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TU Bergakademie Freiberg Lehrstuhl für Hydrogeologie Exkursion Baikalsee 19.07. bis 09.08.2004
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TU Bergakademie Freiberg

Lehrstuhl für Hydrogeologie

Exkursion Baikalsee

19.07. bis 09.08.2004

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Teilnehmerliste Betreuer: Prof. Dr. Broder J. Merkel

Dipl. Geol. Britta Planer-Friedrich

Baas Brimer Martin Griessmann Daniel Hartzendorf Thomas Hollands Axel Horst Linda Hultsch Ulrike Jankowski Egbert Jolie Cindy Kleinickel Manuela Kramer Nils Ohly Sandy Peischl Sabrina Scharf Sascha Schönherr Claudia Thomas

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Inhaltsverzeichnis

TEIL I .............................................................................................1

Überblick Sibirien.........................................................................1

Sibirien - Naturräume, Klima, Vegetationszonen, Fauna ................................ 1

Vorgeschichtliche Besiedlung von der Altsteinzeit bis zum Zarenreich........... 8

Die Rolle Sibiriens im Zarenreich und der UdSSR incl. Sibiriendeutsche ......12

Die Transsibirische Eisenbahn und die Baikal-Amur-Magistrale....................18

TEIL II...........................................................................................23

Geologie und Tektonik...............................................................23

Geologie des Baikalsees ...............................................................................23

Heliumisotope als Mantelindikatoren .............................................................27

Tektonik des Baikalrifts ..................................................................................32

Vererzungen und Bergbau.............................................................................42

TEIL III..........................................................................................47

Neotektonik und Hydrogeologie ...............................................47

Neotektonik – Erdbeben, Rutschungen und Flusssysteme............................47

Grundwasser, Thermalwasser und Permafrost..............................................53

Limnologie des Baikalsees ............................................................................58

DGM und Fernerkundung am Baikalsee........................................................63

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II Inhaltsverzeichnis

TEIL IV .........................................................................................67

Handel, Industrie und Umwelt ...................................................67

Industrie und Umweltprobleme am Baikalsee................................................67

Gashydrate im Baikalsee & in Permafrostböden............................................70

Naturschutz und Gesetz zum Schutz des Baikalsees 1993...........................78

Irkutsk und seine Universität ..........................................................................85

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TEIL I

Überblick Sibirien

Sibirien - Naturräume, Klima, Vegetationszonen, Fauna

Linda Hultsch

8. Geoökologie, TU Bergakademie Freiberg 26.05.04

Sibirien Sibirien erstreckt sich in seinem gesamten Ausmaß vom Uralgebirge im Westen bis an die Küste des u.a. Ochotskischen Meeres und es Pazifischen Ozeans im Osten, von den Küstenbereichen des Polarmeeres im Norden bis an die Gebirge Altai, Kusnezker Alatau, West-, Ost-Sajari und dem Slanowoi- Gebirgssystem im Süden (Abb. 1).

Abbildung 1: Erstreckung Sibiriens (aus Schultz 2000)

Geographisch gesehen lässt sich Sibirien im wesentlichen in die folgenden Bereiche unterteilen, welche auch näher charakterisiert werden sollen (Tab. 1).

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2 Sibirien - Naturräume, Klima, Vegetationszonen, Fauna

Tabelle 1: Überblick über die geographische Einteilung Sibiriens (verändert nach SCHULTZ 2000)

Westsibirische Tiefebene

Mittelsibirien Südsibirisches Gebirge

Nordostsibirien

Geographie 3 Mio km³ = größtes Tiefland der Erde; geringe Neigung welche zu Versumpfungen führt

Zwischen Jenissei (W) und Lena (O);

zahlreiche Plateau´s: Anaba-, Prilinar-, Lena-Anagarar, Jenissei-Berge; N Taymir-Halbinsel und Polarmeer

Dazu gehörig: Altai, Kusnezker Alatau, West-, Ost-Sajari, Slanowoi-Gebirgssystem

Begrenzung O Lena (125° - 130°);

Werchojansker-, Moma-, Kolyma-Gebirge

Höhenlage [müNN]

100 – 140 400 – 900; 1500 - 1700

Besonderheiten 60 – 67° Eschen- Birken-Zone

Baikalsee: 636 km lang, 792 km breit, 1620 m tief, 23000 km³

N Baikalgebirge

O Jablonowy-Gebirge (i.D. 1400 müNN)

Klima und Klimaregionen

Sibirien kann in drei Klimagroßregionen unterteil werden, welche keine genaue Übereinstimmung mit den Regionen definiert anhand der geographischen Breite zeigen.

Man unterscheidet in erstens Westsibirien und das nördliche Mittelsibirien, zweitens Südsibirien, das südliche Mittelsibirien, Nordostsibirien bis zur pazifischen Wasserscheide sowie drittens die Gebirge und Küstenregionen jenseits der Wasserscheide (Tab. 1).

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Linda Hultsch 3

Abbildung 2: Klimadiagramme von Klimastationen Nordasiens (aus WEISCHET &

ENDLICHER 2000)

Tabelle 2: Zusammenstellung der drei wesentlichen Klimaregionen Sibiriens (verändert nach WEISCHET & Endlicher 2000)

Westsibirien Südsibirien usw. Gebirge und Küstenregionen

Einflüsse Einflussbereich des osteuropäischen Höhentrogs

Im Winter Einzugsgebiet des asiatischen Kaltlufthochs (Kern des Kältehochs über Baikalsee)

Unterschiedliche Ausmaße pazifischer Einwirkungen

Sommer

Kalt und windig (6 – 7 m/s), welches eine einen schlechten Baumwuchs (Tundra) bedingt.

Polarsommer umfasst ca. 70 Polartage. Jedoch wird der Sonnenschein durch Wolken, Nebel und Sprühregen in Intensität vermindert (tempmax = 30 °C). Niederschläge sind auf Grund niedriger absoluter Luftfeuchte

Ab Juni Polartag. Kurz, warm/ heiß (S), niederschlagsreich mit ca. 200 mm/a. Tiefländer weiterhin nachtfrostgefährdet

Niederschlag aus Zyklonen und deren Okklusionen an der Polarfront.Temperaturen = > 30 °C (tmax= 41 °C). Die relative Feuchte beträgt ca. 75 % (schwül), der Niederschlag 534 mm/a (ermöglicht Laubmisch- wald). Die Vegetationsperiode hat eine Dauer von 144

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4 Sibirien - Naturräume, Klima, Vegetationszonen, Fauna

wenig ergiebig (Nd = 160 bis 170 d/a mit 250 bis 300 mm).

Tagen.

Winter Lang (Oktober bis Juni), streng (bis –25 °C), windig (7 – 9 m/s, max 35 – 40 m/s) und wolkenreich sowie zyklonal geprägt. Da nur wenig Schnee fällt und es stark windig ist, kommt es zum sogenannten „Schneefegen“, welches den Boden entblößt und zur Vertiefung des Permafrostbodens beiträgt. Schneestürme kommen an ca. 100 bis 140 d/a vor.

Bodenhoch und Höhentief; tmin= -68 °C bis – 71 °C (in Talkesseln). Klares, ruhiges Winterwetter. Das Fehlen ergiebiger Schneefälle (max 20 cm) ermöglicht Permafrost.

Wesentlich kälter als in dieser Breitenlage erwartet, da sie unter Einfluss geostropischer Winde hoher Persistenz aus nördlicher Richtung stehen. Kalt, klar und noch kontinental trocken. Wind-geschwindigkeiten von 5 bis 8 m/s. Anziehen maritim feuchter, warmer, wolkenreicher LM (vom Ochotskisches Meer, Japanische Inseln, Armustief), welche Tauwetter sowie Nassschneefall bewirken.

Frühjahr Für Auftauprozesse wird viel Energie verbraucht. Es kommt zur Verzögerung der Erwärmung. Die Eisschmelze des Polarmeeres bedingt eine konstante Wassertemperatur von 0°C

Verspätet (kontinental bedingt) und kurz.

Treibeisfelder des Ochotskischen Meeres verhindern Erwärmung und führen zur Hochausbildung. Seewind verfrachtet LM niedriger Temperaturen und geringen Wasserdampfgehaltes, die nicht niederschlagswirksam sind.

Die Wintersituation lässt sich folgender maßen beschreiben: Ein asiatisches Kältehoch (Bodenhoch), mit einem mittleren Kernluftdruck von 1030 bis 1045 hPa befindet sich über dem Landesinneren. Dem steht ein polares Bodentief mit Luftdruckwerten von 1008 bis 1017 hPa über dem Eismeer entgegen. Durch die großflächigen Hochplateaus und Beckenlandschaften kommt es zu Luftmassenstagnationen, welches eine Abkühlung und die Bildung der kontinentalen Luftmassen zur Folge hat (nicht betroffen ist Westsibirien).

Während der Hochfrühlingssituation erfährt das Kältehoch eine Abschwächung.

Die Sommersituation beginnt ab Anfang Juni. Es bildet sich ein Tiefdrucksystem über dem Kontinent aus, welches einen in Nord-Süd-Richtung verlaufenden Druckgradienten von ca. 5hPa besitzt. Dagegen kommt es über dem kalten Wasser des Pazifiks sowie Polarmeeres zur Ausbildung eines Hochregimes. Im Herbst formiert sich ein langgestreckter Hochdruckrücken.

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Linda Hultsch 5

Vegetationszonen

Die Vegetationszonen Sibiriens gestalten sich wie folgt: prägende Zonen stellen die Tundren und Bergvegetation, immergrüne Nadelwälder (Borealer Nadelwald) sowie anteilig die Mischwälder aus sommergrünen Nadelwäldern und Laubbäumen.

Es treten trotz großer räumlicher Ausdehnung kaum regionale Abweichung im Artenspektrum sowie der Artenzusammensetzung auf. Ursprünglich herrschten ausgedehnte Nadelwälder und nur gelegentlich Mischwälder vor, durchsetzt von vermoorten Seen sowie oligotrophen Mooren. Die nördlichen Regionen sind geprägt durch die Waldtundren. Die Pflanzengesellschaften gestallten sich eher artenarm. Zwischen den Teilgebieten herrscht eine große floristische Übereinstimmung, jedoch nimmt nach Süden hin die Artenzahl sowie floristische Unterschiede zu.

Charakteristisch für Sibirien ist der Boreale Nadelwald. Sein Ausmaß wird auf 10 bis 12 Mio. km² (50 % der Gesamtfläche) geschätzt. Die Baumschicht wird hier durch Koniferen wie Fichten, Kiefern, Lärchen, Tannen sowie Birken, Pappeln, Weiden, Erlen, Eschen und Zwergstraucharten gebildet („helle Taiga“, polare Baumgrenze). Flechten, Moose, ebenfalls Zwergsträucher, seltener Kräuter und Gräser siedeln im Unterwuchs.

Eine großräumige (subzonale) Differenzierung folgt dem nord-südlich ausgerichteten Klimawandel (nördliche, mittlere, südliche Taiga). Kleinräumige Differenzen sind meist dem Wechsel in Bodenfeuchte und Strahlungsexposition bedingt. Es gibt keine Klimaxausbildung (shifting mosaik steady state) in der Vegetation, sondern ständige, kleinräumige Sukzessionen prägen das Bild.

Die vorherrschenden schlechten Zersetzungsbedingungen (niedrige Temperatur, niedriger pH-Wert usw.) führen zur Ausbildung einer mächtigen Streuauflage. Ebenfalls u.a. thermisch bedingte (schlechte Lebensbedingungen für Bodenorganismen) führen zu langen Umsetzdauern, welches wiederum zu beispielsweise Stickstoffmangel führt. Eine wesentliche Bedeutung kommt somit den regelmäßigen Waldbränden (0,6 % / a der borealen Nadelwälder) zu, welche für die Einpendelung der Mineralkreisläufe nötig sind und Verjüngung der Bestände (Schwelbrände) bewirken.

Als Besonderheit der boreale Nadelwälder gilt die dauerhafte Überschussproduktion an organischer Substanz. Möglicher Weise nimmt dies Ausmaße bis zu 700 Gt an C ein.

Fauna

Wie schon bei den Pflanzen weist Sibirien ebenfalls kaum regionale Abweichung in den Tierbeständen trotz der großen räumlicher Ausdehnung auf. Gesamt ist der Tierbestand als gering zu bezeichnen, bedingt durch spärliches Futterangebot. Vorkommende Arten sind Elche, Hirsche, Rentiere, Karibus, Biber und Schneehasen als Beispiele der Pflanzenfresser. Als Fleisch – bzw. Gemischtköstler treten Bären, Wölfe, Luchse, Marder, Vielfrasse und Füchse auf. Das Artenspektrum wird durch das der Vögel ausgeweitet. Z.B. bewohnen Tannen-, Unglückshäher, Seidenschwänze, Auerhähne, Kreuzschnäbel, Dreizehnspecht u.a. die Regionen dieser Breiten. Wechselwarme Tiere fehlen auf Grund der thermisch-klimatischen Bedingungen weitgehend.

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6 Sibirien - Naturräume, Klima, Vegetationszonen, Fauna

Ökozonen

Ökozonen stellen eine zusammenfassende Betrachtung faunistischer, floritischer sowie abiotischer Gegebenheiten einer Region dar.

Die Untergliederung Sibiriens in Ökozonen, gestaltet sich wie in Abb. 4 ersichtlich.

Abbildung 4: Globale Verteilung der Ökozonen (aus Schultz 2000)

Danach erstrecken sich über die Fläche Sibiriens die Ökozonen der Tundren und Frostgebiet (hellblau), der Borealen Zone (dunkelgrün), anteilig der Feuchten Mittelbreiten (braungrün) sowie der Grassteppen (grau).

Die Strahlungsbilanz der Breiten, worin Sibiriens liegt, beträgt zwischen 3000 und 400/500 *10 kJ/ha in einem N – S – Gefälle, wobei sie starken Schwankungen im Jahresverlauf unterliegt.

In Tab. 3 sind noch einmal die vier Ökozonen mit ihren Eigenschaften und Merkmalen zusammenfassend aufgeführt.

Tabelle 3:Zusammenstellung der Ökozonen Sibiriens (verändert nach SCHULTZ 2000)

Polare/ subpolare Zone

Boreale Zone Feuchte Mittelbreiten

Grassteppe

Tageslänge [h] 0 – 24 4- 20 8 - 16

Langtags- bis Ganztagsbedingungen

Hochsommer: Langtagsbedingung

Vegetationsperioden [mon]

Temp > 10 °C

Temp > 18 °C

0 – 3 (4)

0 (1)

0

4 – 5 (3 - 6)

2 – 3 (1 – 4)

0 (1)

6 – 12 (5)

5 - 7 (4)

1 – 3 (0 – 5)

Niederschlag < 250 250 - 500 500 – 1000

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Linda Hultsch 7

[mm/a]

Abflusshöhe [mm/a]

120 200 350 60

Böden Gelic Regosol - Gelic Gleyosol -Zone

Podzol – Cambisol – Histosol - Zone

Haptic Luvisol - Zone

Xerosol - Zone

Zonale Pflanzenformation

(Kimaxstadium)

Polare Wüste, Hocharktische/ Niederarktische Tundra

Waldtundra, Flechtenwald, Geschlossener borealer Nadelwald

(immergrüner bNw = „dunkle Taiga“; sommergrüner bNw = „helle Taiga“)

Sommergrüner Laub-, Mischwald

Artenvielfalt

[pro 10.000 km²]

< 200 200 – 500 500 – 1000

Jährliche Nettoprimär-produktion [t/ha]

0 – 2,5 2,5 - 5

Verdunstung [mm] 115 270 390 - 520 140 - 310

Literatur

[1] Weischet, W., Endlicher, W. (2000): Regionale Klimatologie. Teil 2. Die Alte Welt. Europa, Afrika, Asien. - Teubner Verlag, Stuttgart, Leipzig, 625 Seiten

[2] Schultz, J. (2000): Handbuch der Ökozonen. - Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart, 577 Seiten

[3] Philip, G.(Ltd.): Der neue Weltatlas. – MERIT Verlag Hamburg, 160 Seiten

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8 Vorgeschichtliche Besiedlung von der Altsteinzeit bis zum Zarenreich

Vorgeschichtliche Besiedlung von der Altsteinzeit bis zum Zarenreich

Sabrina Scharf

6. Geoökologie, TU Bergakademie Freiberg 26.05.04

Altsteinzeit bis zum 2. Jahrhundert v.Chr.

Die Kenntnisse über die vorgeschichtliche Besiedlung Sibiriens wurden durch Ausgrabungen gewonnen, manche zufällig durch die ansässige Bevölkerung, andere aber auch im Rahmen von Expeditionen, jedoch die größte Anzahl an Fundstätten wurde bei Bauprojekten (Staudämme, Wasserkraftwerke usw.) entdeckt.

Diese Archäologischen Funde belegen, dass es schon im Paläolithikum (Altsteinzeit) Siedlungen von Jägern und Fischern entlang der Jenissej, Selenga, Angara und Lena gab. Der Lagerplatz der im Dorf Malta gefunden wurde, ist laut Radiokarbonanalyse 20000 bis 25000 Jahre alt. Es wurde jedoch auch ein Lagerplatz am Fluss Ulalinka entdeckt, er wesentlich älter ist und zwar 100000-200000 Jahre, die Menschen die ihn errichtet haben standen wohl auf einer der ersten Evolutionsstufen des Menschen.

Beringstraßenhypothese: Im Neolithikum (vor 20000 bis 30000 Jahren) lag der Meeresspiegel etwa 90m unter den heutigen, es bestand zwischen der Tschuktschenhalbinsel und Alaska eine Festlandbrücke. Es könnte somit sein, das die ersten Bewohnen Amerikas aus Sibirien kamen. Dafür sprechen Ähnlichkeiten mit Urindianern aus Sibirien. In der Übergangsperiode (Mesolithikums) ist ein Anwachsen der Bevölkerung zu verzeichnen, die großen Horden von Jägern teilen sich in kleinere Gruppen→ Stammesorganisation bildet sich heraus.

Das südliche Sibirien bot den Menschen etwas bessere Lebensbedingungen, sie lebten von Jagt und Fischfang, aber es entwickelte sich später auch die nomadische und halbnomadische Viehzucht. Die nördlichen Gebiete wurden in Neolithikum von Jägern erreicht, diese errichteten entlang der Küste ihre Behausungen, sie lebten vor allem von der Jagt. Die ersten Metallwerkzeuge kamen bei den sibirischen Stämmen zu Beginn des 2.Jahrh. v. u.Z. auf, Nadeln, Messer, Angelharken aus Kupfer. Die Afanasjewo-Stämme (in der Bergen des Altai und der Minussinsker Steppe) waren wohl die, die Metalle gewinnen und verarbeiten lernten. Der Afanasjewo-Mensch gilt auch als einer der ersten Viehzüchter Sibiriens, er versuchte den Boden zu lockern, Getreide anzubauen, Kühe, Pferde, Schafe zu züchten.

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Sabrina Scharf 9

Ab 2. Jahrhundert v. Chr.

Sibirien entwickelte sich maßgeblich unter dem Einfluss Zentralasiens und den dort entstandenen Staatsgebilde (der Hunnen, Türken, Uiguren, Mongolen), die für eine gewisse Zeit die Herrschaft über Stämme in Transsibirien und dem Altai. hatten. So bildete sich im 2.Jahrh.v.Chr. in den Steppen Zentralasiens der mächtige Staat der Hunnen (Turkvolk). Einige Stämme verließen diese Gegend und zogen nach Norden, wieder andere übernahmen von den Viehzucht treibenden Hunnen nützliche Fähigkeiten. Eine Serie von Niederlagen führte ab 73n.Chr. zur Auflösung des Hunnenreiches. Zwischen dem 9. und 10.Jh. behauptete sich ein weiteres Turkvolk vom Jenissei aus, die Kirgisen.

Danach setzten sich immer mehr die mongolischen Stämme durch, die sich dann unter Dschingis-Chan Mongolischen Reich vereinigten (Verwüstung, Versklavung Vernichtung ganzer Kulturvölker, Einschnitt in die Geschichte Asiens und Osteuropas). . Unmittelbar an den Ufern des Baikalsees lebte der sagenumwobene Nomadenstamm der Kurykanen vom 6. bis zum 11. Jahrhundert und widersetzte sich den Hunnen.

Mit den Eroberungen Dschingis Khans zogen sie entlang der Lena weiter gen Norden. Im heutigen Jakutien verfolgt man die ethnischen Wurzeln des Stammes bis in 13. Jahrhundert, so dass die Jakuten wahrscheinlich aus den Kurykanen hervorgingen. Am Baikal entstanden aus ihrer Assimilation mit den Mongolen südlich des Baikals die Burjaten. Stämme türkischer und mongolischer Stämme vermischen sich mit Paläoasiaten und bilden die Grundlage einiger heutiger Völker.

Zerfall des Mongolenreiches bis zum Zarenreich

Mit dem Zerfall des Mongolenreiches in der zweiten Hälfte des 14. Jh. bildeten sich kleinere Nachfolgereiche, die selbstständigen Chanate. Eines davon war das Chat Sibir, was in einigen russischen Chroniken als „sibirisches Zarenreich“ bezeichnet wird. Es war ein lockeres Staatsgebilde. An der Spitze des Chat stand ein Chan, die „Oberschicht“ bildeten die Tataren.

Sibirien war Russland seit den 11 Jh. bekannt, insbesondere der nordwestliche Teil, mit dem die Noworoginer Handelsbeziehungen aufnahmen (vor allen Pelze, Zobel)

Russland war im Aufbruch und expandierte rasch in alle Richtungen. Die Kaufleute Stroganow bekamen von Zar Iwan 3 Besitzungen an der sibirischen Grenze und die Erlaubnis Währsiedlungen zu bauen, um die Grenze zu sichern. Die Grenzen waren keineswegs ruhig, so führte das Chat Sibir Krieg gegen benachbarte Steppennomaden und den russischen Staat. Im Herbst 1582 eroberten Kosaken unter der Führung Jermak die Hauptstadt des sibirischen Reiches Sibir (Isker). Chan Kutschum musste fliehen. Sibirien gehörte nun zu Russland, es wurden Festungen gebaut, Kaufleute drangen entlang der Flüsse ins Landesinnere ein. Die Erschließung Sibiriens hatte begonnen.

Entwicklung der Stämme in Sibirien

Die verschiedenen Völkerschaften und Stämme sind nicht heterogen (unterscheiden sich unter anderem in Entwicklungsstadien, was Stammesordnung angeht) und sie verteilen sich über ein riesiges Territorium, oft getrennt durch menschenleere

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10 Vorgeschichtliche Besiedlung von der Altsteinzeit bis zum Zarenreich

Gegenden. Einwohnerzahl schwer festzustellen, Schätzungen dass im 17.Jh. in diesem Gebiet etwa 240000 Menschen lebten, 1 Mensch auf 53km2.

Tataren, Burjaten, Jakuten und Tungusen die zahlenmäßig größten Stämme. Den südlichen Teil der Waldzone, Waldsteppe und Steppe Westsibiriens bewohnten verschiedene Turkstämme, sie werden als sibirische Tataren bezeichnet. Sie hatten ein verhältnismäßig hohes Entwicklungsniveau, lebten von der Viehzucht und es gab Anfänge des Ackerbaus. Nördlich der Tataren, am unteren Irtysch, mittleren und oberen Ob, lebten die finnisch-ugrischen Stämme (16000 Menschen), aus denen die heutigen Chanten und Mansen hervorgegangen sind. Lebensgrundlage: Jagt, Fischfang.

Nördliche Teil Westsibiriens wurde von den samojedischen Stämmen eingenommen, die Vorfahren der heutigen Nenzen. Lebensgrundlage: nomadische Rentierhaltung. Im östlichen Sibirien waren die größten Völkerschaften die Jakuten, Burjaten und Tungusen. Die Burjaten (in Sippen gegliedert) bewohnten als Viehzüchter die Steppen und Waldsteppen Baikaliens. Westlich des Baikalsees führten sie eine halbnomadische Lebensweise, in Transbaikalien eine typische Nomadenhaltung, Rinder, Schafe, Ziegen und Kamele. Im Begrenzten Umfang auch Ackerbau, Metallgewinnung und –verarbeitung.

Die Jakuten siedelten hauptsächlich zwischen Lena und Amga. Sie bilden den nördlichsten turksprachige Völkerschaft der Welt. Im Verlauf des 13. bis 16. Jh. Waren sie aus Vorbaikalien gekommen, Übersiedlung in mehreren Wellen. Teilweise sesshafte Lebensweise, Metallbearbeitung.

Die Taigagebiete zwischen Jenissej und Stillem Ozean bewohnten die Tungusen (36000 Angehörige), aus denen die heutigen Ewenken, Ewenen und Negidalzen hervorgegangen sind.

Die Tungusen gehörten zu den altansässigen Bewohnern Sibiriens, wandernde Jäger und Fischer, aber auch Rentier und Pferdehaltung, Eisengewinnung, Bearbeitung.

Das ausgedehnte Gebiet in Nordosten (von Lena bis zur Jana, Indigirka usw.) bewohnten die Jukagiren, bewohnten eigentlich wesentlich größeres Gebiet, wurden allerdings von den Tungusen und anderen Stämmen abgedrängt. Bis zum Erscheinen der Russen lebten die Jukagieren in der Steinzeit. Etwa auf den selben Entwicklungsniveau standen die ketischen Stämme (am mittleren Jenissej und Zuflüssen).

Den äußersten Nordosten bewohnten die Tschuktschen und die Korjaken, gab sesshafte Sippen an der Küste und nomadische mit Rentierhaltung. Im Minussinsker Becken lebten viele verschiedene Stämme, unter denen die Jenissej-Kirgiesen (Turkvolk) die dominierende Rolle spielten.

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Sabrina Scharf 11

Literatur

[1] Schinkarjow,M (1979): Mein Sibirien; DDR

[2] Simtschenko, J. (1984): Am Rande der Arktis. Brockhaus Verlag Leibzig

[3] Thomas, L. (1982): Geschichte Sibiriens, Akademie-Verlag Berlin

[4] Vorober, V. (1988): Erschließung Sibiriens und des fernen Ostens, Verlag Haack

Internet:

www.uni-marburg.de/geographie/HPGeo/personal/Opp/Mittelseminar_Sibirien/westsibirien/ lau.htm

Abbildung 5: aus VOROBER 1988

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12 Die Rolle Sibiriens im Zarenreich und der UdSSR incl. Sibiriendeutsche

Die Rolle Sibiriens im Zarenreich und der UdSSR incl. Sibiriendeutsche

Sascha Schönherr

6. Geologie, TU Bergakademie Freiberg

Sibirien im Zarenreich und der UdSSR

Iwan IV (1534-84), besser bekannt als Ivan „der Schreckliche“ krönte sich 1547 selbst zum ersten Zaren von Russland und um seine von äußeren Feinden bedrohte Herrschaft zu festigen, unterwarf er 1552 das tatarische Khanat Kasan und 1581 das Khanat Sibir, dem das Land im Osten seinen zukünftigen Namen verdankt.

Entscheidend bei der Landnahme und Eroberung Sibiriens waren die Kosaken, die ursprünglich Wehrbauern aus den südrussischen Provinzen waren, denen durch die Zaren weit reichende Privilegien eingeräumt wurden und die im Gegenzug die südrussischen Gebiete vor den Einfällen der Turkvölker schützten. Diese drangen auf der Jagd nach den begehrten Zobelpelzen beständig weiter nach Osten vor und gründeten an strategisch wichtigen Stellen, meist an Flussübergängen, Forts und Vorratsstationen, aus denen die ersten größeren Städte Sibiriens entstanden. Dabei kam ihnen die äußerst dünne Besiedlung des Landes entgegen, denn im Gegensatz zu Nordamerika, das von mehreren Millionen Indianern bevölkert war lebten in Sibirien lediglich etwa 200000 Menschen.

Bereits 1639 erreichten die ersten 20 Kosaken das Ochotskische Meer und hatten damit das Zarenreich in den 57 Jahren seit der Eroberung des Khanats Sibir um ca. 7500 km nach Osten erweitert. Mit dem 17. Jahrhundert begann ähnlich wie in anderen europäischen Staaten die Industrialisierung mit dem Bergbau, weshalb aufgrund der wachsenden Bedeutung Sibiriens für das Russische Reich war 2 Jahre zuvor in Moskau eine Verwaltungsbehörde für Sibirien gegründet worden. Die ersten Gruben wurden hauptsächlich durch Strafgefangene aufgeschlossen und auf Metalle wie Kupfer, Blei und vor allem Silber abgebaut, so dass sich Sibirien 1740 zum größten Kupferlieferanten der Welt entwickelt hatte. Südlich im Altai wurde der Bergbau um 1720 begründet und bildete neben Nertschinsk das zweite Bergbauzentrum des Landes, in der mit Unterstützung Deutscher Bergleute vor allem Silber abgebaut wurde, durch den auch die ersten deutschstämmigen Siedlungen entstanden. 1830 brach schließlich auch in Sibirien der Goldrausch aus, währenddem vor allem im Sajan Gebirge, in der Jenissej Region und vor allem im Altai Gebirge geschürft wurde

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Sascha Schönherr 13

Um den Handel zu vereinfachen und die enormen Reisezeiten in den fernen Osten zu verkürzen wurde bereits unter Zarin Katharina II (1729-96) mit dem Bau des Großen Sibirischen Postweges (1763) begonnen. Im 19. Jahrhundert waren es vor allem militärstrategische Überlegungen die zum Bau der Transsibirischen Eisenbahn führten. Größtenteils durch französisches und belgisches Kapital finanziert wurde 1891 mit dem Bau begonnen, deren Fertigstellung sich bis in das Jahr 1904 hinzog. Durch den Bahnbau und die daraus resultierende Ansiedlung von Eisenbahnwerken und Zuliefererindustrien entstanden viele neue Arbeitsplätze, so dass bis zum ersten Weltkrieg die Bahnwerke von Omsk, Wladiwostock, Nowosibirsk, Irkutsk und Krasnojarsk die größten Arbeitgeber Sibiriens waren.

Mit dem Sieg der Bolschiwiki wurde auch die Industrialisierung Sibiriens voran-getrieben und seit dem ersten 5 Jahresplan 1928 bis zum Ausbruch des 2. Weltkrieges die großen Industriekombinate östlich des Ural (Kusbass - Magnitogorsk) mit ausländischer Unterstützung und unter ungeheuren Menschenopfern aufgebaut. Dennoch blieb der Anteil der industriellen Produktion Sibiriens im Vergleich zur übrigen Sowjetunion mit 5,2 % äußerst gering (1928 = 3,2%). Während des 2. Weltkriegs wurden zahlreiche kriegswichtige Industrieanlagen und deren Belegschaft aus dem europäischen Teil der Sowjetunion nach Sibirien evakuiert. Damit stieg der Anteil der industriellen Produktion bis 1945 auf 14,5 % an. Nach dem Tod Stalins wurde eine eigenständige regionale Entwicklung für Sibirien propagiert. Unter N. Chruschtschow wurden die zum Teil gigantischen Projekte zur Nutzung der Energiereserven der großen sibirischen Ströme verwirklicht. So wurden die Wasserkraftwerke von Irkutsk (1958), von Bratsk (1961) und Krasnojarsk errichtet. Außerdem wurde 1954 ein Neulandprogramm gestartet das binnen eines Jahres die Urbarmachung von 13 Mio ha Land vorsah. Viele dieser Großprojekte konnten und können wegen der fehlenden Infrastruktur nur teilweise oder gar nicht genutzt werden. Mit der Entdeckung und Erschließung der Erdöl und Erdgasfelder wurde Sibirien wieder zum Hauptrohstofflieferanten und Devisenbringer der Sowjetunion und stieg bis 1974 zum größten Erdölproduzenten der Welt auf. Ab 1985 wurden übersubventionierte Projekte schrittweise zurückgefahren oder ganz eingestellt.

Geschichte der Russlanddeutschen

Seit den Zeiten Iwan IV (1534-84) wurde Russland in beträchtlichem Maße erweit-ert. Um dass ständig wachsende Reich wirtschaftlich besser erschließen zu können erließ Katharina II am 22. Juli 1763 ein Einladungsmanifest in dem ausländischen Siedlern eine Reihe von Privilegien (Religionsfreiheit, Selbstverwaltung, Steuer-freiheit) in Aussicht gestellt wurden, wenn sie sich in Russland niederlassen und das Land kolonisieren. In den Jahren 1763-67 wanderten circa 8000 Familien aus Schwaben, Würtemberg und der Pfalz mit schätzungsweise 27000 Angehörigen in die Region, um die neu gegründete Hauptstadt St. Petersburg und in die Wolgaregionen, ein. Das günstige Erbsystem, der Kinderreichtum und ein steter Zustrom neuer Siedler führten zur Gründung zahlreicher Tochterkolonien im Wolga und Schwarzmeergebiet, ab der Mitte des 19. Jahrhunderts im Kaukasus, Sibirien, Kasachstan und Mittelasien.

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14 Die Rolle Sibiriens im Zarenreich und der UdSSR incl. Sibiriendeutsche

Mit dem sich ausbreitenden Nationalismus in der 2 Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden die Privilegien und Rechte der Siedler zunehmend beschnitten, so dass es insbesondere unter den Mennoniten zu einer ersten starken Emigrationsbewegung kam. Nach einer Agrarreform im Jahr 1910, die den Landbesitz in Privateigentum umwandelte, sahen viele Siedler ihre Chance darin neuen Siedlungsraum in Sibirien und Mittelasien zu erschließen und somit dem Bevölkerungsdruck in den deutschen Kolonien zu entgehen. Das Land wurde entweder von der Krone vergeben oder von den Kirgisen, die einen Teil ihrer Weidefläche abgaben oder verpachteten, so dass die Gesamtzahl der eingewanderten deutschen Familien an die 100000 betrug. Während des 1. Weltkrieges dienten etwa 300000 Deutsche in der russischen Armee die vorwiegend im Krieg gegen die Türken eingesetzt wurden, dennoch erließ der Zar Nikolaus II im Jahr 1915 das „Liquidationsgesetz“, auf dessen Grundlage es zu ersten größeren Deportationen unter der deutschen Bevölkerung kam.

Mit der Oktoberrevolution wurde dieses Gesetz aufgehoben und es wurde am 19. Dezember 1918 die autonome „Arbeitskommune des Gebietes der Wolgadeutschen“ gegründet aus der am 6. Januar 1924 die „Autonome Sozialistische Sowjetrepublik der Wolgadeutschen" hervorging. Während die größeren deutschen Siedlungskolonien zu Rayons (Landkreise) zusammengefasst wurden von denen bis 1931 insgesamt 8 entstanden schuf man in Gebieten in denen es nur wenige deutsche Dörfer gab so genannte Dorfsowjets von denen es in der UdSSR bis zu ihrer Auflösung 1938/39 außerhalb der Wolgarepublik insgesamt 550 gab.

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Sascha Schönherr 15

Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten in Deutschland und den wachsenden Spannungen innerhalb der europäischen Mächte wurden die etwa 2 Mio. Russlanddeutschen bereits 1934 in Listen erfasst und in den Jahren bis zum Ausbruch des 2. Weltkrieges immer stärkeren Repressionen ausgesetzt, die mit dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion im Frühsommer 1941 ihren Höhepunkt erreichten. Nachdem im Juli 41 die Schwarzmeerdeutschen deportiert wurden erfolgte am 28. 8. 1941 der Erlass des Obersten Sowjets der UdSSR zur „Übersiedlung der Deutschen, die in den Wolgarayons wohnen.“ Darin wurden sie pauschal der Kollaboration mit Deutschland beschuldigt und nach Osten deportiert und am 7. September wurde die Wolgadeutsche Republik aufgelöst.

Die Deportationen während des 2. Weltkrieges führten zu einer völlig neuen Bevölk-erungsverteilung unter den deutschstämmigen Bewohnern in der Sowjetunion.

1926 1979

Ukraine 31,8% 1,8%

Europ.Teil 54,6% 28,6%

Kasachstan 4,1% 46,5%

Sibirien 6,6% 23,8%

Mittelasien 0,8% 9,3%

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16 Die Rolle Sibiriens im Zarenreich und der UdSSR incl. Sibiriendeutsche

1964 wurde im Zuge der Entstalinisierung eine Teil-Rehabilitierung der Russland-deutschen und eine Aufhebung des Deportationsdekrets vom August 1941 durch-geführt, die freie Wahl ihres Wohnortes bleibt ihnen aber weiterhin untersagt. Dieses Recht wird ihnen erst von 1972 an eingeräumt.

Mit Glasnost und Perestroika kommt es auch für die Russlanddeutschen zu erheb-lichen Erleichterungen, so wird am 8. April 1986 ein neues Gesetz verabschiedet das die Ein – und Ausreise sowie Familienzusammenführungen erleichtert, was zur Folge hat das Mitte der 80iger Jahre die Aussiedlerzahlen sprunghaft ansteigen. 1987 - 4.488

1989 - 98.134

1990 -.147.950

1991 - 147.320

1992 - 195.576

1993 -

1994 -

Am 1.Juli 1991 wird der 1938 aufgelöste deutsche Rayon Halbstadt (Nekrassowo) im Altai neu gegründet, dem am18.Februar 1992 der Rayon Asowo/Omsk folgt.

Literatur

[1] Sergejew, M.(1986): Irkutsk- Baikalsee, Moskau [2] Richter-Eberl, U.(1989): Geschichte und Kultur der Deutschen in Russland/GUS, Sigmaringen

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Sascha Schönherr 17

[3] Damals: 1/2000: Sowjetunion: Der Gigantismus und seine Folgen, München

[4] Informationen zur politischen Bildung 267: Aussiedler, München 2000

[5] Informationen zur politischen Bildung 281: Russland, München 2003

[6] Geo Epoche: Im Reich der Zaren, Hamburg 2001

www.unimarburg.de/geographie/HPGeo/personal/OPP/Mittelseminar_Sibirien/westsibirien/schuldt/schuldt.pdf

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18 Die Transsibirische Eisenbahn und die Baikal-Amur-Magistrale

Die Transsibirische Eisenbahn und die Baikal-Amur-Magistrale

Baas Brimer

8. Geoökologie, TU Bergakademie Freiberg

Die Idee

Die ersten Eisenbahnlinien in Russland geht auf das Jahr 1835, als eine 28km lange Strecke St. Petersburg mit dem Kaiserschloss (heute Puschkin) verbinden sollte. Eine 650km lange Eisenbahnstrecke sollte im Jahre 1843 Moskau mit St. Petersburg verbinden. Hauptziel dieser Verbindung war der Transport von Getreide aus entlegenen Regionen nach Moskau, St. Petersburg und dann weiter zu russischen Exporthäfen.

Schon Mitte des vergangenen Jahrhunderts wurde der Gedanke, eine Eisenbahnlinie quer durch Sibirien zu bauen, durch die Generalgouverneure von Omsk und Irkutsk laut. Die Sibirier wollten natürlich ihre Städte per Bahn mit der westlichen Wirtschaft verbinden; dies umso verstärkt nach der Annexion des Flusses Amur an Russland im Jahre 1868. Im Osten öffneten sich Häfen am Pazifik, welche erst durch eine Eisenbahn von den Sibiriern erreicht werden konnten. Jedoch erst der Amtsantritt des Zaren Alexander III im Jahre 1881 verhalf dem Projekt zum Durchbruch. Mit den Worten "Es ist Zeit, es ist allerhöchste Zeit" genehmigte der Zar das Jahrhundertprojekt "Transsibirische Eisenbahn". Schlussendlich waren es militärische und strategische Interessen, stärker als wie das Interesse der Sibirier, welche zum Bau der Transsibirischen Eisenbahn führten. Da der Ural bereits per Bahn mit Moskau verbunden war, verblieb das Stück zwischen den Städten Celjablinsk im Ural und Wladiwostok am Pazifik zu schließen. Dazwischen lag unbewohnte Steppe, Dauerfrostboden und der Baikalsee.

Die Abschnitte

Die Transsib (Transsibirische Eisenbahn) wurde in den verschiedenen Regionen zeitgleich gebaut. Diese Bauabschnitte gaben später den Eisenbahnverwaltungen ihre Namen. Es entstand die Westsibirische-, die Mittelsibirische-, die Baikal-, die Transbaikalische-, die Amur- und die Ussuri-Bahn. Auch heute gibt es diese Bahnverwaltungen mit eben diesen Namen noch. Am 12. Mai 1891 begann man

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Baas Brimer 19

zeitgleich im Osten und im Westen mit dem Bau der Transsibirischen Eisenbahn. Der damalige Zarenthronfolger Nikolaj II tat den ersten Spatenstich in Wladiwostok, um anschließend nach Moskau zu reisen. Diese Reise dauerte damals 3 Monate.

Die Ussuri-Bahn wurde als erstes Teilstück, Ende August 1897, dem öffentlichen Verkehr übergegeben. Zwischen 1892 und 1895 baute man an der Westsibirischen Eisenbahn, von Celjabinsk bis zum linken Ob-Ufer. Die Mittelsibirische Eisenbahn, vom rechten Ufer des Ob zum Baikalsee, bedurfte 5 Jahre Arbeit. Fertig gestellt wurde dieser Teil im Jahre 1889. 1895 begann man bereits am andern Ende des Baikals mit dem Bau der Transbaikalbahn. Dieser Abschnitt sollte ebenfalls nach 5 Jahren fertig sein. Bis 1905 wurde bereits vom Ural bis Irkutsk zweigleisig gefahren.

Beachtung sollte man dem Kilometerstein 1777 schenken (aus Richtung Moskau kommend). Dieser Obelisk stellt die symbolische Grenze zwischen Europa und Asien dar.

Die Baikalregion

Das Gebiet um den Baikalsee war damals für die Eisenbahnbauer ein kaum überwindbares Hindernis. Die bergige Gegend machte eine Weiterführung der Eisenbahnlinie unmöglich, so dass man sich für eine Fährverbindung über den Baikalsee entschied. Zu diesem Zweck wurden bereits 1893 bei der Werft Armstrong & Co in Glasgow zwei Fährschiffe bestellt, die 1900 fertig gestellt waren. Bereits fertig in Schottland stehend, mussten die beiden Schiffe wieder demontiert und versandfertig gemacht werden. In Kisten verpackt, wurden die beiden Schiffe schließlich nach Sibirien versandt und in Listvjanka, bei Irkutsk, wieder zusammengebaut. Das große Schiff, die "Baikal" war 88 m lang, 18 m breit und 8,7 m hoch. Es fasste 25 Eisenbahnwagons, 200 Passagiere und 750 Tonnen Nutzlast. Die "Baikal" existiert heute nicht mehr. Das kleinere Schiff hingegen, die "Angara", kann man heute noch in Irkutsk besichtigen. Die Fährverbindung konnte während den 9 eisfreien Monaten des Baikals genutzt werden; im verbleibenden Vierteljahr wurden spezielle Schlitten eingesetzt, um die Wagons über das meterdicke Eis zu transportieren. Die Fährschiffe waren als Eisbrecher geplant worden, jedoch stellte sich die Dicke des Baikal-Eises als undurchtrennbares Hindernis dar. Während des russisch-japanischen Krieges wurden, um die Versorgung im Osten zu beschleunigen, sogar auf dem Eis Gleise verlegt. Trotz dieser tollkühnen Tat blieb der Baikal mit der darüber führenden Fährverbindung das Nadelöhr auf dem Weg nach Osten. Nach dem auch der Krieg für Russland verloren ging, hielt man diese Engstelle auch für eine strategische Schwachstelle, die es zu beseitigen galt. Aus all diesen Gründen wurde zwischen 1902 und 1905 mit viel Mühe und unter großem Aufwand die Umgehungsstrecke am südlichen Ufer des Baikals, die Baikalbahn, gebaut.

Irkutsk war sehr früh durch seine verkehrstechnische günstige Lage das politische, wirtschaftliche und industrielle Zentrum Sibiriens. Die Stadt ist ein Knotenpunkt der Transsib und dem Angara, welcher über den Baikalsee eine Verbindung zum Indischen Ozean hat. Dadurch war die Stadt schon früh Umschlagplatz für sibirische Pelze vom Zobel, Nerz und sogar vom Eichhörnchen, sowie von chinesischem Tee und Seide. Maschinenbau, Textil-, Nahrungsmittel- und Celluloseindustrie machten das Gebiet um Irkutsk wirtschaftlich autark. Aufgrund der östlichen Lage und der Nähe zur Mongolei und China wurde Irkutsk „Fenster zum Osten“ genannt.

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20 Die Transsibirische Eisenbahn und die Baikal-Amur-Magistrale

Mit der Inbetriebnahme der fertig gestellten Streckenabschnitte begann ab dem Jahre 1905 die eigentliche Entwicklung und Besiedlung Sibiriens. In den ersten zehn Jahren hatten sich bereits vier Millionen Bauern entlang der Strecke angesiedelt. In den neu entstandenen kleinen Städten und Dörfern gab es genügend Arbeitsmöglichkeiten (Wartungsdienst des Streckennetzes, neue Industrien…). Die Eisenbahn ermöglichte das Erschließen von Kohle-, Salz- und Buntmetalllagerstätten, sowie riesige Holzreserven welche zu guten Preisen in den Westen verkauft wurden. Der Absatz der Rohstoffe im Westen wurde durch den Ersten Weltkrieg 1914 begünstigt.

Streckenführung durch chinesisches Gebiet

Ebenso schwierig zeigte sich das Land zwischen dem Baikalsee und Chabarowsk. Dauerfrostboden, die kältesten Winter Sibiriens und häufige Überschwemmungen auf dieser Strecke gaben Anlass auch über Alternativen nachzudenken. Zu dieser Zeit befand China sich, nach einem verloren gegangenen Krieg mit Japan, in einer geschwächten Lage. Diesen Zustand nutzte Russland, als starker Nachbar, um über einen Eisenbahnkorridor durch Ostchina zu verhandeln. Man einigte sich auf einen 25-jährigen Pachtvertrag für die Verbindung nach Wladiwostok, den östlichsten Bahnhof der Transsib. Nachdem aber der eigene Krieg gegen Japan verloren ging, hatten die russischen Verantwortlichen die Befürchtung, dass Japan China besetzen könnte und damit die einzige innerrussische Verbindung vom Ural zum Pazifik unterbrechen könnte. Man entschloss sich schließlich doch, die aufwändige innerländische Verbindung, die Amur-Bahn, zu bauen. Die Arbeiten an ihr wurden im Jahre 1907 aufgenommen und neun Jahre später mit der Fertigstellung der Amurbrücke bei Chabarovsk 1916 beendet. Die Transsibirische Eisenbahn war somit auf der gesamten Streckenlänge von 9288 km fertig gestellt. 90.000 Arbeiter waren zeitweise gleichzeitig mit dem Bau der Transsib beschäftigt. Aufgrund der dünnen Besiedlung Sibiriens waren dies hauptsächlich Sträflinge, Bauern, Kosaken, Chinesen und Gastarbeiter aus Italien und der Türkei. Viele Arbeiter sollten die erste Fahrt der Bahn nicht mehr erleben – sie starben an Trinkwasser- und Nahrungsmangel, sowie an der Kälte der sibirischen Winter.

Fertigstellung

1916 war die Bahnstrecke durchgängig bis nach Wladiwostok am Japanischen Meer fertig gestellt. Die zweite Spur bis zum Pazifik wurde in den dreißiger Jahren vervollständigt. Die ersten Züge benötigten zehn Tage für die Strecke – heute wird sie in sieben Tagen zurückgelegt. Mitte der 20er Jahre befuhr man die Strecke mit Dieselloks aus Deutschland. In den Dreißigern erprobte man auf Strecken im Ural die Elektrifizierung, die schließlich bis 1961 von Moskau bis Irkutsk eingerichtet wurde – jedoch erst 2002 durchgängig für die gesamte Strecke erfolgte. Die heute fahrenden E-Loks stammen aus russischer oder tschechischer Produktion. Die Bahn unterliegt wie alle Zugverbindungen dem staatlichen Eisenbahnministerium, welches mit insgesamt zwei Millionen Angestellten eines der personalreichsten Unternehmen darstellt. Mit dem Zerfall der UdSSR 1990 kam es zu einem Rückgang der Fahrgastzahlen und folglich zu einem Abbau von fast 180.000 Stellen.

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Baas Brimer 21

Baikal-Amur-Magistrale

Die Baikal-Amur-Magistrale, kurz BAM, ist eine Innersibirische Eisenbahnverbindung von Ust-Kut bei Krasnojarsk nach Komsomolsk am Amur. Sie ist 3145 km lang und verläuft nördlich der Transsibirischen Eisenbahn parallel zu dieser durch das Stanowojgebirge.

Erste Pläne einer verkehrstechnischen Erschließung des Baikal-Amur-Raums wurden bereits Anfang des 20. Jahrhunderts gewälzt. Die Bahnstrecke der BAM war bereits 1888 als mögliche Variante der Transsib in Betrachtung gezogen worden. Nach ersten Forschungen durch Expeditionstrupps während den Jahren 1907 bis 1914 erfolgten die ersten Planungen in den 20er Jahren. Der Generalplan für die wirtschaftliche Entwicklung Sibiriens sah eine Streckenführung von Tajset über die nördliche Baikalspitze mit Severobajkal’sk und Nizneangarsk, weiter über Tynda, Urgal, Komsomol’sk am Amur, zu dem am Pazifik liegenden Hafen Sovetskaja Gavan’ vor. Im Jahre 1932 begann man mit den Bauarbeiten zum Anschluss der BAM an die Transsib. Hauptsächlich Häftlinge realisierten das 180km lange Verbindungsstück zwischen Bamovskaja an der Transsib und Tynda an der BAM im Norden. 1937 gab es den offiziellen Baubeschluss und es wurde in großem Umfang mit den Bauarbeiten begonnen. Als erst wurden die Arbeiten am westlichsten Streckenabschnitt begonnen – dieser sollte Tajset mit der Stadt Ust’-Kut am Fluss Lena verbinden.

Während des 2. Weltkriegs wurde die Bautätigkeit unterbrochen und einige Streckenteile sogar wieder demontiert, weil sie für den Bau der Wolga-Eisenbahn-Linie und die Versorgung von Stalingrad dringend gebraucht wurden. Mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges arbeiteten in Sibirien viele japanische Kriegsgefangene beim Bahnbau und verlegten die zum Teil bereits verlegten Gleise neu. Nach Stalins Tod wurde das BAM-Projekt auf Eis gelegt und erst 1971 neu belebt. Am 15. März 1974 verkündigte Leonid Breznev die BAM zur wichtigsten Grossbaustelle im Fünfjahresplan.

Der Bau der BAM sollte nicht nur eine neue Verbindungslinie nach Osten bedeuten, sondern vielmehr die demographische und wirtschaftliche Erschließung einer bisher fast unerschlossenen Region. Man erwartete sich nicht nur eine bessere wirtschaftliche Verbindung zwischen dem Osten und dem Westen des Landes, sondern auch eine Verbesserung der internationalen Wirtschaftsbeziehungen, vor allem mit Japan. Dafür musst zunächst die Industrie aufgebaut werden, die die Materialien und die Energie für die Siedlungen, die Eisenbahn, den Straßenbau und vieles Anderes mehr lieferte.

Zu Zeiten der Wirtschaftskrise besann Russland sich verstärkt auf seine Rohstoffpotentiale und wollte neben Öl- und Gasfeldern Westsibiriens auch Ostsibirien mit seinen zahlreichen Bodenschätzen erschließen. Neben den wirtschaftlichen Gesichtspunkten waren auch politische Überlegungen im Spiel. Die sowjetisch-chinesischen Beziehungen waren durch die Kämpfe am Amur besonders angespannt. Da die Transsibirische Eisenbahn im Grenzgebiet zu China verläuft, hätte ein offener Konflikt auch wirtschaftliche Einschränkungen bedeutet. Das militärische und wirtschaftliche Risiko, dass die Eisenbahnlinie zum Frontgebiet wird wollte man vermeiden. So verläuft die BAM in einem strategisch, sicheren Abstand von 400 – 700km nördlich der Transsib.

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22 Die Transsibirische Eisenbahn und die Baikal-Amur-Magistrale

Bau und Fertigstellung

Die Streckenführung des 3145km langen, eingleisigen Schienenstranges von Ust’-Kut nach Komsomol’sk am Amur erfolgte durch extrem schwieriges Terrain. Kaum ein Streckenkilometer konnte durch das natürliche Terrain gelegt werden – Dammaufschüttung, Brückenbau und Tunnelbau waren erforderlich. Die Strecke führt über mehr als 2000 Brücken über Täler und Schluchten. Unzählige Tunnels führen durch sieben sich im Permafrost befindliche Bergrücken. Mit 15km Länge ist der Tunnel durch das Stanovoj-Gebirge der längst, bis heutzutage, in Russland gebaute Tunnel. Trotz vieler Freiwilliger und dem Einsatz von Sträflingen, fehlte es an spezialisierten Fachkräften, welches das Bautempo reduzierte.

Planziel der Propaganda war die Streckenfertigstellung nach 10 Jahren. Anfang 1984 geriet man unter Erfolgszwang und verlegte den Termin der Fertigstellung in den Oktober. Als Tag ihrer „Fertigstellung“ bzw. „Geburtstag der BAM“ gilt der 1. Oktober 1984, an dem das ‚Goldene Bindeglied’ gelegt wurde. Die geplante Aufnahme des Zugverkehrs musste jedoch mehrfach nach hinten verlegt werden. Zahlreiche „Provisorien“ der Strecke erlaubten nur einen eingeschränkten Betrieb der Bahn. Die volle Betriebsbereitschaft wurde 1991 verkündet, jedoch erst im Jahre 2002 mit der Fertigstellung des Severomysker-Tunnels vollendet.

Die kommunistische Aufbauromantik der ersten Jahre der BAM geriet schnell in Vergessenheit, da die offensichtlichen wirtschaftlichen Probleme die Stimmung trübten. Die BAM hat die großen in sie gesetzten Hoffnungen von wirtschaftlichen Perspektiven nicht erfüllt und wird heute gern als "Weg nach Nirgendwo" oder als Symbol für die Zeiten der Stagnation gesehen.

Literatur

[1] Thöns B. (2002): Den Baikalsee entdecken – Die blaue Perle Sibireins. Trescher Reihe Reisen; Berlin

[2] Thöns B. (2004): Sibirien entdecken – Städte und Landschaften zwischen Ural und Pazifik. Trescher Reihe Reisen; Berlin

www.trans-sib.de

www.transsibirische.de

www.transsib.com

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Ulrike Jankowski 23

TEIL II

Geologie und Tektonik

Geologie des Baikalsees

Ulrike Jankowski

6. Geoökologie, TU Bergakademie Freiberg

Einführung

Der Baikalsee die „Perle Sibiriens“ liegt ca. 5200 km östlich von Moskau sowie ca. 200 km nördlich der russisch-mongolischen Grenze. Der Ursprung des Wortes leitet sich von der burjatischen Bezeichnung „baj-kul“, was soviel wie „reicher See“ bedeudet, ab. 636 km Länge, ca. 27 bis 80 km Breite und vor allem 1637 m Tiefe sind besonders bemerkenswerte Ausmaße. Er ist der tiefste See der Erde. Die Oberfläche erstreckt sich über 315.000 m² und ist damit der siebentgrößte See der Welt. Im Verhältnis gesehen, ist das tausendmal größer als der uns bekannte Bodensee, welcher der drittgrößte Binnensee Mitteleuropas mit einer Oberfläche von ca. 500 km² ist. Da der See mit Süßwasser gefüllt ist, ist er das größte Trinkwasserreservoir der Erde mit einer Wassermenge von 23.600 Milliarden m³.

Geographisch, geologische Einordnung Sibiriens anhand einer Übersichtskarte

Sibirien wird im Westen vom Ural im Norden von den Meeren Barentsee, Karasee, Laptewsee und der Ostsibirische See begrenzt. Im Osten grenzen die Beringsee und das Ochotskische Meer sowie im Süden das Altei- Gebirge, Sajan, Jablonovyj, Tien- Shan und das Tarim Becken.

Der Baikalsee an sich liegt im Süden Sibiriens. Er wird im Norden vom Mittelsibirischen Bergland, im Westen von der Sajangebirgskette und im Osten vom Jablonovyj Gebirge eingegrenzt.

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24 Geologie des Baikalsees

Hauptstrukturelemente Sibiriens

Sibirien hat geologisch gesehen einen sehr heterogenen Aufbau. Im großen und ganzen besteht das Gebiet aus präkambrischen Blöcken, die durch jüngere Krustenbereiche miteinander verbunden sind. Die größte Scholle bilden das Sibirische- und das Sinokraton. Die beiden Großschollen bestehen zum großen Teil aus einem frühpräkambrische/archaischen Basement.

Im Norden ist die Uralo-Ochotskische-Scholle welche das Gebiet von Nordwest nach Südost, welches sich nach Osten hin fortsetzt, durchzieht. Weite Teile hiervon werden von meso-känozoischen Sedimenten der Westsibirischen Tafel bedeckt. Eine Ausnahmen bilden hier die Faltenzüge des Urals und das Faltensystem Jenissej- Gebirge.

Der Süden wird Sibirien von dem Mobilgürtel der Kasachischen Schwelle und dem Altai- Saja- Massiv durchzogen. Der Zentralasiatische Gürtel trennt das Sibirischen- Kraton vom Tarim- Kraton und im Südosten vom Sino- Koreanischen- Kraton. Der Osten ist der Westpazifischen Tektogengürtel vorherrschend.

Grober Abriss der Entstehung des Baikalsees

Der Baikalsee ist auf Grund von tektonischen Aktivitäten entstanden. Auslöser für die Entstehung des Baikalsees war letzlich die Kollision des indischen Subkontinents mit Asien während des Oligozäns. Somit kann das Alter auf ca. 20 bis 25 Mio. Jahre geschätzt werden

Mithilfe verschiedener "Mikroplatten" treibt Indien seitdem regelrecht einen Keil zwischen die Eurasische und die Amurische Platte, so dass der eurasische Kontinent langsam zerbricht. Zunächst kam es dabei zur Bildung einer ausgedehnten Schwäche- und Dehnungszone. In der Folge sanken Gesteinspakete entlang dieser Störung ab und bildeten eine Senke bzw. einen Graben. Diese Grabensysteme werden auch Rifts oder Rift-Valleys genannt. In diesem entstehenden Rift bildete sich der Baikalsee in der Folgezeit und wuchs in den Jahrmillionen auf seine heutige Länge von 640 Kilometern an. Die Verwerfungen der Erdkruste in dieser Region sind aber noch immer aktiv, was zur Folge hat, dass der Baikalsee heutzutage noch um jährlich 2 m wächst.

Geologie des Baikalsees

Die Geologie des Baikalsees kann in 3 Grundformen unterteilt werden. Die 3 Formen sind Plattform, Faltenzone und Riftzone welche im Folgenden eingegangen werden soll.

a) Plattformen Der Baikalsee liegt auf der Mittelsibirischen Tafel, welche im Osten von der Lena, im Westen vom Ostsajangebirge und dem Jenissej- Gebirgszug und im Süden vom Baikalgebirgszug begrenzt wird. Der Sockel dieser Plattform besteht im wesentlichen

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Ulrike Jankowski 25

aus archaischen Gesteinen, welche vom Unterproterozoikum überprägt wurden. Durch geophysikalische Messungen sind tiefgreifende Störungen entdeckt worden. Des weiteren kann man auf Satellitenbildern ringförmige Strukturen zu erkennen, welche wahrscheinlich tiefgreifende Wurzeln haben.

Synklisen und Anteklisen streichen von Nordost- Südwest Richtung das Oberflächenrelief. Der Sockel wird durch Gesteinsserien des Proterozoikums und Paläozoikums überlagert. Das Deckgebirge ist relativ flach und an den Kratonrändern1 recht stark deformiert. Das Mittlere Riphäikum des Baikalgebietes ist etwa 4000m mächtig und kann in 3 Einheiten gegliedert werden.

1. der untere Teil, welcher vorwiegend aus Schiefer, Dolomit, Quarzit und Sandstein besteht.

2. der Mittlere Teil, dieser besteht im Großteil aus einer Karbonatabfolge mit Quarziteinschlüssen

3. Und der Obere Teil welcher aus Tonschiefer, Sandstein und Silstein aufgebaut ist.

Die heutige Gestalt der Mittelsibirischen Plattform entstand im Jura.

b) Faltenzonen Faltenzonen sind in der näheren Umgebung des Baikalsees mehrere zu nennen. Zum einen wäre die Selenga- Jablon- Faltenzone, welche sich südöstlich des Baikalsees befindet zu nennen. Sie besteht aus metamorphen Serien des Unterproterozoikums und Granitoide aus verschiedenen Zeitaltern. Eine Abfolge vulkanisch- sedimentärer Strukturen aus dem Riphozoikums und Unterkambriums mit einer Mächtigkeit von 5000-7000m ist auch zu finden. Hier sind klastisch, karbonatische Ablagerungen dominant. Unter den Vulkaniten sind auch saure Laven und Tuffe zu finden.

Die Baikalsee- nahe Faltenzone ist im Spätproterzoikum entstanden und besteht im Großen und Ganzen auch aus den jeweiligen Gesteinen. Diese Zone liegt nordöstlich des Sees und erstreckt sich über eine Länge von mehr als 1500 km. Sie bildet einen großen Bogen zwischen Ausbuchtung der Sibirischen Platte im Westen und dem Aldanschild im Osten. In dieser Faltenzone sind die metamorphen Gesteine vorherrschend. Allerdings werden die Gesteine durch die langgestreckten Falten sehr eingeengt. Die vorhandenen Trümmersedimente nehmen in östlicher Richtung stetig zu. Typisch für diese Gebiete sind auch die Überschiebungen und Deckenbildungen, die durch die Aufschiebung in westlicher und nördlicher Richtung auf abgesenkte Randbereiche zu Stande kommen. Letzte Faltbewegungen in dieser Zone fanden in der frühkaledonischen Phase der Tektogenese statt.

c) Riftzonen Es gibt zwei wesentliche Riftzonen des Baikalsees, die Baikal-Stanowoj und die Baikal- Witim- Riftzone. Zu der erst genannten ist zu sagen, dass sie der Baikal- Stanowoj- Faltenzone über 2500 km folgt und ein sehr geringes Alter aufweißt. Sie besteht im Großteil aus Gräben und Horsten.

1 Kraton: Erdkrustenteil der durch Konsolidation (Verfestigung) nicht mehr faltbar ist, sondern höchstens noch durch Bruch- und Bruchfaltentektonik verformbar ist.

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26 Geologie des Baikalsees

Die Baikal- Witim- Riftzone ist ein Riftsystem aus dem Pliozän bis Quartär. In dieser Zone kann man verschiedene Symmetrieformen finden. Unter anderem den zentralen Baikalgraben der sich im melanokraten Granitkomplex befindet. Da die Senkungsrate doppelt so hoch ist wie die Hebungsrate der Umliegenden Bergketten ist dieses Riftsystem entstanden. In der Baikalrinne liegt eine Sedimentschicht mit über 6000-7000 m Mächtigkeit. Entlang der Riftzone gibt es zahlreiche Anzeichen von Magmatismus der Vorrift und Synriftphase zu finden.

Literatur

[1] Janschin, L. et al. (1968): Regionalbau und die Entwicklungsgesetzte Eurasiens, Akademie-Verlag Berlin, 127 Seiten

[2] Blaschke, R. Dittmann, G., Neumann- Mahlkau, P., Vowinckel, I (1989): Interpretation geologischer Karten, 2. Auflage, Ferdinand Enke Verlag Stuttgart, 75 Seiten

[3] Dolginow, J., Kropatschjow, S. (Deutsche Bearbeitung Klitzsch) (1994): Abriss der Geologie Russlands und angrenzender Staaten, E. Schweizerbart’sche Verlagsbuchhandlung, Stuttgart, 174 Seiten

http://www.bodensee-aktuell.de/home-frset.html

http://www.globalnature.org/docs/02_vorlage.asp?id=13884&sp=D&m1=11088&m2=1102&m3=11177&m4=11394&m5=13884&m6=&domid=1011

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Daniel Hartzendorf 27

Heliumisotope als Mantelindikatoren

Daniel Hartzendorf

8. Geoökologie, TU Bergakademie Freiberg

Einleitung

Helium ist das zweithäufigste Element im Universum. Für dieses Edelgas existieren sechs Radioisotope (5He – 10He), die allerdings für die Indikation von Mantelmaterial keine größere Rolle spielen. Für diesen Forschungszweig sind die stabilen Isotope des Heliums von Bedeutung. In Tabelle 1 sind die wichtigsten Eigenschaften der existenten natürlichen Isotope 3He und 4He zusammengefasst.

Tabelle 1: stabile Heliumisotope (Reimann und de Caritat 1998) Isotop Häufigkeit Atommasse 3He 0,000137 3,01603 4He 99,999863 4,002603

Helium besteht somit zum größten Teil aus dem schweren Isotop 4He und einem geringen Anteil 3He. Das Isotopenverhältnis wird für 3He/4He in der Isotopengeochemie durch folgende Rechenvorschrift als Relation δ (Delta) angegeben.

1000*143Pr

434

−=

Air

obe

HeHeHeHeHeδ

Für isotopengeochemische Analysen wird das Verhältnis des leichten Isotops 3He zum schweren 4He betrachtet. Die gemessene Relation wird auf einen international anerkannten Standard bezogen. Für die Heliumisotopie wird Luft als Referenz-material genutzt. Dabei geht man von einem konstanten Verhältnis Von 3He/4He in der untern Atmosphäre (< 100 km) von 1,4*10-6 aus.

Stabile Helium Isotope gehen aus den verschiedensten Prozessen hervor. Die Hauptprozesse in der Natur sind Kernreaktionen, wie sie unter anderen bei der Akretion der Erde stattfanden. Aufgrund dieser Reaktionen wird vorwiegend

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28 Heliumisotope als Mantelindikatoren

primordiales Helium („Ur – Helium“) gebildet. Es ist durch ein großes 3He/4He Verhältnis von etwa 2*10-4 gekennzeichnet.

Ein weiterer wichtiger Prozess ist der radioaktive α-Zerfall von Uran und Thorium (u.a.), der vorwiegend in der Kruste auftritt. Da hierbei größtenteils 4He gebildet wird, ist dieses radiogene Helium durch ein niedriges 3He/4He Verhältnis (2,4*10-8) markiert. Weiterhin besteht die Möglichkeit Heliumisotope durch die Wechselwirkung von Meteoriten und Materie sowie energiereicher kosmischer Strahlung und Materie zu erzeugen.

Voraussetzung für die Messung von Heliumisotopen und zur Nutzung dieser als Mantelindikatoren sind tektono – magmatische Prozesse nötig, welche die Beschaffenheit der Erdkruste modifizieren und die Permeabilität für Fluide erhöhen. Dadurch wird der Austrag von Mantelmaterial stimuliert. Die o. g. Prozesse sind z.B. für Riftzonen charakteristisch.

Verteilung der Heliumisotope

Mantel

Die Verteilung des Heliums im Mantel wird (zumindest im oberen Bereich) als homogen angesehen. Das Gas ist dabei in Fluiden gelöst. Auch das 3He/4He Verhältnis wird als mehr oder weniger konstant angenommen. Von besonderer Wichtigkeit für die Indikation ist, dass das Mantelmaterial in besonderem Maße mit 3He angereichert ist. Der Mantel gilt als Hauptreservoir für dieses Isotop. Mantelhelium wird weiterhin als Mischung von primaordialem und radiogenem Helium angesehen.

Abbildung 1: Zusammensetzung des Mantelheliums

Das charakteristische 3He/4He Verhältnis beträgt im Mantel ≈ 3 * 10-5.

Kruste

Das aufsteigende Mantelmaterial entgast beim Übergang vom Mantel in die Kruste sehr stark. Die Fluide werden in hohem Maß mit radiogenem Helium angereichert. Aufgrund des großen 4He Anteils in diesem Material verringert sich das Heliumisotopenverhältnis um 3 Größenordnungen auf 3He/4He ≈ 2 * 10-8. Durch unterschiedlicher Anreicherungsraten mit radiogenem Helium kann es weiterhin zu deutlichen Variationen des 3He/4He Verhältnisses kommen.

Mantel Helium

radiogenes 4He (90%)

primordiales 4He (10%)

primordiales 3He (100%)

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Daniel Hartzendorf 29

Atmosphäre

Die Atmosphäre stellt ein Mischkompartiment dar, in welchem radiogenes und primordiales Helium aus Mantel oder Kruste in unterschiedlichem Maße vorkommen kann. Zudem entgast ein gewisser Anteil der Volatile ständig in den Weltraum. Dennoch ist das Heliumisotopenverhältnis sehr konstant (3He/4He ≈ 1,39 ± 0,01*10-6) und variiert nur in einem geringen Rahmen.

Zusammenfassend sind die δ4He Werte in Tabelle 2 dargestellt.

Tabelle 2: δ4He Kennwerte Bereich δ4He

Mantel 3 * 10-5

Kruste 2 * 10-8

Atmosphäre 1,4 * 10-6

Helium als Marker für Mantelmaterial

1 Nutzung von He Isotopen

Die Grundlage der Nutzung der Heliumisotope ist die Anreicherung des Mantel-materials mit dem leichten 3He (Markierung). Aufgrund unterschiedlicher Isotopensignaturen wird so die Unterscheidung von Mantel- und Krustenmaterial ermöglicht. Zudem lassen sich Anteile von Mantel, Krusten oder atmosphärischen Helium in der Probe abschätzen. Ein weiterer wichtiger Anwendungsbereich ist die Größenbestimmung von Mantel Plumes mit He Isotopen (Breddam-Kresten et al. 2000). Helium ist somit als eindeutiger Tracer für juvenile Volatile aus dem Mantel einsetzbar.

2 Nutzung der Heliumkonzentration

Eine Möglichkeit zur Identifikation von tiefen Bruchzonen mit erhöhter Gasweg-samkeit bietet die Betrachtung von Konzentrationsunterschieden. Es wird davon ausgegangen, dass in die Heliumkonzentration in der unteren Atmosphäre relativ konstant ist. Nach neueren Untersuchungen beträgt sie etwa 5220 ppb (Holland und Emerson 1990) (früher 5240 ppm). In Bereichen mit erhöhter Permeabilität im Untergrund entgast Helium, was zu einer Erhöhung der Konzentration führt (Abbildung 2). Der Anstieg ist mit etwa 100 – 300 ppm zwar nicht sehr deutlich, lässt sich aber mit den heutigen Analysemethoden durchaus detektieren.

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30 Heliumisotope als Mantelindikatoren

Abbildung 2: Erhöhung der Heliumkonzentration durch Zufuhr aus dem Untergrund

(Voigt (1998), S. 170)

Baikal Region

Die Heliumisotopiewerte in der Baikalregion schwanken alle mehr oder weniger um die Größenordnung 10-6. Obwohl ein Mantelursprung vermutet wird liegen die δ4He somit eher im Bereich von atmosphärischem Helium. Ursache hierfür ist wahrscheinlich die unterschiedliche Anreicherung der Medien mit radiogenem Helium, woraus auch die große Streubreite der durchschnittlichen Werte resultieren könnte (Vgl. Tabelle 3). Die 3He/4He Verhältnisse variieren dabei besonders stark entlang der Achse des Baikalsees.

Tabelle 3: δ4He in der Baikal Region Probe δ4He Quelle

Baikal Rift 2,57 * 10-6 Lomonosov et al. (1976)

Polyak et al. (1976)

Tunka Depression 8,9 * 10-6 Polyak et al. (1976)

Formationswässer 8,7 * 10-6 Lomonosov et al. (1976)

Gorjyachinky Quelle

(N reich, 57°C)

0,42 * 10-6

Lomonosov et al. (1976)

Yamarovka Quelle

(CO2 mineralisiert)

0,55 * 10-6

Lomonosov et al. (1976)

Ø 2,57 ± 2,51 * 10-6 Lomonosov et al. (1976)

Im Bereich des Baikal wird Helium noch in einem weiteren Feld eingesetzt. Ähnlich wie Radon wird es zur Vorhersage von Erdbeben genutzt. Unter günstigen

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Daniel Hartzendorf 31

Voraussetzungen kann einen erhöhte Heliumkonzentration bereits vor einem Erdbeben detektiert werden. Größere Beben kündigen sich häufig durch Zerrungs- und Dehnungsvorgänge im Untergrund an. Dabei kommt es zu einer Mikro-fraktionierung des Gesteins, welche die Gaswegsamkeit im Untergrund erhöht. Helium kann entgasen und an der Oberfläche detektiert werden.

Literatur

[1] Breddam-Kresten, Kurz-Mark-D, Storey-Michael (2000):Mapping out the conduit of the Iceland mantle plume with helium isotopes, Earth and planetary science letters, 176, 1, pp 45-55

[2] Dolginow, J. Kropatschjow, S. (1994): Abriss der Geologie Russlands und angrenzender Staaten, Deutsche Bearbeitung von Klitzsch, E., Schweizerbart’sche Verlagsbuchhandlung, Stuttgart, 174 S.

[3] Holland, P.W., Emerson, D.E. (1990): The global helium -4 content of near surface atmospheric air, in Durrance, E. M. Et al. (eds): Geochemistry of gaseous elements and compounds 97, 113,

[4] Jacobs, F., Meyer, H. (1992): Geophysik – Signale aus der Erde, Teubner Verlagsgesellschaft, Leipzig, 167 S.

[5] Lomonosov, I.S., Mamyrin, B.A., Prasolov, E.M., Tolstikhin, I.N. (1976): Isotope composition of helium in hot springs of the Baikal rift zone, Geokhimiya, 11, pp 1743-1746

[6] Mamyrin, B. A., Tolstikhin, I. N. (1984): Helium Isotopes in Nature, Developments in Geochemistry 3, Elsevier Science Publishers, Amsterdam, Oxford, New York, Tokyo, 273 p.

[7] Polyak, B.G., Kononov, V.I., Tolstikhin, I.N., Mamyrin, B.A., Khabarin, L.V. (1976): The helium isotopes in thermalfluides, in Johnson, A.J. (Editor): Thermal and chemical problems of thermal water, Int. Assoc. Hydrol. Sci. Publ., 119, pp 15- 29

[8] Reimann, C., de Caritat, P. (1998): Chemical Elements in the Environment, Factsheets for the Geochemist and Environmental Scientist, Springer Verlag, Berlin, Heidelberg, 397 p.

[9] Tirastoo, E. N. (1972): Natural Gas, Scientific Press, Beaconsfield, 400 p.

[10] Voigt, H.-J., Wippermann, T. (1998):Handbuch zur Erkundung des Untergrundes von Deponien und Altlasten, Band 6 Geochemie, Springer Verlag, Berlin, Heidelberg, New York, 491 S.

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32 Tektonik des Baikalrifts

Tektonik des Baikalrifts

Martin Griessmann

6. Geoökologie, TU Bergakademie Freiberg

Das Baikalrift ist eines der kontinentalen Riftsysteme der Erde. Es gilt als rezentes Analogon für das Frühstadium des Auseinanderbrechens eines Superkontinentes (z.B. Öffnung des Nordatlantik). Es gibt auch Vergleiche mit dem Vallis Marineres auf dem Mars. Das Riftsystem besitzt eine Länge von insgesamt 1.800km und eine maximale Tiefe von 9km (7,5km Sedimentfüllung).

Das Rift besteht aus 15 einzelnen Beckenstrukturen innerhalb des Sayan – Baikal Fold-and-Thrust-Belt an dessen Grenze zur sibirischen Plattform. Vorherrschend ist Extensions-Tektonik mit einer Seitenverschiebungskomponente (SE – Bewegung der Amur-Platte relativ zum stabilen sibirischen Kraton).GPS – Messungen zeigen ein Auseinanderdriften mit einer Rate von 4,5±1,2 mm/a in WNW-ESE Richtung am Baikal-See bzw. 6,3mm±1,8mm/a in 125°±15°Richtung zwischen Irkustk und Ulan-Bataar (Mongolei).

Die Prärift – Geologie des Gebietes wird durch einen NE-SW verlaufenden Fold-and-Thrust-Belt (präkambrisch bis unteres Paläozoikum). Allgemein wird dies als kontrollierende Struktur für das Rift angesehen. Der Baikal – See befindet sich in 3 großen Becken (das Südliche, Zentrale und Nördliche Becken) sowie dem kleinen tiefen Selenga Becken. Insgesamt sind dies die zentralen 650km des Rifts Der Grund des Zentralen Beckens stellt den tiefsten Punkt des gesamten Rifts dar (1.650m unter Seespiegel, 1.190muNN). Dieses Becken befindet sich in einem melanokraten Granulitkomplex. Die Morskiy – Störung im NE dieses Beckens ist dessen Hauptgrenze. Die Wassertiefe und Sedimentmächtigkeit nehmen in Richtung dieser Störung zu und geben dem Becken das Erscheinungsbild eines Halbgrabens. Die jüngere Primorskiy – Störung scheint aber zunehmend die Morskiy – Störung als Hauptrandstörung zu ersetzen.

Aufbau der Kruste im Rift (nach Modellierung von Ten Brink und Taylor 2001): Die Moho befindet sich am Rift in einer Tiefe von 39 bis 42,5km, darüber liegt eine 8km dicke, lateral aushaltende high-velocity-Zone (7,05 bis 7,4km/s). Diese Zone ist entweder reliktische Prä-Rift-Unterkruste (ist wahrscheinlicher) oder Rift-bezogener magmatischer

Ist diese Zone eine Krustenrelikt, würde dies bedeuten, dass das Rifting zur Zeit auf die obere und mittlere Kruste beschränkt ist. Ein solches Rifting kann durch Extension entlang einer normalen Störung berlaufen, die zur mittleren Kruste hin flacher wird und dort horizontal verläuft.

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Martin Griessmann 33

Entwicklung des Rifts

Die Bruchstrukturen bereits im Präkambrium angelegt worden. Die Prä – Rift Phase ist gekennzeichnet durch basaltischen Vulkanismus, hydrothermale Aktivität und tiefkrustale Zirkulation von meteorischen Wässern. Zeitlich dauerte diese Phase etwa von 72Ma (älteste Basalte des Tunka- Beckens) bis 27Ma (jüngste Plateau-Basalte des Khamar-Daban Ridges). Während dieses Zeitabschnittes gab es nur geringe vertikale tektonische Bewegung. Das initiales Rift-Becken war von einer Serie relativ großer Seen mit einigen 10er Metern Wassertiefe belegt.

Die heutigen herausgehobenen Rift-Flanken waren damals Teil flacher Ebenen. Das eigentliches Rifting begann vor 27Ma. Es ist unterteilt in eine frühe Riftphase (27 bis 3,5Ma) und eine späte Riftphase (3,5Ma bis heute), die jeweils noch weiter unterteilt sind. Im späten Oligozän kam es zur Bildung eines tiefen Sees im Zentralen und Südlichen Baikal – Becken. Das Nordwestufer wurde von der Olkhon Störung gebildet. Das Nordbaikalbecken war zu dieser Zeit größtenteils trocken, wahrscheinlich ist es jünger als die beiden südlich gelegenen Becken. Während des mittleren Miozän bildeten sich mehrer Blöcke innerhalb des Academician Ridge, welche einsanken. Die Küstenline wanderte dadurch nordwärts. Es kam zur Bildung mehrere halbgrabenartiger Strukturen. Im späten Miozän verstärkte sich die Extension, die Becken wurden größer und das Nördliches Baikalbecken füllte sich mit Wasser. Im Miozän bis frühen Pliozän vertiefte sich das Nördliche Becken weiter.

Am Übergang zwischen Frühen und späten Pliozän (3,5Ma) kam es zur Heraushebung des Olkhon Blockes, im späten Pliozän zur Heraushebung der Baikal – Rift – Schultern. In der gleichzeitige Subsidenz der Becken liegt der Grund für deren extreme Tiefe.

Am Ende des Pliozäns kam es zur Verlangsamung oder sogar zum Stop der Heraushebung. Während dem späten Pleistozän setzte diese wieder ein, und die westliche Rift-Schulter wurde stark gehoben. Daraus ergab sich eine Kappung des damals einzigen Abflusses des Baikal – See über das Pra-Manzurka Tal. Daraus folgte eine Anhebung des See-Spiegels bis ein neuer Abfluß über das Irkut-Tal in das Jennisej-Flußsystem möglich war. Danach fiel der Wasserspiegel wieder, was klimatisch bedingt war, und Teile von diesem fielen trocken.

Im mittleren bis späten Spät-Pleistozän setzte erneut eine erhöhte Subsidenz der Becken und eine weitere Heraushebung der Schulterbereiche ein. Diese tektonische Phase hielt bis ins Holozän an und ermöglichte den derzeitigen Abfluß über die Angara durch die Versenkung des Listvianka – Blockes.

Rift-bezogener Vulkanismus

Vulkanismus trat am Baikalrift kaum innerhalb der Becken auf. Die Vulkanite des Sayan-Khamar Daban Gebietes sind meist außerhalb der Becken verteilt über reichen bis einige 100km südlich in die Mongolei

Im Osten sind Vulkanite auf das Vitim-Plateau und das Udokangebirge beschränkt. Die höchste Menge an Vulkaniten wurde im Miozän eruptiert, der Vulkanismus setzte sich aber bis ins Pleistozän fort.

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Martin Griessmann 41

Literatur

[1] Déverchère et al. „Depth distribution of earthquakes in the Baikal rift system and its implications fort he rheology of the lithosphere“ Geophysic J. Int. (2001) 146, Seite 714 – 730

[2] ten Brink, Taylor “Crustal structure of Central Lake baikal: Insights into intracontinental rifting”J. Of Geophysical Research, Vol. 107, No. B7 (2002)

[3] V.D. Mats et al. “Evolution of the Academian Ridge Accomodation Zone in the central part of the Baikal Rift, from high – resoultion reflection seismic profiling and geological field investigations” Int. J. Eart Sci (2000), Seite 229 – 250

[4] Komatsu “Geological Processes in the Baikal rift zone: possible terrestrial analogos fot the Valles Marineris region on Mars” Lunar and Planetary Science XXXIV (2003)

[5] Dolginow, Kropatschjow “Abriß der Geologie Rußlands und angrenzender Staaten” E.Schweizbart´sche Verlagsbuchhandlung 1994

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42 Vererzungen und Bergbau

Vererzungen und Bergbau

Martin Griessmann

6. Geoökologie, TU Bergakademie Freiberg

Sibirien ist eine der größten Rohstoffkammern der Welt. Große Öl- und vor allem Gasvorkommen gibt es in Westsibirien, welche zum Beispiel große Bedeutung für die Versorgung der Bundesrepublik haben. Daneben gibt es Braun- und Steinkohle, sowie Erze und Mineralrohstoffe aller Art. Diesem Reichtum steht aber das ungünstige Klima entgegen. Durch dieses und die schlechte infrastrukturelle Erschließung befindet sich der meiste Bergbau im südlichen und westlichen Teil.

In Zentral- und Ostsibirien beschränkt sich der Bergbau auf Rohstoffe mit hohem Wertgehalt, vor Allem auf Edelmetalle und Diamanten. Eine der (weltweit) bedeutendsten Lagerstätten ist Noril´sk im Nordosten, eine sulfidische Ni – Cu – PGE Lagerstätte. Sie ist an den Tunguska - Flutbasalt gebunden. 2001 kamen von der gesamten Weltproduktion 20% des Nickels, 10% des Cobalts, 3% des Kupfers, 60% des Palladiums und 20% des Platins aus Noril´sk.

Zentralsibirien, hier vor Allem die Gegend um Mirny, ist eines der bedeutenden Diamantenbergbaugebiete der Welt. Abgebaut werden Kimberlit-Pipes im Tage- und Tiefbau. Die Strelsovka – Caldera ist eine der größten Uran – Lagerstättenbezirke der Welt, derzeit befindet sich die einzige Urangrube Russlands in diesem Revier bei Krasnokamensk (etwa 2.500t t U/a).

Die Vererzung ist an Rhyolite gebunden, es handelt sich um gangförmige oder Stockwerksvererzungen, teilweise ist auch Nebengestein imprägniert. Die Vererzung lässt sich bis in 2.400m Teufe verfolgen. Sukhoi Log im Norden des Baikalsees befindet sich innerhalb des bekannten Lena – Goldfeldes. Sie ist die größte Au-Lagerstätte Russlands mit hohen Gehalten an PGE´s. Die Vererzungen sind an klastische Metasedimente mit reichlich karbonatischen und sulfidischen Material gebunden.

Kiaghdinskoe ist eine Uranprojekt 250km östlich des Baikalsees. Geplant ist eine Produktion mittels ISL – Verfahren. Ein solcher ISL – Test ist bereits erfolgreich verlaufen. Geplant ist eine Produktion von bis zu 1.500t Uran pro Jahr bei einer Gesamtlaufzeit von etwa 50 Jahren. Udokan nördlich von Chita ist eine der größten Cu – Lagerstätten der Welt. Ein Bergwerk befindet sich derzeit in Entwicklung, obwohl die Lagerstätte schon 1949 entdeckt wurde. Es handelt sich um eine sedimentgebundene stratiforme Lagerstätte. 70% der Reserven sollen im Tagebau gewinnbar sein.

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44 Vererzungen und Bergbau

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46 Vererzungen und Bergbau

Erzlagerstätten Lage Rohstoff Lagerstättentyp Alter Größe Besonderheiten

Noril´skNW Sibirien, inmitten der

Tunguska - FlutbasaltprovinzNi - Cu - Co -

PGE

an basische Vulkanite gebundene,

frühmagmatische Lagerstätte permo - triasisch Resourcen von 555 bis 1.500 Mt Massivsulfiderz

eine der bedeutensten Lagerstättenprovinzen der Welt, größte Pd - Reserven der Welt

Mirny Zentralsibirien Diamanten Kimberlit - Pipes

eines der größten Diamantbergbaugebiete

weltweit

Streltsovka Caldera

SE Sibirien bei Krasnokamensk, unweit Grenze zu China U

an saure Vulkanite gebundene

Vererzungen Spät - Jurasisch 280.000t U3O8 (<80US$/kg), 0,2% U

größtes vulkanitgebundene U - Lagerstättenfeld der Welt, über

20 Lagerstätten, größter russischer U - Produzent

Sukhoi Logam Fluß Lena, NE des Baikal -

See Au - PGEorogenic Au - deposit, "black shale hosted"

Resourcen: 75Moz Au @ 2,7g/t Au + PGE in gleicher Größenordnung (bzw.1.000t Au + 250t PGE)

,größte Au - Lagerstätte

Rußlands

Kiaghdinskoe 250km E Baikal, 200km N Chita Uvermutlich

Sedimentgebunden geplant: 1.500t/a U, 50 Jahre Produktion

Udokan Transbaikal, Region Chita Cu sedimentär stratiform 20Mt Cu @ 1,6% Cu im Erzbeinhaltet etwa 30% der

russischen Kupferreserven

BerezovskiyRegion Chita, 8km von chinesischer Grenze Fe 437Mt Erz @ 36 - 53% Fe Verhüttung in China geplant

einige bedeutende Lagerstätten Sibiriens

daneben: Sn, Pb-Zn, Ta, Nb, Li, REE, Be, Ti, W, Mo, Industrieminerale, Kohle …..

Literatur

[1] Chabiron, Cuney, Poty „Possible uranium sources fort he largest uranium district assiciated with volcanism: the Strelsovka caldera (Transbaikalia, Russia)” Mineralium Deposita (2003) 38: Seite 127 – 140

[2] Yakubchuk, Nikishin “Noril´sk – Talnakh Cu – Ni – PGE depoits: a revised tectonic model” Mineralium Deposita (2004) 39: Seite 125 – 142

[3] Wilde, Edwards, Yakubchuk “Unconventional Deposits of Pt and Pd: A Review with Implications for Exploration” SEG Newsletter January 2003

[4] Metallrohstoffe, Kernenergierohstoffe, feste Brennstoffe und bituminöse Gesteine“, Enke, 1986

[5] Chita: Regional Profile, April 1999 – Internetquelle

www.antenna.nl/wise/uranium - Internetquelle

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Sandy Peischel 47

TEIL III

Neotektonik und Hydrogeologie

Neotektonik – Erdbeben, Rutschungen und Flusssysteme

Sandy Peischel

8. Geoökologie, TU Bergakademie Freiberg

Überblick über die Entstehungsgeschichte und tektonische Lage des Baikalsees

Vor ca. 120 Millionen Jahren bewegte sich der indische Subkontinent auf den asiatischen Kontinent zu, infolgedessen es zu einer gewaltigen Kollision der beiden Platten kam. Als Spätfolge dieser Driftbewegung und dem daraus resultierenden immensen Druck bildeten sich im Hinterland des asiatischen Kontinents so genannte „Mikroplatten“, die sich keilförmig in das Gebiet einschnitten. Diese teils unterschiedlich gerichteten Bewegungsabläufe bewirkten die Ausbildung von Dehnungs- und Schwächungszonen, innerhalb derer mitunter größerer Landschaftsabschnitte mehrere Kilometer tief absackten. Der daraus resultierende relativ schmale Grabenbruch wird als Rift bezeichnet und entwickelte sich im Laufe vieler Jahrtausende zum bekannten „Baikal Rift System“ weiter.

Der Baikalsee selbst entstand hierbei aus der Umlagerung des ursprünglichen Flusssystems, welches infolge der tektonischen Prozesse in den heutigen Bereich des Baikalsees entwässerte und das Becken auf diese Weise mit beträchtlichen Wassermengen aus dem Land speiste. Das heutige Erscheinungsbild des Sees hat sich seit dem Jungtertiär nur unwesentlich verändert. Der Baikalsee befindet sich ungefähr im Zentrum des Baikal Rift Systems und wird einerseits im Westen fast vollständig von den keilförmigen Ausläufern der sibirischen Platte, der „Angara-Lena-Plattform“ und andererseits im Süden durch das „Sayan Massiv“ begrenzt, welches sich darüber hinaus als Sayan-Baikal-Gürtel bis in den Südosten fortsetzt. Nordöstlich des Sees trennt das „Witim Hochplateau“ die „Angara-Lena-Plattform“ vom Aldanischen Schild und beschreibt anhand kleinerer Becken den östlichen Rand des Baikals (Abbildung 1). Zurückblickend gehört der Baikalsee mit einem

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48 Neotektonik – Erdbeben, Rutschungen und Flusssysteme

Gesamtalter von etwa 25 Millionen Jahren zu einem der ältesten Binnenseen der Erde.

Die Randgebirge des Baikalsees Aufgrund der tektonischen Voraussetzungen umgeben vor allem hohe Gebirgsmassive den Baikalsee. Diese fast durchgängige, umrandende Gebirgskette wird nur vereinzelt durch das Urstromtal des Selenga im Südosten und den Abfluss der Angara im Südwesten deutlich durchbrochen.

Das westliche Ufer des Sees wird durch das Baikalgebirge beschrieben. Mit Höhenlagen zwischen 670 m ü NN im südlichen Teil und 1642 m ü NN im Norden zeichnet sich bei diesem Gebiet eher ein Mittelgebirgscharakter ab. Hochalpine Züge trägt dahingegen das am Ostufer befindliche Stanowoj-Gebirge mit hufeisenförmigen Ausläufern in die Nordregion, welche teils bis zu 2840 m ü NN liegen und im Witim Hochplateau sogar um die 3600 m ü NN betragen können. Das Südufer des Sees grenzt an den östlichen Teil des Sayan Hochgebirgsmassives an, was ebenfalls beträchtliche Höhen aufweist und dem Baikalsee den Weg in den weiteren Süden verschließt.

Tektonische Aktivität Heute Das Baikal Rift System besitzt eine sehr lange als auch komplexe Geschichte, welche vor allem durch ständig unterschiedlich starke tektonische Aktivitäten gekennzeichnet ist, die unter anderem auf diverse Reaktivierungsvorgänge älterer Strukturen basieren. So nimmt man zum Beispiel an (Delveaux et. al 1997), dass das Spannungsfeld des „aktiven Rifts“ aus dem späten Pliozän heutzutage noch immer aktiv ist und daraus aufgrund der anhaltenden tektonischen Verschiebungsvorgänge starke unterirdische Druckentspannungsprozesse resultieren. Die Bewegung der Platten und die damit einhergehende tektonische Aktivität wurde mithilfe von GPS-Messungen im Zeitraum von 1994-1997 erfasst (Calais et. al). Anhand der ausgewerteten Ergebnisse konnte in diesem Gebiet eine durchschnittliche Spreizungsrate von 4,5 mm ± 1,2 mm pro Jahr in WNW-OSO Richtung festgestellt werden. Die jeweiligen Werte für die Geschwindigkeiten der einzelnen Riftbereiche variieren hierbei jedoch teils stark voneinander (Abbildung 2). Die mit diesen Plattenverschiebungen einhergehende Ausbildung von Kollisionsfronten kann zu plötzlichem Spannungsabbau führen, wenn die schwächere der beiden aufeinander treffenden Platten dem Gegendruck nicht mehr standhalten kann. Eine spürbare Konsequenz dieses Ereignisses sind große und starke Erdbeben in diesem Bereich. Das Gebiet um den Baikalsee zählt daher zu einer sehr erdbebenreichen Zone, in welcher man aller 10-15 Jahre mit einem Beben rechnet.

Die Ergebnisse der GPS-Messungen zeigen, dass die derzeitige elastische Belastung entlang der aktiven Störungszonen des Baikal Rift Systems weiter ansteigt und momentan einem Potential eines Erdbebens von der Stärke 7,5 -bei einmaligem Spannungsabbau- entspricht. Seit 1700 wurden insgesamt sechs Erdbebenereignisse im südlichen Teil des Baikalrifts mit Stärken größer 6,75 auf der Skala verzeichnet. Dabei wurden drei dieser Erdbeben entlang der Obruchevsky-Störung gemessen und die anderen drei entlang der Morskoy-Störung. In Tabelle 1 werden diese eben beschriebenen Ereignisse noch einmal einzeln aufgelistet.

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Sandy Peischel 49

Tabelle 1: Überblick über historische große Erdbebenereignisse ab 1700 (verändert nach Calais et. al)

Gebiet im Baikalsee Datum M Störung Länge Neigung

Südliches Becken 27.06.1742 7,75 Obruchevsky 150km 60°

Südliches Becken 24.10.1769 7,25 Obruchevsky 150km 60°

Südliches Becken 11.04.1902 6,9 Obruchevsky 150km 60°

Zentralbecken 12.01.1862 7,5 Morskoy 200km 50°

Zentralbecken 26.11.1903 6,8 Morskoy 200km 50°

Zentralbecken 29.08.1959 6,8 Morskoy 200km 50°

Neben diesen großen Erdbebenereignissen wurden seit 1700 noch weitere kleinere

Erdbeben aufgezeichnet, welche ebenfalls in Abbildung 3 ersichtlich sind.

Die Baikalzuflüsse

Der Baikalsee besitzt ca. 334 Zuflüsse und nur einen Abfluss. Die Angara führt eine gewaltige Wassermenge vom Baikalsee im Südwesten des Sees ab. Dabei konnten Spitzen-geschwindigkeiten von bis zu 8 m/s gemessen werden. Diese Abflussgeschwindigkeiten wurden jedoch unter anderem durch den Dammbau bei Irkutsk reduziert, was zusätzlich zu einem Gesamtpegelanstieg des Sees um 1m führte.

Bei der Nährung des Baikalsees muss man zwischen Zuflüssen und Zuläufen unterscheiden. Neben den unzähligen Zuflüssen existieren insgesamt 1242 registrierte Zuläufe, die ebenfalls den See mit Wasser speisen. 2/3 dieser Zuläufe gelangen aus den hohen Gebirgslagen entlang von Erosionsrinnen als so genannter Schmelzwasserabfluss in den Baikal. Der Rest entspricht Springerquellen, welche in Form eines natürlichen „Überlaufventils“ Bodenwasser in den See einbringen.

In Anbetracht der gewaltigen Wassermengen des Selenga, welcher in der Mongolischen Volksrepublik entspringt und auf seinem 993km langen Weg ein Einzugsgebiet von 945980 km² entwässert, verlieren diese Zuflüsse etwas an Bedeutung. Der Selenga mündet über ein ausgeprägtes Delta am südöstlichen Ufer in den Baikal.

Etwas weiter nördlich entwässert der Fluss Turka den Südteil des Stanowoj-Gebirges und ungefähr 100 km weiter mündet der Bargutsin, welcher ebenfalls erhebliche Wassermengen zuführt. Die Obere Angara ganz im Norden entwässert ein Einzugsgebiet von etwa 79380 km² in den Baikalsee.

Neben diesen wesentlichen Zuflüssen existieren noch viele weitere kleiner Flüsse, die den Baikalsee mit Wasser aber auch mit teils sehr hohen Mengen an Schwemmstoff speisen. So werden dem See jährlich in etwa 10 Millionen km³

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50 Neotektonik – Erdbeben, Rutschungen und Flusssysteme

Sediment, bestehend aus Schwemmsand, Fels- und erodiertem Ufermaterial, zugeführt. Nur 1/3 davon transportiert die Angara wieder ab. Der Rest verbleibt im See, was einem Sedimentzuwachs von ca. 7 Millionen km³ pro Jahr entspricht.

Trotz dieser erheblichen Menge an eingetragenem Schwemmstoff konnte keine wesentliche Verflachung des Sees festgestellt werden. Dieses Phänomen beruht nach Forschungsberichten des Geologen Boris Aganov, welcher sich mit der Verformung der Erdkruste in diesem Gebiet beschäftigt, auf der starken tektonischen Aktivität des Baikal Rift Systems. Anhand von Satellitendaten berechnete er eine durchschnittliche Aufweitung des Seebeckens von rund 5 mm pro Jahr, was eng mit den Spreizungsraten des gesamten Riftsystems in Verbindung steht. Zusätzlich zeigten seismische Untersuchungen eine Absenkung des Seebodens, was zum Teil sprunghaft in Folge von starken Erdbeben geschah.

Seit Beginn der Datensammlung ab 1862 soll sich das gesamte Seevolumen um fast 4 Milliarden km³ vergrößert haben und geht man von einem fortschreitenden Vergrößerungsprozess aus, spekuliert man, dass der Baikalsee in weiter Zukunft einmal den zerrissenen Kontinent Asien in Form eines riesigen Meeres teilt.

Abbildung 1: Tektonische Lage Baikalsee

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Sandy Peischel 51

Abbildung 2: Spreizungsraten im Gebiet des Baikals

Abbildung 3: Erdbebenverteilung

Literaturliste

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52 Neotektonik – Erdbeben, Rutschungen und Flusssysteme

[1] Calais, E., Lesne, O., Déverchère, J., San´kov, V., Lukhnev, A., Miroshnichenko, A., Buddo, V., Levi, K., Zalutzky, V., Bashkuev, Y. 1998. Crustal deformation in the Baikal rift from GPS measurements. Geophysical Research Letters 25 (21), 4003-4006

[2] Delvaux, D., Moeys, R., Stapel, G., Petit, C., Levi, K., Miroshnichenko, A., Ruzhich, V., San´kov, V., 1997. Paleostress reconstructions and geodynamics of the Baikal region, Central Asia, Part 2. Cenozoic Rifting. Tectonophysics 282, 1-38

[3] San`kov, V., Déverchère, J., Gaudemer, Y., Houdry, F., Filippov, A., 2000. Geometry and rate of faulting in the North Baikal Rift, Siberia. Tectonics 19 (4), 707-722

Internet (Stand Juni 2004)

http://www.wolftalk.de/magazin30.html

http://www.g-o.de

http://www.geo.de/GEO/wissenschaft_natur/oekologie/2002_07_GEO_baikalsee

Abbildungsverzeichnis:

Abbildung 1:

Delvaux, D., Moeys, R., Stapel, G., Petit, C., Levi, K., Miroshnichenko, A., Ruzhich, V., San´kov, V., 1997. Paleostress reconstructions and geodynamics of the Baikal region, Central Asia, Part 2. Cenozoic Rifting. Tectonophysics 282, 1-38

Abbildung 2:

Calais, E., Lesne, O., Déverchère, J., San´kov, V., Lukhnev, A., Miroshnichenko, A., Buddo, V., Levi, K., Zalutzky, V., Bashkuev, Y. 1998. Crustal deformation in the Baikal rift from GPS measurements. Geophysical Research Letters 25 (21), 4003-4006

Abbildung 3:

Calais, E., Lesne, O., Déverchère, J., San´kov, V., Lukhnev, A., Miroshnichenko, A., Buddo, V., Levi, K., Zalutzky, V., Bashkuev, Y. 1998. Crustal deformation in the Baikal rift from GPS measurements. Geophysical Research Letters 25 (21), 4003-4006

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1:

Calais, E., Lesne, O., Déverchère, J., San´kov, V., Lukhnev, A., Miroshnichenko, A., Buddo, V., Levi, K., Zalutzky, V., Bashkuev, Y. 1998. Crustal deformation in the Baikal rift from GPS measurements. Geophysical Research Letters 25 (21), 4003-4006

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Egbert Julie 53

Grundwasser, Thermalwasser und Permafrost

Egbert Julie

6. Geologie, TU Bergakademie Freiberg

Grundwasser

Die chemische Zusammensetzung des Grundwassers und die gesamte Wasserbewegung wird durch Lithologie, Permafrost und Bruchstörungszonen bestimmt. Tiefenbrüche (Obrudcev-Bruch) ermöglichen den Aufstieg von Thermalwässern und beeinflussen somit die gesamte Hydrogeologie. In der Baikalriftzone sind Poren- und Kluftgrundwasserleiter vorzufinden. Westlich des Baikalsees (Irkutsker Amphitheater) gibt es großflächige Karstgrundwasserleiter (Karbonate).

Lithologie 1. Kristallines Basement

2. Metamorphite

3. Sedimente in Tektonischen Depressionen (Tunka-/ Barguzin-Senke)

a) Zabaikaltyp: mesozoische Sedimente (66-125Ma)

b) Baikaltyp: känozoische Sedimente (<66Ma)

• Äußere Becken

Vulkanogen

Mofettenstadium (kühle CO2-Exhalationen)

Tunka-Senke (vulkano-sedimentäre Decke)

• Innere Becken

Tiefenwärmeffekte Thermalwässer

Barguzin-Senke, Subaquatische Baikalsenke

Sedimentäre Decke

Subaquatische Baikalsenke

Größte Senke in BRZ mit 3 Grabensegmenten

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54 Grundwasser, Thermalwasser und Permafrost

Trennung durch Selenga-Delta und Akademischen Rücken

Hydrodynamik - Wechselwirkungen

1. Drainagewirkung der BRZ für oberflächennahe GWL ( Isohypsen)

2. Tieferliegende GWL durch Baikal gespeist (Druckspiegel)

3. Wässer durch Magmatismus?

Thermalwasser

Die Erdkruste in der BRZ hat eine Mächtigkeit von circa 34km (Sibirische Plattform 45km). Dies verursacht einen erhöhten geothermischen Gradienten und Wärmestrom. Der Geothermische Gradient in der BRZ liegt zwischen 30-50°C/km, während in der Sibirischen Plattform nur 15 °C/km ermittelt wurden. Auf Grund von Störungszonen und unterschiedlichen lithologischen Einheiten hat sich ein uneinheitliches Geothermiefeld ausgebildet. Dies führt zu Unterschieden in Schüttungsrate und Temperatur.

Das Thermalwasser kann an vielen Stellen zur Energiegewinnung genutzt werden, da hohe Temperaturen, hohe Schüttungsraten, geringe Mineralisationsgrade und pH-Neutralität anzutreffen sind. (Muja-Nord-Tunnel, 500m³/h, für BAM gebaut)

Modellierung (1970): 700-800°C in 15km Tiefe

Hauptgase: CH4, CO2, N2

N2-Thermen

80% aller Thermen in der BRZ (Zentralachse) können als N2-Thermen bezeichnet werden. Der Gehalt an N2 muss größer 78% sein, da er sonst dem Gehalt von Luft entsprechen würde und somit nicht extra aufgeführt werden muss. 85-95% des

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Egbert Julie 55

Gasvolumens wird von N2 eingenommen. (20-35mg/l gelöste Gase). Die Mineralisation liegt im Bereich unter 1000mg/kg (Süßwasserbereich). 4 Subtypen existieren: Gorjacin-, Alin-, Kuldur-, Pitatel-Typ

CO2-Thermen

Es gibt nur wenig Quellen (Außenrand BRZ) mit erhöhten CO2-Gehalt. Diese sind an Vulkanitkomplexe gebunden:

• tätiger Vulkanismus: CO, H2, H2S, SO2 (wenn höchsttemperierte Gase: HCl, HF, NH3, H3PO4)

• postvulkanogen: Beschränkung auf CO2-Exhalation

Bis 2000mg/l freies CO2 können vorkommen, und die pH-Werte schwanken zwischen 6,1-6,8

Mineralisation max. 8g/l. Es sind 2 Untertypen existent: Sumak-, Borzomtyp

CH4-Thermen

Die CH4-Thermen sind an der Zentralachse der BRZ zu finden und haben nur eine geringe Extensität. Sie treten in neotektonischen, sedimentverfüllten Senken auf:

• Hohe Gasführung: 80-90V%

• pH>7

• Aufschlüsse nur durch Bohrungen

• 2 Untertypen: Tunka-, Istok-Typ

Therme am Kap Kotelnikov

W-Ufer: 0,5-1m über Baikalspiegel; 1km Abstand zu Gebirgsumrandung; heißeste Therme 76°C (12.9.1987).

An dieser Therme konnte eine Interaktion von Thermalwasser mit Baikalwasser nachgewiesen werden. Durch einen Anstieg des Seespiegel sank die Temperatur auf 30°C. Bedingt war dieser Anstieg durch den Bau des Staudammes in Irkutsk. Bohrung Kotelnikov (in 44m Teufe 81°C, 4l/s, Fontäne 0,75m)

Therme Chakussy

• Tektonische Störungszone (Granit)

• 40 l/s mit 46°C

• zahlreiche kleinere Thermalquellen in Umgebung ( Frohlicha 4,5 l/s und 34°C)

Therme Zmeiny

• 0,3 l/s mit 45°C; Schwefelgeruch

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56 Grundwasser, Thermalwasser und Permafrost

Permafrost

Der Permafrost ist auf Grund des Kontinentalklimas (kalt) ausgebildet. Großen Einfluss auf die Temperaturen hat auch der Wasserkörper des Baikalsees. 70-80% aller Niederschläge fallen im Sommer (400-900mm/a). Bedingt durch das Kontinentale Klima findet man im Winter nur eine Schneedecke von 0,2 m - 0,5 m vor. In Höhenlagen werden auch 1-1,5 m erreicht.

Es kommt zur Ausbildung von Eiszement und kluftfüllenden Eis. Dadurch bedingt kann nur eine eingeschränkte Wasserbewegung stattfinden. Bei gänzlichen Permafrost behindert der Permafrost die Interaktion zwischen Niederschlag und Grundwasser komplett. Kryolithzone (Gebirge 200-300m) . 3 Arten werden unterschieden: gänzlich, inselartig, fehlend oder reliktisch.

Wasserscheidennahe Zone

• Geschlossene Permafrostdecke

• Kaum Infiltration, unterirdischer Abfluss nur periodisch

• Quellen ebenfalls periodisch, mit geringer Schüttung

• Schwach mineralisiert

• <100mg/l, Hochgebirge <50mg/l

Hangzone

• Dauerfrost nur inselartig an N-Hängen

• Regelmäßiger Abfluss mit starken Schwankungen

• Zahlreiche Quellen an tektonischen Störungen, 100l/s

• Vertikal bizonal (Ob., Untere Hangzone)

Talzone

• Übergang Hang-Ebene

• Ständig unterirdischer Abfluss

• Selten Quellen

• Mineralisation 0,6-0,8g/l

Seenahe Zone

• GW hydrodynamisch direkt vom entsprechenden See und dessen Spiegelhöhe abhängig

• Baikalspiegel: 450m NN

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Egbert Julie 57

What is Permafrost Permafrost is defined on the basis of temperature, as soil or rock that remains below 0°C throughout the year, and forms when the ground cools sufficiently in winter to produce a frozen layer that persists throughout the following summer.

The atmospheric climate is the main factor determining the existence of permafrost. However, the spatial distribution, thickness and temperature of permafrost is highly dependent on the temperature at the ground surface. The temperature at the ground surface, although strongly related to climate, is influenced by several other environmental factors such as vegetation type and density, snow cover, drainage, and soil type. Ground Thermal Regime

A typical example of ground temperatures within permafrost in the Yellowknife region is shown in the figure to the left. The annual range in ground temperatures is shown by the warmest and coolest temperatures occurring at depth. With increasing depth in the ground, the seasonal difference in temperature decreases. The point at which there is no discernable change in temperature is termed the "depth of zero annual amplitude". In Yellowknife, this depth occurs at about 15 m. Below this depth, temperatures change very little during the year. Each year a portion of the ground at the surface rises above 0°C for part of the year. This part of the ground, termed the active layer, freezes and thaws with the changing seasons.

Both the thickness of permafrost and the active layer depend on local climatic conditions, vegetation cover and soil properties. The thickness of permafrost can be altered by changes in the climate or disturbance of the surface. Permafrost thins and the active layer thickens when ground temperatures increase. Permafrost thickness is also a function of a number of factors, including ground surface temperatures and the rate of temperature increase at depth. Because rock deep beneath the earth's crust is hot and molten, the temperature beneath the earth's surface increases with depth. This change of temperature is known as the geothermal gradient.

An illustration of the range in temperatures experienced at different depths in the ground during the year. The active layer (shown in grey) thaws each summer and freezes each winter, while the permafrost layer remains below 0°C.

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58 Limnologie des Baikalsees

Limnologie des Baikalsees

Claudia Thomas

8. Geoökologie, TU Bergakademie Freiberg

Baikal – Allgemeine Daten

Der Baikalsee hat eine Fläche von ca. 31.500 km2 ist ca. 636 km lang und 26-79 km breit. Seine Wasseroberfläche liegt 455 m ü NN. Der Wasserstand schwankt rhythmisch im Jahresverlauf um durchschnittlich 80-90 cm. Höchststände werden im Herbst gemessen, Niedrigstände im Frühjahr. Der Baikal ist das älteste und mit 1637 m tiefste Süßgewässer unseres Planeten, das aus drei Becken besteht. Das nördliche Becken, welches später entstand und durchschnittlich 576 m (max. 889m) tief ist, wird durch einen unterseeischen Gebirgsrücken begrenzt. Das ältere Becken wird durch den Sedimentkegel der Selenga in ein mittleres und südliches Becken getrennt. Das mittlere Becken hat eine durchschnittliche Tiefe von 854 m (max. 1637 m) und das südliche Becken von 842 m (max. 1432 m). Der gesamte See fasst eine Wassermenge von 23.600 km3 womit er über 20 % des Süßwassers auf der ganzen Welt enthält. Sein Einzugsgebiet ist 560.000 km2 groß.

Der Baikal hat über 360 Zuflüsse aber nur die Angara als seinen einzigen Abfluss. 83 % des Wassereintrages stammen aus seinen Zuflüssen und 13 % aus Niederschlägen. Die restlichen 4% werden durch kondensierende Luftfeuchtigkeit und Grundwasser eingetragen. Die Angara transportiert 85 % der gesamten Abflussmenge und 15 % werden durch Verdunstung an die Atmosphäre abgegeben. Die Erneuerung der gesamten Wassermasse des Baikals dauert ca. 330 Jahre. Das vorherrschende Klima ist das kühle Kontinentalklima der gemäßigten Zone. Der Baikal wirkt durch seine Wassermassen abmildernd auf das Klima. Das heißt die Sommer und auch die Winter sind milder und erreichen nicht so extreme Temperaturen wie die Gebiete die außerhalb des Einflusses des Baikal liegen. Die Jahresdurchschnitttemperatur der Luft liegt bei -1,7°C.

Temperatur

Der Baikalsee ist ein kalter See. Komplett zugefroren ist er von Mitte Januar bis Ende April, obwohl dies von den Tiefen des Sees abhängig ist. Die Eisdecke beträgt 80-150 cm. Erst im Mai ist er eisfrei wobei in kälteren Jahren der Norden erst im Juni aufgetaut ist. Auf Grund der hohen Wärmekapazität und dem großen Volumen erwärmt sich der See am Anfang sehr langsam und erreicht

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Claudia Thomas 59

Oberflächentemperaturen von maximal 3-4°C. Da Wasser seine größte Dicht bei ca. 4°C hat, sinkt das dichtere Wasser in tiefere Schichten und mischt sich dort mit dem kälteren Wasser. Es entsteht eine einheitliche Temperaturverteilung (Homothermie) von 3-4°C im gesamten See. Bei weiterer Sonneneinstrahlung erwärmt sich die Wasseroberfläche und es bildet sich eine konstante Schichtung aus. Es bilden sich das Epilimnion, gekennzeichnet durch hohe Temperaturen und einen kleinen Temperatur-gradienten, das Metalimnion (Sprungschicht) mit einem großen Temperaturgradienten und das Hypolimnion mit tiefen Temperaturen von 3-4°C und einem kleinen Temperatur-gradienten. Das Hypolimnion fängt in einer Tiefe von ungefähr 250 m an, d.h. ab dort ist das Wasser konstant temperiert. Erst im Juli und besonders im August erhöht sich die Oberflächentemperatur auf bis zu 16°C. In den südlichen Küstengebieten kann sie 18°C erreichen.

Im September beginnt sich der Baikal wieder abzukühlen und im November erreicht er wieder das Stadium der Homothermie. Im Winter bildet sich wieder eine Schichtung heraus, allerdings mit umgekehrten Temperaturgradienten. Die Temperaturen in der oberen Schicht reichen von 0°C direkt unter dem Eis bis 3,5-3,8°C in einer Tiefe von ca. 250 m. Diesen Zustand bezeichnet man als Winterstagnation. Unterhalb der oberen, aktiven Schicht ist kein Sonnenlicht mehr präsent. Darum spielt sich ein Großteil des Lebens im Baikalsee nur in der oberen Schicht ab.

In den Buchten und Flachwassergebieten des Sees verhält sich der jährliche Temperaturverlauf aufgrund der geringen Tiefen von nur wenigen Metern anders als im offenen Baikal. Hier steigen die Temperaturen im Frühjahr nach der Eisschmelze schneller an. Sie erreichen im Juni schon 10-12°C. Im Sommer (Juli / August) können sie in manchen Regionen auf 26°C steigen. Die Abkühlung im Herbst geht auch schneller vonstatten, wobei es schon Ende Oktober zu ersten Eisbildungen kommen kann.

Strömungen

Die Strömungen im Baikal werden durch Wind, atmosphärische Druckunterschiede, Erdrotation, Temperaturgradient in der oberen Wasserschicht, Zuflüsse sowie Sonnen- und Mondgezeiten hervorgerufen, wobei die Winde 80 % ausmachen. Geschwindigkeit und Richtung sind abhängig von Tiefe, Entfernung zur Küste, Relief sowie Temperatur- und Dichteunterschieden und jahreszeitlichen meteorologischen Erscheinungen. Es herrschen permanente, zyklonische (gegen den Uhrzeigersinn) Strömungen vor, die sich über den gesamten See ausbreiten und eine sowohl horizontale als auch vertikale Achse haben. Diese Strömungen bilden aufgrund der Gegebenheiten des Untergrundes des Baikal verschiedene Bereiche aus.

Diese permanenten Strömungen werden durch starke, manchmal Tage dauernde Winde gestört, die dann Gegenströmungen und Verwirbelungen hervorrufen. Dadurch werden die permanenten Strömungen, die theoretisch Geschwindigkeiten von 18-20 cm/s und sogar 50 cm/s erreichen können auf 8-9 cm/s, oft sogar nur 4-6 cm/s abgebremst. Diese starken Winde sind in der Lage kaltes Tiefenwasser von bis zu 600 m an die Oberfläche zu tragen. Weiterhin gibt es an der südöstlichen Küste antizyklonische Tiefwasserströmungen unterhalb der Sprungschicht. Darüber herrschen normale zyklonische Ströme.

All diese Strömungserscheinungen herrschen auch im Winter unter der geschlossenen Eisdecke, allerdings bis zu zehnmal schwächer.

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60 Limnologie des Baikalsees

Abbildung 1: Oberflächenströmung im Baikal (aus Kozhova et al, S.44)

Chemische Zusammensetzung Das Wasser des Baikals ist außergewöhnlich arm an Mineralien und weich. Sein geringer Mineralisationsgrad liegt bei weniger als 96,6 mg/l (nach Votintsev) wobei dieser insgesamt noch mit der Tiefe abnimmt.

Man kann die Wasserinhaltsstoffe in drei Gruppen unterteilen. Die erste Gruppe setzt sich aus den Verbindungen zusammen, welche vertikal immer gleich verteilt sind. Dazu gehören Hydrogencarbonat, Sulfat, Chlorid, Kalium, Magnesium, Calcium und Stickstoff. Eine weitere Gruppe bilden die Verbindungen bei denen die Konzentration mit der Tiefe steigt. Zu dieser Gruppe gehört Kohlendioxid, Phosphat, Nitrat und Silizium. Nitrat ist der Stickstofflieferant für photoautotrophe Pflanzen und auch Phosphat zählt zu den essentiellen Nährstoffen für die Primärproduzenten. Durch den Verbrauch dieser Nährstoffe ist im Sommer ein Konzentrationsabfall in den ersten 100 m deutlich zu erkennen, wobei es im Winter wieder zum Anstieg der Konzentration kommt. Die dritte Gruppe verhält sich genau entgegengesetzt. Bei ihr nehmen die Konzentrationen mit der Tiefe ab. Dieses Verhalten trifft auf Sauerstoff und organisches Material zu.

Die Aussage über die Qualität des Wassers wurde anhand von 1000 analysierten Proben getroffen. Die chemische Zusammensetzung in mg/l sieht wie folgt aus: Karbonate 65,60, Calcium 15,77, Sulfate 4,85, Natrium und Kalium 3,56, Magnesium 3,10, Chlorid 0,56, Nitrat 0,34 und Phosphor 0,028. Die Gesamtmineralisation liegt bei 93,81 mg/l. Das Wasser des Baikals wird dem Carbonat-Calcium-Typ zugeordnet. Weiterhin sind enthalten 11,44 mg/l Sauerstoff, 2,87 mg/l Silizium und 2,72 mg/l Kohlensäure und organisches Material. Die Zuflüsse, besonders das Wasser des Selenga, beeinflusst die Konzentration einzelner Ionen. Einige Komponenten variieren saisonal.

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Claudia Thomas 61

Silicium wird zum Aufbau für die Kieselschalen der Diatomeen und auch als Nährstoff von Kieselalgen genutzt. Nach ihrem Tot kommt es zum Absinken der Diatomeenschalen und Algen und es bildet sich diatomeener Schluff am Boden des Sees. Das organische Material ist dem Verfall ausgesetzt und bildet damit auch einen Teil der Bodensedimente.

Die niedrige Mineralisation ist darauf zurückzuführen das die Zuflüsse auch nur einen geringen Mineralisationsgrad haben. Die durchschnittliche Mineralisation der Selenga liegt bei 126,81 mg/l, der Verhnaya Angara bei 81,31 mg/l, des Barguzin bei 134,47 mg/l. Der am höchsten mineralisierte Zufluss ist der der Buguldeika mit 300 mg/l. Die niedrige Mineralisation des Baikalwassers ist in der Geologie des Untergrundes begründet da dieser aus metamorphen und magmatischen Gesteinen aufgebaut, die überwiegend eine geringe Lösungskinetik aufweisen Der pH-Wert liegt zwischen 7 und 8,2 und die Konzentration von Spurenmetallen ist sehr gering.

Flora und Fauna

Im See und seinen Uferbereichen existieren ca. 2500 Pflanzen- und Tierarten. Etwa 60% der Tierarten und 15% der Pflanzenarten sind endemisch, was bedeutet das sie ausschließlich hier vorkommen. Seen sind als Lebensräume in das Pelagial (Freiwasserzone) und das Benthal (Bodenzone) gegliedert. Das Benthal ist vertikal unterteilt in das Litoral (Uferzone) und das Profundal (Tiefenzone). Die Grenze zwischen beiden Bereichen ist die Kompensationsebene unterhalb der keine positive Photosynthesebilanz mehr möglich ist. Diese Kompensationsebene unterteilt auch das Pelagial in die trophogene Zone mit überwiegend Photoautotrophen und die darunter liegende tropholytische Zone ohne Photoautotrophe.

Im See leben ca. 1500 Tierarten wovon 2/3 endemisch sind. Ihr Leben ist sehr eng an die hohe Wasserqualität gebunden, welches an den 230 Flohkrebsarten, die 90% der Biomasse ausmachen, besonders deutlich wird. Diese Flohkrebse (z.B. Epischura) sind für das einzigartige Selbstreinigungssystem des Baikals verantwortlich, da sie eine hohe Filterleistung haben. Sie vertilgen Bakterien, Algen und tote Lebewesen und filtern täglich 83 km3 Wasser. Damit sorgen sie für die Reinheit des Seewassers und bilden ein wichtiges Glied in der Nahrungskette.

Es gibt im See über 53 Fischarten wovon 27 Arten als endemisch gelten. Zu den bekanntesten gehört der Baikalskiy Omul und der Baikalstör „Osjotr“ Baikalsky, welcher Kaviar liefern kann. Ein Exot ist der endemische Fettfisch namens Golomjanka. Er ist fast durchsichtig, schuppenlos und hat einen Fettanteil im Körper von 40 %. Er überlebt nur im kalten Wasser unter 8°C und gehört damit zu den pelagischen Tiefseefischarten. Eine weitere Besonderheit an ihm ist, dass er lebend gebärt. Im Baikal leben auch Schwämme, welche korallenartige Säulengebilde bauen, und auch viele Schneckenarten.

Von besonderem zoologischen Interesse sind die Baikalrobben (Phoca sibirica), die im russischen als „Baikalskiy Tjulen“ oder „Nerpa“ bezeichnet werden. Sie gehören zu den Rätseln des Baikals, da sie als einzige Robbe aus der Familie der Hunderobben im Süßwasser leben. Es ist auch nicht geklärt auf welchem Weg die Robben zum Baikal kamen. Die erwachsenen Robben können ein Gewicht von bis zu 130 kg erreichen bei einer Länge von 1,70 m. Sie werden etwa 40-50 Jahre alt. Die Nerpas kommen im nördlichen und mittleren Teil des Baikals vor, und im Winter sind sie an Stellen gebunden, an denen das Eis durch heiße Quellen auftaut, um Luft holen zu können. Eine Robbe nimmt täglich etwa 3 kg Fisch zu sich. Die Robben

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62 Limnologie des Baikalsees

gebären in den Monaten März und April 2-3 Jungtiere in Schneehöhlen auf dem Eis. Robben können bis zu 200 m tief tauchen und 60 Minuten unter Wasser bleiben.

Tabelle 1: Morphometric and hydrographic data on Lake Baikal (Shimaraev et al., 1994)

Altitude 456 m a. s. l.

Maximum depth 1636 m Mean depth 731 m Surface area 31500 km2 Catchment area 540000 km2 Volume 23015 km3 Drainage 61 km3 yr-1 Residence time 350 yr

Literatur

[1] Kozhova, O. M.; Izmest’eva, L. R. (eds) (1998): Lake Baikal, Evolution and Biodiversity, Backhuys Publishers, Leiden, The Netherlands, 447 Seiten

[2] Thöns, B. (2004): Den Baikalsee entdecken, Die blaue Perle Sibiriens, Trescher Verlag Berlin, 326 Seiten

[3] Ravens, T. M.; Kocsis, O.; Wüest, A. (2000): Small-scale turbulence and vertical mixing in Lake Baikal, Limnol. Oceanogr., 45(1), pp. 159-173, American Society of Limnology and Oceanography, Inc.

[4] Schwoerbel, J. (1987): Einführung in die Limnologie, 6. überarb. Auflage, Gustav Fischer Verlag Stuttgart, 269 Seiten

http://www.eawag.ch/research_e/w+t/UI/baikal/info/e_info.html

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Thomas Hollands 63

DGM und Fernerkundung am Baikalsee

Thomas Hollands

6. Geoökologie, TU Bergakademie Freiberg

Das Digitale Geländemodell (DGM) Digitale GeländeModelle der ganzen Welt erhält man unterteilt nach Kontinenten mit einer Auflösung von 1km² beim USGS. Hier kann man sich die entsprechenden Datensätze von der Homepage herunterladen und im Anschluss bearbeiten. Das DGM wurde aus stereographischen Satellitenbilddaten gewonnen. Für den Baikalsee ist dies der USGS GTOPO30-Datensatz Asia bzw. der hydrologisch aufbereitete Datensatz Hydro1k Asia, der neben einem hydrologisch korrigierten DGM auch Informationen über Flüsse, Einzugsgebiete, Abflussrichtungen u.ä. enthält. Diese Daten kann man in GIS verarbeiten und in Form von Layern mit einander kombinieren. Der USGS bietet für teile der Welt auch ein 90 m-DGM an, das aus den jüngsten Radarsatellitenflügen gewonnen wurde.

Aufbereitung von DGMs

Digitale Geländemodelle kann man unter Berücksichtigung verschiedener Klimaparameter wie Temperatur und Niederschlag hydrologisch aufbereiten und so Karten erstellen, die Abflussrichtung, Einzugsgebiete und ähnliches darstellen. Informationen dieser Art werden vom USGS in Form von Hydrodatensätzen angeboten. Für den Baikalsee von Bedeutung war das Datenset Hydro1K Asia welches auch die Flüsse Asiens erfasst. Mittels Programmen wie ArcView oder TNTmips kann man die verschiedenen Datensätze analysieren und zusammenstellen. So kann man beispielsweise das hydrologische, d.h. von Senken bereinigte DGM mit Informationen über Flussverläufe und Einzugsgebiete kombinieren.

Man erkennt wie sich die Flüsse in das Profil einpassen. Man sieht allerdings auch, das die Einzugsgebiete im Westen des Sees mit ihren Flüssen nicht dem Baikalsee zugewandt sind sondern gen Westen fließen. Besser kann man dies noch erkennen, wenn man die Abflussrichtung mit Einzugsgebieten und Flussverläufen kombiniert.

Hier erkennt man noch einmal deutlich, dass der Fluss sein Zuflüsse hauptsächlich aus östlichen Gebieten rekrutiert während von Westen aus nichts in den Baikalsee einmündet. Das einzige westliche wichtige Einzugsgebiet was durch einen Fluss mit dem Baikalsee verbunden ist, ist das Einzugsgebiet der Angara, die wiederum wie allgemein bekannt ist, den einzigen Abfluss des Baikalsees darstellt.

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64 DGM und Fernerkundung am Baikalsee

Fernerkundung am Baikalsee

Auf Grund der Größe des Systems Baikalsee und seiner Umgebung ist dieses Areal am besten mit den Methoden der Fernerkundung zu erfassen und zu überwachen. Mehrere Projekte rund um den Baikalsee machen denn auch von den Möglichkeiten des „Remote Sensing“ Gebrauch. Im Rahmen verschiedener Projekte wird so die Wasserqualität des Baikals aus der Luft analysiert aber auch Parameter wie die Verteilung der verschiedenen Eissorten auf dem Baikalsee oder die Erfassung der Forstwirtschaft sind Bestandteile. Im Folgenden seien einige Projekt vorgestellt.

• Das Continent-Projekt ist ein europäisches Projekt, was sich mit paläoklimatische Untersuchungen u.a. an Hand von Seesedimenten des Baikalsees beschäftigt. Um den derzeitigen Zustand des Sees zu bewerten werden Satellitendaten genutzt, die aufgrund optischer (Intensität, Farbe, Durchlässigkeit) und thermischer Unterschiede Rückschlüsse auf Algenpolulation, terrigenem Eintrag und andere Einflussfaktoren zulassen und so indirekt als Proxydaten auch Rückschlüsse auf das aktuelle Klima zulassen. Genutzt werden dabei Daten des OceanColor-Projekts der NASA, die über Satelliten wie SeaWiFS (Sea viewing Wide Field of view Sensor) und MODIS umfangreiche Daten über Seen und Ozeane erfassen. Mittels dieser Daten ist es möglich Karten wie die folgenden zu erstellen

Abbildnung 1: DGM, Einzugsgebiete, Flussverläufe

Abbildung 2: Abflussrichtung, Einzugsgebiete, Flussverlauf

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Thomas Hollands 65

Der erste, der versuchte das Ökosystem Baikalsee und die einwirkenden Faktoren mittels Fernerkundung zu erfassen war der Leiter des Institutes für Limnologie an der Universität von Irkutsk Sergej V. Semowski.

• S.V. Semowski taucht im Jahresbericht der IUGG (International Union of Geodesy and Geophysics) 2003 erneut mit einem Projekt auf, indem es darum geht die Verteilung der verschiedenen Eissorten auf dem Baikalsee zu erfassen. Der Baikalseee ist von Mitte Januar bis Anfang April komplett zu gefroren. Hintergrund dieses Projektes ist, dass die verschiedenen Eissorten unterschiedlich Licht- und Wärmedurchlässig sind und sich die Frühlingsalgenblüte somit an einigen Stellen mit gut durchlässigem Eis besser und früher einstellen müsste als an anderen Stellen, die mit weniger durchlässigem Eis bedeckt waren. Ziel dieses Projektes ist somit die Simulation der Algenblüte (besonders: Aulacoseira baicalensis). Als Satellitendaten werden hierzu die Informationen von ERS SAR (Radar-Satellit), ASTER und MODIS (Moderate Resolution Imaging Spectroradiometer) Daten verwendet.

• Im Rahmen eines Projektes von Niederländischem Geologischen Dienst, der Europäischen Union, des Forstministeriums der Republik Buryatia und des Forstkomitees der Region Irkutsk wurde versucht mittels Fernerkundung die Entwickelung einer Nachhaltigen Forstwirtschaft in der Region zu fördern und eine Datengrundlage zu schaffen. Dabei wurde auf Satellitendaten von Landsat, Jers und dem russischen Satelliten KFA-1000 zurückgegriffen. Landsat und Jers zeichnen sich hierbei durch eine relativ hohe spektrale Auflösung aus während der KFA-1000 hauptsächlich wegen seiner guten ground solution (2m) gewählt wurde. Ziel war unter anderem, dass vorhandene Kartenmaterial zu verbessern, georeferenzierte Daten für die Forstwirtschaft zur Verfügung stellen zu können und die verschiedenen Schlaggebiete zu erfassen. Neben der Umsetzung dieser Ziele konnten dabei vorher unbekannte Schlaggebiete erkannt und erfasst als auch die wichtigsten Baumarten und ihr Verbreitung ermittelt werden. Durch die Verwendung von Daten verschiedenen Alters war es weiterhin möglich

Abbildung 3: Terrigener Eintrag und Algenbiomasse

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66 DGM und Fernerkundung am Baikalsee

zeitliche Veränderungen bezüglich der Bewirtschaftung der Forstflächen zu ermitteln.

Literatur

http://edcdaac.usgs.gov/gtopo30/hydro/asia.asp Datenset Hydro1K Asia USGS

http://oceancolor.gsfc.nasa.gov/ Zusammenstellung Satelliten Oceancolor-Projekt

http://www.gfz-potsdam.de/pb1/pg5/research/projects/water/cont_uk.html Continent-Projekt

http://continent.gfz-potsdam.de/ Continent-Projekt http://www.neonet.nl/browse/www.neonet.nl/Document/VUXBSHQLOIJFJQGHGPGVJKCAR.html Forstwirtschaft am Baikalsee

http://www.cig.ensmp.fr/~iahs/sapporo/abs/jsg03/006322-1.html IUGG Jahresbericht 2003

http://las.physik.uni-oldenburg.de/eProceedings/vol03_1/03_1_heim1.pdf Continent-Projekt - Analyse SeaWiFS

http://www.geocities.com/sergey_s.geo/baikalrs/baikalrs.htm Fernerkundung am Baikalsee

http://www.geo.tu-freiberg.de/studenten/Baikal_2004/dgm.pdf DGM und Baikalsee

http://geol.irk.ru/bricc.htm Russische Seite rund um den Baikalsee

http://www.geo.tu-freiberg.de/studenten/Baikal_2004/remote_water_quality.pdf Bestimmung der Wasserqualität mittels Fernerkundung

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Axel Horst 67

TEIL IV

Handel, Industrie und Umwelt

Industrie und Umweltprobleme am Baikalsee

Axel Horst

8. Geoökologie, TU Bergakademie Freiberg

Industrie

In der Baikalregion haben sich aus verschiedenen Gründen mehrere Industriezentren herausgebildet. Diese befinden sich fast ausnahmslos im Süden des Sees. Gründe für die Ansiedlung sind zum einen die vorhandenen Rohstoffe wie Öl, Gas, Kohle, Eisenerz, Salz, Graphit und Bauxit die in unmittelbarer bzw. mittelbarer Umgebung des Sees zu finden sind. Ein anderer Faktor sind die günstigen Energiepreise des lokalen Energieunternehmens die vor allem energieintensive Industrien anlocken. Der Strom wird aus Wasserkraftwerken entlang der Angara (z.B. Bratsk und Irkutsk) und aus Kohlekraftwerken in der Irkutsker Region gewonnen.

Die größte Industrieregion ist der Irkutsker- Tscheremchowoer Industriekomplex, der sich entlang der Angara bzw. der Transsibirischen Eisenbahn erstreckt. In Irkutsk wird vor allem Aluminium verhüttet und die dafür nötige Energie aus Wasserkraft und Steinkohle gewonnen. Ansonsten ist hier der Maschinenbau in Form des Flugzeugbaus und in kleinerem Rahmen auch die Pelz- und Textilindustrie ansässig. In Angarsk und Tscheremchowo produziert die Chemie- und Kunststoffindustrie. Hier befindet sich auch eine Erdölraffinerie. Weiter flussabwärts ist die Maschienenbau- und Schwerindustrie sowie ein weiteres Wärmekraftwerk angesiedelt. Im Umfeld des Komplexes wird Braun- und Steinkohle gefördert und neben der Holzwirtschaft auch Ackerbau und der Anbau von Obst und Gemüse betrieben.

Der zweite große Industriekomplex befindet sich in der Region von Ulan-Ude an der Selenga. Ulan-Ude selbst ist ein Zentrum der Lebensmittelindustrie sowie der Leder- und Textilindustrie. Weiterhin ist hier der Maschinenbau in Form eines Hubschrauber- und eines Bahnausbesserungswerkes vertreten. Südöstlich in Petrowsk-Sabaikalski wird das dafür notwendige Eisen und Stahl erzeugt. In

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68 Industrie und Umweltprobleme am Baikalsee

Selenginsk befindet sich ein Zellulosekombinat, das in der Vergangenheit Cord- Zellulose für die Luft- und Raumfahrt produzierte. Ein weiteres Papier- und Zellulosekombinat steht seit 1966 in Baikalsk. Im nördlichen Teil des Sees ist außer einer Fischverarbeitungsfabrik in Nischneangarsk und einem Bahnreparaturwerk in Severobaikalsk zumeist nur Holz- und Forstwirtschaft zu finden, die unter anderem den Holzbedarf der beiden Zellulosekombinate abdeckt.

Umweltprobleme

Trotz der geringen Bevölkerungsdichte und der riesigen Wassermasse des Sees hinterlässt die Industrie im und am Baikalsee ihre Spuren. Vor allem an der Fauna sind Veränderungen festgestellt worden. Am deutlichsten ist das am Fisch zu sehen. Aufgrund der zerstörten Laichplätze in der Selenga sind die Fischfangraten deutlich zurückgegangen. Weiterhin wurde von 1957 bis 1990 ein Anstieg des Befalls mit Parasiten von 15 auf 70% beim Omul, einer endemischen Fischart, festgestellt, die auf eine Abschwächung des Immunsystems infolge der Verschmutzung zurückgeführt wird (IUCN, 1991).

Als bedeutendster Verschmutzer des Wassers gilt die Zellstofffabrik in Baikalsk, die täglich ca. 400000 m3 ungeklärte Abwässer in den See leitet. Sie ist damit für die Hälfte aller eingeleiten Schadstoffe verantwortlich. Bei der Zellstoffproduktion wird durch einen Kochprozess Lignin aus den Fasern herausgelöst, so dass Zellstoff übrigbleibt. Man unterscheidet zwei wichtige Verfahren: Die Sulfitzellstofferzeugung und die Sulfatzellstofferzeugung. Calciumbisulfit (Ca(HSO3)2) löst Lignin bei der Sulfitmethode aus den Holzfasern heraus. Statt Calcium kann auch Magnesium, Natrium und Ammonium in einem Mehrstufenverfahren verwendet werden. Bei der Sulfatmethode werden als Aufschlusschemikalien Natronlauge (NaOH) und Natriumsulfid (NaS2) verwendet. Im alkalischen Milieu (pH 13-14) werden phenolische Substanzen und Harzsäuren aus den Holzfasern herausgelöst. Diese Methode eignet sich für nahezu alle Holzarten. Nach der Zellstoffgewinnung folgt in der Regel die Bleiche, die überwiegend mit Chlor stattfinden dürfte. Aufgrund dieser Produktionsverfahren werden durch das Zellstoffwerk vor allem Sulfide, Phenole und Chloride eingeleitet. Hinzu kommt die atmosphärische Belastung mit Schwefeldioxid aus dem Kochprozess.

Das andere Zellulosekombinat sorgte in der Vergangenheit für ähnliche Probleme. In der Zwischenzeit wurde hier aber ein geschlossener Wasserkreislauf installiert, so dass nur noch die atmosphärische Belastung besteht. In Baikalsk soll bis 2007 ebenfalls ein geschlossener Wasserkreislauf entstehen und das Werk bis 2015 komplett die Produktion umstellen.

Die Selenga ist der größte Zufluss des Baikalsees und mit ihr kommen über 40% aller Verschmutzungen. Bereits in der Mongolei wird die Selenga durch drei große Städte, darunter die Hauptstadt Ulan Bator, mit Abwässern belastet. In Ulan-Ude erfährt der Fluss eine weitere Verschmutzung mit ungeklärten industriellen und häuslichen Abwässern. 1991 stammten ca. 27% der Verschmutzungen aus dieser Stadt (IUCN, 1991).

Die Irkutsker Region beeinflusst den See vorwiegend auf atmosphärischem Wege, da die Angara als Abfluss des Baikals fungiert und somit das Wasser vom See wegleitet. Vor allem die Kohlekraftwerke stoßen große Mengen an Schwefeldioxid aus das mit dem Westwind in Richtung Baikal transportiert wird und dort für Waldschäden verantwortlich ist. Bis 1989 wurden hierdurch ca. 40000 ha Wald

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Axel Horst 69

zerstört und etwa 250000 ha geschädigt. Im Barguziner Naturreservat waren bis dahin über die Hälfte aller Bäume geschädigt (Altekruse, 1989).

Der Norden des Sees ist am wenigsten belastet. Allerdings sorgen die Städte Severobaikalsk und Nischneangarsk für die Einleitung kommunaler Abwässer, da Kläranlagen kaum vorhanden sind. Diffuse Einträge an Schadstoffen stammen beispielsweise aus der Landwirtschaft, die Pestizide und Dünger einträgt oder von den zehntausenden privaten Motorbooten und Schiffen. Weitere Verschmutzungen werden durch die Bevölkerung verursacht, die den See im Winter nicht nur als Straße benutzt sondern hier auch Auto wäscht oder das Motoröl wechselt.

Der wachsende Tourismus stellt zunehmend ein Problem dar, da die Region nicht darauf eingestellt ist. Eine Millionen Touristen kommen jährlich von denen etwa 700000 zelten und ihren Müll zurücklassen. Sie sind auch für einen Großteil der Wald- und Torfbrände verantwortlich, die hier regelmäßig wüten (Massey Stewart, 1990).

Trotz der hier beschriebenen Probleme zählt der Baikalsee zu den saubersten Gewässern der Erde und besitzt größtenteils Trinkwasserqualität. Der Niedergang der Industrie und die steigenden Bemühungen um den See haben im Allgemeinen zu einer Verbesserung der Situation geführt.

Literatur

[1] International Union for Conservation of Nature and Natural Ressources (1991): Lake Baikal: on the Brink?

[2] Thöns, Bodo (2004): Den Baikalsee entdecken; Trescher Verlag Berlin; 326 S.

[3] Diercke Weltatlas (1992); Westermann Schulbuchverlag Braunschweig; 3. Auflage; 275 S.

[4] Altkruse, J. (1989): Die ökologische Situation am Baikal; Bericht an die UNESCO, Hamburg

[5] Massey Stewart, J. (1990): The great lake is in great peril; New Scientist, 22. September, Seite 21.

http://www.fh-eberswalde.de/forst/forstnutzung/Vorlesung4.4.htm (2004)

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70 Gashydrate im Baikalsee & in Permafrostböden

Gashydrate im Baikalsee & in Permafrostböden

Cindy Kleinickel

8. Geologie, TU Bergakademie Freiberg

Gashydrate

1. Was sind Gashydrate?

Wasser und Gas bilden bei hohem Druck und niedrigen Temperaturen die feste Verbindung: Gashydrat. Bereits 1810 gelang es dem britischen Naturforscher Sir Humphrey Davy eher zufällig, eine derartige eisähnliche Substanz (Chlorhydrat) herzustellen, indem er Chlorgas unter Druck durch Wasser perlen ließ. Für mehr als ein Jahrhundert galten Gashydrate jedoch als chemische Kuriosität und wurden kaum beachtet. In den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts wurden sie in der Öl- und Gasindustrie bekannt, als sich herausstellte, dass unbeabsichtigte Gashydratbildung für Transportprobleme in Pipelines verantwortlich war. Es bildete sich bei herabgesetzten Temperaturen festes Gashydrat aus unter Druck stehendem Gas (vorwiegend Methan) und verstopfte die Leitungssysteme. 2. Struktur und Stabilität

Gashydrate sind nicht-stöchiometrische Verbindungen, wobei die Wassermoleküle (sogenannte Strukturmoleküle) Käfigstrukturen aufbauen, in denen Gasmoleküle (als Gastmoleküle) eingeschlossen sind. Sie werden deshalb auch Einschlussverbindungen oder Clathrate (lat.: clatratus = Käfig) genannt. Generell können Gashydrate bei ihrer Bildung gleichzeitig verschiedene Gasmoleküle, abhängig von ihrer Häufigkeit in der Umgebung, in getrennten Käfigen einbauen.

Schematische Darstellung der Gashydratstruktur

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Cindy Kleinickel 71

Neben CH4 sind es in der Natur vor allem H2S, CO2 und seltener höhere Kohlenwasserstoffe.

Bisher sind drei unterschiedliche Kristallstrukturen von Gashydraten bekannt, von denen die beiden Strukturen I und II im kubischen und die dritte Struktur (auch H genannt), wie Eis im hexagonalen Kristallsystem kristallisieren. Die Struktur der Gashydrate kann dabei als eine Packung von Polyederkäfigen aufgefasst werden. Alle drei Strukturen kommen in der Natur vor, wobei die Struktur I am häufigsten ist.

Sie besteht aus 8 Käfigen zweier unterschiedlicher Typen in der Elementarzelle. In den Käfigen der Struktur I können Gasmoleküle mit einem Durchmesser kleiner als das Propanmolekül, z.B. CH4, CO2 oder H2S,

eingebaut werden. Diese Kristallstruktur ist daher in der Natur vorwiegend an das Vorkommen von biogenem Gas gebunden, das z.B. in den Sedimenten der Ozeanböden weit verbreitet ist. Die Struktur II enthält 24 Käfige pro Elementarzelle, 16 kleine Käfige und 8 große Käfige, wobei die letztgenannten Käfige größer sind als die in Struktur I. Natürliche Gasgemische mit Molekülen größer als Ethan und kleiner als Pentan bilden daher die Struktur II. Ripmeester beschrieb 1987 eine neue

hexagonale Molekülstruktur die große und kleine Käfigmoleküle benutzt um eine feste Struktur zu bilden. Diese wird Typ H genannt. Neben dem bekannten Dodekader des Typs I wurden hier 2 neue Käfige beschrieben die zusammen ein größeres Molekül bilden. Das für die Hydratbildung notwendige Methan entsteht bei der mikrobiologischen Zersetzung von organischem Material. Die Überreste abgestorbener Pflanzen und Tiere stellen hierfür die wichtigste Quelle dar. Nur wenn durch diesen Vorgang kontinuierlich Gas im Sediment erzeugt wird, kommt es zur Übersättigung des Wassers mit Methan.

Zur Bildung von Gashydrat sind neben der Verfügbarkeit einer ausreichenden Menge von Gas und Wasser die Druck-Temperatur-Bedingungen die entscheidenden Faktoren. Gashydrate sind nur bei hohen Drücken und relativ niedrigen Temperaturen stabil, wobei die Anwesenheit von H2S, CO2 und höheren Kohlenwasserstoffen die Hydrat-Gas-Phasengrenze zu höheren Temperaturen verschiebt. Stickstoff-Gas und im Wasser gelöste Salze verschieben die Phasengrenze dagegen zu niedrigeren Temperaturen.

TYP I TYP II

Käfigmolekülstrukturen der 2 häufigsten Typen

TYP H Käfigform

Schmelzender Methanhydratbrocken in der Hand. Während das bei der Methanhydratzersetzung frei werdende Methan eine konstante Flamme speist ("Brennendes Eis"), tropft das frei werdende Wasser ab.(GEOMAR)

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72 Gashydrate im Baikalsee & in Permafrostböden

3. Seismischer Nachweis von Gashydraten

Durch das charakteristische seismische Verhalten von Gashydraten ist die weltweite Verteilung weitgehend geklärt. Wichtigstes Kennzeichen ist dabei der BSR (Bottom Simulating Reflector). Eine seismische Auffälligkeit, die die Unterkante des Hydratlagers darstellt und entsteht, wenn beim Übergang von festem Methaneis zu freiem Gas die seismische Geschwindigkeit schlagartig abnimmt. Die obere Begrenzung der Gashydratlagen wird hingegen durch eine schnelle Zunahme der seismischen

Wellengeschwindigkeit charakterisiert. Diese kann aber oft weniger gut sichtbar gemacht werden, weil an der Oberkante des Hydratlagers oft weniger Methan im Sediment vorliegt. Somit fehlt es an einem scharfen Dichteunterschied, der die Schallausbreitung bestimmt. Ein Problem bei der genauen Bestimmung des Umfangs der Gashydratlager bilden die chemohermen Carbonatkrusten, deren seismische Wellengeschwindigkeit dem von Methaneis sehr ähnlich ist.

Gashydrate sind also prinzipiell oberhalb des BSR zu erwarten und darunter existiert freies Gas.

4. Natürliche Vorkommen

Natürliche Vorkommen wurden erstmals in den 60er Jahren in den Permafrostgebieten von Sibirien, Nordkanada und Alaska gefunden. Die weitaus größte Menge an Methanhydrat kommt aber unterhalb des Meeresbodens entlang fast aller Kontinentalränder und auf den arktischen Schelfgebieten vor. In Flachmeeren wie der Nord- und Ostsee ist die Temperatur nicht tief und der Druck nicht hoch genug. In der Tiefsee ist nur in Gebieten mit hohem organischen Kohlenstoffeintrag mit Methanhydrat zu rechnen.

Oben: seismische Aufzeichnung von gashydratführenden Sedimenten

Unten: Modell der seismischen Geschwindigkeiten (GEOMAR)

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Cindy Kleinickel 73

Bereits nachgewiesene Gashydratvorkommen in Schelf- und Kontinentalhangbereichen (gelbe Punkte) sowie in Permafrostgebieten (rote Karos).(SUESS et al.)

4.1. Gashydrate in Permafrostböden

In Gebieten mit Permafrost sind die Temperaturgradienten wesentlich geringer. Wie die Abbildung zeigt, sind Temperaturverläufe von 1.3°C/100 m innerhalb der Permafrostzone zu erwarten, während sie darunter bei 2°C/100 m liegen. Für die

Stabilität der Gashydrate spielt die

Umgebungstemperatur bzw. die Mächtigkeit der gefrorenen Zone eine entscheidende Rolle. Bei einer Permafrostbasis in 100 m Tiefe (Fall 1) oder weniger sind aufgrund der physikalischen Verhältnisse keine Gashydrate zu erwarten. Anders ist dies bei einer tiefer liegenden Permafrostbasis wie im Fall 2. Generell können Methanhydrate in Polargebieten von 150 m bis ca. 2000 m Tiefe unterhalb der Landoberfläche verbreitet sein.

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74 Gashydrate im Baikalsee & in Permafrostböden

4.2. Gashydrate im Baikalsee

Der Baikalsee ist der einzige Süßwassersee der Welt wo Gashydrate nachgewiesen werden konnten. Die ersten Daten gehen auf GOLMSHTOK 1997 zurück der mit Hilfe von BSR (Bottom Simulating Reflector) und MSR (Multichannel Seismic) Profilen Gashydrate in den Sedimenten fand. Er untersuchte ein Fläche von über 4000 km2 des Seebodens im Deltabereich des Selenga und den angrenzenden südlichen und zentralen Becken. Die Hydrate bestehen vor allem aus Methan (> 99% des Gesamtgasvolumens) das biologischer Herkunft ist. Die Vorkommen wurden mit verschiedenen Verfahren und nach unterschiedlichen Gesichtspunkten weiter erkundet (Sonar, Reflexion, Seismik,

Geochemische Porenwasseranalyse,

Eigenschaften des bodennahen Wassers...). Teile des Vorkommen treten in einem Bereich von hohen Wärmeströmungen auf, wobei die Basis der Gashydratschichten in den Öffnungsbereichen von 400 m auf 150 m unter Seeboden steigt. An aktiven Störungszonen kommt es zum Aufstieg hydrothermaler Lösungen durch vertikale Kanäle in den Sedimentschichten die als Ursache für die lokale Destabilisation der Gashydrate angesehen werden, da es zu einer Verschiebung des thermischen

Gradienten kommt. Zum ersten mal wurde in einem limnischen Rahmen die Gashydratdestabilisation verbunden mit Schlammvulkanen beobachtet.

5. Einfluss der Tektonik auf die Gashydrate im Baikalsee

Im ungestörten Sediment folgen die Hydrate, häufig die Schichtung schneidend, dem Verlauf des Meeresbodens, wobei mit zunehmender Wassertiefe auch der Abstand zum Meeresboden hin zunimmt. An tektonisch aktiven Zonen kommt es oft zu regelrechten Abscherungen der abgelagerten Sedimente. Die betroffenen Schichten

Heat flow variations along the profile. Posted heat-flow values were calculated from in-situ measurements of thermal conductivity and temperature gradients; theoretical heat-flow values were calculated from the depth of the BHSZ.

Seismic profil; showing an up-doming BHSZ reflection in the crest of a rollover anticlinale in the footwall of the small fault.

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wölben sich auf, verfalten und verschuppen sich. In diesem Akkretionskeil treten nun Brüche auf, die wiederum Wegsamkeiten für die durch Druck ausgequetschten Gase und Fluide aus der tektonisch aktiven Zone bilden. Die Austrittsöffnungen am Seeboden werden als „cold vents“ bezeichnet, da sie, im Gegensatz zu den „hot vents“ an den mittelozeanischen Rücken, keine wesentlich erhöhte Temperatur haben. Allerdings reicht die Temperatur der „cold vents“

für eine Einengung des Stabilitätsfeldes der Gashydrate aus. Das kann dazu führen, dass in der Nähe vorkommende Hydrate aufgeschmolzen werden und Methan freisetzen.

Von der Oxidation der austretenden Verbindungen, lebt eine reiche chemoautotrophe Bakterienfauna. Die ihrerseits in Symbiose mit Muscheln und Bartwürmern leben. Es gibt sogar Arten, die ihre Wohnbehausungen direkt ins Gashydrat geschmolzen haben. Bei der Freisetzung von Methan durch den Zerfall von Gashydrat, z.B. durch tektonische Aufwölbung. entsteht durch Oxidation Hydrogencarbonat, das sich mit Ca-Ionen des Seewassers zu Calciumcarbonat verbindet. An den Austrittsstellen bilden sich Carbonatkrusten und Blöcke.

6. Wirtschaftliche Bedeutung Bei Untersuchungen hat sich herausgestellt, dass Hydrate als starke Gaskonzentrierer wirken. Beim Zerfall von einem Volumen Hydrat entstehen bei einem Standardruck von 1013 mbar bis zu 164 Volumen Methan. Bei konventionellen Erdgaslagerstätten erreicht man erst in einer Tiefe von mehr als 1700 Metern ähnliche Werte. Die Schätzungen über die wirtschaftliche Bedeutung gehen weit auseinander. Auf Grundlage der seismischen Kartierung nimmt man heute an, dass die Gashydrate mehr als 50% des auf der Erde vorkommenden organischen Kohlenstoffes beinhalten und alle anderen Reservoire für fossile Brennstoffe um mehr als das Doppelte übertreffen.

Ein wirtschaftlicher Abbau erscheint zur Zeit nur möglich, wenn das Gashydrat kurz unter der Meeresoberfläche liegt. Noch einfacher ist der Abbau in Permafrostgebieten. Die einzige Gashydratlagerstätte, die zur Zeit abgebaut wird ist das Messojachska-Feld in der Nähe von Kransojarsk (Nordwestsibirien). Neben der Gewinnung des unterlagernden freien Gases werden die Hydrate durch einbringen von Methanol zersetzt und das entstehende freie Gas mit abgebaut. Die Ausbeute an Gas steigt dabei um eine Größenordnung. Worauf heutige Forschungen zuerst abzielen sind aber die an Gashydratlagerstätten gebundenen freien Gase. Deren Gasressourcen werden heute größer als die bereits gefundenen eingeschätzt.

Methanfahnen über Verwerfungen werden durch Strömungen und Gezeiten verwirbelt (SUESS et al.)

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76 Gashydrate im Baikalsee & in Permafrostböden

Während deutsche Wissenschaftler von einer langfristigen Erschließung des Gashydrates als Energieressource ausgehen, wollen die Amerikaner 2015 mit dem marinen Abbau beginnen. Führend auf diesem Gebiet sind neben den Amerikanern vor allem die Japaner. Sie haben ein großes Interesse an diesem potentiellen Energierohstoff, weil sie, wie Deutschland, über keine größeren Energieressourcen verfügen. Im Gegensatz zu Europa besitzen sie aber große Gashydratlagerstätten in ihren Gewässern.

7. Klimawirksamkeit Gelangt Methan in die Atmosphäre, so wirkt es ähnlich wie Kohlendioxid - allerdings 3-mal stärker - als Treibhausgas und beteiligt sich an der globalen Erwärmung der Atmosphäre. Der CO2-Speicher der Atmosphäre ist mit 760 Gigatonnen zwar von beträchtlicher Größe, kann aber durch Freisetzung von Methan aus den mit 10.000 Gt geschätzten Gashydratvorkommen bei Destabilisierung erheblich moduliert und verändert werden. So könnte eine erhöhte Methanfreisetzung aus Gashydraten die Glazial-Interglazial-Schwankungen beeinflussen, wobei kontinentale Permafrostgashydrate auf Grund ihrer Temperatursensibilität eine positive Rückkopplung und die ozeanischen Gashydrate vorwiegend durch Meeresspiegeländerungen eine negative Rückkopplung haben (nach GEOMAR).

Literatur BOHRMANN, GREINERT, SUESS, TORRES (1998) „Authigenic carbonates from Cascadia subduction zone and their relation to gas stability“, Geology, Nr.7, 1998, S. 647-650

BUSSMANN, SUESS (1998), Groundwater seepage in Eckernförde Bay: Effect on methane and salinity distribution of the water column“, Continental Shelf Research 18 (1998), S.1795-1806

Geomar Forschungszentrum http://www.geomar.de

LINKE, SUESS, TORRES, MARTENS, RUGH, ZIEBIS, KULM (1992): „In situ measurement of fluid flow from cold seeps at active continental margins“, Deep-Sea Research I. Vol. 41. No.4.pp. 721-739, 1994

Mengenanteile von organischem Kohlenstoff einzelner Reservoirs auf der Erde, ohne die fein verteilten Anteile von organischem Kohlenstoff, die einen weit größeren Anteil haben (nach Kvenvolden 1988).

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Cindy Kleinickel 77

Senatskommission für Geowissenschaftliche Gemeinschaftsforschung der DFG

(1999),“Gashydrate: Energieträger und Klimafaktor“, Geotechnologien, Juni 1999, S.91-98, GFZ Potsdam

SUESS, BOHRMANN, GREINERT, LAUSCH. (1999):“Brennendes Eis“, Spektrum der Wissenschaft, Juni 1999, S.62-73

SUESS, BOHRMANN, GREINERT, LINKE, LAMMERS, ZULEGER, WALLMANN, SAHLING, DÄHLMANN, RICKERT, VON MIRBACH (1997):“Methanhydratfund von FS Sonne vor der Westküste Nordamerikas“, Geowissenschaften 15, Juni 1997, Heft 6, S.194-199

SUESS, TORRES, BOHRMANN, COLLIER, GREINERT, LINKE, TREHU, REHDER,WALLMANN, WINCKLER, ZULEGER (1999): “Gas hydrate destabilization: enhanced dewatering, benthic material turnover and large methane plumes at the Cascadia convergent margin”, Earth and Planetary Science Letters, Reprint, Elsevier

TREHU, FLUEH (2000):“Estimating the volume of sediment containing free gas beneath Hydrate Ridge, Oregon continental margin, from seismic velocities and attenuation, Submitted to „Journal of Geophysical Research, March 3, 2000“, unpubliziert?

TROFIMUK, CERSKIJ, CAREV (1981) „Neue Erdgas-Ressourcen: Gashydrate“, Wissenschaft und Fortschritt 31, S. 27-31, 1981

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78 Naturschutz und Gesetz zum Schutz des Baikalsees 1993

Naturschutz und Gesetz zum Schutz des Baikalsees 1993

Manuela Kramer

8. Geologie, TU Bergakademie Freiberg

Einleitung

Der Baikalsee hat mehr als 300 Zuflüsse aus den umliegenden Bergen. Aber nur einen einzigen Abfluss, die Angara. Der Wasseraustausch ist demzufolge sehr gering und die Gefahr von Schadstoffeintrag aus den umliegenden größeren Städten wächst stetig. Der nördliche Teil des Sees ist weitestgehend frei von Umweltbelasteten Industrien. Man kann deshalb davon ausgehen, dass 3/4 des Sees völlig unbelastet sind und eine Reinheit des Wassers weit über der der deutschen Trinkwasserverordnung liegt. Die Flora und Fauna des Baikals ist sehr eng mit der hohen Wasserqualität verbunden. Denn für die Selbstreinigung des Sees sind unzählige Flohkrebsarten verantwortlich. Diese zeichnen sich durch ihre hohe Filterleistung aus, sie filtern 83 m3 Seewasser am Tag und tragen so maßgeblich zur Selbstreinigung bei. Gleichzeitig stellen sie die Hauptnahrung unzähliger im Baikal lebender endemischen Fischarten dar. Werden diese durch toxische, von den Industrien stammenden, Stoffe in ihrer Zahl reduziert so würde früher oder später die Selbstreinigung des Sees zum erliegen kommen und der Fauna würde die Hauptnahrung entzogen werden. Um diese katastrophalen folgen zu verhindern begann man 1993 mit einem Entwurf eines Gesetzes zum Schutz des Baikals.

Gesetz zum Schutz des Baikals 1993

Die Entwicklung des Gesetzes zum Schutz des Baikals war sehr langwierig. Die ersten Umweltbewegungen stammen aus den 70iger Jahren und sind bei der damaligen russischen Regierung auf taube Ohren gestoßen. Vor 1989 beherrschten die Rüstungsfabriken und die Zellulosefabriken das Gebiet um den Baikal. Nach dem Umbruch des Landes wurden die Rüstungsfabriken geschlossen aber die Zellulosefabriken produzieren weiter und verschmutzen den Baikal nahhaltig. Im Jahre 1993 wurden die ersten Vorschläge für das nun vorliegende Naturschutzgesetz von Umweltorganisationen und Wissenschaftlern aus aller Welt gemacht. Die Regierung war natürlich nicht darüber erfreut ihre Fabriken teilweise zu schließen oder umzustrukturieren. Denn diese Maßnahmen sind mit sehr viel Geld verbunden. Bevor diese Entwürfe 1993 vorgetragen wurden, hatte die russische Regierung schon 1992 ein Gesetz verabschiedet das untersagt, die Einleitung

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giftiger Wässer in den Baikal. Die Einleitung wurde außerdem unter Strafe gestellt. Die Strafe die fast alle ansässigen Fabriken hätten zahlen müssen, wurde von der Regierung aber nicht eingetrieben, denn man wusste dass diese dann pleite währen und das wollte man von Seiten der Regierung auch nicht. Also blieb den Umweltschützern keine andere Möglichkeit als weiter zu kämpfen. Im Jahre 1996 war dann ein erster Erfolg zu verzeichnen denn in diesem Jahr wurde der Baikal von der UNESCO als Weltnaturerbe aufgenommen. An diese Aufnahme waren Bedingungen geknüpft um den Baikal als Weltnaturerbe auch zu erhalten. Diese Forderungen beinhalteten: die endgültige Verabschiedung des Baikal Gesetzes; die Umstellung der Zellulosefabriken auf eine umweltfreundliche Produktion; den Stopp der Einleitung von Industrieabfällen in den Selenga und somit in den Baikal; Reinigung der kleineren Zuflüsse um den Baikal und ihrer Uferzone; die Ausweisung von Naturschutzgebieten rund um den Baikal und die Förderung des Monitorings Baikal-Ökosystems. Von den oben genannten Forderungen wurden allerdings bis heute nur zwei umgesetzt. Zum einen die Ausweisung der Naturschutzgebiete rund um den Baikal, auf die im nächsten Punkt näher eingegangen wird. Und zum anderen die endgültige Verabschiedung des Baikalgesetzes. Dieses wurde auf drängen der UNESCO und unzähligen Umweltorganisationen 1997 endgültig verabschiedet und trat am 1. Mai 1999 in Kraft. Laut dieses Gesetzes wird die Baikalregion in drei Schutzzonen eingeteilt. Die erste Zone und wichtigste ist die Zentrale Zone. Diese schließt die Wasserfläche des Sees und die Inseln sowie die seenahen Wasserschutzgebiete ein. Außerdem zu dieser Zone gehören die Naturschutzgebiete und Nationalparks. Sie hat eine Größe von 25 – 50 km um den Baikalsee. In dieser Zentralen Zone sind der Bau und die Inbetriebnahme von Atomkraftwerken, Zellulose-, Metall- und Chemiefabriken und die Nutzung für Militärische Zwecke verboten. Die hier aufgeführten Verbote gelten für die gesamte Zentrale Zone, doch leider sind nach in Krafttreten des Gesetzes 1999 diese noch nicht verwirklicht worden. Die Zweite Zone ist die Pufferzone, sie umfasst das Wassersammelbecken des Sees sowie das Einzugsgebiet (571 000 km2) der großen Flüsse am Ostufer. In dieser Zone gelten strenge auflagen für Industrie und Landwirtschaft. Die dritte Zone ist die Zone der atmosphärischen Einflüsse. Diese liegt außerhalb des Wassersammelbeckens und erstreckt sich 200 km westlich um den Baikalsee. Das wichtigste und bedeutendste des Gesetzes ist vor allem die Einschränkung der anthropogenen Belastung des Ökosystems des Sees. Auch sind chemische Verschmutzung, Eingriffe in die Landwirtschaft um den See, biologische Einwirkungen und die Einleitung artfremder Stoffe in den Baikalsee und seiner Zuflüsse untersagt. Die Umsetzung und die Finanzierung des Gesetzes laufen allerdings sehr langsam an. Die Ursachen hierfür kann man in der miserablen finanziellen und ökonomischen Entwicklung des Landes suchen. Außerdem ist das Baikalgesetz nicht durch staatliche Mittel finanzierbar und ist somit nur sehr schwer umsetzbar. Doch ist durch dieses Gesetz und die Schutzmassnahmen des Baikalsees das Umweltbewusstsein der dort lebenden Bevölkerung gestiegen. Und diese wird für die Durchsetzung des Gesetzes kämpfen. Des Weiteren wurde ein Beschluss, der nicht im Baikalgesetz verankert ist, verabschiedet, dass bis zum Jahre 2007 alle Zellulosefabriken einem geschlossenen Wasserkreislauf angeschlossen werden und auf hochgiftige Chlorverbindungen verzichten müssen. Und bis zum Jahre 2015 soll dann die gesamte Zelluloseproduktion in der Baikalregion eingestellt sein. Diese verabschiedeten Gesetzte, Bestimmungen und Verbote sind allerdings nur so gut wie die Kontrolle durch die Regierung in Moskau. Die Beziehungen zwischen der Baikalregion und dem Zentrum in Moskau kann man nicht gerade als sehr gut bezeichnen. Deshalb vollzieht sich die Umsetzung dieser Bestimmungen nur sehr langsam. Aber auch kleine Fortschritte tragen zum großen Erfolg des Schutzes der Baikalregion und des Baikalsees bei. In der untenstehenden

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80 Naturschutz und Gesetz zum Schutz des Baikalsees 1993

Abbildung 1 sieht man eine Karte des Baikalsees mit den größten Städten der Region und den oben erwähnten drei Schutzzonen.

Abbildung 1: Die Schutzzonen des Baikalgesetzes (verändert nach

Baikalinformationszentrum GRAN)

Naturschutzgebiete

Im Jahre 1996 wurde der Baikal als Weltnaturerbe der UNESCO anerkannt. An diese Anerkennung waren einige Rahmenbedingungen geknüpft. Außer das Inkrafttreten des Baikalgesetztes wurde gefordert, dass rings im den Baikal Naturschutzgebiete ausgewiesen werden. Einige Naturschutzgebiete existieren schon sehr lange und einige sind im Zuge dieser Maßnahmen erst neu entstanden. Im Folgenden werden nun die sieben Naturschutzgebiete welche den Baikal umringen näher erklärt.

Tunkinski Nationalpark Der 1991 neu angelegte Tunkinski Nationalpark liegt an der Südspitze des Baikals und stellt die Weiterführung des Baikalgrabens dar. Er wird von den Städten Baikal’sk und Sljudjanka, welche direkt am See liegen, eingeschlossen. Und erstreckt sich bei mehr als 40 km Breite bis hin zur russisch – mongolischen Grenze. Eine weitreichende Taigalandschaft wird hier durch den Nationalpark vor illegalen Jägern, Holzfällern und Bergläuten geschützt. Die russische Regierung plant nun völlig unbeeindruckt von Umweltorganisationen und Wissenschaftlern die Verlegung

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Manuela Kramer 81

einer Ölpipeline genau durch diesen Nationalpark. Dieses Vorhaben soll 2500 km lang werden und soll zwischen Russland und China durch seismisch aktive Zonen führen. Und außerdem durch eine unberührte und einzigartige Taigalandschaft im Tunkinski Nationalpark verlaufen. Dieses Ölpipeline – Projekt ist allerdings von Seiten der Regierung erst in der Planung und die Unzähligen Organisationen hoffen, dass es nicht verwirklicht wird. Denn es verstößt gegen russisches Gesetz der Unversehrtheit von Nationalparks, was hier in Russland aber noch nicht heißt, dass ein Bauvorhaben aufgegeben wird.

Zabajkalski Nationalpark Unweit des Angara in Richtung NE am Flussufer entlang gelangt man zum Zabaikalski Nationalpark. Dieser erstreckt sich über die Insel Olkhon am Westufer und der Heiligen Nase am Ostufer bis hin zum Fluss Barguzin. Das Ökosystem der beiden genannten Inseln ist einzigartig und beherbergt unzählige endemische Tier- und Pflanzenarten.

Pribajkalski Nationalpark Dieser durch seine Gebirgszüge gekennzeichnete Nationalpark liegt in etwa gegenüber der Heiligen Nase am Westufer des Baikals und wurde 1986 in Leben gerufen. In diesen Gebirgszügen entspringen unzählige Flüsse und Bäche die gen Norden fließen, und somit das Umliegende Taigagebiet mit Wasser versorgen. Um diese Regionen vor allen vor illegalen Jägern und Holzfällern zu schützten wurden diese großflächigen Nationalparks angelegt.

Bajkalo – Lenskij Nationalpark Dem Namen nach kann man schon erkennen, dass dieses Reservat das Gebiet beherbergt in dem die Lena entspringt. Die Lena ist mit über 4200 km einer der längsten Flüsse Russlands. Dieses Naturschutzgebiet liegt am nördlichen Westufer der See inmitten der Bajkals’ki Gebirgszüge und wurde 1986 gegründet. Auch hier handelt es sich um nahezu unberührtes Gebiet, welches durch diese Nationalparkprogramme geschützt und seine Unversehrtheit garantiert werden soll.

Barguzinskij Nationalpark Das Barguzinskij Naturschutzgebiet ist das älteste seiner Art in Russland und wurde 1916 gegründet. Es erstreckt sich auf 375 000 ha von der nördlichen Osthälfte es Baikalufers über die angrenzende Baikaltaiga und den westliche Teil des Barguzingebirges. Die Gründung des Nationalparks geht zurück auf die Zucht des Zobels in diesen Jahren. Deren Bestand ging damals sehr stark zurück und man wollte ihn wegen des Handels mit seinem Fell schützen und erhalten. Zum ältesten Naturreservat Russlands gehören auch die Uškan’i – Inseln, welche im See vor der Heiligen Nase liegen. Denn diese Inseln sind die Aufenthaltsorte der Baikalrobben. Der geschützte Wildbestand in diesem Gebiet beläuft sich auf etwa 10 000 Tiere und davon sind 250 Tiere Bären. In der unten stehenden Tabelle 1 wird die Artenvielfalt dieses Naturschutzgebietes deutlich.

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82 Naturschutz und Gesetz zum Schutz des Baikalsees 1993

Tabelle 1: Artenvielfalt des Barguzinskij - Naturschutzgebietes

Grö

ße

Grü

ndun

gs-

jahr

Am

phib

ien

Vög

el

Fisc

he

Säu

getie

re

Rep

tilie

n

Pfla

nzen

3586 km2 1916 3 269 44 41 6 723

Selenga – Delta Der Selenga am östlichen Ufer ist der größte Zufluss in den Baikal. Das Deltagebiet hat ein Ausmaß von 546 km2 und der Selenga selbst hat eine Länge von mehr als 1000 km gehört deshalb zum zentralen Wassereinzugsgebiet des Baikals. Warum dieses Deltagebiet als Naturschutzgebiet ausgewiesen wurde wird deutlich wenn man bedenkt das der Selenga aus Ulaan – Baatar kommt und von dieser Millionenstadt die Abwasser und der Verschmutzung mit in den Baikal bringt. Man möchte mit dieser Schutzgebietsausweisung die Brutstätten der unzähligen Vogelarten schützen. Denn dieses Gebiet wird jährlich 2-mal von etwa 5 Millionen Zugvögeln als Raststätte auf den Weg in den Süden genutzt. Die hier in den Rastzeiten am häufigsten zu findenden Vogelarten sind Gluckente, Kragenente, Schwanengans, Steppenschlammläufer, Kaiseradler, Schelladler, Störche, Schwäne, Möwen, Kiebitze, Rohrdommeln, Sperlinge und tausende Zwergsägerpaare. Das Delta ist für Zugvögel oder Wasservögel sehr günstig gelegen, weil es hier auf den umliegenden Inseln viele Fische und Insekten gibt. Die Artenvielfalt umfasst nicht nur Vogelarten sondern auch bis zu 400 Pflanzenarten und 180 Wirbeltierarten.

Bajkal’skij Nationalpark Um das komplexe Ökosystem der Uferzone des Baikals zu bewahren war es auch hier nötig ein Schutzgebiet einzurichten. Das Naturschutzgebiet liegt inmitten des Ardaban – Gebirges an der Südspitze des Baikals. Um auch hier die einzigartige Natur zu erhalten und vor den Industrieeinflüssen des Südens zu schützen wurde 1969 dieses Naturschutzgebiet angelegt. In der untenstehenden Tabelle 2 soll nun noch einmal die Artenvielfalt dieses Naturschutzgebietes deutlich werden.

Tabelle 1: Artenvielfalt des Bajkal’skij - Naturschutzgebietes

Grö

ße

Grü

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gs-

jahr

Am

phib

ien

Vög

el

Fisc

he

Säu

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Pfla

nzen

2005 km2 1969 3 251 12 49 3 771

Man kann deutlich den Unterschied im Fischbestand zum Nationalpark Barguzinskij erkennen. Diese sind möglicherweise auf die starke Industrialisierung des Südens zurückzuführen. Denn die Industrien im Süden sind die Hauptverschmutzer des Baikals, auf diese im nächsten Abschnitt näher eingegangen wird.

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Manuela Kramer 83

Abbildung 2 zeigt die oben beschriebene Lage der Naturschutzgebiete rund um den Baikalsee.

Abbildung 2: Lage der Naturschutzgebiete rund um den Baikal (verändert nach

Baikalinformationszentrum GRAN’)

Hauptumweltverschmutzer des Baikalsees

Als Hauptverursacher der Umweltverschmutzung am, im und rund um den Baikalsee gelten an erster Stelle die Zellulose-, Metallverarbeitenden- und Düngemittelindustrien im Süden des Baikals. Würde man den Stand der Technologien, welche in den Industrien eingesetzt wird nach internationalen Gesichtspunkten betrachten müsste man 90% sofort schließen. Eines der größten Probleme neben den Abwässern ist die Luftverschmutzung. Durch die in der Region sehr starken Jahreszeitlichen Temperaturschwankungen ist es sehr schwierig

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84 Naturschutz und Gesetz zum Schutz des Baikalsees 1993

geeignete Luftfilter für die entsprechenden Anlagen zu finden die dann noch zuverlässig arbeiten. Die Abwasserreinigung ist so gut wie nicht vorhanden und das Abwasser wird mehr oder minder ungeklärt in den See geleitet. Um die größte Zellulosefabrik in Bajkal’sk ist ein 250 km2 großes verseuchtes Gebiet im Süden des Baikals entstanden nur durch Einleitung der Abwässer. Die Abwasserbeseitigung stellt im gesamten Bereich des Baikals ein Problem dar, denn im nördlichen Teil herrscht Permafrostboden. Es gestaltet sich dann problematisch ein Kanalsystem zu installieren. Von der 1966 gebauten Zellulosefabrik in Bajkal’sk werden täglich 210 000m3 Abwässer in den See geleitet. Schon damals beim Bau dieser Fabrik waren sehr viele Menschen gegen den Bau. Die größte Umweltbelastung geht von der eingesetzten Chlorbleiche aus. Nicht nur die erwähnten Chlorverbindungen gelangen in den See sondern auch Dioxine (wurden im Fett der Baikalrobbe nachgewiesen) und Phenole. Der als Abfallprodukt entstehende Klärschlamm, bevor das Abwasser in den See geleitet wird, lagert schon seit Menschengedenken auf dem Gelände der Zellulosefabriken unweit des Sees. Von diesem gelangen dann Cadmium, Blei und auch Quecksilber in den Boden und dann in den See. Auch die Klärbecken haben in Sachen Sicherheit und Technik nichts mit internationalen Richtlinien zu tun. Seit 1992 ist zwar die Einleitung giftiger Abwässer in den See unter Strafe gestellt, doch es kümmert sich keiner um die Kontrolle, dass dieses Verbot auch eingehalten wird. Einige Wissenschaftler haben Theorien aufgestellt, dass, wenn die Fabriken nach 30 Jahre ungehindert Zellulose produzieren, dann der See endgültig kaputt ist. Durch den sehr hohen Wasserverbrauch dieser Fabriken wurde von der russischen Regierung beschlossen, dass bis 2007 alle Zellulosefabriken an einen geschlossenen Wasserkreislauf angeschlossene werden müssen. Allein die erwähnte Fabrik in Bajkal’sk verbraucht täglich 400 000m3 Wasser. Um den Wasserverbrauch einzuschränken und den See zu entlasten wurden die Bestimmungen erhoben. Und weiterhin soll dann bis 2015 die gesamte Zelluloseproduktion eingestellt werden und auf Umweltfreundliche Industrien umgerüstet werden. Dies ist wiederum mit sehr viel Geld von der russischen Regierung verbunden und ob die Vorhaben Realisiert werden ist abzuwarten.

Auch zu nennen sind die gesundheitlichen Folgen der Umweltbelastung. Zum einen treten gehäuft Entwicklungsstörungen bei Kinder und Immunsystemschwächen bei Kindern und Erwachsenen auf. Zum anderen zu beobachten sind verschieden Krebsarten die auf die oben erwähnten toxischen Stoffe wie Dioxine, Phenole und Chlorverbindungen zurückzuführen sind. Außerdem treten Missbildungen und Unfruchtbarkeit auf.

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Nils Ohly 85

Irkutsk und seine Universität

Nils Ohly

8. Maschinenbau, TU Bergakademie Freiberg

Lage von Irkutsk

Irkutsk befindet sich in 60 km Entfernung des Baikalsees an den Zuflüssen des Irkut und der Usakovka in die Angara auf ungefähr der halben Strecke zwischen Moskau und dem Pazifischen Ozean. Heutzutage hat Irkutsk 640.000 Einwohner.

Abbildung 1: Lage von Irkutsk

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86 Irkutsk und seine Universität

Geschichte Irkutsks

Irkutsk wurde erstmals 1652 als Winterlager russischer Kosaken erwähnt. Als Gründungsjahr wird 1661 genannt als eine Festung am Ufer der Angara errichtet wurde. Schon ein Jahr später wird von der Zobeljagd, dem erfolgreichen Ackeranbau und dem ersten gezimmerten Getreidespeicher berichtet. Im Folgenden wurde Irkutsk zu einem Zentrum der russischen Expansion in der Region und der Ausdehnung des Zarenreichs nach Osten.

1686 wurde Irkutsk mit über 1000 Einwohnern das Stadtrecht verliehen. Im 18. Jahrhundert wurde Irkutsk zu einem wichtigen Handelsplatz, so dass es 1760 an den Moskauer Trakt, einer organisierten Reiseroute mit an Tagesreisen angepassten Stationen zur Unterkunft und zum Pferdetausch, angeschlossen wurde. Die wichtigsten Handelsgüter waren neben den sibirischen Pelzen chinesischer Tee und Seide.

In Folge wurde Irkutsk zum Ausgangspunkt für die weitere Eroberung Sibiriens in Richtung Osten und Nordosten. Wie St. Petersburg das Fenster nach Westen war, wurde Irkutsk das Fenster nach Osten und zum Zentrum Ostsibiriens.Schon im 19. Jahrhundert war Irkutsk die größte Stadt Sibiriens.Als administratives Zentrum wurde Irkutsk auch zu einem wichtigen Umschlagplatz in der zaristischen Verbannung, die die Bergwerke und Minen Transbaikaliens mit Zwangsarbeitern versorgte.

Die wichtigsten und kulturell bedeutendsten waren die Dekabristen. Nach einem Aufstand in St. Petersburg gegen Zar Nikolaj I. im Geiste der französischen Revolution am 14. Dezember 1825 (russ.: dekabre´) wurden die meist adligen Offiziere entweder exekutiert oder in die Zwangsarbeit nach Sibirien deportiert. Die Deportation der Dekabristen erfolgte zunächst zur Zwangsarbeit in die Silberbergwerke östlich des Baikalsees und dann in die damals noch kleine Festung Cita. Nach der Umwandlung der Strafe zur Zwangsarbeit in die der Zwangsansiedelung blieben viele Dekabristen in Irkutsk, das zu dieser Zeit auch das Paris Sibiriens genannt wurde. Unter diesen waren zum Beispiel die ehemaligen Zarenoffiziere Trubeckoj und Volkonskij. Deren Häuser wurden durch Empfänge, Lesungen, Musikabende und Theateraufführungen zu Zentren der Irkutsker Gesellschaft. Dadurch beeinflussten sie die geistig- kulturelle Entwicklung der Stadt nachhaltig und wurden zum Inbegriff für den Geist der Freiheit gegen den zaristischen Absolutismus.

Ab 1857 mit der Eröffnung der ersten Fähre über die Angara und der Ausdehnung der Stadt auf das andere Ufer begann ein wirtschaftlicher Aufschwung und die Stadt boomte. Allerdings wurde bei einem Großbrand vom 22. bis zum 24. Juli 1879 zwei Drittel der Stadt zerstört. Der Wiederaufbau auf Befehle des Zaren wurde durch einen durch Goldfunde im Irkutsker Gebiet ausgelösten Boom unterstützt. Die schönsten Seiten des Stadtbildes stammen aus dieser Zeit. Wirtschaftliche Impulse kamen danach noch durch den Bau der Transsibirischen Eisenbahn mit einer regelmäßigen Verbindung von Moskau nach Irkutsk ab Oktober 1905.

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Nils Ohly 87

Abbildung 2: Blick auf Irkutsk und die Angarabrücke mit Bahnhof im Vordergrund

(damals und heute)

Nach der Oktoberrevolution 1918 und der Vertreibung der Weißgardisten 1920, die zwischenzeitlich die Macht über Irkutsk erlangt hatten, begannen die sowjetischen Jahre. In den dreißiger Jahren waren der Aufbau und die Zerstörung vieler Kirchen in Irkutsk durch die Vorgaben der Politik Stalins geprägt. Die Stadtbrücke über die Angara wurde 1936 fertig gestellt, der Flughafen wurde eröffnet, mit dem Bau der Flugzeugfabrik wurde begonnen und verschiedene Institute wurden gegründet.

Pläne für die Wasserkraftnutzung nahmen Gestallt an und wurden in den fünfziger Jahren mit dem Bau der Kraftwerkskaskade an der Angara verwirklicht. Noch heute ist Irkutsk- énergo, der örtliche Energieversorger, das größte Unternehmen in Irkutsk. Daneben hat noch die Pelzverarbeitung, die Textil- und auch die Luftfahrtindustrie eine große Bedeutung.

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88 Irkutsk und seine Universität

Irkutsk heute

Legende:

1 Flughafen 5 Angarabrücke (im Bau)

2 Bahnhof 6 Museum „Eisbrecher Angara“

3 Hafen 7 Museum für Stadtgeschichte

4 Staudamm 8 Geologiemuseum und Universität

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Legende:

1 Bahnhof 13 Dekabristenmuseum (Volkonskij- Haus)

2 Busbahnhof 14 Dekabristenmuseum (Trubeckoj- Haus)

3 Gebietsadministration (Graues Haus) 15 Gemäldegalerie (Kunst Sibiriens)

4 Zarendenkmal 16 Galerie des Künstlerverbandes

5 Weißes Haus (Universitätsbibliothek) 17 Kreuzkirche

6 Schauspielhaus 18 Erlöserkirche

7 Ostsibirische Eisenbahnverwaltung 19 Gotteserscheinungskirche

8 Philharmonie 20 Katholische Kirche

9 Musiktheater 21 Pfingstkirche

10 Jugendtheater 22 Parkeisenbahn / Eisenbahnmuseum

11 Heimatkundemuseum 23 Fußgängerzone

12 Naturkundemuseum 24 Markt

Die Hauptstraße von Irkutsk ist die Karl- Marx- Straße. Diese Magistrale verläuft an der Stelle der alten Festungspalisade, die mit den Flüssen Angara im Westen und Usakovka im Norden die Befestigung des alten Irkutsk bildete. Von hier aus abzweigend führt die ul. Lenina zum Kirov- Platz und weiter zur einen Bogen ziehenden Angara. Der Platz ist heute das administrative Zentrum mit dem „Grauen Haus“ als Sitz der Gebietsadministration.

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90 Irkutsk und seine Universität

Der Name „Graues Haus“ ist eine Anlehnung an das Washingtoner Zentrum der politischen Macht. Da jedoch der Name „Weißes Haus“ in Irkutsk schon an die heutige Universitätsbibliothek vergeben war, in der von 1837 bis 1917 der Sitz des Generalgouverneurs von Ostsibirien untergebracht war, nennt man das heutige örtliche Machtzentrum „Graues Haus“. Vor der stalinistischen Herrschaft stand an dieser Stelle noch die 1892 errichtete Kazaner Kathedrale, einer der bedeutendsten Kirchenbauten Russlands. Diese wurde jedoch 1932 unter der stalinistischen Herrschaft, wie viele andere Kirchen in Irkutsk auch, gesprengt. Zur Jahrhundertwende wurde die Silhouette der Stadt von über 20 Kirchen bestimmt. Heute sind von den größeren Kirchen nur noch 7 übrig geblieben.

Ebenfalls am Kirov- Platz gelegen sind einige Hotels, in deren Foyers Bankautomaten aufgestellt sind. Die ul. Urickogo zweigt ebenfalls von der ul. Karla- Marksa ab. Diese ist die einzige Fußgängerzone mit vielen Geschäften und Restaurants und führt zum größten Kaufhaus sowie zum Markt in Irkutsk. Sehenswert sind auch die alten noch erhaltenen Holzgebäude mit den reich verzierten Holzbalken in der ul. Marata. Der Flughafen befindet sich am südöstlichen Stadtrand. Mit dem Trolleybus Nr. 4 oder dem Bus 20 kann man ins Stadtzentrum gelangen.

Irkutsk bietet eine Vielzahl von Museen, darunter das Dekabristenmuseum in den Häusern der Familien Trubeckoj und der Familie Volkonskij, das 1782 gegründete Heimatmuseum als das älteste Museum und das größte Mineralogiemuseum Sibiriens der Staatlich Technischen Universität Irkutsk.

Abbildung3: Blick in das Mineralogiemuseum der Staatlich Technischen Universität

Irkutsk

Neben einer ausführlichen allgemeinen Geologieabteilung gibt es eine spezielle Abteilung über die Minerale Sibiriens, wie zum Beispiel eine große Caroit- Sammlung. Der Caroit ist ein violetter Halbedelstein, der bisher nur in einem einzigen Fundort im Tal des Lena- Nebenflusses Cara im Dreiländereck zwischen den Gebieten Irkutsk, Cita und der Republik Jakutien gefunden wurde

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Staatlich Technische Universität Irkutsk

Abbildung 4: Hauptgebäude der Staatlich Technischen Universität Irkutsk

Die Universität wurde am 27. Oktober 1918 mit den zwei Fakultäten für Geschichte und für Recht gegründet. In den Anfängen bis 1930 hieß die Universität noch Institut für Bergbau und Metallurgie, danach wurde dieses mit weiteren wissenschaftlichen Einrichtungen zum Polytechnischen Institut zusammengefasst und 1993 in Staatlich Technische Universität Irkutsk umbenannt.

Heutzutage besitzt die Universität mit dem Hauptsitz in der ul. Lermontova 83 elf Falkutäten mit insgesamt 9000 bis 11000 Studenten in den Bereichen Biologie, Geographie, Geschichte, Physik, Sprachwissenschaften und Journalismus, Chemie, Sozialwissenschaften, Dienstleistung und Werbung, Psychologie, Internationale Beziehungen und der Geologie. Die Fakultät für Geologie gliedert sich in die Institute für Angewandte Geologie, Mineralogie und Petrologie, Technische Mineralogie, Geologie und Geophysik und Brennstoffgeologie.

Abbildung 5: Übersichtsplan der Staatlich Technischen Universität Irkutsk


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