Familienorientiertes
Case Management im
Kinder- und Jugendbereich
Verfasserin: Betreuerin: Malteser Care-Ring GmbH Care-Ring GmbH
Ilona Manske Mag.a Corinna Christl Dipl.Päd./DKKS Qualitätsmanagement Ferstelgasse 6/9 Ferstelgasse 6/9 1090 Wien 1090 Wien
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INHALTSVERZEICHNIS
1 Vorwort ................................................................................................................ 4
2 Fallbeschreibung betroffener Familien als Einführung .................................... 5
2.1 Benni ..................................................................................................... 5
2.2 Iman ...................................................................................................... 7
2.3 Notwendigkeit der Unterstützung von Familien mit erkrankten Kindern . 8
3 Die Entwicklung und der Prozess des Case Managements ............................. 9
3.1 Definition und Regelkreis des Case Managements ...............................11
3.2 Erfahrungsberichte aus anderen Ländern .............................................13
Das “Nursing Case-Management” in Amerika .............................................13
“Der bunte Kreis” – Das Augsburger Modell zur Familiennachsorge ..............14
Das Wiener Modellprojekt „Ganzheitliche Hauskrankenpflege“ .....................15
3.3 Stand der Forschung ............................................................................16
3.4 Was kann Case Management in der Kinder- und Jugendmedizin leisten?
.............................................................................................................18
4 Das Projekt der Malteser Care-Ring GmbH: Familienorientiertes Case
Management im Kinder- und Jugendbereich .......................................................19
4.1 Konzeptentwicklung und Leistungserbringung ......................................21
Der Regelkreis ........................................................................................21
Aufgabenbereiche und Leistungsangebot ...................................................23
4.2 Zusammenfassende Darstellung des Projektes ....................................24
4.3 Zukünftige Zielsetzungen und Ausblick .................................................24
5 Literatur ..............................................................................................................27
6 Anhang ................................................................................................................29
6.1 Leitbild ..................................................................................................29
6.2 Leistungsangebot im laufenden Case Management .............................30
6.3 Richtlinien .............................................................................................31
Kinder und Jugendlichen Betreuung in Anlehnung an die ÖNORM K1210 .....31
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Leitlinien für das Case Management ..........................................................32
Handlungsspielraum der Case Managerinnen im Rahmen der
Gesetzesgrundlagen in Österreich ............................................................36
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1 Vorwort
Mannigfaltige Eindrücke und Erlebnisse aus 25 Jahren Pflege und Betreuung heilpä-
dagogischer und intensiv pflegebedürftiger Kinder und Jugendliche haben mich in pro-
fessioneller sowie persönlicher Hinsicht geprägt. Eines der Themen, das mir in der
Tätigkeit als Kinderkrankenschwester und spätere Gruppenleitung stets begegnete,
war die Auseinandersetzung der Eltern mit der Frage, wo und wie ist unser Kind mit
seinen besonderen Bedürfnissen am besten aufgehoben. Der erste Impuls war größ-
tenteils gleich: Eigentlich möchten wir unser Kind bei uns haben, möchten als Familie
zusammen leben können. Nur - wie soll das gehen?
Der Mehrzahl der Eltern ist es nicht gelungen, trotz eines intensiven und kompetenten
Engagements, eine Lösung zu finden, die eine Pflege und Betreuung des Kindes zu
Hause ermöglicht hätte. Auch wenn die Familien entsprechende Voraussetzungen
schaffen konnten, hat der fragile Gesundheitszustand des Kindes diesen Rahmen wie-
derholt unvorhersehbar gesprengt. Intermittierende Krankenhausaufenthalte waren die
Folge und das ausgeklügelte und eng gefasste Zeitmanagement der Familien wurde
jedes Mal neu außer Kraft gesetzt. Auch stellte sich mehr und mehr die Frage, wie ist
es uns als Eltern möglich, den Freiraum zu schaffen, der nötig ist, um Erholung, neue
Kraft und Energie sammeln zu können. Was können wir tun, dass auch die Geschwis-
terkinder die elterliche Zuwendung bekommen, die ein gesundes Aufwachsen und
emotionale Reifung sicherstellt.
Sehr oft war infolge all dieser Fragestellungen die Entscheidung für die Aufnahme des
Kindes in eine stationäre Pflegeeinrichtung zwar nicht die gewünschte, aber offenkun-
dig vernünftigste Alternative. Wie auch die Eltern hat mich die Frage nie losgelassen,
gibt es wirklich keine Möglichkeit, Familien ein geordnetes und bedarfsgerechtes Zu-
sammenleben aller Mitglieder zu ermöglichen? Als sich in den 1990’ger Jahren in
Augsburg eine Idee zur klinischen Nachsorge frühgeborener Kinder im Sinne eines
Case Managements entwickelte, war ein Funke in mir entzündet. Aus diesem Grund ist
es für mich eine berufliche Erfüllung, nun an einem Projekt mitarbeiten zu können, das
sich den Aufbau eines familienorientierten Case Managements im Bereich der Kinder-
und Jugendmedizin zum Ziel gesetzt hat.
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2 Fallbeschreibung betroffener Familien als Einführung
Um einen Zugang zu den alltäglich auftretenden Problemstellungen betroffener Fami-
lien zu schaffen, und dem, was Case Management als entlastende Unterstützungsleis-
tungen anbieten kann, ist es sinnvoll, zunächst beispielhaft auf die besondere Situation
der Familien zu blicken.
2.1 Benni
Benni ist 3 ¼ Jahre alt, als sich seine Mutter wegen eines schweren Erschöpfungszu-
standes in ärztliche Behandlung begeben muss. Bislang hat er zu Hause im Kreis sei-
ner Familie gelebt und wurde von der Mutter gepflegt. Nun steht die Familie allerdings
vor der schweren Entscheidung, für Benni einen Heimplatz zu finden. Fast drei Jahre
lebt er in einer Pflegegruppe, bis sich seine Mutter soweit erholt hat, um ihn nun mit
Hilfe von Fachberatung und kontinuierlich begleitender Unterstützung einer Case Ma-
nagerin wieder nach Hause zu holen.
Benni ist seit seiner Geburt intensiv pflegebedürftig. Nach einem beidseitigen Hirnin-
farkt im frühen Säuglingsalter ist er auf Marcoumar (Blutverdünnungsmittel) eingestellt,
neigt daher zu einer hohen Blutungsgefahr bei Verletzungen z.B. durch Stoßen, zu
Hirn- oder Lungenblutungen etc. Schwer einstellbare epileptische Anfälle sind eine
weitere Folge. Immer wieder kommt es wegen rezidivierender Lungenentzündungen,
Lungenblutungen, eines Status Epilepticus zu lebensbedrohlichen Krisen, die einen
Aufenthalt auf der Intensivstation notwendig machen.
Die häusliche Situation ist von folgenden Parametern geprägt: Beide Elternteile sind
voll berufstätig, der Vater im Rahmen von Turnusdiensten. Eine Schwester befindet
sich in Ausbildung, die Jüngere besucht das Gymnasium. Die Familie lebt in sehr be-
engten Wohnverhältnissen, daher schläft Benni zunächst im Bett seiner Eltern. Bereits
3 Monate vor der Entlassung hatte das Jugendamt für seine Rückführung in die Familie
den Einsatz einer Case Managerin angefordert.
Nach einem ausführlichen Erstgespräch im bis dahin bestehenden Helfernetz, dem
behandelnden Kinderarzt, der Pflegedienstleiterin und dem betreuenden Sozialarbeiter
des Kinderheimes, der Leiterin des neuen zuständigen Magistrats für Integration (MA
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11), der Mutter und zwei Case Managerinnen konnten bereits folgende Nahziele ver-
einbart werden:
Organisation zweier stundenweisen Betreuerinnen (Pflegefachkräfte) und deren
Einschulung durch die Mutter bzw. Case Managerin.
Erstellung eines Pflegeplans für die häuslichen Gegebenheiten, wöchentliche
Pflegevisiten mit entsprechender Fachberatung.
Aufbau des Netzwerkes: Anbindung an ein sozialpädiatrisches Zentrum, Orga-
nisation eines extramuralen Therapiesettings, Suche eines qualifizierten Kin-
derarztes unter Beachtung folgender Kriterien: barrierefreie Räumlichkeiten,
entsprechende Zusatzqualifikationen, sowie weiterer Fachärzte für Orthopädie,
Neuropädiatrie, Nahrungsmittel-, Hilfs- und Pflegemittelzulieferer, etc.
Wohnungsadaptierung (Badumbau, Badewannenlifter, Pflegebett) mit Hilfe von
Fördermitteln; die Einrichtung eines eigenen Zimmers durch Umstrukturierung
der Wohnung, um in weiterer Folge eine Erweiterung der Betreuung auf 24 h
Pflege anbieten zu können.
Weiterführung der orthopädischen Hilfsmittelversorgung.
Mit zunehmender Umsetzung obengenannter Ziele war nach einem dreiviertel Jahr in
den wöchentlich stattfindenden Pflegevisiten deutlich spürbar, dass die anfängliche
Unsicherheit und Ängstlichkeit einer zunehmenden Stabilisierung und wachsendem
Kompetenzbewusstsein weicht. Durch das begleitete, unverzichtbare Abwägen der
Eltern im Hinblick auf familiäre Ressourcen gelingt es immer besser, die liebevolle
Hinwendung zum erkrankten Kind, Organisation und Termine sowie persönliche und
Bedürfnisse der Geschwisterkinder in Balance zu halten. Eine weitere erfreuliche Kon-
sequenz ist, dass Benni bislang, seit Rückführung in die Familie, in keine gesundheitli-
che Krisensituation mehr geraten ist.
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2.2 Iman
Iman, ein 1 ½ jähriges Mädchen, lebt mit ihren Eltern gemeinsam in einer Wohnung.
Sie ist ein frühgeborenes Kind der 32. Woche mit einer Fehlentwicklung der Lungen,
einem inoperablen komplexen Herzfehler sowie einem Hydrocephalus internus mit
Shuntversorgung. Täglich auftretende unvorhersehbare Krisen erfordern eine schnelle
Versorgung mit Sauerstoff. Epilepsie, ein Reflux, der häufiges Erbrechen und daraus
resultierende Gedeihprobleme zur Folge hat, sind weitere täglich zu bewältigende
Problemstellungen. Ihre Mutter übernimmt die 24 h Betreuung seit Geburt des Kindes.
Der Vater hat aufgrund des hohen Betreuungsbedarfs seine Berufstätigkeit auf 20 h
wöchentlich reduziert. Bislang ist sein Arbeitgeber sehr verständnisvoll und unterstützt
den Vater, wenn dieser bei auftretenden Problemen seine berufliche Arbeit unterbre-
chen, nicht antreten kann oder seine Frau zu Arztkonsilen begleiten muss.
Da die Mutter nun erneut schwanger ist, wird es zunehmend schwieriger für sie, Iman
zu pflegen, sie zu heben und zu tragen. Krisensituationen führen dazu, dass sie sich
während ihrer Schwangerschaft mehr zumutet, als es eigentlich verantwortbar ist. Auf-
grund eines Schwangerschaftsdiabetes und anderer Symptomatiken ist zudem von
einer Risikoschwangerschaft auszugehen. Infolgedessen übernimmt der Vater mehr
und mehr Aufgaben, um seine Frau zu entlasten. Dabei wird deutlich, dass bereits vor-
handene Erschöpfungszeichen sich mehren und vertiefen.
Durch Assessment und kontinuierliche Evaluationen haben sich die Eltern für folgende
Hilfeleistungen entschieden:
Information, Beratung und Anleitung der Eltern im Rahmen von wöchentlich
stattfindenden Pflegevisiten.
Unterstützung bei Pflegegeldantragstellung, erhöhter Familienbeihilfe, Beantra-
gung eines Parkausweises und eines gesonderten Parkplatzes, eines Behin-
dertenausweises sowie Rezeptgebührenbefreiung, Verlängerung der Aufent-
haltsgenehmigung etc.
Organisation von Hilfsmitteln und deren regelmäßige Kontrolle und Wartung.
Implementierung und Koordination entsprechender Therapieleistungen und lau-
fende Kooperation mit den Netzwerkpartnern.
Seit der fortgeschrittenen Schwangerschaft der Mutter nun auch für die Inan-
spruchnahme einer stundenweisen Betreuung von geschultem Pflegepersonal.
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Begleitung durch die Case Managerin zu ärztlichen Kontrollterminen zur Steue-
rung der Inanspruchnahme medizinischer Leistungen oder operativer Eingriffe
und Schaffung von Ruhephasen für die Mutter.
Folgende Veränderungen waren in kurzer Zeit nach Aufstellung und Umsetzung des
Hilfeplans erkennbar: Der Schlafmangel der Mutter konnte reduziert werden ebenso
wie die durch Anspannung verursachten Schmerzen während der Schwangerschaft.
Gleichfalls war eine Abnahme der muskulären Verhärtung der Bauchdecke zu be-
obachten. Auch eine Verringerung der Erschöpfungszeichen des Vaters war zu bemer-
ken.
Durch die Begleitung der Case Managerin zu Arztterminen in die Universitätsklinik
wurde allmählich offensichtlich, dass aufgrund sprachlicher Barrieren und der Un-
kenntnis medizinischer Zusammenhänge manche Ursache-Wirkungsprinzipien nicht
richtig verstanden wurden. Gespräche im häuslichen Rahmen verhalfen den Eltern zu
mehr Verständnis über die komplexe Erkrankung ihrer Tochter, führten zu einer Reduk-
tion der Arztbesuche und Kliniksaufenthalte und letztlich durch die Anleitung von Fach-
personal vor Ort auch zu einer adaptierten, qualifizierteren Pflege und Betreuung des
Kindes. Plötzlich auftretende, unvorhersehbare Ereignisse wie die Erkrankung des Va-
ters an einer Blinddarmentzündung, konnten durch die stundenweise Betreuung von
Iman besser kompensiert werden.
2.3 Notwendigkeit der Unterstützung von Familien mit erkrankten
Kindern
Auf vielen verschiedenen Ebenen, sei es in der Heimbetreuung, in Schulen für bedürf-
tige Kinder und Jugendliche, in den Kliniken, aber auch in der Mobilen Kinderkranken-
pflege begegnen den Professionisten immer wieder sich einander ähnelnde Problem-
lagen betroffener Familien:
Eine hohe Energieleistung die von den Eltern erfüllt wird, um die Familie als solche
sowie eine lebbare Alltagsstruktur zu erhalten und gleichzeitig auch allen Bedürfnisla-
gen der Familienmitglieder Rechnung zu tragen. Zwischen den von außen gesetzten
Grenzen wie Finanzierungsmöglichkeiten, Wohnraumsituation, Betreuungsmöglichkei-
ten und den Grenzen eigener Leistungsfähigkeit zeigt sich der Wunsch, dem erkrank-
ten Kind und Jugendlichen eine Betreuung, Förderung und Pflege von hoher Qualität
zu gewährleisten, als ein fast unerfüllbares Unterfangen.
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Oft führt dieser Versuch, die Familie und die Qualität des bisherigen Zusammenlebens
trotz der unerwarteten schicksalhaften Herausforderung zu bewahren, zu schwersten
Erschöpfungszuständen, teils begleitet von Schuld- und Versagensgefühlen, möglich-
erweise doch zum Auseinanderbrechen der Familien sowie zu einer Schräglage in der
Erfüllung der Bedürfnisse von Geschwisterkindern.
Der Zwang, verantwortliche Entscheidungen trotz defizitären Wissens über den Be-
handlungsweg treffen zu müssen, Rollenkonflikte innerhalb der Familie, die Fokussie-
rung auf das erkrankte Kind, eine physisch und psychisch anstrengende Versorgung,
die Konfrontation mit existentiellen Themen wie Krankheit oder gar Tod, sind belasten-
de und das Familiensystem gefährdende Erfahrungen (Wild, 2001, S. 4f). Auch Verar-
mung kann aufgrund der Investition für eine behindertengerechte Wohnung, für ent-
wicklungsfördernde Therapien, spezielle Medikamente und Hilfsmittel eine Folge sein.
Als eine Konsequenz auf diese gravierenden psychosozialen Krisensituationen der
Familien häufen sich Krankenhausaufenthalte der Kinder (vgl. Porz/Erhardt, 2003, S.
11). Es kann zu einer Destabilisierung des Gesundheitszustandes und in weiterer Fol-
ge zu einer Verlegung des Kindes in eine Pflegegruppe kommen. Unter ökonomischen
Gesichtspunkten scheint eine Erhöhung der Kosten in diesem Bereich des Gesund-
heitswesens so unvermeidbar zu sein.
3 Die Entwicklung und der Prozess des Case Managements
Verschiedene Studien in Deutschland (Steinhausen 1996; Thyen 1998) zeigen ein
Spektrum an Belastungsreaktionen betroffener Familien in der häuslichen Pflege.
Steinhausen konnte ein erhöhtes Risiko für gesundheitliche und viel mehr noch seeli-
sche Probleme nachweisen. Seelischer Stress findet hier, wie auch an den oben ange-
führten Fallbeispielen ablesbar, seinen Ausdruck insbesondere in Zeichen der Er-
schöpfung oder Depressivität. Sie gelten als Folge einer nicht gelungenen Anpassung
an die veränderte häusliche Situation und können auch gesundheitliche Probleme nach
sich ziehen (vgl. Steinhausen, 1996, S. 2007f). Interessant ist die Feststellung, dass in
Familien mit chronisch erkrankten Kindern nur selten eine offensichtlich vorliegende
familiäre Dysfunktion zu finden ist. Doch zahlen Eltern eigenem Empfinden nach einen
hohen Preis bezogen auf nicht wahrgenommene Chancen in persönlicher, beruflicher
und sozialer Hinsicht (vgl. Thyen, 1998, S. 273f).
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Auf der Suche nach einer guten medizinischen Versorgung, nach finanziellen und so-
zialen Unterstützungsleistungen, an den Schnittstellen eines komplizierten und teils
unübersichtlichen Gesundheits- und Sozialsystems stellt sich bei den Eltern nicht sel-
ten eine gewisse Hilf- bzw. Ratlosigkeit ein. Forschungsergebnisse qualitativer Studien
zeigen die selbstformulierte Gewichtung der Versorgungsbedürfnisse dieser Fami-
lien:
Information und Aufklärung, Partizipation an Entscheidungen, Beratung über
Hilfen.
Optimale und adäquate medizinische Versorgung zur Verbesserung oder Erhal-
tung der Gesundheit des Kindes.
Förderung der normalen Entwicklung und des emotionalen Wohlbefindens des
Kindes.
Beratung in der Erziehung eines chronisch kranken Kindes.
Förderung der Selbständigkeit eines Kindes in Aktivitäten des täglichen Lebens.
Unterstützung der Mobilität, sowohl des Kindes als auch der gesamten Familie.
Finanzielle Unterstützung und Absicherung des Zugangs zu einer guten Ge-
sundheitsversorgung (Porz/Erhardt, 2006, S. 12f).
Überforderung, Hilflosigkeit und andere Formen der Belastungsreaktion können unter
Anwendung eines Perspektivenwechsels aber auch als eine Versorgungslücke im
bestehenden Gesundheitssystem verstanden werden. Denn: kurz gefasste ärztliche
Aufklärungs- und Informationsgespräche, stückweise oder vereinzelte Unterweisungen
in medizinischer und pflegerischer Betreuung, das Bemühen, Wissenslücken mit Hilfe
des Internets zu füllen, Unkenntnis über das Wegenetz des Verwaltungs- und Finanz-
wesens bzgl. sozialer Hilfeleistungen führen zu Missverständnissen, Konflikten, Ent-
täuschungen, schwindendem Vertrauen, Ohnmachts- oder Hilflosigkeitsgefühlen und
schwächen das ohnehin schon vulnerable Familiensystem in seiner Stabilität und
Funktionalität.
Aus diesen Gründen hat sich ein spezieller Zweig in der Pflege, das sogenannte Case
Management entwickelt: Frühzeitig einsetzende und aktiv aufsuchende Hilfe, intensive
Aufklärungsarbeit und Koordinationstätigkeit, die Übernahme anwaltschaftlicher Ver-
antwortung für die Belange der Familien durch professionelles Personal wurde als
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eine wirkungsvolle Methode angesehen und erprobt, um Funktionalität und Stabilität
des Familiensystems wieder zu stärken.
3.1 Definition und Regelkreis des Case Managements
Eine Vielzahl von Definitionen ist mittlerweile in der Literatur zu finden (vgl. Dörping-
haus u.a., 2008, S. 113). Die aus Sicht der Autorin für den Inhalt dieser Arbeit relevan-
ten, aussagekräftigen Ansätze sind aus diesem Spektrum ausgewählt worden und
werden in verkürzter Form vorgestellt. Es ist wichtig darauf hinzuweisen, dass sich eine
einheitliche Sichtweise auch aufgrund der breitgefächerten Ansatz- und Anwendungs-
möglichkeiten des Case Managements schwerlich bestimmen lässt. Eine umfassende
Darstellung dieser Vielfalt ist bei Ewers zu finden (vgl. Ewers/Schäffer, 2005, S. 58f).
Trotz alledem sind weitreichende Übereinstimmungen vorhanden, die sich in der ganz-
heitlichen Sichtweise auf die KlientInnen und „einen auf Kooperation angelegten dy-
namischen Versorgungsprozess unterschiedlicher Parteien und Professionen“ wider-
spiegeln (Dörpinghaus u.a., 2008, S. 113). Im Pflegeprozess sind Ähnlichkeiten bezo-
gen auf Assessment, Planung, Implementation, Steuerung und Evaluation zu finden
(Dörpinghaus u.a., 2008, S.114). Vergleichbar sind auch die Zielsetzungen: Die Ge-
währleistung einer kontinuierlichen Versorgung durch Kooperation und Vernetzung von
Dienstleistungen, eine Zielgenauigkeit in der Versorgung, um effiziente Ergebnisse zu
erreichen sowie die Weiterentwicklung und fortlaufende Qualitätssicherung der Versor-
gung (vgl. Raiff/Shore 1997, Conger 1999; in: Grundböck, 2001, S. 7).
Die Österreichischen Gesellschaft für Care und Case Management (ÖGCC) definiert
die Komplexität des Case Managements als einen Handlungsansatz, der „sich vor al-
lem dadurch auszeichnet, dass möglichst entlang eines gesamten Krankheits- oder
Betreuungsverlaufes eines Patienten oder Klienten („over time“) und quer zu den
Grenzen von Versorgungseinrichtungen und –sektoren sowie Professionen („across
services“) ein maßgeschneidertes Versorgungspaket („package of care“) erhoben, ge-
plant, implementiert, koordiniert und evaluiert werden soll.“ (Grundlagenpapier der
ÖGCC, S. 1f).
Ewers Ansicht nach liegt die Betonung beim Case Management „auf der Begleitung
eines individuellen Falls (case). Ein Patient/Klient wird mit Hilfe einer spezifischen me-
thodischen Vorgehensweise durch das Sozial- und Gesundheitssystem geleitet, wobei
die für ihn relevanten Leistungen erschlossen und der Prozess der Leistungserbrin-
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gung gesteuert wird. Ziel ist die kontinuierliche Begleitung eines Patienten über eine
längere Zeitspanne und über die Grenzen verschiedener Versorgungsbereiche hinweg“
(Ewers 1998; in: Grundböck, 2001, S. 7).
Aus den oben angeführten Definitionen lässt sich leicht ablesen, dass ein erfolgreiches
Case Management nur als kontinuierlicher Prozess zu verstehen ist. So unterschiedlich
die Anwendungen des Case Management auch sind, gleichen sie sich laut Wendt im
Hinblick auf die Arbeitsschritte dieses Prozesses (vgl. Wendt, 2005, S.7).
Ewers/Schäffer und Wendt deklarieren 6 sechs Basis-Komponenten, die zur besseren
Übersichtlichkeit gegenübergestellt werden:
Ewers/Schäffer 2005 Wendt 2005 1. Identifikation 1. Outreach
2. Assessment 2. Assessment
3. Erstellung eines Versorgungsplans 3. Planning
4. Implementation des Versorgungsplans 4. Implementation
5. Monitoring der Leistungserbringung 5. Evaluation
6. Evaluation des Versorgungsplans 6. Accountability (Verantwortlichkeit)
Im ersten Schritt des Case Management Prozesses gilt es, für die Zielgruppe allgemein
bzw. im konkreten Einzelfall die Zugangsvoraussetzungen und Anspruchsberechtigung
des/r Klienten/in zu bestimmen (Identifikation/Outreach). Erfolgt das Intake, die Auf-
nahme in das Case Management Programm, schließt sich ein systematisch angeleg-
ter, ausführlicher Erhebungsprozess an, das Assessment.
Anhand der gesammelten Daten und Informationen wird ein an den Bedürfnissen der
KlientInnen orientiertes Hilfspaket erstellt und in Folge umgesetzt. Eine den Prozess
begleitende laufende Überprüfung sichert die Qualität der Leistungserbringung wie
auch die Wirksamkeit des aufgestellten Versorgungsplans (Monitoring und Evaluation).
Der Unterschied zwischen beiden Ansätzen liegt im letzten Schritt („Accountability“), in
dem Wendt die Verantwortlichkeit in der Berichterstattung und Rechenschaftslegung
einbezieht, um die Versorgung transparent und nachweisbar zu gestalten (vgl. Wendt,
2005, S.7). Eine ausführlichere Darstellung der einzelnen Schritte des Case Manage-
ments wird in Kap. 4 anhand der Projektvorstellung der Malteser Care-Ring GmbH
folgen.
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3.2 Erfahrungsberichte aus anderen Ländern
DAS “NURSING CASE-MANAGEMENT” IN AMERIKA
In den USA ist das Case Management Mitte der 1970er Jahre erstmals von Wohl-
fahrtsorganisationen angewandt und für den ambulanten Bereich weiterentwickelt wor-
den. Mittlerweile ist das “Nursing Case Management” als Methode und Dienstleistung
erfolgreich und führt durch optimierte Versorgungsleistungen nachweislich zu einer
Kostenreduzierung. Der Begriff “Case” bedeutet “Fall” und beschreibt nicht den er-
krankten Menschen, sondern seine (plötzlich eingetretene) problematische Situation.
So soll das Case Management die Suche nach Auswegen, Bewältigung und Lösungen
im Sinne der Anliegen und Bedürfnislage des/r Klienten/in bündeln, klären und effizient
gestalten (“managen”), (vgl. Krämer-Eder; in: Hoehl/Kullick 2012, Seite 107f).
Drei Kernfunktionen sind im anglo-amerikanischen Case Management enthalten: die
„Advocacy“, die „Broker“ und die „Gate Keeper“ Funktion (vgl. Ewers, 2005, S.63f).
Anwaltschaftliche Aufgaben des Case Managements zielen auf die Interessenvertre-
tung des/r Klienten/in und die Durchsetzung eines individuell adaptierten Versorgungs-
plans. Menschen, die infolge unvorhergesehener Lebensereignisse wie Unfall, Erkran-
kung, Behinderung oder anders bedingten Lebenskrisen in eine Ausnahmesituation
geraten, in der es schwierig wird, eigene Bedarfslagen geltend zu machen, verhilft die
professionelle stellvertretende Funktion des/r Case Managers/in bestehende Dienst-
leistungen zugänglich werden zu lassen und dem individuellen Bedarf Rechnung zu
tragen (a.a.O.). Empowerment und die Ausbildung individueller Bewältigungsstrategien
bleiben jedoch vorrangiges Interesse im Case Management Prozess (vgl. Dörpinghaus
u.a., 2008, S. 123).
Die „Broker“ Funktion verlangt die Übernahme einer neutralen Vermittlerrolle, um aus
dem stark segmentierten Sozial- und Gesundheitssystem mit zahlreichen Dienstleis-
tungsangeboten eine bestmögliche Versorgungslösung für und im Interesse des Klien-
ten und das ihn umgebende Umfeld zusammen zu stellen. Damit ist die perspekti-
vische Hinwendung auf Organisationen, Institutionen und andere Dienstleistungsunter-
nehmen verbunden (a.a.O.).
In der selektierenden Funktion („Gate Keeper“) wird das Augenmerk auf die Verhält-
nismäßigkeit zwischen gesamtgesellschaftlichem Interesse und die umfassende Ver-
sorgung des/r Klienten/in gerichtet. Einer „unangemessenen und ungerichteten Ver-
wendung der Ressourcen des Versorgungssystems“ (Ewers, 2005, S.71) steht der
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Anspruch gegenüber, „die zur Verfügung stehenden Mittel soweit als möglich zu stre-
cken, ohne dadurch die Versorgungsqualität negativ zu beeinflussen“ (Quinn 1993; in:
Ewers, 2005, S. 71).
Das Ziel des anglo-amerikanischen Case Managements ist die kontinuierliche Bereit-
stellung einer qualitativ hohen Gesundheitsversorgung, Fragmentierungen der Versor-
gungsleistungen zu vermindern und deren effiziente Nutzung zu fördern, um damit die
Lebensqualität der KlientInnen zu erhöhen und gleichzeitig Kosten zu reduzieren (vgl.
American Nurses Association 1988; in: Ewers, 2005, S. 57).
“DER BUNTE KREIS” – DAS AUGSBURGER MODELL ZUR FAMILIENNACHSORGE
Das Fehlen eines Bindegliedes zwischen stationärer, ambulanter und häuslicher Ver-
sorgung schwerstkranker Kinder verhindert oftmals eine zügige Entlassung in die häus-
liche Umgebung. In der Folge steigt das Risiko nosokomialer Infektionen, vor allem bei
immungeschwächten Patienten. Auch das Beziehungs- und Interaktionssystem der
Familie wird für einen oft unnötig verlängerten Zeitraum gestört bzw. unterbrochen.
Dieses Manko fehlender Nachsorge bildete den Grundstein für die Entstehung des
Augsburger Modells „Bunter Kreis“ (vgl. Porz/Erhardt, 2003, S. 17).
Inhaltlich an den Case Management Gedanken angelehnt, entwickelte eine Arbeitsge-
meinschaft, bestehend aus Ärzten, Pflegefachkräften, Mitarbeitern des psychosozialen
Dienstes unter Einbeziehung von Selbsthilfegruppen ein Nachsorgekonzept, das einen
fließenden und unterstützten Übergang in das häusliche Umfeld ermöglicht. Es umfasst
die Begleitung während des Klinikaufenthalts, am Übergang von der stationären in die
ambulante Behandlung und die eigentliche Nachsorge während der ambulanten Ver-
sorgung.
Kernelemente des Konzeptes sind eine „systemintegrierende Vernetzung aller Hilfe-
partner“, die durch eine/n Case Manager/in aufgebaut wird, ein „Multidisziplinäres
Team kompetenter Helfer“, „Bedarfsorientierte, auf die Familie bezogene Hilfsangebo-
te“, sowie eine „Ganzheitliche Hilfe und Hilfe zur Selbsthilfe“ (Porz/Erhardt, 2003,
S.17). Dabei steht nicht allein das Kind mit seiner Erkrankung im Fokus, sondern die
gesamte Familie wird als 'Patient' gesehen (a.a.O.).
Die Akzeptanz dieses Modells ist schnell gewachsen: Seit 1998 erkennen die regiona-
len gesetzlichen Krankenkassen die Nachsorgeleistungen an und verrechnen einen
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Teil der Kosten als „ergänzende Leistungen zur Rehabilitation“ (Dörpinghaus u.a.,
2008, S. 130). Andere Kinderkliniken folgen diesem Weg und implementieren diese
Form der Nachsorgearbeit. Mittlerweile arbeiten über 70 Nachsorgeeinrichtungen in
Deutschland nach diesem System (vgl. www.bunte-kreise-deutschland.de).
DAS WIENER MODELLPROJEKT „GANZHEITLICHE HAUSKRANKENPFLEGE“
Kooperationsprobleme zwischen (Sozial-) Versicherungsträgern, ambulanten und sta-
tionären Dienstleistungsunternehmen auf Mikro- und Makroebene, zwischen Bund,
Ländern und Gemeinden in der sozialen und medizinischen Versorgungsleistung, ver-
anlassten das Wiener Rote Kreuz zur Durchführung eines Modellprojektes. Als Ziel-
gruppe galten schwer akut erkrankte, ältere PatientInnen im 10. Wiener Bezirk, die
bereits von einem multiprofessionellen Team, bestehend aus Pflegepersonal mit unter-
schiedlichen Qualifizierungen, Heimhilfen, niedergelassenen ÄrztInnen und Therapeu-
tInnen im häuslichen Umfeld betreut wurden.
Diplomiertes Gesundheits- und Krankenpflegepersonal des Roten Kreuzes aus dem
Tätigkeitsbereich der ambulanten Pflege übernahm die Aufgaben des Case Manage-
ments in Anlehnung an Care und Case Management Konzepte (vgl. Grundböck, 2001,
S. 18). Die Erfahrungen des Fachpersonals in dem zweijährigen, erfolgreich durchge-
führten Projekt (1996-1998) bestätigen, „dass durch Case Management PatientInnen
mit komplexem Betreuungsbedarf im ambulanten Bereich qualitätsvoll und integriert
betreut werden können und die Vertrauensbasis und Zusammenarbeit zwischen den
unterschiedlichen Professionen erhöht bzw. optimiert werden kann“ (a.a.O.).
Ausgehend von diesem Ergebnis erweiterte das Wiener Rote Kreuz das Angebot im
Bereich Case Management auf ein stationsübergreifendes Entlassungsmanagement
für Menschen mit komplexem ambulantem Betreuungsbedarf. In Kooperation mit der
Volkshilfe Wien wird diese Dienstleistung im Hanusch-Krankenhaus angeboten und
von der Wiener Gebietskrankenkasse getragen (a.a.O.).
Blickt man auf die Gesamtsituation in Wien, wird das Case Management von Pflege-
fachkräften der sozialen Stützpunkte vorrangig im Sinn der Gate-Keeper Funktion um-
gesetzt. Die Zuständigkeiten umfassen die Einschätzung des Betreuungsbedarfes,
Aufsetzen eines Versorgungsplans als Angebot, mit Einverständnis der KlientInnen der
Vertragsabschluss, sowie die Beauftragung entsprechender Dienstleistungsanbieter
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und die Qualitätskontrolle ihrer Leistungserbringung (vgl. Schrems 1998; in: Grund-
böck, 2001, S.18f).
3.3 Stand der Forschung
Auch wenn das Case Management in den für diese Arbeit ausgewählten Praxisbeispie-
len trotz der unterschiedlichen Umsetzung des Konzeptes offenkundig erfolgverspre-
chend erscheint, stellt sich die Frage nach dem Wirksamkeitsprinzip, dem Wirkungs-
grad, nach Effizienz und ökonomischen Folgeerscheinungen. Es gibt ein breitgefächer-
tes Spektrum an Klientelgruppen, weswegen es wichtig erscheint, im Vorhinein zu klä-
ren, welche Methodik, welches Konzept für die jeweilige Gruppe geeignet ist und
nachweislich zu einem qualitätsvollen und möglichst effektivem Therapie- und Betreu-
ungssetting führt. Wird es in der Umsetzung den individuellen, den Bedürfnislagen wei-
terer beteiligter Personen trotz einer hohen Komplexität des Einzelfalles tatsächlich
gerecht? Gerade im Bereich der Kinder- und Jugendmedizin gibt es dazu wenig Unter-
suchungen.
Die „Augsburger Nachsorgeforschung“ (ANF) wurde zu diesem Zweck als ein For-
schungsverbund gegründet und hatte zunächst die Analyse des Kosten-Nutzen-
Verhältnisses zum Ziel (vgl. Porz/Erhardt, 2003, S. 73). Untersuchungsgegenstand
war, auch in den sich anschließenden Forschungsprojekten, das Nachsorgekonzept
des „Bunten Kreises“. Zwei der Studien werden ausschnittsweise vorgestellt.
Sozioökonomische Studie
Das erste, als Längsschnittstudie konzipierte Projekt (1999-2003) erfasste Da-
ten von früh- und risikogeborenen Kindern bis zum korrigierten Alter von 6 Mo-
naten. Bis zu 6 Monate nach der Entlassung wird auch das Case Management
der Augsburger Kinderklinik angeboten (Porz, 2008, S.2). Als Fall-Kontroll-
Studie angelegt, wurden Kinder, die mit dem Nachsorgekonzept des Bunten
Kreises betreut wurden, in einer Gruppe zusammengefasst; ihnen wurden Kin-
der mit vergleichbaren Erkrankungen und Krankheitsverläufen jedoch ohne
poststationäre Betreuung als Kontrollgruppe gegenübergestellt. Zusätzlich
wurde in beiden Gruppen zwischen extrem frühgeborenen Kinder ( 32 SSW
oder 1500 g Geburtsgewicht) und reif- bzw. frühgeborenen Kinder (≥ 32.
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SSW) mit schweren Fehlbildungen oder anderen schweren Beeinträchtigungen
unterschieden (Pfaff u.a., 2003, S. 2).
Die Ergebnisse der Studie weisen eine klare kostenreduzierende Wirkung
nachbehandelter Kinder der Augsburger Kinderklinik auf, die sich vor allem bei
Kindern ab einem Reifealter der 28 SSW zeigt, wobei der größte Effekt in der
Gruppe der Frühgeborenen zwischen 28 und 35 SSW liegt (a.a.O.). Die Kos-
teneinsparungen erklären sich aus einer Reduzierung der stationären und am-
bulanten Klinikaufenthalte sowie einer Verkürzung der Liegedauer und zeigen,
dass „Mütter besser mit weiteren Nachbetreuungsangeboten vernetzt waren“
(Podeswik u.a., 2009, S. 134).
Prima Studie
Die Prima Studie (Prospektive randomisierte Implementierung des Modellpro-
jekts Augsburg) wurde 2006 als gemeinsames Projekt der II. Kinderklinik des
Klinikums Augsburg, der Universitätskinderklinik Bonn, des „Bunten Kreises“
Augsburg und des ehemaligen beta Instituts durchgeführt. Der erste Teil der
Studie beschäftigte sich mit der Hypothese, „ob Patientenfamilien mit standar-
disierter und individualisierter familienorientierter Nachsorge im Vergleich zu
denen, die nur Therapieempfehlungen erhalten, effektiver und effizienter ver-
sorgt werden“ (Porz, 2008, S. 2). Wie in der sozioökonomischen Studie wurde
zur Evaluation der Nachsorge exemplarisch die wegen Altersstruktur und Er-
krankungsart homogenere Gruppe der früh- und risikogeborenen Kinder aus-
gewählt (vgl. Porz/Erhardt, 2003, S. 76).
Die Forschergruppe konnte über erfreuliche Ergebnisse berichten:
Die Mütter der Interventionsgruppe mit Nachsorge zeigten in der Video-
Interaktionsbeobachtung eine verbesserte mütterliche Sensitivität und
Mutter-Kind-Interaktion.
Die Kinder zeigten höhere Scores für die emotionale Regulation.
Die Paarbeziehung zeigte sich im Verlauf in der Interventionsgruppe
weniger belastet als in der Kontrollgruppe.
Die Kinder der Interventionsgruppe mussten seltener wieder stationär
aufgenommen werden und benötigten weniger ambulante Untersuchun-
gen in der Klinik.
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Die Mütter der Interventionsgruppe fühlten sich besser über Nachbe-
treuungsangebote informiert und waren besser vernetzt.
Eine schon früh im stationären Aufenthalt beginnende Begleitung und
Nachsorge durch speziell geschulte Case Manager/innen reduziert die
Familienbelastung und verbessert die Mutter-Kind-Interaktion und die
emotionale Regulation der Frühgeborenen, was zu einer positiven Ge-
samtentwicklung der hoch belasteten Kinder beiträgt (Podeswik, u.a.,
2009, S. 134).
Aus den Ergebnissen der beiden hier angeführten Studien lassen sich folgende
Schlussfolgerungen ziehen: Beginnt eine Begleitung der Familien mit hochkomplexem
Betreuungsbedarf durch geschulte Case ManagerInnen schon frühzeitig im stationären
Setting, reduziert sich die Familienbelastung, die Mutter-Kind-Aktion verbessert sich
und trägt zu einer positiven Gesamtentwicklung des betroffenen Kindes bei. Auch die
Wirtschaftlichkeit konnte anhand der Reduzierung der Anzahl von stationären und am-
bulanten Klinikaufenthalte mit der sozioökonomischen Studie nachgewiesen werden
(a.a.O.). Die Nachsorge der Kinderklinik Augsburg wird im speziellen auch für onkolo-
gisch und an Diabetes erkrankte Kinder und Jugendliche angeboten.
3.4 Was kann Case Management in der Kinder- und Jugendmedizin
leisten?
Die hier dargestellten, unterschiedlichen Blickwinkel auf das Case Management im
extramuralen Bereich, insbesondere der Kinder- und Jugendmedizin, zeigen, dass
Case Management für Kinder und Jugendliche mit komplexem Versorgungsbedarf
sinnvoll dazu beitragen kann, eine integrierte Versorgung im häuslichen Umfeld der
Familien zu ermöglichen. Dabei wirkt sich eine möglichst früh einsetzende Begleitung
der Familien, idealerweise noch vor der stationären Entlassung, günstig auf die weitere
Entwicklung des Kindes als auch auf die Familie als sich neu konstituierendes System
aus.
Eine von Ravens-Sieberer u.a. durchgeführte Untersuchung (2001) unterstreicht diese
Beobachtung. Die Teilnahme von 273 Familien mit chronisch kranken und behinderten
Kindern an der Studie ergab folgendes Ergebnis: 17,2 % der Eltern berichten über Ver-
sorgungslücken im Bereich der psychosozialen Beratung und Unterstützung. Die feh-
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lende Koordination in der Versorgung (8,1%) war ein weiterer herausragender Aspekt
(in: Porz/Erhardt, 2003, S.12).
Der Blick auf das Schicksal einzelner Familien (vgl. Kap. 2) zur Einführung in die The-
matik, erlaubt nur Schlussfolgerungen, die auf persönlichen Eindrücken beruhen. Aber
es ist eindrucksvoll zu erleben, wie sich die Familie mit dem eigens auf sie abgestimm-
ten Versorgungsplan allmählich erholt. Das Gefühl, den vielfältigen Herausforderungen
nicht gewachsen zu sein verringert sich ebenso, wie die Intensität von Erschöpfungs-
zuständen. Die Beziehung der Mitglieder untereinander verbessert sich und bei der
Mehrzahl der betreuten Kinder stabilisiert sich erfreulicherweise der Gesundheitszu-
stand. Beobachtungen, die auch in anderen Projekten von ProfessionistInnen formu-
liert wurden (vgl. Kap. 3.2.).
Die in den Augsburger Studien nachgewiesene Wirtschaftlichkeit des Konzeptes (Kap.
3.3) bestätigt die Effizienz des Ansatzes und lässt es sinnvoll erscheinen, Case Ma-
nagement im Kinder- und Jugendbereich als ein hilfreiches Instrument zu implementie-
ren.
4 Das Projekt der Malteser Care-Ring GmbH: Familienorien-
tiertes Case Management im Kinder- und Jugendbereich
Je intensiver die Auseinandersetzung mit dem Case Management in der Kinder- und
Jugendmedizin wird, umso mehr fällt auf, wie wenig Aufmerksamkeit und Präsenz die-
sem Thema auf der wissenschaftlichen Ebene wie auch in der praktischen Umsetzung
bisher eingeräumt worden ist. In Deutschland ist durch die Initiative des Eltern- und
Nachsorgevereins „Bunter Kreis“ mittlerweile ein über das Bundesgebiet verteilt arbei-
tendes Netz entstanden, lediglich in den Bundesländern Saarland, Thüringen und
Sachsen Anhalt sind noch keine Aktivitäten zu beobachten (http://www.bunte-kreise-
deutschland.de/index).
In Österreich wird das extramural angelegte Case Management für Familien, deren
Kinder und Jugendliche einen hochkomplexen Betreuungsbedarf aufweisen, noch nicht
angeboten. Auf eine im Mai gestellte Anfrage von der Care-Ring GmbH stellte der
Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger Daten über die Anzahl
der Kinder und Jugendlichen bis zum 18. Lebensjahr, die Pflegegeld beziehen, zur
Verfügung (Bundespflegegeld-Datenbank; Stichtag 31.05.2012).
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Tab. 1: Anzahl der Pflegegeldbezieher mit Geburtsjahr >=1994, Stichtag 31.5.2012
Pflegegeldstufe Anzahl
1 2582
2 3104
3 2461
4 1302
5 792
6 910
7 661
Gesamt: 11812
Auswertung vom 26.6.2012
Von der Gesamtzahl der Kinder, die Pflegegeld erhalten, befinden sich 413 in stationä-
rer Betreuung (vgl. Tab. 2), wobei Selbstzahler in diesen Daten nicht erfasst sind. So
ist davon auszugehen, dass sich die Zahl der Kinder, die in stationären Einrichtungen
leben, möglicherweise erhöht.
Tabelle 2: davon mit UEBE=J (KZ für Übergang
des Pflegegeldanspruches auf Sozialhilfeträger - § 13 BPGG)
Pflegegeldstufe Anzahl
1 62
2 95
3 88
4 49
5 40
6 52
7 27
Gesamt 413
Es ist zu wenig Datenmaterial in Österreich vorhanden, um differenziertere Aussagen
treffen zu können. Erste Vorbereitungen für eine Bedarfsanalyse und dem Kosten-
Nutzen-Verhältnis des Case Managements im österreichischen Gesundheitssystem
werden von der Care-Ring GmbH getroffen. Die hier dargestellten Zahlen der Bundes-
pflegedatenbank helfen insofern, eine etwas konkretere Vorstellung über den mögli-
chen Bedarf für ein Case Management im Kinder und Jugendbereich zu gewinnen.
Seite | 21
4.1 Konzeptentwicklung und Leistungserbringung
Kindern einen stationären Aufenthalt oder eine Heimunterbringung zu ersparen, soll
das vorrangige Ziel des Case Management sein. Es ermöglicht eine höhere Lebens-
qualität für das Kind und die Eltern und unterstützt die intensivere Beziehungsgestal-
tung innerhalb der Familie. Sicherlich ist auch das Interesse an der Kostenersparnis
(MA 11) ein begünstigender und treibender Faktor, Case ManagerInnen einzusetzen.
Aus diesem Gedanken heraus entstand das Projekt des familienorientierten Case Ma-
nagements. Initiiert vom Fachbereich für Integration der MA 11 in Wien, erklärte die
Malteser Care-Ring GmbH (MCR) auf Anfrage des Magistrats ihr Interesse, die Ver-
antwortung für die praktische Umsetzung dieser Idee im Bundesland Wien zu über-
nehmen.
Seit Beginn im August 2011 wurden 23 Familien betreut, von denen bei 5 Familien das
Case Management bereits erfolgreich abgeschlossen werden konnte. Bei 3 Familien
ruht das Case Management, d.h. die Familien benötigen vorübergehend keine aktiven
Unterstützungsleistungen der Case Managerin. Auf Anfrage der MA 11 werden seit
kurzem auch einige Kinder (aus 2 Familien) mit sozialpsychiatrischen Erkrankungen
betreut. Die Basiselemente für das familienorientierte Case Management der Malteser
Care-Ring GmbH bilden die von der ÖGCC formulierte Definition von Case Manage-
ment (vgl. S. 10), das Phasenmodell von Ewers (vgl. S. 11) und die Ausrichtung an den
Bedürfnissen der betreuten Familie (consumer-driven case management).
DER REGELKREIS
Identifikation/Intake
In der Regel erfolgt die Zuweisung einer Familie an die Malteser Care-Ring GmbH
durch das Magistrat 11, Fachbereich Integration. In einem Erstgespräch, das idealer-
weise an einem neutralen Ort stattfindet, wird die Situation der Familie besprochen, die
eine Problemdefinition aller Beteiligten, bisherige Lösungsversuche und erste Zieldefi-
nitionen berücksichtigt. Abhängig von der Ausgangssituation nehmen verschiedene
Netzwerkpartner an diesem Gespräch teil: Diplomsozialarbeiter/innen, fallführende
Koordinatorin des Fachbereichs Integration, je nach Möglichkeit die Obsorgeberechtig-
te/n und die minderjährige/r Klient/in. Erteilt der Fachbereich Integration den Auftrag,
kommt es zum Intake und der/die Case Manager/in erstellt einen Kostenvoranschlag
für die MA 11.
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Assessment
Das Assessment beinhaltet die Erfassung der Gesundheits-, Pflege- und Sozialdaten.
Dazu zählt die Einschätzung des Gesundheitszustandes wie auch der Problem- und
Bedürfnislage inklusive psychischer und psychosozialer Situation innerhalb der Fami-
lie. Wichtig ist eine ausführliche Informationssammlung, die auch Problembewälti-
gungsstrategien (Coping Strategien) und die Ermittlung von Leistungsreserven (Res-
sourcen) mit einbeziehen. Soweit es dem Bedürfnis der Familie entgegenkommt bzw.
entspricht, kann auch die Biographiearbeit über den/die Klienten/in und seinem/ihrem
Umfeld empfehlenswert sein. Die Wohnungsbesichtigung und die Feststellung des
Heil- und Hilfsmittelbedarfes sind ebenso Teil des Assessments.
Entwicklung des Versorgungsplans
In enger Zusammenarbeit mit den Familien und ihrem sozialen Umfeld erfolgt in die-
sem Schritt die Entwicklung und schriftliche Festlegung des Versorgungsplans. Ver-
sorgungsziele werden von dem/der Case Manager/in klientenorientiert definiert und als
Nah- und Fernziele formuliert. Hier finden der Bedarf an Unterstützungsleistungen
(„Selbstversorgungsdefiziten“), vorhandene Ressourcen und Kompetenzen ihre Be-
rücksichtigung (vgl. Ewers, 2005, S. 76f). Die konsequente Einbindung der Familie
trägt wesentlich zu einer erfolgreichen Umsetzung des Versorgungsplans bei. Eine
weitere Voraussetzung für ein erfolgreiches Case Management ist der gelungene Auf-
bau einer von Vertrauen getragenen Beziehung zu den Eltern und dem/n Kind/ern.
Implementierung des Versorgungsplans
Zur Implementierung des Versorgungsplans zählen die Kontaktaufnahme mit Institutio-
nen, Behörden, behandelnden Ärzten und Therapeuten etc. sowie die Koordination
aller in Anspruch genommenen Leistungen. Eine kontinuierliche und fachlich orientierte
enge Zusammenarbeit im interdisziplinären Setting ist unerlässlich, um dem Bedarf der
Familien gerecht zu werden. Fehlende Informationen können unter anderem dazu füh-
ren, dass die Implementierung des Versorgungsplans an den Bedürfnissen der Fami-
lien vorbeigeht. Dies kann in Folge die Kooperation der Eltern beeinträchtigen, unter
Umständen auch zu einem Bruch in der Betreuung führen. Um der Familie das Ver-
ständnis für den Inhalt und die Ziele des Versorgungsplans zu erleichtern, ist es hilf-
reich, Angehörigenarbeit mittels Schulung, Anleitung und Begleitung nicht zu vernach-
lässigen. Dies wird auch durch eine einfache und schnelle Erreichbarkeit der Case
Seite | 23
ManagerInnen unterstützt. Malteser Care-Ring GmbH bietet die Möglichkeit der Tele-
fonbereitschaft von 08.00 bis 20.00 h täglich an.
Monitoring und Re-Assessment
Regelmäßige Pflegevisiten finden bei den Familien zu Hause statt. Die Häufigkeit der
Besuche obliegt der Entscheidung des/r Case Managers/in und ist abhängig von All-
gemeinzustand, Pflege und Betreuung, Einschätzung der Lebenssituation und –qualität
sowie der Zufriedenheit aller am Prozess Beteiligten. Es kann in der Anfangsphase der
Betreuung nötig sein, häufigere Familienbesuche, mehr als 1x wöchentlich, durchzu-
führen, während im Verlauf die Quantität der Besuche abnimmt.
Evaluation und Abschluss
Es obliegt dem/r Case Manager/in, in welchen Abständen die Evaluation erfolgt. Be-
wertet werden neben Pflegeplanung auch alle Tätigkeiten, welche im laufenden Case
und Care Management Beachtung und Umsetzung finden.
Der Fallabschluss gilt als letzter Schritt im Case Management. Das Endgespräch bzw.
Feedback der Familien über die Qualität der Betreuung und Versorgung bildet den
Rahmen des Abschlusses, meist findet das Gespräch unter Einbeziehung der Familie
im interdisziplinären Rahmen im Fachbereich Integration der MA 11 statt. Die Daten
und das Abschlussprotokoll werden archiviert, können aber jederzeit wieder aktiviert
werden.
AUFGABENBEREICHE UND LEISTUNGSANGEBOT
Kurz soll der Aufgabenbereich eines/r Case Managers/in, der auch das Leistungsan-
gebot des familienorientierten Case Management der Malteser Care-Ring GmbH bein-
haltet, zusammengefasst werden:
Durchführung des Case Managements lt. Leistungskatalog, der in ausführlicher
Form in Kap. 6.2 nachzulesen ist, und die kontinuierliche Prozessbeschreibung.
Adäquate Personalakquirierung und fortlaufende Einschulungen.
Wöchentliche Einsatzplanung (Normdienstplanung) des Betreuungspersonals.
Qualitätssicherung: Monitoring und Re-Assessment.
Administrative Tätigkeiten.
Erreichbarkeit für Klienten, Angehörige, Pflegekräfte, Netzwerkpartner.
Seite | 24
Die Dokumentation aller Tätigkeiten erfolgt mittels der elektronischen Dokumentati-
onssoftware E-Care.
4.2 Zusammenfassende Darstellung des Projektes
Aus den beschriebenen Fällen (vgl. Kap. 2) und der Beschreibung der Projektentste-
hung der MCR wird deutlich, dass Familien mit pflegebedürftigen Kindern multifaktoriel-
len Problemen gegenüberstehen. Das österreichische Gesundheits- und Sozialsystem
bietet zwar Unterstützungsleistungen an, jedoch werden diese der Komplexität der
Fälle in der Regel nicht gerecht. Die Konsequenzen für die Familie sind fundamentale
Krisen, die bis zum Auseinanderbrechen des Systems führen können.
Der Ansatz des familienorientierten Case und Care Managements ist ein ganzheitli-
cher, der dem Entstehen von Krisen frühzeitig entgegenwirken soll. Es werden also die
Probleme des Familiensystems analysiert und darauf aufbauend alle nötigen Maß-
nahmen gesetzt und koordiniert, die Normalität und Stabilität bestmöglich wieder her-
stellen sollen. Wichtig ist auch die Beachtung der Rollen in der Familie: Eine Mutter
sollte ihre Rolle auch als solche leben können und nicht durch die Erfüllung organisato-
rischer, pflegerischer und anderer Aufgaben überdeckt werden (vgl. Bischofberger
2007, S. 11).
So sichert das Case Management nicht nur die pflegerische Versorgung für die be-
troffenen Kinder und Jugendlichen, sondern verhindert auch präventiv physische und
psychische Erschöpfungszustände der Angehörigen.
4.3 Zukünftige Zielsetzungen und Ausblick
Die Malteser Care-Ring GmbH hat sich zum Ziel gesetzt, das Projekt des familienorien-
tierten Case Managements fortzuführen und darüber hinaus auszubauen. Eine Auswei-
tung von aktuell 17 auf 25 Kinder und Jugendliche ist noch für Dezember 2012 geplant.
Die Betreuungsleistung wird von der MA11 der Stadt Wien durch eine Förderung un-
terstützt, ohne die das Projekt in der derzeitigen Form nicht möglich wäre. Die Erweite-
rung des Angebots auf andere Bundesländer bis zum bundesweiten Ausbau ist ein
weiteres Ziel des Projekts.
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In Kooperation mit der MA 11 werden seit kurzem auch Kinder und Jugendliche mit
besonderen Bedürfnissen in Krisensituationen betreut. Wesentlicher Inhalt ist es, ge-
meinsam mit den Fall führenden Sozialarbeiterinnen der zuständigen Regionalstelle
wie auch mit dem Fachbereich Integration und der bereichsleitenden Case Managerin
der Malteser Care-Ring GmbH die Krisenabklärung durchzuführen, bestehende Prob-
leme zu analysieren und entsprechende Lösungsmöglichkeiten zu erarbeiten. Wird
aufgrund einer Gefährdung des Kindeswohls eine Fremdunterbringung notwendig,
kann das Kind, der Jugendliche mit Hilfe und Begleitung eines/r 24 h Betreuer/in der
Malteser Care-Ring GmbH eine von der MA 11 angemietete Wohnung beziehen. Die
Kontaktaufnahme und Zuweisung erfolgt über die Magistratsabteilung.
Auf eine weitere Versorgungslücke weist das Kinderhospiz Netz in Wien hin: Eltern
betroffener Kinder wünschen sich das Angebot eines Hospizhauses, da aus ver-
schiedensten Gründen eine Versorgung der Kinder zu Hause nicht (mehr) möglich ist.
Die speziell auf die Bedürfnisse der Kinder abgestimmte Wohnung bietet zudem den
Eltern die Möglichkeit, bei ihrem Kind oder in einem separaten Zimmer übernachten zu
können. Dem Wunsch, als Familie weiterhin nahe beieinander zu sein, könnte so unter
Begleitung einer Ärztin sowie Fachkräften im Rahmen einer 24 h Betreuung Rechnung
getragen werden.
Für das Case Management im Kinder- und Jugendbereich eröffnet sich bei näherer
Betrachtung eine Vielzahl an Aufgabenfeldern. Der unmittelbare Fokus aber richtet sich
zunächst auf die weitere Entwicklung des vorgestellten Projektes. Dabei gilt es, aus der
praktischen Arbeit und neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen zu lernen, bestehende
Ansätze und Leistungen unserer Arbeit zu reflektieren und so die Qualität prozesshaft
zu optimieren und zu verbessern. Die vorliegende Arbeit ist einer von mehreren nöti-
gen Schritten auf dem Weg der Qualitätssicherung des familienorientierten Case Ma-
nagements der Malteser Care-Ring GmbH. Auch gilt es, das webbasierte Dokumenta-
tionssystem „E-Care“ weiter zu modifizieren. Ziel ist u.a. eine geplante ELGA Schnitt-
stelle, die aber aufgrund fehlender Spezifikationen noch nicht ausgereift ist (vgl. Jah-
resbericht 2011; http://www.malteser-care-ring.at).
Die Motivation aller eingebundenen MitarbeiterInnen für dieses zukunftsweisende Pro-
jekt lässt sich in Anlehnung an Andreas Podeswik, Geschäftsführer beim Vorstand des
Bundesverbandes „Bunter Kreis e.V.“ (http://www.bunter-kreis.de) wie folgt zusammen-
fassen:
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"Wir haben die Vision eines in ganz Österreich
flächendeckenden
Familienorientierten Case Managements.
Damit chronisch und schwerkranken Kindern,
Jugendlichen und deren Familien
das Leben gelingt."
Seite | 27
5 Literatur
AUSTRIAN STANDARDS INSTITUTE: Familienorientierte Information, Beratung und Anlei-
tung in der Kinder- und Jugendlichen Pflege. ÖNORM K 1210. Ausgabe 2011-02-01,
Wien.
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CHRISTL, C. (Hrsg.): Handbuch über Richtlinien und Abläufe im Rahmen von Case und
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GRUNDBÖCK, A.: Case Management. Steuerung von extramuralen Gesundheits- und
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Thieme Verlag Stuttgart, 2012.
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heitsökonomische Evaluation der Nachsorgeleistungen des „Vereins zur Familiennach-
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PODESWIK, A./PORZ, F./GROEGER, K./THYEN, U.: Sozialmedizinische Nachsorge für
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PORZ, F. (Hrsg.) u.a.: Neue Wege in der Nachsorge und Palliativversorgung. beta Insti-
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PORZ, F./ERHARDT, H.: Case Management in der Kinder- und Jugendmedizin. Neue
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PORZ, F.: Prospektive randomisierte Implementierung des Modellprojekts Augsburg
(PRIMA-Studie). Evaluation der individuellen familienorientierten Nachsorge für Früh-
und Risikogeborene des Modellprojektes. Zusammenfassung des Endberichts. beta
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RAVENS-SIEBERER, U./MORFELD, M./STEIN, REK./ JESSOP, D.J./ BULLINGER, M./THYEN,
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WENDT, W. R. (2005): Case Management - Ein Konzept, viele Anwendungen. Rosen-
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http://www.bunter-kreis.de/ Stand: 05.11.12
http://www.bunte-kreise-deutschland.de/ Stand: 05.11.12
http://www.kindertraum.at/ Stand: 05.11.12
http://www.malteser-care-ring.at Stand: 05.11.12
http://www.oebig.org Stand: 05.11.12
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6 Anhang
6.1 Leitbild
Seite | 30
6.2 Leistungsangebot im laufenden Case Management
Im laufenden Case Management sind folgende Leistungen inkludiert:
Analyse der persönlichen Situation der Kinder und Jugendlichen und die ihres Um-
feldes; zu Hause, im Spital oder an einem Ort nach Wahl der Familie (Assessment
/ Einschätzungsprofil).
Beratung und Koordination aller notwendigen Schritte, um eine geeignete Pflege
und Betreuung zu gewährleisten
Laufendes Re-Assessment, neue Einschätzung des Pflegebedarfs
Kontinuierliche Beratung und Begleitung von Familienangehörigen
Telefonische Erreichbarkeit von Montag bis Sonntag 8:00 Uhr bis 20:00 Uhr
Hilfestellung in Krisen
Laufende Sicherung der Qualität der Pflege
Fachgerechte Dokumentation aller Leistungen (schriftliche Pflegeberichte vor Ort
und elektronische Datenerfassung mit E-Care)
Maximal 4 Pflegevisiten inklusive Fahrzeit (abhängig von der Entfernung), persönli-
ches Gespräch mit Klienten, Angehörigen und Personenbetreuern
Laufende Einschulung / Begleitung und Anleitung für Personenbetreuer
Hilfestellung bei Förderanträgen (z.B. Pflegegeld, Zuschuss für 24-h-Betreuung des
Bundessozialamts etc.)
Laufende Organisation von Pflegehilfsmitteln, Rezepten, Verordnungsscheinen,
etc.
Absprache und Zusammenarbeit mit in der Pflege involvierten Professionen wie
Therapeuten, Allgemein- und Fachärzte, sowie Einrichtungen (z.B. Tagesstätten,
Ambulanzen, Spitäler…)
Kontinuität aller Leistungen
Führen von Einsatzlisten der Case Manager, regelmäßige Aktualisierung und Frei-
gabe von Auszahlungen
Gesamte Rechnungslegung und treuhändische Abrechnung mit Betreuungsperso-
nal
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6.3 Richtlinien
KINDER UND JUGENDLICHEN BETREUUNG IN ANLEHNUNG AN DIE ÖNORM K1210
Der Malteser Care-Ring GmbH lehnt sich im Rahmen der Unterstützung an die
ÖNORM K1210 „Familienorientierte Information, Beratung und Anleitung in der Kinder-
und Jugendlichenpflege“, an. Diese reglementiert das Vorgehen bei familienorientierter
Beratung, unabhängig vom organisatorischen oder institutionellen Rahmen.
1) Kinder sollen ihren Fähigkeiten und Alter entsprechend geschult werden.
2) Eltern sollen angeleitet werden, die Pflege ihres erkrankten Kindes selbständig
durchzuführen.
3) Das kranke Kind soll in sein familiäres, soziales Umfeld integriert werden.
4) Das Krankheitsverständnis soll vermittelt und vertieft werden.
Die ÖNORM ist unterteilt in Struktur- Prozess- und Ergebnisstandard mit jeweils unter-
schiedlichen Kriterien, die anhand des Evaluierungsbogens entweder durch Selbst /
oder Fremdevaluation überprüft werden können.
Zum Verständnis ein paar Auszüge aus dem Ergebnisstandard, welcher den er-
wünschten Endzustand nach pflegerischen Interventionen beschreibt:
Die erfolgte Intervention/Beratung/Anleitung ist nachvollziehbar und dokumentiert.
Der Patient /die Familie äußert sich, ausreichend informiert beraten und angeleitet
zu sein.
Der Patient /die Familie ist befähigt, Anleitungsinhalte umzusetzen
Der Patient / die Familie äußert eine durch Beratung unterstützte Entscheidung
treffen zu können.
Die Familie fühlt sich bei der Erlangung der Familiengesundheit unterstützt.
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LEITLINIEN FÜR DAS CASE MANAGEMENT
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HANDLUNGSSPIELRAUM DER CASE MANAGERINNEN IM RAHMEN DER
GESETZESGRUNDLAGEN IN ÖSTERREICH
Die Case Manager sind als Angehörige der Gesundheits- und Krankenpflege im ambulanten
Pflegebereich tätig und haben die alleinige Verantwortung für pflegebedürftige Klienten. Die
gesetzlichen Rahmenbedingungen sind im Wesentlichen der eigenverantwortliche und mitver-
antwortliche Tätigkeitsbereich des Gesundheits- und Krankenpflegegesetzes sowie der Ab-
schnitt der Personenbetreuung und das Hausbetreuungsgesetz.
Eigenverantwortlicher Tätigkeitsbereich
§ 14. (1) Die Ausübung des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege umfaßt
die eigenverantwortliche Diagnostik, Planung, Organisation, Durchführung und Kontrolle aller
pflegerischen Maßnahmen im intra- und extramuralen Bereich (Pflegeprozeß), die Gesundheits-
förderung und -beratung im Rahmen der Pflege, die Pflegeforschung sowie die Durchführung
administrativer Aufgaben im Rahmen der Pflege.
(2) Der eigenverantwortliche Tätigkeitsbereich umfaßt insbesondere:
1. Erhebung der Pflegebedürfnisse und des Grades der Pflegeabhängigkeit des Patienten oder
Klienten sowie Feststellung und Beurteilung der zur Deckung dieser Bedürfnisse zur Verfügung
stehenden Ressourcen (Pflegeanamnese),
2. Feststellung der Pflegebedürfnisse (Pflegediagnose),
3. Planung der Pflege, Festlegung von pflegerischen Zielen und Entscheidung über zu treffende
pflegerische Maßnahmen (Pflegeplanung),
4. Durchführung der Pflegemaßnahmen, Auswertung der Resultate der Pflegemaßnahmen
(Pflegeevaluation),
6. Information über Krankheitsvorbeugung und Anwendung von gesundheitsfördernden Maß-
nahmen,
7. psychosoziale Betreuung,
8. Dokumentation des Pflegeprozesses,
9. Organisation der Pflege,
10. Anleitung und Überwachung des Hilfspersonals sowie Anleitung, Unterweisung und beglei-
tende Kontrolle von Personen gemäß §§ 3a bis 3c,
11. Anleitung und Begleitung der Schüler im Rahmen der Ausbildung und
12. Mitwirkung an der Pflegeforschung.
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Mitverantwortlicher Tätigkeitsbereich
§ 15. (1) Der mitverantwortliche Tätigkeitsbereich umfaßt die Durchführung diagnostischer und
therapeutischer Maßnahmen nach ärztlicher Anordnung.
(2) Der anordnende Arzt trägt die Verantwortung für die Anordnung (Anordnungsverantwor-
tung), der Angehörige des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege trägt die
Verantwortung für die Durchführung der angeordneten Tätigkeit (Durchführungsverantwortung).
(3) Im mitverantwortlichen Tätigkeitsbereich hat jede ärztliche Anordnung vor Durchführung der
betreffenden Maßnahme schriftlich zu erfolgen. Die erfolgte Durchführung ist durch den Ange-
hörigen des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege durch deren Unterschrift
zu bestätigen.
(4) Die ärztliche Anordnung kann in medizinisch begründeten Ausnahmefällen mündlich erfol-
gen, sofern auch dabei die Eindeutigkeit und Zweifelsfreiheit sichergestellt sind. Eine Übermitt-
lung der schriftlichen Anordnung per Telefax oder im Wege automationsunterstützter Daten-
übertragung ist zulässig, sofern die Dokumentation gewährleistet ist. Die schriftliche Dokumen-
tation der ärztlichen Anordnung hat unverzüglich, längstens aber innerhalb von 24 Stunden zu
erfolgen.
(5) Der mitverantwortliche Tätigkeitsbereich umfaßt insbesondere:
1. Verabreichung von Arzneimitteln,
2. Vorbereitung und Verabreichung von subkutanen, intramuskulären und intravenösen Injekti-
onen,
3. Vorbereitung und Anschluß von Infusionen bei liegendem Gefäßzugang, ausgenommen
Transfusionen,
4. Blutentnahme aus der Vene und aus den Kapillaren,
5. Setzen von transurethralen Blasenkathetern zur Harnableitung, Instillation und Spülung,
6. Durchführung von Darmeinläufen und
7. Legen von Magensonden.
(6) Im Rahmen des mitverantwortlichen Tätigkeitsbereiches sind Angehörige des gehobenen
Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege berechtigt, nach Maßgabe ärztlicher Anordnun-
gen gemäß Abs. 1 bis 4 folgende Tätigkeiten weiter zu übertragen und die Aufsicht über deren
Durchführung wahrzunehmen:
1. an Angehörige der Pflegehilfe sowie an Teilnehmer eines Pflegehilfelehrganges im Rahmen
der praktischen Ausbildung Tätigkeiten gemäß § 84 Abs. 4,
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2. an Schüler einer Schule für Gesundheits- und Krankenpflege im Rahmen der praktischen
Ausbildung Tätigkeiten des mitverantwortlichen Tätigkeitsbereiches,
3. an Rettungssanitäter gemäß SanG Tätigkeiten im Rahmen des Krankenanstaltenpraktikums
der Ausbildung zum Notfallsanitäter und
4. an Notfallsanitäter mit allgemeiner Notfallkompetenz Arzneimittellehre gemäß SanG Tätigkei-
ten im Rahmen des Krankenanstaltenpraktikums der Ausbildung in der allgemeinen Notfall-
kompetenz Venenzugang und Infusion.
(7) Im Rahmen des mitverantwortlichen Tätigkeitsbereichs sind Angehörige des gehobenen
Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege berechtigt, nach Maßgabe ärztlicher Anordnun-
gen gemäß Abs. 1 bis 4 folgende Tätigkeiten im Einzelfall an Personen gemäß § 3b (Personen-
betreuung) und § 3c weiter zu übertragen:
1. Verabreichung von Arzneimitteln,
2. Anlegen von Bandagen und Verbänden,
3. Verabreichung von subkutanen Insulininjektionen und subkutanen Injektionen von blutgerin-
nungshemmenden Arzneimitteln,
4. Blutentnahme aus der Kapillare zur Bestimmung des Blutzuckerspiegels mittels Teststrei-
fens,
5. einfache Wärme- und Lichtanwendungen.
§ 3b Abs. 3 bis 6 und § 3c Abs. 2 bis 5 sind anzuwenden.
Selbständige Personenbetreuung
MCR arbeitet neben dem Diplompflegepersonal mit selbständig tätigen Personenbetreuern
zusammen, die entweder stundenweise oder rund um die Uhr die direkte Betreuung auf Basis
des Hausbetreuungsgesetzes (HBeG) vom 1.7.2007 übernehmen. Die 24-h-Betreuung wird von
MCR ausschließlich mit begleitendem Case Management (Diplompflege als Qualitätssicherung)
angeboten, wie auch im GukG §3b, Absatz 4 gefordert wird. Im Folgenden ein Auszug aus dem
GukG zum Tätigkeitsbereich der Personenbetreuung.
Personenbetreuung
§ 3b. (1) Personen, die betreuungsbedürftige Menschen
1. als Betreuungskräfte nach den Bestimmungen des Hausbetreuungsgesetzes, BGBl. I Nr.
33/2007, oder
2. im Rahmen des Gewerbes der Personenbetreuung nach den Bestimmungen der Gewerbe-
ordnung 1994,
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unterstützen, sind befugt, einzelne pflegerische Tätigkeiten an der betreuten Person im Einzel-
fall nach Maßgabe der Abs. 2 bis 6 durchzuführen, sofern sie zur Ausübung dieser Tätigkeiten
nicht ohnehin als Angehöriger eines Gesundheits- und Krankenpflegeberufs oder eines Sozial-
betreuungsberufs berechtigt sind.
(2) Zu den pflegerischen Tätigkeiten gemäß Abs. 1 zählen auch
1. die Unterstützung bei der oralen Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme sowie bei der Arznei-
mittelaufnahme,
2. die Unterstützung bei der Körperpflege,
3. die Unterstützung beim An- und Auskleiden,
4. die Unterstützung bei der Benützung von Toilette oder Leibstuhl einschließlich Hilfestellung
beim Wechsel von Inkontinenzprodukten und
5. die Unterstützung beim Aufstehen, Niederlegen, Niedersetzen und Gehen,
sobald Umstände vorliegen, die aus medizinischer Sicht für die Durchführung dieser Tätigkeiten
durch Laien eine Anordnung durch einen Angehörigen des gehobenen Dienstes für Gesund-
heits- und Krankenpflege erforderlich machen.
(3) Tätigkeiten gemäß Abs. 1 dürfen nur
1. an der jeweils betreuten Person im Rahmen deren Privathaushalts,
2. auf Grund einer nach den Regeln über die Einsichts- und Urteilsfähigkeit gültigen Einwilli-
gung durch die betreute Person selbst oder durch die gesetzliche Vertretung oder den Vorsor-
gebevollmächtigten,
3. nach Anleitung und Unterweisung im erforderlichen Ausmaß durch einen Angehörigen des
gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege,
4. nach schriftlicher, und, sofern die Eindeutigkeit und Zweifelsfreiheit sichergestellt sind, in
begründeten Fällen auch nach mündlicher Anordnung durch einen Angehörigen des gehobenen
Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege, bei unverzüglicher, längstens innerhalb von 24
Stunden erfolgender nachträglicher schriftlicher Dokumentation, unter ausdrücklichem Hinweis
auf die Möglichkeit der Ablehnung der Übernahme der Tätigkeit,
im Einzelfall ausgeübt werden, sofern die Person gemäß Abs. 1 dauernd oder zumindest re-
gelmäßig täglich oder zumindest mehrmals wöchentlich über längere Zeiträume im Privathaus-
halt der betreuten Person anwesend ist und in diesem Privathaushalt höchstens drei Menschen,
die zueinander in einem Angehörigenverhältnis stehen, zu betreuen sind. In begründeten Aus-
nahmefällen ist eine Betreuung dieser Menschen auch in zwei Privathaushalten zulässig, sofern
die Anordnung durch denselben Angehörigen des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und
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Krankenpflege oder durch mehrere Angehörige des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und
Krankenpflege, die vom selben Anbieter von Hauskrankenpflege entsandt worden sind, erfolgt.
(4) Der Angehörige des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege hat sich im
erforderlichen Ausmaß zu vergewissern, dass die Person gemäß Abs. 1 über die erforderlichen
Fähigkeiten verfügt. Dies ist ebenso wie die Anleitung und Unterweisung und die Anordnung
gemäß § 5 zu dokumentieren.
Die Anordnung ist nach Maßgabe pflegerischer und qualitätssichernder Notwendigkeiten be-
fristet, höchstens aber für die Dauer des Betreuungsverhältnisses, zu erteilen. Sie ist schriftlich
zu widerrufen, wenn dies aus Gründen der Qualitätssicherung oder auf Grund der Änderung
des Zustandsbildes der betreuten Person erforderlich ist; in begründeten Fällen und, sofern die
Eindeutigkeit und Zweifelsfreiheit sichergestellt sind, kann der Widerruf mündlich erfolgen. In
diesen Fällen ist dieser unverzüglich, längstens innerhalb von 24 Stunden, schriftlich zu doku-
mentieren.
(6) Personen gemäß Abs. 1 sind verpflichtet,
1. die Durchführung der angeordneten Tätigkeiten ausreichend und regelmäßig zu dokumentie-
ren und die Dokumentation den Angehörigen der Gesundheitsberufe, die die betreute Person
pflegen und behandeln, zugänglich zu machen, sowie
2. der anordnenden Person unverzüglich alle Informationen zu erteilen, die für die Anordnung
von Bedeutung sein könnten, insbesondere Veränderung des Zustandsbilds der betreuten Per-
son oder Unterbrechung der Betreuungstätigkeit.
Gesamte Rechtsvorschrift für Hausbetreuungsgesetz, Fassung vom 15.10.2012
Artikel 1
Hausbetreuungsgesetz - HBeG
1. Abschnitt
Allgemeine Bestimmungen
Geltungsbereich
§ 1. (1) Dieses Bundesgesetz gilt für die Betreuung von Personen in deren Privathaushalten,
wobei die Betreuung im Rahmen einer selbständigen oder unselbständigen Erwerbstätigkeit
erfolgen kann.
(2) Die Bestimmungen des zweiten Abschnittes dieses Bundesgesetzes gelten nur für Arbeits-
verhältnisse
1. zwischen einer Betreuungskraft, die das 18. Lebensjahr
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vollendet hat, und
a) der zu betreuenden Person oder einem/einer ihrer Angehörigen, oder
b) einem/einer gemeinnützigen Anbieter/in sozialer und gesundheitlicher Dienste präventiver,
betreuender oder rehabilitativer Art und
2. wenn die zu betreuende Person
a) Anspruch auf Pflegegeld ab der Pflegestufe 3 gemäß dem Bundespflegegeldgesetz (BPGG),
BGBl. Nr. 110/1993, oder gemäß den Pflegegeldgesetzen der Bundesländer oder eine gleichar-
tige Leistung im selben Ausmaß hat oder
b) die zu betreuende Person Anspruch auf Pflegegeld der Pflegestufen 1 oder 2 gemäß dem
BPGG oder gemäß den Pflegegeldgesetzen der Bundesländer oder eine gleichartige Leistung
im selben Ausmaß hat und für diese Person wegen einer nachweislichen Demenzerkrankung
dennoch ein ständiger Betreuungsbedarf besteht, und
3. wenn nach einer Arbeitsperiode von höchstens 14 Tagen eine ununterbrochene Freizeit von
mindestens der gleichen Dauer gewährt wird, und
4. wenn die vereinbarte Arbeitszeit mindestens 48 Stunden pro Woche beträgt, und
5. wenn die Betreuungskraft für die Dauer der Arbeitsperiode in die Hausgemeinschaft der zu
betreuenden Person aufgenommen wird.
(3) Betreuung im Sinne dieses Bundesgesetzes umfasst
1. Tätigkeiten für die zu betreuende Person, die in der Hilfestellung insbesondere bei der Haus-
haltsführung und der Lebensführung bestehen, sowie
2. sonstige auf Grund der Betreuungsbedürftigkeit notwendige Anwesenheiten.
(4) Zu den Tätigkeiten nach Abs. 3 Z 1 zählen auch die in § 3b Abs. 2 Z 1 bis 5 des Gesund-
heits- und Krankenpflegegesetzes (GuKG), BGBl. I Nr. 108/1997, genannten Tätigkeiten, so-
lange keine Bundesrecht konsolidiert
Umstände vorliegen, die aus medizinischer Sicht für die Durchführung dieser Tätigkeiten durch
Laien eine Anordnung durch einen Angehörigen des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und
Krankenpflege erforderlich machen.
(5) Weiters gelten Tätigkeiten nach §§ 14 Abs. 2 Z 4 und 15 Abs. 7 Z 1 bis 5 GuKG und Tätig-
keiten, die der Betreuungskraft nach § 50b Ärztegesetz 1998, BGBl. I Nr. 169, übertragen wur-
den, dann als Betreuung im Sinne dieses Bundesgesetzes, wenn sie von der Betreuungskraft
an der betreuten Person nicht überwiegend erbracht werden.
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Verweisungen
§ 2. Soweit in diesem Bundesgesetz auf andere Bundesgesetze verwiesen wird, sind diese in
der jeweils geltenden Fassung anzuwenden.
2. Abschnitt
Arbeitsrechtliche Sonderbestimmungen
Arbeitsverhältnisse zu Privathaushalten
§ 3. (1) Für Betreuungskräfte nach § 1 Abs. 2, die in einem Arbeitsverhältnis zu der zu betreu-
enden Person oder einem/einer ihrer Angehörigen stehen, ist das Hausgehilfen- und Hausan-
gestelltengesetz (HGHAG), BGBl. Nr. 235/1962, mit Ausnahme der §§ 5 und 6 Abs. 1 bis 3
anzuwenden.
(2) In zwei aufeinander folgenden Wochen darf die Arbeitszeit einschließlich der Zeiten von
Arbeitsbereitschaft 128 Stunden nicht überschreiten. Allfällige über diese Höchstgrenze hinaus-
gehende Zeiten der Arbeitsbereitschaft, die die Betreuungskraft vereinbarungsgemäß in ihrem
Wohnraum oder in näherer häuslicher Umgebung verbringt und während der sie im Übrigen frei
über ihre Zeit verfügen kann, gelten nicht als Arbeitszeit im Sinne dieses Bundesgesetzes.
(3) Die tägliche Arbeitszeit ist durch Ruhepausen von insgesamt mindestens drei Stunden zu
unterbrechen, die auch frei von Arbeitsbereitschaft nach Abs. 2 bleiben müssen. Davon sind
mindestens zwei Ruhepausen von 30 Minuten ununterbrochen zu gewähren.
(4) Darüber hinaus dürfen Arbeitnehmer/innen während jedes Zeitraumes von 24 Stunden ins-
gesamt weitere zehn Stunden nicht in Anspruch genommen werden.
(5) Übertretungen der Abs. 2 bis 4 sind nach § 23 HGHAG zu bestrafen.
(6) Das Arbeitsverhältnis endet mit dem Tod der zu betreuenden Person auch dann, wenn ein/e
Angehörige/r der zu betreuenden Person Arbeitgeber/in ist.
Arbeitsverhältnisse zu Trägerorganisationen
§ 4. (1) Für Betreuungskräfte nach § 1 Abs. 2, die in einem Arbeitsverhältnis zu einem/r ge-
meinnützigen Anbieter/in sozialer und gesundheitlicher Dienste präventiver, betreuender oder
rehabilitativer Art stehen, gilt an Stelle des Arbeitszeitgesetzes (AZG), BGBl. Nr. 461/1969, und
des Arbeitsruhegesetzes, BGBl. Nr. 144/1983, § 3 Abs. 2 bis 4 dieses Bundesgesetzes.
(2) Abweichend von Abs. 1
1. sind § 19c, § 19d und § 26 AZG anzuwenden,
2. sind Übertretungen des § 3 Abs. 2 bis 4 nach § 28 Abs. 2 AZG zu bestrafen.
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3. Abschnitt
Qualitätssicherung in der Betreuung
Handlungsleitlinien
§ 5. (1) Die selbständig tätige Betreuungskraft ist verpflichtet, entsprechend der getroffenen
Vereinbarung über Handlungsleitlinien für den Alltag und Notfall (§ 160 Abs. 2 Z 1 der Gewer-
beordnung 1994, BGBl. Nr. 194) vorzugehen.
(2) Die in einem Arbeitsverhältnis tätige Betreuungskraft ist gegenüber dem/der Arbeitgeber/in
verpflichtet, die ihr vorgegebenen Handlungsleitlinien für den Alltag und den Notfall, insbeson-
dere über die Verständigung bzw. Beiziehung von Angehörigen, Ärzten oder Einrichtungen, die
mobile Dienste anbieten, bei erkennbarer Verschlechterung des Zustandsbildes, einzuhalten.
Bundesrecht konsolidiert
Zusammenarbeit
§ 6. Die Betreuungskraft ist verpflichtet, mit anderen in die Pflege und Betreuung involvierten
Personen und Einrichtungen zum Wohle der zu betreuenden Person zusammenzuarbeiten. Für
eine in einem Arbeitsverhältnis tätige Betreuungskraft ist diese Verpflichtung eine aus dem Ar-
beitsverhältnis.
Verschwiegenheit
§ 7. Die Betreuungskraft ist zur Verschwiegenheit über alle ihr in Ausübung ihrer Tätigkeit be-
kannt gewordenen oder anvertrauten Angelegenheiten verpflichtet, soweit sie nicht davon be-
freit wurde oder sich nicht eine Auskunftsverpflichtung aus gesetzlichen Bestimmungen ergibt.
Für eine in einem Arbeitsverhältnis tätige Betreuungskraft ist diese Verschwiegenheitsverpflich-
tung eine aus dem Arbeitsverhältnis.
4. Abschnitt
In-Kraft-Treten und Vollziehung
§ 8. (1) Dieses Bundesgesetz tritt mit 1. Juli 2007 in Kraft. Auf Arbeitsverhältnisse, deren ver-
traglich vereinbarter Beginn vor dem 1. Juli 2007 liegt, ist dieses Bundesgesetz nur dann anzu-
wenden, wenn dies schriftlich vereinbart wird.
(2) Mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes ist der/die Bundesminister/in für Wirtschaft und
Arbeit betraut.