Biotopverbund: Pilotprojekt Moritzburg
FFH-Monitoring und Natura-2000-Managementplanung
in Deutschland
Hintergründe, Probleme, Perspektiven
Jens Sachteleben
FFH-Monitoring in Thüringen: warum?
Warum FFH-Monitoring?
� FFH-Richtlinie, Art. 11: FFH-Monitoring für alle Arten und Lebensraumtypen
� FFH-Richtlinie, Art. 17(1): Berichtspflichten alle 6 Jahre
FFH-Monitoring: Vorgaben
Vorgaben für das FFH-Monitoring
� Dokument der Kommission (Doc. Hab.-11-05/03) zu den Berichtspflichten
• Bezugsraum: biogeografische Region
• 6 für das Monitoringwesentliche Parameter
• 4 Bewertungsstufen
• ansonsten: relativ große Freiheit hinsichtlich der Methodik
Arten Lebensraumtypen
Verbreitungsgebiet („range“)
Zukunftsaussichten („future prospects“)
Population: Größe,
Entwicklung, Struktur
Fläche („areacovered“):
Größe, Entwicklung, Verbreitungsbild
Habitat: Größe und Qualität
„specific structuresand functions“
„green“: günstig
„amber“: ungünstig - unzureichend
„red“: ungünstig - schlecht
„unknown“: unbekannt
FFH-Monitoring: warum so und nicht anders?
FFH-Monitoring in Deutschland: Hintergründe
� Für den Naturschutz zuständig: 16 Bundesländer
� In den Ländern für Umsetzung der FFH-Richtlinie zuständig: i.d.R. jeweils mindestens 2 Behörden
� Gegenüber der EU berichtspflichtig: Bund
� F+E-Vorhaben 2005-2007
Kernfrage:
Welches Monitoring erlaubt gerade noch wissenschaftlich tragfähige Aussagen bei
möglichst geringem Mitteleinsatz und höchstmöglicher Flexibilität?
FFH-Monitoring in Thüringen: warum so und nicht anders?
FFH-Monitoring in Deutschland: Problem: Vergleichbarkeit der Bewertung in Deutschland und in der EU
EU-Bewertung Vorgabe der LANA
„green“: günstig A: sehr gut
„amber“: ungünstig -unzureichend
B: gut
„red“: ungünstig - schlecht C: mittel-schlecht
„unknown“: unbekannt unbekannt
Lösung: Entwicklung eines „Umrechnungsalgorithmus“
FFH-Monitoring: warum so und nicht anders?
FFH-Monitoring in Deutschland: Problem: Vergleichbarkeit der Bewertung in den Bundesländern
Lösung: Entwicklung einer deutschlandweit gültigen Bewertung
Zustand der Population
A (sehr gut) B (gut) C (mittel–schlecht)
Zählgröße Falter LG Falter LG Falter LG
Bund > 150 > 75 50–75 11–75 < 50 1–10
Bayern > 250 > 100 51–250 11–100 ≤ 50 ≤ 10
Baden-Württemberg > 21 > 21 6–20 6–20 ≤ 5 ≤ 5
Nordrhein-Westfalen > 40 > 30 10–40 6–30 < 10 1–5
Beispiel: Bewertung der Population des Abbiss-Scheckenfalters
Fallbeispiel: 25 Falter
"Experten" "Kenner" alle
Einzelbewertung A B C Einzelbew. A B C A B C "Fehlerquote"
Populationsgröße B B C C B B B B B 0% 78% 22% B B C C B B 0% 67% 33% 0% 73% 27% 27% Population
Populationsstruktur A A C B C B C C C 22% 22% 56% A A C C A A 67% 0% 33% 40% 13% 47% 53%
Flachwasser A A A A B A B A A 78% 22% 0% B B B B B A 17% 83% 0% 53% 47% 0% 47%
Besonnung B B B B B B B A B 11% 89% 0% B B B C B B 0% 83% 17% 7% 87% 7% 13%
Vegetation B A C A C A B B A 44% 33% 22% A B C B A A 50% 33% 17% 47% 33% 20% 53%
Austrocknung B B B B B B B A B 11% 89% 0% B B B A C B 17% 67% 17% 13% 80% 7% 20%
Landhabitat C C B B B B A B B 11% 67% 22% B B C B B B 0% 83% 17% 7% 73% 20% 27%
Boden A A B A A A A A B 78% 22% 0% A B A A A A 83% 17% 0% 80% 20% 0% 20%
Habitat
nächstes Vorkommen A A B C A C A B A 56% 22% 22% A B A B B A 50% 50% 0% 53% 33% 13% 47%
Fischbestand B C C C C C C B C 0% 22% 78% C C C C C C 0% 0% 100% 0% 13% 87% 13%
Nutzung B B C B B B C B C 0% 67% 33% C B B B C A 17% 50% 33% 7% 60% 33% 40%
Einträge C A C B C B A B C 22% 33% 44% C A C B C C 17% 17% 67% 20% 27% 53% 47%
Sukzession A B B A A A B B 44% 44% 0% A A B B A 50% 33% 0% 47% 40% 0% 53%
Maschinen C C C B C C C B C 0% 22% 78% C C C B C C 0% 17% 83% 0% 20% 80% 20%
Mahd C C C B C C B B B 0% 44% 56% C A C C C C 17% 0% 83% 7% 27% 67% 33%
Dünger/Biozide C C B A C B C B C 11% 33% 56% C C C C C C 0% 0% 100% 7% 20% 73% 27%
Fahrwege B B B A B B B B B 11% 89% 0% B B B B B B 0% 100% 0% 7% 93% 0% 7%
Beeintr.
Isolation B B B B B C A B B 11% 78% 11% B B B B C B 0% 83% 17% 7% 80% 13% 20%
FFH-Monitoring: warum so und nicht anders?
FFH-Monitoring in Deutschland: Problem: Interpretationsspielräume bei der Bewertung
Lösung: Operationalisierung der Bewertungsbögen
Beispiel: Bewertung einer hypothetischer Knoblauchkröten-Population durch Experten
„Bewertungsbögen“ als wesentliche
Grundlage
> 50/100 m 25-50/100 m < 25/100 m
> 5/100m und> 10m²/100m
2-5/100m und2-10m²/100m
< 2/100m und< 10m²/100m
FFH-Monitoring: warum so und nicht anders?
FFH-Monitoring in Deutschland: Problem: Was wird untersucht?
Lösung:
Definition von „Hilfsgrößen“ zur Abgrenzung von Vorkommen
Beispiel: Laubfrosch
Einzelvorkommen
„Metapopulationen“
FFH-Monitoring: warum so und nicht anders?
FFH-Monitoring in Deutschland: Problem: Wie viele Probeflächen sind nötig?
Basis: absolute Zahlen Basis: Größenklassen
Lösung: bei häufigen Schutzgütern 63 Stichproben, bei seltenen Schutzgütern Totalzensus – pro biogeografischer Region!
FFH-Monitoring: warum so und nicht anders?
FFH-Monitoring in Deutschland: Problem: Wie wird das Verbreitungsgebiet abgegrenzt?
Lösung:
GIS-Algorithmus zur Abgrenzung des Verbreitungsgebiets
Beispiel: Gelbbauchunke
TK mit Vorkommen
Verbreitungsgebiet
FFH-Monitoring: warum so und nicht anders?
FFH-Monitoring in Deutschland: weitere Aspekte
� Maximale Synergieeffekte:
• Meeresmonitoring: 9 Arten/12 LRT
• Küstenmonitoring: 9 LRT
• Wasser-Rahmenrichtlinie: diverse Fische
• Wanderfische: 6 Arten (Nutzung bestehender geeigneter Probepunkte, Wanderstrecke zählt als ein Vorkommen)
• Bundeswaldinventur: 3 LRT
� Gemeinsame Formate und Datenbanken
FFH-Monitoring in Deutschland: aktueller Stand
FFH-Monitoring in Deutschland: aktuelle Probleme
� Aktualisierte Vorgaben der EU:
• Maßeinheit für Populationen: Individuen
• Abweichendes Raster (statt TK 25 � UTM 10x10 km)
• …
� Verspäteter Beginn des Monitorings für die aktuelle Berichtsperiode (2007-2012)
� Einige Bundesländer liefern nicht vollständig.
FFH-Monitoring in Deutschland: aktueller Stand
FFH-Monitoring in Deutschland: Aufwand
� insgesamt >12.000 Probeflächen!
FFH-Managementplanung in Deutschland
FFH-Managementplanung: Vorgaben
� FFH-Richtlinie, Art. 6(1):
• Mitgliedsstaaten legen Erhaltungsmaßnahmen fest
• Bewirtschaftungspläne (= Managementpläne) bei Bedarf
� Auf EU-Ebene: „Galway-Seminar“ 1996 �Empfehlung eines Fachgremiums zum Inhalt von MP
� Auf Bundesebene: Empfehlungen des BfN
• zum Inhalt von MP (Checkliste 2010)
• zur Priorisierung (Ergebnis eines Seminars 2006)
FFH-Managementplanung in Deutschland
Galway-Seminar „Fachstandard” (BfN) „gegen Planeritis” (LPV)
politische Aussage zur Verbindlichkeit des MP
Kap. „Gesetzliche und administrative Grundlagen“
rechtliche Restriktionen sollen aufgezeigt werden
Ist-Zustand der FFH-Schutzgüter
Bestand und Bewertung auf Basis einheitlicher
Bewertungsschlüssel
Schwerpunkt derzeit „zu sehr auf einer akribischen Bestandsaufnahme“
kurz- und langfristig zu erreichenden Schutzziele
Erhaltungs- und Entwicklungsziele
„klare Ziele“
Beschreibung der Hemmnisse und Akteure, die den Zielen
entgegenstehen
Kap. „Nutzungen, Belastungen und Gefährdungen“
?
Zusammenstellung der realistisch umsetzbaren
Maßnahmen
Erhaltungs- und Entwicklungsmaßnahmen
Maßnahmen sind praktikabel und zielorientiert/ Flexibilität in der
UmsetzungZeit- und Kostenplan Zeit- und Kostenplan einvernehmlich festgelegte
transparente ZeitplanungVorschläge für Monitoring und
ErfolgskontrolleKap. „Monitoring und
Erfolgskontrolle“„Begleitendes Monitoring prüft die
Effektivität der Maßnahmen.“
Konzeption für die Beteiligung der Öffentlichkeit
Teil des Planungsprozesses: möglichst ergebnisoffenes
Beteiligungsverfahren
Beteiligung als wesentliches Element der MP
Forderung nach klaren Umsetzungsinstrumenten und Budgets
sowie Gebietsbetreuung
FFH-Managementplanung in Deutschland
FFH-Managementplanung: politische Aussagen
� Beispiel Bayern: „Der Managementplan ist eine für die zuständigen staatlichen Behörden verbindliche …Handlungsanleitung. Er … hat jedoch keine rechtliche Bindungswirkung für die ausgeübte Nutzung durch die Grundeigentümer. Für private Grundeigentümer begründet der Managementplan daher keine unmittelbaren Verpflichtungen. Rechtsverbindlich ist nur das gesetzliche Verschlechterungsverbot(nach Art. 13c BayNatSchG), das unabhängig vom Managementplan greift. …Ob Maßnahmen in Konflikt mit dem Verschlechterungsverbot geraten können, muss jeweils im konkreten Einzelfall beurteilt werden.“
� Beispiel Baden-Württemberg: kein Standardtext
FFH-Managementplanung in Deutschland
FFH-Managementplanung: Erfassung und Bewertung
� positiv: standardisierte Erfassung
� positiv: flächen-deckendeErfassung bei einigen Schutzgütern
� negativ: nicht immer flächendeckende Erfassung
� negativ: Beschränkung auf FFH-Schutzgüter
Natura-2000-MP PfäfflingerWiesen:
Bestand FFH-LRT und -Arten
FFH-Managementplanung in Deutschland
FFH-Managementplanung: Zielaussagen
� Beispiel Bayern (MP Wörnitzaue): „Erhaltung bzw. Wiederherstellung der Populationen von … Rotmilan … sowie ihrer Lebensräume, insbesondere großflächiger, störungsarmer, weitgehend unzerschnittener Offenland-Gebiete … mit Alt- und Starkholzbeständen in Wäldern, Feldgehölzen, Baumreihen und Einzelbäume als Bruthabitate, sowie extensiv genutzter Offenlandbereiche mit … (Feucht-) Grünland und Gewässern als Nahrungshabitate; Erhaltung bzw. Wiederherstellung störungsfreier Areale zur Brutzeit (Anfang März bis Ende August) von etwa 200 m um die Horstbäume und deren Erhalt. “
� Zentrale Zielaussage (Erhaltung der Population) ist enthalten
� Wichtige Habitatelemente sind genannt
� Aber: Ziele sind nicht operationalisiert
FFH-Managementplanung in Deutschland
FFH-Managementplanung: Maßnahmenplanung
� i.d.R. sind die Möglichkeiten der Maßnahmenplanung sehr flexibel und eher von den Fähigkeiten des Planers abhängig
FFH-Managementplanung in Deutschland
FFH-Managementplanung: Zeit- und Kostenplan/ Monitoring
� Beispiel Bayern: -
� Beispiel Baden-Württemberg: -
� generell: ca. die Hälfte der Bundesländer haben einen Zeit- und Kostenplan
� Aussagen zu Erfolgskontrolle und Monitoring z. B. in den PEPL in BB, zumindest teilweise (in anderen Bundesländern) aber eher allgemein gehalten
� außerdem: Die Zeitplanung ist in vielen Fällen unter den derzeitigen Umständen nicht kalkulierbar.
FFH-Managementplanung in Deutschland
FFH-Managementplanung: Umsetzung in Bayern
� Umsetzungsgrad der fertig gestellten MP: keine Daten
� Falltypen
• keine Umsetzung
• „Umsetzung im Alltag“: vor allem mit Vertragsnaturschutz/ Fortseinrichtung u.ä.
• Umsetzung im Rahmen von Artenhilfsprogrammen (v.a. Fledermäuse)
• Umsetzung im Rahmen laufender Projekte (BayernNetz Natur)
� ....
FFH-Managementplanung in Deutschland
Exkurs: Was ist BayernNetz Natur?
� Gezielte Umsetzung in definierten Projekten
� i.d.R. feste Strukturen (Projekträger, Projektmanager, projektbegleitender Arbeitskreis)
� Grundprinzipien: Freiwilligkeit und Kooperation
� i.d.R. breiter Ansatz (inkl. Öffentlichkeitsarbeit, Vermarktung etc.)
� kaum zusätzliche Ressourcen, aber Unterstützung (z. B. bei der Akquise von Finanzmitteln) durch eigene Projektgruppe
FFH-Managementplanung in Deutschland
FFH-Managementplanung: Umsetzung in Bayern
� Überschneidung zwischen Natura-2000-Gebieten und BayernNetz Natur
� Bei 14% Wiederbelebung von BayernNetz Natur sinnvoll.
� Bei 38% Initiierung von BayernNetz Natur sinnvoll.
Kategorie Natura-2000-Teilflächen
Anteil
laufende BayernNetz Natur-Projekte für die Umsetzung geeignet
59 18%
stagnierende BayernNetz Natur-Projekte für die Umsetzung geeignet
35 11%
BayernNetz Natur grundsätzlich geeignet, aber derzeit andere Schwerpunkte
9 3%
derzeit keine Überschneidung mit BayernNetz Natur 125 38%
BayernNetz Natur nicht als Instrument geeignet 98 30%
326 100%
FFH-Managementplanung in Deutschland
FFH-Managementplanung: Umsetzung
� Nutzung von Synergieeffekten ist eher die Ausnahme
� Kernproblem: zu geringe Personalausstattung in der Naturschutzverwaltung
� Die Verknüpfung zwischen Planerstellung und Bereitstellung zusätzlicher Ressourcen für die Umsetzung ist eher die Ausnahme.
� In aller Regel „Umsetzung im Alltag“
FFH-Monitoring und Management: Fazit
FFH-Monitoring in Deutschland :Fazit
• abgestimmtes Vorgehen in ganz Deutschland
• hohe fachliche Qualität bei gleichzeitig möglichst geringem Aufwand
• >> 12.000 Probeflächen in Deutschland
� in dieser Dimension für Deutschland einmalig!
� insgesamt erfolgreich!
FFH-Monitoring und Management: Fazit
FFH-Managementplanung in Deutschland:Fazit
� Eignung eines Managementplans ist nach wie vor von der Qualität des Planers/ der Planerin abhängig
� Zusätzliche Ressourcen für die Umsetzung (Geld und Personal) notwendig
� Stärkere Institutionalisierung der Umsetzung notwendig (Prioritäten, Zuständigkeiten, Zeitpläne)
� Verknüpfung mit anderen Umsetzungsinstrumenten konsequent nutzen, z. B.• Projekttypen: BayernNetz Natur, LIFE etc.• Planungen: Gemeinsame Konzepte mit WRRL• Institutionen: LPV, Biologische Stationen etc.