpflichtende Kennzeichnung für Fleisch und alle anderen Lebensmittel vom Tier, also letztlich Wahlfreiheit im Einzelhandel: Herkunft, Hormoneinsatz, Gentechnik im Futter und die Haltung der Tiere müssen eindeutig erkennbar sein. Eine solche Kennzeichnung aber gilt Konzer-nen gerade als zentrales „Handelshemmnis“, das der TTIP-Vertrag beseitigen soll.

Erlaubt ist in der EU der Einsatz von Sexualhor-monen. Sie werden Sauen im Stall gespritzt, damit alle den gleichen Zyklus haben. Natürlicherweise gebären Sauen ihre Ferkel, wenn die Tragzeit be-endet ist, und werden erst wieder tragend, wenn die Säugezeit nach etwa sechs Wochen zu Ende geht. Industrielle Ställe mit zehntausenden Sauen folgen einer anderen Logik. Ihre Architektur mit tausenden von Eisengitter-Geburtsständen gibt vor, dass die exakt passende Anzahl Sauen zur gleichen Zeit gebären. Nach kaum drei Wochen Säugezeit soll die Sau mit Hilfe von weiteren Hor-mongaben sofort wieder tragend werden; eine

„leere“ Sau kostet nur. Sexualhormone sparen Ar-beitskräfte bei Geburten am Fließband und brin-gen mehr Ferkel, allerdings auch mehr tote. So wird einkalkuliert, dass eine Sau mit Hormonbe-handlung trotz ihrer maximal 14 Zitzen oft mehr als 15 Ferkel pro Wurf gebiert. „Überzählige“ Fer-kel werden meist getötet.

Bisher sieht kein Staat systematische Rück-standsuntersuchungen oder eine verpflichtende Kennzeichnung von Fleisch aus Hormonzucht vor. Über die eingesetzten Hormonmengen gibt keine Verbraucherschutzbehörde transparente Auskunft. Nur Pharmafirmen wissen, wo welche Hormone eingesetzt und wie viel an Wirkstoffen in welchem Land gekauft werden.

Nicht nur über das Fleisch können die Hor-mone Menschen erreichen. Tiere scheiden 85 Prozent der Wirkstoffe wieder aus. Sie ge-langen mit der Gülle in die Umwelt, vor allem in die Gewässer. Mediziner führen das Wachs-tum einiger Krebsarten, zunehmende Unfrucht-barkeitsprobleme bei Männern sowie eine immer früher einsetzende Pubertät auf die allgemein steigende Belastung der Natur mit hormonwirk-samen Substanzen zurück. Welcher Anteil davon auf die Tierzucht entfällt, ist bislang nicht unter-sucht. Doch insbesondere im Kindesalter können bereits sehr geringe Hormondosen zu Fehlbil-dungen der Geschlechtsorgane und Geschlechts-umwandlungen beitragen, zeigen Tierversuche im Labor und bei Wildtieren in der Natur. Die Technik bietet keine Hilfe: Kläranlagen halten die meisten Stoffe nicht auf.

HormoNE

Kläranlagen stoppen Hormone aus den arzneien für Mensch und

Tier nicht

Hormone im wasser aus vielfältigen Quellen

Ergebnisse aus dem Flusssystem des US-Bundesstaates Pennsylvania, 2006–09, Auswahl

USG

S Fließgewässer Sediment Beschreibung, Verwendung Nanogramm/Liter Milligramm/Kilogramm

4-androsten-3,17-dion verbotenes Steroid

cis-androsteron Testosteronprodukt, Abwehrmittel gegen Wildtiere

Epitestosteron menschliches Steroid

11-Ketotestosteron Sexualhormon

Equilenin Hormonersatzstoff

Equilin Hormonersatzstoff

17-alpha-Ethynylestradiol Verhütungsmittel

Mestranol Verhütungsmittel

Progesteron menschliches Sexualhormon

Norethindron Verhütungsmittel

Cholesterol tierisches und pflanzliches Hormon

3-beta-Coprostanol Fäkalhormon von Fleischfressern

0 0,5 1,0 1,5 2,0 0 0,05 0,10 0,15 0,20 0,25

250

1.000

1.000

125

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FLEISCHATLAS 201426

R ind, Schaf und Ziege sind ideale Grasfresser. Als Wiederkäuer können sie auch noch sol-che Kohlenhydrate ausbeuten, die für an-

dere Tierarten und den Menschen unverdaulich sind – Zellulose zum Beispiel. Theoretisch konkur-

rieren Menschen und wiederkäuende Nutztiere nicht um ihre Nahrung – hier das Korn fürs Brot, dort Gras und Klee für die Kuh und ihre Milch. Doch so funktioniert das schon lange nicht mehr. Um aus den Tieren mehr herauszuho-

len, als mit der vergleichsweise energiearmen Gras-, Silage- und Heufütterung möglich wäre,

enthält die tägliche Ration einen hohen Anteil an eiweißhaltigem Kraftfutter.

Daraus kann heute um die 20 und manchmal bis zu 30 Prozent des Rinderfutters bestehen. Schweine finden, genau ihrem Alter angepasst, 6 bis 25 Prozent Soja im Trog vor. Rund 40 Pro-zent des Futters, auf alle Nutztierarten bezogen,

stammt aus Gras, Heu, Silage von den Wiesen oder aus Silomais. Doch es gibt regional große Unter-schiede: Weltweit sind 57 Prozent der Gersten-, Roggen-, Hirse-, Hafer- und Maisernte zum Tier-futter bestimmt. Selbst in den USA, wo große Men-gen für die Ethanolherstellung verwendet wer-den, geht Mais zu 44 Prozent in die Tröge, in der EU 45 Prozent des Weizens. In Afrika, vor allem südlich der Sahara, wo das Hungerrisiko groß ist, sind solche Zahlen undenkbar. Dort wird 80 Pro-zent der Getreideernte von Menschen gegessen. Die Tiere finden ihre Nahrung auf den Weiden.

Im globalen Maßstab wandern von der jährli-chen Getreideernte an Weizen, Roggen, Hafer und Mais über 40 Prozent oder fast 800 Millionen Ton-nen direkt in die Tröge. Hinzu kommen 250 Millio-nen Tonnen Ölschrote, vor allem aus Sojabohnen. Sie sind wie andere Bohnen Leguminosen: Sie entnehmen der Atmosphäre Stickstoff, reichern

die EU lässt wachsen – Soja-anbauflächen, die im ausland „eingekauft“ werden

WW

F

70 Prozent aller agrarischen Nutzflächen werden heute in irgendeiner Weise für die Tierfütterung beansprucht. Dabei wären sie effizienter für die Produktion menschlicher Nahrungsmittel zu verwenden.

TIERFUTTER VERGEUdET aCKERlaNd

Eine Milliarde Tonnen Ölschrote

und Getreide wandert im jahr in

die Viehtröge

Naher osten/ Nordafrika

+0,2

Subsahara- afrika

+0,1

GUS

-0,2

-0,9

-5,4

Südamerika

-12,8

asien

-2

Nordamerika

-1,6

Sojafelder für das Vieh der EU, Millionen Hektar

0

8

10

12

2001 2005 2010

14

ozeanien

0,0

argentinien

Paraguay

-6,4

Brasilien

-0,1

Sonstige

16

Netto-Landhandel der EU, in Millionen Hektar, Durchschnitt 2008–10negativer Wert: Exporte, positiver Wert: Importe

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27FLEISCHATLAS 2014

damit beim Unterpflügen oder über ihre Wurzeln die Böden an und verbessern somit die Fruchtbar-keit der Böden. Knapp ein Drittel der 14 Milliarden Hektar kultivierten Landes unserer Erde dient dem Anbau von Futtermitteln. Eine Rechnung der UN-Agrarorganisation FAO fällt drastischer aus, wenn die Nebenprodukte aus der landwirtschaftlichen Erzeugung, die ins Futter gehen, ebenfalls berück-sichtigt werden: Einschließlich Stroh, Öl kuchen von Soja und Raps oder Trester dienen sogar drei Viertel der Äcker in irgendeiner Weise der Tierfüt-terung. Der UN-Weltagrarbericht schätzt, dass die Nutztierhaltung heute 70 Prozent der globalen Äcker und Weiden beansprucht.

Soja ist heute der wesentliche Eiweißlieferant im Tierfutter. Dabei könnte es durch heimische Leguminosen wie Ackerbohnen, Erbsen, Luzerne ersetzt werden. Die haben aber in der EU nur noch einen Anteil von rund 20 Prozent an der Eiweiß-versorgung. Auch in den USA und einigen latein-amerikanischen Ländern wie Mexiko, natürlich in Europa und sogar in Ägypten wird Vieh nicht unbedingt mit dem früher üblichen Gras, sondern längst auch mit Mais, Weizen und Soja-Pflanzen gefüttert. Doch so geht ein Großteil der eingesetz-ten Produkte verloren. Sie wären effizienter direkt als Nahrung für die Menschen zu verwenden.

Außerdem wird durch den Import von Fut-termitteln die Futter- von der Fleischproduktion getrennt; die Ernte muss auf weiten Wegen zum Vieh transportiert werden. Zu den Folgen gehört, dass viele Fleischproduzenten ihre Gülle nicht ortsnah, umwelt- und vor allem grundwasser-verträglich in der Landschaft verteilen, sondern kostenpflichtig entsorgen müssen. Auf der ande-ren Seite werden dort, wo das Futter herkommt, in großen Mengen künstlicher Dünger und Pestizide eingesetzt, weil die Gülle fehlt.

Zudem steigt die Getreideproduktion nicht mehr überall. Nach einem Bericht der Universi-ty of Minnesota stagnieren die Erträge in einem Viertel bis einem Drittel der Ernteregionen, etwa in Australien, Argentinien, Kenia oder den US-Staaten Arkansas und Texas. In einigen Gegenden

Großbritanniens, einst Rekordhalter der Getreide-produktion, sind die Ernten seit 20 Jahren sogar gesunken. Britische Forscher meinen, dass dies bei Weizen und Raps am Einsatz von Großmaschi-nen liegt, der die Böden zerstört.

Global betroffen von der annähernden Stag-nation sind jene vier Hauptgetreidearten, die für zwei Drittel aller landwirtschaftlich pro-duzierten Kalorien stehen: Mais, Reis, Wei-zen und Soja. Ihre Ernte wächst weltweit um nur noch 0,9 bis 1,6 Prozent pro Jahr. Es rächt sich, meinen die Autoren der Studie aus Min-nesota, dass sich die Agrarwirtschaft vorrangig damit beschäftigt habe, Futter für Nutztiere und Agrospritpflanzen für Autos zu produzieren. Die Erforschung unterschiedlicher Pflanzen für die lokale Nahrungsproduktion hingegen kam über Jahrzehnte zu kurz. Und jetzt reicht das Wissen über die Alternativen nicht.

Landbedarf für typische Gerichte, in m2/Person

Platz für Mahlzeiten

WW

F

in Prozent der natürlichen Bestände Ackerland Weideland

Gier nach Nutzung: aus Grünland werden agrarflächen

FAO

afrika

asien (inkl. GUS)

Europa

ozeanien

Nordamerika

Südamerika

IndustrielleTierhaltung führt

zu Gülleüberschuss,der abtransportiert

werden muss

3,12

2,23

0,66

3,61

3,38

0,11

1,36

0,76

0,38

2,26

1,96

0,35

Schweinebraten Hamburger Curryhuhn Rostbratwurst

Landbedarf gesamt Bedarf für Fleisch-bestandteileBedarf für Soja

0 2 4 6 8 10 12

vorher Steppen

0 2 4 6 8 10 12

vorher Grasland oder Savannen

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FLEISCHATLAS 201428

d ie Massentierhaltung in der Europäischen Union basiert zu einem großen Teil auf der Verfütterung von Sojabohnen und vor

allem von genmanipuliertem Soja. Die einzige „positive“ Auswirkung dieses gentechnischen

Verfahrens besteht darin, dass es die Sojapflanze resistent gegen Glyphosat macht. Dies ist ein Breitspektrum-Herbizid, das jede Pflanze auf einem Feld tötet, die nicht durch Genmanipu-lation immunisiert wurde.

Glyphosat ist weltweit das meistverkaufte chemische Pflanzenvernichtungsmittel. In den

1970er Jahren vom US-Unternehmen Monsanto zum Patent angemeldet, wird es unter dem Mar-kennamen Roundup vermarktet. Monsanto, der größte Saatguthersteller der Welt, erzeugt mehr als die Hälfte des weltweit verwendeten Glypho-sats. Im Jahr 2011 erwirtschaftete das Unterneh-men mit dieser Substanz 27 Prozent seines Umsat-zes. Nachdem 1991 das internationale Patent und 2000 das US-Patent ausgelaufen waren, musste Monsanto eine neue Strategie entwickeln, um sei-nen Marktanteil gegen konkurrierende Chemie-unternehmen wie BASF, Syngenta und Bayer zu verteidigen, die mittlerweile auch Herbizide mit Glyphosat produzierten. Also führte Monsanto Getreidesorten ein, die als „Roundup Ready“ be-zeichnet werden und mittels Gentechnik resistent gegen Glyphosat gemacht worden waren. Mit dem Versprechen eines einfachen Programms

zur Unkrautbekämpfung ermuntert Monsanto nun die Landwirte, die Soja, Mais, Baumwolle und Zuckerrüben aus der Roundup-Ready-Produkt-reihe anbauen, auch das dazugehörige Herbizid vom selben Unternehmen zu kaufen.

Zurzeit sind rund 85 Prozent der weltweit angebauten genmanipulierten Getreidearten resistent gegen Herbizide, wie auch die meisten Roundup-Ready-Pflanzen von Monsanto. 2012 machten Roundup-Ready-Sojabohnen weltweit fast die Hälfte aller angebauten genmanipulier-ten Getreidepflanzen aus. In Nord- und Südameri-ka auf einer Gesamtfläche von rund 85 Millionen Hektar geerntet, werden sie vor allem nach China und in die EU exportiert und bei der Massenhal-tung von Geflügel, Schweinen und Rindern als Futtermittel verwendet.

Zwar sind die Pflanzen resistent gegen Gly-phosat, sie nehmen das Herbizid aber auf. Die Rückstände bleiben in Essen und Futter mindes-tens ein Jahr lang stabil erhalten, selbst dann, wenn die Nahrung gefroren oder getrocknet wird. Nutztiere speichern die Chemikalie. Studi-en haben ergeben, dass in Milch, Eiern, der Leber und den Nieren auch dann geringfügige Rest-mengen an Glyphosat nachweisbar sein können, wenn die Tiere nur die zulässige Menge der Sub-stanz mit der Nahrung aufgenommen haben. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) will sich jetzt mit dem Thema befassen.

Was essen die Tiere, die wir essen? Wenn Fleisch, Milch und Eier Rückstände von Pestiziden, Herbiziden oder Medikamenten enthalten, nehmen wir diese Stoffe womöglich auch zu uns. Zwar schützen Gesetze vor den gefährlichsten Substanzen, aber sie bieten auch Schlupflöcher und ermöglichen Grauzonen, wie das Beispiel Glyphosat zeigt.

SCHNITZEl, wÜRSTCHEN, GlYPHoSaT

als das genmanipulierte

Getreide kam, stiegen auch die

Grenzwerte

Rapide Verbreitung von Glyphosat in den USa

Verteilung auf Feldbauprodukte, Millionen Kilogramm

Glyphosat-resistente Feldfrüchte in Prozent des bebauten Landes

USDA

ERS

1993199419951996199719981999

2000200120022003200420052006200720082009

0 25 50 75 100

0

10

20

30

40

50

60

70

80

90

100

1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008

SojabohnenMais

MaisSojabohnenSonstige

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29FLEISCHATLAS 2014

Im Jahr 1996 erhöhte die US-Umweltbehörde EPA die gesetzlich festgeschriebene Höchstgren-ze für Glyphosat-Rückstände in Sojabohnen von 0,1 auf 20 Milligramm/Kilogramm, was darauf-hin auch international als zulässiger Höchstwert anerkannt wurde. Dies geschah im selben Jahr, in dem auch die ersten genmanipulierten Getreide-arten angebaut wurden.

Es gibt Hinweise darauf, dass sich eine Woche nachdem ein Mensch Glyphosat zu sich genom-men hat, noch 1 Prozent der Substanz im Körper befindet. Und da das Herbizid so breit angewen-det wird, sind ihm die meisten Menschen regel-mäßig ausgesetzt. Noch nie aber wurde unter-sucht, wie viele Menschen welche Mengen über einen längeren Zeitraum im alltäglichen Leben zu sich nehmen und was das bedeutet.

Auch aus anderen Gründen kann die Verwen-dung der Substanz problematisch sein. Oft wird sie aus Flugzeugen auf große Felder gesprüht, ohne dass auf andere Getreidesorten und Pflan-zen in der Umgebung Rücksicht genommen würde. Dadurch nimmt die lokale Artenvielfalt drastisch ab. Zudem kann die Chemikalie ins Grundwasser sickern. Anwohner und Menschen, die sich zufällig in der Gegend aufhalten oder am Rand der Felder leben, können dem Herbizid immer wieder ausgesetzt sein. Das kann schwer-wiegende Konsequenzen haben. Es gibt Hinweise darauf, dass Glyphosat das menschliche Hormon-system beeinflusst, was während der Schwanger-schaft zu irreversiblen Schäden führen kann. Au-ßerdem wurde nachgewiesen, dass Herbizide, die Glyphosat enthalten, „genotoxisch“ wirken – das

heißt, sie beeinflussen die Fähigkeit einer Zelle, die DNA korrekt zu kopieren und sich zu teilen, was zu genetischen Mutationen und einem er-höhten Krebsrisiko führen kann.

In Ecuador und Kolumbien werden Herbizi-de mit Glyphosat zur Bekämpfung der Kokain-Produktion eingesetzt. Studien verzeichnen genetische Schädigungen und Fehlgeburten während der Zeit, in der das Herbizid gesprüht wurde. In allen südamerikanischen Regionen, in denen Soja produziert wird, kommt es ver-mehrt zu Fehlbildungen bei Neugeborenen. Laut einer Studie in Paraguay ist die Wahrscheinlich-keit mehr als doppelt so hoch, wenn die Mutter weniger als einen Kilometer von einem Feld ent-fernt lebt, auf dem Glyphosat gesprüht wird.

Pestizid-Einsatz in argentinien

Verkäufe in Millionen Kilogramm, meist Glyphosat enthaltend

REDU

AS/C

ASAF

E

Nie wurde untersucht, welche langzeitwirkungen

Glyphosat habenkönnte

1997

2001

2005

2009

2013

0 50 100 150 200 250 300 350

Genmanipulierte Produkte – Zustimmung und ablehnung

Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen,Flächen in Millionen Hektar, nach Ländern

über 93 bis 91 bis 30,01 bis 10

FAO,

cen

terf

orfo

odsa

fety

.org

Vorschriften für genetisch veränderte Lebensmittel (nicht Tierfutter)

Verbot

Kennzeichnungspflicht:

alle pflanzlichen Produkte, Ausnahme: wenn eine Verunreinigung bis 0,9 Prozent „zufällig oder technisch unvermeidbar“ war. Keine Kennzeichnung tierischer Erzeugnisse (Eier, Fleisch, Milch), wenn die Tiere gentechnisch manipuliertes Futter erhielten

für viele Produkte; bis 1 Prozent des Gesamtprodukts ungekennzeichnet

für wenige Produkte, mit vielen Ausnahmen Verbot von gentechnisch manipulierten Pflanzen in europäischen Ländern

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FLEISCHATLAS 201430

d er neue argentinische Landwirt arbeitet wie ein internationaler Manager. Von sei-nem klimatisierten Büro aus verfolgt er

die Preisentwicklung für Soja an den weltweiten Rohstoffbörsen und organisiert seine Produktion per Laptop und Handy. Den Einkauf von Saatgut, die Ausbringung als Direktsaat und den Einsatz von Dünger, Herbiziden und Pestiziden hat er an spezialisierte Dienstleister vergeben, ebenso Ern-

te und Abtransport. Praktischerweise erhält er auch Zulieferungen und Dienstleistungen aus einer Hand: Internationale Konzerne liefern Saatgut, das komplette Chemiepaket und zu-nehmend auch die Vermarktungsstrukturen.

Der anhaltend hohe Preis für die Tonne Soja macht diese Art virtueller Landwirtschaft selbst

für mittlere Betriebe – in Argentinien ab 100 Hek-tar – rentabel. Der Landbesitzer kalkuliert Out-sourcing-Kosten von 340 Dollar pro Hektar und darf je nach Lage, Wetter und bei Mehrfachsaat zwischen 2,5 und 4 Tonnen Soja Ertrag erwarten. Selbst bei einem „niedrigen“ Sojapreis von 330 Dollar pro Tonne bleiben ihm zwischen 485 und 980 Dollar pro Hektar im Jahr, bei hundert Hekt-ar also grob 50.000 bis 100.000 US-Dollar. Selbst nach Abzug von 40 Prozent Agrarsondersteuer sowie Grund- und Einkommenssteuer hat er ge-nug, um nicht selber Hand anlegen zu müssen.

Dieses Geschäftsmodell für Landbesitzer ist seit etwa zehn Jahren verbreitet. Vorreiter waren

die Landpächter: Investoren schlossen sich in Ar-gentinien in „Saatpools“ zusammen und über-nahmen vom Staat oder von privaten Landbesit-zern in großem Stil Anbauflächen zur Nutzung. Diese Investmentunternehmen operieren oft nur von ein paar Büroräumen in der Hauptstadt aus und stellen in mehrfacher Hinsicht ein Problem dar. Da sie größere Flächen bewirtschaften und entsprechende Erträge haben, können sie höhere Pachtbeträge als mittlere und kleine Produzenten zahlen. So verdrängen sie kleinere Produzenten und treiben die Entvölkerung ländlicher Räume voran. Außerdem führen bestimmte Firmenkon-struktionen für Saatpools zu Steuerbefreiungen.

Bis zu 40 Prozent der Sojafelder werden inzwi-schen von Saatpools bewirtschaftet. Bis zum Jahr 2012 zahlten sie als Pacht den Gegenwert von 1,8 bis 2,5 Tonnen Sojabohnen pro Hektar, also 594 bis 825 Dollar. Dies ermöglicht großflächige Mono-kulturen über zehntausende von Hektar hinweg, die ganze Landstriche veröden lassen. Mittlere Saatpools bearbeiten Flächen zwischen 15.000 und 30.000 Hektar, große bis zu 100.000 Hektar und mehr. In den Jahren 2008 bis 2012 rechneten Saatpools mit Renditen von 16 bis 21 Prozent, in Einzelfällen deutlich mehr. Sie wurden möglich, weil die Pools unter anderem das Wetterrisiko minimierten, indem sie die gepachteten Flächen geografisch breit streuten. Allerdings sind die Renditen seit 2012 wegen neuer Bestimmungen

Die globale Nachfrage nach Tierfutter hat einen neuen Typ Farmer hervorgebracht und der Regierung in Buenos Aires enorme Steuereinnahmen verschafft. Der Strukturwandel in der Landwirtschaft hat soziale, ökologische und gesundheitliche Auswirkungen, die in der argentinischen Öffentlichkeit kaum diskutiert werden.

aRGENTINIEN, daS Soja-REICH

„Saatpools“verdrängen kleinere

Produzenten und schaffen riesige Monokulturen

Schlüsselzahlen der Soja-Ökonomie

Sojabohnen-Felder, Millionen Hektar

0

5

10

15

20

25

4

9

19

1988 2000 20120

10

20

30

40

50

10

20

52

1988 2000 2012

52 10

9

33

Sojabohnen-Ernte, Millionen Tonnen

Sojaverbrauch und -export,Millionen Tonnen, Prognose 2013

2

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31FLEISCHATLAS 2014

über Exportgeschäfte auf Dollarbasis auf 3,6 bis 5 Prozent gefallen. Manche Saatpools weichen nun auf Paraguay, Brasilien und Uruguay aus oder verhandeln in Argentinien um neue Pachtrege-lungen.

Vor allem Kleinlandwirte sind Opfer des Soja-booms. Zwischen 1988 und 2008 sank die Zahl der Agrarbetriebe von 421.000 auf 270.000. Derzeit verfügen 2 Prozent der Unternehmen über mehr als 50 Prozent der Nutzfläche, während 57 Prozent der Betriebe gerade 3 Prozent bearbeiten. Wegen der inzwischen hohen Bodenpreise in der Zentral-region gehen jetzt viele Großbetriebe an die Peri-pherie des Landes und kaufen billiges Staatsland. Immer wieder kommt es auch zur gewaltsamen Vertreibung von Kleinbauern oder -pächtern; be-waffnete Konflikte häufen sich. Der Soja- und auch der Maisanbau drängen zudem die Qualitäts-rinderzucht in die Randregionen und bewalde-ten Gebiete ab, was – wie auch in Paraguay – den Druck auf indigene Gemeinschaften erhöht.

Die meisten Pools lassen nicht mehr pflügen, sondern das Saatgut direkt auf dem Boden kei-men. Diese „Direktsaat“ sorgt für eine schnelle Zweit- oder gar Drittsaat in einem Jahr. Zur ersten Ernte sind Hektarerträge zwischen 2,5 und 3 Ton-nen möglich, bei der zweiten und dritten weni-ger. Um mehrfach säen zu können, müssen die Böden immer wieder mit Herbiziden, insbesonde-re Glyphosat, pflanzenfrei gemacht werden; nur das genveränderte Soja ist gegenüber Glyphosat resistent und wächst auf den gewaltigen Flächen.

Die Auswirkungen sind dramatisch. In ländli-chen Gebieten ist die Zahl der Fehlgeburten und Missbildungen bei Neugeborenen gestiegen. Während im Landesdurchschnitt 19 Prozent der Menschen an Krebs sterben, sind es in diesen Gebieten mehr als 30 Prozent. Dieser Anstieg be-gann im Jahr 2000 – zeitgleich mit dem intensiven Einsatz von Glyphosat.

USDA

, FAO

STAT

, IN

DEC

Futtermittel aus Nordost

Einnahmen aus Sojaexporten, nach Provinzen, 2010 IN

DEC

2.300100

3.600

300

150

Millionen DollarDollar pro Einwohner

150

2.900

1.090

320

340

310

150

4009.300

6

Sojaverbrauch und -export,Millionen Tonnen, Prognose 2013

unverarbeitet nach China

Biodiesel und Sonstige

Futter

Anteil an den Ausfuhren Argentiniens, Prozent, 2012

Steueranteil der Sojaexporte, Prozent, 2011

Gesamteinnahmen

lager

35

Entre RíosSanta Fe

Provinz Buenos aires

la Pampa

Córdoba

Chaco

Santiago del Estero

Buenos aires

Anteil am Welthandel mit Soja, Prozent, 2012

22

3

Soja

Rind und Geflügel

ausfuhrsteuern auf Soja

24

argentinien

Rest der welt

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FLEISCHATLAS 201432

HüHNEr

d ie industrielle Massenproduktion von Geflü-gel ist das am schnellsten wachsende Seg-ment einer hoch globalisierten Viehwirt-

schaft. Bis 2020 werden weltweit 124 Millionen Tonnen Geflügelfleisch produziert, was einem Anstieg von 25 Prozent innerhalb von nur zehn Jahren entspricht. Der Produktionszuwachs wird

in China am größten sein: 37 Prozent im Vergleich zu 2010, dicht gefolgt von Brasilien (28 Prozent). Ein unterdurchschnittliches Wachstum wird für die USA (16 Prozent) und die EU (4 Prozent) voraus-gesagt.

In Südasien wird die Nachfrage bis 2050 um mehr als das Siebenfache ansteigen, vorwiegend durch den Bedarf in Indien, wo nahezu eine Verzehnfachung zu erwarten ist: von ungefähr 1 Million auf 9,9 Millionen Tonnen pro Jahr. Nach Angaben der UN-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft (FAO) ist das vor allem dem steigenden Pro-Kopf-Verbrauch und nicht so sehr der wachsenden Bevölkerungszahl geschuldet. Besonders in den städtischen Ballungsgebieten nimmt der Verbrauch zu – dort ist er doppelt so hoch ist wie in ländlichen Regionen.

Warum essen Menschen lieber Geflügel als anderes Fleisch? Ein Grund ist der Preis: Die Pro-duktion von Geflügel ist deutlich günstiger. Auch wenn die Kosten für die Produktion stei-gen werden, weil das Futter teurer wird: Hühner sind effizientere Futtermittelverwerter als an-dere Nutztiere. Außerdem gibt es im Gegensatz zu Rind- und Schweinefleisch beim Verzehr von Hühnerfleisch nur wenig religiöse oder kulturelle Einschränkungen.

Viele Hühner werden heutzutage in engen Hinterhöfen gehalten. Doch die Zahl der Le-bendvogelmärkte und Händler auf Fahrrädern nimmt ab. Die vielen Kleinschlachtereien und Einzelhändler werden zunehmend durch einige wenige große Schlachthäuser und Fabrik läden ersetzt. So hat die Industrialisierung von Chinas Geflügelproduktion rasant Fahrt aufgenommen. Die Expansion von Supermärkten und Fast-Food-Ketten fördert die Nachfrage und beschleunigt den Übergang zur Massenproduktion. Millionen bäuerlicher Geflügelproduzenten sind bereits verschwunden: zwischen 1985 und 2005 haben 70 Millionen den Sektor verlassen. Kleinfarmen verlieren an Bedeutung. 1998 deckten Betriebe mit weniger als 2.000 Vögeln rund 62 Prozent des Hühnerfleischbedarfs eines Landes; 2009 produ-zierten diese Betriebe nur noch 30 Prozent. Mitt-lerweile ist der Marktanteil von Großbetrieben mit einem jährlichen Ertrag von mehr als 100 Millionen Tieren von 2 Prozent im Jahre 1998 auf über 6 Prozent im Jahre 2009 gestiegen.

In den Industrieländern, wo die Geflügelproduktion hoch industrialisiert ist, wird mittlerweile mehr Hühner- als Rindfleisch konsumiert. In Asien wird sich dieNachfrage vervielfachen. Hier endet die Zeit der Kleinproduzenten, Händler auf Fahrrädern und Lebendvogelmärkte.

HÜHNER – wElTwEITER STEIGFlUG IN dIE FaBRIK

Geflügel für das Fließband

Zahlen und Anteile, 2005/2010*

FAO

* Einstufung der Länder 2010, Daten von 2005, keine neueren Zahlen

1,2

5,3

7,3

2,3

1,0

0,8

1.1

0,9

4,0

0,6

4,7

5,8

1,5

0,6

0,10,3

0,3

3,5

48

79

90

64

57

30

29

16

86

5

46

38

12

5

3

2

1

28

Gesamtzahl Geflügel (Milliarden)

davon aus Massenproduktion

(Milliarden)

Anteil der Massen-produktion, in Prozent,

nach Ländern/Regionen

Anteil an der Massen-produktion weltweit,

in Prozent

ostasien und Pazifik, davon China

osteuropa und Zentralasien

Südamerika und Karibik

Naher osten und Nordafrika

Südasien, davon Indien

Subsahara-afrika

länder mit hohem Einkommen

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33FLEISCHATLAS 2014

Derartige Massen an Vögeln sind schwer ge-sund zu halten. Viele Betriebe mischen Antibio-tika und andere Zusatzstoffe in das Tierfutter, um die Ausbreitung von Krankheiten zu verhin-dern und das Wachstum der Vögel zu beschleu-nigen. Obgleich China eine lange Liste verbote-ner Futtermittelzusatzstoffe aufgestellt hat (von denen viele in den USA erlaubt sind), bleiben Überwachung und Umsetzung mangelhaft. Im Dezember 2012 enthüllte das chinesische Natio-nalfernsehen den Liuhe-Hühnerfleischskandal. Bis zu 18 verschiedene Antibiotika wurden in den „Cocktails“ gefunden, die den Futtermitteln des Marktführers beigemischt worden waren, um das Wachstum der Masthähnchen zu beschleunigen. Diese Vögel nahmen innerhalb von nur 40 Tagen von 30 Gramm auf 2,5 Kilogramm zu.

Liuhe ist einer der Hauptlieferanten von Ken-tucky Fried Chicken. Der Umsatz der US-Kette brach ein. KFC reagierte darauf mit verstärkten Kontrollen seiner Lieferketten und gab den Über-gang zu einem sogenannten Grow-out-System bekannt. Bei diesem Modell gibt es keine unab-hängigen Kleinproduzenten oder Vertragsbetrie-be mehr, die typisch für die vertikal integrierte Geflügelindustrie sind. Nun gehören dem fleisch-verarbeitenden Betrieb sämtliche eingesetzten Produktionsmittel; er kontrolliert das Land und die Wasserressourcen und beschäftigt die Ar-beitskräfte, die das Geflügel produzieren. So wan-deln sich Betriebe letztlich in Fabriken.

Statt sich von einem derartigen Industriemo-dell zu entfernen, intensiviert China seine Ge-flügelproduktion noch weiter. Und das trotz der Vogelgrippe: Im Jahr 1996 wurde sie erstmals bei Zuchtgänsen in Südchina entdeckt und breitete

sich in 60 Ländern aus. Und seit 2004 berichtet China jedes Jahr – mit Ausnahme des Jahres 2011 – über neue Fälle.

Die Entwicklung in China ist durchaus typisch für die weltweiten Trends der Geflügelproduk-tion. Märkte und Verarbeitungsbetriebe wer-den immer weiter in die Handelsketten integ-riert, wobei die Kontrolle in den Händen von Großunternehmen liegen wird. Jeder, der heutzutage seinen Lebensunterhalt mit Geflü-gel verdient, wird diese Entwicklung zu spüren bekommen, insbesondere Frauen, deren Zucht in Hinterhöfen und Kleinstbetrieben für viele Fa-milien unentbehrlich ist. Außerdem sinkt mit den Fleischpreisen auch die Fleischqualität.

HüHNEr„Huhn“, global gegessen

DSW

, FAO

USa

50,1

Brasilien

38,5

Kanada

36,5

Mexiko

31,0

Russland

25,3

argentinien

38,6

Indonesien

7,3

japan

19,1

Indien

2,4

China

14,0

Südkorea

16,9EU-27

23,6

australien

50,5

die Herde wächst unaufhaltsam

Milliarden Tiere

FAO

HühnerEnten

0

5

10

15

20

2000 2002 2004 2006 2008 2010

Gänse und Perlhühner Truthähne

antibiotika: In 40 Tagen nahmen Masthähnchen von 30 Gramm auf 2,5

Kilogramm zu

Hühnerfleisch-Verbrauch pro Kopf 2012, Schätzung, in Kilogramm

Südafrika

37,8

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FLEISCHATLAS 201434

I n den reichen Industrienationen haben sich Produktion und Verbrauch in den vergange-nen 50 Jahren beträchtlich verändert. Wäh-

rend man in Großbritannien im Jahr 1950 im Schnitt nur 20 Gramm Huhn, aber 250 Gramm Rindfleisch pro Woche konsumierte, so verzehren Briten mittlerweile durchschnittlich 250 Gramm Huhn und lediglich 120 Gramm Rindfleisch pro

Woche. Allerdings scheint es in den meisten In-dustrienationen eine gegenläufige Bewegung zu geben: Eine kleinere Anzahl von Menschen isst inzwischen weniger Fleisch, eine gesunde, fleischarme Ernährung liegt im Trend. Doch

viele andere haben keinen Zugang zu frischer, hochwertiger Nahrung, aus Mangel an Wissen

kein Interesse und damit auch nicht die Wahl zwi-schen fleischhaltiger und fleischloser Ernährung.

Insgesamt ist in den Industrienationen ein hoher, aber stagnierender Fleischverbrauch zu verzeichnen. In einigen Ländern ist der Verzehr sogar zum ersten Mal seit Jahrzehnten rückläufig. So zeigt sich die Fleischwirtschaft in den USA be-sorgt, weil der Konsum zwischen 2007 und 2012 um 9 Prozent gesunken ist. Die Unternehmen se-hen sich von einem „Propagandafeldzug gegen

das Fleisch“ bedroht. In Deutschland nahm der Fleischverbrauch allein im Jahr 2012 um 2 Kilo-gramm pro Mensch und Jahr ab. Die Fleischwirt-schaft führte dies umgehend darauf zurück, dass durch den verregneten Sommer die Grillsaison ausgefallen sei. Doch selbst dann neigen die Kon-sumenten in den Industrienationen offenbar dazu, auf die Qualität der Produkte zu achten. Und in den Artikeln der Lifestyle-Magazine wird eine fleischarme Ernährung mittlerweile als gesund und modern angepriesen.

Eine Ursache für diesen Trend liegt in der lan-gen Reihe von Fleischskandalen – vom Gammel-fleisch über Dioxin im Hühnerfutter bis hin zu Pferdefleisch, das als Rindfleisch verkauft wurde. Zu solchen Verbrechen kommt es durch den zu-nehmenden wirtschaftlichen Druck, aber auch durch komplexe, dezentralisierte und globalisier-te Produktionsketten. Die Verbraucher verstehen die Struktur der Fleischindustrie nicht, sie stehen den Kontrollmechanismen skeptisch gegenüber, und durch die Berichte in den Medien ignorieren sie auch nicht länger die negativen Auswirkungen auf die Umwelt, die Gesundheit der Menschen und das Wohlergehen der Tiere.

In den Industrieländern scheint der Höhepunkt des Fleischbooms vorbei zu sein. Skandale haben die Konsumenten verunsichert, Informationen über die Folgen der Massentierhaltung sind weithin zugänglich. Aber Biofleisch bleibt für viele Menschen zu teuer, und neue Gütesiegel verwirren die Interessenten.

dIE ZwEIFEl dER REICHEN

Skeptischen Verbrauchern ist nicht klar, wie die

Fleischbranche funktioniert

nur tierisch

0

200

400

600

800

1.000

1.200

1963 1983 2003 2009

833929 958 964

976

971 923 9251.005 977 1.049 1.013

132 141 16090

191

594694

178

Industrieländer Europa jeweils ärmste LänderUSA China

Pflanzliche und tierische Nahrung nach ländergruppen

Kilokalorien pro Kopf und Tag

WH

O, F

AOST

AT

1964–66 1974–76 1984–86 1997–99 2015geschätzt

2030geschätzt

2.947 3.065 3.206 3.380 3.440 3.500

2.054 2.152 2.450 2.681 2.850 2.980

Industrieländer EntwicklungsländerPflanzlich, tierisch

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35FLEISCHATLAS 2014

Als Reaktion auf den rückläufigen Fleisch-konsum haben die Unternehmen Gütesiegel ent-wickelt, die den Konsumenten die Einhaltung bestimmter Standards bezüglich Tierschutz und Lebensmittelsicherheit vermitteln sollen. Kritiker warnen davor, dass diese „Standards“ der Fleisch-wirtschaft eher zur Verwirrung der Verbraucher als zur Verbesserung der Fleischqualität beitra-gen. Sinnvoll sind stattdessen gesetzlich verpflich-tende Kennzeichnungsregeln für Herkunft, Hal-tungsform und Gentechnik im Futter.

Biofleisch ist eine Alternative, die der Skepsis der Verbraucher Rechnung trägt. Dennoch stam-men in den meisten Industrienationen weniger als 2 Prozent des verkauften Fleisches aus biologi-scher Produktion. Ein Grund hierfür ist der Preis. In Zeiten wachsender Armut und einer zuneh-menden Kluft zwischen Arm und Reich ist es für viele Menschen schwierig, mehr Geld für Nah-rungsmittel auszugeben. Biofleisch ist fast dop-pelt so teuer wie herkömmliches, weil die Kosten der industriellen Produktion verdeckt und für die Öffentlichkeit nicht sichtbar sind, etwa Steuerver-günstigungen, die Schäden an der Natur oder die Nachteile, die den Verbrauchern durch minder-wertige Nahrung entstehen.

In Schulen und Kantinen gibt es jeden Tag Fleisch und kaum vegetarische Gerichte. Wir verlieren die Freude am Gemüse; wir vergessen, wie man es kocht, obwohl eine vegetarische oder

fleisch arme Ernährung preisgünstiger wäre. Um die Fleischproduktion nachhaltig zu gestalten, müssen die reichen Verbraucher weniger essen.

Und sie müssen anders essen, das heißt, den Verzehr von Produkten aus intensiver Tierzucht zurückschrauben und sich auf die Produktion und den Konsum von Weidetieren konzentrieren. Diese haben ein gesünderes Verhältnis von Fet-ten und Mikronährstoffen als Tiere, die mit Ge-treide gefüttert werden. Und sie verwandeln Gras, ein Produkt, das wir nicht essen können, in Milch und Fleisch.

USa: Talfahrt nach dem Gipfelsturm

Fleischverzehr pro Kopf, Kilogramm, ohne Abfälle und Haustiernahrung, 2013 und 2014 geschätzt CM

E

0

70

1966 1978 1990 2002 2014

75

80

85

wir verlieren die Freude am

Gemüse und vergessen, wie

man kocht

die Nachfrage in der reichen welt steigt nicht mehr

Fleischkonsum pro Kopf, in Kilogramm, Durchschnitt 2010–12 (geschätzt), und 2022 (Prognose)

OEC

D/FA

O

Kanada

20,218,2 16,7

15,8

32,633,7

0.9 0.8

australien

22,922,1 20,0

21,5

38,839,6

8,68,4

japan

6,8 7,3

14,915,3

12,812,7

0,20,2

EU

11,111,0

32,331,7

20,821,2

2,0 1,7

Neuseeland

19,116,8

15,515,7

31,632,5

10,28,8

USa

26,5

24,7 21,120,8

44,445,6

0,4 0,3

Rind, KalbSchwein GeflügelSchaf, Ziege

2010–2012 2022

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FLEISCHATLAS 201436

BrICS

d as Wirtschaftswachstum in den fünf Boom-ländern, die nach ihren Anfangsbuchstaben auch kurz BRICS genannt werden, drückt

sich auch im Fleischverbrauch aus. In Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika, die zusam-men 40 Prozent der Weltbevölkerung repräsen-tieren, nahm er von 2003 bis 2012 um 6,3 Prozent pro Jahr zu; von 2013 bis 2022 soll er noch einmal

jährlich um 2,5 Prozent wachsen. Neben Bevölkerungswachstum lässt auch

die Urbanisierung den Fleischverzehr steigen. Stadtbewohner haben mehr Geld als Landbe-wohner. Sie essen mehr, und sie essen anders

– vor allem mehr tierische Produkte. Die chi-nesischen Landbewohner aßen im Jahr 2011 mit

26,1 Kilogramm Fleisch, Milch und Eier rund 12,4 Kilogramm mehr als 1990; bei den Städtern stieg der Fleischkonsum im selben Zeitraum um 19,1 Kilogramm auf 48,9 Kilogramm. Im Jahr 2050, vermutet die UN-Welternährungsorganisation FAO, decken die Schwellenländer nur noch 46 Pro-zent ihres Kalorienbedarfs mit Getreide, aber 29 Prozent mit Fleisch, Eiern, Milch und Käse.

Um bei dieser Nachfrage mithalten zu können, werden die Bauern und Agrarbetriebe der Welt die globale Fleischproduktion bis zum Jahr 2050 von heute 300 auf 470 Millionen Tonnen erhöhen müssen. Überall entstehen Massentierhaltungs-betriebe, wie es sie in den Industrienationen seit

den 1950er Jahren gibt. Wie all die Tiere künftig ernährt werden können, ist derzeit nicht abzuse-hen. Da die Fleischproduktion ungeheure Men-gen Getreide als Futtermittel verbraucht, wird sich die Produktion von Sojabohnen von augenblick-lich 260 auf weltweit 515 Millionen Tonnen fast verdoppeln müssen. Dazu müssen die Erträge pro Hektar steigen oder die Agrarflächen zunehmen – oder beides.

Die beiden bevölkerungsreichsten Länder der Welt unterscheiden sich allerdings stark in ihren Kon sumstrukturen. In Indien hat die vegetarische Lebensweise tiefe kulturelle und soziale Wurzeln. Viele Hindus, aber auch die asketisch ausgerich-teten Jains und Buddhisten verzichten aus reli-giösen Gründen ganz auf den Konsum von Fleisch. Bei Umfragen geben ein Viertel bis ein Drittel der Inder an, Vegetarier zu sein. Die Zahl der Fleisch-esser nimmt dennoch zu. Seit dem Beginn des Wirtschaftsbooms Anfang der 1990er Jahre passt eine neue breite Mittelschicht ihre Lebensweise dem westlichen Vorbild an. Dazu gehört auch der Verzehr von Fleisch. „Non-veg“, wie es in Indien heißt, ist zumindest in Teilen der indischen Bevöl-kerung zum Statussymbol geworden. Dennoch liegt der Pro-Kopf-Verbrauch in Indien bei nicht einmal einem Zehntel des Niveaus in China.

In Russland, dem größten Rindfleischimpor-teur der Welt, hängt die Nachfrage vom Wohl-

Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika – woher die Tiere und ihr Futter kommen sollen, um den künftigen Fleischkonsum in den fünf „BRICS-Ländern“ zu decken, weiß heute noch niemand.

dIE NEUE HUNGRIGE MITTElKlaSSE – VoN RIo BIS SCHaNGHaI

„Non-veg“zu essen ist in

den Städten Indiens zum Statussymbol

geworden

Geflügel in China und Indien: Nicht mehr der Bevölkerungszuwachs, sondern der lifestyle sorgt für die Nachfrage

Nachfrage nach Geflügelfleisch, 2000–2030, in Prozent, bei gleich gesetzter Bevölkerungszahl von 1,4 Milliarden

FAO

Pro-Kopf-Verbrauch (Kilogramm/Jahr)

0

0,2

0,4

0,6

0,8

1,0

1,2

1,4

0 2 4 6 8 10 12 14 16 18

China

11 11

78

0

0,2

0,4

0,6

0,8

1,0

1,2

1,4

0 2 4 6

Indien

68

275

in 2000 in 2030 dem Bevölkerungswachstum zuzuschreibenkombiniertes Wachstum

geändertem Lebensstil zuzuschreiben

Bevölkerung Bevölkerung

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37FlEISCHaTlaS 2014

BrICS

stand durch die Einnahmen aus dem Öl- und Gasexport ab. Der Beitritt zur Welthandelsor-ganisation WTO im Jahr 2012 hat die Einfuhren nicht belebt. Die strikte Einhaltung des Regel-werks soll allerdings die bisher üblichen sprung-haften Wechsel von Lieferländern, -mengen und Fleischsorten dämpfen, heißt es. Der Markt gilt insgesamt als schwierig, weil die Angebote zu langsam auf Trends reagieren.

Südafrika und Brasilien hängen wirtschaftlich ebenfalls von den Rohstoffpreisen des Weltmark-tes ab. Anders als im stark industriell geprägten Russland ist Viehhaltung in Südafrika und Süd-amerika nichts Ungewöhnliches. Im Gegensatz zu Brasilien mit seinen Klimavorteilen ist Fleisch im nicht auf intensive Weidewirtschaft ausgerich-teten Südafrika allerdings teuer. Mehrere Wirt-schaftskrisen haben dafür gesorgt, dass zumeist billiges Gefl ügel gegessen wird.

Angesichts der Folgen der Massentierhaltung – Vogelgrippe, vergiftete Milch, tote Schweine, die in Flüssen entsorgt werden – entwickeln die Verbraucher in weiten Teilen Asiens aber immer mehr ein Bewusstsein, wie es auch in den Indu-strie ländern entstanden ist. Und sie interessieren sich für ökologisch erzeugte Lebensmittel. Vor allem in den Metropolen entstehen neue Ketten und Bio-Abteilungen in Supermärkten. Die Markt-forscher unterscheiden zwar nicht nach pfl anzli-chen und tierischen Bioprodukten; daher veröf-

fentlichen sie nur Gesamtzahlen. Aber allein in Indien kalkulieren sie mit einer Verfünffachung des Umsatzes, von 190 Millionen Dollar im Jahr 2012 auf 1 Milliarde Dollar im Jahr 2015. In Brasi-lien waren es 2011 bereits 550 Millionen Dollar. In China gelten seit 2012 Regeln für Bioware, die zu den weltweit strengsten gehören. Hier könnte der Umsatz 2015 sogar bei 3,4 bis 9,4 Milliarden Dollar liegen.

Russland: Konsum in der KriseFA

OST

AT

Ein jahrzehnt in die Zukunft

Fleischverbrauch pro Kopf, Kilogramm, Durchschnitt 2010–12 (geschätzt) und 2022 (Prognose), in den Brics-Staaten

OEC

D/FA

O

Rind, KalbSchwein Gefl ügelSchaf

2010–2012 2022

Russland

13,614,2

19,7

24,222,5

29,2

1,51,2

Indien

1,0 1,2 0,2 0,2 2,0 2,60,70,6

China3,43,8

29,2

34,1

11,113,6

2,72,7

Brasilien

29,330,4

11,112,3

41,5

47,0

0,40,4

500

550

600

650

700

750

800

1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 20080

Die Hoch-infl ation ver-nichtet private Ersparnisse; Pleitewelle in der Industrie

Eine Bankenkrise vertreibt ausländische Investoren; die Infl a-tion kehrt zurück

Einnahmen aus Öl und Gas sanieren die Staatsfi nan-zen; Investitionen und Konsum steigen

Die globale Finanzkrise führt in die Rezession (bis 2011)

Südafrika

12,614,4

5,8

32,2

45,2

3,43,25,4

Versorgung durch tierische Produkte einschl. Milch und Eiern, Kilokalorien pro Kopf und Tag

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FlEISCHaTlaS 201438

I n den Städten vieler Entwicklungsländer wer-den zahlreiche unterschiedliche Nutztiere ge-halten. Zu den Kleintieren gehören Kaninchen,

Meerschweinchen und Geflügel. Sie dienen ge-wöhnlich der Produktion von Fleisch und Eiern, die von den Eigentümern entweder selbst geges-

sen oder weiterverkauft werden. Mittelgroße Tiere wie Schafe, Ziegen und Schweine werden zwischen Gebäuden, auf Hinterhöfen oder am Straßenrand gehalten. Sie dienen vorwiegend der Fleischproduktion, obwohl Schafe und Zie-

gen auch gemolken werden können. Muslime schlachten im Rahmen religiöser Feierlichkeiten

Schafe – bevorzugt Böcke – als Opfergabe. Wenn solche Feiertage näherrücken, steigen die Preise für Schafe drastisch an. Viele ärmere Haushalte kaufen sich schon mehrere Monate im Voraus ein Tier, oft die einzige Möglichkeit, an religiösen Fes-ten teilhaben zu können.

In vielen afrikanischen und asiatischen Län-dern kann pasteurisierte Milch teuer und schwer zu bekommen sein. Stadtbewohner halten des-halb Rinder, Büffel und immer häufiger sogar Ka-mele, um die Milch zu verkaufen oder sie selber zu verbrauchen. Ärmere Stadtbewohner leisten sich Pferde und Esel, um sie als Transportmittel zu nutzen und sich so ihren Lebensunterhalt zu ver-dienen. In kleineren Städten, etwa in Äthiopien, dienen Pferdekutschen als Taxis, und sogar in der Hauptstadt Addis Abeba werden Esel benutzt, um Materialien zu transportieren.

Die Art, wie Tiere in Städten gehalten und ge-füttert werden, kann sehr unterschiedlich sein: Vieh, Schafe und Ziegen leben oft auf Höfen oder leerstehenden Grundstücken und werden zum Grasen an den Rand von Straßen oder Eisenbahn-schienen geführt. Ärmere Menschen lassen ihre Hühner häufig im Freien scharren oder stecken

Tiere in der Stadt – für viele ein Widerspruch in sich. Gehören sie nicht aufs Land, jenseits von Lärm, Gestank und Luftverschmutzung? Und doch sind gerade sie für viele ärmere Stadtbewohner eine wichtige Lebensgrundlage, denn sie liefern preiswertere Nahrung als ihre Artgenossen auf dem Lande.

URBaNE TIERHalTUNG

die Haltungvon Tieren inder Stadt ist

vielerorts offiziellverboten

Entwicklungsländer: ein Panorama informeller Produktion

WO

RLD

BAN

K, F

AOBeispiele aus den Jahren 1985 bis 2008

Harare

Nairobi

Maputo

HavannaMexiko-Stadt

La Paz

Lima

Cagayan de Oro

Dhaka

Kathmandu

Hubil-Dhawad

Montevideo

Daressalam

Mehr als ein Drittel der Haushalte besitzt Tiere, vor allem Hühner, aber auch Kaninchen, Tauben, Enten und Puten

Geschätzte 25.000 Rinder, 9.500 Schweine sowie 53.000 Schafe und Ziegen leben in der Stadt

16 Prozent des städtischen Milchverbrauchs stammen aus der Produktion vor Ort, 44 Prozent aus dem Umland

29 Prozent der Haushalte besitzen Nutztiere

63.000 Schweine leben in der Stadt

16.500 Rinder, 22.600 Schweine sowie 19.300 Schafe und Ziegen leben in den Metro-polregionen

Bis zu 48 Prozent der Haushalte in einigen Slums betreiben Landwirtschaft, die meisten mit Kleinvieh

Bis zu 55 Prozent der Haushalte züchten Kleinvieh für den Eigenbedarf

15.000 bis 20.000 Schweine tragen 6 Prozent zur nationalen Schweine-fleischproduktion bei

11 Prozent der Haushalte besitzen Nutztiere

4.000 Rinder, 12.400 Schweine und 3.250 Ziegen leben in der Stadt

Mutmaßlich 80 Prozent der Einwohner Dhakas halten Tiere

6.500 Rinder und Büffel, offiziell 3.700 Schweine (geschätzte Anzahl: 120.000) sowie 5.700 Schafe und Ziegen

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39FlEISCHaTlaS 2014

sie in Käfige. Sowohl Weidetiere als auch Aasfres-ser ernähren sich von Grünzeug auf leerstehen-den Grundstücken sowie von Lebensmittelresten, organischen „Abfällen“ auf der Straße und, für die Gesundheit der Tiere und der Konsumenten durchaus bedenklich, von Müll. Wenn Menschen Hähnchen oder Milchkühe halten, um sie offiziell oder auf dem Schwarzmarkt anzubieten, kaufen sie oft Nahrungsergänzungsmittel oder mischen sie zu Hause selbst zusammen.

Die Haltung findet meist inoffiziell und oft ille-gal statt. Eine Studie in der Republik Kongo ergab, dass rund ein Drittel der Bewohner von Brazzaville urbane Landwirtschaft betreiben. Nach der Studie halten 9 Prozent aller Einwohner Nutztiere, vor allem Geflügel. In Kenia betrieben in den 1980er Jahren fast 70 Prozent der Haushalte in Kibera, dem größten Slum in Nairobi, urbane Landwirt-schaft. Hierzu gehörte auch eine unbekannte An-zahl von Tierhaltern. Zwanzig Jahre später stan-den die Häuser so dicht beieinander, dass es fast unmöglich war, Getreide anzubauen. Doch noch immer werden Geflügel und Schweine selbst in stark übervölkerten Stadtgebieten gehalten – in diesem Fall brauchen Tiere tatsächlich weniger Platz als Pflanzen.

Wenn Tiere und Menschen in Großstädten auf engem Raum zusammenleben, besteht ein erhöhtes Krankheitsrisiko. Und das beschränkt sich nicht nur auf die Vogelgrippe. Viele Erkran-kungen des Menschen – Grippe, Pocken, Pest, Ma-sern, Tuberkulose, Cholera – entstanden im Laufe der letzten 10.000 Jahre durch die Interaktion von Mensch und Tier. Eine gute veterinärärztliche Überwachung verringert das Auftreten von Tier-krankheiten und das Risiko einer Übertragung auf den Menschen.

In schwierigen Zeiten nimmt das Interesse an urbaner Tierhaltung gewöhnlich zu. In der ugandischen Hauptstadt Kampala gab es wäh-rend jahrelanger politischer Unruhen deutlich mehr Nutztiere. In Mittelasien fingen nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion mehr Stadtbe-wohner an, Tiere zu halten. Wenn die Wirtschaft

sich erholt und das Einkommen der Haushalte steigt, nimmt die Bedeutung der Nutztiere wieder ab. Dies war nach dem Zweiten Weltkrieg auch in europäischen Großstädten zu beobachten. Wenn also in den Städten mehr Tiere gehalten werden, so kann dies ein Anzeichen für wirtschaftliche Probleme oder politische Krisen sein.

Auch in den Industrienationen findet urba-ne Tierhaltung im weitesten Sinne statt – Bienen und Fische werden gezüchtet, Regenwürmer zur Erzeugung von Kompost eingesetzt. So werden Einkommen und sinnvolle Tätigkeiten generiert. Soziologen zufolge ermutigt dies auch junge Menschen in den Slums der großen Metropolen wie New York, zu lernen und zu arbeiten.

Warum sollte es erlaubt sein, Nutztiere in der Stadt zu halten? Während einer Wirtschaftskri-se ist es eine wichtige Anpassungsstrategie. Ab-fälle werden in wertvolle Produkte wie Fleisch, Milch und Eier umgewandelt. Ärmere Menschen gewinnen an Selbstachtung und Ansehen in Gesellschaften, in denen Tiere eine bedeuten-de kulturelle Rolle einnehmen. Und es ist ein wichtiger Beitrag zur sozialen Absicherung gefährdeter Bevölkerungsgruppen, zum Bei-spiel von Arbeitslosen, älteren Menschen und Rentnern oder alleinerziehenden Frauen.

Stadt überholt land und gibt den lebensstil vor

In Zeiten von Krieg und

Krisen steigt die Zahl der Tiere in

den Städten

Entwickelte länder: das Vieh kehrt in die Stadt zurück

Ergebnisse einer Umfrage in den USA, 2011, 134 Antworten städtischer Tierzüchter

PLUC

KAN

DFEA

THER

.CO

M

Gründe für die Tierhaltung, Prozent Häufigkeit des Fleischverzehrs, Prozent

besseres EssenErziehungSozialleben

Kosten ÖkologieKultur

weniger unverändert

Bevölkerung in entwickelten und Entwicklungsländern, in Millionen

WO

RLD

BAN

K, F

AO

1950 1960 1970 1980 1990 2000 2010 2020 20300

500

1.000

1.500

2.000

2.500

3.000

4.000

5.000

ländlich, Entwicklungsländer städtisch, Entwicklungsländerländlich, entwickelte Länder städtisch, entwickelte Länder

32

13

4

2

21

44

44

12

Reaktionen der Nachbarn, Zahl der Antworten

0

5

10

15

20

positiv negativ

SoziallebenTiergeräuschegenerationenübergrei-fendes EngagementErziehung

TierlärmGeruchAngst vor Ver-letzungen und Krankheiten

seit dem Beginn der Tierhaltungmehr

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FlEISCHaTlaS 201440

Ü ber 40 Prozent der Erdoberfläche sind für Nutzpflanzen zu trocken, zu steil, zu heiß oder zu kalt. In diesen Regionen haben Hal-

ter von Nutztieren einen existenziellen Vorteil, weil ihre Tiere die lokale Vegetation in Nahrung und Energie umwandeln. Sie halten nur bestimm-te Rassen, kennen die Bedürfnisse dieser Tiere und

die Bedingungen für eine artgerechte Haltung vor Ort sehr gut. Deswegen sind diese Metho-den nachhaltig.

Nomadische Hirten sind hierin Meister. Sie sind mobile Viehbesitzer, die Rinder, Scha-

fe, Ziegen, Kamele, Rentiere, Yaks, Lamas und Alpakas in großer Zahl auf Gemeinland halten.

Über die Jahrhunderte hinweg haben sich ihre Herden bestens an die spärliche Vegetation in Trockengebieten, am Wegesrand, auf abgeernte-ten Feldern und an andere widrige Bedingungen ihrer Umgebung angepasst.

Die Hirtennomaden, auch Pastoralisten ge-nannt, ließen ihre Tiere in unterschiedlichen Ge-bieten grasen und konnten so jahrhundertelang in den unwirtlichsten Regionen überleben, ohne ihre Ressourcen zu erschöpfen. Weil sie sich im-

mer nur kurze Zeit an einem Ort aufhalten, kann sich die Vegetation jedes Mal erholen. Für den Zugang zu Land und Wasser in Weidegebieten gelten eigene Regelungen. So haben beispiels-weise die Borana in Südäthiopien ein komplexes Netz von Einrichtungen und Komitees geschaffen, die die Herdenbewegungen überwachen und die Nutzung der Ressourcen mit anderen Hirtengrup-pen in der Region koordinieren.

Nomadische Herden können pro Hektar größere Erträge als Viehbetriebe erzielen und profitabler als andere intensivere Formen der Landnutzung sein. Allerdings ist diese Form der Viehhaltung bedroht, wenn das Herumziehen der Nomaden eingeschränkt wird – durch die Aus-dehnung des Ackerbaus, die Privatisierung und Einzäunung zuvor offenen Landes oder durch staatliche Bestimmungen, die das Wandern der Herden einschränken.

Auf etwas ertragreicheren Böden halten „semi pastoralistische“ Kleinbauern ihr Vieh, bau-en aber gleichzeitig Feldfrüchte an. Sie besitzen oder pachten Felder von einigen Hektar für den Ackerbau und weiden ihre Tiere auf Gemeinland. Sie nutzen die natürlichen Ressourcen, kaufen jedoch bei Bedarf Futter zu. Ihre Tiere kommen aus der Gegend oder sind Kreuzungen mit er-tragsstarken, neu eingeführten Rassen. Üblich sind die Freilandhaltung – beispielsweise auf dem Hühnerhof –, das Weiden an Straßenrändern oder auf abgeernteten Feldern (Schafe, Ziegen, Rinder, Büffel) oder die Stallhaltung und Fütterung mit geerntetem Futter (Milchkühe und Büffel, Schafe und Ziegen).

Kleinbauern recyceln Nährstoffe auf ihren Hö-fen, indem sie die Erntereste an ihr Vieh verfüttern und den Dung als Dünger oder Heizmaterial nut-zen. Hierdurch und dank der Mitarbeit der Familie sind sie in der Lage, ihre Kosten niedrig zu halten und ökonomisch effektiv zu arbeiten. Und obwohl ihre Kosten pro Nutzvieh niedriger sein können als in Großbetrieben, verschlechtert sich ihre Po-sition im Vergleich, weil sie weniger produzieren.

In über 40 Ländern werden mehr als 45 defi-nierte Gruppen nomadischer Hirten gezählt, doch noch sind nicht alle erfasst. Internationale Organi-sationen schätzen die Zahl der Pastoralisten welt-weit auf 120 bis 200 Millionen, die von Kleinbau-ern mit teilnomadischer Produktion auf bis zu 600 Millionen. Ihre wirtschaftliche Bedeutung kann erheblich sein. In Äthiopien trugen Bauernnoma-den 2006 rund 9 Prozent zum Bruttoinlandspro-

Nomaden halten ihr Vieh auf Land, das für Nutzpflanzen ungeeignet ist. Sie produzieren große Mengen Nahrungsmittel und tragen zum Schutz der Natur bei. Aber sie erhalten zu wenig politische und rechtliche Unterstützung. Existenziell bedrohlich sind die Beschränkungen ihrer Wanderwirtschaft.

PRoTEIN aUS GRaS UNd GESTRÜPP

Bis zu 10 Prozent der

wirtschaftsleistungentfallen in afrika

auf Nomaden

Fleisch und Milch von saisonalen weiden

Anteil weltweit, in Prozent, 2000/2010*

ILRI

/HER

RERO

* Angaben von 2000, Jahr der Veröffentlichung: 2010. Aktuellere Angaben nicht verfügbar

28

50

9

15

19

7

59

7

13

17

4

5

21

18

28

Agropastoral (halbnomadische Produktion auf wechselnden Weiden)Gemischt extensive Vieh- und Weidewirtschaft Gemischt intensive Vieh- und Weidewirtschaft mit BewässerungAndereentwickelte Länder

MilchRindfleisch

lammfleisch

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41FlEISCHaTlaS 2014

dukt (BIP) bei, in Uganda 8,5, in Mali 10 und in der Mongolei rund 30 Prozent. Der Anteil der Bauern-nomaden am landwirtschaftlichen BIP betrug im Sudan, im Senegal und in Niger 80 Prozent. In Ke-nia lag er bei 50 Prozent.

Bauernnomaden und Kleinbauern produzie-ren nicht nur große Mengen Nahrungsmittel, sie tragen auch zum Schutz der Umwelt und zur Er-haltung der Artenvielfalt bei. In Europa gehören die von Wanderhirten genutzten traditionellen Schafstriften zu den artenreichsten Gebieten des Kontinents. In den Niederlanden sind Schafher-den ein wichtier Teil des Deichschutzes, weil sie die Grasnarbe kurz und dicht halten und den Bo-den festtrampeln. Und in Deutschland sorgen

sie dafür, dass die touristisch reizvollen offenen Landschaften nicht verwalden.

Bauernnomaden und Kleinbauern erfahren nur manchmal die nötige Unterstützung. Sie brauchen gesetzlichen Schutz, um ihre Tiere von Ort zu Ort zu führen, um Futter, Wasser und Schutz vor Hitze und Kälte zu finden, In-formationen zu erhalten und Märkte beschi-cken zu können. Ihnen gebührt eine angemes-sene Entlohnung für ihre Leistungen zum Schutz von Landschaften und zum Erhalt der Artenviel-falt. Nicht jeder Bauernnomade und Kleinbauer will seine jetzige Lebensweise beibehalten. Doch diejenigen, die dies wünschen, sollten auch die Möglichkeit dazu haben.

an der Nordseeküste sind

Schafherden ein wichtiger Teil des

deichschutzes

„Pastoralisten“ und ihr Vieh

Tierhaltung nach Ländern und hauptsächlich genutzten Tierarten, Auswahl

FAO

VicunjaLamasRentiereBüffelYaksEsel, Pferde

KameleDrome-dare

ZiegenSchafeRinder

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FlEISCHaTlaS 201442

I m August 2013 wurde in London der erste „Labor-Burger“ serviert. Diese Substanz wird produziert, indem man aus einzelnen, einem

lebenden Tier entnommenen Zellen Protein-stränge in einer Petrischale züchtet. Es wird ein

großer Aufwand betrieben, um einen fleischähn-lichen Geruchs-, Farb- und Textureindruck zu erreichen, der nach Aussagen der Hersteller in Blindverkostungen nicht von dem echten Fleisch zu unterscheiden ist. Der Grundgedan-

ke ist, dem Verbraucher das Protein zu bieten, ohne Tier und Umwelt zu schädigen.

Von praktischen Fragen einmal abgesehen (dieser erste „Labor-Burger“ kostete in der Her-stellung ca. 250.000 Dollar), bringt dieses Konzept auch grundlegendere Probleme mit sich. Auch wenn Geschmack und Textur weitgehend nach-geahmt werden können, bleibt bei dem „Fleisch“ aus dem Labor außer Acht, dass Tiere eine komple-xe und wichtige Funktion in unserem Ökosystem

wahrnehmen. So erreicht dieses Konzept einen neuen Höhepunkt in der Entfremdung des Men-schen von seinen Nahrungsquellen und den na-türlichen Abläufen, deren Teil wir alle sind.

Eine ökologisch vernünftige Landwirtschaft wäre eine bessere Alternative. Allerdings hat sie es schwer, mit industriellen Großerzeugern zu konkurrieren, die auf Geschwindigkeit und Men-ge setzen. Etikettierungen allein helfen da nicht. Labels, die den EU-Vorgaben für die Erfüllung von Biostandards genügen, enthalten oftmals nicht genügend Informationen, also zum Beispiel über Herkunft und Rasse des Tieres, Tierschutz, Schlachtungs- und Verarbeitungsverfahren sowie Angaben zur Lagerung und Zubereitung des Flei-sches. Damit Produkte wettbewerbsfähig werden, müssen sie sich von der Masse derjenigen abhe-ben, bei denen grundlegende Fragen unbeant-wortet bleiben. Die Produzenten müssen das In-formationsbedürfnis ihrer Kunden ernst nehmen.

Bewusste Verbraucher in der reichen Welt erwarten Fleisch von hoher Qualitätaus umweltfreundlicher, artgerechter Produktion. Als bewusste Akteure im Nahrungsmittelsystem können sie auch „solidarische Landwirtschaft“ treiben.

GUTE lEBENSMITTEl GESUCHT

laborfleischentfernt die Tiere

aus dem Ökosystem mit dem

Menschen

Zertifizierte Öko-landwirtschaft

Anteil an der Agrarfläche, 2009, in Prozent

keine Angaben

bis 0,49 Prozent0,49 bis 3 Prozentüber 3 Prozent

FAO

Afrika Nord- und Südamerika Asien Europa Pazifik Welt

0.94 5.76 3.11 0.780.12 0.25

Viele Bauern weltweit produzieren ökologisch, aber nicht zertifiziert, weil sie nicht über Kunstdünger verfügen.

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43FlEISCHaTlaS 2014

Vor einigen Jahren wurde der Begriff des „Mit-produzenten“ geprägt, um die Macht des Ver-brauchers über eine rein passive Rolle hinaus zu defi nieren und zugleich darauf hinzuweisen, dass er ein aktiver und einfl ussreicher Beteiligter am Produktionsprozess sein kann. Der Mitproduzent ist ein bewusster Akteur innerhalb des Nahrungs-mittelsystems, der auf der Grundlage von Infor-mationen, wer Lebensmittel wie produziert, seine Entscheidungen trifft.

Dies wird mit dem Modell der „solidarischen Landwirtschaft“ in die Praxis umgesetzt. Diese Idee, die in den USA als „Community Supported Agriculture“ (CSA) bekannt wurde und schnell populär geworden ist, sichert den Landwirten ihr Auskommen und unterstützt auf diese Weise ver-antwortungsbewusste Praktiken, etwa extensive Weidetierhaltung. Eine Gruppe von Menschen garantiert dem Landwirt die Abnahme sämtli-cher zur Jahreszeit verfügbaren Erzeugnisse, sei es Gemüse und Fleisch, Milchprodukte oder Honig. Darüber hinaus teilen diese Menschen das Risiko natürlicher Prozesse, etwa schlechter Ernten: Sie zahlen im Voraus und tragen so zur Finanzierung der Produktionskosten über die gesamte Produk-tionskette bei.

Dieses Modell gibt es bereits in mehreren Ländern: in Deutschland unter der Bezeichnung „Solidarische Landwirtschaft“, in Frankreich als „Association pour le maintien d’une agriculture paysanne“ und in Italien unter der Bezeichnung „gruppo di acquisto solidale“. Das Ergebnis ist eine Win-win-Situation für alle Beteiligten. Der Kunde bekommt gute, frische Erzeugnisse. Er kennt ihre Herkunft und weiß, wie sie produziert wurden. Er lernt etwas über die Lebensmittel, die er kon-sumiert, und er erweitert sein soziales Netzwerk. Der Landwirt bekommt fi nanzielle und praktische

Unterstützung und entwickelt eine Beziehung zu seinen Abnehmern. Die Landwirtschaft wird vor Marktschwankungen und der Ausbeutung menschlicher, tierischer oder ökologischer Res-sourcen geschützt, denn geeignete Praktiken schützen Wasser, Luft und Boden.

Eine Änderung der Nahrungsmittelsyste-me ist unerlässlich. Es sind dabei nicht allein die Großunternehmen, die die Regeln für den Lebensmittelmarkt festlegen. Unabhängige Er-zeuger und informierte Verbraucher sind dazu ebenfalls in der Lage.

Schnelles wachstum: Erzeuger-Verbraucher-Gemeinschaften

Zahl der Farmen mit Community Supported Agriculture (CSA)in den USA, Schätzungen

Im Vergleich: Haltungen gegenüber Fleisch

Ansichten deutscher Konsumenten über individuelle und ethische Aspekte des Fleischkonsums, Umfrage 2011

KAYS

ER E

T AL

.

990 Teilnehmer, von denen 34 (3 Prozent) als Vegetarier unberücksichtigt blieben

Vorliebe für Fleisch

Vertrauen in die Nahrungsmittelindustrie

Umweltbewusstsein

Gesundheitsbewusstsein

Auf die Figur achten

Bewusstes Essen von Tieren

Tierschutzbewusstsein

wenig durchschnittlich stark

7,12 19,00 38,31

Fleischverzehr der Teilnehmer, Prozent

Fleischanteil am Essen, Prozent

stark positiv+16 bis +58 Indexpunkteschwach negativ-2 bis -15 Indexpunktestark negativ-16 bis -40 Indexpunkte

Verbraucherverlassen als

„Mitproduzenten“ ihre passive

Rolle

MCF

ADDE

N

3.600

1.000

60

2

20136.000–6.500

2009

2000

1990

1986

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FLEISCHATLAS 201444

w elche Teile eines Tieres von Menschen konsumiert werden, ist von kulturel-len Gewohnheiten geprägt. Ein Blick in

die Kühlregale der Supermärkte in Deutschland zeigt, wie wenig von einem geschlachteten Tier gegessen wird. Koteletts, Schnitzel, Filets, ein paar Schenkel und Flügel machen – neben diversen Wurstwaren – einen großen Anteil des Angebots aus. Das war in vielen Industrieländern bis vor we-nigen Jahrzehnten anders, und ist es bis heute in den meisten Regionen der Welt. Vielerorts wurde

und wird möglichst viel vom Tier verzehrt. Vor allem arme Konsumentinnen und Konsumen-ten können es sich gar nicht leisten, auf diese Nahrung zu verzichten.

In Deutschland gab es noch in den 1960er und 1970er Jahren in Privathaushalten, aber

auch in Kantinen und Gaststätten jede Menge Rezepte, die auf maximaler Verarbeitung frischer Produkte basierten – für Blutwurst und Kuttelsup-pe, Hirn und Zunge bis zu Leber und Niere. Dann sanken die Preise für Fleisch im Vergleich zum Einkommen. Die „Arme-Leute“-Produkte wur-den verdrängt; Supermärkte zerstörten mit ihren Frischfleischtheken die Infrastruktur der kleinen Metzgereien; Tierseuchen und Fleischskandale mehrten sich; die Menschen begannen, sich vor den Nebenprodukten der Schlachterei zu ekeln. Die Nachfrage ging rapide zurück: 1984 aß jeder Westdeutsche im Durchschnitt noch 1,5 Kilo In-nereien. Im Jahr 2002 waren es (in ganz Deutsch-

land) noch 650 Gramm, im Jahr 2013 noch 150. Insgesamt sank der Fleischkonsum in diesem Zeit-raum um 10 Prozent.

Auch wenn die Deutschen nur noch die ih-nen hochwertig scheinenden Teile essen, werden alle geschlachteten Tiere vollständig verwertet, allerdings auf anderen Wegen. Je nach Art ver-zehrt der Mensch jeweils 40 bis 55 Prozent; etwa ein Drittel machen die „edlen“ Fleischteile – vor allem die sprichwörtlichen Filetstücke – aus. Der Rest wird exportiert oder mit den traditionellen Schlachtresten an Haustiere verfüttert, in der Che-mie- und Düngemittelindustrie verwendet oder als „Biokraftstoff“ in den Tank gefüllt.

Im Jahr 2013 entstanden bei 11,4 Millionen Tonnen Lebendgewicht der geschlachteten Tiere rund 4,9 Millionen Tonnen „tierische Nebenpro-dukte“ – worunter alles fällt, was für den mensch-lichen Verzehr nicht geeignet ist oder nicht nach-gefragt wird: Borsten, Fette, Knochen, Innereien, Magen- und Darminhalte und vieles mehr. Der größte Anteil davon wird für die industrielle Pro-duktion genutzt: als Basis für Seifen, Waschmit-tel, Kosmetika, Arzneimittel, Farben, Kunststoffe, Druckertinte, Gummi, Textilien, Altpapier-Recyc-ling, organischen Dünger und unzählige weitere Gegenstände, denen ihre tierischen Inhaltsstoffe nicht anzusehen sind.

Ein großer Teil der „tierischen Nebenproduk-te“ wird zu Futtermittel für Haustiere oder für die Fischzucht verarbeitet. Bis 2001 boten Verarbeiter große Mengen Mehl und Öl geschlachteter und verendeter Tieren an, um mit diesen Eiweiß- und Energielieferanten die Mast zu beschleunigen. Verfüttert wurden diese Substanzen nicht nur an Allesfresser wie Schweine und Geflügel, sondern sogar an sonst nur Pflanzen fressende Wiederkäu-er, also vor allem Rinder. So breitete sich über das Futter der „Rinderwahnsinn“, die Seuche BSE, in den 1990er Jahren immer mehr aus. Seit die EU die Verfütterung von Tiermehl in der Mast verboten hat, sind die Zahlen drastisch gesunken. Im Jahr 2014 gab es in Deutschland zwei Fälle von BSE.

Mehr als vier Kilo Fleisch und Wurst werfen Deutsche pro Kopf und Jahr weg – das entspricht 7,2 Prozent aller Schlachtungen. Auch das Fleisch, das schließlich in den deutschen Durchschnitts-haushalt kommt, wird nicht vollständig verwertet. Die Welternährungsorganisation FAO geht davon aus, dass fast ein Drittel aller Lebensmittel ent-weder verdirbt oder unverdorben weggeworfen wird. Verglichen mit den Verlusten bei Obst, Ge-müse oder Brot wird nur ein relativ geringer Teil

Nur knapp die Hälfte eines zur Schlachtung vorgesehenen Tieres landet als Fleisch und Wurst bei den Konsumentinnen und Konsumenten. Und selbst bei ihnen wird noch viel weggeworfen.

dIE GRoSSE VERGEUdUNG

arme leuteverzehren möglichst

viel vom Tier, Reiche nur das

wenigste

das Schweinesystem

Vor der Schlachtung verendete Tiere

BUN

D

Eine Zuchtsau bekommt in ihrem Leben durchschnittlich 55 Ferkel.

Tot geborenTod in der SäugephaseTod in der FerkelmastTod in der Schweinemast

Tod durch Schlachtung

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45FLEISCHATLAS 2014

Fleisch und Fisch in Deutschland auf diese Weise entsorgt. Auf 6 Prozent beziffert das Bundesminis-terium für Landwirtschaft und Ernährung diesen Anteil an den 82 Kilogramm pro Kopf vermeidba-rer Lebensmittelabfälle, also rund 4,9 Kilogramm. Den Anteil des Fischs im Durchschnittsverzehr herausgerechnet, bleiben aber immerhin 4,3 Kilo-gramm – volle 7,1 Prozent des durchschnittlichen Pro-Kopf-Fleischverzehrs von 60,3 Kilogramm

(2013). Auf die deutschen Schlachttierzahlen um-gerechnet sind es also etwa 45 Millionen Hühn-chen, 4,1 Millionen Schweine und 230.000 Rinder, die nicht hätten gefüttert und getötet werden müssen.

Aus ökologischer und moralischer Sicht ist es also wichtig, alle Ebenen der Verarbeitungs- und Wertschöpfungskette zu betrachten. Nur auf den Endkonsumenten zu schauen reicht nicht aus.

Tierverluste während der Produktion

KTBL

/ L

KV /

EIG

. BER

Zwischen Schlachtung und Verzehr

Verzehrter Anteil eines ganzen Tiers in Deutschland, in Prozent, 2012

Nach Tierarten, in Prozent

BMEL

V

Nicht erfasst: Tod von Mutter-/Zuchttieren, Verluste von Küken vor der Einstallung, Gänse, Ziegen. Balken ohne Durchschnittswerte: keine Angaben* Teilverluste (z. B. Minderge-wicht), bei den Gesamtverlusten nicht berücksichtigt

Rind

37

Huhn

58

Schwein

62

Ente

62

Schaf, Ziege

33

Gans

62

Durchschnittswerte, Richtwerte der Fachliteratur

Minimum, MaximumSchätzungen

2,5

Mutterkuhhaltung Kälberverlust Bullenmast Totalverluste vorzeitige Abgänge* Gesamtverluste

Ferkelerzeugung Saugferkelverluste Ferkelaufzucht Tierverluste Schweinemast Tierverluste Gesamtverluste

Lämmerverluste Totgeburten

Kurzmast Tierverluste Splitting-Verfahren Tierverluste verlängerte Mast Tierverluste Langmast (ökologisch) Tierverluste

Babyputenmast Tierverluste Langmast konventionell Tierverluste (Hennen) Tierverluste (Hähne) Langmast ökologisch Tierverluste (Hennen) Tierverluste (Hähne)

Pekingentenmast Tierverluste

Rind

Pute

Ente

Huhn

Schaf

Schwein

1

3

3

3

4

2,5

3,5

7

3,53,53,5

4,2

20 25

9,7

2

3,326,921,4

0 5 10 15

15,1

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FLEISCHATLAS 201446

d ie Gemeinsame Agrarpolitik der Europä-ischen Union ist ein wichtiger Motor der Industrialisierung und Globalisierung der

Viehproduktion. Bis Anfang der 1990er Jahre ga-rantierte die EU Viehpreise, die deutlich über den Weltmarktpreisen lagen, und schuf so für euro-

päische Landwirte Anreize, ihre Produktion zu steigern. Gleichzeitig garantierte die GAP auch hohe Preise für Getreide, ohne jedoch Förder-mittel für Ölsaaten zu gewähren. Die Handels-politik ihrerseits unterstützte dieses System,

indem hohe Einfuhrzölle auf Vieh und Getrei-de und geringe oder keine Zölle auf Ölsaaten

und Futtermittel erhoben wurden. Diese Politik trieb die Intensivierung der Viehproduktion mit-tels importierter Futtermittel voran – zulasten der Weidehaltung und der in den Mitgliedsländern angebauten Futtermittel.

Schon vor Jahrzehnten wurde die EU zu einem Nettoexporteur von Fleisch- und Molkereiproduk-ten. Da die garantierten Binnenpreise über den Weltmarktpreisen lagen, waren Exporte meist nur durch „Erstattungen“ für Exporteure möglich, um die Differenz zwischen Binnen- und Export-

preisen auszugleichen. Diese Subventionierung erwies sich im internationalen Handel als wesent-licher Streitpunkt. Die Exporte der EU erweckten den Eindruck, die EU produziere landwirtschaft-liche Überschüsse. Bei dieser Diskussion wurde je-doch weitgehend übersehen, dass die Exporte nur aufgrund steigender Futtermittelimporte mög-lich geworden waren.

In zwei Schritten, 2003 und 2005, erfolgte die Abkehr von den Garantiezahlungen hin zu Flächenzahlungen. Seither erhalten Bauern ihre Zuschüsse auf der Basis ihrer Felder, Wiesen und Weiden. Dies gibt Anreize, weniger auf Menge zu produzieren. Dennoch setzte sich der Trend der Umwandlung von Weide- zu Ackerland fort – teil-weise aufgrund neuer Anreize für den Anbau von Mais für Biogas. Die Reform von 2013 bringt prak-tisch kaum Veränderungen. Exportsubventionen sollen künftig durch „Krisenzahlungen“ ergänzt werden. Darüber hinaus steht es den EU-Mitglied-staaten und einzelnen Regionen frei, nachhalti-ge Formen der Viehhaltung wie beispielsweise Weidehaltung und Bioproduktion zusätzlich zu fördern und hierfür Mittel aus einem anderen EU-

Jahrzehntelang hat die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der Europäischen Union die landwirtschaftliche Produktion verzerrt. Zu langsam wird sie umweltbewusster. Aber es ist auch eine GAP vorstellbar, die aktiv für eine sozial und ökologisch vertretbare Viehwirtschaft eintritt.

EINE SINNVollE EU-aGRaRPolITIK

die EU muss damit aufhören,

Großmastanlagen finanziell

zu fördern

Im Schutz von Regulierung und Subventionen – Europas Top 15 der Fleischindustrie

Fleischproduktion, in 1.000 Tonnen, 2010/11

GIR

A

Rind und KalbSchweinGeflügelSchaf

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

12

13

14

15

Vion Food Group, NLDanish Crown AmbA, DKTönnies, DEBigard, FRWestfleisch, DELDC, FRHKScan, FIGruppo Verones, ITCooperl, FRGroupe Doux, FRPlukon Food Group, NLTerrena, FRIrish Food Processors/ABP, IEMoy Park (Marfrig), GB2 Sisters Food Group, GB

2

2.040

7

497

8

487

355

14

13

362

353

1511

416

1

2.525

727

5 3

1.546

410

558

4

941

10

450

912

6

470

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47FLEISCHATLAS 2014

Topf in Anspruch zu nehmen: dem Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums.

Wie aber könnte eine Politik der Europäischen Union aussehen, die nachhaltige Viehhaltung in den Mittelpunkt ihrer Bemühungen zur sozi-al und ökologisch verträglichen Gestaltung der Landwirtschaft stellt? Vier Schritte sind denkbar, um die Fleischpolitik so umzugestalten, dass sie nicht mehr Teil des Problems, sondern vielmehr Teil der Lösung ist.

Erstens sollte die Europäische Kommission ihre Förderung für den Bau von Intensivmastanla-gen einstellen und stattdessen kleine und mit-telständische Unternehmen an benachteiligten Standorten unterstützen, sofern diese ihr Vieh einen großen Teil des Jahres weiden lassen.

Zweitens sollte die EU Landwirte verpflichten, mindestens die Hälfte ihrer Futtermittel auf ih-rem eigenen Hof anzubauen, und hiermit den Wünschen der europäischen Verbraucher Rech-nung tragen. Darüber hinaus könnte die EU den Einsatz genveränderter Futtermittel verbieten. Eindeutige Regelungen für die Beschaffung von Futtermitteln würden regionale und internatio-nale Ungleichgewichte bei Nährstoffen beseiti-gen. Dung und Gülle bräuchten nicht mehr über große Entfernungen hinweg transportiert, son-dern könnten direkt auf dem jeweiligen Hof als Düngemittel eingesetzt werden.

Drittens sollte der Einsatz von Antibiotika in Füt-terungs- und Tränkanlagen verboten werden. Auf diese Weise würden die Tiere individuell und entsprechend tierärztlicher Diagnose be-handelt.

Viertens sollte der Schutz der Nutztiere deut-lich ausgedehnt werden. Jede Nutztierart muss artgerecht gehalten werden. Die EU sollte zu diesem Zweck entsprechende Richt-linien erlassen. So sollten Tiere in überschau-baren Herden gehalten werden, in denen sie ihre natürlichen Rang- und Sozialbeziehungen entwickeln können. Das Vieh sollte sich frei bewegen können, was eine Tierhaltung in Stäl-len ohne Tageslicht oder frische Luft verbieten würde.

Unrealistisch, blauäugig? Dies sind lediglich Re-geln, die viele Viehzüchterverbände seit Jahren für eine biologische Haltung befolgen. Eine Vor-lage für eine nachhaltige Viehwirtschaft existiert also schon seit langem.

Viehhalter sollten die Hälfte ihrer Futtermittel

selbst anbauen müssen

wenn Garantiepreise locken – Rindfleisch- und Butterberge

Einlagerung von Überschüssen,Interventionsmengen in 1.000 Tonnen

EU

0

200

400

600

800

1.000

1.200

1.400

1983 1987 1991 1995 1999 2003 2007 2011 20131985 1989 1993 1997 2001 2005 2009

ButterRindfleisch

Viehbesatz in der Europäischen Union

Tiere für die Fleischerzeugung, 2011, je Hektar Nutzfläche, in Großvieheinheiten

EURO

STAT

2,75Belgien

0,40Bulgarien

0,58Tschechien

1,72dänemark

1,06deutschland

0,35Estland

1,42Irland

0,64Griechenland

0,57Spanien

0,82Frankreich

0,77Italien

1,68Zypern

0,28lettland

1,22luxemburg

0.56Ungarn

4,80Malta

3,35Niederlande

0,77Österreich

0,72Polen

0,58Portugal

0,43Rumänien1.13

Slowenien

0.38Slowakei

0,50Finnland

0,57Schweden

0,86Großbritannien

0,39litauen

mehr als 1,251,0 bis 1,250,75 bis 1,00,5 bis 0,75weniger als 0,5

Besatzdichte Beispiele für die Berechnung von Großvieheinheiten: 0.4 Kalb1.0 Milchkuh0.1 Schaf0.5 Zuchtsau 0.007 Masthahn

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FLEISCHATLAS 201448

AUTorENaUToREN UNd QUEllEN VoNTEXTEN, KaRTEN UNd daTEN

10–11 UNERSÄTTlICHER wElTMaRKT von Christine Chemnitz S. 10: FAO Food Outlook, Juni 2013. S. 11: FAOSTAT. OECD FAO agricultural outlook, 2013–2022

12–13 KoNZENTRaTIoN: dIE ZUKUNFT dER GloBalEN FlEISCHINdUSTRIE von Kathy jo wetter S. 12: FAO Food Outlook, Juni 2013. S. 13: Leatherhead Food Research, ETC Group

14–15 FREIHÄNdlER wITTERN MoRGENlUFTvon Shefali Sharma und Karen Hansen-KuhnS. 14: Bertelsmann-Stiftung/ifo Institut, Die Transatlantische Handels- und Investitions-partnerschaft (THIP), 2013. S. 15: USDA ERS

16–17 RoSaRoT IM KÜHlREGalvon annette jensenS. 16: Euromonitor international, Fast food in China, 2013. Viveat Susan Pinto, Are store additions by food retail chains sustainable? Business Standard, Mumbai, 13. September 2013. S. 17: Euromonitor international, Datagraphic: A Panorama of Packaged Food, 10. Oktober 2013

18–19 IN dEN SCHlaCHTHÖFEN dER wElTvon Marcel SebastianS. 18: Riva Caroline Hodges Denny, Between the Farm and the Farmer’s Market: Slaughterhouses, Regulations, and Alternative Food Networks. Auburn, Alabama 2012. S. 19: FAOSTAT

20–21 dEUTSCHES dUMPING-SCHlaCHTENvon Marcel SebastianS. 20-21: Destatis

22–23 EINE HaNdVoll aRTEN FÜR dIE GaNZE wElT von Kathy jo wetterS. 22: FAO, Livestock’s long shadow, 2006. S. 23: ETC Group; Keith O. Fuglie u. a., Research Investments and Market Structure in the Food Processing, Agricultural Input, and Biofuel Industries Worldwide, USDA ERS, 2011. GEH, Rote Liste 2013. Sarah Beth Moore u. a., Heritage breeds: Saving chickens and cows from extinction, Medill Reports, 3. Juni 2011

24–25 HoRMoNE – dER KaMPF UM daS NEIN von Reinhild BenningS. 24: Sanjai Pingle, Patent expiry hits profitability of 15 global pharma cos in 2012, Pharmabiz, 15. April 2013; Dan Carroll, The Investor’s Guide to Zoetis, Motley Fool, 7. Februar 2013. S. 25: USGS, Occurrence of Pharmaceuticals, Hormones, and Organic Wastewater Compounds in Pennsylvania Waters 2006–09, 2012

26–27 TIERFUTTER VERGEUdET aCKERlaNdvon Stephan BörneckeS. 26–27: WWF, Fleisch frisst Land, 2011. S. 27: FAO: Challenges and opportunities for carbon sequestration in grassland systems, 2010

28–29 SCHNITZEl, wÜRSTCHEN, GlYPHoSaTvon Heike MoldenhauerS. 28: USDA ERS, USGS Pesticide National Synthesis Project. S. 29: FAO Statistical Yearbook 2012, www.centerfordoodsafety.org. Red universitaria de ambiente y salud, El consume de agrotóxicos en Argentina aumenta continuamente, 23. Juni 2013

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49FLEISCHATLAS 2014

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32–33 HÜHNER – wElTwEITER STEIGFlUG IN dIE FaBRIKvon Shefali Sharma und Christine ChemnitzS. 32: FAO, Global livestock production systems, 2011. S. 33: DSW report, 2012; FAO, Food Outlook 11/2012. FAO, Statistical Yearbook 2013

34–35 dIE ZwEIFEl dER REICHEN von Patrick HoldenS. 34: WHO/ FAOSTAT; J. Kearney, Food consumption trends and drivers. Philosophical Transactions of the Royal Society, Biological sciences, 2010. S. 35: OECD FAO Agricultural Outlook 2013–2022, 2013. CME Daily Livestock report, 20. Dezember 2011, und USDA, Livestock, Dairy, and Poultry Outlook, 15. November 2013

36–37dIE NEUE HUNGRIGE MITTElKlaSSE – VoN RIo BIS SCHaNGHaIvon Sascha ZastiralS. 36: FAO, Mapping supply and demand for animal-source foods to 2030, 2011. S. 37: OECD FAO Agricultural Outlook 2013–2022, 2013. FAOSTAT

38–39 URBaNE TIERHalTUNGvon wolfgang Bayer und ann waters-BayerS. 38–39: World Bank/FAO, Urban Agriculture, For Sustainable Poverty Alleviation and Food Security, 2008. S. 39: pluckandfeather.com, Urban Livestock in Oakland, 2011

40–41PRoTEIN aUS GRaS UNd GESTRÜPPvon Evelyn MathiasS. 40: ILRI/Mario Herrero, Food security, livelihoods and livestock in the developing world, 2010. S. 41: FAO, Pastoralism in the new millenium, 2001, mit Ergänzungen der Autorin

42–43 GUTE lEBENSMITTEl GESUCHTvon Ursula Hudson and Carlo PetriniS. 42: FAO Statistical yearbook, 2012. S. 43: Maike Kayser u. a., Analysis of Differences in Meat Consumption Patterns. International Food and Agribusiness Management Review, 2013. Steven McFadden, Unraveling the CSA Number Conundrum, thecalloftheland, 9. Januar 2012

44–45 dIE GRoSSE VERGEUdUNGvon Christine Chemnitz S. 44: B. Hörning: Zum Einsatz von Hormonen in der intensiven Sauenhaltung, BUND 2014. J. Müller: Betriebswirtschaftliche Richtwerte der konventionellen Ferkelproduktion, TLL 2008. VIT: Bericht aus Verden Ferkelerzeugung und Schweinemast, 2008S. 45: LKV Bayern, 2013 (http://bit.ly/1toYZTz). J. Müller (s. o.). LWK Niedersachsen, Land und Forst, agrarforum V, Heft 3 (2009). KTBL: Daten-sammlung Betriebsplanung 2004/05; M. Gauly: Grunddaten und Arbeitszeitbedarfe für die Schafhaltung, In: Abschlussbericht Arbeitspro-gramm Kalkulationsunterlagen, KTBL, Darmstadt 2007. Schierhold/Pieper, Leitfaden Geflügelhal-tung (2008). Geflügeljahrbuch 2004. M. Schmitz-Du-Mont, Arbeitskreis Putenmast (2008). LWK Niedersachsen, Nährstoffkreisläufe beim Geflü-gel, Oldenburg 2009. Arbeitskreis Putenmast: Horizontaler Betriebsvergleich in der Putenmast, 2009. S. Gramzow, Produktionsverfahren Enten-mast, Geflügeljahrbuch 2005. Eigene Berechnun-gen – BMELV-Statistik. www.schweizerfleisch.ch. Universität Göttingen: Geflügelfleischpro-duktion/Rahmenbedingungen, o. J. (http://bit.ly/1tp5xBK). Eigene Berechnungen

46–47 EINE SINNVollE EU-aGRaRPolITIKvon Tobias ReichertS. 46: GIRA, Richard Brown: Structure & dynamics of the European Meat Industry, 2010/11–2015, Brussels 2012. S. 47: Eurostat Livestock Density Index. EU, The Common Agricultural Policy explained, 2004, und DairyCo Market Information, 26. November 2013

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FLEISCHATLAS 201450

HEINRICH-BÖll-STIFTUNG

lE MoNdE dIPloMaTIQUE

BUNd FÜR UMwElT UNd NaTURSCHUTZ dEUTSCHlaNd (BUNd)

Demokratie und Menschenrechte durchsetzen, gegen die Zerstörung unseres globalen Ökosys-tems angehen, patriarchale Herrschaftsstruktu-ren überwinden, in Krisenzonen präventiv den Frieden sichern, die Freiheit des Individuums ge-gen staatliche und wirtschaftliche Übermacht ver-teidigen – das sind die Ziele, die das Handeln der Heinrich-Böll-Stiftung bestimmen. Sie steht zwar den Grünen nahe, ist aber unabhängig und geis-tiger Offenheit verpflichtet.

Mit derzeit 29 Auslandsbüros verfügt sie über ein weltweites Netz für ihr Engagement. Sie arbei-tet mit ihren Landesstiftungen in allen deutschen Bundesländern zusammen, fördert begabte, ge-sellschaftspolitisch engagierte Studierende und Graduierte im In- und Ausland und erleichtert die soziale und politische Teilhabe von Immigrantin-nen und Immigranten.

Hinter dem Atlas der Globalisierung, der vor zehn Jahren erstmals erschienen ist, steht die interna-tionale Monatszeitung Le Monde diplomatique (LMd). Ihre deutsche Ausgabe wird seit 1995 in Berlin unter dem Dach der taz produziert.

LMd berichtet aus aller Welt, wird von Leuten in aller Welt gemacht und auch in aller Welt ge-lesen. Von den weltweit 1,5 Millionen Leserinnen und Lesern haben manche die Zeitung auf Ara-bisch vor Augen, andere lesen sie auf Japanisch, Slowenisch, Norwegisch oder Farsi – insgesamt gibt es über 60 Print- und Online-Ausgaben.

Wie in der globalisierten Welt alles mit allem zusammenhängt, wird nicht zuletzt durch die Karten und Grafiken verständlich, die Philippe Rekacewicz, der Initiator des Atlas der Globalisie-rung, entwickelt hat. Seine „engagierte Kartogra-fie“ ist das wichtigste Bindeglied zwischen der Mo-natszeitung Le Monde diplomatique und dem Atlas der Globalisierung.

Der BUND setzt sich ein für den Schutz der Natur und Umwelt – damit die Erde für alle, die auf ihr leben, bewohnbar bleibt. Wir engagieren uns für eine bäuerlich-ökologische Landwirtschaft, ge-sunde Lebensmittel, für den Schutz des Klimas, der Wälder und des Wassers, für den Ausbau rege-nerativer Energien und für bedrohte Arten.

Als einer der großen Umweltverbände in Deutschland verstehen wir uns als treibende ge-sellschaftliche Kraft für ökologische Erneuerung mit sozialer Gerechtigkeit. Unsere Vision ist ein zukunftsfähiges Land in einer zukunftsfähigen und friedfertigen Welt. Der BUND ist Mitglied von Friends of the Earth International, dem welt-größten Netzwerk unabhängiger Umweltgrup-pen.

Bund für Umwelt und Naturschutz deutschlandAm Köllnischen Park 1, 10179 Berlin, www.bund.net

le Monde diplomatiqueRudi-Dutschke-Str. 23, 10969 Berlin, www.monde-diplomatique.de

Heinrich-Böll-StiftungSchumannstr. 8, 10117 Berlin, www.boell.de

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FLEISCHATLASDaten und Fakten über Tiere als Nahrungsmittel 2014

NEUE THEMEN

FLEISCHATLAS2014

Die App zum FLEISCHATLAS www.boell.de/fl eischatlas2013

FLEISCHPLAKATE Satz von acht Motiven, DIN A1 2013

FLEISCHATLAS 2013 Download: www.boell.de/fleischatlas

Daten und Fakten über Tiere als Nahrungsmittel

HüHner, DAS KAPITAL AfrIKAnIScHer frAuen Zwischen rechtlosigkeit und Marktbeherrschung

InEntwicklungsländernstammtvielGeflügelfleischausHinterhof-oderkleinbäuerlicherHaltung,oftnurfürdenEigenbedarf.

InvielenGesellschaftenAfrikasistdieHühnerzuchtFrauensache.EinnahmendurchEierhandel,SchlachtungundVerkaufsenkendieAbhängigkeitvomEhemann.Als„lebendigeSparkasse“dienensiederSicherheitinNotzeiten.

BrustfiletsvonHühnernundPutenboomen.AndereHühnerteilesindinderEUkaumnochverkäuflichundwerdenzuBilligpreisennachAfrikaexportiert.MitschlimmenFolgen:WodieTiefkühlschiffeanlegen,löschensiedieeinheimischeProduktionaus.

Welt-fleischpreise im Vergleich

Indices,2002–2004=100

2006 2009 2010 2011 201270

100

130

160

190

220

2008

Rindfleisch

GeflügelfleischSchweinefleisch

Schaffleisch

FAO

FAO

13

5327

7

818

74

eigentum an Hühnern

eigentum an Hühnern

Verkauf von eiern Verzehr von eiern0

20

40

60

80

100 entscheidungsfindung

0

10

20

30

40

50

60

70

Stallbau Misten füttern Tränken Verkauf von Hühnern

Verkauf von eiern

Pflege bei Krankheit

Arbeitsteilige Hühnerwirtschaft

DörflicheHaushalteinDodoma,Tansania

159

76

Kauf und Verkauf von Hühnern

VerteilungvonArbeit,EntscheidungenundEigentumsrechtenanHühnerninAfrika,nachGeschlechtundFamilienbeziehungen,in%

DörflicheHaushalteinderWesternDivision,Gambia

FrauenMännerKinderFamilieFrauenundKinderFrauenundMänner

Größte afrikanische Importländer für Geflügel

in1.000Tonnen,2011Schätzung,2012Prognose

thep

oultr

ysite

.com

2000 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 20120

50

100

150

200

250

300

Angola Benin D.R.Kongo Ghana Südafrika

259 513 612680 705

763995

1.233

1.300

alleGeflügelimportenachAfrikaAngolaBeninD.R.KongoGhanaSüdafrikaalleGeflügel-importenachAfrika

FLEISCHATLAS 2013 Download: www.boell.de/fleischatlas

Daten und Fakten über Tiere als Nahrungsmittel

Massentierhaltungverschwendetdas Regen-undTrinkwasser,überdüngtdie GewässerundemittiertTreibhausgase. AusWeiden,wichtigenCO2-Speichern, werdenÄckerfürdenFutteranbau.

RinderstoßendenKlimakillerMethanaus.StimmenFuttermix,DüngungundBestandsdichteaufderWeide,kanndieÖkobilanzneutralwerden.Undpositiv,fallsdieWeidefrühereinAckerwar.

Wasser, Klima, artenvielfalt

Stickstoffbelastung

niedrigmittelhochsehrhoch

11

2

Belgien

17

1

Dänemark

56

12

Deutschland

25

irland

35

6

spanien

2016

frankreich16

10

italien

13

4

niederlande

62

Österreich

18

4

Polen

89

Großbritannien

Produktionin100.000Tonnen,2011

RindfleischSchweinefleisch

Euro

stat

fleischerzeugung und stickstoffbelastung in europa

emissionen durch tierische nahrungsmittel in Deutschland

DirekteEmissioneninProzentundKilogrammCO2-ÄquivalentproPersonundJahr

WW

F

virtuelles Wasser

ZurHerstellungvon1kgoder1LwirdanWasserbenötigt:

wat

erfo

otpr

int.o

rg

reis

eier

Zucker

Weizen

milch

Äpfel 700 l

Bier300 l

Kartoffeln 255 l

tomaten 184 l

möhren 131 l

Käse

rind-fleisch

3.400 l

3.300 l

1.500 l

1.300 l

1.000 l

15.455 l

5.000 l

1Badewanneentsprichtetwa140LiterWasser.

435 kg

260 kg

82 kg

149 kg

29 kg

89 kg

milchpulver179 kg

Käse

Butter

frischmilcherzeugnisse

schweinefleisch

rind- und Kalbfleisch

Geflügelfleisch

26 kgeier

40,7 %

23,6 %

1,3 %fleisch, fleischerzeugnisse

pflanzlich

milch, milchprodukte

eier, eierwaren

fisch3,2 %

31,2 %

2.003 kg

FLEISCHATLAS 2013 Download: www.boell.de/fleischatlas

Daten und Fakten über Tiere als Nahrungsmittel

Gentechnikprodukte und ihre Kritiker

Anbauflächen mit gentechnisch veränderten Pflanzen, in Millionen Hektar

Futtermittel Für milliarden

Verbot

Kennzeichnungspflicht

für die meisten Produkte, bis 1 Prozent einer Zutat ungekennzeichnet; in der EU bis 0,9 Prozent, wenn gentechnische Verunreinigung zufällig oder technisch unvermeidbar; die absichtliche Zufügung ist verboten für viele Produkte, bis 1 Prozent des Gesamt produkts ungekennzeichnet für wenige Produkte, mit vielen Ausnahmen

Regelungen für genmanipulierte Nahrungsmittel

FAO,

cen

terf

orfo

odsa

fety

.org

Millionen Tonnen, 2010

ProduktionExportImport

argentinien

14

53

Brasilien

26

69

China

15

57

indien

13

uSa

42

91

Kanada

34eu-27

16

Sojabohnen – Produktion und Welthandel Vieh ist hungrig. In Deutschland frisst es mehr als die Hälfte der Ernte. Aber das reicht nicht: Zusätzliches Kraftfutter soll die Mast beschleunigen. Es wird aus Übersee importiert.

In Lateinamerika wächst der Eiweißlieferant Soja für die EU-Tierproduktion auf 17 Millionen Hektar – so viel wie alle

Agrarflächen Deutschlands. Das Soja ist meist gentechnisch verändert. Aus Flugzeugen werden die Felder mit Pestiziden besprüht, die auch die Anwohner vergiften.

Der Soja-Anbau fördert das Abholzen: Auch der Verlust von Weiden treibt Brasiliens Rinderzüchter in den Regenwald.

rinder drängen an den amazonas

Rinder pro km2

01 – 300> 300historische Grenze des Regenwaldes

FAO,

WW

F

FAO

STAT

über 93 – 91 – 30,01 – 10

FLEISCHATLAS 2013 Download: www.boell.de/fleischatlas

Daten und Fakten über Tiere als Nahrungsmittel

EinE FragE dEr Haltungder lange Weg zu mehr Bewegung

Zentren der Massenhaltung von Schweinen

immer resistenter, immer gefährlicher

Häufige Erreger und die Anzahl der Anti-biotika-Klassen, gegen die sie resistent sind: über 4 3 2 1

Erreger sind noch nicht resistent: sensibel

Proben in Prozent

BVL

Je enger, desto profitabler: Die industrielle Tierhaltung nimmt zu, wenn Betriebe weniger für Boden, Arbeit und Heizung aufwenden wollen. Auch Tierschutz gilt als Kostenfaktor. Und das lebensgefährliche Geschäft mit den Antibiotika boomt.

Vorschriften über die Bedingungen in den Ställen der Fleisch-industrie müssen nicht nur vorhanden sein, sondern auch eingehalten und kontrolliert werden. Selbst dann kann von artgerechter Haltung oft nicht die Rede sein. Hilfreich wäre, Fleisch so zu etikettieren, dass die Haltungsbedingungen des Tieres daraus ersehen werden können.

0

20

40

60

80

100

Putenfleisch Mastpute (Halshaut)

Mastpute (gesamt)

Masthähnchen Putenfleisch Mastpute (Halshaut)

Putenfleisch Mastpute (gesamt)

Masthähnchen Mastkalb

Salmonellen Campylobacter jejuni Escherichia coli

FAO

Entwicklung der Haltungsflächen von Hühnern in der EU, in cm2 pro Tier

BUN

D

Bodenhaltung

Käfighaltung (bis 2009)

Käfighaltung (bis 2003)

1.111

550450

624

a4-Blatt (21,0 x 29,7 cm)

Ökohaltung

1.667

und 4 m2 auslauf im Freien

Ökohaltung

Freilandhaltung

Bodenhaltung

Käfighaltung

Eierstempelcodes

1

2

0

3

0

und 4 m2 auslauf im Freien

Freilandhaltung

1.111

Käfighaltung

800

900 cm2 bei über 2 kg gewicht

1

32

100.000 Tiere10 Millionen Tiere

Viele Erreger dieser Bakteriengruppen können bei Menschen zu schweren, auch tödlichen Durchfallerkrankungen führen

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Daten und Fakten über Tiere als Nahrungsmittel

Vegetarier – relativ und absolut

Gal

lup,

NVS

, SN

S, V

EBU

USADeutschlandIndien

USA

Deutschland

Indien

15

4 7

2 1

2,20,1

31

Millionen Vegetarier

375

MännerFrauenMänner und FrauenVeganer (Männer und Frauen)

Selbst- oder Fremdbezeichnung als Vegetarier oder Veganer, in Prozent der Bevölkerung

InDIVIDUelle AlternAtIVen Die Biobauern kommen

Kaum eine Kantine oder Uni-Mensa verzichtet heute noch auf fleischlose Gerichte. In den Industrieländern ist es für jüngere Leute nicht mehr ungewöhnlich, vegetarisch oder vegan zu leben. Produkte und Rezepte stehen reichlich zur Verfügung.

Für den Verzicht auf jede Nutzung tierischer Produkte nennt der Veganismus ethische, ökologische und politische Gründe: Tiere dürfen nicht genutzt, ausgebeutet und getötet werden.

Wer weder auf Fleisch verzichten noch die Massentierhaltung fördern und die Umwelt belasten will, findet Angebote aus

regionaler, ökologischer Haltung. Im städtischen Umkreis sind Erzeuger-/Käufergemeinschaften für Fleisch eine Alternative.

April 2009 April 2010 April 2011 April 2012 April 20130

5

10

15

20

25

30

19.00016.000

19.00016.000

24.000

19.00023.000

26.000

Zertifizierte Ökolandwirtschaft, Anteil an der Gesamtanbaufläche

neugier: „Vegetarismus“ und „Veganismus“ in der Wikipedia

stat

s.gr

ok.s

e

Seitenaufrufe pro Monat

„Vegetarismus“ „Veganismus“

8,5* * 2012, lt. Vegetarierbund

FAO

31.000

21.000

35

über 10 Prozent5 – 101 – 50,5 – 1weniger als 0,5

1,5 7*

FLEISCHATLAS 2013 Download: www.boell.de/fleischatlas

Daten und Fakten über Tiere als Nahrungsmittel

SpeiSeplan der MittelSchichtauf den tellern der Welt

Fleischverbrauch pro Kopf 2012, Schätzung, in kg,Karkassengewicht (nach Ausweidung)

Verbrauch

Welt, Prognose 2012, kg pro Kopf

eigenverbrauch und handel

Welt, Prognose 2012, in Millionen Tonnen

handel

Welt, Prognose 2012, in Prozent

produktion

Welt, Prognose 2012, in Millionen Tonnen

IndustrieländerWelt (gewichteter Durchschnitt)

104,5

110,8

66,813,9

13,0

7,48,0

0,8

79,0

32,7

Verbrauch Export

10

90

FAO

42,5301,8 29,4

Schweinefleisch GeflügelfleischRindfleisch Schaffleisch andere

Schweinefleisch GeflügelfleischRindfleisch Schaffleisch andere

100

Entwicklungs- und Schwellenländer

Wo in den Schwellen- und Entwicklungsländern der Wohlstand wächst, entstehen neue Mittelschichten. Sie orientieren sich an den reichen Ländern. Fleisch gilt als Proteinlieferant und Kraftspender, aber auch als Symbol für Aufstieg und Luxus. Daher steigt der weltweite Verbrauch. Anders ist die Lage in den Industrieländern. Hier stagniert die Nachfrage, allerdings auf viel zu hohem Niveau.

Das Schwein gilt in weiten Teilen Nordafrikas und Asiens als unrein. Dennoch dominiert es die Teller der Welt. Bald wird es vom Huhn überflügelt, dem billigsten aller Fleischlieferanten.

Kleine tiere in großen Massen – Geflügel boomt

Erzeugung, Trends und Prognosen, in Mio. Tonnen

RindfleischSchweinefleischGeflügelfleischSchaffleisch

OEC

D/FA

O

1995 1999 2003 2007 2011 2015 20190

20

40

60

80

100

120

140

2021

FAO

FAO

FAO

Geflügel

Schwein

rind

38,7

23,0

50,5

australien

31,0

17,0

14,9

Mexiko

27,6

36,8

50,1

USa

36,530,7

28,3

Kanada

argentinien

38,6

59,7

8,1

38,5

40,7

13,3

Brasilien

37,8

18,6

6,9

Südafrika

41,3

15,5 23,6

eU-27

17,9

24,1

25,3

russland

38,8

5,0 14,0

china

20,0

9,819,1

Japan

7,37,8

2,9

indonesien

32,7

12,7 16,9

Südkorea

2,4

0,21,5

indien

DSW

, FAO

FLEISCHATLAS 2013 Download: www.boell.de/fleischatlas

Daten und Fakten über Tiere als Nahrungsmittel

Fleischkonsum in deutschland1094 tiere auf dem teller essverhalten nach Bundesländern

Wort und tat – eine systematik

NVS

Fleisch- und Wurstverzehr in Gramm/Tag

VEBU

Deutscher Durchschnittsverbrauch im Laufe des Lebens

46 schweine

46 Puten

37 enten

12 Gänse4 schafe4 Rinder

945 hühner

Früher galt Fleisch in Deutschland als gesund und lebenswichtig. Heute ist dieses Vertrauen verschwunden. Nach den vielen Skandalen haben die Fleischkonzerne ein schlechteres Image als die Chemische Industrie.

Dennoch: Der Verzehr sinkt kaum. Die meisten Deutschen essen täglich oder fast täglich Fleisch und Wurst, Männer

mehr als Frauen, Jüngere mehr als Alte und Ostler mehr als Westler. Übrigens sind inzwischen rund zwei Drittel aller Fleischeinkäufe in Plastik abgepackt.

Traditionelle Supermärkte bieten noch wenig Alternativen. Ob dort, beim Öko-Metzger oder im Bioladen: Wer Fleisch aus Massentierhaltung meidet, fördert nachhaltige Landwirtschaft.

Fleischverzehr und -skandale

Frauen

40 – 4546 – 50

51 – 55über 55

45

60

männer

90 – 9596 – 100

101 – 105über 105

117

92

Verzehr in Deutschland pro Kopf, in Kilogramm

DPA,

BVD

F

2013

• Die Vogelgrippe mit Massenkeulungen in ganz Deutschland flaut ab

• Schweinefleisch aus Irland ist mit Dioxin vergiftet

• Eine neuer Schweinegrippe- Virus ängstigt die Welt, ist dann aber harmlos

2009

• Dioxin in „Bio-Mais“ erschüttert die Glaubwür-digkeit der Bio-Höfe

• TV-Berichte über „Klebe-fleisch“ aus Schinkenteilen

2010

• Hygienemängel beim Geflügel-Marktführer Wiesenhof

• Gammelfleischskandal von 2006 vor Gericht

• Pferdefleischskandal mit europäischen Ausmaßen

2008 2011

• Ekelfleischskandal von 2007 vor Gericht

• Dioxin in konventionel-lem Tierfutter von bis zu 5.000 Höfen

2012

60,7 60,7 61,3 61 59,5

Rind, KalbSchweinGeflügelSonstiges

0

10

20

30

40

Gesamtkonsum/ Verbrauch

Verzehr

aufgenommene nahrung

Schlachtung

Zubereitung

• minus Knochen, Schwarten, Fett und untaugliches Fleisch

• minus Futter, Tierfertignahrung, industrielle Weiterverarbeitung

• insgesamt ca. minus 20 Prozent

• minus Abfälle bei der Zubereitung und Speisereste

• minus Haustier-Frischfutter• insgesamt ca. minus 5 Prozent

• Deutschland ist Netto-Exporteur von Fleisch und Fleischwaren. Auch Zu- und Abnahmen von Lagermengen werden bilanziert.

• insgesamt ca. minus 10 Prozent

Produktion/ erzeugung globaler Handel

SOIL ATLASFacts and fi gures about earth, land and fi elds 2015

BODENATLASDaten und Fakten über Acker, Land und Erde 2015

ATLAS MASAPříběhy a fakta o zvířatech, která jíme

SoIL ATLAS2015

BoDENATLAS2015

EXTRA: ABFALL UND VERSCHWENDUNG

La réalité et les chiffres sur les animaux que nous consommons

FLEISCHATLASInternationale Ausgaben2014/2015

ET ATLASIYediğimiz hayvanlar hakkında gerçekler ve rakamlar

MEAT ATLASFacts and fi gures about the animals we eat

ATLAS CARNEHechos y cifras sobre los animales que comemos

DELA

FLEISCHATLAS EXTrA: ABFALL UND VErSCHWENDUNG2014

FLEISCHATLASDaten und Fakten über Tiere als Nahrungsmittel 2013

FLEISCHATLAS 2013

Page 52: FLEISCHATLAS - boell.de · IMPRESSUM Der FLEISCHATLAS 2014 ist ein Kooperationsprojekt von Heinrich-Böll-Stiftung, Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland und Le Monde diplomatique.

Der Verbraucher erfährt viel zu wenig über das Fleisch, das er kauft.

aus: GUTE lEBENSMITTEl GESUCHT, Seite 43

Die weltweit hohe Nachfrage nach Hühnern liegt am Anstieg der Kaufkraft, nicht am Bevölkerungszuwachs.

aus: wElTwEITER STEIlFlUG IN dIE FaBRIK, Seite 32

Das Transatlantische Handelsabkommen könnte zu mehr Antibiotika im Fleisch und zu weniger Tierschutz führen.

aus: FREIHÄNdlER wITTERN MoRGENlUFT, Seite 14

Um mehrfach im Jahr säen zu können, macht Glyphosat die Böden immer wieder pflanzenfrei.

aus: aRGENTINIEN, daS Soja-REICH, Seite 31

3 244 000 Rinder

25 460 000 Enten

530 000 Gänse

37 700 000 Puten

58 350 000 Schweine 627 941 000 Hühner

2006 2009 2010 2011 201270

100

130

160

190

220

2008 2013

2

8

487

355

13

362

353

1511

416

1

2,525

727

5 3

1,546

410

558

4

941

10

450

912

6

470


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